Rückübersetzung
Über Herbert Marcuse
Ich kenne Herbert Marcuse seit dreißig Jahren, wir wurden Freunde, als ich im Frühjahr 1938 nach Amerika übersiedelte. Spontan näherte uns das gemeinsame Interesse der Arbeiten, die wir für das Institut für Sozialforschung in Frankfurt über benachbarte Themen verfolgt hatten, einander an. Hinzu kam eine große persönliche Sympathie. Ich kannte ihn seit jeher als einen Mann von großer Integrität und zivilem Sinn, dazu mit einer Ironie begabt, die seinen geistigen Radikalismus von ›Fanatismus‹ fernhielt.
Von seinen Arbeiten schätze ich als besonders nützlich alle, die zu seiner fruchtbarsten Periode gehören, namentlich den Beitrag zu der Studienreihe über »Autorität und Familie«, den Aufsatz, der den Titel »Zur Kritik des Hedonismus« trägt, und ganz besonders den Traktat »Über den affirmativen Charakter der Kultur«, eine der besten Früchte unserer Frankfurter Schule.
In den letzten Jahren wurde viel über angebliche Differenzen zwischen uns geredet. Ich denke, dabei handelte es sich eher um eine Frage divergierender Temperamente denn theoretischer Differenzen. Hier liegt der Grund, warum manche ihm heute vorwerfen, ein resignierter Mann zu sein – eine Anklage, die ein paar Jahre früher noch gegen mich gerichtet war. Ich hoffe, daß uns bald die Gelegenheit gegeben wird, abschließend und erschöpfend die Probleme zu diskutieren, die uns auf unterschiedlichen Positionen sehen. Der Vortrag, den Marcuse auf dem Heidelberger Soziologentag 1964 hielt, war ein Meisterwerk.
(Aus dem Italienischen von Heinz-Klaus Metzger)