Alban Bergs frühe Lieder

 

Die nachträgliche Herausgabe eines Frühwerks durch den Autor rechtfertigt sich allemal bloß sachlich, nicht historisch. Der Autor, dessen Werke Geschichte bilden, ist nicht der Geschichtsschreiber seiner selbst und hat nicht Aufschluß über die Entwicklung, sondern Entwicklung unmittelbar zu geben. Es soll denn auch Kritik solcher Publikationen sich eher an die Sachen halten als an ihre Stilfunktion im Gesamtoeuvre des Meisters; was sie für jenes bedeuten, läßt sich nicht sowohl aus den Oberflächenmerkmalen der Formgebung zusammenaddieren als vielmehr endlich an dem ermessen, was vom Werke selber bleibt, ohne Rücksicht auf die folgenden.

Bergs frühe Lieder verführen zur stilgeschichtlichen Analyse: so keimhaft verschlossen geben sie sich; so tief sind sie eingebettet ins Musikbewußtsein ihrer Entstehungszeit; so leise durchläutet von den Signalen des Kommenden wie tiefer Schlaf von der Weckuhr und so voll der zarten Gewalt von Frühe, wie nur solches Erwachen sie bringt. Allein all dies liegt verborgener als in einer Schicht, darin Debussys Ganztonakkorde einer konturierten, ausschwingenden Melodie unterlegt werden; oder wo eine Akkordkoppelung Wagnerischer Chromatik, sequenzfrei und rein durchgeführt, einem Liede als konstruktiver Grund anstatt bloß als dynamisches Ferment gesetzt ist; auch wenn ein Lied über einer Begleitung Schumannisch-Brahmsischer Art kraft der Singstimme, die dies in sich ruhende harmonische Wesen transzendiert, in eine Weite des Seelenraums dringt, wie sie in der bürgerlichen Romantik des 19. Jahrhunderts nicht vorkam, so ist das qualitativ angesichts der eigentlichen Realität der Lieder doch recht wenig. Zwar, sie insgesamt rechnen der Ausdrucksmusik zu und man wird nicht zögern, sie romantisch zu heißen und wieder einmal zu deklarieren, der unbequeme Wozzeck sei ja eigentlich beim Tristan zu Hause, den man hier angeredet findet; womit man nun freilich der Mühe enthoben wäre, den Wozzeck gar zu neu und fremd zu sehen; und ihn in diese glorreich überwundene Vergangenheit abschieben könnte. Jedoch so bequem hat es Berg den historischen Ohren auch in diesen offen tonalen und romantisch verströmenden Liedern nicht gemacht. Ausdrucksmusik, ja; aber wer drückt sich da aus? Es ist nicht das selbstherrliche, gewalttätig erotische Selbst Wagners, von dem ersichtlich der Drang zur Nacht kommt; nicht das private Ich, sich selber Welt genug, von Brahms und Schumann; nicht auch das Ich der trauernden Nuance, der deutlich erinnerte Debussy. Der all das weiß und noch bringt, ist ein Jüngling und hat es von den Eltern gehört, aus der Kindheit mitgenommen, tastet sich damit zu seinem eigenen Laut; dies nicht genetisch nur, sondern sachlich; was er selber dabei von sich, dem Mann, der er einmal sein wird, mitteilt, gilt weniger, als wie er sich ungewiß, fragend, eine leise Stimmgabel, in den Lauten verhüllt, sich hinter sie verkriecht, die er erinnert. Der beherrschende Affekt von Bergs frühen Liedern ist die Scham und aus solcher Jünglingsscham, wie sie auch Gedichte zeitigen kann, die sich hinter der fertigen Form verschanzen, erklärt sich weit eher der romantische Vordergrund als aus stilgeschichtlicher Deszendenz. Schumann und Wagner werden hier so zitiert, wie ein Sechzehnjähriger den Namen der Geliebten, den zu nennen er sich scheut, in alle die großen Namen der Vorzeit, in Heloise, Ophelia, Botticellis Frühlingsallegorie versteckt; und dies Uneigentliche, Maskierte, ästhetisch Vorweggenommene vibriert von zarter erscheinenden, flüchtigeren Gehalten, als sie vielleicht in eigentlicher Sprache überhaupt faßlich und zu sagen sind. In diesen Liedern ist das Erröten komponiert, das nie zuvor von Musik gemeint war, und es stimmt außerordentlich zu ihnen, daß sie zwanzig Jahre in einem Schreibtisch versperrt lagen, bis der Meister sie zögernd, lächelnd, immer noch verschämt, aber doch jetzt ihrer Ungewißheit gewiß herausnahm. Wer ihren geistigen Ort sucht, sollte ihn lieber bei Marcel Proust als bei der Romantik des 19. Jahrhunderts suchen.

Damit ist nun freilich auch genug Unterscheidendes von aller Ausdrucksmusik gefunden, denn die Scham, die sich ja nicht ausdrückt, sondern verschweigt: die klang wohl mit, bei Schumann, auch bei Brahms, doch kaum zuvor stand sie im Zentrum des lyrischen Komponierens, so wenig wie der Jüngling, der hier die Romantik der Männer empfängt, die nicht seine Sprache, und der sie nur reden kann, weil sie nicht seine Sprache ist. Die Differenz der Generationen, wie sie im bestimmenden Affekt sich kundgibt, gibt sich auch im kompositorischen Material kund. Denn dies Zarte, das nicht aus sich herausschlägt, seine Form sich zu bilden, sondern lieber bei sich zusammengezogen bleibt und auf die Form wartet, die ihm zuteil wird; diese tiefe und großartige Passivität, später zum Einfallstor des Traumes in Bergs Musik geweitet, sie bedarf wahrhaft anderer Stütze an der Konstruktion, als wer in Musik sich auslebt und aussingt, fern der Versuchung, in sich zu versinken. Vielleicht irrt man nicht, wenn man hier den Ursprungsimpuls vermutet, der Berg vom träumenden Gedächtnis der Väter zu Schönberg zog, der die Lieder eisern durchdringt, härtet, sprengt manchmal und als ihr dialektisches Gegenüber in jedem Takt fühlbar wird, noch den weichsten Klang in die Tektonik des erhellten Gefüges zwingt. Es kann nicht anders sein: wer als Knabe träumt, was den Vätern ihr Wirkliches war, dessen Wirklichkeit wird zuckend vom Traum abstoßen, ihn gleichwohl zu bewahren. Nicht umsonst ist dem vorweg Lebenden das Leben der Väter so zart geworden, daß es am künftigen, ganz anderen Leben allein sich messen und härten kann. Fremd und fordernd gelangt Schönberg ins Traumdunkel der Lieder, fremd und fordernd und gut wie der neue Tag, vor dem man fröstelt hinter geschlossenen Vorhängen.

So zwingt eine Knabendialektik, die nicht ihresgleichen hat, die Lieder ins neue Bewußtsein. Worum die Männer so ernstlich sich mühten, das widerfährt einem Jüngling, ohne daß er davon weiß.

Es fällt schwer, von der Schönheit der Lieder eine Vorstellung zu geben, in denen all dies sich vollzieht. Nicht die Schönheit des Sicheren, Geschickten ist es: hier ist es einmal die Schönheit des verkapselten Beginns und dort die der frühen, träumerischen Meisterschaft, einer Meisterschaft, wie sie von Wunderkindern zu denken wäre. Am vollkommensten vielleicht gerade die frühesten, uneigentlichen Stücke, wie die »Nachtigall«. Das Lied ist ganz einfach, hält Haus mit den herkömmlichen Mitteln; erfüllt sie aber mit einer zaghaften Süße, die sie überschwert, aus ihnen entweicht, längst ehe sie es ahnt; nirgends als im Mittelsatz dieses Liedes ist der Affekt der Scham bezwingender ausgeformt. Oder »Im Zimmer«, wo das Gedächtnis einer menschlichen Jugend bewahrt ist, die sich kaum je die Mittel fand. Kompositorisch am reifsten das Rilkelied »Traumgekrönt«; der verschleierte Beginn mit der glücklichen Enthüllung der vierten Stufe schlagend inspiriert; zugleich im ganzen eine Ökonomie aus der Region der Kammersymphonie, die den Überschwang grundiert; ähnlich ausgewogen zwischen Bau und Expression das letzte Lied, »Sommertage«, mit bereits ganz profilierten melodischen Bögen. Endlich die »Liebesode«, nach Hartleben, von einem harmonischen Einfall inauguriert, der sacht in ein höhlenhaftes Dunkel hinabgeleitet, mit jener Macht des Unbewußten, die allein den Angriff zu tragen ausreicht, den Bergs Bewußtsein späterhin aufs Material der Musik unternahm.

So werden die Lieder zu denen reden, die sie vernehmen wollen, ohne zu fragen, woher der Fahrt und wohin es geht. Sie bezeugen eine Humanität, wie sie in solcher Reinheit und Echtheit kaum in Musik spricht und wie sie nicht genug zu akzentuieren ist in einer Situation, die das Menschliche vergessen möchte, indem sie es mit dem Privaten verwechselt. Die handwerklichen Schwierigkeiten der Lieder sind nicht groß: manchem könnten sie den Weg weisen zu der Region, wo heute das Geschick von Musik sich entscheidet und alle könnten sie treffen, die geöffnet sind. Möchten die ihrer wert sein, in deren Hände sie kommen.

 

1929

 

 

Berg: Sieben frühe Lieder

Die Lieder sind früh nicht bloß ihrem biographischen Ort nach: in ihnen spiegelt sich Frühe. Dies in sehr spezifischem, fast einzigartigem Sinn: weder gibt es da jene jugendliche Unselbständigkeit, an die so gern Kritik sich hält, um den zögernden Beginn sogleich zu diskreditieren, noch sind die Lieder im landläufigen Sinne unfertige Bekundungen eines gewaltsamen Selbst. Sondern in ihnen verhüllt sich in erstaunlicher Transparenz mit den beherrschten Mitteln des Gewesenen völlig originale Substanz: verhüllt sich unter den Zwang eben jenes Affektes, der ihr unverwechselbar eignet und den Ton der Lieder bestimmt. Es ist der Affekt der Scham; nie zuvor, von wenigen Opernmomenten Mozarts abgesehen, ist Scham expressiver Gegenstand von Musik gewesen. Kein Zufall läßt Scham zum expressiven Objekt werden erst zur Zeit, da die expressive Musik zum Ende sich neigt: die tönenden Gehalte der Subjektivität unserer Väter, die des Tristan zumal, kommen nun bloß noch im Traum vor, werden aus dem Traum gehoben und so scheu nur mitgeteilt wie Träume. Gewiß also sind Bergs frühe Lieder, jeder wird es merken, Ausdrucksmusik: aber solche, in der die ausgedrückte Subjektivität sich eher verschweigt als mitteilt; vom Ausdrucksgehalt ist nur dies noch übrig: bei sich selber zu bleiben, sich zusammenzuziehen und zu horchen auf das, was wird. Es ist diese horchende, verschwiegene Stimmung nicht die individuelle Stimmung des Jünglings bloß: es ist die der geschichtlichen Stunde, so wie sie damals im Bewußtsein des Jünglings allein angemessen sich darstellen konnte. So hat es seinen genauen Sinn, wenn die von Schumann, Brahms, gelegentlich Debussy ererbten Mittel bereits von der Erfahrung Schönbergs angegriffen werden; sie sind schon in Konstruktion eingestellt und beginnen, ihren Sinn radikal zu verändern, während sie noch getreulich festgehalten werden. Es mag eine banale Musikhistorie darin eine Brücke zwischen Schönberg und der Romantik vor ihm finden, die der Schüler kraft der eigenen romantischen Ursprünge schlug; richtiger jedoch wäre es wohl, gerade jene Wiederkehr des entgleitenden Gewesenen als die echte deutende Frühe der Lieder zu nehmen, die nur dialektisch in die neue Musikregion eindringen, indem sie die alte aus dem Traum heimbringen und im erwachenden Bewußtsein zart verwandeln. Soviel zur stilkritischen Einstellung der außerordentlichen Lieder. Sie sind freilich als Gebilde schon so vollbürtig, daß man es nicht wagen sollte, durch stilgeschichtliche Exegese ihre eigene Existenz anzutasten, die jenseits der stilgeschichtlichen Oberfläche Geschichte schuf. Das erste Stück »Nacht« (Carl Hauptmann), biegt den zweiten Tristanakt und Debussy zusammen, in Ganztonakkordik: aber schon mit einer Überdeutlichkeit des Gehörs im kleinen, einer auflösenden Neigung, in Partikeln sich zu spalten, die der vorgegebenen Struktur gefährlich wird. Das nächste ein Lenausches Schilflied, in der romantischen Liedform gebunden, aber fähig schon, sie in harmonischer Expansion umzudeuten. Das folgende, Storms »Nachtigall«, mir eines der liebsten: ganz uneigentlich in der Stilgebung, hält es mit den Schumannisch-Brahmsischen Möglichkeiten fast völlig aus, wendet sie aber an einen so zagen, scheuen, schamhaften Laut, wie er in der Romantik der vorigen Generation nie vorkommen konnte; vor dessen Zartheit das geschlossene bürgerliche Gefüge schließlich zerfallen muß. Das Rilke-Lied »Traumgekrönt« ist das reifste Stück der Sammlung, technisch mit der Verarbeitung thematischer Reste und Modelle, den vielfachen, äußerst ökonomischen Vergrößerungen und Verkleinerungen bereits an der Erfahrung von Schönbergs Kammersymphonie gewachsen, dabei mit Glanz und Staunen einer Jünglingswelt im Ton, die musikalisch selten je sich fand. »Im Zimmer«, nach Johannes Schlaf, mit der traumhaft erinnerten Einfachheit der Mittel der »Nachtigall« verwandt; die Hartlebensche »Liebesode« trägt ein Stück Dialektik zwischen Wagner und Schönberg aus: eine chromatische Motivzelle wird da über das ganze Lied ausgesponnen, aber nicht in sequenzierenden Gruppen, sondern bereits mit dem vollen Bewußtsein der Stufen, des Gewichtes der Fundamentschritte. Schließlich »Sommertage«, kompositionell auf dem Niveau von »Traumgekrönt«, zugleich als einziges Lied der Sammlung symphonisch expansiv, mit Recht an den Schluß gestellt als Zeugnis des Durchbruchs. – Dies die einzelnen Lieder. Mehr noch als die Fülle technischer und stilgeschichtlicher Frage und Antwort in ihnen rechnet die Fülle des Humanen, die jene Dialektik erzeugt. Hier hat sich ereignet: daß der Umschlag von Ausdrucksmusik in ein bei sich selber existentes Musizieren erzwungen wird von der Neuheit und Stärke dessen, was ausgedrückt werden soll und was nicht anders ausgedrückt werden kann, als indem es sich verschweigt. Es ist die Inhaltlichkeit der letzten Romantik, die hier den radikalen Umbruch der Form und damit die Krise der Romantik selber inauguriert. Nur beim frühen Schönberg und gerade inhaltlich bei ihm ganz verschieden vollzog sich das so zwingend wie beim frühen Berg. Die Lieder haben Dauer wie das nur, was aus der ungeschmälerten Aktualität der Stunde sich erhob.

