II

 

Weltgeist und Naturgeschichte

Exkurs zu Hegel

 

Wogegen der durch seine Gesundheit erkrankte Menschenverstand am empfindlichsten sich sträubt, die Vormacht eines Objektiven über die einzelnen Menschen, in ihrem Zusammenleben so wie in ihrem Bewußtsein, das läßt täglich kraß sich erfahren. Man verdrängt jene Vormacht als grundlose Spekulation, damit die Einzelnen die schmeichelhafte Täuschung, ihre mittlerweile standardisierten Vorstellungen wären die im doppelten Sinn unbedingte Wahrheit, bewahren können vor dem Verdacht, es sei nicht so und sie lebten unterm Verhängnis. In einer Epoche, die das System des objektiven Idealismus so erleichtert abschüttelte wie die objektive Wertlehre der Ökonomie, sind Theoreme erst recht aktuell, mit denen ein Geist nichts anfangen zu können behauptet, der seine eigene Sekurität und die der Erkenntnis sucht im Vorhandenen als der wohlgeordneten Summe unmittelbarer Einzeltatsachen der gesellschaftlichen Institutionen oder der subjektiven Beschaffenheit ihrer Mitglieder. Der Hegelsche objektive und schließlich absolute Geist, das ohne Bewußtsein der Menschen sich durchsetzende Marxische Wertgesetz ist der ungegängelten Erfahrung evidenter als die aufbereiteten Fakten des positivistischen Wissenschaftsbetriebs, der heute ins naive vorwissenschaftliche Bewußtsein hinein sich verlängert; nur gewöhnt dieser, zum höheren Ruhm von Objektivität der Erkenntnis, den Menschen die Erfahrung der realen Objektivität ab, der sie, auch in sich selbst, unterworfen sind. Wären die Denkenden zu solcher Erfahrung fähig und bereit, so müßte sie den Glauben an Faktizität selbst erschüttern; müßte sie zwingen, so weit über die Tatsachen hinauszugehen, daß sie ihren unreflektierten Vorrang vor den Universalien einbüßten, die dem triumphierenden Nominalismus ein Nichts, subtrahierbare Zutat des einteilenden Forschers sind. Jener Satz aus den Anfangserwägungen der Hegelschen Logik, es gebe nichts in der Welt, was nicht ebenso vermittelt wie unmittelbar sei, überdauert nirgendwo präziser als in den Fakten, auf welche die Geschichtsschreibung pocht. Wohl wäre es töricht, mit erkenntniskritischer Finesse wegzudisputieren, daß, wenn unterm Hitlerschen Faschismus bei einem Abweichenden um sechs Uhr morgens die Staatspolizei läutet, das unmittelbarer zu dem Individuum ist, dem es widerfährt, als die vorausgehenden Machinationen der Macht und die Installierung der Parteiapparatur in allen Zweigen der Verwaltung; oder gar als die historische Tendenz, welche ihrerseits die Kontinuität der Weimarer Republik aufsprengte, und die anders nicht als in begrifflichem Zusammenhang, verbindlich erst in entfalteter Theorie sich offenbart. Dennoch hängt das factum brutum des behördlichen Überfalls, mit dem der Faschismus dem Einzelnen auf den Leib rückt, von all jenen fürs Opfer entfernteren und im Augenblick gleichgültigen Momenten ab. Bloß die armseligste Stoffhuberei könnte, unterm Titel wissenschaftlicher Akribie, dagegen sich blind machen, daß die Französische Revolution, so abrupt manche ihrer Akte erfolgten, dem Gesamtzug der Emanzipation des Bürgertums sich einfügte. Sie wäre weder möglich gewesen noch gelungen, hätte es nicht 1789 die Schlüsselstellungen wirtschaftlicher Produktion bereits okkupiert und den Feudalismus und seine absolutistische Spitze, die zuzeiten mit dem bürgerlichen Interesse koaliert war, überflügelt. Der schockhafte Imperativ Nietzsches: »Was fällt, soll man stoßen«, kodifiziert nachträglich eine urbürgerliche Maxime. Wahrscheinlich waren alle bürgerlichen Revolutionen vorentschieden durch den historischen Aufschwung der Klasse und hatten eine Beimischung von Ostentation, die in der Kunst als klassizistisches Dekor nach außen drang. Gleichwohl hätte jener Zug an der historischen Bruchstelle kaum sich realisiert ohne die akute absolutistische Mißwirtschaft und die Finanzkrise, an der die physiokratischen Reformer unter Ludwig XVI. scheiterten. Die spezifische Not zumindest der Pariser Massen dürfte die Bewegung ausgelöst haben, während in anderen Ländern, wo sie nicht derart akut war, der bürgerliche Emanzipationsprozeß ohne Revolution gelang und zunächst die mehr oder minder absolutistische Herrschaftsform nicht tangierte. Die infantile Unterscheidung von tieferer Ursache und äußerem Anlaß hat für sich, daß sie krud wenigstens den Dualismus von Unmittelbarkeit und Vermittlung verzeichnet: die Anlässe sind das Unmittelbare, die sogenannten tieferen Ursachen das Vermittelnde, Übergreifende, das die Details sich einverleibt. Noch in der jüngsten Vergangenheit war die Vormacht der Tendenz an den Fakten selbst abzulesen. Spezifisch militärische Akte wie die Bombenangriffe auf Deutschland fungierten als slum clearing, nachträglich jener Veränderung der Städte integriert, die längst nicht mehr nur in Nordamerika, sondern auf der ganzen Erde sich beobachten läßt. Oder: die Kräftigung der Familie in den Notstandssituationen der Flüchtlinge hielt zwar die antifamiliale Entwicklungstendenz temporär auf, schwerlich aber den Trend; die Zahl der Scheidungen und die der unvollständigen Familien nahm zunächst auch in Deutschland weiter zu. Selbst die Konquistadorenüberfälle auf das alte Mexiko und Peru, die dort müssen erfahren worden sein wie Invasionen von einem anderen Planeten, haben, irrational für die Azteken und Inkas, der Ausbreitung der bürgerlich rationalen Gesellschaft bis zur Konzeption von one world blutig weitergeholfen, die dem Prinzip jener Gesellschaft teleologisch innewohnt. Solche Präponderanz des Trends in den Fakten, deren er stets doch bedarf, verurteilt den altväterischen Unterschied von Ursache und Anlaß schließlich doch zum Läppischen; der ganze Unterschied, nicht nur der Anlaß ist äußerlich, weil die Ursache konkret ist im Anlaß. War höfische Mißwirtschaft ein Hebel der Pariser Aufstände, so war noch diese Mißwirtschaft Funktion der Totale, der Zurückgebliebenheit der absolutistischen ›Ausgaben-‹ hinter der kapitalistischen Einnahmewirtschaft. Momente selbst, die dem historischen Ganzen konträr sind und es freilich, wie in der Französischen Revolution, erst recht befördern, gewinnen nur in jenem ihren Stellenwert. Sogar die Zurückgebliebenheit der Produktivkräfte der einen Klasse ist nicht absolut sondern einzig relativ auf die Fortgeschrittenheit der anderen. Geschichtsphilosophische Konstruktion bedarf der Kenntnis alles dessen. Nicht zuletzt darum nähert, wie bereits in Hegel und Marx, die Geschichtsphilosophie ebenso der Geschichtsschreibung sich an, wie diese, als Einsicht in das von der Faktizität verschleierte, aber diese bedingende Wesen, bloß noch als Philosophie möglich ist.

Auch unter diesem Aspekt ist Dialektik keine weltanschauliche Spielart, keine philosophische Position, auf einer Musterkarte auszuwählen unter anderen. Wie die Kritik der angeblich ersten philosophischen Begriffe zur Dialektik treibt, so wird sie von unten her gefordert. Nur die gewalttätig auf einen bornierten Begriff von sich selbst zurechtgestutzte Erfahrung schließt den emphatischen Begriff, als selbständiges, wenngleich vermitteltes Moment, von sich aus. Kann gegen Hegel eingewandt werden, der absolute Idealismus schlage als Deifizierung dessen, was ist, um in eben den Positivismus, den er als Reflexionsphilosophie attackierte, so wäre umgekehrt die heute fällige Dialektik nicht nur Anklage des herrschenden Bewußtseins sondern auch ihm gewachsen, der zu sich selbst gebrachte, dadurch freilich sich negierende Positivismus. Die philosophische Forderung, ins Detail sich zu versenken, die durch keine Philosophie von oben her, durch keine ihr infiltrierten Intentionen sich steuern läßt, war bereits die eine Seite Hegels. Nur verfing ihre Durchführung bei ihm sich tautologisch: seine Art Versenkung ins Detail fördert wie auf Verabredung jenen Geist zutage, der als Totales und Absolutes von Anbeginn gesetzt war. Dieser Tautologie opponierte die Absicht des Metaphysikers Benjamin, entwickelt in der Vorrede zum ›Ursprung des deutschen Trauerspiels‹, die Induktion zu erretten. Seine Sentenz, die kleinste Zelle angeschauter Wirklichkeit wiege den Rest der übrigen Welt auf, bezeugt früh das Selbstbewußtsein des gegenwärtigen Erfahrungsstandes; desto authentischer, weil sie exterritorial zu den sogenannten großen Streitfragen der Philosophie sich formte, denen zu mißtrauen einem veränderten Begriff von Dialektik ziemt. Der Vorrang der Totale über die Erscheinung ist in der Erscheinung zu greifen, über die herrscht, was der Tradition für Weltgeist gilt; nicht von dieser Tradition, der im weitesten Sinn Platonischen, als göttlich zu übernehmen. Der Weltgeist ist, aber ist keiner, ist nicht Geist, sondern eben das Negative, welches Hegel von ihm abwälzte auf diejenigen, die ihm parieren müssen und deren Niederlage das Verdikt, ihre Differenz von der Objektivität sei das Unwahre und Schlechte, verdoppelt. Ein Selbständiges wird der Weltgeist gegenüber den einzelnen Handlungen, aus denen wie die reale Gesamtbewegung der Gesellschaft so auch sogenannte geistige Entwicklungen sich synthesieren, und gegenüber den lebendigen Subjekten dieser Handlungen. Er ist über den Köpfen durch jene hindurch und insofern vorweg antagonistisch. Der Reflexionsbegriff Weltgeist desinteressiert sich an den Lebendigen, deren das Ganze, dessen Primat er ausdrückt, ebenso bedarf, wie sie nur vermöge jenes Ganzen existieren können. Solche Hypostasis war, handfest nominalistisch, mit dem Marxischen Terminus »mystifiziert« gemeint. Die demontierte Mystifikation wäre aber auch nach jener Theorie nicht nur Ideologie. Ebenso ist sie das verzerrte Bewußtsein von der realen Vormacht des Ganzen. Sie eignet im Gedanken die undurchsichtige und unwiderstehliche des Allgemeinen, den perpetuierten Mythos sich zu. Noch die philosophische Hypostasis hat ihren Erfahrungsgehalt an den heteronomen Verhältnissen, in denen solche von Menschen unsichtbar wurden. Was irrational ist am Begriff des Weltgeistes, entlehnte er der Irrationalität des Weltlaufs. Trotzdem bleibt er fetischistisch. Geschichte hat bis heute kein wie immer konstruierbares Gesamtsubjekt. Ihr Substrat ist der Funktionszusammenhang der realen Einzelsubjekte: »Die Geschichte tut nichts, sie ›besitzt keinen ungeheuren Reichtum‹, sie ›kämpft keine Kämpfe‹! Es ist vielmehr der Mensch, der wirkliche, lebendige Mensch, der das alles tut, besitzt und kämpft; es ist nicht etwa die ›Geschichte‹, die den Menschen zum Mittel braucht, um ihre – als ob sie eine aparte Person wäre – Zwecke durchzuarbeiten, sondern sie ist nichts als die Tätigkeit des seine Zwecke verfolgenden Menschen.«1 Geschichte aber wird mit jenen Qualitäten ausgestattet, weil über die Jahrtausende das Bewegungsgesetz der Gesellschaft von ihren Einzelsubjekten abstrahierte. Sie hat sie ebenso real zu bloßen Exekutoren, zu bloßen Teilhabern an gesellschaftlichem Reichtum und gesellschaftlichem Kampf erniedrigt, wie, nicht minder real, nichts ohne sie und ihre Spontaneitäten wäre. Diesen antinominalistischen Aspekt hat Marx immer wieder hervorgehoben, ohne ihm freilich philosophische Konsequenz zuzubilligen: »Nur soweit der Kapitalist personifiziertes Kapital ist, hat er einen historischen Wert und jenes historische Existenzrecht ... Nur als Personifikation des Kapitals ist der Kapitalist respektabel. Als solche teilt er mit dem Schatzbildner den absoluten Bereicherungstrieb. Was aber bei diesem als individuelle Manie erscheint, ist beim Kapitalisten Wirkung des gesellschaftlichen Mechanismus, worin er nur ein Triebrad ist. Außerdem macht die Entwicklung der kapitalistischen Produktion eine fortwährende Steigerung des in einem industriellen Unternehmen angelegten Kapitals zur Notwendigkeit, und die Konkurrenz herrscht jedem individuellen Kapitalisten die immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise als äußere Zwangsgesetze auf. Sie zwingt ihn, sein Kapital fortwährend auszudehnen, um es zu erhalten, und ausdehnen kann er es nur vermittelst progressiver Akkumulation.«2

Im Begriff des Weltgeistes war das Prinzip der göttlichen Allmacht zum einheitssetzenden säkularisiert, der Weltplan zur Unerbittlichkeit des Geschehenden. Der Weltgeist wird wie die Gottheit verehrt; ihrer Personalität und all ihrer Attribute von Vorsehung und Gnade wird sie entkleidet. Damit vollstreckt sich ein Stück Dialektik der Aufklärung: der entzauberte und konservierte Geist bildet sich dem Mythos an oder regrediert bis zum Schauder vor einem zugleich Übermächtigen und Qualitätslosen. Solchen Wesens ist das Gefühl, vom Weltgeist berührt zu sein oder sein Rauschen zu vernehmen. Es wird zum Verfallensein ans Schicksal. Gleich dessen Immanenz ist der Weltgeist mit Leiden und Fehlbarkeit durchtränkt. Seine Negativität wird durch die Aufspreizung der totalen Immanenz ins Wesenhafte zum Akzidens bagatellisiert. Den Weltgeist als Ganzes erfahren jedoch heißt, seine Negativität erfahren. Das hat Schopenhauers Kritik des offiziellen Optimismus angemeldet. Sie blieb indessen so obsessiv wie die Hegelsche Theodizee des Diesseits. Daß nur in der totalen Verflechtung die Menschheit lebt, vielleicht nur kraft ihrer überlebte, widerlegte nicht Schopenhauers Zweifel daran, daß der Wille zum Leben zu bejahen sei. Wohl aber ruhte auf dem, womit der Weltgeist war, zuzeiten auch der Abglanz eines Glücks weit über das individuelle Unglück hinaus: so im Verhältnis der geistigen Einzelbegabung zum geschichtlichen Stand. Ist der individuelle Geist nicht, wie es der vulgären Trennung von Individuum und Allgemeinem gefällt, vom Allgemeinen ›beeinflußt‹, sondern in sich durch die Objektivität vermittelt, so kann diese dem Subjekt nicht immer nur feindlich sein; die Konstellation verändert sich in der geschichtlichen Dynamik. In Phasen, da der Weltgeist, die Totalität sich verfinstert, ist es selbst bedeutend Angelegten versagt, zu werden, was sie sind; in günstigen wie der Periode während und unmittelbar nach der Französischen Revolution wurden Mittlere hoch über sich hinausgetragen. Noch dem individuellen Untergang des Individuums, das mit dem Weltgeist ist, gerade weil es seiner Zeit vorauseilt, gesellt sich zuweilen das Bewußtsein des nicht Vergeblichen. Unwiderstehlich an der Musik des jungen Beethoven der Ausdruck der Möglichkeit, alles könne gut werden. Die sei's noch so fragile Versöhntheit mit der Objektivität transzendiert das Immergleiche. Die Augenblicke, in denen ein Partikulares sich befreit, ohne selbst schon wieder durch die eigene Partikularität anderes einzuengen, sind Antezipationen des Unbeengten selbst; solcher Trost strahlt vom früheren Bürgertum bis in sein spätes Zeitalter. Kaum war die Hegelsche Geschichtsphilosophie unabhängig davon, daß in ihr, bereits sich entfernend, der Stundenschlag einer Epoche nachhallte, in der die Verwirklichung der bürgerlichen Freiheit ein solcher Atem bewegte, daß sie über sich hinausschoß und die Perspektive einer Versöhnung des Ganzen eröffnete, in der dessen Gewalt zerginge.

Perioden des mit dem Weltgeist Seins, substantielleres Glück als das individuelle, möchte man der Entfesselung der Produktivkräfte assoziieren, während die Last des Weltgeists die Menschen zu erdrücken droht, sobald der Konflikt zwischen den gesellschaftlichen Formen, unter denen sie existieren, und ihren Kräften flagrant wird. Aber auch dies Schema ist zu simpel: die Rede vom aufsteigenden Bürgertum tönern. Entfaltung und Entfesselung der Produktivkräfte sind nicht Gegensätze derart, daß ihnen wechselnde Phasen zuzuordnen wären, sondern wahrhaft dialektisch. Die Entfesselung der Produktivkräfte, Tat des naturbeherrschenden Geistes, hat Affinität zur gewalttätigen Herrschaft über Natur. Temporär vermag sie zurückzutreten, nicht aber ist sie vom Begriff der Produktivkraft wegzudenken und am letzten von dem der entfesselten; im bloßen Wort klingt eine Drohung mit. Im ›Kapital‹ findet sich der Passus: »Als Fanatiker der Verwertung des Werts zwingt er« – der Tauschwert – »rücksichtslos die Menschheit zur Produktion um der Produktion willen.«3 An Ort und Stelle kehrt sich das gegen die Fetischisierung des Produktionsvorgangs in der Tauschgesellschaft, verletzt jedoch darüber hinaus das heute universale Tabu überm Zweifel an Produktion als Selbstzweck. Zuzeiten werden die technischen Produktivkräfte gesellschaftlich kaum gehemmt, arbeiten aber in fixierten Produktionsverhältnissen ohne viel Einfluß auf diese. Sobald die Entfesselung der Kräfte von den tragenden Beziehungen zwischen den Menschen sich sondert, wird sie nicht weniger fetischisiert als die Ordnungen; auch sie ist nur ein Moment der Dialektik, nicht deren Zauberformel. In solchen Phasen kann der Weltgeist, Totalität des Partikularen, übergehen an das, was er unter sich begräbt. Trügt nicht alles, so ist das die Signatur der gegenwärtigen Epoche. In Perioden dagegen, wo die Lebenden des Fortschritts der Produktivkräfte bedürfen oder wenigstens nicht sichtbar von ihnen gefährdet werden, überwiegt wohl das Gefühl der Konkordanz mit dem Weltgeist, wenngleich mit dem ahnungsvollen Unterstrom, jene sei ein Waffenstillstand; auch mit der Versuchung für den subjektiven Geist, im Drang der Geschäfte übereifrig zu dem objektiven überzulaufen wie Hegel. In alldem bleibt auch subjektiver Geist historische Kategorie, ein Entsprungenes, sich Veränderndes, virtuell Vergängliches. Der noch nicht individuierte Volksgeist primitiver Gesellschaften, der unter dem Druck der zivilisierten in diesen sich reproduziert, wird vom nachindividuellen Kollektivismus geplant und losgelassen; dann ist der objektive Geist übermächtig sowohl wie nackter Schwindel.

