Marginalien zu Mahler

 

Bei Gelegenheit des fünfundzwanzigsten

Todestages: 18. Mai 1936

 

Grabschrift

Herz das sich nicht halten kann

Träne die das Leuchten hält

Untergang du Überschwang

Sprenge Stein und Welt.

 

Warum Mahler, nach jenen Gedichten Rückerts, die »Kindertotenlieder« schrieb, verstand ich, als zum ersten Mal im Leben ein geliebter Mensch mir starb. Das Gefühl darin, mit mächtigem Bogen bis zum Zerreißen zusammengebogen aus Zärtlichkeit des Nächsten und Verlieren ins Fernste, hat sein Maß nicht am individuellen Unglück, wie es Kinder zu den Toten versetzt. Wohl aber sind die Toten unsere Kinder. Die Aura des nicht Gewordenen, die als Schein von Heiligkeit um die sich legt, welche früh starben, erlischt auch den Erwachsenen nicht. Sie vermag aber deren zerstreutes und preisgegebenes Leben anders nicht mehr zusammenzuschließen, als indem sie es verkleinert. Das geschieht an den Toten durch Erinnerung. Sie strähnt den Hilflosen das Haar, bringt Speise dem vernichteten Mund, wacht über den Schlaf der nicht mehr Erwachenden. Wie sie wehrlos unserer Erinnerung ausgeliefert sind, so ist unsere Erinnerung als einzige Hilfe ihnen gelassen; in sie entschlafen sie, und gleicht jeder Tote einem, der von den Lebenden ermordet wurde, so doch auch wieder einem, den sie zu retten haben, ohne zu wissen, ob es je noch gelingt. Auf die Rettung des Möglichen, doch Ungewesenen zielt Erinnerung ab. Das gibt dem »Lied von der Erde« sein Gesetz: wenn die Musik des vierten Satzes der Schönheit mit wenigen Klarinettentakten nachschaut, ist es, als wäre durch Erinnerung alles versäumte Glück verkleinert in diesen Takten aufgehoben. Die Toten werden in Kinder transfiguriert, denen das Mögliche noch möglich wäre, weil sie nicht gewesen sind. In den »Kindertotenliedern« vollends ist diese Transfiguration notiert. »Oft denk ich, sie sind nur ausgegangen«; nicht weil sie Kinder waren, sondern weil fassungslose Liebe den Tod einzig zu fassen vermag, als wäre der letzte Ausgang der von Kindern, heimkehrenden. Nur als für Kinder können wir für die Toten hoffen.

 

Wollte man es wagen, in einem Wort das Formgesetz für Mahlers Musik auszusprechen – jene extensive Totalität, die der bannenden Formel gründlicher sich entzieht als jede andere –, so möchte man dies Gesetz die Variante nennen. Von der Variation im Sinne Beethovens, Brahmsens, auch Schönbergs ist sie so grundtief verschieden wie die beschwörende Gestik Mahlers von jeglicher Formimmanenz. Denn seine Variante kennt nicht, gleich der Variation, ein aufgestelltes und formverbindliches Modell, an dem sie dialektisch eingreifend sich erprobte. Sein Ausbruchsversuch aus dem bürgerlichen Musikraum verwirklicht technisch sich vielmehr, indem er dem Thema als Objektivation, als musikalischem Ding gewissermaßen, die Geltung nimmt. Es wird in Trümmer geschlagen, in jene Banalitäten, an denen aller mittlere Geschmack sich ärgert; die Trümmer der Dingwelt aber in den Lavastrom der Intention hineingeschleudert, damit sie jegliche in sich verhärtete Gestalt verlieren. Mahler greift zurück auf eine musikalische Märchenzeit: als es noch keine Themen als festen Besitz gab. So kennt er selber keine fixierten; die Variante als kleine Abweichung und prosaische Unregelmäßigkeit läßt alle beweglich auseinander hervorgehen, ineinander verschwinden; Musik als Unmittelbarkeit unterhalb jeglichen Kanons der Objektivation sucht spontan sich herzustellen. Deshalb ist es unverantwortlich, ihn stil- und selbstgerecht ins neunzehnte Jahrhundert zu verweisen, bloß weil er gern Hörnersätze schrieb und einigen seiner frühen Stücke Erläuterungen beigab, mit denen die Musik selber mehr nicht gemein hat als Bach mit Brockes. Freilich hat jene historische Tendenz wiederum ihren guten, nämlich bösen Grund. Denn der geschmähte Romantiker war unromantisch genug, den Rückgriff auf die Unmittelbarkeit nicht im Namen der Restitution irgend entsunkener Seinsstände zu unternehmen, sondern in Kraft des eigenen Bewußtseinsstandes. Seine Kritik der musikalischen Verdinglichung ist nicht eine, die deren Wirklichkeit vergäße und wider sie, ein musikantisch kostümierter Don Quixote, zu Felde zöge. Mit der verdinglichten Musik hat er in Strenge es zu tun; in solcher Strenge nun, daß sie darüber zerspringt. Ihre Trümmer und die Trümmer der ihr gesellten Gefühle sind sein Material; über sie disponiert planvoll mächtig die symphonische ratio. Die gesprengte Dingwelt vermöge ihrer eigenen produktiven Tendenzen in eine menschlich-unmittelbare zu transponieren: das ist sein Wille, und die improvisatorische Variante kommt eher der realitätskundigen, doch veränderungsbereiten Aktion gleich als der neuklassisch totalen Stilabsicht, die leicht genug alles Bestehende negiert, um es bequemer bestehend zu erhalten. Mahler läßt es an seinem Ort, aber brennt es aus von innen; nun stehen die alten Formmauern als Allegorie nicht sowohl des Gewesenen, denn dessen was kommen soll. Die Mahler hassen, haben richtig verstanden, daß der fallende Hammer der Sechsten Symphonie ihnen selber gilt.

 

»Und singe bis der Mond erglänzt am schwarzen Firmament«: das ist die Landschaft des späten Mahler. Denn dies Firmament hat die Schwärze japanischer Lackschachteln, mit dem golden aufgemalten Mond, ein kostbares, doch schon auch ein imitiertes, wieder allzu geläufiges, ausgenutztes Ding. Der aber berauscht singt, nimmt es ernst. Er hält es dicht vors Auge: nun hat der Himmel die Schwärze vom Weltende, und der Mond scheint als Fackel des Richters nahe zum Greifen hinein, so nah wie die gewohnten Sachen zuvor. Dem hält der Taumelnde den Becher seiner Musik entgegen. Ob es die luziferische Geste des Hoffnungslosen ist, den kein Frühling mehr angeht und der im letzten Zug alle Lust des Daseins seiner Vernichtung darbringt – oder der versöhnende Trunk, den die untergehende Erde selber bietet, keines Frühlings mehr bedürftig, weil ihre wahre, die winterlose Zeit endlich anhebt: niemand vermöchte darauf zu antworten. In Mahlers Musik aber ist vielleicht beides gelegen: daß als brüchige, über sich hinausgespannte Allegorie die Geste des letzten, des luziferischen Trotzes die Versöhnung bedeute; daß dem Hoffnungslosen der nahe Brand des Unterganges als fernes Licht der Erlösung strahle. So zweideutig ist auch das feine Flocken vom Ende des »Liedes von der Erde«. Wie der Einsame darin erfrieren kann, panisch aufgelöst ins bloß Seiende, so kann es die selige Weiße der Entrückung sein, Schnee der letzte gute Rest von Sein, der den Geretteten dem Seienden verbindet, den Verbliebenen aber als sternige Hoffnung ans Fenster rührt. Die Wahlverwandtschaft mit Dostojewsky geht bis ins Zentrum. Bei Mahler hat Iwan Karamasow seine Musik gefunden. Sie allein aber ist seine wahre Sprache.

 

In einem frühen Gedicht von Werfel steht das Wort »entlächelnd«. Es könnte aus Mahlers Musik dorthin versprengt sein. Denn wie hier, einmal, Subjektivität der Sprache zumutet, was sie nicht geben kann: wie hier der Wortkörper überdehnt und zerrissen wird, seine Risse aber einstehen als Zeichen eben der sprachfeindlichen Intention aufs Wirkliche: so verhält sich Mahlers Musik in jedem Augenblick. Erscheint ihr Banales vom Material her gesehen als Trümmer der musikalischen Dingwelt, ist es doch zugleich vom Ich produziert, dessen Drang nach unvermittelter Kundgabe, ja Reproduktion des Seienden, dessen dokumentarischer Wille aller Wahl vergißt und, der mittleren musikalischen Artikulation satt, soviel an humanem Ausdruck ihr zumutet, bis sie zerfällt und zerfallend zur banalen wird. Entlächelnd aber ist Mahler noch in genauerem Sinne: dem der rätselhaft falschen Transzendierung. Daß eine weltliche Geste wie die des Lächelns so ins Ungemessene sich steigere, als wäre sie mehr als weltlich; daß sie im blasphemischen Anruf den Schein des Überweltlichen sich raube; daß aber ihrem Schein als Antwort das »Es ist gelungen« dennoch geschenkt werde, das mit so kindlicher Gewalt die Achte Symphonie jubiliert: das geschieht in Mahlers profaner Sakralmusik. Wenn jedoch Lächeln wolkig übers Gesicht zieht, um daraus ins Ferne zu verschwinden und das Geklärte zu lassen: dann grüßt Mahlers Musik streifend, lüftend als Wolke die Welt. Entlächelnd ist die Geste des Abschieds; jedes Stück Mahlers, von den »Gesellenliedern« bis zur Neunten Symphonie, ist abschiednehmend. So steigt, im Thema von deren Adagio, die Geige mit einem Sekundenmotiv in vier Schritten, jeder größer als von schwachen Menschen schreiten sich ließe, in ihren Wolkenhimmel: Gruß des Verschwindenden. Des Vernichteten, des Lebendigen? – anstelle der Antwort bleibt legendenstumm die Geste zurück. Es bedürfte der ungläubigsten und der gläubigsten Ohren, sie zu deuten.

 

Der zweideutige Mahler: über die banalen Themen hat er manchmal »mit Parodie« geschrieben und manchmal »ohne alle Parodie«, und der Hohe Verstand plagt sich, wo die Anweisung fehlt, mit der peinlichen Frage: hat er es ernst gemeint oder nicht; peinlich, weil er meint fürchten zu müssen, an der falschen Stelle seriös zu bleiben, während doch sein Humor dort noch deplaciert ist, wo es in der Tat etwas zu lachen gibt. Aber auf seine Frage verweigert Mahlers Musik die Antwort. Das macht: ihre Banalität ist Parodie und Ernst zugleich. Im Banalen verfällt die Dingwelt dem Lachen, die als ewig, natürlich, bestätigt sich gibt und am sichtbaren Bruch doch als gemacht, schadhaft, schäbig kenntlich wird. Aber der Bruch ist wiederum ganz ernst und buchstäblich: lesbar eben als Spur des vergeblichen Menschen, der all dies gemacht hat und dem es nun zerfiel; des Schadens, der gebessert werden kann, hat man nur die Trümmer recht zusammengefügt; des Armseligen und Abgeworfenen, das alles zu gewinnen hat und darum, vielleicht, einmal doch alles gewinnen wird. Der Hohe Verstand pflegt das ›literarisch‹ zu nennen. Aber damit ist über Mahler so viel gesagt wie wenn man die Granaten literarisch heißen wollte, die einmal ins sichere Gefüge der Kathedrale von Reims einfielen. Nur daß Mahlers Musik zu anderem Vorsatz dient als diese.

 

Ist es nicht auffällig, daß die, welche von neuen ›Bindungen‹ der Musik an Kollektiv und Gebrauch so viel zu fabeln wissen, der Mahlerschen ihr Placet verweigern und vor ihr zu unerbittlichen Anwälten eben jenes l'art pour l'art werden, über das sie sonst so eilig zur Ordnung ihres Tages übergehen? – während doch bis heute Mahler der einzige exemplarische Komponist geblieben ist, der real außerhalb des Raumes der ästhetischen Autonomie steht und mehr noch: dessen Musik wahrhaft und von lebenden Menschen, nicht von ausgerichteten Wandervögeln gebraucht werden könnte. Sollte es nicht jenen Bindungsfreudigen mehr auf die Bindung an sich ankommen als auf die Gehalte, für die das Kollektiv mobilisiert wird; ja sind ihnen nicht Gehalte, die mehr sind als die fetischisierte Bindung selber, gründlich suspekt? Am zukünftigen Schicksal von Mahlers Musik wird manches darüber sich ablesen lassen.

 

Sie bewährt als erste die Erkenntnis: daß das Schicksal der Welt nicht mehr vom Individuum abhänge; und sie bewährt sie zugleich als individuelle und in den Gefühlskategorien des einzelnen Menschen. Darum ist es so bequem, als brüchig sie zu beschimpfen. Ihre Brüche aber sind »richtiges falsches Bewußtsein«; keine ästhetische Gestalt, die der realen Menschheit und nicht der Fiktion des Einzelnen gilt, vermöchte doch den Einzelnen als historische Stufe zu verleugnen, und die es tut, wird Lüge darüber; die Brüche Mahlers aber definieren als geschichtsphilosophische Demarkationslinie seine Wahrheit. Er ist, mit einem Ausdruck des tief ähnlichen Frank Wedekind, kein »Kunst-Künstler« gewesen, aber seiner Musik hat die gesellschaftliche Bewegung sich dargestellt an ihrem wirklichen Opfer und konkreten Maß, dem individuellen Trieb und seinen Konflikten. Dafür ist das bündige Zeugnis die Konzeption des Mahlerschen Marsches, wie sie etwa im ersten Satz der Dritten Symphonie zwingend schon hervortritt. Er ist gemeint fürs Kollektiv und für solidarische Bewegung: gehört jedoch aus der individuellen Perspektive. Er befiehlt nicht sowohl als daß er mitnimmt; und nimmt er alles, noch das Unterste und Verstümmelte mit, so verstümmelt er doch nicht selber; das mitgenommene Individuum wird nicht getilgt: der Verein von Liebenden wird ihm zuteil. Vermöge der Variante, der bestimmenden Asymmetrie hält der Mensch im Marsch sich durch: das macht den Mißbrauch von Mahlers Musik so ganz unmöglich. Die sonst bloß sterben mußten, wenn sie aus der Reihe fielen, der zu Straßburg auf der Schanz, die nächtliche Schildwache, der bei den schönen Trompeten Begrabene und der arme Tambourg'sell: Mahler formiert sie aus Freiheit. Den Unterlegenen verspricht er den Sieg. All seine Symphonik ist eine Rewelge. Ihr Held ist der Deserteur.

 

Mahlers Aktualität

 

Zu seinem hundertsten Geburtstag

Es ist meine Erfahrung, daß man, wenn man in wenigen Minuten etwas über einen geistigen Gegenstand von großem Gewicht sagen soll, besser einen bestimmten Aspekt auswählt, als versucht, ein Ganzes zu umfassen, das unter Zeitnot ins schlecht Allgemeine zerfließen müßte. Darum möchte ich mich auf einige Worte über Mahlers Aktualität beschränken. Anlaß dazu ist die weit verbreitete Tendenz, Mahler als einen Spätromantiker oder ein sogenanntes Übergangsphänomen – wie wenn je etwas Bedeutendes in der Kunst etwas anderes gewesen wäre – gönnerhaft abzutun. Diese Tendenz hängt damit zusammen, daß man Mahler, auch nach dem Sturz des Regimes, das ihn verfemte, verdrängt hat, weil seine Musik an gar zu viele Wunden rührt. Seine wahre Aktualität ist aber nicht in dem zu suchen, was er von Späterem vorbereitete oder antezipierte.

