IV

Buchrezensionen

 

Chinesische Musik. Herausgegeben von Richard Wilhelm. Frankfurt a.M.: China-Institut [1929].

 

Es ist besonderer Anlaß, auf die schöne Publikation nach dem Tode des Herausgebers hinzuweisen, der als Sinologe wie als leidenschaftlich und ernst teilnehmender Musikhörer gleich wenigen legitimiert war, eine Arbeit in Angriff zu nehmen, von deren Gegenstand uns nichts vertraut ist; dessen Bild, soweit es uns gegenwärtig, fraglos durch einen romantischen Exotismus verfälscht ward, den durch die Sache zu korrigieren endlich die Stunde kam. Die Fremdheit des Gegenstandes wird denn auch nicht, wie in romantischen Adaptationsversuchen, verdeckt, sondern gleich zu Beginn herausgestellt in der schlagenden Schilderung des chinesischen Theaters, die Wilhelm gibt: » ... Und man wendet nur gelegentlich den Vorgängen auf der Szene ein halbes Ohr zu – bis plötzlich der einzelne Ton eines Sängers, eine unmerkliche Wendung des Körpers oder sonst ein Vorgang, den ein nicht Eingeweihter gar nicht bemerkt, Beifallsstürme entfesselt, die so unverständlich bleiben wie das scheinbar apathische Verhalten den anderen Szenen gegenüber.« Danach ist es richtig, den Europäer nicht unvermittelt den Ereignissen der chinesischen Musik gegenüberzustellen, deren exzitierende Reize allesamt Mißverständnisse wären, die unser durchreflektiertes ethnologisches Gewissen sich nicht mehr leisten darf. Es bringt also die Wilhelmsche Publikation keine musikalischen Texte, sondern allein musikalische Theorie; deren metaphysische Grundlegung aus den Werken der chinesischen Lehrer, nach den einzelnen Autoren faßlich geordnet; weiterhin materiale Musikdisziplin, wie sie in China wesentlich als Affektenlehre und als Instrumentenkunde ausgebildet ist. Die Theorie aber führt ins Zentrum: sie legt den mythischen Ursprung von chinesischer Musik frei und in der Konkretion, mit der sie ihn faßt, vielleicht nicht bloß der chinesischen; nur daß, was hier geschichtslos in seiner archaischen Gestalt begegnet, bei uns in die geschichtliche Dialektik überging und mit ihr zu anderen Konstellationen zusammentrat. Denn wie weit auch die chinesische Musikübung, die »nicht wie die europäische den Weg über Harmonisierung und Polyphonie gegangen ist, sondern ... im wesentlichen auf Polyphonie und Rhythmik eingestellt ...«, von der abendländischen geschieden sein mag: zur mythischen Realität verhält sie sich nicht anders als der Beginn unseres Musizierens. Die chinesische Musik ist, nach Wilhelms Formulierung, angelegt auf »die Befriedigung und Ordnung des gesamten Weltverlaufs«. Die Regel, nach der die Übereinstimmung der »achterlei Instrumente« gefordert wird, gilt, »damit der große Friede zwischen Gott und den Menschen entsteht«. Sie ist gerichtet auf Versöhnung: mit der Gottheit, mit der Natur, mit der der Mensch zerfiel. Sie bricht den alten Totemzauber; die ganze Musiktheorie von Maß und Ordnung, die die Chinesen statuiert haben, zittert nach unter der Furcht vor Dämonen und blinder Naturgewalt, die in Musik die Menschen zu beschwichtigen trachten; freilich nach den Gesetzen einer astralen Mythologie, der die Versöhnung wahrhaft nicht gegeben ist. Ihre Funktion heißt, gleich der tiefsten uns erreichbaren, Trost: »die Musik sollte«, nach dem Traktat des Wang Kuang Ki, »das innere Leben ausgleichen, nicht etwa durch Gottesfurcht« – also die mythische Angst, die sie löst –, »sondern durch die Hingabe an die tröstliche Wirkung der Töne«. So ist die Affektenlehre nicht innersubjektiven Ursprunges, sondern unablösbar an den mythischen Sachverhalt gebunden, von dem die chinesische Musik ihren Ausgang nimmt, und allein aus ihm zu begreifen, wie alle Elemente ihrer musikalischen Disziplin dorther stammen. – Zum Schaden der Publikation ist ein Beitrag von Walter Howard, der einen Vergleich der inkommensurablen chinesischen und europäischen Musik unternimmt und dabei im Sinne der modischen Verherrlichung primitiver Gemeinschaftskultur, aber auch manchen deutschen Tendenzen aus der Georgeschule und etwa von Pannwitz verwandt, die archaische Primitive gegen die entwickelte Musik glaubt ausspielen zu sollen; damit die Gefahr einer zweiten, gefährlicheren Romantik heraufbeschwört, die nicht das fremde Material umdeutend sich einfügte, sondern ihm sich unterwirft. Ihm gegenüber ist ans Unausweichliche der abendländischen geschichtlichen Dialektik zu erinnern, die, was immer an den mythischen Ursprüngen ewig sein mag, in ihren Figuren beschließen wird. Von solcher Dialektik des mythischen Wesens in der Musik verrät bereits die chinesische Musikästhetik Kenntnis. Bei Tschuang Tsi heißt es: »Die Musik wirkte anfangs Angst; durch die Angst wurdest du bedrückt. Dann ließ ich die Erschöpfung folgen; durch die Erschöpfung wurdest du vereinsamt. Zum Schluß erzeugte ich Verwirrung; durch die Verwirrung fühltest du dich als Tor. Durch die Torheit gehst du ein zum Sinn. Also kannst du den Sinn beherbergen ...« – Wohl ist, was mit dem Sinn, dem Tao in Wahrheit gemeint, uns verschlossen und all unserer Bemühen, ihn als Logos zu interpretieren, ohnmächtig genug. Aber ist der Weg zur Erhellung unseres musikalischen Materials durch dessen tiefste Dunkelheit hindurch nicht als Weg wenigstens sonderbar verwandt dem, den der Chinese den Affekten weist? – Es wäre zu wünschen, daß der Theorie eine Sammlung sorgfältig hergestellter und erläuterter musikalischer Texte folgte.