Wäre Philosophie, als was die Hegelsche Phänomenologie sie proklamierte, die Wissenschaft von der Erfahrung des Bewußtseins, dann könnte sie nicht, wie Hegel in fortschreitendem Maß, die individuelle Erfahrung des sich durchsetzenden Allgemeinen als eines unversöhnt Schlechten souverän abfertigen und zum Apologeten der Macht auf angeblich höherer Warte sich hergeben. Die peinliche Erinnerung daran, wie etwa in Gremien, auch bei subjektiv gutem Willen der Mitglieder, das Mindere sich durchsetzt, bringt die Vormacht des Allgemeinen zu einer Evidenz, für deren Schmach keine Berufung auf den Weltgeist entschädigt. Gruppenmeinung dominiert; durch Anpassung an die Majorität der Gruppe, oder ihre einflußreichsten Mitglieder, häufiger kraft der jenseits der Gruppe in einer umfassenderen maßgebenden Meinung, zumal der von den Gremienmitgliedern approbierten. Der objektive Geist der Klasse reicht in den Beteiligten weit über ihre individuelle Intelligenz hinaus. Ihre Stimme ist dessen Echo, obwohl sie selbst, subjektiv womöglich Verteidiger der Freiheit, nichts davon spüren; Intrigen treten nur an kritischen Stellen, als offenbare Kriminalität, hinzu. Das Gremium ist Mikrokosmos der Gruppe seiner Angehörigen, schließlich der Totale; das präformiert die Entscheidungen. Derlei allgegenwärtige Beobachtungen ähneln ironisch denen der formalen Soziologie Simmelschen Stils. Jedoch haben sie ihren Gehalt nicht in Vergesellschaftung schlechthin, in Leerkategorien wie der der Gruppe. Vielmehr sind sie, worauf formale Soziologie ihrer Definition gemäß nur ungern reflektiert, Abdruck gesellschaftlichen Inhalts; ihre Invarianz ist lediglich Memento dessen, wie wenig in der Geschichte an der Gewalt des Allgemeinen sich änderte, wie sehr sie stets noch Vorgeschichte ist. Der formale Gruppengeist ist Reflexbewegung auf materiale Herrschaft. Formale Soziologie hat ihr Existenzrecht an der Formalisierung der gesellschaftlichen Mechanismen, dem Äquivalent der durch die ratio hindurch fortschreitenden Herrschaft. Damit stimmt überein, daß die Entscheidungen jener Gremien, wie inhaltlich sie auch dem Wesen nach sein mögen, manifest meist unter formaljuridischen Gesichtspunkten getroffen werden. Formalisierung ist gegenüber dem Klassenverhältnis kein Neutraleres. Durch Abstraktion, die logische Hierarchie der Allgemeinheitsstufen, reproduziert es sich, und zwar auch dort, wo Herrschaftsverhältnisse hinter demokratischen Prozeduren sich zu tarnen veranlaßt werden.

Hegel trieb denn auch, nach Phänomenologie und Logik, den Kultus des Weltlaufs am weitesten in der Rechtsphilosophie. Das Medium, in dem das Schlechte um seiner Objektivität willen recht behält und den Schein des Guten sich erborgt, ist in weitem Maß das der Legalität, welches zwar positiv die Reproduktion des Lebens schützt, aber, in seinen bestehenden Formen, dank des zerstörenden Prinzips von Gewalt, sein Zerstörendes ungemindert hervorkehrt. Während die Gesellschaft ohne Recht, wie im Dritten Reich, Beute purer Willkür wurde, konserviert das Recht in der Gesellschaft den Schrecken, jederzeit bereit, auf ihn zu rekurrieren mit Hilfe der anführbaren Satzung. Hegel lieferte die Ideologie des positiven Rechts, weil es ihrer, in der bereits sichtbar antagonistischen Gesellschaft, am dringendsten bedurfte. Recht ist das Urphänomen irrationaler Rationalität. In ihm wird das formale Äquivalenzprinzip zur Norm, alle schlägt es über denselben Leisten. Solche Gleichheit, in der die Differenzen untergehen, leistet geheim der Ungleichheit Vorschub; nachlebender Mythos inmitten einer nur zum Schein entmythologisierten Menschheit. Die Rechtsnormen schneiden das nicht Gedeckte, jede nicht präformierte Erfahrung des Spezifischen um bruchloser Systematik willen ab und erheben dann die instrumentale Rationalität zu einer zweiten Wirklichkeit sui generis. Das juristische Gesamtbereich ist eines von Definitionen. Seine Systematik gebietet, daß nichts in es eingehe, was deren geschlossenem Umkreis sich entziehe, quod non est in actis. Dies Gehege, ideologisch an sich selbst, übt durch die Sanktionen des Rechts als gesellschaftlicher Kontrollinstanz, vollends in der verwalteten Welt, reale Gewalt aus. In den Diktaturen geht es über in diese unmittelbar, mittelbar stand sie von je dahinter. Daß der Einzelne so leicht Unrecht bekommt, wenn der Interessenantagonismus ihn in die juridische Sphäre treibt, ist nicht, wie Hegel ihm einreden möchte, seine Schuld, derart, daß er das eigene Interesse in der objektiven Rechtsnorm und ihren Garantien wiederzuerkennen zu verblendet wäre; vielmehr die von Konstituentien der Rechtssphäre selbst. Objektiv wahr indessen bleibt die Beschreibung, die Hegel als eine vermeintlich subjektiver Befangenheit entwirft: »Daß Recht und Sittlichkeit, und die wirkliche Welt des Rechts und des Sittlichen sich durch den Gedanken erfaßt, durch Gedanken sich die Form der Vernünftigkeit, nämlich Allgemeinheit und Bestimmtheit giebt, dieß, das Gesetz, ist es, was jenes sich das Belieben vorbehaltende Gefühl, jenes das Rechte in die subjektive Überzeugung stellende Gewissen, mit Grund als das sich feindseligste ansieht. Die Form des Rechten als einer Pflicht und als eines Gesetzes wird von ihm als ein todter, kalter Buchstabe und als eine Fessel empfunden; denn es erkennt in ihm nicht sich selbst, sich in ihm somit nicht frei, weil das Gesetz die Vernunft der Sache ist, und diese dem Gefühle nicht verstattet, sich an der eigenen Partikularität zu wärmen.«4 Daß das subjektive Gewissen die objektive Sittlichkeit »mit Grund« als das sich Feindseligste ansehe, ist Hegel wie mit philosophischer Fehlleistung in die Feder gekommen. Er plaudert aus, was er im gleichen Atemzug bestreitet. Sieht tatsächlich das individuelle Gewissen die »wirkliche Welt des Rechts und des Sittlichen« als feindselig an, weil es in ihr nicht sich selbst erkennt, so wäre darüber nicht beteuernd hinwegzugleiten. Denn die Hegelsche Dialektik besagt, daß es darin gar nicht sich anders verhalten, gar nicht darin sich erkennen kann. Damit konzediert er, daß die Versöhnung, die zu beweisen Inhalt seiner Philosophie ist, nicht stattfand. Wäre nicht dem Subjekt die Rechtsordnung objektiv fremd und äußerlich, so ließe der für Hegel unausweichliche Antagonismus durch bessere Einsicht sich schlichten; Hegel aber hat seine Unschlichtbarkeit viel zu gründlich erfahren, als daß er darauf vertraute. Daher das Paradoxon, daß er die Versöhntheit von Gewissen und Rechtsnorm lehrt und desavouiert in eins.

Führt jede inhaltlich ausgeführte, positive Lehre vom Naturrecht auf Antinomien, so bewahrt dessen Idee dennoch kritisch die Unwahrheit positiven Rechts. Heute ist es das in die Realität zurückübersetzte und dort die Herrschaft vermehrende verdinglichte Bewußtsein. Schon der bloßen Form nach, vor Klasseninhalt und Klassenjustiz, drückt es Herrschaft, die klaffende Differenz der Einzelinteressen von dem Ganzen aus, in dem sie abstrakt sich zusammenfassen. Das System selbstgemachter Begriffe, das die ausgereifte Jurisprudenz vor den Lebensprozeß der Gesellschaft schiebt, entscheidet sich durch Subsumtion alles Einzelnen unter die Kategorie vorweg für die Ordnung, der das klassifikatorische System nachgeahmt ist. Zu seiner unvergänglichen Ehre hat Aristoteles in der Lehre von epieikeia, der Billigkeit, das gegen die abstrakte Rechtsnorm angemeldet. Je konsequenter aber die Rechtssysteme durchgebildet sind, desto unfähiger werden sie zu absorbieren, was sein Wesen daran hat, der Absorption sich zu verweigern. Das rationale Rechtssystem vermag den Anspruch der Billigkeit, in dem das Korrektiv des Unrechts im Recht gemeint war, regelmäßig als Protektionswesen, unbilliges Privileg niederzuschlagen. Die Tendenz dazu ist universal, einen Sinnes mit dem ökonomischen Prozeß, der die Einzelinteressen auf den Generalnenner einer Totalität kürzt, die negativ bleibt, weil sie vermöge ihrer konstitutiven Abstraktion von den Einzelinteressen sich entfernt, aus denen sie zugleich doch sich zusammensetzt. Die Allgemeinheit, welche die Erhaltung des Lebens reproduziert, gefährdet es zugleich, auf stets bedrohlicherer Stufe. Die Gewalt des sich realisierenden Allgemeinen ist nicht, wie Hegel dachte, dem Wesen der Individuen an sich identisch, sondern immer auch konträr. Nicht bloß sind sie in einer vermeintlichen Sondersphäre von Ökonomie Charaktermasken, Agenten des Wertes. Auch wo sie dem Primat der Ökonomie sich entronnen wähnen, bis tief hinein in ihre Psychologie, die maison tolérée des unerfaßt Individuellen, reagieren sie unterm Zwang des Allgemeinen; je identischer sie mit ihm sind, desto unidentischer sind sie wiederum mit ihm als wehrlos Gehorchende. In den Individuen selber drückt sich aus, daß das Ganze samt ihnen nur durch den Antagonismus hindurch sich erhält. Ungezählte Male werden Menschen, auch bewußte und der Kritik an der Allgemeinheit mächtige, durch unausweichliche Motive der Selbsterhaltung zu Handlungen und Attituden genötigt, die dem Allgemeinen blind sich zu behaupten helfen, während sie dem Bewußtsein nach ihm opponieren. Einzig weil sie das ihnen Fremde zu ihrer eigenen Sache machen müssen, um zu überleben, entsteht der Schein jener Versöhntheit, den die Hegelsche Philosophie, welche die Vormacht des Allgemeinen unbestechlich erkannte, bestechlich als Idee verklärt. Was strahlt, als wäre es über den Antagonismen, ist eins mit der universalen Verstrickung. Das Allgemeine sorgt dafür, daß das ihm unterworfene Besondere nicht besser sei als es selbst. Das ist der Kern aller bis heute hergestellten Identität.

Der Vormacht des Allgemeinen ins Auge zu sehen, schädigt psychologisch den Narzißmus aller Einzelnen und den demokratisch organisierter Gesellschaft bis zum Unerträglichen. Selbstheit als nichtexistent, als Illusion zu durchschauen, triebe leicht die objektive Verzweiflung aller in die subjektive und raubte ihnen den Glauben, den die individualistische Gesellschaft ihnen einpflanzt: sie, die Einzelnen, seien das Substantielle. Damit das funktional determinierte Einzelinteresse unter den bestehenden Formen irgend sich befriedige, muß es sich selbst zum Primären werden; muß der Einzelne das, was für ihn unmittelbar ist, mit der proth oysia verwechseln. Solche subjektive Illusion ist objektiv verursacht: nur durch das Prinzip der individuellen Selbsterhaltung hindurch, mit all ihrer Engstirnigkeit, funktioniert das Ganze. Es nötigt jeden Einzelnen dazu, einzig auf sich zu blicken, beeinträchtigt seine Einsicht in die Objektivität, und schlägt darum objektiv erst recht zum Übel an. Nominalistisches Bewußtsein reflektiert ein Ganzes, das vermöge der Partikularität und ihrer Verstocktheit fortlebt; buchstäblich Ideologie, gesellschaftlich notwendiger Schein. Das allgemeine Prinzip ist das der Vereinzelung. Sie dünkt sich das unbezweifelbar Gewisse, verhext darauf, um den Preis ihres Daseins nicht dessen innezuwerden, wie sehr sie ein Vermitteltes sei. Daher die populäre Verbreitung des philosophischen Nominalismus. Je individuelles Dasein soll den Vorrang haben vor seinem Begriff; Geist, das Bewußtsein von Individuen, soll nur in Individuen sein und nicht ebenso das Überindividuelle, das in ihnen sich synthesiert und wodurch allein sie denken. Verbissen sperren die Monaden sich ihrer realen Gattungsabhängigkeit ebenso wie dem kollektiven Aspekt all ihrer Bewußtseinsformen und -inhalte: der Formen, die selbst jenes Allgemeine sind, das der Nominalismus verleugnet, der Inhalte, während doch dem Individuum keine Erfahrung, auch kein sogenanntes Erfahrungsmaterial zufällt, das nicht vom Allgemeinen vorverdaut und geliefert ist.

Gegenüber der erkenntniskritischen Reflexion aufs Allgemeine im individuellen Bewußtsein hat es, das nicht über Übel, Sünde und Tod sich mit der Berufung aufs Allgemeine trösten läßt, auch recht. In Hegel erinnert daran die gegenüber der Lehre von der universalen Vermittlung anscheinend paradoxe, jedoch dieser großartig gesellte von dem universal sich wiederherstellenden Unmittelbaren. Aber der als vorwissenschaftliches Bewußtsein ausgebreitete und heute von dorther wiederum die Wissenschaft kommandierende Nominalismus, der aus seiner Naivetät Profession macht – im positivistischen Instrumentarium fehlt nicht der Stolz darauf, man sei naiv, und die Kategorie der ›Alltagssprache‹ ist sein Echo –, kümmert sich nicht um den geschichtlichen Koeffizienten im Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem. Wahrhafter Vorrang des Besonderen wäre selber erst zu erlangen vermöge der Veränderung des Allgemeinen. Ihn als Daseiendes schlechthin zu installieren, ist eine komplementäre Ideologie. Sie verdeckt, wie sehr das Besondere zur Funktion des Allgemeinen wurde, die es, der logischen Form nach, immer auch war. Woran der Nominalismus sich klammert als an seinen sichersten Besitz, ist Utopie: daher sein Haß gegen utopisches Denken, das der Differenz vom Bestehenden. Der Wissenschaftsbetrieb täuscht vor, der von höchst realen Herrschaftsmechanismen gestiftete objektive Geist, der mittlerweile auch die Bewußtseinsinhalte seiner Reservearmee plant, resultiere erst aus der Summe von deren subjektiven Reaktionen. Die aber sind längst nur noch Nachgeburten jener Allgemeinheit, welche die Menschen betulich fêtiert, um sich besser hinter ihnen verstecken, sie besser gängeln zu können. Der Weltgeist selber hat die subjektivistisch verstockte Vorstellung von der Wissenschaft angedreht, die auf deren autarkisches, empirisch-rationales System hinaus will, anstatt die in sich objektive, von oben her diktierende Gesellschaft zu begreifen. Die einstmals kritisch aufklärerische Rebellion gegen das Ding an sich ist zur Sabotage an der Erkenntnis geworden, obwohl noch in der verkrüppeltesten wissenschaftlichen Begriffsbildung Spuren der ihrerseits nicht minder verkrüppelten Sache selbst überleben. Der Refus des Kantischen Amphiboliekapitels, das Innere der Dinge zu erkennen, ist ultima ratio des Baconschen Programms. Es hatte als geschichtlichen Index seiner Wahrheit die Auflehnung gegen scholastische Dogmatik. Das Motiv kippt jedoch um, wo das von ihm der Erkenntnis Verbotene deren epistemologische und reale Bedingung ist; wo das erkennende Subjekt sich reflektieren muß als Moment des zu erkennenden Allgemeinen, ohne doch diesem ganz zu gleichen. Widersinnig, es daran zu verhindern, das von innen her zu erkennen, worin es selber haust und woran es allzuviel von seinem eigenen Innern hat; insofern war der Hegelsche Idealismus realistischer als Kant. Wo die wissenschaftliche Begriffsbildung in Konflikt gerät mit ihrem Ideal von Faktizität nicht weniger als mit dem von einfacher Vernunft, als deren antispekulativen Vollstrecker sie sich aufspielt, ist ihre Apparatur zur Unvernunft geworden. Methode verdrängt eigenmächtig, was zu erkennen ihr obläge. Nicht zu halten ist das positivistische Erkenntnisideal in sich einstimmiger und widerspruchsloser, logisch einwandfreier Modelle wegen des immanenten Widerspruchs des zu Erkennenden, der Antagonismen des Objekts. Es sind die des Allgemeinen und Besonderen der Gesellschaft, und sie werden von der Methode vor allem Inhalt verleugnet.