Aktuell ist Mahler vielmehr als Korrektiv des gegenwärtigen Standes von Musik. Sein oeuvre enthält Dimensionen, die in jenem Fortschritt nicht aufgehen, den er, ohne den Schönberg, Berg und Webern nicht zu denken wären, mitinaugurieren half. Der Begriff des Fortschritts wird in der Musik, wo man ihn nicht geradenwegs verlästert, vielfach grob gehandhabt. Man sieht ihn einseitig unter dem Aspekt der Freisetzung immer neuer Materialschichten, der Entwicklung von Verfahrungsweisen, welche diesen Schichten stets mehr sich anmessen, der anwachsenden Integration des Komponierens. Trifft aber die Bemerkung von Olivier Messiaen zu, daß solche Moderne heute ihre Decke erreicht habe, so kann kein Fund, keine bloße Verfahrungsweise mehr durch Neuheit allein sich legitimieren. Alle solchen Funde fallen in einen vom Gehör bereits abgesteckten Raum. Mahlers Neuerungen jedoch sind qualitativ anderer Art. Er hat, als einziger der Komponisten des obersten Anspruchs, das Untere mitgenommen, mitgerissen; hat errettet, was dem eindimensionalen Fortschritt zum Opfer fiel, ohne in der Gestalt seines Werkes den Zwang des Fortschritts jemals zu verleugnen. Der Gehalt seiner Symphonien schlägt sich nicht auf die Seite des triumphalen Gangs des Weltgeistes und seiner stärkeren Bataillone. Allmenschlich identifiziert Mahler sich, bis in die Formulierung der Themen hinein, mit dem, was am Boden liegt. Der Nötigung zur Organisation der Form hat Mahler so wenig sich entzogen wie irgendein konstruktivistischer Komponist nach ihm. Zu erfahren, zu tief in ihr Material versenkt ist seine Musik, um nicht zu wissen, daß das Menschliche nicht unmittelbar laut wird, sondern einzig kraft der Vermittlungen im Komponierten. Aber bei aller konkreten Logik seiner Gebilde, die der abstrakt vorgeordneten, der überlieferten Formen so kühn sich entäußert, hat Mahler sich nicht dem musikalischen Panlogismus, nicht dem System, nicht der in sich geschlossenen Totalität verschrieben. Als erster hat er ein Fragezeichen gesetzt hinter die Tradition obligaten Komponierens, hinter das Ideal einer Musik, die schien, als könne sie nur so und nicht anders sein. Seine irregulären, weit auseinander gebauten Satzdörfer gewähren dem Zufall Schutz und nehmen ihn doch wiederum hinein in den Zusammenhang musikalischen Sinnes. Immer geht es bei ihm ganz anders, seine Symphonien erneuern sich in unermüdlicher Variante, aber dem zurückhörenden Ohr, auf das seine Symphonien ebenso angelegt sind wie auf das mithörende, offenbart sich, daß noch das Unerwartete und Abrupte seine genaue Funktion im Ganzen erfüllt. Gleichwohl tut das Ganze bei ihm den Einzelgestalten nie Gewalt an. Die unerschöpflichen Änderungen lösen geheime Verpflichtungen ein, welche die keine Sekunde lang erstarrenden Motive bei ihrem ersten Auftreten bereits unterzeichnen. Vor langen Jahren hat der tschechische Komponist Alois Hába einmal den Begriff eines Kompositionsstils der Freiheit geprägt. Unsere emanzipierte Musik, der alle Klänge gestattet und offen sind, hat von solcher Freiheit wenig sich erhalten. Gerade weil ihr alles erlaubt dünkt, mußte sie um so mehr darauf bestehen, alles an die Kandare zu nehmen, alles soweit nur irgend möglich aus einem einzigen Kern heraus zu entwickeln. Mahler dagegen, dessen Material in mancher Hinsicht gemäßigter, konservativer war als das von Richard Strauss oder Reger, hat, mitten in der Tonalität, bis zu deren Grenzen er niemals vorstieß, durch das formende Verfahren etwas wie einen solchen Musikstil der Freiheit realisiert, ehe er als Programm auch nur absehbar war. Das hat seiner Musik eine Flexibilität verliehen, die bis heute nicht wieder erreicht, kaum nur ganz nachvollzogen wurde. Gegenüber einer Einheit, die tendenziell das Mannigfaltige opfert, indem sie es rücksichtslos sich unterordnet, hat er den bestimmten, geprägten musikalischen Charakter – man könnte sagen: den Namen in der Musik – festgehalten und zugleich die Charaktere so zueinander in Beziehung gesetzt wie im großen Roman. Er hat gleichsam von unten nach oben komponiert. Die vorgedachten Schemata sind ihm darüber zergangen. Dem dankt er eine Gewalt des Ausdrucks, über welche die fünfzig Jahre der Entwicklung des musikalischen Materials seit seinem Tode nichts vermochten. Zumal seine letzten Werke, Lied von der Erde und Neunte Symphonie, sind schmerzlich beredt, ledig aller bloß affirmativen Gestik, aller scheinhaften Behauptung von gegenwärtigem Sinn. Rein stellt in ihnen das Leidvolle des Lebendigen sich dar. Dennoch weisen sie durch deren Objektivierung hinaus über den Bereich bloßen Mitleids mit sich selber. Das Lied von der Erde wird dem maßlosen Anspruch seines Titels gerecht, musikalische Bilderschrift eines liebenden Bewußtseins ohne Hoffnung. Vielleicht gibt es Musik, die der ästhetischen Qualität, sicherlich solche, die der Gunst der geschichtlichen Stunde nach die Mahlers übertrifft. Keine aber spricht zwingender, ungeschminkter den Stand der Menschheit aus, der noch ihr gegenwärtiger ist. Darum soll man an Mahler nicht etwas wiedergutmachen, sondern ihm sich stellen, daß nicht das Beste vergessen werde. Noch in den Brüchen, die er so wenig verdeckt hat, und vermöge der zarten Kraft, mit der er sie hervortreten ließ, ist Gustav Mahler einer von den großen Komponisten.

 

1960

 

 

Zu einem Streitgespräch über Mahler1

Die Diskussion, zu der ich Sie, lieber Herr Mayer, gebeten habe, dürfte nun wirklich einmal etwas werden, was es im Rundfunk gar nicht so oft gibt: ein Streitgespräch. Denn die Position, die Sie zu Mahler einnehmen, ist, jedenfalls nach Ihrem Beitrag zu dem Buch aus dem Wunderlich Verlag, der meinen diametral entgegengesetzt. Es drückt sich das vorweg in dem Ton des Ganzen aus, der etwas Gönnerhaftes und, Sie müssen schon verzeihen, Schnoddriges hat. Der häufige Gebrauch von Worten wie Usurpator und literarischer Dilettant mag das belegen; worin das Usurpatorische Mahlers soll bestanden haben, wird nicht entfaltet. Man braucht kein Anhänger der Verquickung von Kunst und Religion zu sein, die gerade während Mahlers Epoche verbreitet war, um daran sich zu stoßen. Sein Werk hat, nicht nur durch den Ernst der subjektiven Gesinnung, sondern durch das, was es noch in seinen Brüchen objektiv verwirklicht, einen Rang, der ganz einfach zunächst einmal Respekt erheischt, vollends im Angesicht der bei der Überzahl aller Hörer heute vorwaltenden Tendenz, Musik als Reizmittel zu genießen und nicht, nach dem Wort Hegels, als eine Erscheinung der Wahrheit. Wenn irgendeiner der Vulgarisierung der Musik zum Konsumgut Einhalt gebietet, dann Mahler, dem das falsche Gehör so leicht den Vorwurf macht, seine Themen seien banal – einen Vorwurf übrigens, dem Schönberg in der Rede, die in dem gleichen Band abgedruckt ist wie Ihr Beitrag und der meine, aufs kräftigste entgegentrat. Ich meine aber, der Ton, den Sie Mahler gegenüber angeschlagen haben, ist besonders gefährlich in einer Situation, in der an Mahler eine bestimmte Art von trüben und reaktionären Affekten sich austobt, die Ihnen ganz gewiß so entgegengesetzt sind wie mir. Ich scheue mich nicht zu sagen, daß Mahlers Name und Musik nach wie vor ein Katalysator für antisemitische Instinkte sind. Man muß nur einmal die Haltung gewisser Orchester beobachtet haben, wenn eine Symphonie von ihm probiert wird. Wohl darf man solcher Umstände wegen nicht die Wahrheit unterdrücken. Wäre Mahler wirklich so dubios, wie er Ihnen jedenfalls unter dem von Ihnen gewählten Aspekt, dem des Verhältnisses zum Text, erscheint, so sollte man das nicht aus politischer Rücksicht verschweigen. Aber ich glaube, Ihre Erwägungen sitzen nicht, und haben zudem einen Klang, der dem ideologischen Mißbrauch allzu leicht sich aussetzt. Das ist der Grund, warum ich Ihrer Ansicht über Mahler entgegentrete.

Es ist nicht meine Art, mich auf den Fachmann herauszureden. Diesmal aber kann ich nicht ganz umhin, an gewisse Zuständigkeitsprobleme zu rühren. Sie kommen von der Literatur her, und Ihr Verhältnis zur Musik ist – verzeihen Sie mir – demgegenüber peripher, in dem Sinn, daß Sie der Musik als Empfangender gegenüberstehen, nicht sie von der anderen, der Produktionsseite her erfahren. Behauptungen wie die eines schroffen Nebeneinander von musikalischer Form und Dichtung in Bergs Wozzeck etwa sind schlicht unhaltbar. Man muß aber, will man über Mahler im Ernst urteilen, in der kompositorischen Problematik zu Hause sein. Die Tatsache der Gebrochenheit seiner Musik, die ja von den verschiedensten Musikern ausgesprochen worden ist – von Schönberg, von Schnebel, von mir –, ist nicht zuletzt darin zu suchen, daß man bei ihm nichts im musikalischen Sinn wörtlich nehmen darf. Mahler verstehen heißt, das Hintersinnige, Doppelbödige verstehen, bis in seine Sprache und seine Verfahrungsweise hinein. Ich könnte das an ungezählten Details erläutern. Lassen Sie mich nur auf einen Tatbestand hinweisen. Mahlers Harmonik ist, bis zu seiner Spätphase, nicht nur durchaus tonal, sondern, wenn man will, hinter der von Zeitgenossen wie Strauss und Debussy zurückgeblieben. Aber diese Harmonik hat, durch die in den Klängen aufgespeicherte Dynamik, eine Sprengkraft, die weit über das Idiom seiner Zeit hinausschießt bis tief in die Moderne hinein. Man könnte sagen, seine Akkorde, etwa die finsteren Mollklänge aus der Sechsten Symphonie, seien Chiffren von Dissonanzen, die erst viel später geschrieben wurden. Oder selbst der Trauermarsch, mit dem die Fünfte beginnt – ein strikt nach dem Marschschema gebautes Stück, aber von einer so maßlosen Kraft des tragischen Ausbruchs, daß alles Grauen einer Periode darin vorweggenommen scheint, die Mahler nicht mehr zu erleben brauchte. Vergleichbar ist er darin den Gedichten der frühexpressionistischen Lyrik, die vor dem Ersten Krieg geschrieben wurden. Schnebel sowohl wie ich haben im einzelnen nachgewiesen, in welchem Maß die Mahlersche Musik ein Kryptogramm der musikalischen Moderne ist. Bringt man ihn, wie es vor allem die Gewohnheit der offiziellen Musikwissenschaft ist, auf den bloßen Stilbegriff übersteigerter und veralteter Spätromantik, so geht jenes entscheidende Moment, das die avantgardistische Musik mit Mahler verbindet, verloren.

Sie haben, im Gegensatz zu solchen Gewohnheiten, in Ihrem Beitrag Mahler mit Kafka verglichen. Mit Recht; in meinem Mahlerbuch findet sich, wohl ohne daß Sie es wußten, derselbe Vergleich. Vielleicht ist er dazu angetan, zu erhellen, was ich meine. Wie bei Kafka in einer gelassen epischen und in gewissem Sinn traditionellen Sprache das Ungeheuerliche gesagt, all das antezipiert wird, wofür später die Formel des Absurden sich einbürgerte, so meldet sich bei Mahler, unter der Hülle eines traditionellen Kompositionsmaterials, eine völlig neue, den Umfang der mittleren Kultur sprengende Erfahrung an. Man könnte das Phänomen auch mit van Gogh vergleichen, bei dem eine dem Impressionismus abgewonnene Technik im Dienst der entfesselten Expression steht. All das jedoch bleibt bei Mahler nicht literarische Absicht, sondern ist Gestalt geworden, keineswegs, wie Sie unterstellen, bloß autobiographisch und darum zufällig. Dazu hilft die Formstruktur, die Fiber des Komponierten. Sie rückt Elemente in Zusammenhänge, in denen sie zwingend, eindeutig jene Wendung nehmen, die man, ebenfalls mit einem Cliché, das heute nur allzu beliebt ist, Verfremdung nennen würde. Ich bilde mir ein, das in meinen Arbeiten über Mahler, dem Buch, der »Wiener Gedenkrede« und den »Epilegomena«, unmißverständlich aufgewiesen zu haben. Man muß, ehe man über Mahler redet, erst einmal des Niveaus sich versichern, des Außerordentlichen, alle Stilbegriffe Übersteigenden an Mahler, wofern man nicht in der Würdigung stecken bleiben will, in jener Form des Denkens, die Ihnen ganz gewiß ebenso widerstrebt wie mir.

Das gilt auch für das Verhältnis zum Text. Es dürfte in aller Musik anders gelagert sein, als es in Ihrem Aufsatz, sei es auch unausdrücklich, vorausgesetzt wird. Schönberg hat in einem Aufsatz über das Verhältnis zum Text, vor bald 60 Jahren, geschrieben, er überlasse sich dem Wortklang der ersten Zeile, ohne sich über den Sinn eines ganzen Gedichtes viel Rechenschaft zu geben. Gewöhnlich finde er, daß dann die gesamte Komposition dem gesamten Gedicht gerechter würde, als wenn er das Gedicht sich durchaus bewußt gemacht hätte. So, glaube ich, steht jede bedeutende Komposition zu ihrem Text, nicht nur die expressionistische. Ganz gewiß die Mahlersche. Wenn Sie ihn – darin stimme ich Ihnen zu, und auch das habe ich auch längst formuliert – in Gegensatz zu der psychologischen Art der Textbehandlung setzen, so sind Sie jenem Sachverhalt sehr nahe gekommen, ohne doch daraus für Mahlers Verhaltensweise zur Lyrik die volle Konsequenz zu ziehen. Für Musiker sind nun einmal Worte Vehikel ihrer Kompositionen. Selbst die größten Liederkomponisten wie Schumann springen mit Worten manchmal so um, wie Sie es Mahler ankreiden. Nicht verschweigen kann ich, daß ich gerade die Art von Montagetechnik, die Mahler anwandte, um sich den Text des letzten Satzes aus dem Lied von der Erde zusammenzubasteln, und die kaum einen eindeutigen Sinn zuläßt, für ungemein kühn und fortgeschritten halte. Sicherlich liegt der geschichtsphilosophische und der Stilbruch zwischen dem Hymnus »Veni creator spiritus« und der Schlußszene des Faust zutage. Vergleichen Sie aber die Komposition beider Texte, die ja bis in alle thematischen Einzelheiten hinein streng aufeinander bezogen sind, so werden Sie bemerken, daß die Musik auf die ihr allein mögliche Weise, nämlich die der Formkonstruktion, den Stilbruch bewältigt. Wohl wäre zu fragen, ob der Begriff des Stils überhaupt an Musik solchen Ranges heranreicht; Schönberg hat es bezweifelt. Was wäre nicht alles, unter dem Aspekt stilistischer Reinheit, gegen das Finale des Violinkonzerts von Berg einzuwenden, wo Variationen über einen Bachchoral mit einer Reihenkomposition sich überdecken. Aber es gibt in der Musik eine Stimmigkeit höherer Ordnung, welche die des Stils suspendiert. Darf ich mich nun einmal eines literarischen Vergleichs bedienen: es liegt etwa wie bei Karl Kraus, der die Grammatik, die Korrektheit des deutschen Ausdrucks gegen stümperhafte Willkür, auch die anspruchsvollste, unerbittlich verteidigte, dort jedoch, wo in einem Meisterwerk dagegen verstoßen ward, für den Verstoß Partei ergriff. Mir selber ist die Achte Symphonie Mahlers nicht das nächste unter seinen Werken. Trotz aller Vorbehalte indessen würde ich sagen, daß von der zentralen Komposition, nämlich der Einheit eines Chorsonatensatzes und einer ganz aufgelockerten, epischen Folge von Formen her auch der Kontrast des lateinisch strengen Hymnus und der aus ekstatisch übereinandergelagerten Schichten gebauten Dichtung legitim sei. Schwerlich existiert ein künstlerisch ernsthafter Mensch, der nicht irgendwann an Mahler auch sich geärgert hätte. Aber ich habe in meiner Musikerfahrung gelernt, in derlei Fällen erst einmal mir Unrecht zu geben und Mahler Recht. Der Erdenrest, der dann bleibt, mag zu tragen peinlich sein, zu tragen ist er allemal. Auch in der Einschätzung der von Mahler gewählten Gedichte gehe ich nicht mit Ihnen einig. Daß Herr Bethge ein Kunstgewerbler war, ist eine Binsenweisheit; gleichwohl ist in der Wiener Werkstättenlyrik, in welche er die chinesischen Gedichte eindeutschte, etwas von deren undomestizierter Größe zu spüren. Darauf, nicht auf Jade und Pagoden hat Mahler angesprochen. Man müßte schon wirklich sich taub machen, wollte man nicht hören, daß der Ausdruck des Liedes von der Erde alle jugendstilhaft ornamentierte Spielerei gänzlich unter sich läßt.

Sie gehen auch mit den Wunderhorntexten gar zu streng ins Gericht. Lassen Sie mich, in deren Zusammenhang, auf Goethe mich berufen, der ja nicht der Solidarität mit Arnim und Brentano verdächtig ist, auch am Wunderhorn eingreifende Kritik übte, aber gerade einige der von Mahler vertonten Lieder aufs höchste bewunderte. Ich zitiere Goethes Urteil nach der alten Mahler-Biographie von Paul Stephan: »Des Antonio von Padua Fischpredigt« hat Goethe »unvergleichlich, dem Sinn und der Behandlung nach« genannt; die Rewelge »unschätzbar für den, dessen Phantasie folgen kann«, den Tambourg'sell: »ein Gedicht, dem der Einsehende schwer ein gleiches an die Seite setzen könnte«. Keiner braucht an Autorität zu glauben, der angesichts solcher Charakteristik von Anschauungen sich distanziert, die, im Bann des philologischen Historismus, Des Knaben Wunderhorn begönnern, weil die beiden Editoren in die alten Vorlagen subjektivistisch eingegriffen hätten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie den Denkgewohnheiten muffiger Seminare etwas einräumen wollen. Aktuell an den Wunderhorngedichten sind eben jene Sprünge im Oberflächenzusammenhang, die eine abgründige Phantasieregion aufreißen: keine andere als die, in welcher Musik angesiedelt ist. Mahlers musikhafte Logik, grundverschieden von der diskursiven, hat untrüglich gerade solche literarischen Vorwürfe sich ausgesucht. Schließlich verführe ich auch mit Rückert zarter als Sie. In den Kindertotenliedern liegt ein Keim von ungebändigtem, maßlosem Gefühl, auch ein Element getrübter Innigkeit bereit, der auf Mahler gewartet zu haben scheint. Oder nehmen Sie ein Gedicht wie »Ich atmet' einen linden Duft«, von Mahler wahrhaft herzbrechend, ja, man möchte kaum sagen: komponiert, sondern wie in musikalischer Graphik nachgezeichnet. Das Klangspiel zwischen der Linde und dem Adjektiv lind, der Gehalt des Gedichts, schafft, fern von rationaler Bedeutung, bereits etwas wie musikalische Situationen. Dem hat Mahler sich überlassen, und dabei kam es zu jener Einheit des Verwundeten und des Beseligten, die auch die unvergleichliche Komposition eines anderen Rückert-Gedichts, »Liebst du um Schönheit«, ausatmet. Mahler zeigte in der Wahl seiner Texte eine retrospektive Gesinnung, die eher den Entdeckungen von Karl Kraus entspricht als der Butzenscheibenromantik. Das summarische Verdikt über die Lyrik aus den dürren Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts ist allzu billig; heute, da diese Kunst so weit entfernt liegt, daß sie keinen mehr zur Nachahmung lockt, wäre sie neu zu betrachten, und bei einem Dichter des Wort- und Reimexperiments wie Rückert, der lange einen schlechten Ruf hatte wegen des vorgeblich Gekünstelten seines Verfahrens, wären überraschende Korrespondenzen zum Jüngsten zu erwarten. Daß der Komponist Mahler für derlei Zusammenhänge, unbekümmert um die offiziellen Wertkategorien für Lyrik, ein Organ hatte, ist zu seinem Ruhm, nicht zu seiner Schande. Nicht zuletzt wäre zu bedenken, daß die bedeutendsten Liedwerke keineswegs stets die gewesen sind, welche die besten Texte sich aussuchten. Vielfach ist deren Autonomie in Musik nicht aufzulösen; das Goethesche »Über allen Gipfeln ist Ruh« selbst von Schubert nicht.