 

1930

 

 

Was will die neue Musik?

Die Frage: was eigentlich mit der neuen Musik gemeint sei; eine Frage, um die bisher entweder mit allgemeinen kulturphilosophischen Erwägungen herumgeredet ward oder die man durch die Beschreibung von materialen Eigentümlichkeiten der neuen Musik bereits gelöst meinte – diese Frage ist in dem Buche von Lotte Kallenbach-Greller »Geistige und tonale Grundlagen der modernen Musik im Spiegel der Gegenwart und Vergangenheit« (Leipzig: Breitkopf & Haertel 1930) ernstlich und radikal gestellt. Dies vorab das Verdienst der Schrift. Die alte Beobachtung, daß bei geistigen Bewegungen die Musik stets um zwanzig Jahre zu spät komme, scheint im übrigen, nachdem die Praxis ihr nicht mehr recht entsprechen will, hier für die Theorie zuzutreffen. Denn die Methode des Buches hält sich an jene ›Geistesgeschichte‹ im Diltheyschen Sinne, deren philosophisches Recht schwindet; nachträgliches Analogon etwa zu den literarhistorischen Arbeiten von Strich, den kunsthistorischen von Wölfflin. Das Nachträgliche der Methode kommt an der Fragwürdigkeit der Grundbegriffe zutage, die verwandt werden, ohne noch Kraft zu bewähren: Gestalt gewordene Erlebnisform, geistige Urgründe, der schöpferische Mensch treten nochmals auf und mit ihnen die Apparatur eines leeren Idealismus, der anders nicht die Wirklichkeit erreicht, als indem er sie als Polarität gigantischer Allgemeinbegriffe konstruiert, hinter deren Pathos die Banalität droht: »Die Sehnsucht nach Vergeistigung bildet eine Art Antinomie zu allem lebendigen Wachstum: der eigentliche Konfliktstoff unseres sogenannten geistigen Lebens.« (S. 17.) Geist und Natur, Zweck und Zweckfreiheit und ähnliche Antithesen stehen gegeneinander, zwischen denen, nach dem Schema des handfesten Irrationalismus, die »zeitlose Sehnsucht nach Erkenntnis des Lebensgeheimnisses« vermittelt. Der Einwand wider Terminologie und Form zielt auf die Sache. Denn das Buch selbst spaltet sich in Natur und Geist: die geistesgeschichtlich-kulturphilosophische Analyse, die – wie der Autorin nicht entgeht – die volle Realität nicht erfaßt, wird ergänzt gleichsam durch eine im einzelnen sehr geistreiche Analyse des invarianten Naturmaterials, während die volle geschichtliche Konkretion sich niemals in Natur und Geist aufspalten läßt, sondern, weder selbst ›geistbedingt‹ noch in Wahrheit an ein konstantes Naturmaterial gebunden, als ›sinnvoll‹ allein in ihrer ungeschmälerten, auch gesellschaftlich-ökonomischen Gestalt sich enträtselt. Wenn die Autorin den Satz von Ernst Bloch ablehnt, es sei Dialektik das Organon der Musik, so verrät sich daran gerade die Unsicherheit ihrer eigenen Methode, die es nicht vermag, in einer ausgeführten Dialektik des konkreten Zusammenhanges dessen habhaft zu werden, was ihr als Geist und Natur bloß schemenhaft noch erscheint. Mit dem schlechten, abstrakten Dualismus der Methode hängt es zusammen, daß das Buch, das sonst gerade über Schönberg ausgezeichnete Einsichten enthält, sich Behauptungen durchgehen läßt wie die, daß Schönberg »Musik schreibt, wie er sie als geistiger Mensch empfindet ohne Rücksicht, wie sie sinnlich klingt« – eine Behauptung, die vorm Material wesenlos wird, sobald man nicht nach einem unkontrollierten Schema von Natur und Geist verfährt. Trotz der prinzipiellen Bedenken bleibt des Fruchtbaren genug übrig. Selbst die Konzeption einer – freilich geistesgeschichtlich-immanenten, nicht soziologisch erhellten – Dialektik ist insgeheim angelegt in Erkenntnissen von der Art, daß die Fruchtbarkeit des musikalischen Individualismus darin beruht, daß die übersteigerten Individualitäten »wie reif gewordene Früchte platzten« (S. 66). Die Konsequenz daraus, die Frau Kallenbach nicht ausdrücklich zieht, wäre: daß der Umschlag eines extremen ›Individualismus‹, der sich in seiner Isolierung als materialgerecht erweist, geschichtlich besser legitimiert sei als eine undialektische Gemeinschaftskunst, die statt dessen mit einem konstanten Naturmaterial und einer konstanten Natur-Hörerschaft rechnet, welche beide nicht existieren. Dieser Konsequenz entspricht Frau Kallenbach insofern, als sie schließlich, trotz der irrationalistisch versetzten Ausgangsterminologie, die entschiedene Funktion von Bewußtsein für Kunst scharf akzentuiert und ein Programm der musikalischen Entmythologisierung vertritt, dessen Radikalismus nach den geistesgeschichtlichen Prämissen gut überrascht. Sie spricht von einer »völligen Rationalisierung des sensus«; setzt als wahrscheinlich: »Der ›Geist‹ wird ebenso als ›Tatsache‹ wirksam werden wie z.B. die Elektrizität«. In solchen Ergebnissen steht Frau Kallenbach dem Konstruktionsbegriff nahe, den ich, ohne Kenntnis ihrer Intentionen, in der musiktheoretischen Diskussion seit langem vertrete. Der Weg, der sie dorthin führt und damit das Buch, das den Weg beschreibt, ist als Weg zur Selbstverständigung zu begreifen; vor den besten materialen Befunden ›zerplatzt‹ die Geistesgeschichte wie, nach den Worten der Autorin, der Individualismus zerplatzte. Da diese Befunde recht weit vorn liegen, bei der Avantgarde, so wird es für viele nützlich sein, den Weg mitzumachen, auch wenn sein Anfangspunkt ungünstig gelegen ist; man wünscht dem Buch Erfolg als der rückwärtigen Verbindungslinie zwischen der fortgeschrittensten Praxis und dem mittleren Niveau einer längst akademisch arrivierten Kunsttheorie. Für die Autorin selbst ist zu hoffen, daß sie, nachdem ihr die Selbstverständigung gelungen, im Kleinen und darum Größeren erfülle, was das Buch im Umriß verspricht.

