Steht man auf dem Schlossberg und genießt die weite Sicht über das historische Stadtzentrum, versteht man, warum die westukrainische Stadt Lwiw (Lemberg) einst als das „Florenz des Ostens“ bekannt war. Ein Meer aus grünen, silbernen und kupfernen Kirchtürmen ist zu sehen, die zu Kirchen der unterschiedlichsten Architekturstile gehören und sowohl katholische als auch orthodoxe Kreuze tragen.
Lwiw wurde jahrhundertelang abwechselnd von Polen oder Österreich beherrscht und geriet im Zweiten Weltkrieg unter die Herrschaft der Nationalsozialisten, später unter die der Sowjets. Als die Sowjetunion 1991 in sich zusammenfiel, nahm die Stadt sofort die Rolle des kulturellen und spirituellen Zentrums der jetzt unabhängigen Ukraine an – ein patriotischer, ukrainisch sprechender, nach Westen ausgerichteter Gegenentwurf zum russlandtreuen Osten des Landes.
Verglichen mit Kiew (siehe → hier) wurde Lwiw im Krieg weniger zerstört, doch als die Unabhängigkeit kam, hatten Jahre sowjetischer Vernachlässigung eine bröckelnde, verblichene Schönheit hinterlassen. Es dauerte mehr als ein Jahrzehnt, bis die Stadt herausgeputzt war und aus dem Dornröschenschlaf erwachte. Heute hat das Florenz des Ostens (auch das „neue Prag“) seine Pracht zurück, ist aber trotzdem noch ein Geheimtipp in Europa – eine noch nicht überlaufene Stadt voller Kultur.
Die Altstadt dreht sich um den Marktplatz (Ploschtscha Rynok) und das Rathaus (19. Jh.). Er ist gesäumt von einer kompletten Reihe schöner Bürgerhäuser des 16. Jh., geschmückt mit Wasserspeiern, Heiligen und den Porträts der früheren Besitzer. Überhaupt macht die Mischung aus Renaissance-, Barock-, Rokoko- und neoklassizistischen Häusern die Stadt zu einem architektonischen Kleinod. Vom 64 m hohen Rathausturm hat man eine Rundumsicht, und in den Cafés schmeckt das kalte Livske-Bier.
In den Gassen, die vom Marktplatz abgehen, gibt es kleine Museen, eine Gedenkstätte zur verschwundenen jüdischen Gemeinde und pittoreske Innenhöfe. An jeder Ecke lockt ein Café oder eine Feinbäckerei im Wiener Stil, was an die Tage des österreichisch-ungarischen Reiches anknüpft.
Jeder der großartigen Kirchen hat ihre eigene Persönlichkeit: Die Armenische Marienkathedrale von 1363 ist die elegante Grande Dame; Mariä Himmelfahrt verströmt florentinisches Flair; die St.-Andreas-Kirche ist ein Beispiel für Barockopulenz. Direkt neben dem Marktplatz liegt die ehemalige Dominikanerkirche mit üppiger Barockausstattung unter einer berühmten Rokokokuppel. Machen Sie mit bei der Suche nach der Kanonenkugel, die in der Mauer der Himmelfahrtskathedrale stecken soll.
WO: 80 km östl. der polnischen Grenze; 541 km westl. von Kiew. INFO: www.tourism.lviv.ua. UNTERKUNFT: Im schicken neuen Hotel Leopolis, hinter dem Marktplatz, ist man direkt mittendrin. Tel. +380/32-295-9500; www.leopolishotel.com. Preise: ab € 233. REISEZEIT: Mai–Sept.: bestes Wetter.