Noch wo Mahler literarisch Fragwürdiges vertont, scheint mir das Ergebnis, dank der kompositorischen Stimmigkeit, höher zu rangieren, als wenn etwa Hugo Wolf, den er nicht mochte, die schönsten Gedichte sich gewählt, aber dann, etwa in Mörikes »Genesendem an die Hoffnung«, eine großartige Exposition durch eine vulgäre Fanfare Lügen straft. Demgegenüber läßt Mahler auch in den Liedern der konstruktiven musikalischen Phantasie, und ihrer immanenten Logik, allen Raum. Ein im Ton so harmloses, freilich unendlich reizvolles Stück wie »Wer hat denn dies schön' schöne Liedlein erdacht« ist so gebaut, daß, nach einer Art von Trio, die Wiederholung der Exposition deren Hauptbestandteile in krebsgängiger Anordnung bringt – ein Verfahren, das dann in den großen Instrumentalsymphonien, der Sechsten und der Neunten, sich ganz entfaltete. Ist tatsächlich, angesichts solcher der Entwicklung um siebzig Jahre vorauseilenden Funde, gar so viel darüber zu rechten, ob der Vorwurf literarisch Gewicht hat, stilrein ist oder was immer sonst?

 

1968

 

 
Fußnoten

1 Die hier veröffentlichte kleine Arbeit stellt die Antwort auf Hans Mayers Beitrag zu dem im Wunderlich Verlag erschienenen Symposion über Gustav Mahler dar [vgl. Hans Mayer, Musik und Literatur, in: Arnold Schönberg, Ernst Bloch, Otto Klemperer u.a., Über Gustav Mahler, Tübingen 1966, S. 142ff.]. Dieser Beitrag und die Entgegnung bildeten die Basis einer Diskussion zwischen Professor Mayer und dem Autor im Rahmen des Dritten Programms des Norddeutschen Rundfunks. Der Autor möchte besonders seine Freude darüber ausdrücken, daß Mayer in der Diskussion seine Positionen derart erläuterte, daß die Spitze abgebogen wurde, die zunächst in seinem Beitrag sich abgezeichnet hatte.

 

 

Fragment als Graphik

Zur Neuausgabe von Mahlers Zehnter Symphonie

Im Münchener Walter Ricke Verlag ist erneut eine Faksimileausgabe dessen erschienen, was von Gustav Mahlers Zehnter Symphonie existiert. Sie scheint, mit Ausnahme eines Blattes, das zu den Einzelskizzen relegiert wurde, mit der alten, was die Entwürfe der Gesamtsätze anlangt, identisch zu sein; dagegen ist die früher auf 8 Blätter limitierte Zahl der Einzelskizzen auf 53 Blätter erweitert.

Der neue Herausgeber ist Erwin Ratz, der Spiritus rector der Gustav-Mahler-Gesellschaft und der kritischen Gesamtausgabe. Das Verdienst für diese ist das von Ratz allein. Nur wer mit Mahler eingehend sich beschäftigt hat, wird ganz ermessen, was man ihm schuldet. In die Gesamtausgabe hat er den häufig aufgeführten, von Mahler in einem »Partiturentwurf« fixierten, relativ weit fortgeschrittenen ersten Satz aufgenommen. Im Vorwort zum Faksimile freilich bezeichnet er auch diesen Satz, mit Recht, als eine Vorstufe. Er stützt sich dabei auf die Verfahrensweise Mahlers in der Neunten Symphonie. Die Partiturentwürfe ihrer ersten drei Sätze sind jenem vergleichbar; Mahler hat daran jedoch in der definitiven Fassung nicht nur Details geändert, sondern tief in die Musik eingegriffen. Die von der Partiturgestalt des Manuskripts geweckte Erwartung, der Satz sei einigermaßen abgeschlossen, wird vom Partiturbild, vollends von der Kenntnis der Komposition widerlegt. Man könnte von einem vertikalen Fragment reden. Zwar liegt ein kontinuierlicher Gesamtverlauf vor, vielfach indessen findet an Stelle der ausgeführten Nebenstimmen sich nur eine Art harmonischen Schemas, der »Choral«. Eine der eigentümlichsten Fähigkeiten Mahlers, die zum Hinzuerfinden freier, höchst organischer Kontrapunkte, kommt nicht ganz zur Geltung. Überdies dürfte der Satz auch in der Formanlage keineswegs seine authentische Gestalt erreicht haben; er wirkt, gemessen an dem reichen, ungemein expansiven thematischen Material, weit kürzer, als man nach der Praxis Mahlers in anderen Werken, auch denen aus der Spätzeit, erwartet; zu kurz nach dem Maß seiner selbst.

Unvollständig erscheint erst recht der dritte Satz, der übrigens nochmals auf ein Wunderhornlied Mahlers, das vom Irdischen Leben, anspielt. Er währt nur 30 Takte. Anhaltspunkte dafür, daß sie nur als Exposition gedacht sind, die im Sinn der Mahlerschen Durchführungsscherzi einen längeren Satz hätte tragen sollen, bieten die Noten nicht. Trotzdem ist kaum ein Zweifel daran, daß der Symphoniker Mahler so verfahren wäre, obwohl der berühmte Tamtamschlag am Ende, den Alma Mahler mit einer biographischen Episode in Zusammenhang brachte, immerhin auf eine inkommensurable musikalische Situation deutet.

Derlei Zweifel überschatten das gesamte Fragment. Ratz zufolge, der sich am eingehendsten damit befaßte, war für Mahler lange Zeit nicht einmal die formale Disposition des Ganzen: Zahl und Anordnung der Sätze klar; er hätte durchaus auch die Großarchitektur, in deren Planung er schwankte, ändern können. Die außer dem ersten und dritten Satz erhaltenen zusammenhängenden Entwürfe beschränken sich ohnehin auf so karge Aufzeichnungen der Hauptstimmen, daß sie für die Konkretisierung der Musik kaum einen Anhalt gewähren. Die neu gedruckten Skizzen beziehen sich, soweit sie größere Zusammenhänge geben, auf den ersten und zweiten Satz; der Rest ist von solcher Art, wie Komponisten gern einzelne Takte umfangreicher Komplexe, mit denen sie gerade beschäftigt sind, als Marginalien notieren; niemand weiß, was dann im größeren Kontext daraus wird.

Auffällig, wie sehr das Themenmaterial der raschen Sätze an Charaktere der Burleske aus der Neunten und des zweiten Satzes aus der Fünften Symphonie erinnert. Sollte selbst darin etwas von jenem Ermüdungsprozeß sich anzeigen, der leicht Wiederholungszwang bewirkt, so spricht doch bei Mahlers außerordentlicher selbstkritischer Energie – Ratz vergleicht seine Arbeitsweise mit Grund der Beethovens – alles dafür, daß er Erstarrungsphänomene bemerkt und durch die Kraft zur Variante verflüssigt hätte.

Zum Ganzen nun: Der erste Satz, mit seinem unvergleichlich schönen, den späten Bruckner höchst produktiv umdenkenden Hauptthema und dem dichten Gewebe der daran anschließenden Fortsetzungspartien, läßt keinen Zweifel daran, daß die Zehnte Symphonie eine der großartigsten und, zumal in der harmonischen Anlage, avanciertesten Konzeptionen Mahlers war. Sie trägt alle Zeichen seines Spätstils und entfernt dennoch im ersten Satz sich weit vom Lied von der Erde und von der Neunten. Bei dem kuriosen dritten Satz mag man an die hintergründige Simplizität mancher Stücke aus Beethovens letzten Quartetten denken. Aber das Erhaltene ist unwiderruflich ein Torso. Könnte das Werk sinnvoll rekonstruiert werden, so wäre zuzuraten. Die Objektivität der Sache, der Zwang, der in ihr selber liegt und auf ihren Abschluß drängt, wäre über die Treue zur höchst ungewissen subjektiven Vorstellung des Komponisten zu stellen. Der Entwurf jedoch ist keineswegs so weit gefördert, daß sich erraten ließe, wo hinaus er will. Sein eigenes Gesetz ist im dunkeln. Bei einem episch-musikalischen Komponisten wie Mahler ist wesentlich das scheinbar Unwesentliche, das unablässig neu produzierte und sich wandelnde Detail. Dafür gewährt das Fragment nicht den genügenden Anhalt. Man braucht nicht puritanischem Übereifer zu verfallen oder das Genie zu fetischisieren, wenn man Versuchen mißtraut, welche ihren Vorsatz nicht erreichen können und bloß Verwirrung stiften. Das ist auszusprechen, weil seit dem Ablauf der Schutzfrist eine gewisse enthusiastische Betriebsamkeit der Zehnten sich bemächtigt hat, die auf die Autorisierung durch die Witwe sich berufen kann.

Dadurch wird der Wert der Faksimilepublikation nicht gemindert: eher erhöht. Der Besitz dieser Skizzen ist die günstigste Gestalt dessen, was von der Zehnten sich erhoffen läßt; selbst den ersten Satz sollte man lieber durchs schweigende Lesen ehren als Aufführungen exponieren, in denen das Unausgeführte notwendig zum Unvollkommenen wird. Wer allerdings in der Musik Möglichkeit und Wirklichkeit zu unterscheiden versteht; wer weiß, daß noch die größten Werke ein Anderes und wahrscheinlich mehr hätten werden können, als sie wurden, der wird in die Schriftzüge Mahlers, entschlossen zugleich und wie von Angst getrieben, mit der Ehrfurcht sich versenken, die dem Möglichen vor dem Wirklichen gebührt. Das schöne Faksimile nähert sie der Graphik an; das legitime Verhalten dazu ist das der Hand, die einsam, schonend graphische Linien nachfährt.

 

1969

 

 

Richard Strauss

Zum 60. Geburtstage: 11. Juni 1924

Weniger denn bei irgendeinem lebenden Musiker wohl taugt bei Strauss der sechzigste Geburtstag gerade zum Symbol. Als Symbol möchte jenes Datum Verfestigung begreifen, ein Ende: und ob auch seit länger als einem Jahrzehnt von Straussens Erstarrung polemisch die Rede ist, so scheint doch die Intention seiner Werke aller Verfestigung entgegen zu sein; ja der Widerspruch gegen den späteren Strauss gründet wesentlich in der Annahme, es sei ihm verwehrt, anders als stets verwandelt zu schaffen. Der Gegenstand seiner Musik ist das Leben: Leben in der spezifischen Bedeutung, die in der Philosophie Nietzsches, Simmels und Bergsons begrifflich geformt wurde, der in der Kunst etwa die Bilder von Slevogt und Corinth, die Skulpturen von Rodin, die Romane von Anatole France und Thomas Mann entsprechen. Überall hier soll Leben, für sich des Sinnes noch bar, selbst der letzte Sinn sein; überall hier erschöpft sich Leben in der sinnleer ablaufenden Zeit; überall hier versteht sich der Mensch nicht als Kreatur, die sich von Gott abhängig weiß, sondern setzt sich selbst als oberes Maß der Dinge. Wie dies immanente Leben der Gegenstand von Straussens Musik ist, so ist der Träger seiner Musik jener Mensch, dessen Seele, aus der Beziehung zu Gott entsunken, sich rein in sich genügt: das psychologische Ich. Der Musik des psychologischen Subjekts sind keine verpflichtenden Formen gegeben, Formen, die einzig in der Beziehung rechtmäßig empfangen werden könnten; sie deutet zurück auf den Menschen als gleichsam zufälligen Vertreter abgelöst seelischer Funktionen, in denen sie ruht, ohne doch in ihnen ruhen zu können. Wenn an Straussens Musik manche Gehalte solcher bloßem Leben zugeordneten Kunstübung aufgewiesen werden, so ist damit gleichwohl kein Anspruch erhoben, seine Gestalt auf eine bündige Formel gebracht zu haben.

Die Musik des psychologischen Subjekts entspricht jenem Subjekt. Die Welt, die sie betrifft, ist Schöpfung des Ich, und was in ihr ist, ist aus dem beziehungslosen Ich. Darum vermag die Musik des psychologischen Subjekts an keiner Stelle ihr Bereich unmittelbar nach oben zu durchstoßen. Im 19. Jahrhundert, da sie sich bildete, sind Mendelssohns fröstelnder Klassizismus und Chopins blendendes Spiel, Schumanns blinde Wiederholung der Sonate und Bruckners Choral ohne Gemeinde gleich tragische Versuche, die Macht der Formen nochmals zu beschwören. Ihnen allen aber ist noch realer Anteil an überdauernden Formen gewährt, der Zerfall des Ich hat sich noch nicht vollendet, und Beethovens Gelingen lockt aus erreichbarer Ferne. Beethoven ist ganz Person; er wird es, indem er um Formen ringt, die in seine Welt fordernd hineinragen. – Bei Strauss ist die Wirklichkeit der Formen definitiv erloschen, besteht weiter nur als Schein; er lebt nicht mit den Formen, nicht gegen sie, er setzt die vergangenen sich selber. Darin scheidet Strauss radikal sich von Beethoven und rückt in Wagners Nähe.

Die Einschränkung der Musik des psychologischen Ich auf die subjektive Sphäre ist die Grenze dessen, was sie meint. Je weiter die Situation, in die der Künstler hineingeboren ward, vom Sinn entfernt liegt, je blasser die Formen ihm sich abzeichnen, um so unverhüllter wird ihm die Darstellung seiner eigenen Innerlichkeit zur Aufgabe, der Innerlichkeit, die er vordem nicht darstellen mußte, da sie, ausgerichtet nach oben, das Gebilde als Zeugnis ihres Ausgerichtetseins aus sich entließ; die Innerlichkeit, die längst aufgehört hat, wahrhaft Innerlichkeit zu sein. Wagners tief in schlechten Psychologismus sich hinabneigende Musik suchte den Zug nach oben durch das Mittlertum des Wortes zu erhalten. Strauss dann reduziert die Musik entschlossen auf die psychologische Darstellung, gibt das Mittlertum des Wortes preis und macht das Wort, das selbst Abgelöst-Seelisches meint, überflüssig; Liszts symphonische Dichtung, der Wagner mißtraute, ist von ihm erst im Sinnlichen bewältigt. Die Psychologie des abgelösten Individuums ist die Antwort seiner Musik, ihre Form aber ist der Schein.