 

1930

 

 

Eine Musikpsychologie

Die »Musikpsychologie« von Ernst Kurth ist in Max Hesses Verlag (Berlin 1931) erschienen. Das Buch faßt nicht bloß die Elemente psychologischer Betrachtungsweise aus Kurths früheren Publikationen zusammen, sondern stellt den groß geplanten und mit höchster Energie durchgesetzten Versuch dar, alle unsere musikalischen Kategorien, von den elementarsten bis zu den differenziertesten, aus ihrem psychologischen Grunde zusammenhängend zu entwickeln. Es stellt fraglos eine der wichtigsten Leistungen der musikalischen Forschung aus den letzten Dezennien dar; in mancher Hinsicht bietet es ein Seitenstück zu den Untersuchungen, die Lipps vor allem für die bildende Kunst durchgeführt hat. Kurth beginnt mit der Abgrenzung der Musikpsychologie von der Tonpsychologie; danach entwickelt er die bekannten Hauptbegriffe seiner Musikauffassung in ›psychologischer Beleuchtung‹: den der musikalischen Energie, des musikalischen ›Raumes‹ und der musikalischen ›Materie‹ – wobei Raum und Materie eine metaphorische, undingliche, durchaus innerpsychologische Bedeutung bewahren. Die beiden Schlußabschnitte bringen fundierende psychologische Deskriptionen – fast dürfte man sagen ›Phänomenologien‹ – der zwei wichtigsten Erscheinungszusammenhänge des Musikalischen: des Klanges, den Kurth dynamisch denkt, und der musikalischen Form im engeren Sinne, also des innerzeitlichen Verlaufs von Musik und seiner Gesetzmäßigkeit. Das Buch gibt ein großes Maß an Lösungen her und fast ein noch größeres an fruchtbaren Problemen. Das Drängendste erscheint mir: ob die Region Musik tatsächlich durch Rückgang auf ihre psychologische Konstitutionsweise sich erschließen läßt und ob vollends eine psychologische Begründung von Musik durch so allgemeine, historisch weithin indifferente Begriffe möglich ist, wie Kurth sie zugrunde legt. Wir werden das Buch, dem innerhalb der musikalischen Diskussion zentrales Interesse zukommt, ausführlich erörtern.