 

1929

 

 

Die Oper Wozzeck

Die Vertonung des Trauerspiels Wozzeck, das durch die Macht des Wortes wie der Szene sich selber bewährt, läßt sich nicht begründen durch die Einsicht ins Werk allein und den Glauben an die Möglichkeit von Musik, die in der Leidenschaft der Aktion und im Dunkel von deren Hintergrund angelegt sei. Nicht Pathos, nicht Stimmung eröffnen das Fragment der Musik, vielmehr: die Zeit ließ es zur Komposition reifen; sein Alter. Die hundert Jahre, die zwischen dem Wozzeck und heute liegen, haben Hohlräume in das Stück geschlagen, seinen fragmentarischen Charakter geschärft, indem sie die Unmittelbarkeit des Angriffs tilgten, den es vormals unternahm und der von einem Bruchstück darin zum anderen trug. So wenig in der gegenwärtigen Gesellschaft der Ohnmacht des kleinbürgerlichen Einzelnen gegenüber dem Herrschaftsapparat des Bürgertums mehr zentrales Interesse zukommt, da längst das Leiden jenes Einzelnen in den Klassenkampf einschlug und gegen den Bestand des Bürgertums sich kehrte – so wenig behauptet sich wahrhaft die Oberflächengestalt eines Dramas, dessen Form allein um jenen Einzelnen gebildet ist. So wenig jedoch wieder das Leiden des unterdrückten Menschen bis heute durch den Klassenkampf weggenommen ward, so wenig auch ist Kunst verloren, die dies Leiden zum Gegenstand macht. Aus solchem Widerspruch entspringt die Musik des Wozzeck. Daß das Trauerspiel als Totalität zerfiel, gibt es der Musik preis, die durch die Sprünge der Form eindringt, am alten Stoff der Satzgefüge sich besser entzündet, als sie an selbstherrlich lebendigen es vermöchte; daß seine Zellen Wahrheit enthalten, rechtfertigt das Bemühen der Musik um den Wozzeck und ihren Willen, an Stelle seiner zerfallenen Form neue aus sich zu erzeugen. In der Kraft des Leidens begegnen sich Musik und Wort, und die Musik errettet Leiden, das wohl mit den Worten des Wozzeck gemeint war, das Wortdrama aber nicht mehr trägt. So hat Mahler, dem Berg innermusikalisch näher ist als irgendein anderer, die schwindenden Gehalte der Wunderhornlieder zu bewahren unternommen; richtig bemerkte Walter Benjamin die Analogie zwischen dem Verfahren Bergs und dem von Karl Kraus gegenüber der Lyrik des Matthias Claudius. Mit alldem ist gekennzeichnet, daß die heute üblicherweise angesetzte Alternative der Opernproduktion Bergs Wozzeck nicht trifft. Wem es um die Rettung objektiver Gehalte vergangenen Schrifttums geht, der wird kaum die subjektiven Regungen des Seelenlebens verfolgen, die etwa im Stoff vorkommen; wer des menschlichen Antriebs jener Rettung bei sich gewahr wird, der schließt nicht menschliches Wesen aus dem Umkreis seiner Musik blank aus. Bergs Wozzeck ist kein Musikdrama; doch auch keine Musizieroper im Sinne jener Neusachlichkeit, die die singenden Personen zu bloßen kontrapunktischen Figuranten eines Fugensystems macht, das über ihren Köpfen schwingt, ohne sie selber jemals zu erreichen. Von beidem die Oper abzugrenzen, ist notwendig genug. Die einen haben den Wozzeck, mit den musikalischen Angstvisionen, dem trüben Ländler, dem gurgelnden Teich, psychologisch und gar impressionistisch verstanden und an Wagner oder Debussy erinnert; andere ließen sich von Suite, Passacaglia und Tripelfuge irreleiten und entdeckten im Wozzeck, wie überall, jene Wiederbelebung alter Formen, mit der man heute über den Bruch des musikalischen Bewußtseins zu täuschen und trösten versucht. Demgegenüber nimmt Bergs Werk die Haltung einer realen Humanität ein, die sich dem abstrakten Schema der Alternative gänzlich entzieht. Diese Haltung zu bestimmen, ist zumal Kritik des Begriffs der Ausdrucksmusik not, der heute, mit einigem polemischen Recht, viel zu vag gehandhabt wird. Ob eine Musik psychologisch sei, darüber entscheidet nicht, ob sie etwas ausdrückt. Der Begriff des Ausdruckslosen hat seine echte Geltung allein in den gewaltigsten Momenten des Musikalischen: wo Musik bilderlose Gegenwart erreicht. Alle ausdruckslose Musik, der die bilderlose Gegenwart versagt bleibt, ist allein leere Hülle von Ausgedrücktem, das fortblieb; das freilich gerade durchs Verschweigen Macht gewinnen kann, aber nie die des Ausdruckslosen. Es findet sich denn auch kaum irgend Musik, die ausdruckslos wäre, und gerade Bach, unerreichbares Ziel alles objektiven Willens der Moderne, hat sich tief ins Bereich des Ausdrucks hinabgeneigt. Den objektiven Charakter von Musik bestimmt wesentlich, was in ihr ausgedrückt ist. Im neunzehnten Jahrhundert, der Region von Ausdrucksmusik im spezifischen Sinne, reproduziert Musik, in stets wechselnden Grenzen, den Erlebnisverlauf des Menschen; sei es in der Kontinuität seiner Übergänge, sei es im Bilde des einzelnen Erlebnisses, der einzelnen Regung. Der Ausdruck der vorbeethovenschen Musik indessen zielt auf objektive Seinscharaktere, an denen wohl die Erlebnismannigfaltigkeit des Menschen teil hat, die aber mit jener keineswegs zusammenfallen; die Affektenlehre des achtzehnten Jahrhunderts gibt davon deutliche Kenntnis. Wenn anders, was Wahrheit ist an den objektiven Charakteren, verwandelt fortbesteht auch unter der Hülle des musikalischen Subjektivismus, dann ist ein Verfahren legitimiert, das eben jene Hülle durchstößt und unter ihr die Gehalte aufs neue ergreift. Das geschieht in Bergs Wozzeck. Andere haben im Bewußtsein der Krise des musikalischen Subjektivismus dessen Situation verleugnet und frischweg begonnen, als beginne mit ihnen das achtzehnte Jahrhundert. Berg hält aus in der Situation, die er vorfindet, treibt sie bis zum Verfall und wird in ihren Trümmern der objektiven Charaktere habhaft. Mehr als in jeder Übereinstimmung des musikalischen Stiles zeigt seine Beziehung zu Schönberg sich an in der dialektischen Bewegung, die Berg in der Sphäre des musikalischen Subjektivismus vollzieht, ihn zu tilgen. Er vernichtet das Musikdrama, indem er es vollends realisiert; er gelangt zur Konstruktion, indem er den musikalisch-psychologischen Prozeß in eine Tiefenschicht treibt, darin die Einheit des Oberflächenzusammenhanges von Bewußtsein nicht mehr herrscht, sondern wo in ihrer Vereinzelung aus dem Abgrund der Subjektivität die objektiven Charaktere aufsteigen, deren sich das Gebilde kraft der Konstruktion bemächtigt. Zwischen dem Wozzeck und der Psychoanalyse gilt nicht Ähnlichkeit bloß, sondern Verwandtschaft. Wie die Analyse, so hebt Bergs Musik an mit Schlaf und Traum; nicht dem scheinhaften Traum der romantischen Ferne, sondern dem Traum als einem Gespinst von Bildern, die aus der verlorenen Tiefe des Menschen sich erheben und die Konstruktion deutend erfaßt. Nicht bilderlos ist Bergs Musik: doch ihre Bilder entstammen einem archaischen Reich, der Kindheit, dem dichten Traum anstatt dem hellen gegenwärtigen Leben, und die Musik greift die Bilder nicht in Reproduktion, sondern mit dem Angriff der Erinnerung. Dem Zerfall der Oberflächenstruktur des Bewußtseins durch die Analyse, der Destruktion des geschlossenen Bewußtseinsverlaufs, die sie durchführt, indem sie mit der Idee der Geschlossenheit ernst macht und jegliches Erlebnis aus der Totalität des Psychischen versteht, bis ihr die Totalität als Trug durchsichtig wird – jener echt dialektischen Wirkung des analytischen Vorganges entspricht bei Berg der radikale Zerfall der geschlossenen musikalischen Oberfläche, ein Stil, der die Substanz zu kleinsten Partikeln zerschlägt, um aus der Konstruktion von deren Übergang seine Form zu gewinnen. Wie endlich der psychoanalytische Prozeß auf Seinsbestände trifft, die aus dem Prozeß selber nicht mehr herzuleiten sind und die Allmacht des Prozesses illusorisch machen, so trifft auch Bergs Musik, Prozeß so gut wie die Analyse und überaus funktionell, auf Seinsbestände, an denen sie haftet, und jene eben sind das Maß der Objektivität der Oper. Trotz aller subjektiven Dynamik ist der Wozzeck in Wahrheit objektiver Vollzug im Raume der Subjektivität. Man mag den Österreicher und sogar eine Beziehung zu Schubert erkennen an der Hinnahme des Vollzugs von Schicksal in jener Musik, die nicht das Schicksal von sich aus zu lenken trachtet, sondern darüber tröstet, da sie es in Treue empfängt. So erst wird die Textwahl ganz verständlich. Denn allein seine Passivität macht den Soldaten Wozzeck zum Träger des Schicksalsvollzuges, den die Musik meint und übersteigt. Darum bedarf es hier nochmals des kleinbürgerlichen Einzelnen: sein Leiden enthüllt objektive Charaktere, die in der Aktion des Kollektivs heute noch nicht evident sind. Wozzecks private Pathologie ist die Einfallspforte der objektiven Charaktere, herkömmlicher Psychologie so unangemessen wie Bergs Musik der romantisch-psychologischen; sein beherrschender Affekt, die Angst, der Grundaffekt der Oper zugleich; das Staunen, mit dem er sich »vielem auf der Spur« meint und unter der Erde die Freimaurer schreiten hört, gleicht dem Staunen einer Musik, die schauernd unter der Erde archaisches Traumgut findet.

Die Konstruktion des Wozzeck aber ist allein Mittel, dies Traumgut zu fassen, ehe es in Atmosphäre sich löst, in Stimmung verfließt. Nicht erzeugt die Wozzeckmusik Gehalte aus sich; Handwerk wird darin geübt, stimmig in sich und bereit, die getroffenen Gehalte zu bergen. Die Bereitschaft zur Rezeption als Maß der Technik läßt sich nicht besser definieren als Alban Berg selber in einem Brief sie beschrieb: »Ich weiß – wenn ich in die Noten sehe –, wie sachlich das komponiert war, allerdings immer mit dem Bestreben, daß der andere davon nichts merkt und sich so romantisch wohlfühlt wie in einem guten Sessel, bei dem die Nägel nicht herausstehen und der Leim nicht stinkt, der ihn zusammenhält.« Es bedeutet also handwerkliche Autonomie einzig die strenge Fügung dessen, was die Intentionen aufnehmen soll, daß sie ihm nicht entweichen. Zugleich aber ist mit Bergs Sätzen Kritik am Betrieb der Neusachlichkeit geübt, wie sie durch Bergs menschliche Haltung gefordert wird. Auch dabei ist eine merkwürdige, von Berg recht eigentlich produktiv entdeckte Dialektik im Spiel. Denn die übliche Sachlichkeit charakterisiert sich dadurch, daß sie als Sachlichkeit sichtbar wird; daß also, im Bilde gesprochen, die Nägel ja herausstehen, der Leim ja stinkt; daß die technische Apparatur gleich einer blinkenden Maschine leer läuft. Sachlichkeit aber, die sich als Zweck selber setzt, ist sachlich nicht stimmig: denn das wahre Gleichgewicht einer Konstruktion ist darin eben, daß kein Teil vom Ganzen sich emanzipiere; wo die Teile ausgewogen sind, gibt die Konstruktion als solche sich nicht mehr kund. Damit wird nicht die materiale Stimmigkeit negiert und der Musik abermals zugemutet, zu schmücken. Jedoch wenn alles Vollkommene über seine Art hinausweist, dann gewiß die kompositorische Technik; deren Vollkommenheit fraglos erst ist, sobald sie als Figur des Gemeinten verständlich wird. Wie Berg kraft der Vollendung des psychologischen Musikdramas auf die objektiven Wahrheitsgehalte trifft, so schlägt die Konstruktion, deren Vollkommenheit keiner freien Note mehr Raum läßt, in ihr Gegenteil um und schafft Platz für eben jene Gehalte. So erklärt sich, daß kein unbefangener Hörer von Variationen und Fugen viel merkt und merken soll. Der Ausdruck hat sie durchdrungen; den Ausdruck geschlossen zu tragen, ist ihr Sinn. Freilich, den Ausdruck und nicht den Hörer. Der Sessel, mit dem Berg die Oper vergleicht, ist kein verwendbarer Fauteuil fürs bequeme Publikum, sondern der Sitz von Dämonen. Er gleicht dem Stuhl van Goghs; er stimmt, er hat seine Proportionen und Perspektiven, aber er ist zu nah oder von unten gesehen, so schräg und fremd steht er im Raum. Nicht im Zimmer; im Sturm. Er trotzt einem furchtbaren Zuge von Erscheinungen, die aus ihrem Dunkel zum leibhaften Entsetzen auftauchen. Der Weg zu ihnen führt durch die Kindheit. An den zahlreichen Liedern des Wozzeck läßt er sich verfolgen; dem von der Jägerei, wo das uralte Beuterecht des Nomaden gleich einem Meteor in die bürgerliche Ordnung fällt, dem Wiegenliede der Marie und ihrer Ballade vom Zigeuner, der das Kind holt, das nicht schlafen will, ein Geist, der tötet, wer ihn erblickt; in den Leiergesängen von der Tochter, die sich an die Kutscher und Fuhrknecht hat gehängt, von der Dienstmagd, die keine langen Kleider trägt, weil sie ihr nicht gebühren, aber auch, weil sie gegen die Zucht rebelliert. Wie diese Lieder singen keine erwachsenen Menschen; so singen Kinder im Dunkel, die Angst sich zu vertreiben; in den Liedern selbst ist die schlotternde Angst und die Hoffnung zugleich, durch Gesang sie zu bannen. Diese unterirdische Folklore klingt auch in der verzerrten Tonalität der Lieder, die nicht die jüngstvergangene der Romantik konserviert, sondern eine präexistente und längst versunkene zitiert wie Kinder in ihren Liedern. Über das mythische Reich, in das die Wozzeckmusik hundert Schächte legt, erhebt sich mächtig der Affekt der Trauer. In ihm richtet sich die endlose Affektwelt der Schwäche. Wie diese Trauer mit irrer Militärmusik, mit Trommeln und Klarinetten über den versinkenden Dämonen aufsteigt, das hat das neunzehnte Jahrhundert niemals erhört; die Expression des Wozzeck hat insgesamt nichts mit der des Tristan zu tun. Die Dichte des Schlafes, der alle Musik hier stöhnend sich entringt; dies Erschrecken und Auffahren, das Polternde, das Zu nah in der Szene von Wozzeck und Andres auf dem Feld, bei der Ermordung der Marie; das war so wenig im Seelenausdruck zu halten, wie jemals der Ton von Bergs Orchester erklang, in dem alle Farben gleichsam mit Schwarz verzaubert, traumhaft ausgesogen wiederkehren. Allein Schönbergs »Erwartung« hat dies Bereich erschlossen. Im Wozzeck ist seine vollständige Landkarte aufgezeichnet. Denn es ist ja die Musik so gänzlich gefügt wie nur irgendeine von Strawinsky und Hindemith aus diesen Tagen: nur reicher um all die Schichten der Tiefendimension. Ihre Konstruktion geht aus von Motivzellen, wie die Gehalte des Werkes zellenhaft sind. Es bindet diese Zellen an den psychologischen Prozeß, den sie schließlich zerstören, die Art ihrer Entwicklung auseinander. Das Mittel ihres Überganges ist das des unendlich Kleinen. Bruchlos verwandeln die Motive sich ineinander, indem jedes neue Momente des alten als dessen Rest festhält; der bloße einzelne Ton wird oftmals zum Bindemittel zwischen den Motivgliedern. Ebenso verfährt die Instrumentation, die bei allem steten Wechsel und selbst Umschlag aus jedem Klang in den folgenden Klangsubstanz mitführt, die in ihm erst allmählich aufgelöst wird. Das funktionelle Wesen einer Harmonik, die auf die Spannung von Dominante und Tonika bei aller Freizügigkeit der Akkordbildung doch nicht vollends verzichtet, erklärt sich aus dem Gleichen. Keine Nägel stehen heraus: die Gewalt des Wozzeck liegt gänzlich in der Gewalt des Überganges. Die Dialektik dieses musikalischen Stiles, der überall die Stetigkeit des Gewesenen in die fremde Perspektive dessen überführt, was wird, läßt sich am Verhältnis zu Schönberg ablesen. Berg geht aus vom fortgeschrittensten Schönberg, der sein Lehrer war, und senkt von ihm aus gleichsam weitverzweigte Wurzeln ins Vergangene, die mythischen Bilder einzuholen, die er als eigentlichen Besitz bei sich vorfindet. Bei aller Energie des Vorstoßes zieht der Wozzeck zugleich nach rückwärts die Linie zu Mahler; ihm ähneln nicht nur oftmals die Themengestalten, an ihn knüpft er nicht bloß an, wenn er die untere, abgeworfene Musik mitnimmt, vielmehr als unterirdische Folklore erweckt: an Mahler mahnt vor allem die architektonisch inkommensurable, gänzlich organische Art der symphonischen Expansion. Allerdings, wozu bei Mahler oft genug das brüchige Programm herhalten mußte, das leistet bei Berg verbindlich die dramatische Anlage. Wenn die musikalische Konstruktion in der Macht des expressiven Augenblicks untergeht, dann umfängt dafür den Augenblick sinnfällig die dramatische. Sie verdichtet sich aufs äußerste in der ersten Wirtshausszene, wohl dem Kernstück der Konzeption, wo der leidende Einzelne und die dämonische Folklore unmittelbar aufeinanderprallen, um sich im Kontrapunkt des Scherzos zu durchdringen, darum Mahler sein Leben lang mochte gerungen haben. Nach dem zweiten Akt ist die Zäsur der Oper, fühlbar in den großartigen Momenten des Schweigens beim Fallen, dann zu Beginn des dritten Aktes beim Sich-Erheben des Vorhanges. Hat Musik je und je die Pause in die Gestalt eingesetzt – Berg hat als erster das Schweigen zum musikalischen Agens gemacht, das leere Klopfen der Zeit; in Sekunden das Ausdruckslose; so wie er dann wieder in der Mordszene das gefüllte Schweigen mit dem Aufstieg der gedämpften Posaunen furchtbar auskomponierte. Der ganze dritte Akt hält sich am Rande des Abgrundes; die Musik zieht sich zusammen und zählt die Minuten bis zum Tode. Dann stürzt sie in den orchestralen Epilog und wird in der Kinderszene des Endes so ferne reflektiert, wie in der Tiefe eines Brunnenschachtes die Bläue des Himmels erscheint. Dieser Reflex allein zeigt im Wozzeck Hoffnung an, schwach, unbestimmt, getrübt im Lichte der tragischen Ironie, die das Kind auf dem Steckenpferd zur Leiche der Mutter reiten heißt, aber doch deutlich. Sie hellt sacht und spät den Charakter der Oper auf. Ihr Charakter ist Passion. Die Musik leidet nicht im Menschen, hat nicht teil an seinem Handeln und seiner Regung selber: sie leidet über ihm; darum nur vermag sie, wie die alten Passionsmusiken, jeden Affekt darzustellen, ohne jemals die Maske einer der Personen des Trauerspieles wählen zu müssen. Die Musik legt den Menschen, dem Einzelnen Wozzeck, das Leid leibhaft auf die Schulter, das die Sterne über ihm erheischen. Indem sie ihn ins Leid hüllt, daß es ihn gänzlich berührt, darf sie hoffen, es werde von ihm genommen, was in der starren Ewigkeit der Sterne unentrinnbar drohte.