 

Es heißt, Strauss habe sich gelegentlich einen Mendelssohnianer genannt. Der Witz, der dem instrumentalen Abenteurer das Erbe der gemäßigten Bürgerromantik anvertraut, erinnert an ein Richtiges zumal gegenüber der Gewohnheit, Strauss ohne Umschweif der Wagner-Nachfolge zuzurechnen. Die zwangvolle Wahl, entweder seine Innerlichkeit in Leerformen zu bergen, in die sie nur eingehen kann, wenn sie sich aller ihrer besonderen Wesensbeschaffenheiten entäußert – oder in sich hinabzutauchen und zwischen den Wellen seiner in der Zeit verströmenden Erlebnisse das eigene Selbst zu suchen, das sich längst entglitt –, diese zwangvolle Wahl, wie sie zwischen Strawinskys und Pfitzners Verfahrungsart etwa besteht, blieb ihm erspart. Die seelischen Phänomene, die Strauss darstellt, reichen nicht in den Problemgrund der Innerlichkeit hinein; sie sind von typischer Allgemeinheit und symbolisieren das Leben nur in seiner zufälligen Verknüpftheit mit dem Individuum, ohne doch das Individuum grausam zu entselbsten. Für die psychologischen Gegenstände der Straussischen Musik ist exemplarisch die Schicht der Erotik: sie liegt durchaus im Ichbereich und hat alle Besonderheit des psychologischen Individuums in sich, das sie auf das Leben bezieht – zugleich aber enthält sie empirische Gesetzlichkeit und lagert, zumindest in der Begrenzung auf Nervisch-Sinnliches, die sie in Straussens Werken erfährt, in der Außenschicht der Seele. Ähnliches meint Straussens Schwung, eng benachbart Bergsons élan vital, gleich jenem der Erlebniszeit als seinem inneren Gegenstande zugewandt; auch er läßt die Fülle des Seelen-Ich greifbar anschaulich gegenwärtigen, ohne sie auszuschöpfen. Straussens Psychologie geht von innen nach außen und weiß, warum sie es tut: in der Erfahrungszone, bei der sie sich bescheidet, rettet sie die Schale wenigstens der wirklichen Welt. Unverantwortlich ist das Gerede von der Straussischen Oberflächlichkeit; die ganze Tiefe seiner Musik ruht darin, daß ihre Welt selbst ganze Oberfläche ist, daß sie auf der Oberfläche der Welt lose schwebt, anstatt in vergeblicher Jagd nach dem selbst ganz unwirklichen Innen den Rest einer wenngleich fragmentarischen Wirklichkeit des Äußeren aus Händen zu lassen. Und wie Strauss durch seine konkret-musikalische Anschauung dem Schicksal entging, endelosen Prozeß in die Seele zu werfen und in lyrische Formanarchie zu geraten, so war er gefeit gegen die Versuchung der Leerformen, die Objektivität vorspiegeln und doch nur allenfalls die Objektivität der Maschine haben. Er hat die Symphonie nicht als logisches Gerüst aufgebaut und ihr dennoch überindividuelle Geltung bewahrt. Die Scheinhaftigkeit der Form, die seine Auskunft war, empfängt ihren Sinn mit aus der Situation, die ihn umschließt. Während für den ausgerichteten Einzelnen und die ausgerichtete Gemeinschaft das Gebilde Sein und Gestalt hat wie der Mensch, der es hervorbrachte, aber offen bleibt nach oben hin und nicht in der Gestalt sich selbst vollendet, ist eine aus der Beziehung ausgebrochene Kunst bar des gestalthaften Seins und zugleich verdammt, als vermeintlich letztem der eigenen Gestalt zuzustreben, die doch nur Schein bleibt, solange sie nicht von oben bekräftigt und in Zweifel gerissen wird. Der Lebensphilosophie, Simmel vor allem, ist das Kunstwerk, vom Leben aus gesehen, Schein; allein dadurch, daß es aus dem Fluß des wirklichen Lebens herausgehoben ward, hat es Dauer und steht der Bewegtheit des Lebens als Festes entgegen. So auch begreift sich Straussens Form. Sie ist nicht geboren in realer Gemeinschaft, sondern lediglich aus dem Leben gewachsen, gleichen Stammes wie das Leben, freie Setzung des Ich. In der Scheinhaftigkeit der Formen offenbart sich Straussens Verhältnis zur Romantik, der er doch wieder ganz fremd ist: denn weder will er die Formen als wirklich aufrichten, noch wird ihm ihre Unwirklichkeit zum ironischen Mittel, die Unwirklichkeit der eigenen Existenz bloßzulegen. Sie sind vielmehr scheinhaft gegenüber der Bewegtheit des Lebens, in der hart vom Lebensraume abgetrennten Sphäre der Kunst aber solange real, bis das Leben sie wieder hinwegspült. Strauss ist Artist im Sinne der lebensphilosophischen Antithese von Leben und Kunst; und nicht zufällig hat man von seinen Werken den Begriff der kompositionellen Technik als einer sich selbst genügenden Virtuosität abgezogen. Diese Technik durchherrscht oft genug als oberes Leitprinzip den ästhetischen Raum. Dem Organisationsprinzip der Technik, allgemein der Absonderung einer isoliert ästhetischen Sphäre, die scheinhaft das Leben umfängt, entspringen mittelbar die meisten von Straussens Formtypen. Jene ästhetische Sphäre saugt nicht das psychologische Ich auf mit der Allgemeinheit ihrer Forderung; sobald ihre Allgemeinheit dem psychologischen Ich in der Darstellung seelischer Inhalte begegnet, schmiegt sie sich ihm an, und ihre Scheinhaftigkeit liegt offen zutage. Der junge Strauss, der die Don Juan-Phantasie schrieb, wollte ohne Umschweif das Leben als psychologischen Gegenstand seiner Musik anpacken und knüpfte dort an, wo die Form gleichgültig-unbedenklich dem Leben angepaßt war: bei Liszts symphonischer Dichtung. Reifend erfuhr er, daß die pure Formlosigkeit präludierender Themenabwandlung, der er ohnehin nicht verfallen war kraft einer sich selbst disponierenden melodischen Plastik, am wenigsten jene ästhetische Sphäre sichern konnte. Zur Mehrsätzigkeit der ersten Werke durfte er nicht zurückkehren um des Programmes willen. Das Programm birgt vielfache, einander überschneidende Intentionen: zunächst bedeutet seine begriffliche Faßbarkeit die Einschränkung der Musik auf die Wiedergabe abgelöst seelischer Inhalte, weiterhin möchte seine Sinnfälligkeit den Zug der Musik nach außen verstärken, endlich reicht das Programm über die Musik gewordenen seelischen Inhalte hinaus, wie das Leben über die künstlerischen Formen hinausreicht, und stellt somit die Faßlichkeit der seelischen Inhalte wieder in Frage. Der Widerstreit der Technik – des Inbegriffs der isoliert ästhetischen Sphäre – und des Programms, das die Aufgabe psychologischer Darstellung und die letzte Unfaßlichkeit des Lebens durch Formen verkörpert, dieser Widerstreit wird zum Antrieb für die Entwicklung von Straussens Symphonik. Das Programm erheischt zunächst offene Formen, die beliebige Motive psychologischer Darstellung umhüllen können, scheinhaft genug, um nicht an ihnen zu zerschellen; Rondo und Variation kommen ihm entgegen. Die Technik aber fordert von dem Programm, daß es weiter ist als seine begriffliche Gegenständlichkeit; die seelischen Tatsachen, deren Einmaligkeit es namentlich fixiert, müssen auf das Leben bezogen sein, damit die Musik sie zerschmelze; und das Leben, aus dem sie sich herausspinnen, muß bereits den Widerspruch zur Form in sich haben, der die musikalische Form zeugt. Eulenspiegel, der stets wiederkehrt, sterblich-unsterblich gleich dem bunten Schein im Leben, schickt sich ins Rondo, und die komische Unendlichkeit von Don Quixotes Versuchen, in der abgetrennten Welt den Sinn aufzuspüren, gerinnt zu Variationen. Beide Male ist nur die psychologische Außenfläche des Vorwurfs musikalisch assimiliert, seine Innerlichkeit unberührt, die Distanz des Lebens zur Form in der Distanz zum Programm nachgebildet; und beide Male entschleiert und vergibt die Scheinhaftigkeit des Lebens wie der Formen Humor, realer als das Pathos des »Zarathustra«, dessen nur beanspruchte Wirklichkeit scheinhafter ist als aller Schein. Je dichter an Straussens Zentrum die Beziehung von Form und Leben rückt, um so stärker wird die Tendenz, die Form dem Leben zu kontrastieren, um so scheinhafter wird die Form; vom »Heldenleben« und der »Domestica«, den psychologischen Orchestersonaten, ist der Weg nicht so gar weit zur »Ariadne«, die romantisch mit der Barockoper spielt. Trotzdem ist ihm die Versöhnung von Technik und Programm, von ästhetischem Stilisationszwang und freizügiger Psychologie, von Form und Leben kaum je vollkommener geglückt als gerade im »Heldenleben«; nie schwingt sich sein Schwung tiefer ins Sinnliche hinein als hier, nie tragen ihn seine thematischen Bögen weiter, wie Feuerwerk aus dem schöpferischen Ich in das Dunkel seiner Einsamkeit einschlagend. Die symphonische Form ist gleichsam transparent geworden; die Zweiheit der Themen fällt mit der psychologischen Zweiheit vom Bewegtsein und Starrsein zusammen, die Sonatendurchführung gibt den Konflikt typischer Seelenverhalte in ihrer erfahrungsmäßigen Außenschicht, und das Leben durchleuchtet die gesamte Form, die es hervortreibt und verzehrt. Einzig bei den Finalteilen wird in »Heldenleben« und »Domestica« das technische Gleichgewicht bedroht: das Leben hat die Form fraglich gemacht, sie geöffnet und ihr das Ende verwehrt; das scheinhafte Kunstwerk aber verlangt ein Ende, die eigene Geschlossenheit zu bekräftigen. Dies Ende jedoch kann nicht aus dem Leben kommen und ist darum kein Ende, sondern willkürlich bricht die Musik ab. Die reine Es-Dur-Kadenz des »Heldenleben« leitet zur Reprise, im Schwung den Widerstand der Durchführung überfliegend; aber was da wiederholt wird, da alles Sein doch in Bewegung aufging, ist Zufall, während der Machtspruch der Form die Wiederholung der Exposition gebietet. Vergebens wandelt sich die Wiederholung durch das Programm; die Hohlheit des musikalischen Ausdrucks in »des Helden Weltflucht« verrät, daß keine Form Gewalt hat über das Leben, die nur aus dem Leben wurde, es sei denn, daß sie das Leben fälscht. Auch die Fuge der »Domestica« ist um der abstrakten Formforderung willen im Sinnlichen nachkonstruiert und hat kein Ende von sich aus; technisch unsicher reiht sie Coda an Coda, ohne irgendwo aufhören zu müssen. Was hier noch ganz verborgen blieb, ist später in der anschaulich weit undichteren »Alpensinfonie« durch die krasse Äußerlichkeit des Bezuges von Programm und Form zum Verhängnis geworden. Dennoch ist auch diese Äußerlichkeit so wenig wie die Äußerlichkeit der psychologischen Gegenstände billig abzuurteilen. Wissend unterwirft Strauss sich der Konvention, die ihn, Lebendes und Starres, Wirkliches und Unwirkliches undurchdringlich verflechtend, warnt, voreilig den vermeintlich realen Formen zuzustreben und der Wirklichkeit allzu leicht sich zu entziehen, die auch das bloße Individuum noch um sich hat. Zugleich aber umschließt Straussens Biegsamkeit der Konvention gegenüber einen menschlichen Sinn, der über seine bloße Situation hinausdeutet.

 

Man hat es Strauss oft vorgeworfen, daß er mit Hugo von Hofmannsthal sich verband; der Naturbursche habe, so sagte man etwa, dem Ästheten sich gesellt, um den Kontakt mit der Zeit zu behalten; oder gar, er habe aus der sublimeren Region neuromantischer Dichtkunst der erschlaffenden Sinnlichkeit seiner Musik frische Stimulation zuführen wollen. Solche Verdikte haben von Straussens Wesen wenig erfahren, und was sie erfuhren, hastig verzerrt. Wählt man für einen Künstler wie Hofmannsthal, der so überaus klar im Werke sich kristallisierte, den Titel Ästhet, so kommt dieser Titel auch Strauss zu; denn wie bei Hofmannsthal hat bei Strauss abschlußhafte Bedeutung die ästhetische Sphäre, in der der Zuschauer das Leben nachbildet. Die Phrase vom Naturburschen Strauss ist ganz illegitim; wie stark auch Straussens Musik im Sinnlichen verwurzelt sein mag, ihr Zug nach außen setzt höchst unnaiv an, und die Hüter der Straussischen Naivetät sollte immerhin zur Vorsicht mahnen, daß der vermeintliche Held der Sendlingergasse jählings in die Prinzessin Salome sich verliebte und gar die erotischen Metamorphosen des pagenschlanken Octavian vertraut begleitete. Dennoch ist Straussens Wendung zu Hofmannsthal die Zäsur seiner Entwicklung. Obwohl sie Strauss inhaltlich enger noch mit der auf bloßes Leben gerichteten Kunst seiner Tage verband, bezeichnet sie die Stunde, da der Künstler Strauss auf eine Grenze des Lebens stieß, die ins Leben zurückzuschieben er zögerte, wenngleich er sie ästhetisch verhüllt und milde inmitten der Konvention erfuhr. Bislang wußte er um die Bedingtheit alles Seelischen durch das Leben; in diesem Wissen allerdings versteckt sich von Anbeginn schon das Wissen um die Bedingtheit des Lebens selber. Aber dies tiefere Wissen gewinnt Nachdruck erst, wenn der Tod in das Leben hineingreift. Damit ist nicht behauptet, daß Strauss den Tod als psychologische Tatsache erlebt habe; vielleicht ist ihm, wie Simmel in seinen Tagebüchern es nennt, das Geheimnis definitiv geworden, das Bewußtsein der Begrenztheit aufgegangen, ohne in tragischer Härte ihn zu überwältigen. Jedoch die glücklich gewahrte Oberfläche des Lebens beginnt leise zu zittern, und schwankend tastet er nach oben. Die Empirie des Seelischen, in der Strauss den Rest des Wirklichen gesichert meinte, wird ihm fragwürdig – fragwürdig gerade, nachdem er die musikalische Gestalt der Salome rücksichtslos der Psychologie unterworfen hat; er sucht Anschluß bei dem Geist, hofft, es könne das Wort, das die Bedingtheit ausspricht, die scheinhafte Welt der Sinne vorm Einsturz schützen. Die Vergänglichkeit des Menschen in der fließenden Zeit ist Hofmannsthals Thema und Straussens Geheimnis. Erschreckend vor der Sinnleere des Psychologismus hascht Strauss nach einem Sinn, der doch selber nur aus der Sinnleere tönt; zugleich aber ist seine sinnliche Kraft gebrochen, das Hier entgleitet ihm, und das Drüben bleibt ihm fern. Dies ist Straussens Tragik: daß er, sobald sein Wille sich über die Sphäre bloßen Lebens hinausspannte, das Wirkliche verlor, das er besaß. Nicht Hofmannsthal hat ihn mit ästhetischen Spekulationen um seine musikalische Anschauung betrogen, er ging zu Hofmannsthal, als er seiner musikalischen Anschauung die Konkretheit nicht mehr glauben durfte. In der »Elektra« begegnete der Psychologe dem Psychologen; im »Rosenkavalier« aber ist die fließende Zeit, in der die psychischen Inhalte einlagern, selber Gegenstand geworden, und Hofmannsthals Wort, es sei im »Rosenkavalier« die Musik zwischen den Menschen, charakterisiert gut die Abwehr des Psychologismus, um deretwillen Dichter und Musiker die tänzerische Melancholie der Wiener Atmosphäre sich herzauberten. Nun erst Strauss gewandelt ins Sinnliche zurückkehrt, verschwistert er sich der Romantik: der Glaube an die Wirklichkeit des Außen ist ihm geschwunden, die Psychologie hat sich ihres formsetzenden Rechtes begeben; ironisch zweifelt die Musik an der Wirklichkeit auch des psychologischen Subjekts, das sie trägt; ironisch läßt sie den offenbar gewordenen Bruch von Form und Leben zum Stilisationsprinzip werden. Man schilt den »Rosenkavalier« sentimental als eine Musik, in der die Entscheidung des seienden Menschen unmöglich geworden ist; aber dieser Sentimentalismus ist seine Aufrichtigkeit, sentimental nur vermag im Verzicht vor der fließenden Zeit Strauss die Drangabe des Hier für das Drüben zu gestalten, an der oberen Grenze der Psychologie, sie überschauend, nicht überwindend. Wieder fügt er sich der Konvention: nicht mehr, um die Wirklichkeit des Außen ästhetisch zu retten, sondern die Wirklichkeit des psychologischen Innen als Schein aufdeckend. Die Straussischen ›Konzessionen‹ der späteren Zeit, der Schluß des »Rosenkavalier« etwa, sind Konzessionen nicht an das Publikum, sondern das Eingeständnis der Unzulänglichkeit des selbstschöpferischen Individuums, beschattet von seiner Schwermut; das Zugeständnis auch, daß es mit der isoliert ästhetischen Sphäre nicht so gar ernst ist, daß sie vergeht vor dem Tage. In der weichen Luft dieser Entsagung, die dunstig alle abendschweren Konturen rings vergoldet, wurde ihm die Musik der Marschallin zuteil, seine beste und zärtlichste. In der »Ariadne«, Straussens tiefst gedachtem Werke, sollte der Verzicht des Individuums nochmals über sich hinausgesteigert werden, versinnbildlichend, wie das Leben über die Formen hinausreicht; das Kunstwerk selber wird zum Thema des Kunstwerks als Gleichnis dafür; aber Straussens Kraft versagt, und versagt begründeterweise: Zerbinetta nämlich behält wahrhaft recht mit ihrem Neuen Gott, da die Welt des Bacchus als Welt bloß sinnlicher Ekstase ebenso scheinhaft ist wie die Buffowelt, über die sie sich erheben will. Es ist leicht, mit Bloch die Scheinhaftigkeit auch dieser Tiefe zu erspähen; dankbarer aber wäre es, die Tiefe dieser Scheinhaftigkeit zu bestätigen, die das Leben, da es mehr sein möchte als die Formen, in seine Sphäre zurückverweist.

 

Nach alldem dürfen wir Straussens Geburtstag doch wohl feiern, ohne uns zu versündigen wider seinen Geist. Längst hat die Unbedingtheit des Lebens in seinen Gebilden ihre Grenze: er hat den höchsten Preis darum bezahlt, den er zahlen konnte. Er hat allen Glanz des Zeitlichen gesammelt und läßt ihn strahlen aus dem Spiegel seiner Musik; er hat die Scheinhaftigkeit der Musik vollendet und die Musik durchsichtig gemacht wie Glas; das Ende der Scheinhaftigkeit mag auch mit seinen Werken gemeint sein.