 

1931

 

 

Ernst Kurths »Musikpsychologie«

Wenn im neunzehnten Jahrhundert das Bild der Musik umgeprägt ward von innermenschlichen Gehalten, die als ›Ausdruck‹ den erscheinenden Klang radikaler stets durchdrangen, dann hat der Prozeß der Subjektivierung, wie deutlich auch immer er am Musikmaterial selber beobachtet sein mochte, die theoretische Begründung der Musik selber nicht entfernt im gleichen Maße ergriffen wie die kompositorische und reproduktive Praxis. Wohl legt etwa die Riemannsche Funktionstheorie Zeugnis ab von einem Spannungsdenken, das, gegenüber der alten Statik der Musiktheorie, auf den Subjektivierungs- und Funktionalisierungsprozeß zurückweist, aber dieser Prozeß wirkt in ihr nach, ohne zum Bewußtsein seiner selbst erhoben zu sein. Es ist vielmehr für die Riemannsche Lehre als die wirksamste der jüngstvergangenen charakteristisch, daß sie die subjektiven Spannungselemente in einem statisch-objektiven, mathematisierenden Schema meinte bannen zu können, das mit der Dynamik der Phänomene unvereinbar war und schließlich zerfiel. – Der statischen, regelsystematischen, stets noch wesentlich didaktischen ›Musiktheorie‹ stand ergänzend eine ›Tonpsychologie‹ gegenüber, die die subjektive Seite der musikalischen Phänomene im psychologischen Experiment, mit den Maßmethoden der Psychophysik, zu bewältigen hoffte, in der Relation von Grundreiz und Empfindungsstärke ihr Zentralproblem sah, mit den materialgerechten und weitverzweigten Untersuchungen von Carl Stumpf über bloße Elementaranalysen auch bereits wesentlich hinausgelangte, aber doch, schon ihrer Thematik nach, den Formen musikalischen Zusammenhanges als solchen der spontanen Subjektivität fremdblieb. Die »Musikpsychologie« Ernst Kurths, 1931, ansprechend ausgestattet, bei Max Hesse publiziert, hat, grob und von außen gesehen, ihr Hauptverdienst darin, daß sie den Subjektivierungsprozeß, den im vergangenen Jahrhundert die Musik selber durchmachte, im Bereich der theoretischen Rechenschaft entschlossen und konsequent nachholt. Nicht zufällig gibt Kurth, als Resumé seiner musikalisch-deskriptiven Arbeiten, die erste zusammenfassende Darstellung ihres Stoffkreises, so viel auch an einzelnen musikpsychologischen Einsichten vor ihm schon bereit lag: erst mit der Durchsetzung tätiger Subjektivität als der Rechtsquelle musikalischen ›Sinnes‹ konstituiert sich ein Bereich der ›Musikpsychologie‹ als Einheit und grenzt sich von den Disziplinen der technologischen ›Musiktheorie‹ und der experimentalpsychologischen, nach Kurths Auffassung vormusikalischen ›Tonpsychologie‹ ab, die bislang das musikpsychologische Bereich überdeckten.

Dieser Abgrenzung dient, in seinem ersten Teil, Kurths Buch selber. Er knüpft dabei an die Fäden der psychologischen Forschung an, die zu den psychischen Zusammenhangsformen und ihrer Dynamik tendieren: die Gestaltpsychologie im weitesten Sinne, ohne daß im übrigen seine aufrißhafte Darstellung mit den erheblichen Modifikationen sich auseinandersetzte, die die Gestalttheorie von der Entdeckung der ›Gestaltqualitäten‹ durch Chr. von Ehrenfels bis zu den gegenwärtigen Lehren von Köhler und Wertheimer erfuhr. Die dynamische Fassung der musikalischen Gestalten (S. 14ff. und 76ff.), also die Annahme, daß mit musikalischen Zusammenhängen wie Melodien oder harmonischen Abfolgen ihr »energetischer« Charakter unmittelbar gegeben sei, deutet freilich auf aktuelle Strömungen der Gestaltpsychologie. Von der Tonpsychologie scheidet sich die Musikpsychologie dadurch, daß sie es mit ›Ganzheitserlebnissen‹ zu tun hat; diese Ganzheitserlebnisse prägen bereits die elementaren Phänomene bis hinab zum einzelnen Ton, der, so wie die Tonpsychologie ihn betrachtete, für die Musikpsychologie nicht mehr bedeutet als eine tabula rasa, die erst durch ihre Funktion im musikalischen Zusammenhang Sinn gewinnt; allerdings jedoch bereits unmittelbar erscheinend diesen Zusammenhang aus sich heraus produziert: »man kann dies auch so kennzeichnen: der Ton ist auf dieser Stufe« – nämlich der musikpsychologischen – »nicht mehr bloß das ›Abbild‹ der (von außen kommenden) Sinnesregung, sondern ist das, was in sie hineingebildet wird« (S. 10). Die dynamischen Gestalten der Musik interpretiert Kurth also von Anbeginn als produziert von der spontanen Subjektivität, die sich ihr ›Material‹ erst schafft (und es kann, beiläufig gesagt, in der Musik von einem Material sinnvoll nur als von einem bereits produzierten, nie als einem bloßen Naturmaterial die Rede sein – womit sich die billigen Einwände gegen den musikalischen Materialbegriff erledigen). Aufgabe der Musikpsychologie, wie sie Kurth vorschweben mag, ist die Analyse von musikalischen Phänomenen dergestalt, daß die Form ihres Zusammenhanges als Gesetzmäßigkeit der produktiven Subjektivität einsichtig wird. Diese Subjektivität wird in der Kurthschen Musikpsychologie nicht ihrer historischen Dialektik nach entfaltet, sondern vielmehr der Versuch unternommen, aus dem Wechsel der musikalischen Phänomene einen Grundbestand von Invarianten auszukristallisieren.