 

Die Erfahrung jener dem Individuum und seinem Bewußtsein vorgeordneten Objektivität ist die der Einheit der total vergesellschafteten Gesellschaft. Ihr ist die philosophische Idee absoluter Identität darin nächstverwandt, daß sie außerhalb ihrer selbst nichts duldet. Wie sehr auch die Erhebung der Einheit zur Philosophie diese auf Kosten des Vielen trugvoll mag erhöht haben; ihr Vorrang, der der siegreichen philosophischen Tradition seit den Eleaten als summum bonum gilt, ist das zwar nicht, aber ein ens realissimum. Etwas von der Transzendenz, welche die Philosophen an der Einheit als Idee rühmen, eignet ihr real. Während die entfaltete bürgerliche Gesellschaft – und schon das früheste Einheitsdenken war städtisch, rudimentär bürgerlich – aus ungezählten Einzelspontaneitäten der sich selbst erhaltenden und in ihrer Selbsterhaltung aufeinander angewiesenen Individuen sich komponierte, herrschte keineswegs zwischen der Einheit und den Individuen jenes Gleichgewicht, welches die Rechtfertigungstheoreme als vorhanden ausgeben. Die Nichtidentität von Einheit und Vielem indessen hat die Gestalt des Vorrangs des Einen, als Identität des Systems, das nichts freiläßt. Ohne die Einzelspontaneitäten wäre die Einheit nicht geworden und war, als deren Synthesis, ein Sekundäres; der Nominalismus mahnte daran. Indem sie aber, durch die Notwendigkeiten der Selbsterhaltung der Vielen hindurch oder bloß vermöge irrationaler Herrschaftsverhältnisse, die jene als Vorwand mißbrauchen, immer dichter sich wob, fing sie alle Einzelnen, bei Strafe des Untergangs, ein, integrierte sie nach Spencers Terminus, sog sie, auch wider ihr einsichtiges Einzelinteresse, mit ihrer Gesetzlichkeit auf. Das hat dann allmählich der fortschreitenden Differenzierung ihr Ende bereitet, von der Spencer noch wähnen durfte, sie begleite notwendig die Integration. Während unverändert das Ganze und Eine nur vermöge der von ihm unter sich befaßten Partikularitäten sich formiert, formiert es rücksichtslos sich über sie hinweg. Das durchs Einzelne und Viele sich Verwirklichende ist die eigene Sache der Vielen und ist es auch nicht: sie vermögen weniger stets darüber. Ihr Inbegriff ist zugleich ihr Anderes; von dieser Dialektik blickt die Hegelsche geflissentlich weg. Soweit die Einzelnen des Vorrangs der Einheit über sie irgend gewahr werden, spiegelt er ihnen sich als das Ansichsein des Allgemeinen zurück, auf welches sie tatsächlich stoßen: noch bis in ihr Innerstes wird es ihnen angetan, sogar wo sie selbst es sich antun. Die Sentenz htos antropp daimon: daß die Wesensart, als solche immer durchs Allgemeine gemodelt, dem Menschen Schicksal sei, hat mehr Wahrheit als die eines charakterologischen Determinismus; das Allgemeine, durch welches jeder Einzelne sich überhaupt als Einheit seiner Besonderung bestimmt, ist dem ihm Auswendigen entlehnt und darum dem Einzelnen auch so heteronom, wie nur, was einst Dämonen über ihn sollten verhängt haben. Die Ideologie vom Ansichsein der Idee ist so mächtig, weil sie die Wahrheit ist, aber sie ist die negative; Ideologie wird sie durch ihre affirmative Umwendung. Sind die Menschen einmal über die Vormacht des Allgemeinen belehrt, so ist es ihnen fast unumgänglich, sie als das Höhere, das sie beschwichtigen müssen, zum Geist zu transfigurieren. Zwang wird ihnen zum Sinn. Nicht ohne allen Grund: denn das abstrakt Allgemeine des Ganzen, das den Zwang ausübt, ist verschwistert der Allgemeinheit des Denkens, dem Geist. Das erlaubt es diesem in seinem Träger wiederum, sich auf jene Allgemeinheit zurückzuprojizieren, als wäre er in dieser verwirklicht und hätte für sich seine eigene Wirklichkeit. Im Geist ist Einstimmigkeit des Allgemeinen Subjekt geworden, und Allgemeinheit behauptet in der Gesellschaft sich nur durchs Medium des Geistes, die abstrahierende Operation, die er höchst real vollzieht. Beides konvergiert im Tausch, einem zugleich subjektiv Gedachten und objektiv Geltenden, worin doch die Objektivität des Allgemeinen und die konkrete Bestimmung der Einzelsubjekte, gerade dadurch, daß sie kommensurabel werden, unversöhnt einander opponieren. Im Namen Weltgeist wird der Geist bloß als das bejaht und hypostasiert, was er an sich immer schon war; in ihm betet, wie Durkheim erkannte, den man deswegen der Metaphysik zieh, die Gesellschaft sich selber, ihren Zwang als Allmacht an. Durch den Weltgeist darf die Gesellschaft sich bestätigt finden, weil sie tatsächlich all die Attribute besitzt, welche sie dann am Geist anbetet. Dessen mythische Verehrung ist keine pure Begriffsmythologie: sie zollt den Dank dafür, daß in den entwickelteren geschichtlichen Phasen alle Einzelnen lebten nur vermittels jener gesellschaftlichen Einheit, die in ihnen nicht aufging und die je länger je mehr ihrem Verhängnis sich annähert. Wird ihnen heute, ohne daß sie es merkten, ihre Existenz buchstäblich von den großen Monopolen und Mächten widerruflich zugeteilt, so kommt zu sich selber, was der nachdrückliche Begriff von Gesellschaft teleologisch von je in sich hatte. Die Ideologie verselbständigte den Weltgeist, weil er potentiell schon verselbständigt war. Der Kultus seiner Kategorien aber, etwa der selbst von Nietzsche akzeptierten, höchst formalen von Größe, verstärkt im Bewußtsein bloß seine Differenz von allem Einzelnen, als wäre sie ontologisch; damit den Antagonismus und das absehbare Unheil.

Nicht erst heute ist die Vernunft des Weltgeists gegenüber der potentiellen, dem Gesamtinteresse der sich vereinenden Einzelsubjekte, von dem er differiert, die Unvernunft. Man hat Hegel, wie allen, die von ihm lernten, die Gleichsetzung logischer hier, geschichtsphilosophischer und gesellschaftlicher Kategorien dort als metabasis eis allo genos angekreidet: sie sei jene Spitze des spekulativen Idealismus, die angesichts der Unkonstruierbarkeit der Empirie abbrechen müsse. Gerade jene Konstruktion jedoch war realitätsgerecht. Das Zug um Zug der Geschichte ebenso wie das zur Totalität fortschreitende Äquivalenzprinzip des gesellschaftlichen Verhältnisses zwischen den Einzelsubjekten verläuft nach der Logizität, die Hegel vorgeblich in sie bloß hineininterpretiert. Nur ist diese Logizität, der Primat des Allgemeinen in der Dialektik von Allgemeinem und Besonderem, index falsi. So wenig wie Freiheit, Individualität, all das, was Hegel mit dem Allgemeinen in Identität setzt, ist auch jene Identität. In der Totale des Allgemeinen spricht dessen eigenes Mißlingen sich aus. Was kein Partikulares erträgt, verrät damit sich selber als partikular Herrschendes. Die sich durchsetzende allgemeine Vernunft ist bereits die eingeschränkte. Sie ist nicht bloß Einheit innerhalb der Mannigfaltigkeit sondern, als Stellung zur Realität, aufgeprägt, Einheit über etwas. Damit aber der puren Form nach in sich antagonistisch. Einheit ist die Spaltung. Die Irrationalität der partikular verwirklichten ratio innerhalb des gesellschaftlich Totalen ist der ratio nicht äußerlich, nicht lediglich von ihrer Anwendung verschuldet. Vielmehr ihr immanent. Gemessen an einer vollen Vernunft, enthüllt die geltende sich bereits an sich, ihrem Prinzip nach, als polarisiert und insofern irrational. Aufklärung unterliegt wahrhaft der Dialektik: diese findet statt in ihrem eigenen Begriff. Ratio ist so wenig wie irgendeine andere Kategorie zu hypostasieren. Zu ihrer zugleich allgemeinen und antagonistischen Gestalt ist der Übergang des selbsterhaltenden Interesses der Individuen an die Gattung geistig geronnen. Er gehorcht einer Logik, welche die große bürgerliche Philosophie an historischen Eckpunkten wie Hobbes und Kant nachvollzog: ohne die Zession des selbsterhaltenden Interesses an die, im bürgerlichen Denken meist vom Staat repräsentierte Gattung vermöchte in entwickelteren gesellschaftlichen Verhältnissen das Individuum nicht sich selbst zu erhalten. Durch diesen für die Individuen notwendigen Transfer jedoch tritt die allgemeine Rationalität unvermeidlich fast in Gegensatz zu den besonderen Menschen, die sie negieren muß, um allgemein zu werden, und denen sie zu dienen vorgibt, und nicht bloß vorgibt. In der Allgemeinheit der ratio, welche die Bedürftigkeit alles Besonderen, sein Angewiesensein aufs Ganze ratifiziert, entfaltet sich kraft des Abstraktionsprozesses, auf dem jene beruht, ihr Widerspruch zum Besonderen. Allbeherrschende Vernunft, die über einem anderen sich instauriert, verengt notwendig auch sich selbst. Das Prinzip absoluter Identität ist in sich kontradiktorisch. Es perpetuiert Nichtidentität als unterdrückte und beschädigte. Die Spur davon ging ein in Hegels Anstrengung, Nichtidentität durch die Identitätsphilosophie zu absorbieren, ja Identität durch Nichtidentität zu bestimmen. Er verzerrt jedoch den Sachverhalt, indem er das Identische bejaht, das Nichtidentische als freilich notwendig Negatives zuläßt, und die Negativität des Allgemeinen verkennt. Ihm mangelt Sympathie für die unter der Allgemeinheit verschüttete Utopie des Besonderen, für jene Nichtidentität, welche erst wäre, wenn verwirklichte Vernunft die partikulare des Allgemeinen unter sich gelassen hätte. Das von ihm abgekanzelte Bewußtsein des Unrechts, das der Begriff des Allgemeinen impliziert, wäre von ihm zu achten wegen der Allgemeinheit des Unrechts selbst. Fand zu Beginn des neuen Zeitalters der tödlich verwundete Condottiere Franz von Sickingen für sein Schicksal die Worte »Nichts ohne Ursach«, so drückte er mit der Kraft des Zeitalters beides aus: die Notwendigkeit des gesellschaftlichen Weltlaufs, die ihn zum Untergang verurteilte, und die Negativität des Prinzips eines Weltlaufs, der gemäß der Notwendigkeit verläuft. Es ist dem Glück auch des Ganzen schlechthin inkompatibel. Der Erfahrungsgehalt des Diktums ist mehr als die Platitude der allgemeinen Gültigkeit des Kausalsatzes. Dem Bewußtsein der Einzelperson dämmert an dem, was ihr widerfährt, die universale Interdependenz. Ihr dem Schein nach isoliertes Schicksal reflektiert das Ganze. Wofür einst der mythologische Name des Schicksals stand, ist als Entmythologisiertes nicht weniger mythisch als säkulare ›Logik der Dinge‹. Sie wird dem Einzelnen eingebrannt, Figur seiner Besonderung. Das motivierte objektiv Hegels Konstruktion des Weltgeistes. Einerseits legt sie Rechnung ab von der Emanzipation des Subjekts. Es muß von der Universalität erst zurückgetreten sein, um sie an sich und für es wahrzunehmen. Andererseits muß der Zusammenhang der gesellschaftlichen Einzelhandlungen zur lückenlosen, das Einzelne prädeterminierenden Totalität so sich geknüpft haben wie nie im feudalen Zeitalter.

 

Der Begriff der Universalgeschichte, von dessen Gültigkeit die Hegelsche Philosophie ähnlich inspiriert ist wie die Kantische von der der mathematischen Naturwissenschaften, wurde desto problematischer, je mehr die vereinheitlichte Welt einem Gesamtprozeß sich annäherte. Einmal hat die positivistisch fortschreitende historische Wissenschaft die Vorstellung von Totale und durchlaufender Kontinuität zerfällt. Vor ihr hatte die philosophische Konstruktion den dubiosen Vorteil geringerer Detailkenntnis voraus, den sie leicht genug als souveräne Distanz für sich verbuchen mochte; freilich auch weniger Angst, Essentielles zu sagen, das allein aus der Distanz sich konturiert. Andererseits mußte avancierte Philosophie das Einverständnis zwischen Universalgeschichte und Ideologie gewahren5 und das zerrüttete Leben als diskontinuierlich. Hegel selbst hatte die Universalgeschichte als bloß kraft ihrer Widersprüche einheitliche konzipiert. Mit der materialistischen Umwendung der Dialektik fiel auf die Einsicht in die Diskontinuität des von keiner Einheit des Geistes und Begriffs tröstlich Zusammengehaltenen der schwerste Akzent. Diskontinuität jedoch und Universalgeschichte sind zusammenzudenken. Diese als Residuum metaphysischen Aberglaubens durchstreichen, würde geistig ebenso bloße Faktizität als das einzig zu Erkennende und darum zu Akzeptierende befestigen, wie vordem die Souveränität, welche die Fakten dem totalen Vormarsch des Einen Geistes einordnete, sie als dessen Äußerungen bestätigte. Universalgeschichte ist zu konstruieren und zu leugnen. Die Behauptung eines in der Geschichte sich manifestierenden und sie zusammenfassenden Weltplans zum Besseren wäre nach den Katastrophen und im Angesicht der künftigen zynisch. Nicht aber ist darum die Einheit zu verleugnen, welche die diskontinuierlichen, chaotisch zersplitterten Momente und Phasen der Geschichte zusammenschweißt, die von Naturbeherrschung, fortschreitend in die Herrschaft über Menschen und schließlich die über inwendige Natur. Keine Universalgeschichte führt vom Wilden zur Humanität, sehr wohl eine von der Steinschleuder zur Megabombe. Sie endet in der totalen Drohung der organisierten Menschheit gegen die organisierten Menschen, im Inbegriff von Diskontinuität. Hegel wird dadurch zum Entsetzen verifiziert und auf den Kopf gestellt. Verklärte jener die Totalität geschichtlichen Leidens zur Positivität des sich realisierenden Absoluten, so wäre das Eine und Ganze, das bis heute, mit Atempausen, sich fortwälzt, teleologisch das absolute Leiden. Geschichte ist die Einheit von Kontinuität und Diskontinuität. Die Gesellschaft erhält sich nicht trotz ihres Antagonismus am Leben sondern durch ihn; Profitinteresse, und damit das Klassenverhältnis sind objektiv der Motor des Produktionsvorgangs, an dem das Leben aller hängt und dessen Primat seinen Fluchtpunkt hat im Tod aller. Das impliziert auch das Versöhnende am Unversöhnlichen; weil es allein den Menschen zu leben erlaubt, wäre ohne es nicht einmal die Möglichkeit veränderten Lebens. Was geschichtlich jene Möglichkeit schuf, kann sie ebensowohl zerstören. Zu definieren wäre der Weltgeist, würdiger Gegenstand von Definition, als permanente Katastrophe. Unter dem alles unterjochenden Identitätsprinzip wird, was in die Identität nicht eingeht und der planenden Rationalität im Reich der Mittel sich entzieht, zum Beängstigenden, Vergeltung für jenes Unheil, das dem Nichtidentischen durch Identität widerfährt. Kaum anders wäre Geschichte philosophisch zu interpretieren, ohne daß sie in Idee verzaubert würde.

Nicht müßig sind Spekulationen, ob der Antagonismus im Ursprung menschlicher Gesellschaft, ein Stück prolongierter Naturgeschichte, als Prinzip homo homini lupus ererbt oder erst tesei geworden sei; und ob er, wäre er schon entsprungen, aus den Notwendigkeiten des Überlebens der Gattung folgte und nicht gleichsam kontingent, aus archaischen Willkürakten von Machtergreifung. Damit freilich fiele die Konstruktion des Weltgeistes auseinander. Das geschichtlich Allgemeine, die Logik der Dinge, die in der Notwendigkeit der Gesamttendenz sich zusammenballt, gründete in Zufälligem, ihr Äußerlichem; sie hätte nicht zu sein brauchen. Nicht Hegel allein sondern auch Marx und Engels, kaum irgendwo so idealistisch wie im Verhältnis zur Totalität, hätten den Zweifel an deren Unvermeidbarkeit, der doch der Absicht zur Veränderung der Welt sich aufdrängt, wie eine tödliche Attacke auf ihr eigenes System anstatt auf das herrschende abgewehrt. Marx hütet sich zwar, mißtrauisch gegen alle Anthropologie, den Antagonismus ins Menschenwesen oder in die Urzeit zu verlegen, die eher nach dem Topos des goldenen Zeitalters entworfen wird, insistiert aber um so zäher auf seiner historischen Notwendigkeit. Ökonomie habe den Primat vor der Herrschaft, die nicht anders denn ökonomisch abgeleitet werden dürfe. Mit Fakten ist die Kontroverse kaum zu schlichten; sie verlieren sich im Trüben der Frühgeschichte. Aber das Interesse an ihr war wohl so wenig eines an historischen Tatsachen wie einst das am Staatsvertrag, den schon Hobbes und Locke schwerlich für real vollzogen hielten[1]. Es ging um die Vergottung der Geschichte, auch bei den atheistischen Hegelianern Marx und Engels. Der Primat der Ökonomie soll mit historischer Stringenz das glückliche Ende als ihr immanent begründen; der Wirtschaftsprozeß erzeuge die politischen Herrschaftsverhältnisse und wälze sie um bis zur zwangsläufigen Befreiung vom Zwang der Wirtschaft. Die Intransigenz der Doktrin, zumal bei Engels, war jedoch gerade ihrerseits politisch. Er und Marx wollten die Revolution als eine der wirtschaftlichen Verhältnisse in der Gesellschaft als ganzer, in der Grundschicht ihrer Selbsterhaltung, nicht als Änderung der Spielregeln von Herrschaft, ihrer politischen Form. Die Spitze war gegen die Anarchisten gerichtet. Was Marx und Engels dazu bewog, gleichsam noch den Sündenfall der Menschheit, ihre Urgeschichte, in politische Ökonomie zu übersetzen, obwohl doch deren Begriff, an die Totalität des Tauschverhältnisses gekettet, selber ein Spätes ist, war die Erwartung der unmittelbar bevorstehenden Revolution. Weil sie diese am nächsten Tag wollten, hatte es für sie die äußerste Aktualität, die Richtungen zu zerschlagen, von denen sie fürchten mußten, sie würden ähnlich besiegt wie einst Spartakus oder die aufständischen Bauern. Sie waren Feinde der Utopie um deren Verwirklichung willen. Ihre imago von der Revolution prägte die von der Vorwelt; das überwältigende Gewicht der wirtschaftlichen Widersprüche im Kapitalismus schien nach seiner Ableitung aus der akkumulierten Objektivität des seit unvordenklichen Zeiten geschichtlich Stärkeren zu verlangen. Sie konnten nicht ahnen, was dann im Mißlingen der Revolution auch dort, wo sie gelang, hervortrat: daß Herrschaft die Planwirtschaft, welche die Beiden freilich nicht mit Staatskapitalismus verwechselt hatten, zu überdauern vermag; ein Potential, das den von Marx und Engels entwickelten antagonistischen Zug der gegen bloße Politik pointierten Ökonomie über deren spezifische Phase hinaus verlängert. Die Zählebigkeit der Herrschaft nach dem Sturz dessen, was die Kritik der politischen Ökonomie zum Hauptobjekt hatte, ließ die Ideologie billig triumphieren, welche Herrschaft sei's aus angeblich unabdingbaren Formen gesellschaftlicher Organisation, etwa der Zentralisierung, sei's aus solchen des aus dem realen Prozeß herausabstrahierten Bewußtseins – der ratio – deduziert und dann der Herrschaft, mit offenem Einverständnis oder unter Krokodilstränen, unendliche Zukunft prophezeit, solange organisierte Gesellschaft irgend sei. Dagegen behält die Kritik der zum Ansichseienden fetischisierten Politik oder des in seiner Partikularität aufgeblähten Geistes ihre Kraft. Tangiert aber wird durch die Ereignisse des zwanzigsten Jahrhunderts die Idee der geschichtlichen Totalität als einer von kalkulabler ökonomischer Notwendigkeit. Nur wenn es anders hätte werden können; wenn die Totalität, gesellschaftlich notwendiger Schein als Hypostasis des aus Einzelmenschen herausgepreßten Allgemeinen, im Anspruch ihrer Absolutheit gebrochen wird, wahrt sich das kritische gesellschaftliche Bewußtsein die Freiheit des Gedankens, einmal könne es anders sein. Theorie vermag die unmäßige Last der historischen Nezessität zu bewegen allein, wenn diese als der zur Wirklichkeit gewordene Schein erkannt ist, die geschichtliche Determination als metaphysisch zufällig. Solche Erkenntnis wird von der Geschichtsmetaphysik hintertrieben. Der heraufziehenden Katastrophe korrespondiert eher die Vermutung einer irrationalen Katastrophe in den Anfängen. Heute hat sich die vereitelte Möglichkeit des Anderen zusammengezogen in die, trotz allem die Katastrophe abzuwenden.