 

»Die Hochzeit des Faun«

 

Grundsätzliche Bemerkungen zu Bernhard Sekles' neuer Oper

Zwischen Metaphysis und gegebener Welt entsteht die Spannung des Dramas. Die Entscheidung des zwischen Geist und Ungeist gestellten tragischen Helden löst den dramatischen Prozeß ins Überindividuelle auf und belastet den Helden mit der Schwere eines ganzen Weltschicksals. Der dramatische Prozeß bedeutet darum in weitestem Sinn Katastrophe, Wende im ewigen Kampf von unverlierbarem göttlichen Gestalt-Sinn und vergänglicher Gestalt-Form. Daß diese Wende in der Fülle des Lebendigen sich vollzieht, ist Schöpfungswunder aller dramatischen Kunst und stets Ziel und Problem. Um diesen Kern aller Tragödie wachsen mit apriorischer Gesetzlichkeit auch die gleichen dramatischen Formen: zwar nicht die dem Kulturbau adäquaten Arten dramatischer Formgebung, wohl aber die allgemeinen Formvoraussetzungen, die unmittelbar aus der tragischen Fragestellung hervorgehen. Stoff, Probleme, Bau, Sprachgebung sind veränderlich – das mit begrifflichem Reichtum befrachtete Wort aber gehört zu den allgemeinsten Formvoraussetzungen des Dramas. Denn die Sinnlichwerdung des Geistigen, die im Zwange der dramatischen Polarität geleistet wird, kann niemals einzig Ausstoßung eines (lyrischen) Komplexes von Willensmomenten sein, nie kann in der furchtbaren Spannung dramatischer Atmosphäre die Idee und der Vordergrund sinnlichen Lebens in einem bloßen Dasein zusammenfallen. Das Drama ist die Entfaltung widerspruchhafter Weltelemente aus der Kraft des Geistes; da es von der Idee ausgeht und keinem Erscheinungsvorbild und zugleich (wie alle Kunst) im Sinnlichen greifbar werden muß, so bedarf es eines Gliedes zwischen Geist und Erscheinung; dies Glied ist der Begriff und darum das allein mögliche Medium des Dramas die begrifflich bestimmte Wort-Sprache.

Löst man die Musik aus den analogischen Ketten, mit denen die leere Welt die flüchtigste aller Künste zu bannen strebte, so stimmt sie mit der Dramatik nur in einer allen Künsten gemeinsamen Beziehung überein: im Willen, Geistiges im Sinnlichen zu bewältigen. Die Diskrepanz von Sinn und Leben hat in ihrer formalen Allgemeinheit für die Musik keine Geltung und wo sie durchbricht, muß die Musik, der ein Bewegungsantrieb wesensimmanent ist, nicht polar gespannt sein, um den Geist ins Leben hereinzubewegen. Zwischen ihrem Dasein und ihrer Bestimmung ist kein Zwischenglied notwendig, sie ist daseinhaft im Antithetischen noch. Wo die künstlerische Idee, von der die Musik ausgeht, begrifflich ausgemünzt und zerspalten, mit einem Schlagwort gesagt: programmatisch wird, verliert sie sich an ein von außen in sie Hereingetragenes, wird ›äußerlich‹. Überkleidet sie ein Drama, so saugt eine Form die andere auf; sei es, daß – wie bei Mozart und im »Fidelio« – die Musik aus gegenständlichen Bühnengeschehnissen formalen Antrieb gewinnt und damit blassen und nicht gestalteten dichterischen Gebilden zu einem dramatischen Scheinleben verhilft, zum mindesten die dramatische Wahrheit gefährdend; sei es, daß durch die Projektion auf die szenische Realität musikalische Werte, die subjektiv geglaubt, aber nicht objektiv geformt wurden, gewaltsam dem Empfangenden aufgezwungen wurden. Wobei dann schließlich das ›Gesamtkunstwerk‹ eine Täuschung darstellt: insofern nämlich entweder beide Schaffensformen nebeneinander herlaufen und nur soweit sich bedingen, wie sie sich durch ihre in bezug auf die begriffliche Entfaltung verschiedenen Voraussetzungen verfälschen – oder eine Form unterdrückt wird und zum Lückenbüßen im schwanken Bau der anderen herabsinkt. Es soll damit nicht gesagt sein, daß nicht das Musikdrama als intensivster Tatprotest wider die aus der Verflachung bourgeoiser Kultur sich ergebende Entgeistung oder Erstarrung aller Musik einmal notwendig war – als Eigenwert soll es bestritten werden.

Richard Wagner mochte denn auch in seiner Synthese die Wesensdiskrepanz von Musik und Drama spüren – und das wurde der in der Wurzel schwachen Form zum Verderben, weil es sie entschleierte. Begrifflich organisiert und durch die Ohnmacht, den Weltstoff zu bewältigen, in eine verhängnisvolle Nur-Begrifflichkeit hineingesteigert, suchte Wagner jene Diskrepanz zu bezwingen mit seiner Begrifflichkeit. Darum setzte er beim Drama ein, das er nicht als Form allein, sondern ethisch verfälschte. Anstelle der Spannung zwischen Metaphysis und Welt, die der begrifflichen Entfaltung bedarf, setzte er eine unbegriffliche und daseinshafte: die der Geschlechter. Damit nahm er dem Drama die Möglichkeit, aus sich selbst heraus eine Überwelt zu gebären; doch aus menschlicher Schwäche lieh er seinen undramatischen Gebilden die dramatische Form, die ihnen nicht gebührte; mehr noch, er suchte die Metaphysis von außen her in den dramatischen Prozeß, dem sie nicht organisch war, einwachsen zu lassen, indem er die lediglich in der Besonderung des Daseins erlebte Spannung der Geschlechter sub speciem aeternitatis rückte und ihr jene ethische Werthaftigkeit von Anbeginn schon vindizierte, die sie erst aus dem dramatischen Prozeß hätte erhalten dürfen. So kam er zu der scheindramatischen Erlösungsidee und endlich – in großartiger Konsequenz – zur Regierung des weiblichen Pols im »Parsifal«, denn wenn die Polarität der Geschlechter einmal um der Möglichkeit der Drama-Musik willen ethisch verwurzelt sein soll, dann muß sie geradezu mit der Spannung gut-böse zusammenfallen, und der zeugt die Überwelt, der das Böse der geschlechtlichen Spannung, d.h. für den Mann das Weib, überwunden hat.

Mit dem Anschluß an Schopenhauer, der sich also ergab, und der notwendig die stoffliche Belastung schwertklirrender Romantik mit sich brachte, begann das Musikdrama zwischen Ritterpanzer und Pessimismus zu ersticken. Die großen Persönlichkeiten, Mahler etwa oder Schönberg, standen abseits. Von Musikdramatikern hatte Strauss zuerst Witterung und den schlanken Wuchs, der die Flucht aus der Drama-Musik maskierte. Es kam der »Rosenkavalier« und die »Ariadne«; im »Rosenkavalier« bleibt die metaphysische Bedeutung der sexualen Polarität, in neuer Färbung durch Hofmannsthals Vergänglichkeitsidee, noch erhalten, die Oper möchte noch Drama bedeuten: jedoch über die Idee wölbt sich nicht der drohende und in tragischer Gebärde erstarrte Bau des Schopenhauer-Wagnerschen Pessimismus, sondern nur sein Schatten huscht über das Werk als eine sehr anmutige und vor allem: gebändigte Resignation.

Hier war ein Ansatz, die »Ariadne« führte fort, und war schon Ende: weil sie die Unendlichkeit der Musik, die aus dem Musikdrama hätte erlöst werden müssen, in das krause Bogenwerk der Barockoper verfing und damit anstelle der metaphysischen Romantik Wagners lediglich eine artistische setzte.

Nun kommt von anderer Seite ein Künstler, der zum ersten Male sich ganz gefunden hat, ein Reifer, der als Artist die Höhe Straussens hält, und zeigt einen Weg, wie ihn Strauss geahnt, Busoni ertastet hat. Bernhard Sekles, bis heute immer noch der Neuromantik fälschlich zugezählt, weil der Jude in ihm nur in östlicher, aber sehr von Westen her geschauter Stilgebung ehrlich bleiben konnte, hat eine neue Oper vollendet, »Die Hochzeit des Faun«. Die Dichtung stammt von einem jungen Menschen Roderich Morr; das Werk hat nur zwei Akte, dauert nur zwei Stunden, es hat gar kein Problem, es hat gar keine musikdramatische Idee: und dennoch.

Was darin vorgeht, ist ein Nichts, so wenig distanziert wie ein Traum: in den häßlichen und unsymbolischen Faun Silvo hat sich irgendwo im Walde aller Nymphen schönste, Lyra, verliebt, sie sind durch die Zeit bis zur Hochzeit getanzt, da wird er ihr trotz faunischer Moralgesetze untreu, darum verbannt und gerichtet: erst dann darf er zurückkehren, wenn ein männliches Wesen ihm sich in Liebe ergeben. So muß er verkleidet umirren, wird unter tausend clownischen Gesten von seiner Geilheit desavouiert, er singt Arien und Gebete, er ist nahe daran, ins Tragische zu rutschen, da fangen ihn die liebevollen Arme des spleenigen Amerikaners Cheef auf, Silvo wird erlöst (wieder eine Erlösung, – aber was für eine!), zur Grotte Elmodyra gebracht, endlich als der faunischste aller Faune der schönen Lyra angetraut und mit großem Pomp zum Faunenfürsten gekrönt.

Die Logik dieser Vorgänge ist nur die traumartiger Emotion; aber es ist kein romantischer Traum, ist nicht Flucht in irgendein Fernes, das klingt: diese szenische Traumwelt ist ihrem Wesen nach nicht dramatisch, nicht polar gespannt; sie enträt jedes begrifflichen Fixierungspunktes, und darum eben vermögen ihre starken Bewegungselemente der Musik sich mitzuteilen ohne die Erschleichungen gegenständlicher Analogie und begrifflicher Deutung, deren das Musikdrama bedarf.

Man denke daran, was eigentlich das Positive im »Rosenkavalier« war: daß hier wogendes, formloses, vom Geschlechtlichen überschwertes Gefühl gestaltet wurde in jene Atmosphäre hinein, die selbst Gestalt ist: ins Wienerische. Wienerisches als Musik aber heißt: Rhythmus. So wurde der »Rosenkavalier« da groß, wo er Tanz wurde; blieb eine letzte Schwäche, so deshalb, weil diese tanzerfüllte Komödie für Musik nicht ganz Musik, Tanz wurde. Bei Sekles, dessen rhythmische Prägung schon im Ansatz stark war und in seiner Entwicklung zum höchst persönlichen Ausdruck musikantisch geweiteten und aktiven Weltgefühls wurde, ist hier mit kühner Sicherheit der letzte Schritt getan. Dieser Musiker hat sich für die »Hochzeit des Faun« durch die ungemeine Differenzierung seiner harmonischen, linearen, koloristisch-instrumentalen Vibrationen hindurch einen Rhythmus geschaffen und gehalten, der alle extensiven psychischen Elemente ballt und samt allen Dramaresten zerstampft. Jeder Takt ist so unerhört angespannt, daß immer der Tanz dahinter steht und an den Höhepunkten unaufhaltbar sich auslöst. Gewiß ist das Geschlechtliche (die Brücke zur bisherigen Dramamusik) noch Antrieb: aber mit der scheindramatischen, zerfasernden Musikdialektik ist endgültig gebrochen. Die Faktur weist nicht auf irgendeine alte Operform: sie gehorcht nur dem inneren Zwang der in weite Bögen gesammelten Bewegung. Es finden sich kühne Klänge in der Partitur, doch ist sie harmonisch nicht sonderlich radikal. Die Behandlung der Tonalität (die, obwohl keine Vorzeichen geschrieben sind, doch spürbar bleibt) zeigt eine gewisse formale Analogie zu Schreker; doch steht zu dessen um Orgelpunkte zentrisch gruppierter und vertikal empfangener Harmonik die Sekles'sche Linearität mit ihrer stark betonten Baßführung in scharfem Widerspruch. Instrumental sind durch Einführung von Cembalo und Harmonium ganz neue Farben gewonnen und (wozu Ansätze schon in der »Ariadne« vorhanden) die Bläser größtenteils solistischer Verwendung zugeführt.

Es soll nicht von musikalischen Einzelheiten geredet werden. Dies ist entscheidend: daß hier ein ganz spezifischer reifer Mensch jenen Punkt seiner Entwicklung erreicht hat, wo sie mit der Entwicklung der gesamten Kunstgattung zusammenfällt. Diese Tatsache stellt Sekles, kommt es auf den Menschen an, und nicht auf die Akkorde, heute zu Arnold Schönberg und nicht zu Richard Strauss.

Es soll nicht gesagt sein, daß dies Werk in allen Stücken schon Verwirklichung sei. Es ist vielleicht, so erschreckend groß und nah es heute vor uns steht, erst Anfang. Doch zweifle ich nicht, daß Sekles die Linie hält. Er steckt zu sehr in jedem Takt dieser Musik, als daß er sich selbst entschlüpfen könnte. Und schließlich: hier Anfang sein, wäre immer noch tausendmal mehr, als anderswo Ziel.

 

1921

 

 

Bernhard Sekles

Zum 50. Geburtstage: 20. Juni 1922

Der Musiker Bernhard Sekles ist still und ohne viel Aufhebens seinen Weg gegangen, und nun begegnet ihm plötzlich das halbe Säkulum, und er selber wie die anderen reibt sich verwundert die Augen und blinzelt: wie das denn möglich sei, eine solche Strecke ohne alle Rast und Müdigkeit der Glieder hinter sich zu bringen. Er ist nicht jung geblieben, sondern recht eigentlich jung geworden in den dreißig Jahren seines Wirkens. Die ersten Stücke, die von ihm bekannt wurden, »Capricen in Liedform«, zeigen ihn auf der Brahmsischen Seite, nicht auf der Wagnerischen, und haben schon jene schöne Ferne von aller Geschwollenheit und pathetischen Geste, die er weiterhin immer instinktsicherer zwischen die neudeutsche Epigonenmusik und sich legte, haben auch schon jene spielerische Ironie, hinter der er eine zage, heimatsüchtige und keusche Innerlichkeit sorglich versteckt. Viele der späteren Werke hat man um ihres farbigen, skurrilen, fremden Einschlags willen als ›exotisch‹ verstanden und mißverstanden: seine Erfindung ist primär melodisch, nicht koloristisch; die Groteske ist ihm nicht irgendein Selbstzweck, sondern nur die Brücke, die seine Seele aus ihrer lyrischen Abgelöstheit hinüber in die Welt schlägt, um nicht im Abgrund zu versinken; seine Fremdheit endlich ist nicht artistisch bloß im Stil gelegen, sondern entspricht einfach der Fremdheit seines Wesens dem Außen gegenüber. Was bei ihm Entwicklung zu nennen wäre, ist nichts anderes als Entfaltung; darum nur trieb er seine Technik zu rücksichtsloser Höhe, um seinen menschlichen Kern rein herauszuschälen. So ist sein Schicksal ein echtes Lyrikerschicksal; als er im Stil Debussy begegnete und auf einmal ›modern‹ war, geschah es ohne Sprung, er drang zu sich durch, und es ist von seiner Persönlichkeit aus gesehen nur Zufall, daß der Zug der Zeit nach unverstellter Sachlichkeit mit seinem eigenen lyrischen Zuge sich traf. Dies Zusammentreffen wurde nach außen offenbar in der Oper »Scheherazade«, in der er, ein reifer Mann, zum ersten Male eine große Form ausfüllte und zugleich mit unbeirrtem Takt in seinem lyrischen Bereich blieb. Indem seine lyrische Art hier auf die Kontrastmöglichkeiten der Bühne übergriff, geriet ihm eine Zusammenfassung von vollem Geltungsrecht. Mit seiner zweiten Oper, der »Hochzeit des Faun«, die reicher und konsequenter noch dasteht, hat Sekles eine weitere bedeutsame Station auf dem Wege zur Neuerfüllung der Oper erreicht. Von seinen letzten Arbeiten sind besonders die fünfzehn »Gesichte« für kleines Orchester hervorzuheben, fast bekenntnismäßige Stücke von intimer Knappheit. – Neben diesem kompositorischen Schaffen übt Sekles in Frankfurt eine ausgedehnte, äußerst fruchtbare Lehrtätigkeit aus. Nicht nur seiner warmen Menschlichkeit wegen, die alles Technische mit Leben und Verantwortung erfüllt; auch um seiner klugen Methodik und sachlichen Strenge gegen alles Verblasene, Unorganische und Gemachte willen hängt die Frankfurter musikalische Jugend ihm an als ihrem Führer und Freund. Ihn selbst aber führt seine Berührung mit der Jugend zu den Quellen seines Wesens zurück: dem Jungsein in Sehnsucht und Singen. Er ist nie aus seinem Umkreis herausgetreten, aber hat diesen Umkreis immer weiter gelegt. Er hat sich nicht das Fremde unterjocht, aber ist sich treu geblieben. Und das ist viel.

 

Mascagnis Landschaft

 

Zum 70. Geburtstag: 7. Dezember 1933

Das Rätsel dieser Musik scheint nicht in ihr selber gelegen, sondern in ihrem Schicksal. Sie ist homophon bis zum Unfreiwillig-Primitiven, prompt bis zur Grobheit, einfallsreich ohne Metier; sie hat viel obskuren Erfolg gefunden, ein wenig verschämte Liebe und gar keinen Respekt; sie fühlt sich, ihr langes, doch altersloses Leben hindurch, am wohlsten im Café, mit der überlieferten Zigarette der Carmen als der schlanken Magna mater alles Verismo; man möchte wenig Worte von ihr machen und bloß sagen: die Cavalleria! Wie gut sie immer noch ausschaut – denn so will es der Brauch bei Personen ihres Schlages. Aber an dem einen Worte Cavalleria haftet der ganze leichtfertige Ruhm dieser Kunst. So tief ist er dem Worte verschwistert, daß es jeglicher Übersetzung sich verweigerte; unter dem italienischen Titel führt, in Klammern, die »Sizilianische Bauernehre« ein philologisch gedrücktes Dasein. Ohnmächtig wie die Übersetzer blieb dann auch der Komponist vor dem einen Werk. Er hat den Erfolg, den echten, wahllosen, distanzlosen, nach dem seine breiten Melodien sich dehnen, nicht noch einmal gezwungen. Amico Fritz, lebendig und viel besser gemacht als das blutige Potpourri, schien einzuschlagen und ist doch verschwunden, kaum weiß man warum; aus Iris gibt es in Deutschland irgendein Arrangement für Kurkapellen; vom anderen weiß man bei uns kaum den Namen.