Dem gilt der zweite Abschnitt, der »Kraft, Raum, Materie« als musikpsychologische Hauptkategorien expliziert. Kurths Energiebegriff ist aus dem Buch über den linearen Kontrapunkt bekannt: als Grund-Prinzip der musikformenden Subjektivität wird er zum Ausgang der psychologischen Systematik und vor aller naturalistischen Mißdeutung – auch der ›anthropologischen‹, die die musikalischen Bewegungsfunktionen von der leibhaft körperlichen Bewegung, dem Atem, dem Blutkreislauf ableitet – sichergestellt. Ebenso sind die Kategorien des musikalischen Raumes und der musikalischen Materie allein mental gemeint. Nur metaphorisch ist die Beziehung zu äußerem Raum und äußerer Materie; andererseits aber meint die Kurthsche Analyse musikalischen Raum und musikalische Materievorstellung bei aller ›Undeutlichkeit‹ als mehr denn bloße Übertragungen, als originäre Phänomene des musikalischen Bewußtseins und Unbewußtseins zu statuieren; beide sollen entspringen dem Urphänomen der musikalischen Energie: »Es gibt eben nicht nur jenen anschaulichen Raum, der von außen ins musikalische Vorstellungsleben hereingezogen wird; es existiert auch ein Raum der inneren Gehörswelt als selbständiges musikpsychologisches Phänomen« (S. 134), das »den energetischen Vorgängen zugehörig und autogen« ist (S. 135). Ebenso wird die ›Materie-Illusion‹ als originär gegeben angesehen und ihr Ursprung wesentlich in der »verarbeitenden Dynamik« (S. 137) aufgesucht.

Die Grundkategorien werden im dritten und vierten Abschnitt auf das musikalische Material angewandt; das will sagen: es werden die elementaren musikalischen Erscheinungsformen, Melos und Harmonik, Mehrstimmigkeit und Klang, Rhythmik, Metrik und ›Form‹ im musikalisch-spezifischen Sinn als Erscheinungsweisen der psychischen Urgegebenheiten Energie, Raum und Materie betrachtet; stets unterm Primat der dynamischen Gesichtspunkte. Kurths ausgeführte Musikpsychologie ist also – darin allem Psychologismus weit überlegen – keine der ›Wirkung‹ von Musik, sondern eine Interpretation der objektiv-musikalischen Vorgänge selbst auf die in ihnen spontan sich durchsetzenden psychischen Elementarstrukturen. Unmöglich, ohne getreueste Diskussion den Reichtum der Kurthschen Interpretationen zu verfolgen. Zunächst sind es solche des ›Klanges‹ – der ungemein weit gefaßt, nicht auf die Klangfarbe beschränkt, sondern als gestalthafter Einheitsbegriff aller erklingenden, notwendig auf den Ton als ihr Material bezogenen Elemente gedacht wird, also das Gestaltphänomen des Zusammenklangs ebenso wie die ›Dynamisierung des Klanges‹ im Zeichen der Dissonanz und die melodischen Spannungsformen (Skala, Baßenergie, Modulatorik), dann erst die Klangfarben enthält. Dann interpretiert Kurth die ›Bewegungsformen‹, also die Rhythmik in einem ebenfalls neuen und erweiterten Sinn, der über die Zeit- und Betonungsrelationen hinaus die Formen der melodischen Kurvenbildung, die Psychologie motivischer und thematischer Arbeit, Wiederholungs- und Gleichgewichtsformen in sich begreift. Nur einige charakteristische Resultate Kurths seien herausgegriffen.