 

Von Hegel jedoch, dem der Geschichts- und Rechtsphilosophie zumal, wird historische Objektivität, so wie sie einmal wurde, zur Transzendenz überhöht: »Diese allgemeine Substanz ist nicht das Weltliche; das Weltliche strebt ohnmächtig dagegen. Kein Individuum kann über diese Substanz hinaus; es kann sich wohl von andern einzelnen Individuen unterscheiden, aber nicht von dem Volksgeist.«6 Danach wäre der Gegensatz zum »Weltlichen«, das über das besondere Seiende unidentisch Verhängte der Identität, überweltlich. Selbst solche Ideologie hat ihr Gran Wahrheit: auch der Kritiker des eigenen Volksgeistes ist gekettet an das ihm Kommensurable, solange die Menschheit nach Nationen sich zersplittert. Die Konstellation zwischen Karl Kraus und Wien ist dafür aus der jüngsten Vergangenheit das größte, meist freilich diffamierend angezogene Modell. Aber so dialektisch geht es bei Hegel, wie durchweg, wo er auf Störendes trifft, nicht zu. Das Individuum, fährt er fort, »kann geistreicher sein als viele andere, nicht aber kann es den Volksgeist übertreffen. Die Geistreichen sind nur die, die von dem Geist des Volkes wissen und sich danach zu richten wissen.«7 Mit Rancune – im Gebrauch des Wortes »geistreich« ist sie nicht zu überhören – beschreibt Hegel das Verhältnis weit unter dem Niveau seiner eigenen Konzeption. »Sich danach richten« wäre buchstäblich bloß Anpassung. Wie mit Geständniszwang dechiffriert er die von ihm gelehrte affirmative Identität als fortbestehenden Bruch und postuliert die Unterordnung des Schwächeren unter das Mächtigere. Euphemismen wie der der Geschichtsphilosophie, daß im Gang der Weltgeschichte »einzelne Individuen gekränkt worden sind«8, rücken dem Bewußtsein der Unversöhntheit, unfreiwillig, sehr nahe, und die Fanfare »In der Pflicht befreit das Individuum sich zur substantiellen Freiheit«9, übrigens gesamtidealistisches deutsches Gedankengut, ist von ihrer Parodie in der Doktorszene aus Büchners Woyzek schon nicht mehr zu unterscheiden. Hegel legt der Philosophie in den Mund, »daß keine Gewalt über die Macht des Guten, Gottes, geht, die ihn hindert, sich geltend zu machen, daß Gott Recht behält, daß die Weltgeschichte nichts anderes darstellt als den Plan der Vorsehung. Gott regiert die Welt; der Inhalt seiner Regierung, die Vollführung seines Plans ist die Weltgeschichte, diesen zu fassen ist die Philosophie der Weltgeschichte, und ihre Voraussetzung ist, daß das Ideal sich vollbringt, daß nur das Wirklichkeit hat, was der Idee gemäß ist«.10 Der Weltgeist scheint arg listig am Werk gewesen zu sein, wenn Hegel dabei, gleichwie zur Krönung seiner Erbauungspredigt, ein Wort von Arnold Schönberg zu verwenden, Heidegger voräfft: »Denn die Vernunft ist das Vernehmen des göttlichen Werkes.«11 Der omnipotente Gedanke muß abdanken und als bloßes Vernehmen sich willfährig machen. Hegel mobilisiert griechische Vorstellungen diesseits der Erfahrung von Individualität, um die Heteronomie des substantiell Allgemeinen zu vergolden. In solchen Passagen überspringt er die gesamte geschichtliche Dialektik und proklamiert die antike Gestalt der Sittlichkeit, die selber erst die der offiziellen griechischen Philosophie und dann die der deutschen Gymnasien war, ohne Zögern als die wahre: »Denn die Sittlichkeit des Staates ist nicht die moralische, die reflektierte, wobei die eigene Überzeugung waltet; diese ist mehr der modernen Welt zugänglich, während die wahre und antike darin wurzelt, daß jeder in seiner Pflicht steht.«12 Der objektive Geist rächt sich an Hegel. Als Festredner des Spartanischen antezipiert er um hundert Jahre den Jargon der Eigentlichkeit mit dem Ausdruck »in seiner Pflicht stehen«. Er erniedrigt sich dazu, Opfern dekorativen Zuspruch zu spenden, ohne an die Substantialität des Zustandes zu rühren, dessen Opfer sie sind. Was da hinter seinen superioren Erklärungen geistert, war vorher schon Kleingeld im bürgerlichen Hausschatz Schillers. Dieser läßt in der Glocke den Familienvater an der Brandstätte seiner Habe nicht nur zum Wanderstabe greifen, der doch der Bettelstab ist, sondern verordnet ihm obendrein, er tue es fröhlich; der Nation, die sonst nichtswürdig sei, erlegt er auf, ihr Letztes an ihre Ehre auch noch freudig zu setzen. Der Terror des Wohlgemuten verinnerlicht die contrainte sociale. Solche Übertreibung ist kein poetischer Luxus; der idealistische Sozialpädagog muß ein Übriges tun, weil ohne die zusätzliche und irrationale Leistung von Identifikation gar zu flagrant würde, daß das Allgemeine dem Besonderen raubt, was es ihm verspricht. Die Macht des Allgemeinen assoziiert Hegel mit dem ästhetischformalen Begriff der Größe: »Diese sind die Großen eines Volks, sie lenken das Volk dem allgemeinen Geiste gemäß. Die Individualitäten also verschwinden für uns und gelten uns nur als diejenigen, die das in Wirklichkeit setzen, was der Volksgeist will.«13 Das aus dem Handgelenk dekretierte Verschwinden der Individualitäten, ein Negatives, das Philosophie als Positives zu wissen sich anmaßt, ohne daß es real sich änderte, ist das Äquivalent des fortwährenden Bruchs. Die Gewalt des Weltgeistes sabotiert, was Hegel an einer späteren Stelle am Individuum feiert: »daß es seiner Substanz gemäß ist, dies ist es durch sich selbst«14. Dennoch rührt die abfertigende Formulierung ans Ernste. Der Weltgeist sei »der Geist der Welt, wie er sich im menschlichen Bewußtsein expliziert; die Menschen verhalten sich zu diesem als Einzelne zu dem Ganzen, das ihre Substanz ist«15. Das erteilt der bürgerlichen Anschauung vom Individuum, dem vulgären Nominalismus den Bescheid. Was sich in sich selbst als in das unmittelbar Gewisse und Substantielle verbeißt, wird eben dadurch Agent des Allgemeinen, Individualität zur trügenden Vorstellung. Darin traf Hegel mit Schopenhauer zusammen; vor ihm voraus hatte er die Einsicht, daß die Dialektik von Individuation und Allgemeinem nicht mit der abstrakten Negation des Individuellen abgetan ist. Nicht nur gegen Schopenhauer sondern gegen Hegel selbst aber bleibt einzuwenden, daß das Individuum, notwendige Erscheinung des Wesens, der objektiven Tendenz, gegen diese wiederum recht hat, insofern es sie mit ihrer Äußerlichkeit und Fehlbarkeit konfrontiert. Impliziert wird das in Hegels Lehre von der Substantialität des Individuums »durch sich selbst«. Anstatt sie jedoch zu entwickeln, verharrt er bei einem abstrakten Gegensatz von Allgemeinem und Besonderem, der seiner eigenen Methode unerträglich sein müßte.[2]

Gegen solche Trennung des Substantiellen und der Individualität nicht weniger als gegen das befangen unmittelbare Bewußtsein steht die Einsicht der Hegelschen Logik in die Einheit des Besonderen und Allgemeinen, die ihm zuweilen für Identität gilt: »Die Besonderheit aber ist als Allgemeinheit an und für sich selbst, nicht durch Übergehen solche immanente Beziehung; sie ist Totalität an ihr selbst, und einfache Bestimmtheit, wesentlich Princip. Sie hat keine andere Bestimmtheit, als welche durch das Allgemeine selbst gesetzt ist, und sich aus demselben folgendermaßen ergiebt. Das Besondere ist das Allgemeine selbst, aber es ist dessen Unterschied oder Beziehung auf ein Anderes, sein Scheinen nach Außen; es ist aber kein Anderes vorhanden, wovon das Besondere unterschieden wäre, als das Allgemeine selbst. – Das Allgemeine bestimmt sich, so ist es selbst das Besondere; die Bestimmtheit ist ein Unterschied; es ist nur von sich selbst unterschieden.«16 Danach wäre das Besondere unmittelbar das Allgemeine, weil es eine jegliche Bestimmung seiner Sonderheit einzig durchs Allgemeine findet; ohne dieses, schließt Hegel, nach einem immer wiederkehrenden Modus, sei das Besondere nichts. Die neuere Geschichte des Geistes, und nicht erst sie, war die apologetische Sisyphusarbeit, das Negative des Allgemeinen wegzudenken. Geist erinnert bei Kant sich noch daran gegenüber der Notwendigkeit: er suchte diese auf die Natur einzugrenzen. Bei Hegel wird Kritik am Notwendigen eskamotiert. »Das Bewußtsein des Geistes muß sich in der Welt gestalten; das Material dieser Realisierung, ihr Boden ist nichts anderes als das allgemeine Bewußtsein, das Bewußtsein eines Volkes. Dieses Bewußtsein enthält und nach ihm richten sich alle Zwecke und Interessen des Volks; dieses Bewußtsein macht des Volkes Rechte, Sitten, Religionen aus. Es ist das Substantielle des Geistes eines Volks, auch wenn die Individuen es nicht wissen, sondern es als eine Voraussetzung ausgemacht dasteht. Es ist wie eine Notwendigkeit; das Individuum wird in dieser Atmosphäre erzogen, weiß von nichts anderm. Doch aber ist es nicht bloß Erziehung und Folge von Erziehung; sondern dies Bewußtsein wird aus dem Individuum selbst entwickelt, nicht ihm angelehrt: das Individuum ist in dieser Substanz.«17 Die Hegelsche Formulierung »es ist wie eine Notwendigkeit« ist sehr adäquat der Vormacht des Allgemeinen; das »wie«, Andeutung des bloß metaphorischen Wesens solcher Notwendigkeit, streift dabei flüchtig das Scheinhafte des Allerwirklichsten. Sogleich wird der Zweifel an der Güte des Notwendigen niedergeschlagen und über Stock und über Stein beteuert, Notwendigkeit eben sei Freiheit. Das Individuum, heißt es bei Hegel, »ist in dieser Substanz«, jener Allgemeinheit, die ihm noch mit den Volksgeistern koinzidierte. Aber ihre Positivität ist negativ selber und wird es desto mehr, je positiver sie sich geriert; Einheit desto schlechter, je gründlicher sie des Vielen sich bemächtigt. Ihr Lob spendet ihr der Sieger, der auch als einer des Geistes auf den Triumphzug nicht verzichtet, auf die Ostentation, was ohne Unterlaß den Vielen angetan wird, sei der Sinn der Welt. »Es ist das Besondere, das sich aneinander abkämpft, und wovon ein Teil zugrunde gerichtet wird. Aber eben im Kampf, im Untergang des Besonderen resultiert das Allgemeine. Dieses wird nicht gestört.«18 Bis heute ist es nicht gestört worden. Dennoch sei, Hegel zufolge, auch das Allgemeine nicht ohne jenes Besondere, das es bestimmt; als Losgelöstes. Allgemeines und nicht bestimmtes Besonderes bündig zu identifizieren, die Vermitteltheit beider Pole der Erkenntnis gleichzusetzen, vermag Hegels Logik, auch bei ihm a priori eine Lehre von allgemeinen Strukturen, nur dadurch, daß sie vom Besonderen gar nicht als Besonderem handelt sondern bloß von der Besonderheit, selber bereits einem Begrifflichen19. Der damit etablierte logische Primat des Allgemeinen liefert der Hegelschen Option für den sozialen und politischen das Fundament. Soviel wäre Hegel einzuräumen, daß nicht bloß Besonderheit sondern Besonderes selbst zu denken ohne das Moment des Allgemeinen unmöglich sei, welches das Besondere unterscheidet, prägt, in gewissem Sinn zum Besonderen erst macht. Aber daß dialektisch ein Moment des anderen, ihm kontradiktorisch entgegengesetzten bedarf, reduziert, wie Hegel wohl wußte, aber gelegentlich zu vergessen beliebte, weder dieses noch jenes zum mh on. Sonst wird die absolute, ontologische Geltung der Logik reiner Widerspruchslosigkeit stipuliert, welche der dialektische Aufweis von »Momenten« durchbrochen hatte; letztlich die Position eines absolut Ersten – des Begriffs –, dem das Faktum sekundär sein soll, weil es nach idealistischer Tradition aus dem Begriff »folge«. Während über Besonderes nichts ohne Bestimmtheit und damit ohne Allgemeinheit prädiziert werden kann, geht darin das Moment eines Besonderen, Opaken, auf welches jene Prädikation sich bezieht und stützt, nicht unter. Sie erhält sich inmitten der Konstellation, sonst liefe die Dialektik auf die Hypostasis der Vermittlung hinaus, ohne die Momente der Unmittelbarkeit zu bewahren, wie Hegel umsichtig sonst es wollte.

Immanente Kritik der Dialektik sprengt den Hegelschen Idealismus. Erkenntnis geht aufs Besondere, nicht aufs Allgemeine. Ihren wahren Gegenstand sucht sie in der möglichen Bestimmung der Differenz jenes Besonderen, selbst von dem Allgemeinen, das sie als gleichwohl Unabdingbares kritisiert. Wird aber die Vermittlung des Allgemeinen durchs Besondere und des Besonderen durchs Allgemeine auf die abstrakte Normalform von Vermittlung schlechthin gebracht, so hat das Besondere dafür, bis zu seiner autoritären Abfertigung in den materialen Teilen des Hegelschen Systems, zu zahlen: »Was der Mensch thun müsse, welches die Pflichten sind, die er zu erfüllen hat, um tugendhaft zu seyn, ist in einem sittlichen Gemeinwesen leicht zu sagen – es ist nichts Anderes von ihm zu thun, als was ihm in seinen Verhältnissen vorgezeichnet, ausgesprochen und bekannt ist. Die Rechtschaffenheit ist das Allgemeine, was an ihn Theils rechtlich, Theils sittlich gefordert werden kann. Sie erscheint aber für den moralischen Standpunkt leicht als etwas Untergeordneteres, über das man an sich und Andere noch mehr fordern müsse; denn die Sucht, etwas Besonderes zu seyn, genügt sich nicht mit dem, was das An- und Fürsichseyende und Allgemeine ist; sie findet erst in einer Ausnahme das Bewußtseyn der Eigenthümlichkeit.«20 Wenn Hegel die Doktrin von der Identität des Allgemeinen und Besonderen zu einer Dialektik im Besonderen selber weitergetrieben hätte, wäre dem Besonderen, das ja ihm zufolge das vermittelt Allgemeine ist, soviel Recht zuteil geworden wie jenem. Daß er dies Recht, wie ein Vater, der den Sohn zurechtweist: »Du meinst wohl, du wärest etwas Besonderes«, zur bloßen Sucht herabwürdigt, und psychologistisch das Menschenrecht als Narzißmuß anschwärzt, ist kein individueller Sündenfall des Philosophen. Die von ihm visierte Dialektik des Besonderen ist idealistisch nicht auszutragen. Weil, wider den Kantischen Chorismos, Philosophie nicht als Formenlehre im Allgemeinen sich einrichten, sondern den Inhalt selbst durchdringen soll, wird, in großartig verhängnisvoller petitio principii, die Wirklichkeit von der Philosophie derart zugerüstet, daß sie der repressiven Identität mit jener sich fügt. Das Wahrste an Hegel, das Bewußtsein des Besonderen, ohne dessen Schwere der Begriff der Wirklichkeit zur Farce verkommt, zeitigt das Falscheste, schafft das Besondere fort, nach dem in Hegel Philosophie tastet. Je insistenter sein Begriff um die Wirklichkeit sich bemüht, desto verblendeter kontaminiert er diese, das hic et nunc, das aufzuknacken wäre wie goldene Nüsse am Fest von den Kindern, mit dem Begriff, der es unter sich befaßt. »Es ist eben diese Stellung der Philosophie zur Wirklichkeit, welche die Mißverständnisse betreffen, und ich kehre hiermit zu dem zurück, was ich vorhin bemerkt habe, daß die Philosophie, weil sie das Ergründen des Vernünftigen ist, eben damit das Erfassen des Gegenwärtigen und Wirklichen, nicht das Aufstellen eines Jenseitigen ist, das Gott weiß wo seyn sollte – oder von dem man in der That wohl zu sagen weiß, wo es ist, nämlich in dem Irrthum eines einseitigen, leeren Raisonnirens ... Wenn die Reflexion, das Gefühl oder welche Gestalt das subjektive Bewußtseyn habe, die Gegenwart für ein Eitles ansieht, über sie hinaus ist und es besser weiß, so befindet es sich im Eiteln, und weil es Wirklichkeit nur in der Gegenwart hat, ist es selbst nur Eitelkeit. Wenn umgekehrt die Idee für das gilt, was nur so eine Idee, eine Vorstellung in einem Meinen ist, so gewährt hingegen die Philosophie die Einsicht, daß nichts wirklich ist als die Idee. Darauf kommt es dann an, in dem Scheine des Zeitlichen und Vorübergehenden die Substanz, die immanent, und das Ewige, das gegenwärtig ist, zu erkennen.«21[3] So platonisch spricht aus Not der Dialektiker. Er will nicht Wort haben, daß logisch wie geschichtsphilosophisch das Allgemeine ins Besondere sich zusammenzieht, bis dieses von der ihm äußerlich gewordenen, abstrakten Allgemeinheit sich losreißt, während korrelativ dazu das Allgemeine, das er als höhere Objektivität vindiziert, zum schlecht Subjektiven, zum Durchschnittswert der Partikularitäten herabsinkt. Der es auf den Übergang der Logik in die Zeit abgesehen hatte, resigniert in zeitloser Logik.

