988 heiratete Wladimir der Große, Fürst der aufstrebenden Kiewer Rus, eine byzantinische Prinzessin und christianisierte daraufhin sein Volk, womit er den Grundstein für ein geeintes Russland legte. In den folgenden 2 Jahrhunderten sollten die Kiewer Rus einen Großteil des heutigen europäischen Russlands, der Ukraine und Weißrusslands erobern. Die Hauptstadt Kiew entwickelte sich zur Zentrale für das orthodoxe Christentum an den Ufern des Dnepr; viele byzantinische Kathedralen und Klöster schossen in und um Kiew wie Pilze aus dem Boden. Viele der prächtigsten standen auf einem langen, grünen Hügel am rechten Dnepr-Ufer. Wie beeindruckt müssen Besucher gewesen sein, die vom Boot aus die Zwiebeltürme zum ersten Mal sahen, die sich da am Hang spektakulär hintereinanderstaffelten!
Die erste große Kirche in Kiew war die Sophienkathedrale (Sofiyski Sobor), der Hagia Sophia in Konstantinopel (siehe → hier) nachempfunden. Sie steht noch, und auch die Fresken aus dem 11. Jh. sind noch vorhanden. Die größte Attraktion der Stadt ist aber das Kiewer Höhlenkloster (Kievo-Pechers’ka Lavra). Es wurde 1051 von dem einflussreichen griechischen Intellektuellen Antonij gegründet. Auch schuf er das verzweigte Höhlennetz unter den Klostergebäuden als Studien- und Meditationszellen für die Mönche. Wenn ein Mönch starb, blieb sein Körper einfach dort und wurde durch die kühle, trockene Höhlenluft mumifiziert. Heute umfasst das Kloster, das immer noch das wichtigste religiöse Zentrum der Ukraine bildet, ein 28 ha großes, majestätisches Areal am Dnepr. Touristen und Pilger, die die Höhlen besuchen, tragen Kerzen, wenn sie still zwischen den engen, unheimlichen Krypten umhergehen, wo die mumifizierten Hände und Füße der Mönche aus ihren Gewändern hervorschauen.
Über der Erde ist der riesige Lawra-Komplex ein Fest fürs Auge. Ein großer barocker Glockenturm mit einer glänzenden Goldkuppel dominiert mit seinen über 90 m Höhe die Skyline. Von oben schaut man auf die Kirchen, Türme und Dormitorien des Klosters. Das Herzstück der Anlage, die Uspenski-Kathedrale, war nach der Sophienkathedrale Kiews zweitgrößte Kirche. Sie wurde im 11. Jh. erbaut und bis zum Jahr 2000 wiederaufgebaut, nachdem sie in der Sowjetära zerstört worden war. Eines der vielen Museen der Lawra ist das Museum der historischen Kostbarkeiten der Ukraine, das eine Vielzahl an kostbaren Edelsteinen und Antiquitäten ausstellt, darunter alten Goldschmuck der Skythen, eines nordiranischen Reitervolks. Im bizarren Museum der Mikro-Miniaturen schaut man durch Mikroskope, um winzige Objekte zu betrachten, z. B. ein Schachspiel auf einem Stecknadelkopf oder einen Floh mit goldenen Schuhen.
INFO: www.lavra.ua. UNTERKUNFT: Das Hyatt Regency mit Aussicht auf die Kathedrale ist das luxuriöseste Hotel der Stadt. Tel. +380/44-581-1234; www.kiev.regency.hyatt.com. Preise: € 278. REISEZEIT: Apr.–Mai, Sept.–Okt.: gutes Wetter; 18./19. Jan.: Dreikönigenfeier, bei der die orthodoxen Gläubigen Wladimirs Kiewer Massentaufe gedenken, indem sie sich in den zugefrorenen Dnepr stürzen.