Besonders fruchtbar erweist sich die dynamische Methode bei der Theorie der Dissonanz. Nicht nur wird – wie es das Faktum der ›Neuen Musik‹ notwendig macht – der Begriff der Dissonanz von dem des ›Wohlklangs‹ endlich ganz emanzipiert und in jenes Spannungsverhältnis von Konsonanz und Dissonanz versetzt, das von je, an Stelle einer statischen Rangordnung, beiden Phänomenen ihren Sinn verlieh –; es wird auch ihr Verhältnis, ohne daß das Wort fiele, als dialektisch gefaßt, ihr Aufeinanderangewiesen-, ja ihr Durcheinander-Produziertsein dargetan, so daß zunächst der Sieg des Dissonanzprinzips nicht eine Schwächung, sondern eine Stärkung der Tonalität bedeutet (S. 180, Anm. 2): die Dissonanz hat die Tonalität nicht ›erweicht‹, sondern gefestigt, an ihr wieder sich selbst gehärtet, und an ihrer sprengenden Dynamik, nicht am bloßen reizsamen Chroma ist die Tonalität zugrunde gegangen; eine Tatsache, die zwar von Kurth nur gelegentlich (S. 204) gestreift wird, die aber gerade für die ›Neue Musik‹ und ihren Rechtsausweis von höchster Dignität ist. Ähnlich ergebnisreich ist die dynamische Psychologie für die rhythmische Problematik. Wenn Ernst Bloch in philosophischer Konstruktion dem mathematischen das dialektische Wesen der Musik kontrastierte, so hat Kurths Psychologie ihm die besten empirischen Belege geliefert: am evidentesten in der Auseinandersetzung über (mathematische) Symmetrie und (dialektisches) Gleichgewichtsprinzip, die die höchst begrenzte Gültigkeit der noch von Riemann vertretenen Symmetriegesetzlichkeit zeigt und die Herrschaft zeitlicher, nicht lokal meßbarer und nicht umkehrbarer Gleichgewichtsformen begründet.

Es ist dabei, unterm Blickpunkt der aktuellen musikalischen Praxis, höchst aufschlußreich und bestätigend, daß viele der von Kurth psychologisch entwickelten Lehrmeinungen im Problemzusammenhang der Musiktheorie bereits vor zwanzig Jahren in der Kurth offensichtlich unbekannten Harmonielehre von Schönberg als gültige Zeugnisse des kompositorischen Bewußtseins vertreten waren, damals auf Grund der herrschenden Riemannschen Überzeugung von der Wissenschaft abgewehrt wurden und heute im Lichte einer Erkenntnis sich als richtig behaupten, vor der der Oberflächenzusammenhang des Riemannschen Systems zusehends zerbröckelt. Das gilt nicht bloß für einen programmatischen Punkt wie das seinerzeit als expressionistisch verschrieene »Triebleben der Klänge«, das, man darf wohl sagen: im Zentrum von Kurths drittem Abschnitt steht. Auch so präzis abgegrenzte Probleme wie das der harmoniefremden Töne, deren Möglichkeit Kurth mit Schönberg bestreitet (S. 176), um sie in die konstruktive Logik der harmonischen Abfolge aufzunehmen; vor allem aber der Rekurs auf die alte Stufentheorie von Simon Sechter, gegenüber der widerstandslosen und zutiefst undynamischen, bloß an der Kadenz orientierten Funktionstheorie Riemanns; im Zusammenhang damit eine am Begriff der Nebendominante (bzw. Nebentonika) orientierte Grundlegung der Modulation zeigen die neue Psychologie, ohne ihr Wissen, gleichgerichtet mit der neuen ›Handwerkslehre‹. Auch sonst enthält das Buch eine Fülle von Relationen zur neuen Musik, deren Wahrheitsgehalt um so verbürgter sich darstellt, je weniger Kurth die nach-Debussystische und nach-Skrjabinsche Produktion in den Kreis der Betrachtung zieht oder auch nur anerkennt. Wenn Kurth meint, sich dagegen verteidigen zu müssen, daß auf Grund seines Kontrapunktbuches »die Meinung entstehen konnte, dies biete der modern-atonalen Technik eine Grundlage; der Kontrapunkt, den ich lehre, ist etwas vollkommen anderes als rücksichtslose Linienzusammenflickung« (S. 77 Anm. 2), so hätte sich nicht bloß alle neue Musik, die etwas taugt, dagegen zu verwahren, daß sie Linien willkürlich zusammenflicke, denn ihre Probleme sind, wie die jedes anständigen Kontrapunktes, gerade in erster Linie solche der harmonischen Reinheit. Darüber hinaus bietet gerade Kurths Werk der technischen Kontrolle der neuen Musik wichtigste Stützen; beispielsweise werden die für die gegenwärtige Konstruktionspraxis sehr wichtigen höheren Imitationsformen und der ›Krebs‹, banaler Weise als künstlich und intellektuell gescholten, trotz einer Einschränkung (S. 95) als psychologisch sinnvoll vergegenwärtigt; so wird mit der dynamisch-dialektischen Begründung der Tonalität und der ausdrücklichen Anerkennung ›vortonaler‹ Musik (S. 177) die Tonalität der Sphäre naturgesetzlicher Allgemeingültigkeit enthoben und damit zumindest negativ die Möglichkeit ihrer Beseitigung zugestanden. Besonders konsequenzenreich ist der Satz: »Jeder kraftvolle Alterationsstil legt bei chromatischen Fortschreitungen das Schwergewicht in den Spannungston, jede schwächliche Chromatik legt das Schwergewicht in die Auflösung, den Entladungsvorgang« (S. 180). Darin ist implizite die Forderung des reinen Satzes in der nichttonalen Verfahrungsweise gelegen, wie Schönberg sie einmal paradox formulierte: er schreibe den strengsten Kontrapunkt, Konsonanzen nur auf unbetontem Taktteil und im Durchgang. – Auch die Forderungen des neuen Reproduktionsstiles melden sich in Kurths Buch hinter seinem Rücken zwar, doch vernehmlich an; der Einwand gegen symmetrische Betonungen: »Bruckner ist noch meist ein Opfer dieser Unzulänglichkeit, aber auch Bach, sogar Beethoven und Mozart, die viel zu sehr aus der Kleinstruktur viertaktiger Perioden empfunden und in zerhackten Episoden dargestellt werden« (S. 264), die Anerkennung des ›Gegendranges‹, der in den Energien gegen die Symmetrien der Längenmaße liege, führt zur Ausbildung eines Darstellungsverfahrens, das bei strengster Einhaltung der Zählzeiten, an denen die Energien sich erst betätigen können, vom Schema der Betonung des guten Taktteils sich weithin emanzipiert, um nur dem Sinne nach zu betonen: womit aber zugleich der innere Widerspruch von eigentlicher melodischer Konstruktion und einer Symmetrie freigesetzt wird, die in dem tonalen Verhältnis von Ganz- und Halbschluß wurzelt: so daß sich mittelbar die Postulate der Metrik ebenfalls gegen die Tonalität kehren, mag auch immer Kurth zumindest für die Großrhythmik (nicht für die kleine innertaktliche; s.S. 314 der Betonungssymmetrie) höhere Wertigkeit zusprechen, als ihr im Sinne des neuen Darstellungsstiles zuzuschreiben wäre. – Selbst meine These von der Möglichkeit der Veränderung musikalischer Werke in sich scheint mir durch Kurth, wenn nicht bestätigt, zumindest gestützt: wenn »die Gehörswelt und ihre Ausgestaltung« »wechselnden Aufbaufunktionen unterliegt« (S. 23), dann hat die Annahme nichts Widersinniges, daß die ›Gehörswelt‹ in die musikalischen Zeichensysteme nicht vollständig eingeht; daß nicht bloß die ›Auffassungsweisen‹ der Werke wechseln, sondern in ihnen in strenger, nämlich durch die Zeichen verbürgter Gesetzmäßigkeit verschiedene Gehalte erscheinen; Gehalte, die nicht beliebig wechseln, sondern in einer werkeigenen geschichtlichen Dialektik, mit welcher die Werke als Mikrokosmen die makrokosmische Entwicklung in sich wiederholen. Diese Möglichkeit haftet einsichtig an der Auffassung des Materials als eines selber subjektiv – und wie darüber hinaus gesagt sein darf: geschichtlich – produzierten, in sich selber bewegten.