Die simple Dichotomie von Zeitlichem und Ewigem inmitten und trotz der Konzeption von Dialektik bei Hegel ist konform dem Primat des Allgemeinen in der Geschichtsphilosophie. Wie der Allgemeinbegriff, die Frucht der Abstraktion, über der Zeit sich dünkt und den Verlust, den das Subsumierte durch den Abstraktionsprozeß erleidet, als Gewinn und Anweisung auf Ewigkeit verbucht, so werden die vorgeblich überzeitlichen Momente der Geschichte Positiva. In ihnen versteckt sich jedoch das alte Übel. Einverständnis damit, daß es immer so bleibe, diskreditiert den Gedanken, der dagegen protestiert, als ephemer. Solcher Umschlag in Zeitlosigkeit ist der Hegelschen Dialektik und Geschichtsphilosophie nicht äußerlich. Indem seine Version von Dialektik auf die Zeit selbst sich erstreckt, wird diese ontologisiert, aus einer subjektiven Form zu einer Struktur von Sein schlechthin, selber einem Ewigen. Darauf gründen die Spekulationen Hegels, welche die absolute Idee der Totalität der Vergängnis alles Endlichen gleichsetzen. Sein Versuch, Zeit gleichsam zu deduzieren und als ein nichts außerhalb seiner selbst Duldendes zu verewigen, ist dieser Konzeption ebenso gemäß wie dem absoluten Idealismus, der bei der Trennung von Zeit und Logik so wenig sich bescheiden kann wie Kant bei der von Anschauung und Verstand. Auch darin im übrigen war Hegel, Kritiker Kants, dessen Exekutor. Wenn dieser die Zeit, als reine Anschauungsform und Bedingung alles Zeitlichen, apriorisiert, ist sie ihrerseits der Zeit enthoben.[4] Subjektiver und objektiver Idealismus stimmen darin überein. Denn die Grundschicht beider ist das Subjekt als Begriff, bar seines zeitlichen Inhalts. Noch einmal wird der actus purus, wie bei Aristoteles, zum Unbewegten. Die gesellschaftliche Parteiischkeit der Idealisten reicht hinab in die Konstituentien ihrer Systeme. Sie verherrlichen Zeit als unzeitlich, Geschichte als ewig aus Angst, daß sie beginne. Die Dialektik von Zeit und Zeitlichem wird folgerecht für Hegel zu einer des Wesens Zeit in sich[5]. Sie bietet dem Positivismus einen bevorzugten Angriffspunkt. Tatsächlich wäre es schlecht scholastisch, würde Dialektik dem formalen, von jedem zeitlichen Inhalt expurgierten Zeitbegriff zugeschrieben. Der kritischen Reflexion darauf jedoch dialektisiert sich die Zeit als in sich vermittelte Einheit von Form und Inhalt. Die transzendentale Ästhetik Kants hätte nichts auf den Einwand zu entgegnen, der rein formale Charakter der Zeit als einer »Form der Anschauung«, ihre »Leere«, entspreche selber keiner wie immer gearteten Anschauung. Die Kantische Zeit weigert sich jeder möglichen Vorstellung und Phantasie: um sie vorzustellen, muß immer ein Zeitliches mitvorgestellt werden, an dem sie sich ablesen läßt, ein Etwas, an dem ihr Verlauf oder ihr sogenanntes Fließen erfahrbar wird. Die Konzeption reiner Zeit bedarf eben der begrifflichen Vermittlung – der Abstraktion von allen vollziehbaren Zeitvorstellungen –, von der Kant, der Systematik, der Disjunktion von Sinnlichkeit und Verstand zuliebe, die Anschauungsformen dispensieren wollte und mußte. Absolute Zeit als solche, des letzten faktischen Substrats entäußert, das in ihr ist und verläuft, wäre überhaupt nicht mehr, was Kant zufolge Zeit unabdingbar sein muß: dynamisch. Keine Dynamik ohne das, woran sie statthat. Umgekehrt ist aber auch keine Faktizität vorzustellen, die nicht ihren Stellenwert im Zeitkontinuum besäße. Diese Reziprozität trägt Dialektik noch ins formalste Bereich: keines der darin wesentlichen und einander entgegengesetzten Momente ist ohne das andere. Sie wird indessen nicht von der reinen Form an sich motiviert, an der sie sich enthüllt. Ein Verhältnis von Form und Inhalt ist zur Form selber geworden. Sie ist unabdingbar Form von Inhalt; äußerste Sublimierung des Form-Inhalt-Dualismus in der abgetrennten und verabsolutierten Subjektivität. Hegel wäre noch in der Zeittheorie sein Wahrheitsmoment abzuzwingen, wofern man nicht, wie er, die Logik Zeit aus sich erzeugen läßt, sondern statt dessen in der Logik geronnene Zeitrelationen gewahrt, so wie es verschiedentlich in der Vernunftkritik, zumal im Schematismuskapitel, kryptisch genug angezeigt war. Ebenso bewahrt die diskursive Logik – unverkennbar in den Schlüssen – Zeitmomente auf, wie sie diese vermöge ihrer vom subjektiven Denken geleisteten Objektivation zur reinen Gesetzmäßigkeit entzeitlicht, abblendet. Ohne solche Entzeitlichung der Zeit wäre wiederum diese nie objektiviert worden. Die Interpretation des Zusammenhangs zwischen Logik und Zeit durch Rückgriff auf ein nach gängiger, positivistischer Wissenschaftslehre Prälogisches in der Logik wäre, als Erkenntnis eines Moments, mit Hegel vereinbar. Denn was bei ihm Synthesis heißt, ist nicht einfach die aus der bestimmten Negation herausspringende, schlechterdings neue Qualität sondern die Wiederkunft des Negierten; dialektischer Fortschritt stets auch Rückgriff auf das, was dem fortschreitenden Begriff zum Opfer fiel: dessen fortschreitende Konkretion seine Selbstkorrektur. Der Übergang der Logik in die Zeit möchte, soweit Bewußtsein das vermag, an dieser gutmachen, was die Logik ihr angetan hat, ohne welche Zeit doch nicht wäre. Unter diesem Aspekt ist die Bergsonsche Doppelung des Zeitbegriffs ein Stück ihrer selbst unbewußter Dialektik. Er hat im Begriff des temps durée, der gelebten Dauer, die lebendige Zeiterfahrung und damit ihr inhaltliches Moment theoretisch zu rekonstruieren versucht, das der Abstraktion der Philosophie und der kausal-mechanischen Naturwissenschaften geopfert war. Gleichwohl ist er so wenig wie diese, positivistischer als seine Polemik wußte, zum dialektischen Begriff übergegangen; hat das dynamische Moment, aus dégoût gegen die heraufziehende Verdinglichung des Bewußtseins, verabsolutiert, seinerseits gleichsam zu einer Form des Bewußtseins, einer besonderen und privilegierten Erkenntnisweise gemacht, es, wenn man will, zur Branche verdinglicht. Isoliert, wird die subjektive Erlebniszeit samt ihrem Inhalt so zufällig und vermittelt wie ihr Subjekt, und darum, angesichts der chronometrischen, stets zugleich ›falsch‹. Das zu erläutern, genügt die Trivialität, daß subjektive Zeiterfahrungen, gemessen an der Uhrzeit, der Täuschung exponiert sind, während doch keine Uhrzeit wäre ohne die subjektive Zeiterfahrung, die von jener vergegenständlicht wird. Die krasse Dichotomie der beiden Zeiten bei Bergson aber registriert die geschichtliche zwischen der lebendigen Erfahrung und den vergegenständlichten und wiederholbaren Arbeitsprozessen: seine brüchige Zeitlehre ist ein früher Niederschlag der objektiv gesellschaftlichen Krisis des Zeitbewußtseins. Die Unversöhnlichkeit von temps durée und temps espace ist die Wunde jenes gespaltenen Bewußtseins, das nur durch Spaltung irgend Einheit ist. Das bemeistert so wenig die naturalistische Interpretation des temps espace wie die Hypostasis des temps durée, in der das vor der Verdinglichung zurückweichende Subjekt vergebens sich selbst als schlechthin Lebendiges zu konservieren hofft. Tatsächlich ist das Lachen, in dem Bergson zufolge Leben gegenüber seiner konventionellen Verhärtung sich wiederherstellen soll, längst zur Waffe der Konvention gegen das unerfaßte Leben, gegen die Spuren eines nicht ganz domestizierten Natürlichen geworden.

Die Hegelsche Transposition des Besonderen in die Besonderheit folgt der Praxis einer Gesellschaft, die das Besondere bloß als Kategorie toleriert, als Form der Suprematie des Allgemeinen. Marx hat diesen Sachverhalt in von Hegel nicht abzusehender Weise designiert: »Die Auflösung aller Produkte und Tätigkeiten in Tauschwerte setzt voraus sowohl die Auflösung aller festen persönlichen (historischen) Abhängigkeitsverhältnisse in der Produktion, als die allseitige Abhängigkeit der Produzenten voneinander. Die Produktion sowohl jedes Einzelnen ist abhängig von der Produktion aller andern; als (auch) die Verwandlung seines Produkts in Lebensmittel für ihn selbst abhängig geworden ist von der Konsumtion aller andern ... Diese wechselseitige Abhängigkeit ausgedrückt in der beständigen Notwendigkeit des Austauschs und in dem Tauschwert als allseitigem Vermittler. Die Ökonomen drücken das so aus: Jeder verfolgt sein Privatinteresse; und dient dadurch, ohne es zu wollen und zu wissen, den Privatinteressen aller, den allgemeinen Interessen. Der Witz besteht nicht darin, daß, indem jeder sein Privatinteresse verfolgt, die Gesamtheit der Privatinteressen, also das allgemeine Interesse erreicht wird. Vielmehr könnte aus dieser abstrakten Phrase gefolgert werden, daß jeder wechselseitig die Geltendmachung des Interesses der andern hemmt, und statt einer allgemeinen Affirmation, vielmehr eine allgemeine Negation aus diesem bellum omnium contra omnes resultiert. Die Pointe liegt vielmehr darin, daß das Privatinteresse selbst schon ein gesellschaftlich bestimmtes Interesse ist und nur innerhalb der von der Gesellschaft gesetzten Bedingungen und mit den von ihr gegebnen Mitteln erreicht werden kann; also an die Reproduktion dieser Bedingungen und Mittel gebunden ist. Es ist das Interesse der Privaten; aber dessen Inhalt, wie Form und Mittel der Verwirklichung, durch von allen unabhängige gesellschaftliche Bedingungen gegeben.«22 Solche negative Vormacht des Begriffs erhellt, warum Hegel, dessen Apologet, und Marx, dessen Kritiker, in der Vorstellung sich treffen, daß, was jener den Weltgeist nennt, ein Übergewicht des Ansichseins besitze und nicht bloß, wie es Hegel allein gemäß wäre, seine objektive Substanz in den Individuen habe: »Die Individuen sind unter die gesellschaftliche Produktion subsumiert, die als ein Verhängnis außer ihnen existiert; aber die gesellschaftliche Produktion ist nicht unter die Individuen subsumiert, die sie als ihr gemeinsames Vermögen handhaben.«23 Der reale Chorismos nötigt Hegel dazu, wider seinen Willen die These von der Wirklichkeit der Idee umzumodeln. Ohne daß die Theorie das konzedierte, enthält dazu die Rechtsphilosophie unmißverständliche Sätze: »Bei der Idee des Staats muß man nicht besondere Staaten vor Augen haben, nicht besondere Institutionen, man muß vielmehr die Idee, diesen wirklichen Gott, für sich betrachten. Jeder Staat, man mag ihn auch nach den Grundsätzen, die man hat, für schlecht erklären, man mag diese oder jene Mangelhaftigkeit daran erkennen, hat immer, wenn er namentlich zu den ausgebildeten unserer Zeit gehört, die wesentlichen Momente seiner Existenz in sich. Weil es aber leichter ist, Mängel aufzufinden, als das Affirmative zu begreifen, verfällt man leicht in den Fehler, über einzelne Seiten den inwendigen Organismus des Staates selbst zu vergessen.«24 Muß man »die Idee für sich betrachten«, nicht »besondere Staaten«, und zwar prinzipiell, einer umfassenden Struktur gehorsam, so steht der Widerspruch von Idee und Wirklichkeit wieder auf, den wegzudisputieren der Tenor des gesamten Werkes ist. Dazu schickt sich der ominöse Satz, es sei leichter Mängel aufzufinden, als das Affirmative zu begreifen; heute ist daraus das Geschrei nach der konstruktiven: sich duckenden Kritik geworden. Weil die Identität von Idee und Wirklichkeit von dieser dementiert wird, bedarf es gleichsam einer ergebenen Sonderanstrengung der Vernunft, um jener Identität gleichwohl sich zu versichern; das »Affirmative«, der Nachweis positiv vollbrachter Versöhnung, wird postuliert, als superiore Leistung des Bewußtseins angepriesen, weil das Hegelsche reine Zusehen zu solcher Affirmation nicht ausreicht. Der Druck, den Affirmation auf das ihr Widerstrebende, Wirkliche ausübt, verstärkt unermüdlich jenen realen, den die Allgemeinheit dem Subjekt als dessen Negation antut. Beides klafft desto sichtbarer auseinander, je konkreter das Subjekt mit der These von der objektiven Substantialität des Sittlichen konfrontiert wird. In Hegels später Konzeption von der Bildung ist diese bloß noch wie ein dem Subjekt Feindliches beschrieben: »Die Bildung ist daher in ihrer absoluten Bestimmung die Befreiung und die Arbeit der höheren Befreiung, nämlich der absolute Durchgangspunkt zu der, nicht mehr unmittelbaren, natürlichen, sondern geistigen, ebenso zur Gestalt der Allgemeinheit erhobenen unendlich subjektiven Substantialität der Sittlichkeit. – Diese Befreiung ist im Subjekt die harte Arbeit gegen die bloße Subjektivität des Benehmens, gegen die Unmittelbarkeit der Begierde, so wie gegen die subjektive Eitelkeit der Empfindung und die Willkür des Beliebens. Daß sie diese harte Arbeit ist, macht einen Theil der Ungunst aus, der auf sie fällt. Durch diese Arbeit der Bildung ist es aber, daß der subjektive Wille selbst in sich die Objektivität gewinnt, in der er seiner Seits allein würdig und fähig ist, die Wirklichkeit der Idee zu seyn.«25 Das verbrämt die griechische Schulweisheit omh dareis, die Goethe, auf den sie gar nicht paßte, in Hegelscher Gesinnung als Motto seiner Autobiographie nicht verschmähte. Indem aber die klassizistische Maxime die Wahrheit über die Identität ausposaunt, die sie erst herbeiführen möchte, bekennt sie ihre eigene Unwahrheit, die von Prügelpädagogik im wörtlichen Sinn und im übertragenen des unansprechbaren Gebots, man müsse sich fügen. Als immanent unwahre ist sie untauglich zu dem Zweck, den man ihr anvertraut; die von der großen Philosophie bagatellisierte Psychologie weiß davon mehr als jene. Roheit gegen die Menschen reproduziert sich in ihnen; die Geschundenen werden nicht erzogen sondern zurückgestaut, rebarbarisiert. Nicht mehr auszulöschen ist die Einsicht der Psychoanalyse, daß die zivilisatorischen Mechanismen der Repression die Libido in antizivilisatorische Aggression verwandeln. Der mit Gewalt Erzogene kanalisiert die eigene Aggression, indem er mit der Gewalt sich identifiziert, um sie weiterzugeben und loszuwerden; so werden Subjekt und Objekt nach dem Bildungsideal von Hegels Rechtsphilosophie real identifiziert. Kultur, die keine ist, will von sich aus gar nicht, daß die, welche in ihre Mühle geraten, kultiviert seien. Hegel beruft, an einer der berühmtesten Stellen der Rechtsphilosophie, sich auf den Pythagoras zugeschriebenen Satz, die beste Weise, einen Sohn sittlich zu erziehen, sei, ihn zum Bürger eines Staates von guten Gesetzen zu machen26. Das verlangt ein Urteil darüber, ob der Staat selber und seine Gesetze tatsächlich gut seien. Bei Hegel jedoch ist Ordnung es a priori, ohne vor denen sich verantworten zu müssen, die unter ihr leben. Ironisch bewährt sich seine spätere Reminiszenz an Aristoteles, die »substantielle Einheit ist absoluter unbewegter Selbstzweck«27; unbewegt, steht er in der Dialektik, die ihn herstellen soll. Dadurch wird zur leeren Beteuerung entwertet, daß im Staat »die Freiheit zu ihrem höchsten Recht kommt«28; Hegel verfällt in jene fade Erbaulichkeit, die er noch in der Phänomenologie verabscheute. Er wiederholt einen Topos antiken Denkens, aus dem Stadium, da der siegreiche, Platonisch-Aristotelische Hauptstrom der Philosophie mit den Institutionen gegen deren Grund im sozialen Prozeß sich solidarisierte; die Menschheit hat überhaupt die Gesellschaft später entdeckt als den Staat, der, an sich vermittelt, den Beherrschten gegeben und unmittelbar erscheint. Hegels Satz, »Alles, was der Mensch ist, verdankt er dem Staat«29, die augenfälligste Übertreibung, schleppt die altertümliche Verwechslung fort. Zu der These veranlaßt ihn, daß jene »Unbewegtheit«, die er dem allgemeinen Zweck zuschreibt, zwar von der einmal verhärteten Institution, unmöglich aber von der wesentlich dynamischen Gesellschaft sich prädizieren ließe. Der Dialektiker bekräftigt die Prärogative des Staats, der Dialektik enthoben zu sein, weil, worüber er sich nicht täuschte, diese über die bürgerliche Gesellschaft hinaustreibt30. Er vertraut nicht der Dialektik als der Kraft zur Heilung ihrer selbst sich an, und desavouiert seine Versicherung der dialektisch sich herstellenden Identität.