 

1929

 

 

Wozzeck in Partitur

Wenn nicht alles trügt, befinden sich die technischen Standards des Komponierens, die vom Geist sich nicht trennen lassen, in einer Phase der Rückbildung. Diese reicht sicherlich hinab in tiefe Entwicklungstendenzen von Gesellschaft und Bewußtsein. Aber Einzelmomente, symptomatisch für jene Tendenzen und zugleich unmittelbar verantwortlich für das Erschlaffen der Ansprüche vieler junger Musiker an sich selbst, lassen sich doch greifen. Unter ihnen rangiert obenan der Bruch zwischen den Möglichkeiten der musikalischen Ausbildung und dem fortgeschrittenen Stand des Komponierens. Dabei handelt es sich keineswegs bloß darum, daß die Musikhochschulen keine sichere Tradition mehr vermitteln, ohne doch des Neuen mächtig zu sein. Herein spielen scheinbar grob äußerliche Tatbestände, die man leicht vergißt und deren Tragweite kaum zu überschätzen ist. Dem Musik Studierenden sind die wichtigsten Bühnenwerke der Moderne kaum im Original zugänglich. Während jede Spielmusik und jede Orgelpartita von heutzutage im Druck erscheinen, sind Werke wie Salome und Elektra, die nur in den großen Dirigierpartituren vorliegen, unerschwinglich und meist nicht einmal zu leihen; die Opernpartituren Schönbergs sind bloß in Folio gedruckt; die entscheidenden früheren Ballette Strawinskys zwar als Taschenpartituren zu haben, aber in so winzigen Noten, daß man allenfalls bei der Aufführung mitlesen, kaum jedoch danach auf dem Klavier ein Stück wie das Sacre du printemps sich einigermaßen zusammensuchen kann. Bedingungen solcher Art tragen ihr Maß an Schuld an dem verzerrten Bild von der zeitgenössischen Musik, das gerade in Deutschland aufs peinlichste sich ausbreitet.

Darum ist es ein Verdienst sans phrase, von größter Tragweite für die musikalische Bildung, daß die Universal-Edition die vollständige Partitur von Bergs Wozzeck in einem angenehmen Großoktav-Format, auf Dünndruck-Papier, herausgebracht hat. Billig kann eine solche Ausgabe nicht sein, aber sie ist wenigstens erschwinglich. Der Stich ist mustergültig und erlaubt es dem, der die Partitur lesen kann, sie auch zu spielen. Der Notentext wurde, unter Benutzung der hinterlassenen endgültigen Korrekturen des Komponisten, von H.E. Apostel mit vorbildlicher Akribie hergestellt: der Komponist, zarter und leidenschaftlicher Freund des Genauen, hätte seine Freude daran gehabt. Ein wenig stört einzig, daß eine englische Version, ergänzt durch zwei Glossare, sich allzu sehr vordrängt. Aber auch das ist verständlich und bezeichnend zugleich: hätte man nicht auf amerikanische Abnehmer Rücksicht genommen, so wäre wohl die schöne Ausgabe überhaupt nicht marktfähig geworden und nicht zustande gekommen.

Zu lernen ist aus ihr vorab, was Ausinstrumentieren heißt. Gerade die heute herrschenden Vorstellungen über Orchestration sind in einem Zustand, über den etwa ein Maler, dem die Farbe als integrierendes Moment seiner Arbeit selbstverständlich ist, nur den Kopf schütteln könnte. Auf der einen Seite ist der grausliche Begriff der ›glänzenden Orchesterbehandlung‹, eines musikalischen Roßtäuscherverfahrens, das Musik möglichst bunt und knallig aufzäumt, um die Dürftigkeit ihrer Gestalt zu verdecken, erneut in Schwang gekommen, als hätte nicht die Neue Musik in ihren bedeutenden Exponenten solche Künste ein für allemal widerlegt. Andererseits befleißigen die, welche den falschen Reichtum nicht mögen, sich einer Askese, die am liebsten das Glück der Farbe aus der Musik überhaupt verbannen möchte und damit die Eroberung der Klangdimension als eines wesentlichen kompositorischen Elements rückgängig macht. Die Wozzeckpartitur steht korrektiv gegen beides. Das Orchester realisiert die Musik im Cézanneschen Sinne des réaliser. Die gesamte kompositorische Struktur, von der Gliederung im großen bis hinein ins feinste Geäder der Motivbildung, wird in Farbvaleurs offenbar, und umgekehrt erscheint keine Farbe, die nicht ihre präzise Funktion für die Darstellung des musikalischen Zusammenhangs besäße. Der Formdisposition entspricht durchweg die orchestrale; kammermusikalisch-solistische Kombinationen und große Tuttiwirkungen sind aufs sorgfältigste gegeneinander ausgewogen. Die Kunst der klanglichen Vermittlung, des unmerklichen Übergangs von einer Farbe in die andere ist beispiellos. Die Atmosphäre dieses Orchesters aber, das selbstvergessen in das Abgründige hinter den Büchnerschen Worten sich versenkt, ist keine Stimmungszauberei. Sie stammt aus der Kraft zur Nuance, und die ist eins mit der des Ausinstrumentierens, der Übersetzung noch des leisesten kompositorischen Impulses in seine sinnlichen Äquivalente.

Am meisten aber überrascht, das Wort recht verstanden, die Einfachheit der Partitur. Man kann das vielleicht am besten im Vergleich mit Strauss zeigen. Im Heldenleben, in der Salome geht eigentlich auf dem Papier viel mehr vor, als man dann im Orchester hört; ein Großteil des Geschriebenen bleibt ornamental und Füllung. Bei Berg sieht alles, eben vermöge der völligen Unterordnung des Orchesters unter die musikalische Konstruktion, fast geometrisch klar aus, wie auf einer Architekturzeichnung, und der volle Reichtum des Komponierten erschließt sich erst bei der Aufführung. Es gibt nichts Überflüssiges in der Partitur, sie macht keine Umstände, und die differenziertesten Klänge – wie die berühmten Teichimpressionen von Wozzecks Todesszene – erweisen sich zuweilen als Kolumbusei. Das Weggelassene bezeugt kein geringeres Gestaltungsvermögen als das Geschriebene: eine Ökonomie, die allein der überquellenden Musiksubstanz Bergs die Verbindlichkeit der Form schenkt. Manche Szenen, die im Klavierauszug überaus kompliziert sich ausnehmen, wie die zweite des zweiten Akts, Phantasie und Tripelfuge, gewinnen in der Partitur eine Plastik und Durchsichtigkeit, die von der Praxis der Operntheater erst noch eingeholt werden muß.

Wem es im Ernst darum zu tun ist, zu erfahren, was man heute mit dem Orchester anfangen kann, wofern man zu komponieren versteht, sollte alles daransetzen, den Band sich zu verschaffen.

 

1956

 

 

Für Alban Berg

Die sichtbare Untat, die unter der Hitlerdiktatur verübt ward, läßt vergessen, was an Kraft und Möglichkeit mittelbar durchs Regime zugrunde ging. Am 24. Dezember 1950 war Alban Berg fünfzehn Jahre tot. Kein Arierparagraph konnte gegen den blonden Riesen aufgeboten werden, und was er, geistiger Schüler von Karl Kraus, politisch etwa äußerte, blieb durch subtile Ironie vor den Bütteln geschützt. Aber sie wußten dennoch, wer er war. Seine bis ins Innerste spirituell aufgelöste, aller dinglichen Verhärtung spottende musikalische Diktion verriet ihn nicht weniger als die Wahl der beiden Opernstoffe. Im Trauerspiel »Wozzeck« wird dem von den Mächten der Welt getretenen, von Angst gejagten Soldaten die letzte Spur der Liebe entzogen, weil die Geliebte nach Glück verlangt, und er zerstört sie und sich selber. In dem zum orbis pictus geweiteten Zirkus-Sketch vom unwiderstehlich schönen Niemandskind Lulu zersprengt die von der patriarchalen Ordnung geduckte Weiblichkeit triumphierend die Ordnung und verhilft ihr dennoch wieder zum satanischen Triumph. Der dazu die Musik schrieb, hielt es nicht mit dem Bestehenden. Das Dritte Reich, das selten sich irrte, wenn es gegen die Humanität ging, schnitt ihm den bescheidenen Lebensunterhalt ab. Mit aller zwischen heuchlerischer Duldung und halboffiziellem Terror spielenden Perfidie wurden Aufführungen unmöglich gemacht, und als Kleiber die Lulusymphonie in Berlin wagte, organisierte man den Presseskandal. Dann befiel den physisch wenig Widerstandsfähigen, an Herzasthma Leidenden eine Furunkulose. Sie wäre vermutlich leicht zu heilen gewesen, aber es fehlte an Geld für Behandlung und Klinik, bis es zur Sepsis kam und das Herz versagte. In einem elenden Spitalbett, zu kurz, als daß er sich nur hätte ausstrecken können, ist er gestorben. Die »Lulu« blieb Fragment. Unvollendet ist die Instrumentation des dritten Aktes, keine angemessene Ergänzung ward bis heute durchgeführt, und niemand kann auch nur recht sagen, ob die Kompositionsskizze vollständig genug ist, um die Orchestration zu erlauben. Jeder mit dem Operntheater einigermaßen Vertraute aber weiß, daß eine fragmentarische Oper verloren ist für die Aufführungspraxis, deren doch kaum eine Form so notwendig bedarf wie das musikalische Drama. Zugleich hat die vom Dritten Reich ermutigte Versimpelung der Musik mittlerweile derart sich festgesetzt, der neoklassisch drapierte Stumpfsinn so selbstzufrieden sich eingerichtet, daß Berg, wie sein Freund Webern, dem öffentlichen musikalischen Bewußtsein in Deutschland entglitt. Das Niveau des unbeschreiblich hoch entwickelten Artisten erregt Wut. Ihm wird das Etikett des dekadenten Spätromantikers aufgeklebt, damit nur ja nicht ein einziger seiner ziselierten Takte ans Nichtige der pharisäisch überlebenden Gesundheit gemahne. So ist die menschlichste Stimme der deutschen Musik seit Schumann verstummt und vergessen, nur darum, weil sie sprach anstatt zu kommandieren.

Wenn der Hörer der Musik gegenüber noch verpflichtet ist und nicht bloß, wie die Kulturindustrie es will, jene dem Hörer zu Willen sein soll, dann müßte das Werk Bergs heute mit allem Nachdruck wieder an die gebührende Stelle gerückt werden. Die Ausrede, es sei esoterisch oder unverständlich, verfängt nicht. Gerade das Moment gesteigerten Ausdrucks, das ihm vorgeworfen wird und aus dem ihm doch die zarte Gewalt der Differenzierung und damit schließlich die rein-musikalische Artikulation zuwuchs, hat immer wieder auch den im Herkömmlichen Stehenden angerührt. Der rätselhafte Theaterinstinkt dessen aber, der alles eher war als ein Mann vom Bau, hat im »Wozzeck« bei jeder Aufführung drastisch sich bewährt. Die weisere und ökonomischere Komposition der »Lulu«, die eine sinnliche Schönheit des Klangs entbindet, wie sie die neue Musik sonst nur in Schönbergs »Pierrot« kennt, wird darin den »Wozzeck« noch übertreffen.

Aber nicht nur sollte einer großen, beredten und bis in die letzte Note erfüllten Musik das Ihre gegeben werden, damit sie den ressentimentlos Aufgeschlossenen das Ihre gibt. Bergs Kunst ist unentbehrlich, weil sie durch ihre bloße Existenz wieder die Maßstäbe für kompositorische Qualität setzt, die eine zwischen eklektischer Ohnmacht, nichtsahnender Schlamperei und frömmelndem Historismus umhertappende Produktion vergaß. An ihm läßt sich lernen, was gute, wahrhaft in sich durchgebildete Musik ausmacht, während die verwegene Beseeltheit der überreichen Partituren zugleich alles Pedantische, jeden Gedanken ans Schulbeispiel fernhält. Wie ein Thema sich nach Vorder- und Nachsatz fügt und diese wieder in sinnvoll einander bedingende Elemente bis hinab zur kleinsten Motiveinheit sich gliedern; wie Gegensätze sich vermitteln; wie ein Gebilde in Fluß kommt, sich verdichtet, ausschwingt – das läßt kaum an einem zeitgenössischen Komponisten eindringlicher sich studieren als an dem vielschichtigen und verschlungenen Satz Bergs. Nichts aber ist kompositorisch mehr an der Zeit, als das Wissen um den Form-Sinn eines jeglichen Augenblicks im musikalischen Ablauf wiederzugewinnen, anstatt daß die zufällig gekleisterte zeitliche Sukzession unbekümmert über Sinnloses hinwegstampft und selber der Sinnlosigkeit verfällt, die sie mit Naivetät verwechselt. Ein Werk wie die »Lyrische Suite« für Streichquartett – vielleicht das vollkommenste, Ausdruck und Konstruktion am reinsten ausgleichende, das Berg gelang – sollte allein genügen, das musikalische Gewissen wiederherzustellen, zu schweigen von dem, was etwa der zweite Satz, ohne die leiseste Konzession, an Entzücken gewährt. Unersättlich wuchernde Stücke wie das Erste Quartett oder das Kammerkonzert dagegen demonstrieren das Risiko, das Musik läuft, seitdem sie nicht mehr riskiert, was Berg, dessen chaotischer Drang nicht geringer war als die künstlerische Disziplin, stets wieder riskierte. Zwei seiner großartigsten Konzeptionen, die Altenberglieder und die drei Orchesterstücke, sind heute noch wie von einer Isolierschicht des Skandals umgeben und kaum aufgeführt. Der Schock, den die bald vierzig Jahre alten Gebilde stets noch aussenden, wäre heilsam in einer Situation, in der es offenbar keinen mehr gelüstet, aus dem Schutz des längst durchlöcherten Daches jener Überlieferung herauszutreten, die doch der Schutzsuchende selber nur anruft, weil sie ihm keinen Schutz mehr gewährt.

Die wenigen Opera Bergs, der streng an das Schopenhauersche non multa sich hielt, sind erhalten und werden, wenn es nicht wirklich aus ist, ihre Geschichte erst jetzt beginnen, in ihr fruchtbar sich entfalten und verwandeln. Dahin ist er selber. Angestrengt nur vermag die Erinnerung über den Abgrund der geschändeten Jahre hinweg die Stimme zu beschwören, die bloß ihren Namen übers Telephon zu sagen brauchte, um wie eine Welle unversieglicher Wärme den zu ergreifen, dem sie antwortete.

 

1951

 

 

Im Gedächtnis an Alban Berg

Kennen lernte ich Alban Berg auf dem Frankfurter Fest des Allgemeinen deutschen Musikvereins 1924, im Frühjahr oder frühen Sommer, am Abend der Uraufführung der drei Bruchstücke aus Wozzeck. Unter dem unmittelbaren Eindruck des Werkes bat ich Hermann Scherchen mich vorzustellen, und es wurde sogleich zwischen uns vereinbart, daß ich als sein Schüler nach Wien kommen sollte. Ich stand damals in Frankfurt gerade vor der Promotion, die im Juli erfolgte; doch meine Übersiedlung nach Wien zog sich noch bis Anfang Januar 1925 hin. Mein erster Eindruck von Berg damals in Frankfurt war der der größten Liebenswürdigkeit und zugleich einer gewissen Schüchternheit.

 

Erster Besuch bei Berg in der Trauttmansdorffgasse 27 in Hietzing. Die Straße erschien mir damals unvergleichlich schön. Sie erinnerte mich auf eine schwer zu beschreibende Weise an Cézanne und hat ihren Zauber immer für mich behalten. Ehe ich das Haus betrat, in dessen Parterre Bergs wohnten, erkannte ich, wo ich mich befand, an dissonanten Akkorden, die auf dem Klavier gespielt wurden – viel später erst las ich die Beschreibung von Nietzsches erstem Besuch bei Wagner in Triebschen und der Dissonanz aus Siegfried. Der Name an der Tür war in kunstvoller Schrift von Berg selbst entworfen – in derselben, die sich auf den Titeln der Originalausgaben von op. 1 und op. 2 findet, mit einer Spur von Jugendstil noch, aber dabei doch überaus deutlich und ohne Verschnörkelungen. Sehr charakteristisch für Berg: er sagte einmal, er hätte ebensogut Architekt werden können, besaß überhaupt eine unverkennbare Begabung für bildende Kunst. Er war nicht primär an das musikalische Material gebunden, sondern bestimmt durch das Ausdrucksbedürfnis – die Wahl des Materials hatte beinahe etwas Zufälliges, und sicherlich hat es ihn unsägliche Mühe gekostet, dies allgemein künstlerische Ausdrucksbedürfnis ins spezifisch musikalische umzusetzen, solche Mühe hat er Leverkühn geliehen. Vom Optischen ist viel erhalten geblieben, in der kalligraphischen Gestalt seiner Partituren – er hat mir selbst einmal einen ganzen Nachmittag lang im Café Imperial Unterricht im Noten-Schönschreiben erteilt – aber auch in einer gewissen visuellen, mit räumlichen Symmetrieverhältnissen arbeitenden Art des planenden Gestaltens, die im Laufe der Jahre eher sich verstärkte. Auch seine Neigung für spiegel-und krebsartige Gebilde dürfte, abgesehen von der Zwölftontechnik, mit dem optischen Element seiner Reaktionsweise zusammenhängen. Bei aller Dynamik der Tradition des Komponierens, der Berg zugehörte, hatte seine kompositorische Art etwas merkwürdig Statisches, gleichsam auf der Stelle Tretendes; erst seit der Lyrischen Suite eigentlich ist sein Komponieren beweglicher geworden.