Dabei ist Mascagni am letzten ein Rimbaud der Musik, bereit, mit zwanzig Jahren aufzuhören; vielmehr das Gegenteil eines Artisten, unfähig darum auch zum Überdruß an der Kunst, die einzig erst als vollkommene den Künstler von sich wegtreibt. Er hat es immer wieder versucht; im Abstand einiger Jahre erscheint allemal in den Zeitungen, wie die Seeschlange, eine Notiz, der Meister habe ein neues Werk vollendet, das die Kenner für sein bestes erklärten. Währenddessen führt die Cavalleria im Rampenlicht, heller als die Faraglioni, bis zum Ende der Tage ihre mythologische Strindberg Ehe mit dem Bajazzo, an welchen der Gott der Einakter sie schmiedete, wie im benachbarten Aetna Hephaistos die Aphrodite an Ares. Aetna, Faraglioni und Seeschlange – das ist aber die wahre Staffage der Cavalleria selber. In Süditalien ist sie mir einmal aufgegangen. Damals bemerkte ich, wie wenig unsere Rede von Kitsch sich ziemt angesichts jener sonderbaren Bauwerke, die heimgekehrte Auswanderer, reich geworden in Argentinien, längs der Küstenlinie nach dem Muster griechischer Tempel errichtet haben; so unwahrscheinlich weiß wie nur der Golf hier unwahrscheinlich blau leuchtet. Sie lassen sich ertragen allein darum, weil sie in vulkanischer Landschaft stehen. Deren Ausdruck, gedrängt in der Überhelle des Augenblicks, stets bereit, aus dem gesegneten Licht ins wilde Feuer umzuschlagen, überkräuselt von der Wolke des Vesuvs, verleiht dem Schein das Recht jäher Ewigkeit, indem er ihn der Katastrophe sichtbar aussetzt. So darf nur strahlen, was bedroht ist von Zerstörung: was keine Dauer kennt, darf den falschen Glanz sich erborgen, als wäre es über den Zeiten, und das Falsche wandelt sich ins Echte. Darum trägt der Schild des früh sterblichen Achill die verbürgten Bilder der Gottheiten – der Schild, der ihn doch vorm treffenden Pfeil nicht zu schützen vermag. Auch jenes vom archaischen Ehebruch und seiner Sühne ist darauf. Diesen Ausdruck hält genau die Cavalleria: unsolid, unmenschlich, ewig im Unbeständigen, echt im Falschen, leuchtender Wein auf der erkalteten Lava des Dilettantismus; mythologisch ganz und gar, eine Phantasmagorie der Antike, gesetzt für Salonorchester. Das läßt sich nicht wiederholen, kaum nur produzieren: es kann nur erscheinen mit der Seltenheit eines ungeheuren Rhythmus gleich der Seeschlange. Das hält keiner Kritik stand und wird doch von keiner erreicht. Das gibt sich der Drehorgel preis und klingt doch, als wäre es von je dagewesen. Der es schrieb, ist ein freundlicher alter Herr. Er erteilt Interviews über das neue Werk, das die Kenner für sein bestes erklären. Daß ihm einmal vor vierzig Jahren, für knappe dreiviertel Stunden Oper, auf offener Szene die Olympischen leibhaft sich versammelten, davon ist ihm nichts bekannt.

 

Ravel

 

Erotische Musik: darunter versteht man nun einmal solche, die liebendes Begehren ausdrückt; Sehnsucht der Ferne und Sucht der Nähe, immer jedoch den Affekt des Liebenden. Wagner, der lockende Venusberg, die chromatische Dehnung des Tristanvorspiels, die Skala der Passionen im zweiten Akt, auch Hans Sachsens Glühwurm und noch Kundrys Verführungsszene sind das unverlöschliche Urbild; so klingt noch, südlicher und dunstloser, Debussys Ile joyeuse, so tobt es mit fruchtloser Raserei sich aus in Skrjabins Ekstasen, und was immer unterm panischen Gebot der Dominante als des ausschließlichen Mittels harmonischer Formung in den spätromantischen Dezennien kompositorisch gedieh, hat diesen Ton, dies Crescendo, diesen Ausbruch und dies Ermatten.

Aber das panische Urbild von Liebe ist nicht das einzige, das Musik entwerfen darf. Denn in ihm weiß das tönende Ich bloß von sich selber; sollte es aber nicht vermögen, anstatt seine Sehnsucht unvermittelt auszusingen, an deren Gegenstand sich zu heften? Soll erotische Musik immer bloß dem Liebenden gleichen, anstatt daß er verschwindet und die Geliebte statt dessen beschwört; nicht psychologisch irgendeine von draußen, sondern die, welche als wahres und unzerstörbares Objekt dem eigenen Traume innewohnt? Ja, mag nicht der vereinsamten, lyrisch abgeschiedenen Seele ihre Musik zur Geliebten, der nie Gefundenen doch stets Geliebten sich wandeln?

Solche Stellen gibt es, zwischen ganz anderen, bei Chopin: im langsamen Satz des e-moll-Konzertes, ehe es in Figuren verschwebt, im Fünfviertel-Andante der c-moll-Sonate, auch in manchen Mazurken wie der berühmten in a-moll. Sie gleichen solchen bleichen Daguerreotypien, von denen man meint, sie stellten die wahre Anverlobte dar, ihr matter Umriß müsse, wiedererkannt, einen selber wiedererkennen und lächeln; die altmodischen Rüschen und Draperien gälten dem Leib, dem wir die Treue hielten. Die Chopinstellen lassen sich nicht halten, so wenig wir die Daguerreotypien beim Namen wissen; ihr Denkmal bleibt der flüchtige Duft.

Der Meister aber, der sein kunstreiches und mühevolles Leben daran wandte, diesen Duft zu extrahieren; dies blasse Bild zu bannen, wiederzuerkennen, seine Sprache aufzuschreiben und kurzum seine Musik in die imaginäre Geliebte zu verzaubern, heißt Maurice Ravel. Er muß nun wohl Franzose sein; vielleicht schon mehr aus dem Frankreich Prousts, der ein langes Erinnerungsleben aus dem Bilde der jungen Mädchen am Strand hervorspinnt, als aus dem der Impressionisten, deren Stil Ravel zugezählt wird, obschon zwischen ihm und den Malern eine ganze Generation liegt. Er ist der letzte Feind Wagners, weil dessen Konzeption der erotischen Musik seiner eigenen so nah – und so gefährlich entgegengesetzt ist. Er wird ein Artist und Ästhet gescholten – wer würde es nicht, der an die Schönheit der Geliebten sich verliert? Er ist wissend und klar bis zum Grunde – wer würde es nicht, geschult an der Unbewußten und Unergründlichen. Seine tiefste Tugend aber ist die Treue zum Bild.

 

Ca. 1928

 

 

Béla Bartók

Nur recht fragmentarisch ist uns das Werk des Ungarn, der heute im Zenith seines Künstlertums steht, bekannt. Spärlich werden bei uns seine Arbeiten aufgeführt, erst neuerdings findet man seinen Namen häufiger auf den Programmen wenigstens der Pianisten. Vieles von ihm ist nicht einmal in den Noten zugänglich. So fällt es denn schwer, von ihm zu reden, und manches muß mit Vorbehalt gesagt sein. Doch zweifellos zählt er zu den wesentlichen Musikern der Gegenwart.

Sein Vaterland quillt über von Musik, der Musik der Wandernden, Heißblütigen, Heimatlosen, die dennoch daheim sind, – und wieder der Dumpfen, Schollengebundenen, denen die unendlichen Horizonte der Ebene ins Blut schon gestellt sind und die Rhythmen bemessen. Magyaren und Zigeuner stoßen zusammen im Klang, der plötzlich und gedehnt, reitend und singend, müde und jung flutet und ebbt. Die Musik des großen Pan hat hier noch ihre Stätte, aus der zottigen Sinnlichkeit ihrer Bockslaute bricht ganz nah und groß noch der Schrecken vor dem Dritten auf. Noch ruht die Musik bei der Volkheit, hat noch die epische Zeitlosigkeit, die sich versagt dem aus der Naturgemeinschaft gelösten Ich, das die Zeit und ein eigenes Schicksal trägt. Wird ein Individuum zum Träger der Musik, so ist es nicht ein Selbst von spontaner Schöpferkraft und gesonderter Verantwortung, sondern ein Held eher, einer, der seine ganze Volkheit repräsentativ zusammenfaßt, ohne an ihr problematisch zu werden, ein Mann einfach im Sinne der römischen virtus. So findet es sich denn, daß die ungarischen Musiker ›Virtuosen‹ werden, Kerle, die das Klavier oder die Geige noch besser bändigen als ihre Genossen, aber doch nicht anders. – In diese Welt platzt das moderne Europa herein, Wien und Deutschland und Paris, eine barbarische Zivilisation tut sich auf, die die eigene Naivetät krampfig zur Sünde umbiegt. Eine kleine Schicht trennt sich ab, zäh und mutig, die den Fluch der Vereinzelung auf ihre starken Schultern nimmt und die eingeborene gewaltige Kraft daran wendet, vom Individuum aus (– das hier doch noch nicht bloß Individuum bedeutet!) den Kreis einer eigenwüchsigen Kultur zu schließen. Hier etwa liegt der geschichtliche Ort, an dem wir Béla Bartók zu suchen haben.

Er begann nicht viel anders, als ein Musiker aus guter Schule an der Peripherie des Wagnerbereiches um die Jahrhundertwende beginnen mochte. Die Rhapsodie für Klavier und Orchester op. 1 ist ein thematisch frisches, durchweg homophones Stück mit stark virtuosem Einschlag, fern von inhaltlicher Problematik und technischer Komplizität. Die Suite für großes Orchester op. 3, die Eugen Szenkar in der vorigen Saison in Frankfurt bekannt machte, weist auf die Meistersingerpolyphonie hin. Sie bringt einen naiv-illustrierenden Naturimpressionismus klangreizvoll zur Geltung, ohne stets ein plastisches Formziel zu bewältigen. In beiden Werken findet sich ein ›nationales‹ Element in Gestalt von Zigeunertonleitern und synkopierten Formeln, das jedoch nicht mehr zum Aufbau beiträgt als etwa das russische Kolorit, das Tschaikowsky als Kostüm auf dem kosmopolitischen Maskenball urtümelnder Zivilisation zu tragen beliebt. – In der II. Suite (op. 4, für kleines Orchester) herrscht bei knapperen Dimensionen spielerischer Geist. – Dann muß ein Bruch erfolgt sein. Die vierzehn Klavierstücke op. 6, kokett-bescheiden »Bagatellen« genannt, zeigen ein ganz verändertes Gesicht. Nicht daß er Debussy rezipiert hat und die Tonalität durch Bezug auf die Ganztonleiter und gelegentlich schon auf die alten Tonarten zersetzt, gibt ihnen ihr Gepräge. Sie sind mit erstaunlicher Konzentration zusammengeballt, die Frage nach der Notwendigkeit jedes Taktes ist getan und drängt in einen knappen heißen Rhythmus oftmals ganze Gefühlsbögen zusammen. Paris ist allerdings nicht gespart: »Elle est morte«, ächzt es halbironisch, und »Ma mie qui danse« scheint mit dem Hohlspiegel dem Montmartre abgefangen. Doch weht da schon ein Sturm, der zur mittelländischen Bläue von Debussys Bucht gar nicht paßt, und das zehnte Stück ist schon ein rechtes Allegro barbaro. Was er zu sagen hatte, ließ sich nicht auf Französisch sagen, und wurde ihm hier an seiner Wende bewußt: so schied er sich denn klar von allen salonmusizierenden Slawen seiner Zeit ab und machte Ernst mit dem Nationalen, das er als rauhes und gutes Korrektiv über seine nervöse Sensibilität setzte. Er arbeitete sammelfleißig, fuhr von Dorf zu Dorf, schrieb magyarische und rumänische Volkslieder auf wie die Brüder Grimm ihre Märchen, und gab zusammen mit Zoltán Kodály wissenschaftliche Rechenschaft von seinem Tun. Die lebendige Musik dankt dieser Zeit seine Klavierbearbeitungen von Bauernliedern, Bauerntänzen; ferner Kinderstücke und eine »Sonatine« nach Nationalmelodien, unter reicher Ausnutzung der alten Tonarten geschrieben, mit Brahmsens Volksliederbearbeitungen wohl zu vergleichen. – Aber niemals kam ihm eine ›Utopie nach rückwärts‹ bei, nie tat er naiv und sprang in die gute alte Zeit. – Anders als Schönbergs Atonalität, beherrscht seine Harmonik eine schroffe Freude an der Dissonanz, in der heimlich doch wieder und unausgesprochen die Konsonanz mitgedacht ist. Er wendet sich dem Kammermusiksatz zu, und ohne die Differenziertheit der modernen Sonate preiszugeben, stärkt er ihr Rückgrat durch den weiten festen Rhythmus, in dem seine Seele der seines Volkes begegnet. Das herkömmliche Schema geht in diesem Rhythmus auf, die ungestüme Kraft der Sätze wölbt sich über die Dualität der Themen, die nur noch aufblitzen wie Lagerfeuer beim Durchreiten der Steppe. Seine beiden Quartette (op. 7 und 17), deren Stil auch die neue Violinsonate op. 21 verwandt sein dürfte, bedeuten technisch genommen eine Kritik der Sonatenform. Die Satzzahl wird auf drei beschränkt, Scherzo-, Rondo- und Allegro-Typus nähern sich einander, das Adagio gibt sich rhapsodisch aufgelöst und weist in die verdämmernde Ferne. Im Zweiten Quartett ist das Aufbauprinzip zu voller Klarheit gediehen. Der erste Satz bringt eine – motivisch verankerte – Sonatenform mit zwei übergleitenden Themengruppen, Durchführung und Reprise; der zweite, ganz rhythmisch-homophon gehalten, ist dem Geist nach ein Scherzo, nähert sich aber in der Anlage dem Rondo, er mündet in eine gepeitschte Stretta, deren al Fresco-Art in der Kammermusik ganz neu ist. Das Adagio ist an den Schluß gestellt. – Gegen dies straff gefügte Werk macht das Erste Quartett mehr den Eindruck des Improvisierten; es stellt jähe Gegensätze aufeinander wie die Geige des Zigeuners. Besonders stark gefühlt ist die weit ausgesungene Einleitung. – Die Klavierwerke Bartóks, bis zu den drei ungemein schwierigen Etüden op. 18 immer rücksichtsloser ansteigend, sind enger subjektiv geblieben als die Quartette: der Virtuos tobt sich aus. Die ziemlich einfache Suite op. 14 sei zur Einführung empfohlen.

Außer zahlreichen Orchesterstücken (op. 5, 10, 12) schrieb Bartók zwei Bühnenwerke, deren Aufführung in der Frankfurter Oper bevorsteht: »Die Burg des Herzogs Blaubart«, Oper, op. 11, und »Der holzgeschnitzte Prinz«, Pantomime, op. 13. Die Bücher stammen von Béla Balázs. Der Kern Bartóks wird offenbar. Wie in seinen Instrumentalkompositionen plötzlich der Schrecken steht und dumpf hämmernd die Sicherheit des bloß Gespielten zerbricht, wie Bartóks Musik in jedem Betracht höchst unbehaglich ist: so droht seine Oper »Blaubart«. Der Durchbruch des Naturhaft-Ewigen in der menschlichen Welt ist sein ewiges Thema, zu dem sich ihm, unbewußt wohl, die geistige Lage seines Volkes verdichtet hat. Er bedarf nicht, wie der Zivilisationsdichter, halber und zweideutiger Symbole, der Ursprünglichkeit seiner künstlerischen Schau fallen Sinn und Gestalt zusammen. Der Text des »Blaubart« bringt eine kinoschaurige Variante eigentlich des Lohengrintextes; aber Bartók läßt allen Bühnenzauber liegen und holt aus dem Buch eine Tiefe, die sicher nicht gemeint war. Die siebenmal in wechselndem Stimmungslicht vollzogene Handlung der Türöffnung gibt ihm die Disposition für sieben in sich geschlossene Sätze, deren erster nur und letzter thematisch sich begegnen. Diese Sätze aber sind wie Variationen über das hinter der Musik liegende Thema: Schrecken, einen Schrecken, der aufsteigt, aus blendendem Durglanz leuchtet, in trüben Wellen wogt, wild sich aufbäumt und im Schluß, der wieder adagiohaft sich auflöst, zur Nacht versickert. Ein herber einfacher Orchesterrahmen ist um diese Gefühlsvorgänge gespannt. – Ähnlich wie der »Blaubart« Bartóks tragische Grundkräfte zusammenfaßt, sammelt der »Holzgeschnitzte Prinz«, ein Ballett zu anmutig-harmloser Handlung, seinen aufs Diesseitige zielenden, rhythmischen Reichtum, gießt ihn in ein schimmerndes Orchester und überflutet die Welt mit Tanz. Wärmer aber als Strawinsky ist dieser Tanz, nicht romantische Groteske, sondern bei allem Raffinement des Handwerks geradeswegs von den Stammgefühlen der Liebe, des Trotzes, des Schmerzes, des Glücks voll herströmend.