 

Daß die Metaphysik der Versöhnung von Allgemeinem und Besonderem in der Konstruktion der Wirklichkeit, als Rechts- und Geschichtsphilosophie, scheiterte, konnte dem systematischen Bedürfnis Hegels nicht verborgen bleiben. Er hat um Vermittlung sich bemüht. Seine Vermittlungskategorie, der Volksgeist, reicht in die empirische Geschichte hinein. Den einzelnen Subjekten sei er die konkrete Gestalt des Allgemeinen, aber seinerseits sei der »bestimmte Volksgeist ... nur ein Individuum im Gange der Weltgeschichte«31, Individuation höheren Grades, doch als solche selbständig. Gerade die Thesis von dieser Selbständigkeit der Volksgeister legalisiert bei Hegel, ähnlich wie später bei Durkheim die Kollektivnormen und bei Spengler jeweils die Kulturseelen, die Gewaltherrschaft über die einzelnen Menschen. Je reicher ein Allgemeines mit den Insignien des Kollektivsubjekts ausstaffiert ist, desto spurloser verschwinden darin die Subjekte. Jene Vermittlungskategorie indessen, die übrigens nicht ausdrücklich Vermittlung genannt wird, nur deren Funktion erfüllt, bleibt hinter Hegels eigenem Vermittlungsbegriff zurück. Sie waltet nicht in der Sache selbst, bestimmt nicht immanent deren Anderes, sondern fungiert als Brückenbegriff, ein hypostasiertes Mittleres zwischen dem Weltgeist und den Individuen. Hegel deutet die Vergänglichkeit der Volksgeister, analog der der Individuen, als das wahre Leben des Allgemeinen. Vergänglich aber ist in Wahrheit die Kategorie des Volkes und Volksgeistes selber, gar nicht erst ihre spezifischen Manifestationen. Auch wofern die neu hervortretenden Volksgeister heute tatsächlich die Brandfackel des Hegelschen Weltgeistes weitertragen sollten, drohen sie, das Leben der Gattung Mensch auf niedrigerer Stufe zu reproduzieren. Schon angesichts des kantisch Allgemeinen seiner Periode, der absehbaren Menschheit, war Hegels Lehre vom Volksgeist reaktionär, kultivierte ein als partikular bereits Durchschautes. Ohne Zaudern partizipiert er mit der emphatischen Kategorie der Volksgeister am selben Nationalismus, dessen Funestes er an den burschenschaftlichen Agitatoren diagnostizierte. Sein Begriff von Nation, in immergleichem Wechsel Trägerin des Weltgeistes, entpuppt sich als eine der Invarianten, von denen das dialektische Werk, paradox und doch seinem einen Aspekt gemäß, überfließt. Den undialektischen Konstanten bei Hegel, welche die Dialektik Lügen strafen und ohne die doch keine Dialektik wäre, kommt soviel Wahrheit zu, wie Geschichte als Immergleichheit, als schlechte Unendlichkeit von Schuld und Buße so verlief, wie Hegels Kronzeuge Heraklit schon in archaischen Zeiten es erkannte und ontologisch überhöhte. Aber Nation – Terminus wie Sache – sind jungen Datums. Eine prekäre zentralistische Organisationsform sollte die diffusen Naturverbände nach dem Untergang des Feudalismus zum Schutz der bürgerlichen Interessen bändigen. Sie mußte sich zum Fetisch werden, weil sie anders die Menschen nicht hätte integrieren können, die wirtschaftlich ebenso jener Organisationsform bedürfen, wie sie ihnen unablässig Gewalt antut. Vollends wo die Einigung der Nation, Vorbedingung einer sich emanzipierenden bürgerlichen Gesellschaft, mißlang, in Deutschland, wird ihr Begriff überwertig und destruktiv. Um die gentes zu ergreifen, mobilisiert er zusätzlich regressive Erinnerungen an den archaischen Stamm. Als böses Ferment sind sie geeignet, das Individuum, ebenfalls ein spät und fragil Entwickeltes, drunten zu halten dort, wo sein Konflikt mit der Allgemeinheit in deren rationale Kritik umzuschlagen sich anschickt: anders als mit wirksamen irrationalen Mitteln wäre die Irrationalität der Zwecke bürgerlicher Gesellschaft kaum zu stabilisieren gewesen. Die spezifisch deutsche Situation der unmittelbar nach-Napoleonischen Ära mochte Hegel darüber täuschen, wie anachronistisch die Lehre vom Volksgeist verglichen mit seinem eigenen Begriff vom Geist war, aus dessen Fortschritt fortschreitende Sublimierung, Befreiung von rudimentärer Naturwüchsigkeit nicht auszuscheiden ist. Bei ihm bereits war die Lehre vom Volksgeist falsches, wenngleich vom Bedürfnis der administrativen Einheit Deutschlands provoziertes Bewußtsein, Ideologie. Maskiert, als Besonderung verkoppelt mit dem nun einmal Seienden, sind die Volksgeister gefeit gegen jene Vernunft, deren Gedächtnis in der Allgemeinheit des Geistes doch auch aufbewahrt wird. Nach dem Traktat vom ewigen Frieden können die Hegelschen Lobreden auf den Krieg nicht mehr hinter der Naivetät mangelnder geschichtlicher Erfahrung sich verschanzen. Was er als Substantielles der Volksgeister lobt, die mores, war damals bereits hoffnungslos zu jenem Brauchtum depraviert, das man dann im Zeitalter der Diktaturen auskramte, um von staatswegen die Entmächtigung der Einzelnen durch den geschichtlichen Zug zu vermehren. Allein schon, daß Hegel von den Volksgeistern im Plural reden muß, verrät das Überholte ihrer vorgeblichen Substantialität. Sie ist negiert, sobald von einer Vielheit von Volksgeistern gesprochen, eine Internationale der Nationen visiert wird. Nach dem Faschismus tauchte sie wieder auf.

Durch seine nationelle Partikularisierung schließt der Hegelsche Geist nicht länger die materielle Basis derart mehr in sich ein, wie er als Totalität immerhin es noch behaupten mochte. Im Begriff Volksgeist wird ein Epiphänomen, Kollektivbewußtsein, Stufe der gesellschaftlichen Organisation, dem realen Produktions- und Reproduktionsprozeß der Gesellschaft als wesenhaft gegenübergestellt. Daß der Geist eines Volkes zu realisieren, »zu einer vorhandenen Welt zu machen« sei, sagt Hegel, »diese Empfindung hat jedes Volk«32. Heute schwerlich, und wo man Völker so fühlen macht, gereicht es zum Übel. Die Prädikate jener »vorhandenen Welt«: »Religion, Kultus, Sitten, Gebräuche, Kunst, Verfassung, politische Gesetze, der ganze Umfang seiner Einrichtungen, seine Begebenheiten und Taten«33 haben mit ihrer Selbstverständlichkeit auch eingebüßt, was für Hegel als ihre Substantialität galt. Sein Gebot, die Individuen hätten sich dem »substantiellen Sein« ihres Volkes »anzubilden, ihm gemäß zu machen«34, ist despotisch; war schon bei ihm unvereinbar mit der unterdessen ebenfalls überholten, gleichsam Shakespeareschen Hypothese, das geschichtlich Allgemeine realisiere sich durch die Leidenschaften und Interessen der Individuen hindurch, während es ihnen einzig so noch eingeübt wird wie das gesunde Volksempfinden denjenigen, die in seiner Maschinerie sich verfangen. Hegels These, niemand könne »den Geist seines Volkes überspringen, sowenig er die Erde überspringen kann«35, ist im Zeitalter tellurischer Konflikte und des Potentials einer tellurischen Einrichtung der Welt krähwinklerisch. An wenig Stellen hat Hegel der Geschichte so sehr den Zoll entrichten müssen, als wo er die Geschichte denkt. Doch hat er auch daran noch herangedacht, die von ihm hypostasierten Volksgeister ihrerseits geschichtsphilosophisch so relativiert, als hätte er es für möglich gehalten, eines Tages könne der Weltgeist der Volksgeister entraten, und dem Kosmopolitismus den Platz räumen. »Jeder einzelne neue Volksgeist ist eine neue Stufe in der Eroberung des Weltgeistes, zur Gewinnung seines Bewußtseins, seiner Freiheit. Der Tod eines Volksgeistes ist Übergang ins Leben, und zwar nicht so wie in der Natur, wie der Tod des einen ein anderes Gleiches ins Dasein ruft. Sondern der Weltgeist schreitet aus niedern Bestimmungen zu höheren Prinzipien, Begriffen seiner selbst, zu entwickelteren Darstellungen seiner Idee vor.«36 Danach wäre immerhin die Idee eines zu »erobernden«, durch den Untergang der Volksgeister sich verwirklichenden und sie transzendierenden Weltgeistes offen. Nur ist keinem Fortschritt der Weltgeschichte kraft ihres Übergangs von Nation zu Nation mehr zu vertrauen in einer Phase, in der der Sieger nicht länger auf jener höheren Stufe sich befinden muß, die man ihm wahrscheinlich von je nur deshalb attestierte, weil er der Sieger war. Damit jedoch ähnelt der Trost über den Untergang der Völker den zyklischen Theorien bis zu Spengler sich an. Philosophische Verfügung übers Werden und Vergehen ganzer Völker oder Kulturen übertönt, daß das Unvernünftige und Unverständliche der Geschichte selbstverständlich wurde, weil es nie anders war; raubt der Rede vom Fortschritt ihren Inhalt. Trotz der allbekannten Definition der Geschichte hat denn auch Hegel keine Theorie des Fortschritts ausgeführt. Die Hegelsche Wanderung des Weltgeistes von einem Volksgeist zum anderen ist die zur Metaphysik aufgeplusterte Völkerwanderung; diese freilich, ein über die Menschen sich Wälzendes, Prototyp der Weltgeschichte selbst, deren Augustinische Konzeption in die Ära der Völkerwanderung fiel. Die Einheit der Weltgeschichte, welche die Philosophie animiert, sie als Bahn des Weltgeistes nachzuzeichnen, ist die Einheit des Überrollenden, des Schreckens, der Antagonismus unmittelbar. Konkret ging Hegel über die Nationen anders nicht hinaus als im Namen ihrer unabsehbar sich wiederholenden Vernichtung. Der ›Ring‹ des Schopenhauerianers Wagner ist hegelianischer, als Wagner je beikam.

Was den Volksgeistern, als Kollektivindividualitäten, von Hegel hypertrophisch zugemessen ward, ist der Individualität, dem menschlichen Einzelwesen entzogen. Sie wird bei Hegel, komplementär, zu hoch angesetzt und zu niedrig in einem. Zu hoch als Ideologie der großen Männer, zu deren Gunsten Hegel den Herren witz von Kammerdiener und Helden nacherzählt. Je undurchsichtiger und entfremdeter die Gewalt des sich durchsetzenden Allgemeinen, desto ungestümer das Bedürfnis des Bewußtseins, sie kommensurabel zu machen. Dafür müssen die Genies herhalten, die militärischen und politischen zumal. Ihnen wird die Publizität der Überlebensgröße zuteil, die von eben dem Erfolg sich herleitet, der seinerseits aus individuellen Qualitäten erklärt werden soll, deren sie meist ermangeln. Projektionen der ohnmächtigen Sehnsüchte aller, fungieren sie als imago entfesselter Freiheit, schrankenloser Produktivität, wie wenn diese stets und überall zu verwirklichen wäre. Zu solchem ideologischen Zuviel kontrastiert bei Hegel ein Zuwenig im Ideal; seine Philosophie hat kein Interesse daran, daß eigentlich Individualität sei. Darin harmoniert die Doktrin vom Weltgeist mit dessen eigener Tendenz. Hegel hat die Fiktion des historischen Fürsichseins von Individualität wie die jeglicher unvermittelten Unmittelbarkeit durchschaut und das Individuum, vermöge der auf Kants Geschichtsphilosophie zurückdatierenden Theorie der List der Vernunft, als den Agenten des Allgemeinen eingestuft, als welcher es über die Jahrhunderte sich verdient machte. Dabei dachte er, gemäß einer durchgängigen Denkstruktur, die seine Konzeption von Dialektik skelettiert zugleich und revoziert, das Verhältnis von Weltgeist und Einzelnem samt ihrer Vermittlung als invariant; hörig auch er seiner Klasse, die selbst ihre dynamischen Kategorien verewigen muß, um nicht das Bewußtsein der Grenze ihres Fortbestandes zu erreichen. Ihn leitet das Bild des Individuums in der individualistischen Gesellschaft. Es ist adäquat, weil das Prinzip der Tauschgesellschaft nur durch die Individuation der einzelnen Kontrahenten hindurch sich realisierte; weil also das principium individuationis buchstäblich ihr Prinzip, ihr Allgemeines war. Inadäquat ist es, weil in dem totalen Funktionszusammenhang, welcher der Form der Individuation bedarf, die Individuen zu bloßen Ausführungsorganen des Allgemeinen relegiert sind. Die Funktionen des Individuums, und damit dessen eigene Zusammensetzung, wechseln historisch. Gegenüber Hegel und seiner Epoche ist es zu einem Grad unerheblich geworden, der nicht sich antezipieren ließ: der Schein seines Fürsichseins so für alle zergangen, wie die Spekulation Hegels vorweg esoterisch ihn demolierte. Exemplarisch dafür die Leidenschaft, für Hegel wie für Balzac der Motor von Individualität. Den Ohnmächtigen, denen das Erreichbare und nicht Erreichbare immer enger vorgezeichnet ist, wird sie anachronistisch. Bereits der Hitler, zugeschnitten nach dem sozusagen klassischen bürgerlichen Modell des großen Mannes, parodierte Leidenschaft in Weinkrampf und Teppichbeißen. Selbst im privaten Bereich wird Leidenschaft zur Rarität. Die allbekannten Veränderungen der erotischen Verhaltensweisen von Jugendlichen indizieren die Dekomposition des Individuums, das weder mehr die Kraft zur Leidenschaft – Ichstärke – aufbringt, noch ihrer bedarf, weil die gesellschaftliche Organisation, die es integriert, Sorge trägt, daß die offenbaren Widerstände beseitigt werden, an denen Leidenschaft einmal entflammte, und dafür die Kontrollen ins Individuum als ein um jeden Preis sich Anpassendes verlegt. Damit hat es keineswegs alle Funktion verloren. Nach wie vor konserviert der gesellschaftliche Produktionsprozeß im tragenden Tauschvorgang das principium individuationis, die private Verfügung, und damit alle bösen Instinkte des ins eigene Ich Eingekerkerten. Das Individuum überlebt sich selbst. Bei seinem Residuum aber, dem geschichtlich Verurteilten, ist allein noch, was nicht der falschen Identität sich opfert. Seine Funktion ist die des Funktionslosen; des Geistes, der nicht einig ist mit dem Allgemeinen und darum ohnmächtig es vertritt. Nur als das von der allgemeinen Praxis Eximierte ist das Individuum des Gedankens fähig, dessen verändernde Praxis bedürfte. Das Potential des Allgemeinen im Vereinzelten hat Hegel gespürt: »Die Handelnden haben in ihrer Tätigkeit endliche Zwecke, besondere Interessen; aber sie sind auch Wissende, Denkende.«37 Die Methexis jedes Individuums am Allgemeinen durchs denkende Bewußtsein – und das Individuum wird es erst als Denkendes – überschreitet bereits die Kontingenz des Besonderen gegenüber dem Allgemeinen, auf der die Hegelsche wie nachmals die kollektivistische Verachtung des Individuellen basiert. Durch Erfahrung und Konsequenz ist das Individuum einer Wahrheit des Allgemeinen fähig, die dieses, als blind sich durchsetzende Macht, sich selbst und den anderen verhüllt. Nach herrschendem Consensus soll das Allgemeine seiner bloßen Form als Allgemeinheit wegen Recht haben. Selbst Begriff, wird sie dadurch begriffslos, reflexionsfeindlich; erste Bedingung von Widerstand, daß der Geist das an ihr durchschaut und nennt, ein bescheidener Anfang von Praxis.

Nach wie vor stehen die Menschen, die Einzelsubjekte unter einem Bann. Er ist die subjektive Gestalt des Weltgeists, die dessen Primat über den auswendigen Lebensprozeß inwendig verstärkt. Wogegen sie nicht ankönnen, und was sie selber negiert, dazu werden sie selber. Sie müssen es gar nicht erst mehr als das Höhere sich schmackhaft machen, das es in der Hierarchie der Allgemeinheitsgrade ihnen gegenüber tatsächlich ist. Von sich aus, gleichsam a priori, verhalten sie sich dem Unausweichlichen gemäß. Während das nominalistische Prinzip ihnen die Vereinzelung vorgaukelt, agieren sie kollektiv. Soviel ist wahr an der Hegelschen Insistenz auf der Allgemeinheit des Besonderen, daß das Besondere in der verkehrten Gestalt ohnmächtiger und dem Allgemeinen preisgegebener Vereinzelung vom Prinzip der verkehrten Allgemeinheit diktiert wird. Die Hegelsche Lehre von der Substantialität des Allgemeinen im Individuellen eignet den subjektiven Bann sich zu; was hier als das metaphysisch Würdigere sich vorstellt, dankt solche Aura vorab seiner Undurchsichtigkeit, Irrationalität, dem Gegenteil des Geistes, der es der Metaphysik zufolge sein soll. Die Grundschicht der Unfreiheit, in den Subjekten jenseits noch ihrer Psychologie, welche sie verlängert, dient dem antagonistischen Zustand, der heute das Potential, von den Subjekten aus ihn zu verändern, zu vernichten droht. Der Expressionismus, spontane, kollektive Reaktionsform, hat zuckend etwas von jenem Bann verzeichnet. Unterdessen wurde er so allgegenwärtig wie die Gottheit, deren Stelle er usurpiert. Er wird nicht mehr gefühlt, weil kaum etwas und kaum einer mehr so weit ihm entronnen wäre, daß er an der Differenz aufginge. Stets noch jedoch schleppt die Menschheit wie in den Plastiken Barlachs und in Kafkas Prosa sich dahin, ein endloser Zug gebeugt aneinander Geketteter, die den Kopf nicht mehr heben können unter der Last dessen, was ist38. Das bloß Seiende, nach den hochgemuten Doktrinen des Idealismus Gegenteil des Weltgeists, ist seine Inkarnation, verkoppelt dem Zufall, der Gestalt von Freiheit unterm Bann[6]. Während es scheint, als läge er über allem Lebendigen, ist er wahrscheinlich doch nicht, wie es nach Schopenhauers Sinn wäre, umstandslos eins mit dem principium individuationis und dessen sturer Selbsterhaltung. Das tierische Verhalten differiert vom menschlichen durch ein Zwangshaftes.