 

Bergs Name: kaum je habe ich einen Menschen gekannt, der so sehr sein Name war wie er. Alban: das hat zugleich das katholisch traditionale Element (sein Vater besaß eine Devotionalienhandlung) wie auch das Gewählte, Aparte der Sphäre des Ästhetizismus, der er bei allem Konstruktivismus nie ganz absagte. Berg: sein Gesicht hatte etwas Gebirgiges, in dem doppelten Sinn, daß es an die Züge eines in den Alpen Lebenden gemahnte und daß es selber, mit der edel geschwungenen Nase, dem weichen und feinen Mund und den abgründig leeren Augen, die wie Seen blickten, einer Berglandschaft gleichsah. Wenn seine unvergleichlich warme Stimme durchs Telephon »Berg« sagte – er meldete sich stets mit dem bloßen Namen –, so war das, wie wenn andere Menschen Ich sagen. Er war außerordentlich groß, zugleich aber so, als wäre seine Zartheit der Größe nicht ganz gewachsen, er hielt sich vornübergebeugt. Hände und vor allem Füße waren erstaunlich klein. Die ganze Erscheinung, Haltung und vor allem Blick hatten etwas längst Vergangenes, als wäre er immer im Traum befangen, etwas von Vorwelt. Man hätte sich von ihm gut vorstellen können, daß ihm alle Dinge, wie es von Pferden gesagt wird, vergrößert erschienen und das mikrologische Element seines Komponierens hängt damit zusammen: die Details sind so klein, weil er sie durch ein Opernglas gewahrte. Aber auch in der Gesamtanlage, einem Moment des Unmäßigen und zugleich doch wieder Hinfälligen sieht seine Musik eigentlich so aus wie er selber. Seine Reaktionen waren im allgemeinen äußerst langsam, und daher wohl hatte er einen ganz unproportionalen Respekt vor Witz, Raschgeistigkeit und Beweglichkeit; aber diese Bewunderung war dann wieder so stark in ihm, daß er selbst eine Begabung für Pointen und Wortwitze, meist makabrer Art entwickelte, die wohl an Karl Kraus sich schulte. Ein Schüler, den er fragte, ob er das absolute Gehör besitze, gab ihm die patzig-törichte Antwort: »Gott sei Dank nein«, und dies Gott sei Dank hat er sogleich adoptiert und selten versäumt, es bei irgendwelchen Mängeln und unangenehmen Erfahrungen hinzuzufügen. Der Schüler hieß Schloß; als wir später in Berlin in der Nähe der Oper in einem Restaurant zu essen pflegten, das Schloßrestaurant hieß und das er besonders schlecht fand – »die Deitschen fressen immer nur Dreck« –, behauptete er, es trüge seinen Namen nach jenem selber reichsdeutschen Herrn Schloß. Das makabre Element seines Humors hat sich immer mehr verstärkt. Während des Dritten Reichs, als es ihm materiell sehr schlecht ging und er sich in sein Haus am Wörthersee vergrub, um dort ungestört an der Lulu arbeiten zu können, nannte er dies Haus, wo er sich konzentrieren wollte, sein Konzentrationslager. Willi Reich erzählt, daß er, als er während der letzten Krankheit in das Rudolfsspital gebracht wurde, Witze darüber machte, daß es sich auf halbem Wege zum Zentralfriedhof befinde. Hierher gehört auch die Geschichte mit dem Blutspender: »wenn ich jetzt nur kein Operettenkomponist werde«.

 

Bergs Vater war Bayer, aus Nürnberg nach Wien eingewandert. Aber er selbst war so wienerisch, wie man es sich überhaupt nur vorstellen kann. Und zwar in dem Sinn, daß er in aller Naivetät das Wienerische als gewissermaßen gottgegeben voraussetzte. Er hatte eine Tendenz, alles andere, so auch Prag, das in jenen Jahren viel großstädtischer wirkte als Wien selber, provinziell zu finden. Das Norddeutsche war ihm eine stetige Quelle der Heiterkeit. Erwin Stein, ein alter Schönbergschüler, war mit einer mecklenburgischen Frau verheiratet. Stein war ganz klein, zwergenhaft, die Frau exzeptionell groß, und Berg malte sich mit Vorliebe Liebesszenen zwischen den beiden aus, wobei die girrenden Aussprüche der Dame auf mecklenburgisch eine bevorzugte Rolle spielten. Nicht auszudenken, was er alles angestellt hätte, wenn er noch miterlebt hätte, daß die Tochter der beiden Lady Harwood und mit der englischen Königsfamilie nahe verwandt wurde. Übrigens mißtraute er stets Stein; wie sich viel später herausstellte, mit Recht, denn Stein machte sich in der Emigration zum Bannerträger von Benjamin Britten.

 

Bergs Verhältnis zum Sexus: allem Sexuellen war er freundlich gesinnt auf eine Weise, wie man sie zuweilen bei Aristokraten findet, nämlich mit einer Art von Stolz, für andere und für sich, über jeden gelungenen Beischlaf, als wäre er der Affinität zum Tode triumphal abgenötigt. Er hatte eine Neigung zum Unanständigen wie viele Musiker, aber ihr fehlte alles Verletzende, Verdrückte, Ressentimenterfüllte – eher mit dem Ton von Bewunderung. Solche zollte er offen, als Schönberg noch als alter Mann Kinder zeugte, aber auch daß Steuermann, dessen damalige Frau die Geliebte Schönbergs gewesen war, die er dann zurücknahm, sofort, wie Berg es ausdrückte, »ihr ein Kind machte«, wußte er nicht genug anzuerkennen. Von sich selbst sagte er, er habe eigentlich das ganze Glück der Sexualität, so wie er es sich ausgemalt habe, in seinem Leben nie kennengelernt – dies trotz seiner bedeutenden Schönheit, und obwohl die Frauen, zumal seitdem er berühmt wurde, ungemein auf ihn ansprachen. – Es bereitete ihm eine gewisse Freude, Menschen erotisch aufeinander zu hetzen. Zu solchem Zweck lud er einmal eine übrigens sehr reizende Sängerin, die erheblich älter war als ich, mit mir zusammen ein und machte uns betrunken. Er selbst hatte zahlreiche Liebesgeschichten, die aber stets unglücklich ausgingen, das unhappy end war gewissermaßen mitkomponiert, und man hatte das Gefühl, daß diese Affairen bei ihm von Anfang an ein Stück seines Produktionsapparats bildeten, daß sie, ganz im Sinn des österreichischen Witzes, verzweifelt, aber nicht ernst waren. In der Zeit, in der ich bei ihm war, spielte die Geschichte mit Hanna, der Schwester Werfels; er hat mich dabei als postillon d'amour benutzt, wobei meine häufigen Prager Besuche bei meinem Freund Hermann Grab den Vorwand abgeben mußten; die Rolle habe ich ungeschickt gespielt, Hanna nie allein gesprochen, dagegen war die ganze Sache doch so auffällig inszeniert, daß ihr Mann Verdacht schöpfte. Die Affaire war hoffnungslos von Anfang an, da sie einerseits mit einem ungeheuren Pathos belastet war, andererseits weder Berg seine Frau noch Hanna ihren Mann und ihre zwei Kinder verlassen wollte. Er betrieb die Angelegenheit mit einer unendlichen Geheimniskrämerei, offiziell, damit seine Frau nichts merke, in Wahrheit wohl, weil die Geheimnisse selbst ihm Freude machten; ich wurde zu allen möglichen Funktionen innerhalb dieses Geheimnissystems von ihm herangezogen; vom ersten Tag an hatte er mir von der ganzen Geschichte gesprochen. Die Widmung, die er mir in die Partitur der drei Wozzeckbruchstücke schrieb, »die Bruchstücke ihres Alban Berg«, bezogen sich darauf, daß er sich durch den Zwang der Entsagung als zerbrochen betrachtete; doch ist er wohl über die Sache gar nicht so schwer hinweggekommen, wie es mir damals schien. Die Lyrische Suite, eine Programmusik mit verschwiegenem Programm, hat mit zahllosen Anspielungen die ganze Geschichte verkomponiert, ohne daß übrigens jene Anspielungen – auch die Widmung an Zemlinsky und das Zitat aus dessen Lyrischer Symphonie gehören dahin – der Qualität den leisesten Abbruch getan hätten; im Gegenteil, das höchst verführerische Werk empfing seinen Elan aus jenem Hintergrund. Von den Anspielungen notiere ich nur eine: im zweiten Satz symbolisiert das erste Thema Hanna, das zweite ihren Mann, das dritte, aus zwei kontrastierenden Bestandteilen, die beiden Kinder. Die charakteristische wiederholte Note c entspricht, nach der alten Solmisation, einem doppelten do, das ältere Fuchsische Kind hieß Dodo. Ein Hermeneutiker, der der Lyrischen Suite sich bemächtigte, hätte für den Rest seines Lebens daran zu tun. Das Allegro misterioso ist ein Spiel mit den Initialen AB und HF. Die analogen Züge der Musik Leverkühns, die überhaupt mehr Bergisches als Schönbergisches hat, sind diesen Spielereien nachgebildet. Sie grenzen im übrigen an seine Neigung zur Zahlenmystik und zur Astrologie. Da er wußte, wie ich über diese Dinge denke, hat er sich dazu jedoch bei mir kaum je offen bekannt. Wenn Helene ihn heute spiritistisch beschwört, so hätte er vermutlich diesem Treiben seine Zustimmung nicht versagt.

 

Das Verhältnis zu Schönberg: ohne Zögern hat er ihm die Treue gehalten, auch in der Hitlerzeit, als der blonde Arier es sich durch ein wenig Konzilianz viel leichter hätte machen können. Aber die Beziehung war ambivalent, und Berg wußte genug von Psychoanalyse, um das auch selbst so zu empfinden. Er hat mir einen Traum von mir über Schönberg orthodox, Freudisch als Vatertraum gedeutet. (Er war übrigens einmal in einem Dolomitenhotel mit Freud zusammengetroffen; er hatte eine seiner mit dem Asthma zusammenhängenden schweren Erkältungen und genoß sehr, daß Freud unfähig war, eine derartig uninteressante Krankheit mit Erfolg zu behandeln; ich meine mich zu erinnern, daß es auch zu Adler Beziehungen gab.) Es gilt wohl für die beiden die Formel: daß Schönberg Bergs Erfolge beneidete, Berg Schönbergs Mißerfolge. In der Nacht nach der Premiere des Wozzeck zeigte er sich, ohne alle Pose, aufs tiefste beunruhigt durch den Erfolg, er meinte, wenn heutzutage eine Musik so unmittelbar das Publikum gewinne, könne etwas mit ihr nicht in Ordnung sein. Einer gewissen Eifersucht Schönbergs auf ihn war er sich bewußt. Die Angst des Sohnes hat er ihm gegenüber wohl nie ganz verwunden. Einmal sagte er mir, Webern und er hätten mit Schönberg jahrzehntelang nicht anders als im Frageton verkehrt. Während er die Zwölftontechnik übernahm, um sie freilich sogleich völlig bruchlos mit seinem eigenen Ton zu verschmelzen (er freute sich besonders, als ich gerade darauf einmal verwies, und sagte: das war gerade das Kunststück), beanstandete er an den ersten Zwölftonkompositionen einen gewissen Mangel an expressivem Gehalt – jenes Moment drohender Leere, das dann in der späteren Entwicklung der Technik so sehr hervortrat. Doch zeigte er auch darin eine große Liberalität und sagte, ihm erschiene es durchaus möglich, daß eine neue Technik zunächst mit einer gewissen Verflachung des Gehalts bezahlt werde und sich ihn allmählich dann erobere. Die Spätphase Schönbergs, in der das wirklich geschah, hat er nicht mehr miterlebt, sondern nur die zum Teil eher spielerischen ersten Zwölftonwerke. Am Ton Schönbergs irritierte ihn zuweilen ein Moment des Insistierenden, advokatorisch Rechthaberischen – – seiner eigenen Art entsprach es vielmehr, sich immerdar ins Unrecht zu setzen und dadurch die Welt, von deren Übermacht er a priori überzeugt war, stets wieder zu überlisten.

 

Unbeschreiblich die Verschränkung von bescheidener Schüchternheit und Ironie; was da jeweils aus ihm redete, ließ so wenig sich ausmachen wie bei sehr gut erzogenen Engländern. (Nicht nur sah er Wilde ähnlich, sondern das Wort Lord spielte in seinem Vokabular eine große Rolle. Als ich ihm nach der ersten Begegnung mit Schönberg sagte, dessen Erscheinung erinnere mich an einen Zigeunerprimas, zumal durch die übertriebene Eleganz, deren Schönberg in den ersten Jahren seiner zweiten Ehe sich befleißigte, meinte Berg: er meint doch, er sieht wie an Lord aus.) So sagte er einmal, er habe die höchste Bewunderung für Hindemith, weil seine Musik immer so weiter laufe. Darin war ebenso wirkliche Anerkennung der Geläufigkeit, des Talents enthalten – Berg fiel das Komponieren sehr schwer, er hat alles außer dem Violinkonzert äußerst langsam geschrieben und unter der geringen Anzahl seiner Werke gelitten, auch ihretwegen seit dem Wozzeck auf opus-Zahlen verzichtet – wie auch das Bewußtsein des Negativen von Geläufigkeit und Talent. Er selbst hat später, wo es aus der Sache verlangt war, ein paar Sätze im Charakter des perpetuum mobile geschrieben.

 

Sein Verhältnis zu anderen Komponisten: sehr wenige von den Zeitgenossen außer Schönberg ließ er gelten. Bei Krenek, mit dem er befreundet war und für den er öffentlich eintrat, störte er sich an einer gewissen Verquertheit und Irrationalität: immer wo man eine Sequenz erwartet, gibt's keine, und wo man keine erwartet, gibt's eine, sagte er einmal. Webern liebte er sehr, aber doch mit einem Unterton von Spott wegen der Kürze, vor allem als auch die Zwölftonstücke Weberns fast ebenso aphoristisch sich anließen wie die früheren. Bei aller Treue hat er mit mir zusammen jene Parodie eines Webernschen Stücks angefertigt, die aus einer einzigen mit allen erdenklichen Zeichen und Vortragsanweisungen ausgestatteten Viertelpause bestand. Für mittlere Komponisten hegte er offene Verachtung; er konnte sich lange damit beschäftigen, Erwägungen darüber anzustellen, ob Wellesz oder Toch schlimmer sei. Er fand Toch schlimmer, ich Wellesz; heute würde er mir wohl recht geben. Bei Richard Strauss wehrte er sich vor allem gegen die Legende von der technischen Meisterschaft und hatte ein sehr scharfes Auge für das kompositorisch Brüchige bei ihm. Reger verteidigte er, ließ sich aber ganz gern von mir überzeugen, als ich ihm sagte, daß jeder Takt dieses Komponisten aus jedem seiner Werke in jedes andere verschoben werden könnte. Gegen Pfitzner, den Reaktionär, schrieb er eine schneidende Polemik; er war einmal ein paar Tage mit ihm zusammen, ich glaube bei Alma Mahler, und hatte seinen grimmigen Spaß daran, daß Pfitzner seine in Arbeit befindlichen Manuskripte vor ihm versteckte, damit er nichts davon stehle. Debussy schätzte er sehr hoch; man kann von ihm mehr Spuren bei Berg finden, als es auf den ersten Blick ersichtlich wird. Vorbehaltslos war sein Enthusiasmus für Mahler, vor allem für die Werke seit der IV. Symphonie. Wir hörten einmal zusammen die VIII. unter Anton von Webern, und gerieten so in Begeisterung, daß wir laut sprachen und um ein Haar als Störenfriede herausgeworfen wurden. Sein Lieblingsstück war die zweite Nachtmusik aus der VII. Symphonie, wir haben sie, wie vieles andere von Mahler, oft vierhändig gespielt. Überhaupt pflegte er die heute kaum mehr geübte Kunst des vierhändig Spielens sehr; er hatte sie seit seiner Jugend mit seiner Schwester Smaragda gepflegt, die in diesem Jahr in Wien an den Folgen eines Unfalls gestorben ist. Smaragda sah übrigens auf eine genauso erstaunliche Weise George ähnlich wie Berg Wilde. An Wagner durfte nicht gerüttelt werden; er gab mir verschiedentlich auf, Passagen aus der Götterdämmerung zu instrumentieren und dann mit den Wagnerschen Lösungen zu vergleichen, in der Tat ein ungemein lehrreiches Verfahren. Von sich selbst sagte er: beim Komponieren halte ich mich immer für den Beethoven, nachher höchstens noch für den Bizet. Die schon zu seinen Lebzeiten weitverbreitete Neigung, ihn gegen Schönberg auszuspielen, war ihm besonders unsympathisch – vielleicht, weil er gerade darin eines Gefahrenmoments der eigenen Kunst sich bewußt war. Von Bartók hielt er viel, und es bereitete ihm große Genugtuung, als er in dessen Viertem Quartett deutlich den Einfluß der Lyrischen Suite gewahrte. Strawinsky spielte in seinem geistigen Haushalt kaum eine Rolle; nur daran kann ich mich erinnern, daß er von den drei Japanischen Liedern sehr positiv sprach. Sein Verhältnis zu den ›großen Meistern‹ der traditionellen Musik war, wie in der gesamten Schönbergschule, ungebrochen respektvoll. Eine besondere Liebe hatte er für Schumann, war sich wohl auch einer gewissen Wahlverwandtschaft mit dessen Ton bewußt. Was heute als ›Barockmusik‹ geht, interessierte ihn überhaupt nicht; wie für jeden anständigen Musiker fing für ihn die eigentliche Musik eben doch mit Bach an. Gegen abfällige Bemerkungen, die ich über Bruckner machte, wandte er nichts ein, obwohl er sicherlich anders dachte und die Unreife meines Urteils durchschaute, aber er überließ die Korrektur der Entwicklung – sie erfolgte erst nach seinem Tod unter dem Eindruck der VII. Symphonie unter Webern in London.