 

1922

 

 

Béla Bartóks Tanzsuite

Zu Bartóks kürzlich erschienenem Werke, dem auf dem Prager Musikfest neben Alban Bergs Wozzeck-Fragmenten der deutlichste Erfolg zuteil wurde, mögen einige Anmerkungen erlaubt sein.

Nicht aus Bescheidenheit oder Koketterie nennt sich das Stück Suite; es ist durchaus keine Symphonie und will in keinem seiner losen Takte symphonisch scheinen. Es dankt seine Existenz der Gelegenheit, wurde für ein Konzert komponiert, das den fünfzigsten Jahrestag der Vereinigung von Ofen und Pest feierte, und ist auch dem Sinne nach gelegentlich. Vergebens suchte man darin nach dem Sturm und der Stille jener großen Ersten Violinsonate, vergebens nach den Abenteuern von Klang, Rhythmik und Form, die in der Zweiten geschehen. Ein paar durchsichtige, kennbare Tanzcharaktere sind locker aufgereiht; die Ritornelle, die sie verbinden, füllen eher Pausen, als daß sie das ganze organisieren möchten; und das Finale gar, das thematisch auf die ersten Sätze Bezug nimmt, stellt das bekannte Material in sicherer Unbedenklichkeit nebeneinander, ohne sich irgend als Synthese zu gebärden, ohne selbst mit kontrapunktischen Überschneidungen sich viel zu bemühen. Harmonisch wesentlich einfacher, als man es heute von Bartók erwartet, stützt sich die Suite auf eine leicht verhüllte, zuweilen quartig durchbrochene Tonalität: etwa wie die Klaviersuite op. 14. Sie ist hübsch und apart instrumentiert, dem Anlaß gemäß. Auch die Anlage der einzelnen Teile hält sich einfach; die Gruppen werden exponiert, oft unmittelbar nacheinander mehrmals in verschiedenen Lagen und dynamischen Graden wiederholt, Neues folgt und der Beginn kehrt wieder, sei es in einiger Vollständigkeit, sei es im knappen Zitat; Durchführungen gibt es nicht. Das Adagietto (IV) ist primitiv dialogischer Art; liegende Streicherakkorde voll weicher Sekundbrechungen alternieren in stetiger Ruhe mit kurzen Unisono-Phrasen von Soloholzbläsern. Nur der dritte Tanz und das Finale gliedern sich mannigfaltiger. Kurz, die Suite ist harmloser Absicht und schlicht gelungen. Gleichwohl ist sie bezeichnend für den Komponisten nicht bloß, der sich treu darin bleibt wie überall, sondern auch für die Gesamtsituation, der sie entstammt.

Was besagt es denn, daß ein verwegen persönlicher und hartnäckig radikaler Künstler wie Bartók eine Arbeit sich von der Gelegenheit diktieren läßt und im Schreiben der Forderung des Diktates gehorcht? Man sollte meinen, daß er, den einmal die Kritik der Sonate bis zur rhapsodischen Auflösung aller vorgegebenen Form trieb, in ungebundener Freiheit nun seine Formen sich selber setze; vordem brach er sich einen engen Weg zu dem Bereich, da seine subjektive Fülle noch mit der bestätigten Existenz musikalischer Typen zusammenklingt, die ein Volk beschränkt gewiß, jedoch real wohl garantiert – und dürfte nun bedächtig sich umschauen und umkehren in Gebiete, in denen jene Typik gilt, ohne das Ich zu fassen? Dennoch wendet er sich gelegentlich, und begründeter Weise, zurück. Sein Verhältnis zur ungarischen Volksmusik, zu Rhapsodie, Monodie und Tanz ist nicht so gesichert, wie romantischer Glaube sich erhofft. Zu tief ist der Bruch, der auch in Bartóks Werken Ich und Form auseinandertreten läßt, zu schmal der Raum, in dem sie sich mühevoll versöhnen, zu eng eben der Weg, der dorthin leitet, als daß nicht Atem zu schöpfen wäre. Wie Bartók tief in isolierten Subjektivismus sich hineinneigte (findet man doch Stellen bei ihm, die fast von Webern sein könnten!), so mag ihn die Dialektik seiner Position auch nötigen, in Formen einzutreten, die ihn als Person nicht bergen, fremd seinem Wesen entgegenweisen und ihn zugleich verlocken, daß er nicht in sich versinke.

Wie er in der Tanzsuite dieser Lockung folgt und ihr nicht erliegt, darin bewährt sich unter der Hülle eines harmlosen Beginnens Bartóks Stärke.

Er weiß, nicht in der Reflexion zwar, doch als Gestalter, daß die Formen, die vom Ich sich losrissen und starr wurden bei sich, ihre verpflichtende Macht über das Ich verloren; daß ihnen von sich aus keine Wirklichkeit mehr innewohnt; und er verzichtet darauf, sie so zu fügen, als wären sie wirklich. Aber er weiß auch, daß die Formen noch übrig sind, wenngleich sie nicht mehr existieren; daß ihre Forderung stets noch an das Ich ergeht, wenngleich es ihr nicht mehr genügen kann, so wie sie ihm nicht mehr genügen. Die Zone der Versöhnung, die ihm überlassen bleibt, gewährt ihm keinen ruhigen Aufenthalt; nach beiden Seiten muß er stets trachten, sie zu sprengen. Geht er in die Sphäre des puren Subjektivismus über, so festigt ihn seine nationale Bindung; betritt er die Sphäre der toten Formen, so wahrt ihn sein Ich lebendig. Anstatt daß er pathetisch kämpfte um die Realität der Formen oder sie romantisch vorspiegelte, spielt er mit ihnen, läßt sie sich von der Gelegenheit bringen, die zum Symbol des Zufalls wird, der allein noch das Verhältnis zu solchen Formen regelt; versucht nicht, sie subjektiv zu belasten und zu durchbrechen, sondern offenbart sich selbst gerade in der weisen Ironie, mit der er sich verschweigt. Und wieder trägt ihn der volksmäßige Grund; die Entfremdung seiner Person den Formen gegenüber ist nicht vollendet, es bleibt ihm Anteil an ihnen, Anteil ihnen an ihm, sein Spiel wird nicht zur Spielerei.

Das Problem der Spielmusik kommt an Bartóks Tanzsuite paradigmatisch klar und in seiner tiefen Aktualität zutage; das Problem, das auf anderer Ebene und dunkleren Sinnes Strawinskys Intention birgt. Strawinsky nähert sich auch die Musik dieser Suite; wobei einzuräumen ist, daß für die Emanzipation der Rhythmik, die metrischen Rückungen, die Neigung zu fünfteiligen Bildungen Bartók volle Unabhängigkeit von dem Russen behaupten darf. Dirigenten, die der Schwierigkeiten des Sacre du printemps Herr werden, bietet die Tanzsuite keine Schrecken; und auch Orchester, die nicht an derlei virtuose Aufgaben gewöhnt sind, können das Stück bewältigen. Das Eigentümliche seiner Formstruktur schließlich gestattet ihm breite Publikumswirkung, obwohl es von dieser Zeit ist.

 

1925

 

 

Über einige Werke von Béla Bartók

Nicht der breite Umfang einer geräumig im Sinnlichen angelegten Begabung ist es, der stets wieder zur Auseinandersetzung mit des Ungarn Béla Bartók kompositorischer Art zwingt. Der gleichen Generation wie Schönberg und Strawinsky angehörig, der gleichen musikalischen Gesamtsituation entwachsen, fand er sich im Verlaufe seiner Produktion den gleichen Problemen gegenüber, die jene aufrührten: auch an ihn erging die Frage, wie aus dem brüchigen Gelände einer von der menschlichen Existenz abgelösten Romantik die Musik sich heimtaste zum Grunde der vollen Wirklichkeit oder, wenn solcher Grund ihr unerreichbar bleibt, wie sie in der vollendenden Aussage der Unwirklichkeit diese als Unwirklichkeit enthülle und polemisch deute auf ihre Überwindung. Während aber Schönberg, blindlings der Frage untertan, den Schein bis zur schmelzenden Glut steigerte, nichts unversucht ließ, von allem sich versuchen ließ, um in der bewegten Fülle dynamischer Seelenkunst sich selbst dann zu begegnen; während Strawinsky, frevlerisch sicher, den Schein bis zur dialektischen Vernichtung transparent machte, das Eisengerippe bloßlegte, um das der Flitter sich bauscht, das Eisengerippe als Haus schießlich in die Welt baute, die schaudernd darin wohnen sollte – während jene beiden das Chaos der versinkenden Formen durchmaßen und an ihm sich erhärteten, trat Bartók vor dem Chaos in sich zurück, sobald es ihn betraf, und forschte, was dort wohl an Wirklichem übrig wäre, an Wirklichem auch aus den Formen; zu jedem Wagnis der Sinne abenteuerlich bereit, aber geborgener darin als die Abenteurer der Seele und ärmer zugleich. Denn indem er von der fragwürdigen Unendlichkeit des Psychologismus sich abkehrte, reduzierte sich ihm das musikalisch Wirkliche nach dem Maße dessen, was an seienden Formen im Volke gegenwärtig war, in seinem Volke, in der Bauernmusik der Magyaren und Rumänen; nicht weiter erkühnte seine Seele sich zu schweifen, als wo sie eben noch Antwort erfuhr von der Gemeinschaft. Bartóks Einschränkung auf sich selbst wird notwendig zur Selbsteinschränkung; sie begibt sich des offenen Kampfes mit den problematischen Formen und schneidet aus dem Ich den schmalen Bezirk heraus, der der Problematik enthoben ist, in den bestätigt Formen hereinfallen. Seine Apperzeption des Volksliedes scheidet sich tief von aller romantischen; sie bringt nicht Supplemente dem Ich, sondern Korrektive, übt Kritik an seinem musikalischen Autonomieanspruch; geht aus von keinem fixierten Wunschbild des Volksliedes, dem man zustreben möchte, sondern von den realen, höchst paradoxen Gesängen, die der Sammler aufzeichnet und die er nicht imitieren will, sondern an denen er das eigene Beginnen begrenzt; die Wahrhaftigkeit dieser Apperzeption kommt daran zutage, daß in Bartóks Werken nirgendwo das Volksliedmäßige als diskret abgesondertes Stilelement steht, vielmehr überall vom subjektiven Kompositionsprozeß gefaßt und durchdrungen wird, wie nur im Wirklichen Ich und Objektives sich durchdringen.

Die Homogeneität von Ich und Formen, Bartóks Glück und Enge, bedingt es, daß die möglichen Formtypen sich einschränken mit ihm. Es sind nur drei, um die er sich müht; die Volksmusik hat sie vorgezeichnet als deklamatorisch durchbrochene Rhapsodie, als liedhaft geöffnete Monodie und als leidenschaftlich bewegten Tanz; er empfing sie als Kritik der westlichen Instrumentalformen, der Sonate, des Adagio und des Scherzo oder Rondo, welche beiden bei ihm zu ihrem Ursprung wieder zusammenrücken. Im radikalen Vollzuge der Kritik, in der reinen Darstellung der Typen erschöpft sich Bartóks Vermögen; er hat eigentlich nur drei Stücke geschrieben, und seine Entwicklung ist nichts anderes als der Weg vom verborgenen Keimen zum luziden Sichtbarsein dieser Stücke. Der Weg war lang und nicht ohne Gefahr; willig ließ sich Bartók vom musikalischen Impressionismus locken, den er sich allerdings so sehr vereinfachte, den er so grob illustrativ verstand, daß er kaum ernstlich seine musikalische Art schneiden mochte. Doch war er tief genug, Aberrationen zu erdulden, die seine Geborgenheit wenn schon nicht sprengen, dann wenigstens erschüttern konnten, und an Entgleisungen ist kein Mangel. Erst mit der gehämmert knappen Klaviersuite op. 14 und dem Allegro barbaro (ebenfalls für Klavier) brach er durch in sein Zentrum; in dem großlinig schönen und ganz spezifischen II. Quartett op. 17 und den Etüden op. 18 schritt er konsequent weiter; in den beiden Violinsonaten nun (U.E. 7247 und 7259), seinen jüngsten kammermusikalischen Arbeiten, scheint er am Ziel.

 

Die Erste Sonate ist dreisätzig wie das Zweite Quartett: ihre drei Sätze sind Bartóks drei Stücke schlechthin. Der erste, rhapsodisch gelockert, hat Sonatenstruktur; das Thema wird geschlossen exponiert, ist aber melodisch-metrisch ganz frei; der zweite Hauptgedanke der ersten Gruppe wird mit dem Überleitungsteil verschmolzen; die zweite Gruppe bildet sich wieder aus zwei Gedanken, einem stockenden, sehr ungarisch gefärbten, und einem ungestüm vorwärts leitenden, der in rascher Steigerung zur kurzen Schlußgruppe führt, die völlig verdämmert. Die Durchführung setzt dreimal an: zunächst wird zimbalmäßig der erste Gedanke des zweiten Themas unklar, wie aus großer Ferne heraufgeholt; dann beginnt adagio das Hauptthema; endlich eröffnet eine Reminiszenz an den Überleitungsteil die dritte, lebhafte Durchführungspartie, deren motivisches Material der ersten Gruppe entstammt. Eine verkürzte Reprise gibt die Themen in der originalen Reihenfolge, doch völlig verwandelt. – Die überaus klare Disposition hält aller rhapsodischen Ungebärdigkeit stand, ohne sich starr zu verfestigen, und trägt die Schwere mächtiger Affekte, vor deren Gewalt alles Gerede von nationaler Echtheit literarisch verblaßt. – Der zweite Satz (Adagio) bekennt seine monodische Abkunft schon in der instrumentalen Anlage: die Geige trägt ein langausgesponnenes Thema solo vor, das allein genügen sollte, die Behauptung melodischer Impotenz nicht tonaler Musik Lügen zu strafen; spät tritt das Klavier hinzu mit fremd schimmernden Dreiklängen. Wieder beginnt die Geige, wieder grundiert das Klavier den Abgesang akkordlich. Über einem wiederholten Kontra-Fis des Klaviers, das dichte Stille umlagert, erhebt sich in jähen Akzenten ein Mittelabschnitt, er gliedert sich zweiteilig, jeder Teil beginnt über einem Orgelpunkt und wird dann vom Klavier selbständig weitergesponnen, bis der zweite in Geräuschen verrinnt. Dann wieder die Geige, mit dem ersten Lied, begleitet nun; bald umspielt sie ihre Linie zigeunerhaft variierend, schließlich konzentriert sie sich zu einem harmonisch warm durchstrahlten Melos von äußerster Intensität und verliert sich dann ins Weite, woher sie zog. – Der dritte Satz ist Rondo capriccioso und stilisierter Csárdás zugleich; ganz einfach gefügt, merklich nach cis-moll auslugend, hat er große thematische Prägnanz und synkopischen Reiz. – Die Sonate ist pianistisch und violinistisch außerordentlich anspruchsvoll und bietet Virtuosen manchen Stachel; sie belohnt durch die Reife, mit der sie wesenhafte Gehalte formt und in einziger Weise die Stunde nützt, in der die Versöhnung des musikalischen Innen und Außen eben möglich. Einmal noch ist dem Sonatenschema ein Werk abgetrotzt, das bestehen dürfte.

 

In der Ersten Sonate war Bartóks Kritik vorm Rondo verstummt, das er hinnahm, wie es ist, Eigenes in seinem Rahmen meldend, gewiß, aber nicht den Rahmen aus Eigenem bildend. Hier knüpfte er in der Zweiten Sonate an. Sie hat nur zwei Sätze, die thematisch miteinander zusammenhängen; der erste fast introduktionsmäßig, lose dreiteilig, völlig ungebunden, der zweite ein tanzartiges Stück, sehr ausgedehnt in seinen Dimensionen. Dies Rondo ist bis zum Quodlibethaften entfesselt, oftmals reiht Lied fast sich an Lied, aber der nachhaltige Bewegungsantrieb kettet alles Einzelne erstaunlich; die schwebende Architektonik wird durch wiederholtes Zitat des Grundmotivs der Introduktion gut gegliedert. Bartók neigt mutig sich ins Anarchische, meidet nicht das Fragment, spitzt den Klang mit gehäuften Sekundreibungen zur wunderlichen Sprödigkeit; aber die Musik komponiert weiter für ihn, ohne daß er etwas dazutun müßte; jeder Rest schlechter Konvention ist abgefallen, er ist ganz offenbar geworden. Zugleich jedoch wohl an die Grenze dessen gelangt, was in seiner Sphäre zu vollbringen.

 

Denn an dieser Grenze ist kein Zweifel. Das offene Lied wurde als seine lyrische Quelle benannt. Sucht er, wie in den fünf Ady-Liedern op. 16 (U.E.), ins liedhaft Geschlossene überzugehen und seinen drei Formtypen neue hinzu zu gewinnen, so scheitert er: entsinkt in einen billigen Psychologismus, dem die Konsonanz Glück und das Unglück Dissonanz heißt, verengt seine reiche Harmonik nach einem rohen Symbolbedürfnis oder gerät gar (im vierten Lied einmal) in schwüle Polytonalität vom Schlage Schrekers, Scotts, Delius'. Auch formal bröckeln die Lieder und sind durch die tondichtende Begleitung kaum notdürftig gekleistert. Schon die Wahl der Texte ist bedenklich, selbst wenn die Gedichte ungarisch nicht so widerwärtig sein sollten, wie sie sich in dem Commis-voyageur-Deutsch des Übersetzers lesen. Die rhapsodierende Singstimme will als Substanz der skelettlosen Stimmungen gelten, schwimmt jedoch ganz zufällig über dem Klavierpart. – Indes die totale Hilflosigkeit Bartóks in einem ihm nicht gemäßen Bezirk ist eher ein Argument für ihn als gegen ihn. Er hat kein Geschick, er untersteht dem Zwange seiner genauen Aufgabe; er ruht in sich, und wo er bei sich bleibt, muß man ihm danken.