An die Tiergattung Mensch dürfte es sich fortgeerbt haben, wird aber in dieser zu einem qualitativ Anderen. Und zwar gerade vermöge der Fähigkeit zur Reflexion, vor der der Bann zunichte werden könnte und die in seinen eigenen Dienst trat. Mit solcher Verkehrung ihrer selbst verstärkt sie ihn und macht ihn zum radikal Bösen, bar der Unschuld bloßen Soseins. In der menschlichen Erfahrung ist der Bann das Äquivalent des Fetischcharakters der Ware. Selbstgemachtes wird zum An sich, aus dem das Selbst nicht mehr hinausgelangt; im dominierenden Glauben an Tatsachen als solche, in ihrer positiven Hinnahme verehrt das Subjekt sein Spiegelbild. Als Bann ist das verdinglichte Bewußtsein total geworden. Daß es ein falsches ist, verspricht die Möglichkeit seiner Aufhebung: daß es nicht dabei bleibe, daß falsches Bewußtsein unvermeidlich sich über sich hinaus bewegen müsse, nicht das letzte Wort behalten könne. Je mehr die Gesellschaft der Totalität zusteuert, die im Bann der Subjekte sich reproduziert, desto tiefer denn auch ihre Tendenz zur Dissoziation. Diese bedroht sowohl das Leben der Gattung, wie sie den Bann des Ganzen, die falsche Identität von Subjekt und Objekt, dementiert. Das Allgemeine, von welchem das Besondere wie von einem Folterinstrument zusammengepreßt wird, bis es zersplittert, arbeitet gegen sich selbst, weil es seine Substanz hat am Leben des Besonderen; ohne es sinkt es zur abstrakten, getrennten und tilgbaren Form herab. Franz Neumann hat das im ›Behemot‹ an der institutionellen Sphäre diagnostiziert: der Zerfall in unverbundene und sich bekämpfende Machtapparaturen ist das Geheimnis des totalen faschistischen Staats. Dem entspricht die Anthropologie, der Chemismus der Menschen. Widerstandslos dem kollektiven Unwesen ausgeliefert, verlieren sie die Identität. Nicht ohne alle Wahrscheinlichkeit, daß damit der Bann sich selbst zerreißt. Was einstweilen fälschlich unterm Namen Pluralismus die totale Struktur der Gesellschaft wegleugnen möchte, empfängt seine Wahrheit von solcher sich ankündigenden Desintegration; dem Grauen zugleich und einer Realität, in der der Bann explodiert. Freuds ›Unbehagen in der Kultur‹ hat einen Gehalt, der ihm schwerlich gegenwärtig war; nicht allein in der Psyche der Vergesellschafteten akkumuliert sich der Aggressionstrieb bis zum offen destruktiven Drang, sondern die totale Vergesellschaftung brütet objektiv ihr Widerspiel aus, ohne daß bis heute zu sagen wäre, ob es die Katastrophe ist oder die Befreiung. Ein unfreiwilliges Schema dessen entwarfen die philosophischen Systeme, die ebenfalls, mit steigender Einheit, ihr Heterogenes, heiße es Empfindung, Nichtich oder wie immer, disqualifizierten bis zu jenem Chaotischen, dessen Namen Kant fürs Heterogene gebrauchte. Was mit Vorliebe Angst genannt und zum Existential veredelt wird, ist Klaustrophobie in der Welt: dem geschlossenen System. Sie perpetuiert den Bann als die Kälte zwischen den Menschen, ohne die das Unheil nicht sich wiederholen könnte. Wer nicht kalt ist, sich kalt macht wie nach der vulgären Sprachfigur der Mörder das Opfer, muß sich verurteilt fühlen. Mit der Angst und ihrem Grund verginge vielleicht auch die Kälte. Angst ist in der universalen Kälte die notwendige Gestalt des Fluchs über denen, die an ihr leiden.

Was die Herrschaft des Identitätsprinzips an Nichtidentischem toleriert, ist seinerseits vermittelt vom Identitätszwang, schaler Rest, nachdem die Identifizierung ihr Stück sich weggeschnitten hat. Unterm Bann verwandelt sich noch, was anders ist und wovon freilich die kleinste Beimischung unvereinbar wäre mit jenem, in Giftstoff. Als zufällig wird der unidentische Rest seinerseits wiederum so abstrakt, daß er der Gesetzlichkeit der Identifikation sich anpaßt. Das ist die triste Wahrheit der bei Hegel positiv vorgetragenen Lehre von der Einheit von Zufall und Notwendigkeit. Der Ersatz der traditionellen Kausalität durch die statistische Regel dürfte jene Konvergenz bestätigen. Das tödlich Gemeinsame aber von Notwendigkeit und Zufall, die schon Aristoteles gemeinsam dem bloß Seienden zuschrieb, ist Schicksal. Es hat seinen Ort ebenso in dem Kreis, den das herrschaftliche Denken um sich legt, wie in dem, was herausfällt und, von Vernunft verlassen, eine Irrationalität sich erwirbt, die mit der vom Subjekt gesetzten Notwendigkeit konvergiert. Unverdaut speit der Herrschaftsprozeß Fetzen der unterjochten Natur aus. Daß das Besondere nicht philosophisch zur Allgemeinheit verflüchtigt werde, verlangt, daß es auch nicht im Trotz des Zufalls sich verschließe. Zur Versöhnung von Allgemeinem und Besonderem hülfe die Reflexion der Differenz, nicht deren Exstirpation. Dieser verschreibt sich Hegels Pathos, welches dem Weltgeist die einzige Wirklichkeit zuwägt, Echo eines Höllengelächters im Himmel. Der mythische Bann hat sich säkularisiert zum fugenlos ineinandergepaßten Wirklichen. Das Realitätsprinzip, dem die Klugen folgen, um darin zu überleben, fängt sie als böser Zauber ein; sie sind desto weniger fähig und willens, die Last abzuschütteln, als der Zauber sie ihnen verbirgt: sie halten sie für das Leben. Metapsychologisch trifft die Rede von Regression zu. Alles, was heutzutage Kommunikation heißt, ausnahmslos, ist nur der Lärm, der die Stummheit der Gebannten übertönt. Die einzelmenschlichen Spontaneitäten, mittlerweile auch weithin die vermeintlich oppositionellen, sind zur Pseudoaktivität, potentiell zum Schwachsinn verurteilt. Die Techniken der Hirnwäsche und das ihnen Artverwandte praktizieren von außen eine immanentanthropologische Tendenz, die freilich ihrerseits von außen motiviert wird. Die naturgeschichtliche Norm der Anpassung, der auch Hegel mit der Stammtischweisheit zustimmt, man müsse die Hörner sich ablaufen, ist, ganz wie bei ihm, das Schema des Weltgeists als des Bannes. Vielleicht projiziert die jüngste Biologie dessen Erfahrung, unter Menschen tabu, auf die Tiere, um die Menschen, die jene schinden, zu entlasten; die Ontologie der Tiere imitiert die uralte und stets als Besitz neu erworbene Vertiertheit der Menschen. Auch insofern ist der Weltgeist, anders als Hegel es wollte, sein eigener Widerspruch. Das Vertierte selbsterhaltender Vernunft treibt den Geist der Gattung aus, die ihn anbetet. Darum ist bereits die Hegelsche Geistmetaphysik auf all ihren Stufen so nah an der Geistfeindschaft. Wie in der bewußtlosen Gesellschaft die mythische Gewalt des Natürlichen sich erweitert reproduziert, so sind auch die Bewußtseinskategorien, welche sie produziert, bis zu den aufgeklärtesten, im Bann und werden zur Verblendung. Gesellschaft und Individuum harmonieren darin wie nirgends sonst. Mit der Gesellschaft ist die Ideologie derart fortgeschritten, daß sie nicht mehr zum gesellschaftlich notwendigen Schein und damit zur wie immer brüchigen Selbständigkeit sich ausbildet, sondern nur noch als Kitt: falsche Identität von Subjekt und Objekt. Die Individuen, das alte Substrat der Psychologie, sind vermöge des Individuationsprinzips selbst, der monotonen Beschränkung jedes Einzelnen aufs partikulare Interesse, auch einander gleich und sprechen demgemäß auf die herrschende abstrakte Allgemeinheit an, als wäre sie ihre eigene Sache. Das ist ihr formales Apriori. Umgekehrt ist das Allgemeine, dem sie sich beugen, ohne es noch zu spüren, derart auf sie zugeschnitten, appelliert so wenig mehr an das, was ihm in ihnen nicht gliche, daß sie sich frei und leicht und freudig binden. Die gegenwärtige Ideologie rezipiert ebenso als Gefäß die jeweils schon durchs Allgemeine vermittelte Psychologie der Einzelnen, wie sie in den Einzelnen das Allgemeine unablässig aufs neue hervorbringt. Bann und Ideologie sind dasselbe. Diese hat ihre Fatalität daran, daß sie zurückdatiert auf die Biologie. Das Spinozistische sese conservare, die Selbsterhaltung, ist wahrhaft Naturgesetz alles Lebendigen. Es hat die Tautologie von Identität zum Inhalt: sein soll, was ohnehin schon ist, der Wille wendet sich zurück auf den Wollenden, als bloßes Mittel seiner selbst wird er zum Zweck. Diese Wendung ist schon die zum falschen Bewußtsein; hätte der Löwe eines, so wäre seine Wut auf die Antilope, die er fressen will, Ideologie. Der Zweckbegriff, zu dem Vernunft um der konsequenten Selbsterhaltung willen sich erhebt, hätte vom Idol des Spiegels sich zu emanzipieren. Zweck wäre, was anders ist als das Mittel Subjekt. Das jedoch wird von der Selbsterhaltung verdunkelt; sie fixiert die Mittel als Zwecke, die vor keiner Vernunft sich legitimieren. Je weiter die Produktivkräfte sich steigern, desto mehr verliert die Perpetuierung des Lebens als Selbstzweck die Selbstverständlichkeit. Naturverfallen, wird er an sich selber fragwürdig, während in ihm das Potential eines Anderen heranreift. Leben bereitet sich zu dessen Mittel vor, wie unbestimmt und unbekannt dies Andere auch sei. Seine heteronome Einrichtung aber inhibiert es immer wieder. Weil Selbsterhaltung durch die Äonen hindurch schwierig und prekär war, haben die Ichtriebe, ihr Instrument, fast unwiderstehliche Gewalt, auch nachdem Selbsterhaltung durch die Technik virtuell leicht ward; größere als die Objekttriebe, deren Spezialist, Freud, es verkannte. Die nach dem Stand der Produktivkräfte überflüssige Anstrengung wird objektiv irrational, darum der Bann zur real herrschenden Metaphysik. Das gegenwärtige Stadium der Fetischisierung von Mitteln als Zwecken in der Technologie deutet auf den Sieg jener Tendenz bis zum offenbaren Widersinn: ehemals rationale, doch überholte Verhaltensweisen werden von der Logik der Geschichte unverändert heraufbeschworen. Sie ist logisch nicht länger.

 

Idealistisch formuliert Hegel: »Die Subjektivität ist selbst die absolute Form und die existirende Wirklichkeit der Substanz, und der Unterschied des Subjekts von ihr als seinem Gegenstande, Zwecke und Macht ist nur der zugleich ebenso unmittelbar verschwundene Unterschied der Form.«39 Subjektivität, welche ja selbst bei Hegel das Allgemeine und die totale Identität ist, wird vergottet. Damit aber auch das Gegenteil erreicht, die Einsicht ins Subjekt als sich manifestierende Objektivität. Die Konstruktion des Subjekt-Objekts ist von abgründigem Doppelcharakter. Sie fälscht nicht nur ideologisch das Objekt in die freie Tat des absoluten Subjekts um, sondern erkennt auch im Subjekt das sich darstellende Objektive und schränkt damit das Subjekt anti-ideologisch ein. Subjektivität als existierende Wirklichkeit der Substanz reklamierte zwar den Vorrang, wäre aber als »existierendes«, entäußertes Subjekt ebenso Objektivität wie Erscheinung. Das jedoch müßte auch das Verhältnis von Subjektivität zu den konkreten Individuen affizieren. Ist Objektivität ihnen immanent und in ihnen am Werk; erscheint sie wahrhaft in ihnen, so ist die derart aufs Wesen bezogene Individualität weit substantieller, als wo sie dem Wesen nur untergeordnet wird. Vor solcher Konsequenz verstummt Hegel. Der Kants abstrakten Formbegriff zu liquidieren trachtet, schleppt gleichwohl die Kantische und Fichtesche Dichotomie von – transzendentalem – Subjekt und – empirischem – Individuum mit. Der Mangel konkreter Bestimmtheit des Subjektivitätsbegriffs wird ausgebeutet als Vorteil höherer Objektivität eines von der Zufälligkeit gereinigten Subjekts; das erleichtert die Identifikation von Subjekt und Objekt auf Kosten des Besonderen. Darin folgt Hegel dem Usus des gesamten Idealismus, zugleich jedoch untergräbt er seine Behauptung der Identität von Freiheit und Notwendigkeit. Das Substrat der Freiheit, das Subjekt, ist vermöge seiner Hypostasis als Geist soweit distanziert von den lebenden seienden Menschen, daß ihnen die Freiheit in der Notwendigkeit gar nichts mehr fruchtet. Hegels Sprache bringt das an den Tag: »Indem der Staat, das Vaterland, eine Gemeinsamkeit des Daseins ausmacht, indem sich der subjektive Wille des Menschen den Gesetzen unterwirft, verschwindet der Gegensatz von Freiheit und Notwendigkeit.«40 Keine Interpretationskunst könnte wegdisputieren, daß das Wort Unterwerfung das Gegenteil von Freiheit meint. Ihre angebliche Synthesis mit der Notwendigkeit beugt sich der letzteren und widerlegt sich selbst.

Hegels Philosophie reißt die Perspektive des Verlusts auf, den der Aufstieg von Individualität im neunzehnten Jahrhundert bis tief ins zwanzigste hinein involvierte: den an Verbindlichkeit, jener Kraft zum Allgemeinen, in der erst Individualität zu sich käme. Der mittlerweile evidente Verfall von Individualität ist solchem Verlust gekoppelt; das Individuum, das sich entfaltet und differenziert, indem es von dem Allgemeinen immer nachdrücklicher sich scheidet, droht dadurch auf die Zufälligkeit zu regredieren, die Hegel ihm vorrechnet. Nur hat der restaurative Hegel dabei ebenso Logik und Zwang im Fortschritt von Individuation selber zugunsten eines Ideals aus griechischen Mustersätzen vernachlässigt, wie, die ärgste deutsche Reaktion des zwanzigsten Jahrhunderts präludierend, die Kräfte, die im Zerfall der Individualität erst heranreifen41. Auch damit tut er der eigenen Dialektik Unrecht. Daß das Allgemeine kein der Individualität bloß Übergestülptes sondern ihre inwendige Substanz sei, läßt nicht auf die Allerweltsweisheit vom Umfangenden geltender menschlicher Sittlichkeit sich bringen, sondern wäre im Zentrum individueller Verhaltensweisen, zumal im Charakter aufzuspüren; in jener Psychologie, die Hegel, einig mit dem Vorurteil, einer Zufälligkeit zeiht, welche Freud unterdessen widerlegte. Gewiß vollzieht der Hegelsche Antipsychologismus die Erkenntnis von der empirischen Vorgängigkeit des gesellschaftlich Allgemeinen, die später Durkheim handfest und unberührt von jeder dialektischen Reflexion aussprach42. Psychologie, anscheinend dem Allgemeinen entgegengesetzt, gibt unterm Druck, bis in die Zellen der Verinnerlichung hinein, dem Allgemeinen nach, und ist insofern reales Konstitutum43. Jedoch der dialektische wie der positivistische Objektivismus ist so kurzsichtig gegen die Psychologie wie ihr überlegen. Weil die herrschende Objektivität den Individuen objektiv inadäquat ist, realisiert sie sich einzig durch die Individuen hindurch, psychologisch. Die Freudsche Psychoanalyse webt nicht sowohl am Schein von Individualität mit, als daß sie ihn so gründlich zerstört wie nur der philosophische und gesellschaftliche Begriff. Schrumpft nach der Lehre vom Unbewußten das Individuum auf eine karge Anzahl sich wiederholender Konstanten und Konflikte zusammen, so desinteressiert jene sich zwar mit Menschenverachtung am konkret entfalteten Ich, mahnt es aber an die Hinfälligkeit seiner Bestimmungen gegenüber denen des Es und damit an sein dünnes und ephemeres Wesen. Die Theorie des Ichs als eines Inbegriffs von Abwehrmechanismen und Rationalisierungen zielt gegen die gleiche Hybris des seiner selbst mächtigen Individuums, gegen das Individuum als Ideologie, welche radikalere Theorien von der Vormacht des Objektiven demolierten. Wer einen richtigen Zustand ausmalt, um dem Einwand zu begegnen, er wisse nicht, was er wolle, kann von jener Vormacht, auch über ihn, nicht absehen. Vermöchte selbst seine Phantasie alles radikal verändert sich vorzustellen, so bliebe sie immer noch an ihn und seine Gegenwart als statischen Bezugspunkt gekettet, und alles würde schief. Auch der Kritischste wäre im Stande der Freiheit ein ganz anderer gleich denen, die er verändert wünscht. Wahrscheinlich wäre für jeden Bürger der falschen Welt eine richtige unerträglich, er wäre zu beschädigt für sie. Das sollte dem Bewußtsein des Intellektuellen, der nicht mit dem Weltgeist sympathisiert, inmitten seines Widerstands ein Quäntchen Toleranz beimischen. Wer in Differenz und Kritik nicht sich beirren läßt, darf doch nicht sich ins Recht setzen. Ein solcher Zusatz von Milde würde freilich in der ganzen Welt, gleichgültig unter welchem politischen System, als dekadent geächtet. Die Aporie erstreckt sich auch auf den teleologischen Begriff eines Glücks der Menschheit, welches das der Einzelnen wäre; die Fixierung des eigenen Bedürfnisses und der eigenen Sehnsucht verunstaltet die Idee eines Glücks, das erst aufginge, wo die Kategorie des Einzelnen nicht länger sich in sich verschlösse. Glück ist keine Invariante, nur das Unglück ist es, das sein Wesen hat an der Immergleichheit. Was an Glück intermittierend vom bestehenden Ganzen geduldet oder gewährt wird, trägt vorweg die Male der eigenen Partikularität44. Alles Glück bis heute verspricht, was noch nicht war, und der Glaube an seine Unmittelbarkeit ist dem im Wege, daß es werde. Das verleiht den glücksfeindlichen Wendungen der Hegelschen Geschichtsphilosophie mehr Wahrheit, als an Ort und Stelle gemeint war: »... glücklich nennt man den, der sich harmonisch mit sich findet. Man kann auch in der Betrachtung der Geschichte das Glück als Gesichtspunkt haben; aber die Geschichte ist nicht der Boden für das Glück. Die Zeiten des Glückes sind in ihr leere Blätter. Wohl ist in der Weltgeschichte auch Befriedigung; aber diese ist nicht das, was Glück genannt wird: denn es ist Befriedigung solcher Zwecke, die über den partikulären Interessen stehen. Zwecke, die in der Weltgeschichte Bedeutung haben, müssen durch abstraktes Wollen, mit Energie festgehalten werden. Die weltgeschichtlichen Individuen, die solche Zwecke verfolgt haben, haben wohl sich befriedigt, aber sie haben nicht glücklich sein wollen.«45 Gewiß nicht, aber ihr Verzicht, zu dem noch Zarathustra sich bekennt, drückt die Insuffizienz des individuellen Glücks gegenüber der Utopie aus. Glück wäre erst die Erlösung von der Partikularität als dem allgemeinen Prinzip, unversöhnbar dem einzelmenschlichen Glück jetzt und hier. Das Repressive der Hegelschen Stellung zum Glück ist jedoch nicht, nach seiner eigenen Manier, von einem vermeintlich höheren Standpunkt aus als quantité négligeable zu behandeln. So eindringlich er den eigenen Geschichtsoptimismus durch den Satz, Geschichte sei nicht der Boden für das Glück, berichtigt, so sehr frevelt er, indem er jenen Satz als Idee jenseits des Glücks zu etablieren trachtet. Nirgendwo ist der latente Ästhetizismus dessen, dem die Wirklichkeit nicht wirklich genug sein kann, so eklatant wie hier46. Sollen die Zeiten des Glücks die leeren Blätter der Geschichte sein – übrigens eine dubiose Behauptung angesichts einigermaßen glücklicher Perioden der Menschheit wie des europäischen neunzehnten Jahrhunderts, dem es gleichwohl an geschichtlicher Dynamik nicht gebrach –, so deutet die Metapher eines Buches, in dem die Großtaten verzeichnet seien, auf einen unreflektiert der konventionellen Bildung abgeborgten Begriff der Weltgeschichte als des Grandiosen. Der als Zuschauer an Schlachten, Umstürzen und Katastrophen sich berauscht, schweigt darüber, ob nicht die Befreiung, der er bürgerlich das Wort redet, von jener Kategorie selbst sich befreien müßte. Marx lag das im Sinn: er designierte die Sphäre der als Gegenstand der Betrachtung zugerüsteten Größe, der der Politik, als Ideologie und als vergänglich. Die Stellung des Gedankens zum Glück wäre die Negation eines jeglichen falschen. Sie postuliert, schroff wider die allherrschende Anschauung, die Idee von Objektivität des Glücks, wie sie negativ konzipiert war in Kierkegaards Lehre von der objektiven Verzweiflung.