 

Berg hatte eine außerordentlich schonende Liebe zu Dingen, und jede Gewaltsamkeit, ja jedes Ungeschick im Umgang mit ihnen verletzte ihn. Mit Stolz zeigte er mir einmal seinen Rasierapparat, den ersten und einzigen, den er besaß, seit er sich zu rasieren anfing, und den er so sorgfältig pflegte, daß er aussah wie neu. (Wir unterhielten uns über Rasieren. Ich meinte, es wäre doch gut, wenn ein Mittel erfunden würde, das uns den Bart ein für allemal wegnähme und uns der täglichen Mühe enthebe. Berg widersprach dem: ein glattrasiertes Gesicht habe nur darum seinen Reiz für Frauen, weil sie den sprossenden Bart darunter fühlten. Auf diese Weise hat Berg für sich die Dialektik entdeckt.) Etwas von diesem Verhalten ist in seine Musik eingegangen, in der unendlich geduldigen und liebevollen Durchbildung der Details. Gerade weil seine ursprüngliche Anlage ins Große ging und zwar im Sinn des Chaotischen, des Todestriebs, fühlte er überaus stark die Notwendigkeit des Korrektivs durch die handwerkliche Treue; es ist etwas von glückvoller Pedanterie in seinem Werk, und das hängt wohl auch mit jenem Bedürfnis nach allseitiger Sicherung – heute würde man sagen ›Abschirmung‹ – des von ihm Komponierten zusammen, die ihn etwa in der Oper gleichzeitig große Formkonstruktionen und durchgehaltene Leitmotivik handhaben hieß, und damit freilich eine gewisse Gefahr der Überbestimmung, des auf nichts verzichten Könnens heraufrief.

 

Ich glaube mich nicht dem Verdacht der Treulosigkeit gegen die eigene Theorie auszusetzen, wenn ich sage, daß, mit Hinblick auf den einzelnen, Armut und Reichtum nicht ohne weiteres und unmittelbar identisch sind mit den tatsächlichen Besitzverhältnissen, jedenfalls innerhalb der bürgerlichen Klasse. Ich habe Menschen gekannt, einen berühmten Universitätslehrer, einen leitenden Radiofunktionär, die sehr viel Geld verdienten und trotzdem die Aura der Armut und Dürftigkeit nie los wurden. Umgekehrt gibt es Menschen, die es knapp haben, ohne doch jemals den Eindruck der Armut zu erwecken. Berg war einer von diesen, mehr vielleicht als jeder andere, der mir begegnete. Von Haus aus war die Familie wohlhabend, aber schon längst vor dem Ersten Krieg in bedrängte Umstände geraten, und daraus sind Berg und seine Frau nur für eine sehr kurze Zeitspanne herausgekommen. Trotzdem hatte die Atmosphäre, das Wort richtig verstanden, immer etwas Herrschaftliches. Der erste Grund ist natürlich die Selbstverständlichkeit des Gut-gewöhnt-Seins bei beiden. Hinzu aber kam eine schwer abzuleitende gentleman- und ladyhafte Gestik, deren sie sich überhaupt nicht bewußt waren und die darum um so nachhaltiger sich kundgab. Nichts erinnerte in ihrer Lebenshaltung an Bohème. Helene war eine vorzügliche Hausfrau, und die traditionelle habsburgische Sparsamkeit hatte sich bei ihr umgesetzt in die Fähigkeit, mit ganz Wenigem doch einen menschenwürdigen Standard zu halten. Kaum je habe ich eine Wohnung gekannt, in der ich mich wohler fühlte; alles hatte eine bestimmte Art von Weiträumigkeit, Großherzigkeit; ›Jovialität‹ war ein Wort, das Berg gern und in einem hohen Sinn gebrauchte. Zu Hilfe kam ihnen wohl auch, daß einerseits das nie ganz durchkapitalisierte Österreich von jeher Intellektuellen Schlupfwinkel einer annehmbaren Existenz bot, und daß andererseits die sozialdemokratische Stadtverwaltung der Zeit nach dem Ersten Krieg Erleichterungen wie die Mietkontrolle schuf; die Wohnung kann Bergs nur äußerst wenig gekostet haben. Wovon er eigentlich lebte, war bis zu den Jahren seines großen Erfolgs, wie übrigens bei sehr vielen Wienern der freien Berufe, nicht ganz deutlich, man wäre aber auch nie darauf verfallen, danach zu fragen. Er unterrichtete nur ein paar Schüler, und die Honorare, die er verlangte, waren im Vergleich zu den damals im Reich üblichen lächerlich gering. Einnahmen aus seinen Kompositionen hatte er vor 1926 kaum. Irgendetwas vom Familienvermögen, vor allem der Kärtner Hausbesitz war noch übrig, und auch Frau Berg bezog wohl eine kleine Apanage. Trotzdem muß die Lage prekär gewesen sein, ohne daß je ein Wort darüber fiel. Eine kurze Zeit, etwa von 1928-33, ging es viel besser. Er bezog damals, vielleicht schon ein oder zwei Jahre früher, ein Fixum von der Universal Edition, das freilich ebenfalls in bescheidensten Dimensionen sich hielt. Als ich den Leiter von deren Opernabteilung, den unsäglichen Hans Heinsheimer, 1938 oder 39 in der Emigration in New York traf, sagte er mir: »Das habt Ihr nun mit Eurer modernen Musik. Nicht einmal in Deutschland wird sie mehr gespielt.« Man kann sich danach vorstellen, wie dieser Verlag mit Autoren umsprang, die nichts mehr einbrachten. Trotzdem hing Berg, wie übrigens auch Schönberg, an der U.E., vor allem dem alten Hertzka. Der Lebensstil der Bergs ging in jener glücklicheren Zeit deutlich ins Large; viel Freude hatte er an einem Auto, das er, soviel ich weiß, bis zuletzt behielt. Seit 1933 wurden die Dinge wirklich schwierig. Nicht nur fielen, unter dem Verdikt des Goebbels und seiner Journaille, die deutschen Einnahmen völlig aus, sondern die Universal Edition entzog ihm mit Rücksicht eben darauf die Apanage. Er lebte damals wesentlich vom Verkauf seiner Manuskripte, empfand wohl auch den Kompositionsauftrag von Louis Krasner als große Erleichterung, obwohl er sich über die künstlerischen Qualitäten des Sponsors kaum kann Illusionen gemacht haben. In diesen Jahren verbrachte er zum ersten Mal einen ganzen Winter auf dem Berghof, wie er sagte, um ungestört an der Instrumentation der Lulu arbeiten zu können, in Wirklichkeit wohl, weil sie dort um ein Nichts leben konnten. In der allerletzten Zeit kamen materielle Sorgen in seinen Briefen vor; so bat er mich, zu versuchen, das Manuskript der Lyrischen Suite an eine Londoner Mäzenatin zu verkaufen, was mir übrigens nicht gelang. Daß er und Helene die Furunkulose zunächst selbst behandelten, bis schon die Blutvergiftung eintrat, geschah ohne allen Zweifel einzig um der Ersparnis willen. Man geht nicht zu weit, wenn man ihn zu den Opfern des Hitler zählt, obwohl an seinem Tod sicherlich auch Wiener Schlamperei und Resignation und vielleicht sogar seine eigene Müdigkeit ihren Anteil hatten.

 

Berg litt an Asthma. Daß die Krankheit eine psychische Komponente hatte, war ihm bewußt, und er machte seine Witze darüber. Insgesamt hatte er etwas überaus Hypochondrisches und war geneigt, das leichteste physische Unbehagen sehr schwer zu nehmen. Überhaupt lag viel Neurotisches obenauf. Er fürchtete sich maßlos vor Gewittern und rannte von unseren weiten Wegen querfeldein nach Hause, sobald es donnerte. Sehr besetzt war der Komplex ›Eisenbahn‹. Er kam immer, prinzipiell, viel zu früh an Züge; einmal, erzählte er, wäre er drei Stunden vor Abfahrt dort gewesen und hätte es dann fertig gebracht, den Zug doch noch zu versäumen. Etwas an ihm erinnerte an den Wolf, der Wolf schreit; wahrscheinlich haben seine Frau und er, eben aus der Erfahrung der hypochondrischen Neigung, die letzte Krankheit verhängnisvoll unterschätzt. In dieser Hypochondrie steckte ein Moment von Süchtigkeit; Berg lebte, wie er einmal sagte, von Aspirin und Tee, genoß wohl überhaupt die euphorischen Aspekte der Krankheit. Er hatte übrigens als junger Mensch einmal einen Selbstmordversuch gemacht; ob seine Behauptung stimmt, daß ein Dienstmädchen ein Kind von ihm hatte, weiß ich nicht. Das Verhältnis zu Jugendstil und fin de siècle reichte bei ihm durchaus in die physische Existenz hinein; er hatte noch etwas von der Künstlergeneration, die den siechen Tristan als eine Art von Modell empfand. Altenberg, den er noch gut kannte, war für ihn einer der phares, ein Wort wie »Sezession« klang aus seinem Munde noch zeitgenössisch, und selbst zu Schreker gab es bei ihm, wie übrigens auch bei Schönberg selbst, gewisse Verbindungen; er hatte als ganz junger Mensch den Klavierauszug des Fernen Klangs, eines der Prototypen des musikalischen Jugendstils, angefertigt, und ein Bruder der wunderschönen Frau Schreker, Binder, war sein Schüler gewesen. Im Wozzeck gibt es eine Stelle, dort wo der Hauptmann davon spricht, daß er auch einmal die Liebe gefühlt habe, die er selbst als Schrekerparodie bezeichnete, aber man parodiert meist nur das, wozu man eine Affinität fühlt, und ein Element des Schwelgerischen, Luxurierenden ist aus Bergs Musik nicht wegzudenken. Ich erinnere mich noch deutlich, wie sehr es mich erstaunte, als er einmal schwärmerisch den Ausdruck »die Wonnen der Liebe« gebrauchte. Die Kritik, deren erbärmlichste Vertreter immer noch hellhörig genug sind für die Schwächen des edelsten Objekts, hat diese Seite von jeher herausgefühlt und viel Unwesens damit gemacht. Hierher rechnet vorab der Vorwurf des Nachwagnerischen. Aber er ist ganz undifferenziert; wer seine chromatisch gleitende, zur Dominante gleichsam widerstandslos hinsinkende Harmonik der Wagnerischen gleichsetzt, verfährt nicht viel anders als jemand, der Haydn und Mozart nicht voneinander unterscheiden könnte; und ist taub gegen die Unterschiede des Tons, die ich in dem Aufsatz entwickelt habe, der 1955 in der Wiener Zeitschrift Kontinente erschien*. Es kann sich aber gar nicht darum handeln, bei Berg die tonalen Elemente zu verleugnen und nicht einmal darum, die Stilbrüche zu verteidigen, die in vielen seiner Arbeiten, vor allem im Violinkonzert sich finden. Vielmehr handelt es sich darum, was Berg mit dieser Erbschaft machte, und gerade darin liegt vielleicht das Einzigartige seiner kompositorischen Leistung. Wenn er von der fröhlichen Leere späterer Zwölftönler sich unterschied, so gerade darum, weil er mit allen Kräften der Selbstbesinnung, der Konstruktion und der Erhellung von jenem Erbe zehrte, freilich auch es aufzehrte, so daß in seinen besten Stücken kaum mehr etwas davon sichtbar war, obwohl es ihm immer wieder, etwa auch noch im Vin des amants der Baudelairearie, in die Parade fahren konnte. Es machte gewissermaßen die Materie aus, an der seine kompositorische Kraft sich erprobte. Wenn ich von Max und mir sagen darf, unser ›Standpunkt‹ sei der marxistische etwa so, wie der Braten der Standpunkt des Essers ist, so läßt ganz gewiß etwas Ähnliches sich von Bergs Verhältnis zur décadence und ›Spätromantik‹, zum süchtigen und todessüchtigen Subjektivismus sagen. Die qualitative Fülle, die hinter dem Formenreichtum, dem unendlich reich durchgebildeten Charakter von Bergs Musik steht, weist zurück auf eine Sphäre der subjektiven Differenzierung, die heute kaum mehr gefühlt wird und deren Absenz die spätere Art Objektivität zum bloßen Residuum und damit zur abstrakten Negation macht. Anders ausgedrückt könnte man sagen, daß Berg einer von den Künstlern ist, deren Größe sich einem Opfer verdankt, dem, daß sie der eigenen Substanz etwas Fremdes, ihr nicht ganz Assimilierbares hinzugefügt haben. Falsche Freunde wie der tückische Germane Klenau haben das sehr wohl bemerkt und geglaubt, ihn damit an der Achillesferse zu treffen. Aber es scheint mir mit der bis ins Innerste fragwürdigen Situation nicht aller Kunst bloß sondern alles Geistigen heute zusammenzuhängen, daß es kaum mehr eine bedeutende Produktion gibt, die nicht in diesem Sinn sich entäußerte, sich um ihrer Heilung willen vergiftet hätte, so wie, nach der Meinung der reaktionären Plattheit, es der Spätromantiker Berg tat, als er sich Schönberg verschrieb. Wenn Berg in irgendetwas seine Kraft bewies, dann darin, daß er es vermochte, über ›sich‹, d.h. den vom Jugendstil schon weitgehend geprägten ästhetischen Jüngling hinauszugehen, der da zu Schönberg kam, und wenn die Elemente sich nicht verschmelzen ließen, so bezeugt das gerade eine große geschichtsphilosophische Wahrheit, den Verzicht auf ästhetische bruchlose Totalität in einer Welt, die solche Totalität als ›transzendentalen Ort‹ nicht mehr vorgibt. Das Stehen-Lassen der Brüche zwischen Moderne und Spätromantik ist angemessener, als begänne Musik absolut von vorn; eben damit fiele sie dem undurchschauten Gewesenen zur Beute. Berg hat auf meine Frage, warum in fast allen seinen Werken tonale Einschiebsel sich fänden, sehr gelassen geantwortet, das sei nun einmal so seine Art und er wolle dagegen nichts tun. Paradoxer Weise hat ihn gerade ein traditionales Moment, ein sehr österreichisches dazu bewogen, ganz wissend die Brüche stehen zu lassen, ein Widerwille, wie etwa auch Hofmannsthal ihn kannte, gegen alles Gewalttätige, dem nun einmal So-sein Entgegengesetzten; Treue zum Organischen hat ihn zum Unorganischen vermocht. Heute hört das jeder Esel, und ich will auch gar nicht sagen, daß ich damit kritiklos mich abfände: am Violinkonzert stört mich nicht nur der wirklich schwer zu verteidigende Stilbruch an der Stelle mit dem Bachchoral, sondern vor allem auch das fatale Straussische Schema von Tod und Verklärung, das im zweiten Teil die Dissonanz als Allegorie des Negativen und die Konsonanz im Namen einer Art von Erlösung heranzieht. (Das Violinkonzert, nebenbei gesagt, ist sehr rasch entstanden, und ich glaube, Berg kein Unrecht zu tun, wenn ich sage, daß gerade die vielberufene Vereinfachung und Abklärung seines Stils der Hast der Auftragskomposition zuzuschreiben ist. Er hat es sich in dem Werk unverkennbar leichter machen wollen; das ist gewiß der Grund dafür, daß dort, wo er eigentlich ein Sonatenallegro, also die symphonische Mitte geplant hatte, nun eine auskomponierte Kadenz steht.) Trotzdem ist das Violinkonzert nicht nur von größter Schönheit sondern gerade an einigen bedenklichen Stellen wie dem zweimaligen Zitat des Kärntner Liedes von einer herzbrechenden Gewalt der Rührung wie kaum etwas anderes, was Berg geschrieben. Er hatte überhaupt etwas, was nur den größten Künstlern gegeben ist, Zugang zu einer Sphäre, in der das Untere und von der Gestaltung Verlassene, der Kitsch, unmittelbar umschlägt in das Allerverbürgteste, vielleicht am ehesten vergleichbar Balzac, zu dem er ein sehr starkes Verhältnis hatte, das sich freilich wesentlich auf den mystischen Aspekt, auf Seraphita, bezog. (Seraphita war die Hauptquelle der Schönbergschen Theosophie und ist in der Jakobsleiter zitiert.) – Im Wozzeck liebte Berg am meisten die Stelle des vergeblichen Wartens mit dem Leerklang a – e über der Bewegung von h und f, und in der großen Wirtshausszene Wozzecks Frage »Wieviel Uhr« mit dem es-moll Akkord über a, also die Augenblicke, in denen der Ausdruck am ungetröstetesten die Trauer der Kreatur trifft. Bergs Stolz dagegen waren seine kompliziertesten Sätze, der Marsch aus den Orchesterstücken und das außerordentlich schwierige Rondo aus dem Kammerkonzert, von dem ich bis heute noch nie eine wirklich zureichende Aufführung gehört habe.