Bei alledem fehlt es nicht an Einwänden. Zu den vorspringenden Intentionen des Buches finden sich Gegentendenzen, die sie durchkreuzen oder zurückrufen: beim Dissonanzproblem ebenso wie beim Metrikproblem etwa ist ein zögerndes Schwanken zwischen statisch-naturaler und dynamisch-dialektischer Psychologie unverkennbar. Man wird darin zuvorderst den Ausdruck des dunklen, widerspruchsvollen Wesens der Musik selber sehen, die jeder blanken Eindeutigkeit sich entzieht. Gewiß ist solche Eindeutigkeit nicht zu fordern, und die Kraft des Buches, bestätigt schon durch die unkonventionell-mühselige, fast möchte man sagen: blinde Sprachform, liegt gerade in dem Vermögen, zäh und horchend die konkreten Widersprüche in sich aufzunehmen. Aber das Schwanken hat seinen Ursprung doch auch in der philosophischen Ausgangsposition Kurths, die zwar als solche nicht expliziert, aber deutlich spürbar ist. Sein Instrument, die Gestaltpsychologie, wird angewandt im Namen eines vitalistischen Irrationalismus, wie er für die Kunsttheorie zumal in den Arbeiten Wilhelm Diltheys wirksam wurde, dessen Aktionsradius in den verschiedensten Bereichen wieder merklich wächst und auf den auch Kurth nachdrücklich sich bezieht (S. 27). Im vitalistischen Irrationalismus als Gegenposition zu mathematisierend-rationaler, undynamischer Systematik haftet Kurths Erkenntnishaltung, und er ist es zugleich auch, der seine Erkenntnis weiter ins Dämmer von Unbewußtheit und Intuition zurückruft, als selbst der dunkle und widerspenstige Gegenstand und die materialen Befunde an ihm es notwendig machen; oder, historisch gesehen: er läßt Tatbestände, als organisch in bewegter Ewigkeit der Seele zugehörig, als invariant und allgemeingültig erscheinen, die nicht bloß, wie Tonalität und metrische Symmetrie, der historischen Dialektik unterliegen, sondern in ihrer Konkretion in ihr erhellbar sind. Der immanent unauflösliche Widerspruch zwischen bündigster Materialerkenntnis und genereller Unbewußtheit der Gegenstandssphäre lenkt den Blick auf die Methode. Die Dynamisierung der Musik, Grundkategorie Kurths, ist zunächst Produkt des neunzehnten Jahrhunderts, und es darf gefragt werden, ob ihr die Apriorität zukommt, die Kurth in Anspruch nimmt. Das wird sich freilich nicht psychologisch entscheiden lassen: die psychologische Rückfrage steht notwendig im Zeichen von Lebendigkeit. Aber das Problem ist: ob der Gegenstand von Musik ›Leben‹ sei. Die Gegenstandsfrage ist von Kurth aus dem Umkreis der musikpsychologischen Konstitutionsfrage ausdrücklich ausgeschieden (S. 62). Aber die Phänomene, die er als ›psychologische‹ behandelt, sind selber bereits in so weitgehendem Maße vergegenständlicht, daß es fragwürdig scheint, die gesamte Betrachtung von der Gegenstandsanalyse loszureißen. Die phänomenologische Scheidung von Akt und Aktgegenstand wäre sonach für Kurth doch nicht so unerheblich, wie er annimmt; was er psychologisch befragt, sind in weitem Umfang nicht bloße Akte, sondern Aktgegenstände, stets zwar bloß durch Akte gegeben, nicht aber auf diese – und auf ›Leben‹ – reduzierbar. Was Kurth noch Musikpsychologie dünkt, ist in Wahrheit großen Teiles bereits musikalische Gegenstandstheorie, und nur manche Gegenstandsgruppen sind als ›Ausdruck‹ Zeichen von Erlebnissen. In ihrer Objektivität und Endlichkeit aber stellen sie sich der Erkenntnis – wie Kurth in den besten Partien des Buches sie selber der Erkenntnis konfrontiert. Freilich nicht mehr einer von Invarianten. Sondern der historisch bestimmten. Im Materialbegriff, der subjektiv und historisch entspringt, der Subjektivität aber als ein Vergegenständlichtes sich entgegensetzt, hat Kurth selbst den Ansatz einer solchen weit radikaleren Umorientierung gewonnen. Vor ihr entfällt die traditionale Scheidung von ›Kunst‹ und ›Technik‹, an welcher Kurth methodisch (S. 57), wenn auch nicht im Fortgang der Analysen festhält. Technologie müßte sich legitimieren als kritische Disziplin im Bereich musikalischer Gegenstände. Indem sie ihr Material in seiner Geschichtlichkeit, ja die Vergegenständlichung selber als eine geschichtliche Funktion durchschaut, befreit sie sich aus dem Dunstkreis des Allgemein-Menschlichen. Die allgemeine Musikpsychologie zu einer historischen Theorie des musikalischen Gegenstandes vorzutreiben: das ist die Aufgabe, die Kurths bedeutendes Buch als Frucht seiner beharrenden Widersprüche hinterläßt.