 

Die Objektivität des geschichtlichen Lebens ist die von Naturgeschichte. Marx hat das gegen Hegel erkannt, und zwar streng im Zusammenhang mit dem über die Köpfe der Subjekte sich realisierenden Allgemeinen: »Auch wenn eine Gesellschaft dem Naturgesetz ihrer Bewegung auf die Spur gekommen ist, – und es ist der letzte Endzweck dieses Werks, das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen – kann sie naturgemäße Entwicklungsphasen weder überspringen noch wegdekretieren ... Die Gestalt von Kapitalist und Grundeigentümer zeichne ich keineswegs in rosigem Licht. Aber es handelt sich hier um die Personen nur, soweit sie die Personifikation ökonomischer Kategorien sind, Träger von bestimmten Klassenverhältnissen und Interessen. Weniger als jeder andere kann mein Standpunkt, der die Entwicklung der ökonomischen Gesellschaftsformation als einen naturgeschichtlichen Prozeß auffaßt, den einzelnen verantwortlich machen für Verhältnisse, deren Geschöpf er sozial bleibt, so sehr er sich auch subjektiv über sie erheben mag.«47 Gemeint ist gewiß nicht der anthropologische Naturbegriff Feuerbachs, gegen den Marx den dialektischen Materialismus pointierte, im Sinn einer Reprise Hegels wider die Linkshegelianer48. Das sogenannte Naturgesetz, das doch nur eines der kapitalistischen Gesellschaft sei, wird daher von Marx Mystifikation genannt: »Das in ein Naturgesetz mystifizierte Gesetz der kapitalistischen Akkumulation drückt also in der Tat nur aus, daß ihre Natur jede solche Abnahme im Exploitationsgrad der Arbeit oder jede solche Steigerung des Arbeitspreises ausschließt, welche die stetige Reproduktion des Kapitalverhältnisses und seine Reproduktion auf stets erweiterter Stufenleiter ernsthaft gefährden könnte. Es kann nicht anders sein in einer Produktionsweise, worin der Arbeiter für die Verwertungsbedürfnisse vorhandener Werte, statt umgekehrt der gegenständliche Reichtum für die Entwicklungsbedürfnisse des Arbeiters da ist.«49 Naturhaft ist jenes Gesetz wegen des Charakters seiner Unvermeidlichkeit unter den herrschenden Verhältnissen der Produktion. Ideologie überlagert nicht das gesellschaftliche Sein als ablösbare Schicht, sondern wohnt ihm inne. Sie gründet in der Abstraktion, die zum Tauschvorgang wesentlich rechnet. Ohne Absehen von den lebendigen Menschen wäre nicht zu tauschen. Das impliziert im realen Lebensprozeß bis heute notwendig gesellschaftlichen Schein. Sein Kern ist der Wert als Ding an sich, als ›Natur‹. Die Naturwüchsigkeit der kapitalistischen Gesellschaft ist real und zugleich jener Schein. Daß die Annahme von Naturgesetzen nicht à la lettre zu nehmen, am wenigsten im Sinn eines wie immer gearteten Entwurfs vom sogenannten Menschen zu ontologisieren sei, dafür spricht das stärkste Motiv der Marxschen Theorie überhaupt, das der Abschaffbarkeit jener Gesetze. Wo das Reich der Freiheit begönne, gälten sie nicht mehr. Die Kantische Unterscheidung eines Reichs der Freiheit von einem der Notwendigkeit wird, durch Mobilisierung der Hegelschen vermittelnden Geschichtsphilosophie, auf die Folge der Phasen übertragen. Erst eine Verkehrung der Marxischen Motive wie die des Diamat, der das Reich der Notwendigkeit prolongiert mit der Beteuerung, es wäre das der Freiheit, konnte darauf verfallen, den polemischen Marxischen Begriff der Naturgesetzlichkeit aus einer Konstruktion der Naturgeschichte in eine szientifische Invariantenlehre umzufälschen. Dadurch indessen verliert die Marxische Rede von Naturgeschichte nichts von ihrem Wahrheitsgehalt, eben dem kritischen. Hegel behalf sich noch mit einem personifizierten Transzendentalsubjekt, dem freilich bereits das Subjekt abgeht. Marx denunziert nicht nur die Hegelsche Verklärung, sondern den Sachverhalt, dem sie widerfährt. Menschliche Geschichte, die fortschreitender Naturbeherrschung, setzt die bewußtlose der Natur, Fressen und Gefressenwerden, fort. Ironisch war Marx Sozialdarwinist: was die Sozialdarwinisten priesen und wonach zu handeln es sie gelüstet, ist ihm die Negativität, in welcher die Möglichkeit ihrer Aufhebung erwacht. Am kritischen Wesen seiner Ansicht von Naturgeschichte läßt eine Stelle aus den Grundrissen der politischen Ökonomie keinen Zweifel: »Sosehr nun das Ganze dieser Bewegung als gesellschaftlicher Prozeß erscheint, und sosehr die einzelnen Momente dieser Bewegung vom bewußten Willen und besonderen Zwecken der Individuen ausgehn, sosehr erscheint die Totalität des Prozesses als ein objektiver Zusammenhang, der naturwüchsig entsteht; zwar aus dem Aufeinanderwirken der bewußten Individuen hervorgeht, aber weder in ihrem Bewußtsein liegt, noch als Ganzes unter sie subsumiert wird.«50 Solcher gesellschaftliche Naturbegriff hat seine eigene Dialektik. Die Naturgesetzlichkeit der Gesellschaft ist Ideologie, soweit sie als unveränderliche Naturgegebenheit hypostasiert wird. Real aber ist die Naturgesetzlichkeit als Bewegungsgesetz der bewußtlosen Gesellschaft, wie es das ›Kapital‹ von der Analyse der Warenform bis zur Zusammenbruchstheorie in einer Phänomenologie des Widergeistes verfolgt. Der Wechsel der jeweils konstitutiven ökonomischen Formen vollzog sich gleich dem der über die Jahrmillionen hochkommenden und aussterbenden Tierarten. Die »theologischen Mucken der Ware« des Fetischkapitels sind Hohn auf das falsche Bewußtsein, das den Kontrahenten das gesellschaftliche Verhältnis des Tauschwerts als Eigenschaft der Dinge an sich reflektiert. Aber sie sind auch so wahr, wie einst die Praxis blutigen Götzendienstes tatsächlich geübt wurde. Denn die konstitutiven Formen der Vergesellschaftung, deren eine jene Mystifikation ist, behaupten ihre unbedingte Suprematie über die Menschen, als wären sie göttliche Vorsehung. Der Satz von den Theorien, die zur realen Gewalt würden, wenn sie die Massen ergriffen, gilt bereits für die allem falschen Bewußtsein vorausgehenden Strukturen, die der gesellschaftlichen Übermacht ihren irrationalen Nimbus, den Charakter fortwesenden Tabus, des archaischen Bannes bis heute sichern. Etwas davon blitzte Hegel auf: »Überhaupt aber ist es schlechthin wesentlich, daß die Verfassung, obgleich in der Zeit hervorgegangen, nicht als ein Gemachtes angesehen werde; denn sie ist vielmehr das schlechthin an und für sich Seyende, das darum als das Göttliche und Beharrende, und als über der Sphäre dessen, was gemacht wird, zu betrachten ist.«51 Hegel dehnt damit den Begriff dessen, was pysei sei, auf das aus, was einst den Gegenbegriff des tesei definierte. Die »Verfassung«, Name der geschichtlichen Welt, die alle Unmittelbarkeit von Natur vermittelte, bestimmt umgekehrt die Sphäre der Vermittlung, eben die geschichtliche, als Natur. Die Hegelsche Wendung fußt auf Montesquieus Polemik gegen die altertümlich geschichtsfremden gängigen Staatsvertragstheorien: die staatsrechtlichen Institutionen wurden von keinem bewußten Willensakt der Subjekte geschaffen. Geist als zweite Natur jedoch ist die Negation des Geistes, und zwar desto gründlicher, je mehr sein Selbstbewußtsein gegen seine Naturwüchsigkeit sich abblendet. Das vollstreckt sich an Hegel. Sein Weltgeist ist die Ideologie der Naturgeschichte. Weltgeist heißt sie ihm kraft ihrer Gewalt. Herrschaft wird absolut, projiziert aufs Sein selber, das da Geist sei. Geschichte aber, die Explikation von etwas, das sie immer schon soll gewesen sein, erwirbt die Qualität des Geschichtslosen. Hegel schlägt sich inmitten der Geschichte auf die Seite ihres Unwandelbaren, der Immergleichheit, Identität des Prozesses, deren Totalität heil sei. So unmetaphorisch ist er der Geschichtsmythologie zu zeihen. Mit den Worten Geist und Versöhnung verkleidet er den erstickenden Mythos: »Was von der Natur des Zufälligen ist, dem widerfährt das Zufällige, und dieses Schicksal eben ist somit die Notwendigkeit, wie überhaupt der Begriff und die Philosophie den Gesichtspunkt der bloßen Zufälligkeit verschwinden macht und in ihr, als dem Schein, ihr Wesen, die Nothwendigkeit, erkennt. Es ist nothwendig, daß das Endliche, Besitz und Leben als Zufälliges gesetzt werde, weil dieß der Begriff des Endlichen ist. Diese Nothwendigkeit hat einer Seits die Gestalt von Naturgewalt und alles Endliche ist sterblich und vergänglich.«52 Nichts anderes haben die okzidentalen Naturmythen die Menschen gelehrt. Hegel zitiert nach einem Automatismus, über den die Geistesphilosophie nichts vermag, Natur und Naturgewalt als Modelle der Geschichte. Sie behaupten sich aber in der Philosophie, weil der identitätssetzende Geist identisch ist mit dem Bann der blinden Natur dadurch, daß er ihn verleugnet. In den Abgrund blickend, hat Hegel die welthistorische Haupt- und Staatsaktion als zweite Natur gewahrt, aber in verruchter Komplizität mit ihr die erste darin verherrlicht. »Der Boden des Rechts ist überhaupt das Geistige, und seine nähere Stelle und Ausgangspunkt der Wille, welcher frei ist, so daß die Freiheit seine Substanz und Bestimmung ausmacht, und das Rechtssystem das Reich der verwirklichten Freiheit, die Welt des Geistes aus ihm selbst hervorgebracht, als eine zweite Natur ist.«53 Die erstmals in Lukács' Romantheorie philosophisch wieder aufgegriffene zweite Natur54 bleibt aber das Negativ jener, die irgend als erste gedacht werden könnte. Was wahrhaft tesei ein wenn schon nicht von Individuen so doch von ihrem Funktionszusammenhang erst Hervorgebrachtes ist, reißt die Insignien dessen an sich, was dem bürgerlichen Bewußtsein als Natur und natürlich gilt. Nichts, was draußen wäre, erscheint mehr jenem Bewußtsein; in gewissem Sinn ist auch tatsächlich nichts mehr draußen, nichts unbetroffen von der totalen Vermittlung. Darum wird das Befangene sich zu seiner eigenen Andersheit: Urphänomen von Idealismus. Je unerbittlicher Vergesellschaftung aller Momente menschlicher und zwischenmenschlicher Unmittelbarkeit sich bemächtigt, desto unmöglicher, ans Gewordensein des Gespinsts sich zu erinnern; desto unwiderstehlicher der Schein von Natur. Mit dem Abstand der Geschichte der Menschheit von jener verstärkt er sich: Natur wird zum unwiderstehlichen Gleichnis der Gefangenschaft. Der junge Marx hat die unaufhörliche Verschlingung beider Momente mit einer Kraft zum Äußersten ausgesprochen, die dogmatische Materialisten irritieren muß: »Wir kennen nur eine einzige Wissenschaft, die Wissenschaft der Geschichte. Die Geschichte kann von zwei Seiten aus betrachtet, in die Geschichte der Natur und die Geschichte der Menschheit abgeteilt werden. Beide Seiten sind indes nicht zu trennen; solange Menschen existieren, bedingen sich Geschichte der Natur und Geschichte der Menschen gegenseitig.«55 Die herkömmliche Antithesis von Natur und Geschichte ist wahr und falsch; wahr, soweit sie ausspricht, was dem Naturmoment widerfuhr; falsch, soweit sie die Verdeckung der Naturwüchsigkeit der Geschichte durch diese selber vermöge ihrer begrifflichen Nachkonstruktion apologetisch wiederholt.

In der Unterscheidung von Natur und Geschichte hat zugleich unreflektiert jene Arbeitsteilung sich ausgedrückt, welche die unvermeidliche wissenschaftlicher Methoden bedenkenlos auf die Gegenstände projiziert. Am geschichtslosen Begriff der Geschichte, den die falsch auferstandene Metaphysik in der von ihr so genannten Geschichtlichkeit hegt, wäre das Einverständnis ontologischen Denkens mit naturalistischem darzutun, von dem jenes so eifrig sich abgrenzt. Wird Geschichte zur ontologischen Grundstruktur des Seienden, oder gar zur qualitas occulta des Seins selbst, so ist sie, Veränderung als Unveränderliches, der ausweglosen Naturreligion nachgeahmt. Das erlaubt dann, historisch Bestimmtes nach Gefallen in Invarianz zu transponieren und die vulgäre Ansicht philosophisch zu bemänteln, der geschichtliche Verhältnisse, wie einst als gottgewollte, so im neueren Zeitalter als natürliche sich präsentieren: eine der Versuchungen zur Verwesentlichung des Seienden. Der ontologische Anspruch, über die Divergenz von Natur und Geschichte hinaus zu sein, ist erschlichen. Die aus dem geschichtlich Daseienden abstrahierte Geschichtlichkeit gleitet hinweg über den Schmerz der ihrerseits ebensowenig zu ontologisierenden Antithesis von Natur und Geschichte. Auch darin ist die neue Ontologie krypto-idealistisch, verhält abermals das Unidentische zur Identität, beseitigt durch die Supposition des Begriffs der Geschichtlichkeit als des die Geschichte Tragenden an deren Statt, was immer dem Begriff widerstrebt. Zur ideologischen Prozedur aber, der Versöhnung im Geiste, wird Ontologie bewogen, weil die reale mißlang. Geschichtliche Kontingenz und Begriff widerstreiten einander desto erbarmungsloser, je fugenloser sie ineinander sind. Zufall ist das geschichtliche Schicksal des Einzelnen, sinnlos, weil der geschichtliche Prozeß selber es blieb, der Sinn usurpierte. Nicht minder trugvoll ist bereits die Frage nach Natur als absolut Erstem, gegenüber seinen Vermittlungen schlechthin Unmittelbarem. Sie stellt das, dem sie nachjagt, in der hierarchischen Form des analytischen Urteils vor, dessen Prämissen über alles gebieten, was folgt, und wiederholt dadurch die Verblendung, aus der sie heraus möchte. Der einmal gesetzte Unterschied von tesei und pysei läßt von der Reflexion sich verflüssigen, nicht aufheben. Unreflektiert allerdings verharmloste jene Zweiteilung den essentiellen geschichtlichen Prozeß zur bloßen Zutat und hülfe auch ihrerseits, das Ungewordene als Wesen zu inthronisieren. Am Gedanken wäre es statt dessen, alle Natur, und was immer als solche sich installiert, als Geschichte zu sehen und alle Geschichte als Natur, »das geschichtliche Sein in seiner äußersten geschichtlichen Bestimmtheit, da, wo es am geschichtlichsten ist, selber als ein naturhaftes Sein begreifen, oder die Natur, da, wo sie als Natur scheinbar am tiefsten in sich verharrt, begreifen als ein geschichtliches Sein«56. Das Moment jedoch, in dem Natur und Geschichte einander kommensurabel werden, ist das von Vergängnis; Benjamin hat das im ›Ursprung des deutschen Trauerspiels‹ zentral erkannt. Den Barockdichtern, heißt es dort, schwebt Natur »vor als ewige Vergängnis, in der allein der saturnische Blick jener Generation die Geschichte erkannte«57. Nicht nur der ihre: stets noch bleibt Naturgeschichte der Kanon geschichtsphilosophischer Interpretation: »Wenn mit dem Trauerspiel die Geschichte in den Schauplatz hineinwandert, so tut sie es als Schrift. Auf dem Antlitz der Natur steht ›Geschichte‹ in der Zeichenschrift der Vergängnis. Die allegorische Physiognomie der Natur-Geschichte, die auf der Bühne durch das Trauerspiel gestellt wird, ist wirklich gegenwärtig als Ruine.«58 Das ist die Transmutation von Metaphysik in Geschichte. Sie säkularisiert Metaphysik in der säkularen Kategorie schlechthin, der des Verfalls. Philosophie deutet jene Zeichenschrift, das immer neue Menetekel, im Kleinsten, den Bruchstücken, welche der Verfall schlägt und welche die objektiven Bedeutungen tragen. Kein Eingedenken an Transzendenz ist mehr möglich als kraft der Vergängnis; Ewigkeit erscheint nicht als solche sondern gebrochen durchs Vergänglichste hindurch. Wo die Hegelsche Metaphysik das Leben des Absoluten mit der Totalität der Vergängnis alles Endlichen verklärend gleichsetzt, blickt sie zugleich um ein Geringes hinaus über den mythischen Bann, den sie auffängt und verstärkt.

 
Gesammelte Werke
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