 

Bergs Haltung gab sich insgesamt pessimistisch. Es traf darin zusammen eine bestimmte, zugleich von ihm unter Ironie gesetzte Wiener Tradition, die des ›Raunzens‹, mit seinem individuellen Defaitismus, vor allem auch einer Neigung, eigene Mängel und Unzulänglichkeiten übermäßig hervorzukehren. Doch mag gerade das letztere eher eine Reaktion auf den eigenen Hochmut gewesen sein als primär, wie denn überhaupt der Bergsche Defaitismus ein Element des sich komisch Übertreibenden hatte. Sehr charakteristisch, daß er (ich habe das schon in meinem Nachruf 1936 erzählt**), sich ausmalte, wie die Nachrufe auf seinen Tod aussehen würden. Ein Schmock würde ihn mit dem jüdischen Lokalkomiker Armin Berger verwechseln; Paul Stefan würde über »den Sänger des Wozzeck« perorieren, der nun auch Hungers gestorben sei und sich damit der Kette unserer Wiener Großen eingefügt habe. Die Grenze von Ironie und Ernst war äußerst fließend, Bergs Späße stets nihilistisch, seine Selbstverkleinerung stets ironisch. Nie habe ich an ihm die leiseste Regung von Neid oder Ressentiment bemerkt. Auch Antisemitismus war für ihn gänzlich unvollziehbar. Er hat mir meinen Assimilantenhochmut gegen die Ostjuden abgewöhnt. Er fühlte sich selbst in der Tradition der deutschen Musik, aber Mahler und Schönberg ebenso, ohne darin auch nur die leiseste Reaktion auf Fremdes zu zeigen, im Gegensatz zu Webern, der Berg gegenüber, trotz des Adelsprädikats, wie ein verbissener, aufmuckender Kleinbürger wirkte. Um Politik bekümmerte sich Berg nicht viel, fühlte sich aber mit einer gewissen Selbstverständlichkeit als Sozialist. Sonderbar war seine Amerikophilie. Er sagte oft, wenn schon Technik, dann wenigstens radikal und gründlich; seine Neigung und auch Begabung für das, was man in Amerika gadgets nennt, mag hineingespielt haben, vielleicht auch das Gefühl, drüben aus der Wiener Enge herauszukommen und sorgenloser existieren zu können. Er, wie die meisten Wiener radikalen Komponisten, deutete mit einer Art grimmiger Genugtuung auf alle Erfolge, welche die neue Musik, etwa unter Stokowski, drüben errang, und spielte das gegen die Wiener Philharmoniker aus. Überhaupt war er so oppositionell zum gesamten offiziellen Wien, wie er andererseits wienerisch war. Als ich, von dem Hochmut der Opposition angesteckt, es versäumte, die Wiener Oper zu besuchen, schimpfte er mich furchtbar aus, ich ging denn auch in die nächste mich interessierende Aufführung, Salome mit der Jeritza, die mir allerdings in grauslicher Erinnerung blieb: der Ausdruck Kulissenreißer traf auf diese Sängerin im buchstäblichsten Sinn zu. Viel dagegen war ich mit Berg im Theater in der Josephstadt, unter anderem in der Uraufführung von Werfels Juarez und Maximilian. Bergs Stellung zu Werfel war natürlich besonders kompliziert; denn Karl Kraus war die unbefragte Autorität, aber zugleich war Werfel der Mann von Alma Mahler, und Berg hatte ihn auch ganz unmittelbar gern.

 

Nicht wegzudenken aus dem Bilde Bergs ist eine Art sinnlicher Kultur, wie man sie etwa auch in Paris findet, ein sehr subtiler Sinn für gutes Essen und vor allem auch Wein. Ihm danke ich die Kenntnis des damals vorzüglichen, wenngleich überaus schwarzgelben Restaurants Weide in Speising, mit den berühmten Krebspastetchen, auch die von Schöner in der Siebensterngasse. Alle Dinge des Alltags, vor allem die, welche etwas mit Genuß zu tun hatten, besaßen bei Berg eine Wichtigkeit und Würde, die mir Deutschem damals noch ganz fremd war und der man etwa bei frommen Juden begegnen kann. Der metaphysische Pessimismus Bergs involvierte zugleich einen sublimierten Hedonismus, ein Ernst-Nehmen der Freude um ihrer Unwiederbringlichkeit willen. Positive religiöse Tendenzen hat er nie gezeigt; vielleicht hat sich das in der letzten Zeit geändert.

 

Von den weitaus meisten Musikern, die ich kennengelernt habe, unterschied Berg sich durch seinen literarischen Sinn und sein literarisches Niveau. Die Kriterien kamen zum Teil von Kraus, zum Teil aber doch von seiner eigenen ästhetischen Anlage – sicherlich hat er als junger Mensch viel geschrieben, und einige seiner literarischen Arbeiten, wie die Polemik gegen Pfitzner und der Aufsatz über das Schönbergsche d-moll-Quartett, bezeugen seine Ausdrucksfähigkeit auch in Worten. Benjamin hat mit erstaunlichem Instinkt gesagt, daß Berg als Komponist zu der Dichtung Büchners sich ähnlich verhalte wie Kraus zu Claudius und Göcking. In der Wahl seiner Texte lag etwas von der Neigung des Literators zur ›Rettung‹. Seinen eigenen literarischen Sinn hat er am erstaunlichsten bewährt in der Einrichtung von Wozzeck und Lulu für die Komposition; beides sind wahre Meisterstücke. Er schwankte, ob er Pippa oder Lulu komponieren sollte; ich redete ihm mit allen Argumenten zur Lulu zu, und überzeugte wohl den Theaterpraktiker in ihm mit dem Hinweis auf das Zerfließende, dramaturgisch Unmögliche der Pippa nach dem allerdings genialen und überaus musikfähigen ersten Akt. Soma Morgenstern hat sicherlich in der gleichen Richtung argumentiert, doch bilde ich mir ein, wesentlich das Verdienst für Bergs Entscheidung zu haben. Mein Eindruck war auch, daß ihm Gerhart Hauptmann, mit dem ihn die Mahler in Santa Margherita zusammenbrachte, nicht sonderlich gefiel; Hauptmann war längst bei Kraus in Ungnade gefallen. Kraus kannte er, hatte für ihn die höchste Verehrung; wir sind wohl, wann immer ich in Wien war, zu jeder erreichbaren Krausvorlesung zusammen gegangen. Doch glaube ich nicht, daß er ihn damals selbst sah. Dagegen schickte er ihm besonders schmackhafte Greuel aus der Musikpresse und triumphierte besonders, wenn er dort irgendwo ein »Ausgebaut und vertieft« fand; Verschiedenes solcher Art ist in die Fackel eingegangen. Bei Krausvorlesungen spielte Berg manchmal den Dummen und behauptete, sehr pointierte Gedichte beim ersten Hören nicht ganz erfassen zu können, wie er denn mit seiner Langsamkeit auch musikalisch kokettierte. Überhaupt bezichtigte er sich dessen, für Lyrik keinerlei Verständnis zu haben – trotzdem er Baudelaire komponierte, den damals wohl nicht viele deutsche Komponisten kannten, und plante, Chöre nach Gedichten von Ronsard zu schreiben (etwa 1926); die Werfels hatten ihn darauf aufmerksam gemacht. Er meinte aber ein Richtiges: das Riesenmäßige an Berg widerstrebte der begrenzten lyrischen Form, er bedurfte eigentlich immer großer Flächen, und die Klarinettenstücke sind die Ausnahme, die die Regel bestätigen. Zwischen der Faser, der atomisierten Kleinarbeit und der großen Totalität gab es für ihn eigentlich kein selbständiges Mittleres; das einzige lyrische Werk des Reifen, die Weinarie, faßt denn auch sogleich die drei Gedichte zu einer großen Form zusammen. Ihm widerstrebte wohl die endliche, in sich ruhende Gestalt. – Einmal machte ich ihn auf Hofmannsthal und den Turm aufmerksam und die Möglichkeit, daß er ihn komponieren könnte, so wie ich ihn auch auf den Kaspar Hauser-Stoff als einen ihm sehr wahlverwandten hinwies. Aber er wollte mit Hofmannsthal, im Zeichen von Karl Kraus, nichts zu schaffen haben; er sah nicht, daß er eine andere Seite als die des Salzburger Rummels hatte. Die einzige Beziehung, die zwischen beiden bestand, war, daß ein Dienstmädchen nacheinander in beiden Häusern diente.

 

Als ich nach Wien kam, stellte ich mir den Schönbergkreis einigermaßen fest gefügt vor, etwa wie die Georgianer. Davon war damals schon keine Rede mehr: Schönberg lebte in Mödling, war jung verheiratet und wurde von seiner Frau, wenigstens nach Ansicht der alten Garde, etwas von seinen Freunden isoliert; Webern wohnte wohl auch schon in Mödling, wenn nicht in Maria Enzersdorf. Man sah sich recht selten; Berg klagte besonders darüber, daß er mit Webern und mit Steuermann, den er sehr lieb hatte, so selten zusammenkomme, und machte dafür die Größe von Wien verantwortlich; doch trennte ihn wohl von den anderen Schönbergschülern eine gewisse Liberalität, wohl auch das Bedürfnis, seine sehr zarte und empfindliche Art von der Tyrannis des Kreises einigermaßen frei zu halten. Schönberg lernte ich durch Berg kennen, an einem Sonntag in Mödling, wo Webern in der Kirche eine Brucknermesse (die in f-moll wohl) dirigierte; ich wagte kaum ein Wort zu sagen. Zu einer näheren Berührung kam es erst in der Wohnung von Kolischs in der Wiedener Hauptstraße, wohin mich Berg eines Abends mitnahm; die Kolischs spielten damals in einer unvergeßlichen Aufführung das f-moll-Quartett von Beethoven, das Schönberg einstudiert hatte. Berg verkehrte damals viel mit einem Rechtsanwalt Ploderer, der eine beunruhigend schöne Frau hatte, deretwegen er sich denn auch später das Leben nahm, und mit Soma Morgenstern. Dessen polnischem Musikerkreis gehörten unter anderen Karol Rathaus und Jascha Horenstein an; Morgenstern täuschte sich nicht über den kompositorischen Qualitätsunterschied. Seine Raschgeistigkeit und sein Witz haben Berg sehr imponiert; sicher war er ihm geistig in manchen Dingen genehmer als ich, dessen philosophische Belastung ihm wohl zuweilen unter die Kategorie dessen fiel, was er »fad« nannte; ich machte einmal einen Spaß darüber, und er hat meine Beobachtung nicht geleugnet. (»Fad«, das Langweilige, nicht sinnlich Schmeckende, war überhaupt eine seiner großen Kategorien. Kraus nannte einmal den Kritiker Ihering einen Fadian; Berg hatte seine helle Freude daran. Auch darin steckt etwas Anti-Reichsdeutsches.) Sicherlich war ich damals von einem tierischen Ernst, der einem reifen Künstler auf die Nerven gehen konnte. Bei Alma Mahler führte er mich ein, damit ich dort der Barbara Kemp, die im Dezember 1925 die Marie kreieren sollte, den Wozzeck vorspielte, was ich denn auch, ich glaube ganz ordentlich, tat, ohne daß es doch zu jener Besetzung gekommen wäre; als später Berg und ich in Berlin wieder mit der Kemp zusammenkamen, trottelte sie mit uns über die Linden und erzählte uns immer wieder, sie arbeite an einer ganz neuen Auffassung der Carmen, sie fasse sie nämlich als Dirne auf. Von der Mahler, der ich natürlich einen unbeschreiblichen Respekt entgegenbrachte, war ich zunächst völlig entsetzt, vor allem über den Aplomb, mit dem sie sich der abenteuerlichsten Banalitäten rühmte. (»Gestern abend hab ich dem Beer-Hofmann gesagt: Kinder, euch fehlt oans, Blut.«) Selbstverständlich fügte sie sich schlechterdings nicht in das Bild, das ein Einundzwanzigjähriger sich von der Witwe Mahlers macht. Berg nahm, was ich dazu meinte, lachend und eher zustimmend zur Kenntnis; immerhin glaubte ich es mir schuldig zu sein, ein paar positive Phrasen über ihre ›Vitalität‹ von mir zu geben. Berg hakte sofort ein und sagte mir, ich möchte das, was ich da gesagt hätte, der Mahler, die schon nach Venedig abgefahren sei, schreiben. Das tat ich denn auch und bekam sogleich von ihr eine überaus herzliche Antwort, allerdings nach vierzehn Tagen genau denselben, womöglich noch etwas herzlicheren Brief zum zweiten Mal: sie hatte offensichtlich vergessen, daß sie ihn mir schon einmal geschrieben hatte.

 

Unmöglich von Berg zu reden und nicht auch von Helene. Es war, trotz der Ausbruchsversuche, die er gleichsam sich schuldig zu sein glaubte, eine sehr intensive Ehe und eine richtige. Helene war von Haus aus Sängerin, hatte aber ihre eigenen beruflichen Absichten bewußt aufgegeben, seit sie mit ihm verheiratet war. Sie war ganz außerordentlich musikalisch, von wirklich selbständigem Urteil, auch ihm gegenüber und nicht, wie viele Intellektuellen-Frauen, nur zum Schein ihm opponierend. Ich erinnere mich, als ich in späteren Jahren ihm ziemlich offen sagte, daß mir die Weinarie nicht so gefalle wie vieles andere, daß sie mir sehr ernsthaft beipflichtete. Selten habe ich einen Menschen gekannt, dessen Urteil über Kompositionen so sicher gewesen wäre. Sie hielt den Haushalt zusammen, ohne sie hätte wohl Berg die würdige Form seiner Existenz nicht finden können, ohne daß sie ihn je ›verwaltet‹ hätte. Sie sah unwahrscheinlich gut aus, schlank, fast so groß wie er, überaus feingliedrig, unverkennbar mit der habsburgischen Lippe. Wenn die beiden zusammen auftraten, entsprachen sie dem Blochschen Begriff vom Hohen Paar. Sicherlich hatte sie viele psychologische Schwierigkeiten; so litt sie für geraume Zeit an abendlichem Fieber, ohne daß irgendeine somatische Ursache festzustellen gewesen wäre. Sie ging deshalb für ein paar Wochen in ein Sanatorium in Hütteldorf; wir haben sie dort, an einem unbeschreiblich schönen Frühlingstag, besucht, der sich mir, ohne daß irgendetwas Besonderes sich zugetragen hätte, als einer der glückvollsten meines Lebens eingeprägt hat. Unter ihrer Eifersucht behauptete er sehr zu leiden, wie denn überhaupt die Beziehung nicht frei war von Strindbergschen Reflexen, wie es sich angesichts von Schönbergs Strindberg-Kultus geziemte. Es steckte eine große emotionale Kraft in ihr, die vielleicht erst nach seinem Tode, ins Pathische gewandt, ganz hervortrat: aber auch wenn man den spiritistischen Kult, den sie mit ihm betrieb, als groben Unfug und sogar als eine Verletzung der Distanz zum Toten verabscheut, steckt doch das Großartige darin, den Tod nicht anerkennen zu wollen, so wenig auch das Narzißtische, Possessive im Gestus der Witwe zu verkennen ist. Wir bedienten uns untereinander eines neckenden Tons, sie nannte mich Tedie mit einem langen e und ich sie den Kaiser Matriser, nach der Redeweise eines Führers im Schloß Schönbrunn, der mit diesem Ausdruck von Maria Theresia sprach. Wir hatten uns sehr gern; doch hat sie mir wohl später ein paar Sätze über die Lyrische Suite übel genommen, die ihr zu viel von dem programmatischen Gehalt preiszugeben schienen; sie deutete das in einem Brief an, und dann habe ich viele Jahre nichts von ihr gehört, obwohl ich ihr immer wieder schrieb. Erst nachdem Kolisch und ich im Februar 1955 in der Darmstädter Akademie ein Konzert zu seinem Gedächtnis veranstalteten und ihr zusammen mit einer Reihe anderer Musiker schrieben, hat sie geantwortet. Im Frühjahr 1955 wollten Gretel und ich sie in Wien besuchen, doch ist es dazu nicht gekommen, da sie bei Freunden im Salzburgischen weilte, wenigstens gab sie das als Grund an, vielleicht wollte sie sich doch dem Wiedersehen entziehen. Auf meine immer wiederholten Vorschläge, die Instrumentation des dritten Aktes Lulu einem Kollektiv von mit Bergs Stil aufs genaueste vertrauten Musikern zu übertragen, ist sie nicht eingegangen; im Namen der unverbrüchlichen Treue zu Bergs Intentionen scheint sie mir die Zukunft eines seiner wichtigsten Werke zu gefährden, denn als Fragment kann die Lulu auf der Bühne sich nicht halten. – Nachtragen möchte ich noch die sonderbare Freundschaft der Bergs mit Klenau und seiner Freundin, der damals freilich noch höchst attraktiven Klimt. Berg hegte für den Musiker Klenau vollkommene Verachtung und mokierte sich auch über den anachronistisch bohèmehaften Lebensstil mit Kissen und gedämpften Ampeln, ging aber doch ganz viel hin. Festhalten möchte ich auch noch Helenes Bruder, Herrn Nahowsky, der homosexuell und offen schizophren war, aber von einer unvergeßlichen Schönheit. Smaragda, Bergs Schwester, ihrerseits war lesbisch, zu ihren Freundinnen zählte eine höchst unsympathische Frau namens Keller und auch Mary Delvard, von den elf Scharfrichtern, eine gespensterhafte Verbindung mit dem Jugendstil. Berg und ich dachten uns gern eine Heirat zwischen Nahowsky und Smaragda aus.