 

1925

 

 

Béla Bartóks Drittes Streichquartett

Bartóks Drittes Quartett, fraglos die beste von des Ungarn bisherigen Arbeiten, gebührend zu würdigen, setzt Besinnung auf seine Entwicklung voraus. Bei aller unvermittelten Evidenz des Schönen darin – die außerordentliche Leistung ist meßbar allein an der Kurve der Entwicklung. Sie schreitet nicht wie Schönbergs in dialektischer Stetigkeit fort, sie bewegt sich nicht in Sprüngen um die unkonstruierbare Mitte wie Strawinskys; sie verläuft als Spirale in treuer Wiederholung der Aufgaben ihres Ursprungs; in unaufhaltsamer Verjüngung zugleich. Als Gefahr droht ihr allein die Aberration. Jedoch in ihr gerade bewährt sich Bartók substantiell: aus den gefährlichsten Unternehmungen vermag er Kräfte zu ziehen, die den Angriff aufs ihm einzig Gemäße konzentrisch verstärken. Nirgends als bei ihm hat der Begriff des Experimentes, den reaktionäre Perfidie in Verruf brachte, besseren Sinn. Von der grausamen Präzision der Aufgaben, die seine musikalische Natur ihm vorzeichnet, ganz intensiv nur und feind aller Ausbreitung im Raume qualitativer Möglichkeiten, springt er ab ins Leere; in eine Musiksphäre, die ihm, anders als je Komponisten mit übergreifenden Intentionen, unergreifbar fremd bleibt – nur um daraus zum schmalen Feuer des Werkes zurückzukehren, das der Wind der fremden offenen Musikfläche frisch wieder entfacht. Bartóks Entwicklung orientiert sich einzig an drei Sätzen, Satzmustern, wie sie nie in typischer Reinheit sich darstellen, nie wohl auch gänzlich verschmelzen lassen. Ihre Ideen hat der Einbruch des europäischen Musikbewußtseins aus der stets noch glühenden Masse der ungarischen Folklore emporgetrieben, deren Echtheit sich bei Bartók nochmals legitimiert, indem sie den europäischen Angriff annimmt, anstatt sich romantisch zu sichern. Die psalmodierende, motivisch aufgelöste Rhapsodie als Durchführungssonate, die ausgebreitete offene Monodie als Adagio, der widerstandslos bewegte, selbst von der Synkope gejagte Csárdás als Rondo: so stellen jene Typen im Zusammenhang mit der entwickelten europäischen Komponiertechnik sich dar. Daß Bartók sie dem Genre der kostümierten Fremdheit entwand und ihre reale Fremdheit aufriß, indem er sie dem europäischen Musikbewußtsein konfrontierte, war seine erste Leistung. Danach ging sein Kampf um die Realisierung der drei Sätze. Den Schauplatz der Entscheidung bietet das Zweite Quartett, wo die Sonate klirrend mit den Typen zusammenstößt und sie bändigt. Die Erste Violinsonate bringt die Typen erstmals auf den Nenner und konstruiert streng genug die Sonate aus ihnen. In ihr angelegt ist die Frage nach dem isolierten Bestand der Typen. Denn die Sonatenreprise und die Rondowiederholungen, die so überzeugend gelungen waren, vermochten den Motivstoff nicht vollends zu durchdringen, während die improvisatorischen Formen der Folklore mit Erstarrung drohten, sobald sie in die Herrschaft der gefügten Sonate gerieten, die sie bewahren sollte. Darum und nicht wegen neuer folkloristischer Neigung mußte die Sonate weg; darum aber auch mußten die ungarischen Typen selber sich ihres formsetzenden Rechtes begeben, die den Druck von Musik nicht mehr aushielten, welche an der Sonate erstarkte und sie zerschlug. Dies die Situation der Zweiten Violinsonate. Rhapsodie und Lento verschmelzen, treten als große Introduktion in eine frische Gesamtanlage, die die Typen konstruktiv zusammenbiegt und dem motivisch Einzelnen Raum schafft, indem sie es nicht in die Totalform auflöst, sondern strophisch vorbringt. Der Csárdás wird zu einem irregulären Satzkomplex, einem Satzdorf, mit trioartigem dazwischenimprovisierten Mittelteil; die Reprise ist durch radikale Veränderung in das hemmungslose Vorwärts hineingezogen; das Ganze durch das Hauptthema der Introduktion gegliedert, mit endender Erinnerung die frühe Einsätzigkeit der Zigeunermusik heimgebracht.

Weiter ließ unmittelbar die Durchformung der Ausgangstypen sich nicht treiben. Bartók hatte sie realisiert und gebrochen zugleich. Nirgends war sein Experiment besser am Platz als an jener Bruchstelle. Vom neoklassischen Strawinsky und von der eigenen Vergangenheit ließ er sich verführen in der Folge jener Werke, die ums Klavierkonzert sich gruppieren. Wohl zeigt in deren Motorik und deren motivischem Kern Bartók sich an, ihre Totalhaltung aber negiert umstandslos den innerkompositorischen Stand, den er zuvor erreichte. Jedoch das sonderbare Wagnis des ersten Sprunges rechtfertigt sich durch die gelingende Kühnheit des zweiten. Selten kam ein Komponist in die eigene Zone reicher zurück als Bartók im Dritten Quartett. Er besetzt wiederum den Kulminationspunkt, von dem er abgesprungen, und schreitet von dort in Kontinuität fort, wie es damals nicht möglich gewesen wäre. Die Formideen der Zweiten Violinsonate gewinnen jetzt extensive Fülle im Kontrapunkt, den Bartók als Beute vom klassizistischen Abenteuer ins Zeltlager der ruhelosen Improvisation mitbringt. Nicht als hätte Bartók früher keinen Kontrapunkt schreiben können. In der Durchführung des Finales vom Ersten Quartett bereits entfaltete sich selbstherrlich Polyphonie. Aber nun ist ihm der Kontrapunkt, damals Mittel der Durchführung, Material geworden wie Motiv, Akkord und Bewegung. Nichts lehrreicher als der Vergleich jener Fugatopartie des Ersten Quartetts mit der analogen im Dritten.

Das Lento am Anfang wie in der Zweiten Violinsonate und wie dort in »Intonationen« geschichtet, nicht sonatenhaft exponiert; durch freie, geschwungene Imitatorik gleichwohl vorm Zerfall bloßer Improvisation geschützt; danach wieder und wieder das Allegro barbaro, jedoch heute im bloßen Bewegungsablauf durch die Autonomie der Stimmen durchbrochen; wo deren homophone Sammlung angestrebt ist, verdichtet sie sich aufs äußerste zugleich im Klang, hebt sich so vom polyphonen Verlauf scharf ab. Der zweite Teil des Werkes ist die Reprise; erst die sehr verkürzte des Lentos, das im Gedanken an das Allegro keine Zeit mehr findet, sich zu statuieren; dann rasche Coda, der Rondoreprise der Zweiten Violinsonate entsprechend, variatives Spiel mit den Allegromotiven. Die Themen, aus denen straff ökonomisch das Werk gebildet, sind plastischer als je bei Bartók zuvor, prägnanter, zuverlässiger gehört; die Harmonik wird in tapferer Ungebundenheit aus Linien und Linienüberschneidungen entwickelt, doch exakt im Stufenwert verfolgt. Es entscheidet die Formkraft des Stückes; die stählerne Konzentration, die ganz originale, aufs genaueste Bartóks aktueller Lage angemessene Tektonik. Ungarische Typen und deutsche Sonate sind in der Glut ungeduldiger kompositorischer Bemühung eingeschmolzen; aus ihnen wahrhaft gegenwärtige Form erzeugt.

Bleibt der Quartettsatz des Stückes. Bartóks Kammermusik war von je ungemein konkret und materialgerecht instrumentiert. Das Dritte Quartett übertrifft auch darin alles Frühere. Er hat dem Neoklassizismus, den er hinter sich läßt, abgezwungen, was sich am wenigsten hätte erwarten lassen: neue Farbe. Nicht nur die kompakte Härte des Klavierkonzerts wird in Partien des Quartetts genutzt: der Kontrapunkt hat alle Farben entbunden und fügt in die Spannung von Schwarz und Weiß, die sonst Bartóks Klang diktierte, die Fülle der Nuancen. Willig dienen ihm die entlegenen Möglichkeiten der Instrumente ebensowohl wie die weiten Lagen vielstimmiger Akkordik. Die Produktivität der Farbe hat Bartók im Dritten Quartett recht eigentlich für sich entdeckt. Sie garantiert dies Meisterstück nicht bloß, sondern eröffnet die Perspektive dessen, was folgt.

 

1929

 

 

Bartók

Die Kurve des Ungarn holt, wie die Schönbergs und Strawinskys, längst vor dem Kriege aus: damals schon wird er, durch das Erste Streichquartett, auf einem Tonkünstlerfest des Allgemeinen deutschen Musikvereins bekannt. Zur Parallele mit Strawinsky lockt vieles: gleich diesem gerät Bartók als Sohn eines agrarisch gebundenen Volkes in eine geistige Komponier-Atmosphäre, die eben gerade die technischen Errungenschaften der großen Malerei aufzusaugen beginnt; gleich ihm läßt er den Funken der Produktion vom Pol archaischer, vor-europäischer Unregelmäßigkeit überspringen zum Gegenpol der jüngsten Regelfreiheit; von der geahnten Urdissonanz zur ersehnten letzten, artistischen, hinweg über den Raum der Konsonanzen und der europäischen Musiktradition; gleich Strawinsky ist er Erbe und Liquidator des kompositorischen Impressionismus. All das liegt zu bequem zur Hand, als daß die Stilhistoriker es nicht hätten bemerken müssen, bedeutet aber in Wahrheit kaum mehr als etwa die Zusammenstellung von Van Gogh, Cézanne, Gauguin und Munch. Kein Komponist, aber auch kein Maler wird beim Namen gerufen, wenn man die Namen der anderen aufsagt.

Nach einer Rhapsodie, aus der ungarischen Liszt- und Orchestersuiten, in denen es sich regt, ist das erste Werk mit Profil eine Sammlung ganz kurzer, drastisch einfacher, doch höchst programmatischer Klavierstücke, der »Vierzehn Bagatellen«. In Worten geht es darin pariserisch genug zu, die beiden letzten Nummern heißen »Elle est morte« und »Ma mie qui danse«, Trauermarsch und falscher Walzer, zum Bürgerschreck verkoppelt. Schaut man näher zu, so wird man vieles darin finden, nur keinen Debussy. Wohl aber: die simultane Anwendung zweier verschiedener Tonarten gleich zu Beginn, gewissermaßen das Manifest aller späteren, viel späteren »Polytonalität«; die ungehemmte Achtelbewegung als Impuls der ebenso viel späteren »Motorik«; Kürzung der Mittel bis hinunter zu einem Stück, das von Anfang bis Ende unisono verläuft, als Vorform des nachmaligen Barbaro-Stiles; ein wenig Ungarn, noch bloß Kolorit; gar keine Polyphonie – und eine sonderbare, grausame Lust an der Dissonanz selber. Erscheint diese, Siegel der Neuen Musik, bei Schönberg als Einheitsmoment zwischen Ausdruck und Konstruktion; bei Strawinsky als Fratze der verendenden Konsonanzen, so ist sie bei Bartók, vielleicht bei ihm allein, wahrhaft bloß als Dissonanz gemeint: Bild des Ungeheuerlichen, wie er es später im »Wunderlichen Mandarin« auch szenisch gesucht hat und wie es in jedem seiner Takte von Anbeginn steckt.

Von Anbeginn steckt aber nun alles in seiner Musik, was sie eigentlich ausmacht. Indem sie eine gleichsam geschichtslose Landschaft entwirft, duldet sie selber keine ›Geschichte‹. Wie in Gesängen und Tänzen Primitiver, ist ihr Rhythmus Wiederholung, nicht Entwicklung. Das gilt für die Beschaffenheit der Werke in sich ebenso wie für ihre zeitliche Folge. Für die Werke in sich als Prinzip jener Motorik, die Bartók in die Musik brachte und die alle, auch der frühe Hindemith, von ihm lernten. Während Strawinsky aus unregelmäßigen rhythmischen Modellen, in starrer Montage zwar, doch steter Abwandlung, die schiefen Flächen seiner Klangebenen ›statisch‹ gewinnt und ihre Brüche in Pausen überdeutlich sehen läßt, bildet bei Bartók der Wiederholungszwang kontinuierliche Bewegung, als deren Substanz bloß der dissonante, beibehaltene Einzelklang einsteht; die sich modifiziert allein in den synkopischen Betonungen, welche ein fremder Wille in das Rasen setzt, wie die Peitsche des Reiters willkürlich das durchgegangene Pferd ereilt. Dies Schema ist noch in den späten, aufgelockerten Werken, die es sorgsam verleugnen, durchzuhören. Mit ihm mag eine gewisse Gleichgültigkeit gegen den Klang und die Farbe zusammenhängen; Bartóks motorische Musik stürmt einfarbig dahin, anstatt sich, wie die Strawinskys, aus vielfarbigen Kuben zu schichten; sie grenzt koloristisch an den Bruitismus (besonders später in den Klavierstücken »Im Freien«, auch im langsamen Satz des Ersten Klavierkonzerts); sie hat Visionen »mit Trommeln und Pfeifen«, aber keine eigentliche Instrumentationskunst. Dabei ist Bartók mit dem impressionistischen Erbe am grimmigsten verfahren. Hat Strawinsky die vormals fließenden Farbflecke kahl, disparat als Figuren aneinandergefügt, so hat dafür Bartók den Impressionismus gleichsam ausgedörrt. Seine Rondos klingen wie Präriebrand; Rauch über den gesegneten Feldern und wildes Stampfen über der Ebene, der einmal Debussys Westwind den fruchtbaren Regen brachte. Gewiß, Bartók hat stets noch Landschaft: aber eine, die Katastrophen verwüsteten. Heimatkunst des Ungeheuerlichen; Erde nicht als nahrungspendende, sondern als bebend Opfer heischende Mutter; der erwachte Mensch davor auf der Flucht zu Pferde.

Der gleiche Wiederholungszwang im Gesamtwerk. Es gibt eigentlich nur drei Stücke von Bartók, die er in großartiger Manie wieder und wieder schreibt, um sie ganz zu füllen und zu realisieren. Das sind: die aufgelöste, ungebunden strophische, aus Intonationen aufgereihte Rhapsodie, die er mit den merkwürdigsten Resultaten auf die Sonate anwendet, bis sie allmählich in der Rhapsodie untergeht (besonders sinnfällig im ersten Satz der durchwegs exemplarischen Ersten Sonate für Violine und Klavier; noch konsequenter in der Zweiten); dann die sozusagen unbegleitete Monodie über den Trümmern der Harmonik als Prinzip des Bartókschen Adagios (am schönsten im zweiten Satz der Ersten Violinsonate, kühn dissoziiert im dritten Satz des Zweiten Quartetts); endlich das motorische Rondo-Allegro, das überall begegnet, schon im Ersten Quartett, später als genialer Riesen-Entwurf im Mittelsatz des Zweiten, ganz durchformuliert im Finale der Ersten Violinsonate, der Rhapsodie verschmolzen in dem der Zweiten, auf die frisch entdeckte Polyphonie angewandt im Dritten Quartett.

Die Qualität der Bartókschen Musik schwankt nach dem Grade der Meisterung jener Typen. In den Bühnenwerken »Herzog Blaubarts Burg« und »Der holzgeschnitzte Prinz« sind sie treu, doch ohne gänzliche Überzeugungskraft auf die Szene übertragen; angemessener vielleicht im »Mandarin«; das Orchester liegt dem großen Pianisten nicht ebenso zur Hand wie Klavier und Kammermusik; die Verführung des späteren Bartók durch den neuklassischen Strawinsky ist wohl, Ablenkung der schmalen Stichflamme, kein rechtes Glück, aber mit erstaunlicher Sicherheit findet er wieder in den eigenen Bezirk zurück. Jüngst hat ihn die Auseinandersetzung mit dem Berg der »Lyrischen Suite« im Vierten Streichquartett bereichert, ohne ihn zu fälschen, und ihm eines der gelöstesten Stücke eingebracht. Zur Einleitung in Bartóks Musik taugen stets noch am besten die Klaviersuite op. 14 und das berühmte Allegro barbaro. Lieder liegen ganz an der Peripherie. Aber es gibt dafür Kinderstücke, die entzücken.

Soviel vom Komponisten, und was von ihm gesagt ist, bleibt zu wenig: der Komponist bietet nur eine, die gleichsam individuelle Ansicht der Bartókschen Musik dar. Die kollektiv breitere wäre vom Volkslied-Forscher und -Bearbeiter zu gewinnen. Er hat nicht weniger vermocht, als alle folkloristischen Vorstellungen dem romantischen Schein zu entreißen und das Verhältnis von Ältestem und Neuestem, das der Komponist fruchtbar machte, als historisch-sachliche Gegebenheit selber zuverlässig sichtbar werden zu lassen; er hat zugleich dem Komponisten je und je die helfenden Ursprungsmächte aufgerufen, ohne daß er sie ideologisch hätte deklarieren, zum Vorwand schlechten Rückgriffs hätte nehmen müssen. Der Folklorist verlangt eigene Würdigung. Mit dem Komponisten gehört er Europa: die Strenge, mit der er sich Grenzen setzt, sprengt als Gewalt unvermerkt ihre Grenzen, und sein Dialekt tendiert zur eigentlichen Sprache der Musik.

 

Ca. 1930

 

 
Gesammelte Werke
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