 

Einiges über den Lehrer. Als ich zu ihm kam, hatte ich alles das, was man auf einem Konservatorium durchmacht, in Privatstunden bei Sekles hinter mir, mit Ausnahme des strengen vierstimmigen Kontrapunkts, den ich 1933 für mich allein noch einmal nacharbeitete. Berg entschied sich von der ersten Stunde an dafür, nichts dergleichen mit mir zu betreiben, auch nicht Formenlehre und das, was auf Musikhochschulen als ›freie Komposition‹ läuft, sondern nur meine eigenen Sachen mit mir zu besprechen. Ich darf wohl sagen, daß ich alles Entscheidende bei ihm gelernt habe; das, was Sekles mir übermittelt hatte und was übrigens nicht einmal nach dem eigenen Maßstab höchsten Ranges war, hat mir beim eigenen Komponieren so gut wie gar nichts geholfen. Um den Unterricht von Berg zu vergegenwärtigen, muß man sich seine spezifische Art von Musikalität vergegenwärtigen. Er reagierte außerordentlich langsam auch darin; hatte kein besonders gutes Gehör, spielte merkwürdig langsam und etwas ›vergrößernd‹, aber äußerst sinnvoll artikulierend, dabei eher unbeholfen Klavier; Dirigierversuche hatte er seit frühester Jugend aufgegeben. Seine ganze musikalische Kraft war eine der geistigen Imagination und des bewußten Verfügens über alle Möglichkeiten, dazu eine sehr starke und ursprüngliche Erfindungskraft, und es ist wohl unter den neuen Komponisten keiner, auch Schönberg und Webern nicht, so sehr das Gegenteil eines Musikanten gewesen wie er. Er sah sich gewöhnlich, was ich brachte, lange, brütend an und rückte dann ganz plötzlich mit Lösungsvorschlägen heraus, die, im äußersten Gegensatz zu meinem früheren Lehrer, niemals Schwierigkeiten umgingen oder ausglichen, sondern allemal den Nagel auf den Kopf trafen. Aufs stärkste hat er mein Gefühl für musikalisches Formniveau entwickelt, die Allergie gegen alles nicht Durchgestaltete, leer Laufende, und vor allem auch Mechanische und Monotone; und was immer er an einem Einzelfall exemplifizierte, war von solcher Kraft, daß es sich für alle Zukunft einprägte. So hat er in einem Lied, an dem ich sehr hing, den übermäßigen Gebrauch von Terzen beanstandet, zu dem ich damals überhaupt neigte, und mich damit ein für alle Mal von diesem bequemen Mittel des harmonischen Füllens kuriert. Er hat sehr auf die Vielheit von Gestalten gedrungen, freilich dann immer versucht, diese zu vermitteln, wie denn überhaupt all seine Korrekturen unverkennbar Bergischen Charakter trugen. Er war viel zu profiliert als Komponist, um sich ›einfühlen‹ zu können, und jeder einigermaßen Erfahrene wird aus meinen Sachen aus dieser Zeit die von ihm korrigierten Stellen ohne weiteres erkennen können, aber diese Lösungen, so sehr sie die seinen waren, hatten doch stets das Moment des Zwingenden. Sehr versuchte er, mir meine Hemmungen beim Komponieren abzugewöhnen; er hat mich überhaupt aufs äußerste ermutigt und kompositorisch in einer Weise inter pares genommen, die mich heute noch glücklich macht, selbst wenn sie zum Teil pädagogisch gemeint gewesen sein sollte. Um mich daran zu verhindern, mich so ins Detail zu verbeißen, daß es zu großen Zusammenhängen nicht hätte kommen können, riet er mir, weite Strecken nur in einer oder zwei Stimmen und unter Umständen überhaupt ohne bestimmte Noten nur mit Rhythmen und Kurven, gewissermaßen neumisch zu skizzieren. Die Kompositionsprinzipien, die er mir übermittelte, hatten deutlich den Charakter der Lehre, der Autorität ›unserer Schule‹, in deren Namen er mich schon von der ersten Stunde an dazu anhielt, jeder Note ein Versetzungszeichen, Kreuz, b oder Auflöser zu geben. Das Grundprinzip war das der Variation; alles sollte eigentlich aus einem anderen entwickelt sein und dabei doch in sich unterschieden; für den absoluten Kontrast hatte er, im Gegensatz zu Schönberg, wenig übrig. Er gab mir eine Reihe einigermaßen handfester Regeln mit, die sich mir gewiß später modifizierten, die sich aber als äußerst fruchtbar erwiesen. So unterschied er grundsätzlich zwei Typen des Komponierens, den symphonischen, entwickelnden und in sich vermittelten, und den des »Charakterstücks«, das jeweils in sich einen ganz bestimmten Charakter tragen und durch ihn von dem folgenden sich unterscheiden solle; als Beispiel dafür zog er vor allem die Georgelieder und den Pierrot von Schönberg heran. Seine Neigung zur Kombinatorik machte sich auch im Unterricht geltend. So riet er mir bei einem Variationensatz für Streichquartett, den formal zusammenzuschließen ich gewisse Schwierigkeiten fand, im Verlauf mehrere Variationen übereinander zu legen, zu kontrapunktieren, und ich glaube, das Stück ist dadurch wirklich befriedigend geraten; er selbst hatte übrigens etwa zur gleichen Zeit etwas ähnliches in größtem Maßstabe in dem Rondo des Kammerkonzerts durchgeführt. Zu meinen späteren Sachen hat er kritisch nichts mehr gesagt, aber sie – sehr im Gegensatz etwa zur Haltung Eislers – sehr hoch gestellt, wie er denn überhaupt nie daran zweifelte, daß ich zum Komponieren und zu nichts anderem auf der Welt sei.

 

In späteren Jahren hat Berg, gewissermaßen in Kompensation für ein Moment von Isoliertheit und Inkompatibilität mit dem Leben, eine Art diplomatischer Taktik und Lebensstrategie ausgebildet, gar nicht so unähnlich wie Benjamin es gern getan hätte, doch mit mehr Erfolg. Er gebärdete sich wirklich ein bißchen wie der »Außenminister seines Traumlands«. Ich glaube, ich habe ihm das noch gesagt, und er hat sehr darüber gelacht. Es wird wenig Wozzeckaufführungen gegeben haben, bei denen er nicht die Hauptbeteiligten, vor allem die Dirigenten, sämtlich mit Bildern bedacht hätte, auf denen sich überschwengliche Widmungen befanden. Noch heute werden zahlreiche Kapellmeister sich darauf berufen können, daß er ihre Aufführung des Wozzeck für die beste erklärte, die es je gegeben habe. Wahrscheinlich wäre es eine Simplifizierung, wenn man in diesen Dingen Zynismus sehen wollte; viel eher war es wohl so, daß er die eigene Generosität und verbindliche Freundlichkeit im Laufe seines Lebens in den Dienst des Realitätsprinzips stellte, wahrscheinlich ohne das selber so ganz zu wissen. In späteren Jahren hat er wohl zuweilen auch mich ein wenig unter diesem Aspekt gesehen. Nach der Londoner Aufführung der Lulu-Symphonie (1935) schickte ich ihm den Aufsatz über das Werk, der dann ein paar Monate später in der Gedenknummer der 23 erschien, zusammen mit einem sehr überschwenglichen Brief, der übrigens mein Hingerissensein in keiner Weise übertrieb, aber eben doch nicht literarisch verantwortlich formuliert war. Berg schrieb mir darauf, es sei schade, daß nicht der Aufsatz ebenso geschrieben sei wie der Brief; ich kann nicht leugnen, daß ich mich darüber ein wenig ärgerte, da ich den Brief in die Schreibmaschine hinuntergehauen hatte und den Aufsatz so gut geprägt, wie ich es damals eben vermochte. Doch ist die Neigung des berühmt Gewordenen (als ich zu ihm kam, fast ein Jahr vor der Berliner Uraufführung des Wozzeck, kannte außer ein paar Musikern kaum jemand seinen Namen), gegen den kategorischen Imperativ, der ohnehin in seine Landschaft schlecht paßte, sich zu vergehen und Menschen als Mittel und nicht als Zwecke zu gebrauchen, nicht schwer zu nehmen. Einmal war sein Leben vor allem nach 1933 so problematisch, er war so tief seines Antagonismus zum Bestehenden sich bewußt und empfand seine Erfolge so sehr als Mißverständnisse, daß er es als sein Recht ansah, die Welt zu überlisten, und wenn man darüber sich entrüstet, macht man sich selbst zum Sprecher der Welt. Dann aber spielt noch etwas Tieferes hinein. In den zehn Jahren, die ich ihn kannte, hatte ich immer mehr oder minder deutlich das Gefühl, daß er als empirischer Mensch nicht ganz dabei war, nicht ganz mitspielte; er war das Gegenteil eines existentiellen, mit sich selbst identischen Menschen, sondern hatte eine eigentümliche Unangreifbarkeit, im großen und von Kierkegaard nur aus Banausie geschmähten Sinn von Zuschauertum, und gerade da, wo er zu leben schien, in seinen Amouren und seinen Taktiken, trat das eigentümlich Scheinhafte hervor. Er entspricht darin dem, was Thomas Mann wie Gide von sich selbst gesagt haben und was am drastischsten vielleicht verkörpert wird von dem Proust, der noch über den eigenen Tod Notizen zu machen suchte, die er in die Recherche zu verarbeiten gedachte. Die gesamte empirische Existenz Bergs unterstand dem Primat des Werkes; er schliff sich selbst als Instrument dazu, und noch seine Lebensklugheit, die ja gar nicht so sehr klug war und zu nichts geführt hätte, wäre er nicht so schön gewesen – noch diese Lebensklugheit lief eigentlich immer nur darauf hinaus, Bedingungen herzustellen, die ihm gestatteten, seiner physischen Schwäche und seinen psychologischen Widerständen das Werk abzuzwingen. Aus einem Brief, der in der Reichschen Biographie abgedruckt ist und in dem er die Zeit beklagt, die er dem Schönbergschen Verein für musikalische Privataufführungen opfern mußte, geht das deutlich hervor. Meine eigene Reaktionsweise ist darin der seinen recht verwandt, und wir haben in diesem Punkt uns wortlos verstanden; ich habe gewissermaßen ein Organ für das bei ihm besessen, was ans Unmenschliche grenzt und was vielleicht mit seinem Charme zusammenhing, dem weiblichen Element. Er war übrigens nicht homosexuell, bekannte sich aber begeistert zu Weininger und sagte einmal, jeder anständige Mensch habe doch eine weibliche Komponente. Dies Moment der Unmenschlichkeit ist in einem äußerst emphatischen Sinn aufzufassen und wohl von seinem Verhältnis zum Tod nicht zu trennen, dem er sich wohl sein ganzes Leben hindurch so nahe fühlte, daß er das Leben gar nicht so ganz ernst nehmen konnte, sondern nur das, was etwa bleiben könnte. Aber es lag in diesem Element gar nichts Hartes oder Egoistisches. Im Gegenteil, er war immer bereit, alles von sich herzuschenken, auch das Kostbarste, was er hatte, seine Zeit, und seine Reaktionen waren die einer elementaren Freundlichkeit, wie etwa, wenn er mir, dem fast zwanzig Jahre Jüngeren, auf Spaziergängen die mit Manuskripten und Noten angefüllte Mappe trug, die ich unsinniger Weise immer mit mir schleppte. Er hat in Berlin unter äußerster Lebensgefahr einen Mann weggerissen, der unmittelbar vor einen einfahrenden Untergrundbahnzug auf die Schienen gestürzt war, aber dann mit großem, aus Geschmeicheltsein und Ironie undurchdringlich gemischten Vergnügen die Berichte darüber in den Berliner Blättern gelesen. Ich glaube, seine Unmenschlichkeit war menschlicher als was unter Menschen für menschlich gilt.

 

1955

 

 
Fußnoten

* Vgl. jetzt GS 13, s. S. 325ff.

 

** Vgl. Hektor Rottweiler, Erinnerung an den Lebenden, in »23«. Eine Wiener Musikzeitschrift, Nr. 24/25, 1. 2. 1936, S. 19; jetzt auch GS 13, s. S. 335.

 

Anton Webern

 

Zur Aufführung der Fünf Orchesterstücke, op. 10, in Zürich

Die Schwierigkeit und Exklusivität der Werke Anton Weberns rührt daher, daß in ihnen das Spannungsverhältnis zwischen vorgesetzter Form und personaler Freiheit vollständig aufgelöst ist, weil sie das formsetzende Recht allein dem Individuum zumessen: während die Verständlichkeit von Musik sonst eben durch eine Spannung ergänzt wird, die zwischen der Gemeinschaft und dem Einzelnen waltet; die von der Gemeinschaft bestätigend zum Einzelnen hinüberwirkt und die Gemeinschaft dem sprengenden Willen des Einzelnen öffnet. Bei Webern hat der Wille des Einzelnen den gemeinschaftsmäßig konstituierten Formkreis definitiv gesprengt. Die traditional vorgezeichneten Formen halten dem Angriff des subjektiv-expressiven Zwanges nicht stand. Längst zerfiel ihre Realität, und ihr Schein reicht nicht hin, die Seele zu umfangen, die, einsam nun, auf Wahrheit sich richtet. Weberns Musik entspricht, wie kaum eine andere, der Forderung des Expressionismus. Ohne nur die Frage nach ihrem objektiven Haftpunkt noch gelten zu lassen, hat sie an der reinen Darstellung der subjektiven – – freilich vom musikalischen Material schlechthin unabtrennbaren – Intention ihr Genügen; ihre Objektivation vollzieht sich allein darin, daß jene treu, genau und ohne Zugeständnis an die träge Selbstbestimmtheit des Materials realisiert wird. In solcher Beschränkung scheint sie geschichtslos; wahrhaft absolute Lyrik und, der Idee nach, nur sich selbst verständlich. So dringend denn auch, begrifflich faßbar zu werden, Weberns expressionistische Miniaturen subtiler Deutung bedürfen, so spröde entziehen sie sich ihr zugleich. »Was man auch sagt, alles wird zur Phrase dieser Musik gegenüber«, schrieb Webern von Schönbergs Kleinen Klavierstücken, die seiner Art am nächsten stehen. Den Rekurs auf bestehende Formtypen verwehrt von Anbeginn schon die Konsequenz, mit der Weberns Musik sie negiert; der interpretierbare Spannungsraum schrumpfte in ihr zum Nichts; die radikale Einheit ihrer Intention und Erscheinung verschließt sie dem Wort.

Dies gerade allerdings und der Anspruch auf Geschichtslosigkeit, den sie erhebt, indem sie keine zeitliche Tendenz in ihr Bereich dringen läßt, bezieht sie in die Geschichte ein. Ihr extremer Individualismus ist die Vollendung des romantischen; gebannt auf jenem Punkt, der geschichtlich den Umschlag markiert. Derart prägte die Schülerschaft Weberns Musik, daß sie ihm den Vorwurf höriger Abhängigkeit eintrug; und wenn seine Werke heute längst noch nicht nach Gebühr gekannt werden, so hat Mitschuld daran gewiß auch die Meinung, jener suspekte Individualist sei nicht einmal zur Individualität gediehen, sondern habe ihre Attitüde bloß vom Meister sich erborgt. Der Einwand tut Webern unrecht. Zu schweigen davon, daß der Zeitabstand zwischen den ersten von der Tonart emanzipierten Werken Schönbergs und Weberns viel geringer war als der zwischen Debussys und Ravels ersten stilistisch voll entfalteten Arbeiten, bei denen man ja auch trotz allem Ähnlichen nicht von Hörigkeit redet – er übersieht die spezifische Struktur eben der Kompositionen von Schönberg, die für Webern den entscheidenden Anstoß bringen mochten. Deren Zeichen ist die Tilgung der vorgesetzten Form, und anders nicht charakterisiert sich Schönbergs Technik etwa im dritten Klavierstück aus op. 11, als so, daß die immanente Stimmigkeit des Gebildes nach dem Maß der subjektiven Intention kontrolliert wird. Wenn Webern Technik und Kritik des Schönberg der George-Lieder und der ersten Klavierstücke akzeptierte, so folgte er ungeachtet der Identität der Mittel mehr dem geschichtlichen Zug, den Schönberg repräsentiert, als daß er an jenen sich verlor. Bei beiden gewinnen die Mittel, polemisch übereinstimmend, positiv sogleich verschiedenen Sinn. Während jene Werke von Schönberg die Stufe eines dialektischen Prozesses bezeichnen, der von der höchstgesteigerten romantischen Ausdrucksmusik über ihre tektonische Objektivierung zur entbundenen personalen Freiheit, weiter von da zur phantasiegetragenen Konstruktion führt und im Stande der Anarchie bereits wieder das Konstruktionsprinzip vorfühlen läßt, ist Weberns absolute Lyrik ziellos sich selber ziel- und abschlußhaft durchaus.

Nach alldem liegt es nahe, zu vermuten, daß Weberns Musik in sich geschichtslos sei und keine Entwicklung kenne. Aber ihr Ursprung ist echt dialektisch und der dialektischen Antithesen hat sie genug in sich, um sich zu wandeln in dem schmalen Raum, den sie sich konzediert. Auch ist sie als späte Romantik der Psychologie verschwistert, deren blinde Unendlichkeit ihr verwehrt, seiend in sich zu ruhen. Den dialektischen Ursprung stellen die ersten Werke drastisch heraus. Wie Alban Berg, der Symphoniker, dem die Kammersymphonie Richtung wies, expressionistische Miniaturen im Sinne Weberns schrieb, ehe er seine Orchesterstücke baute, so hat der Lyriker Webern an den strengsten Formen sich gehärtet, bis er sich fähig fühlte, ohne Wehleidigkeit – das Wort kommt von Schönberg – sich selbst zu begreifen. Sein Opus 1 ist eine Passacaglia, sein Opus 2 ein Doppelkanon. Die differenzierteste Harmonik, die psychologisch gestufte und zur Emanzipation bereite des mittleren Schönberg, muß sich dem Zwang des Schemas fügen, das sie füllt, ohne es zu erweitern. Die folgenden Arbeiten, zwei Liedhefte nach George-Gedichten, verhalfen der Idee der absoluten Lyrik zum Durchbruch. Fast völlig der Tonalität entfremdet, haben sie bereits die melodische, metrische Lockerheit der späteren Werke und die naturhafte Unmittelbarkeit des Seelenausdrucks. Aber sie sind noch motivisch gebunden und ihr Klaviersatz läßt sich von der figurativen Leichtigkeit und akkordischen Fülle des Instruments tragen. Auch die Fünf Sätze für Streichquartett op. 5, deren erster in fünfundfünfzig Takten den Sonatentyp beispiellos konzentriert, halten noch Haus mit Motiven. Doch ist ihr Verfahren so durchrationalisiert, so klein sind die schematischen Einheiten, deren sie sich bedienen, daß die vollständig partikulare Form des reifen Webern unvermittelt aus ihnen aufsteigt. In der Kürze des zweiten, vierten, fünften Satzes kristallisiert sich die expressionistische Miniatur aus. Sie findet sich manifest in den Vier Stücken für Violine und Klavier op. 7 (1910), den Sechs Bagatellen für Streichquartett op. 9 (1913), den Fünf Orchesterstücken op. 10 (1913), die in Zürich aufgeführt werden, den Drei kleinen Stücken für Cello und Klavier op. 11 (1914). Die Werke jener Gruppe denken die Situation zu Ende wie wenig sonst; ihre Fortsetzung wäre der Seufzer allein. Weit über die Harmonik hinaus wirkt ihre auflösende Kraft. Die Melodik zerfällt in frei wechselnde einmalige Partikeln, die schließlich zum einzelnen Ton sich reduzieren. Die Anlage des Ganzen, atomistisch kurz, enträt jeglicher Symmetrie. Der Kontrapunkt tupft karg die disparaten Töne gegeneinander; Lineaturen kennt er nicht mehr. Der Klang hat sich vom selbständigen Wesen der Instrumente geschieden, indem er ihre entlegenen Möglichkeiten untrüglich aufsucht und ausschließlich nutzt. Alles vorgegebene Sein der Musik ist ausgelöscht. Sie gehorcht der Seele bloß und ist durchseelt ganz und gar. Die Idee der Klangfarbenmelodie hat Webern realisiert. Danach – im Kriege – begann eine leise Wendung. Die Lieder op. 12 haben die Sparsamkeit der vorangehenden Kompositionen, sind aber einfacher, kehren zur melodischen Linie zurück; die erste Strophe des ersten Liedes gar ist eine achttaktige Periode mit Zäsur im vierten Takt. Weberns jüngstveröffentlichte Arbeiten, die Kammerlieder nach Trakl op. 14 und die in besonders gewählter Kammerbesetzung gehaltenen geistlichen Lieder op. 15, verfolgen ihr lyrisches Ziel mit einer neuen, zart in durchbrochenen Bögen ausschwingenden Polyphonie. Wie aus weiter Ferne zittert in ihnen der Sturm nach, den Schönbergs Konstruktivismus wider die vermauerten Tore der musikalischen Objektivität begann. Es ist die einsame Seele, die davor zittert und am Glauben sich hält; nichts sonst blieb ihr.

Daß Webern dem Dichter Trakl begegnete, darf symbolisch genommen werden. Beide gemeinsam sind heimisch in einem Bereich, wo es keine Gemeinsamkeit und Heimat mehr gibt. Beider Werk entwächst der abgelösten, sinkenden Innerlichkeit, beider Werk tönt von der Not der bei sich selbst gefangenen Seele in Schwermut. Sie beide bezeugen rein die Verlassenheit der Kreatur von Gott. Ihm gilt ihre Rede, der das Echo schwand.

 

1926

 

 

Anton von Webern

Der österreichische Komponist wird heute, am 3. Dezember 1933, 50 Jahre alt. Wenn sich um den Meister des dreifachen Pianissimo kein Lärm erhebt, so mag das in der Ordnung sein; die zuverlässige Hoffnung aber, daß er in hundert Jahren entdeckt, verstanden und glorifiziert werde, darf keine Ausrede dafür abgeben, daß man ihn heute vergißt – obschon die leidvollen Züge seiner Musik, Züge eines gebundenen und ekstatischen Sebastian, dem Martyrium vorbestimmt scheinen. Er gilt als Schönbergs strengster Schüler, und so düster ist die Orthodoxie seiner Strenge, daß manche nichts als hörigen Eifer darin finden wollen. Das einzige in den kargen Gesten seiner Musik ließe bloß mit genauen musikalischen Begriffen zureichend sich benennen; einer Musik, die, nach der schönen Erkenntnis des Lehrers Schönberg selber, eben nur ausspricht, was anders nicht als durch Musik ausgesprochen werden kann; entfernter dem redenden Wort als jegliches sonst. Wohl indessen läßt die literarische Landschaft sich angeben, an welche Weberns Musik dort angrenzt, wo jene abendlich endet. Es ist die des Expressionismus im prägnanten Sinne; moralisch abgegrenzt von Strindbergs Schuldfiguren, lyrisch versöhnt etwa in Trakls Versen. »Rechten Lebens Brot und Wein, / Gott in deine milden Hände / Legt der Mensch das dunkle Ende / Alle Schuld und rote Pein« – das dürfte jedem sich neigenden Ton Weberns, mehr noch der sprachlosen Demut seiner Pausen eingeboren sein. Von anderen überlebenden Expressionisten aber unterscheidet Webern sich durch Treue: die mythische Treue bis zum Ende, die Treue der Kreatur, die lyrischsprachlos vorm Tod aushält, bis der letzte Seufzer in Versöhnung entschwindet. Diese Treue ist zugleich eine des Stiles, der keine ›Entwicklung‹ und Ausbreitung kennt, sondern sich verdichtet; intensiv wird mit Verkleinerung und Schrumpfung des musikalischen Materials: in der unbegreiflichen Askese des Eremiten. Solche Askese vereint legendengleich die unvereinbaren Gegensätze; vor der Hütte seiner Musik äsen friedvoll miteinander der Wolf der Schuld und das Reh der Sanftmut. Denn der ländlichste Musiker dieser Tage ist der artistischeste zugleich; seine Sprache ist der Dialekt der Berge oder das himmlische Latein, doch nie eine der mittleren Verständigung; seine verwegene Kunst des Kontrapunkts und der Konstruktion gelangt, als zu ihrer künstlichsten Spitze, zum bloßen, einzelnen Ton: dem reinen kreatürlichen Laut. – Daß einzig das Neueste das Älteste ist und vielleicht vom Ewigen die Spur trägt: worum unsere jüngste Erkenntnis verzweifelt sich müht, das bezeugen Weberns Miniaturen seit fünfundzwanzig Jahren mit der Sicherheit der Handwerker und der Inspiration vergessener, darum aber um so mächtigerer theologischer Überlieferung. Einmal wird das ganz offenkundig sein. Jetzt darf gefordert werden, daß dem lebenden Webern die Gerechtigkeit widerfahre, die nur dem Lebenden widerfahren kann: daß man dem beschwörenden Dirigenten die würdige Stelle zuweist, die ihm gebührt.

 

1933

 

 

Hanns Eisler: Duo für Violine und Violoncello, op. 7, Nr. 1

Hanns Eisler ist der repräsentative Komponist der jüngsten Generation von Schülern Arnold Schönbergs. Sein Duo, das leichte Werk einer leichten Hand und das sicher disziplinierte zugleich eines hellen und scharfen Gehörs, hat nur zwei Sätze, begnügt sich mit knappen Dimensionen, in der Erkenntnis, daß über weitere Strecken der Klang der beiden Solostreicher ermüden müßte, wie manche Soloviolinsonate aus unserer Zeit redselig ermüdet. Der erste Satz ist Menuett im Ton, Sonate in der Struktur. Ein Thema von plastischer Anmut und lockerer Symmetrie wird in einiger Geschlossenheit entwickelt, sonst die Exposition mehr angedeutet als ausgeführt, der ganz kurze Seitensatz verschmilzt mit dem Grundmotiv des Hauptthemas, allein die ebenfalls nur einige Takte umfassende Schlußgruppe hebt sich ein wenig ab. Die Durchführung, dreiteilig gegliedert, beginnt mit einer lebhaften, frei duettierenden, sehr streichermäßigen Partie, die mit der Exposition kaum mehr gemein hat als einen punktierten Rhythmus aus dem Thema und die weiten Intervallsprünge des Schlußgedankens, jedoch durch den treu bewahrten und lustig modifizierten Charakter sich sprunglos ans Vorausgegangene anfügt. Eine ruhigere Phrase des Cellos, melodisch aus dem Anfang gewonnen, leitet zum zweiten Teil der Durchführung, der das Thema verarbeitet. Wie es der leichten Anlage des Ganzen gemäß ist, geschieht diese Verarbeitung nicht motivisch zergliedernd; völlig unaufgelöst, nicht einmal transponiert bringt das Cello die Menuettmelodie, von einem diskreten, aber sehr subtilen Kontrapunkt der Geige, gegen Ende imitatorisch, begleitet. Die dritte Durchführungsgruppe bietet eine ganz neue Formidee im Rahmen des Satzes und könnte fast als Trio gelten: aus dem Schlußgedanken der Exposition spinnt sich ein kleiner langsamer Walzer hervor. Die Reprise dann, die er abklingend vorbereitet, verläuft wörtlich bis zu jenem Schlußgedanken, den sie engführend und steigernd variiert. Zierlich rundet eine Coda den Satz, die die Walzeridee aufnimmt, diesmal jedoch mit dem Material des Hauptthemas erfüllt. Nicht minder als im unaufdringlichen Beziehungsreichtum des Stückes bewährt sich Eisler in einer Freiheit, die, an Mozart geschult, es ihm gestattet, Neues oft an Neues zu reihen und doch Einheit zu stiften.

War im ersten Satz die Sonate der lose Mantel um eine nach eigenem Triebe sich richtende Spielmusik, bestimmt sie kontrastierend im Finale die musikalische Inhaltlichkeit. Das zeigt sich schon in der Struktur des Hauptthemas, das ›offen‹ bleibt und ohne Kadenzierung, anfangs an der originalen Motivik festhaltend, in einen Vermittlungsteil übergeht, aus dem sich eine ausschwingende Cellomelodie einprägt. Seitensatz und Schlußgruppe sind verschmolzen: die Geige beginnt mit einer aus knappen Motivsequenzen gebauten Gesangsmelodie, das Cello antwortet, motivisch gebunden, mit einer wilden Sechzehntelfigur, dem eigentlichen Schlußgedanken, den die Geige weiter verfolgt, endlich wiederholt das Cello das Gesangsthema, läßt es in großen Bogen ausschwingen, während die Geige die Verwandtschaft des Schlußgedankens mit dem Hauptthema aufdeckt. An das Ende der Exposition zunächst und an ein Motivglied des Seitensatzes knüpft die Durchführung an; das Hauptthema fährt dazwischen, bescheidet sich aber rasch als Begleiter jener Cellomelodie des Vermittlungsteiles, mit der nun die Geige einsetzt (in einer Verkleinerung, die ursprünglich die Fortsetzung war: wie denn vielen Themen des Finales der Zug gemeinsam ist, sich rhythmisch zu verengen), die dann wieder dem Cello zufällt, rhythmisch ergänzt von Violinpizzicati, in denen sich das begleitende Motiv harmonisch verbirgt, das aus dem Hauptthema gewonnen ward. Eine Steigerung des Vermittlungsgedankens, zu Sechzehnteltriolen verjüngt, in den letzten vier Takten ein Motiv des erweiterten Seitensatzes mitbenützend, mündet in die rhythmisch variierende Durchführung des Hauptthemas, die sich präzis in fünf Takten vollzieht. Die Reprise, anders als die des ersten Satzes, beleuchtet alle Themen neu im Lichte dessen, was in der Durchführung geschah: Haupt- und Vermittlungsthema rücken zu einer Gruppe zusammen, die sich sehr selbständig gestaltet, allerdings stets die Expositionsthemen bewahrend; in diese Gruppe wird auch bereits der Seitensatz hereingezogen, der dann, wenn er als eigener Formteil kommt, nur in der erweiterten Fassung der Exposition gebracht wird. Die Schlußgruppe der Exposition ist ausgespart, nur eines ihrer Motive angedeutet; ihre Funktion leistet eine Coda aus dem Hauptthema.

Es wurde hier nur eine technische Formanalyse versucht, um hinzuweisen auf jene Phantasiebegabung Eislers, die seine eigenste sein mag, ohne so offen ersichtlich zu sein wie seine melodische Erfindungskraft, harmonische Redlichkeit und instrumentale Kenntnis. Das Duo wird zunächst für sich selbst sprechen und zugleich für den Meister Schönberg zeugen, in dessen Bereich Eislers kompositorische Strenge wuchs und fähig wurde, mit der freundlichen Grazie seiner spielerischen Art eins zu werden.

 

1925

 

 

Eisler: Klavierstücke, op. 3

Die jüngst erschienenen Klavierstücke geben Anlaß, mit allem Nachdruck auf den Autor hinzuweisen, der der eigentlich repräsentative aus der jungen Generation von Schülern Schönbergs ist und einer der begabtesten jungen Komponisten schlechthin. Eine Klaviersonate, ein Streichduo, Lieder und ein Melodramenzyklus sind bislang von ihm bekannt geworden und ließen keinen Zweifel an der Fähigkeit, wenn auch die entschlossene Konsequenz der Formgestaltung und der harmonischen Wahl die Kritik einigermaßen irritierte und ihr das billige Argument der Schönberg-Imitation zutrug. Das neue Werk ist Eislers reifstes und sollte selbst die kurzsichtigen Distanzierten, denen die Distanz nur die Sicht verschlägt, von Eislers spezifischem Wesen überzeugen. Daß er bei Schönberg alles lernte, was sich der Strenge des Meisters ablernen läßt, ist unbestreitbar und daß dies Gelernte nach Vielfalt und Präzision mehr umfaßt, als was man an fertigen Komponiermitteln bei Kompositionslehrern hantieren lernt, mag einzig aus der Meisterschaft des Lehrers resultieren. Wenn aber dies Gelernte verbindlich in Eislers Komponierpraxis übergeht, so sollte man doch, anstatt eilends die Originalität zu bestreiten, fragen: ob nicht etwa jene Schönbergische Technik in kompositorischer Aktualität objektiv gefordert sei; ob nicht die originelle Unabhängigkeit von ihr, in der sich manche zeitgemäßen Komponisten behaupten, einzig daher rühre, daß jene Komponisten im Kompromiß mit dem Herkommen oder der geschichtslos bequemen Individualität den Forderungen ausweichen, die die eigenen Gebilde ihrem Sinne nach an sie richten. Das anzuerkennen, setzt allerdings voraus, daß man ästhetischen Leistungen Macht der Erkenntnis und strikten Wahrheitscharakter zuschreibt, wogegen alle Widerstände der bestehenden Kunstgläubigkeit sich kehren. Eislers Musik indessen bewährt Erkenntnis in einem technischen Vermögen, um dessen vollständige Erhelltheit und offenbare Konkretion ihn der arrivierteste Protagonist der neuen Sachlichkeit oder Klassizität beneiden müßte. Und während unvollständige Konstruktionen in der Mühe der Selbstbehauptung abstrakter Leere bedürfen, fassen Eislers vollständige Architekturen Gehalte sehr besonderer Beschaffenheit oder vielmehr bilden absonderliche Figuren, die der abstrakten Enträtselung widerstreiten und zurückdeuten auf den Menschen. Es herrscht in ihnen ein koboldisch ungewisser und ambivalenter Ton, der kein vermittelndes Espressivo nutzt, einzig von der musikalischen Disposition herrührt, die ihn zugleich umfängt. Zwischen rebellischer Tücke und jäher Zartheit schwanken die Stücke trügerisch, zur spirituellen Klarheit ihres Erkenntnisstandes haben sie die Grazie des Naturells. Manchmal verschließen sie sich tief und dunkel und ruhen in sich; manchmal wagen sie es noch, sich auszusingen. – Die ersten drei Stücke wahren den Zusammenhang mit vorgezeichneten Formtypen, die sie auflösen in sich. Das erste, umfänglichste Stück ist ein Sonatenrondo mit Zweithemenexposition, Durchführung und Reprise; vor der Durchführung und als Coda wird das Rondothema wiederholt. Zugleich aber werden die Hauptmotive des Rondothemas durch das ganze Stück hindurch als Kontrapunkte derart beibehalten und weitergebildet, daß hinter dem Oberflächenzusammenhang eine zweite, geheime und eigentlich bestimmende Form entsteht. Das nächste Stück ist ein dreiteiliges Lied; die Wiederholung des Anfangsteiles ist bei genauer Erhaltung des Materials energisch variiert. Das dritte entspricht einem langsamen Sonatensatz von überaus plastischem Bau, es hat ein besonders schönes Seitensatzthema. Das letzte Stück ist frei und das merkwürdigste von allen. Es fügt sich aus zwei etwa gleich langen, motivisch in sich geschlossenen, aber voneinander ganz unabhängigen Teilen. Sie bindet allein die Heftigkeit des Kontrastes. Dem Konstruktionsprinzip ist damit eine sehr neue, sehr radikale, sehr stringente Technik der Aussparungen und Unterbrechungen abgewonnen.

Der Klaviersatz der Stücke, dreistimmig zumeist, ist polyphon, aber stets durchsichtig und bietet zumal in der Kombination von Stakkato- und Legatoklang dauernd subtile Spielprobleme, ohne Ansprüche virtuoser Geläufigkeit zu stellen. Zuvorderst wollen die Stücke musiziert sein. Kein Pianist, der Anteil nimmt an der Aktualität, dürfte sich ihnen entziehen.

 

1927

 

 
Gesammelte Werke
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