 

1933

 

 

Eine Geschichte der Musikästhetik

Es ist keine Redensart, wenn von der »Geschichte der Musikästhetik in Umrissen« von Rudolf Schäfke, die 1934 im Max Hesse-Verlag zu Berlin erschien, gesagt wird, daß sie eine klaffende Lücke ausfülle. Denn ihre Aufgabe war bis jetzt noch nicht in Angriff genommen; großenteils sind die bestehenden Vorarbeiten verstreute, oft schwer zugängliche Monographien, und der bisher bekannteste Versuch einer Zusammenfassung bleibt, wie Schäfke mit Recht erklärt, »eine Summe – zum Teil übrigens unzureichend ausgewählter und meist isolierter – Einzelpersönlichkeiten«. Demgegenüber bedeutet Schäfkes problemgeschichtliche Darstellung einen entscheidenden Fortschritt auch dann, wenn man gegenüber seiner eigenen methodischen Ausgangsposition, nämlich der ›geisteswissenschaftlichen‹ Dilthey-Nachfolge, Vorbehalte anzumelden hat. Der Methodenstreit vermag die sachliche Leistung in den meisten Teilen des Buches um so weniger zu beeinträchtigen, als es nicht um eine aus der Geschichte der Ästhetiken aufsteigende neue, eigene Ästhetik sich handelt, sondern um eine historische Arbeit im besten, bescheidensten und fruchtbarsten Sinne der Tradition. Kein Philosoph überspinnt das Musikmaterial mit Meinungen, kein Musiker sucht liebhabergleich Ausblicke ins geistige Bereich. Sondern: ein Gelehrter organisiert sein erstaunliches Wissen mit allem Fleiß und aller Energie, und es gerät daraus ein Kompendium seines Sachgebietes selbst.

Es ist das Echtheitssiegel der gelehrten, an Sachgehalte gebundenen Verfahrensweise Schäfkes, daß ihm die am stärksten überzeugenden Lösungen dort gelingen, wo der Stoff am fernsten und fremdesten daliegt, am vollkommensten eben jeglicher Diltheyschen ›Einfühlung‹ entzogen ist: in der Behandlung der Musikästhetik der Antike, die in jeder Weise, auch um der Beherrschung der philologischen Apparatur willen, als außerordentliche Leistung zu gelten hat. Die historische Artikulation jenes Stoffes mag hier zum ersten Male gelungen sein. Die Vorzeit wird als »Magie der Töne« dargestellt; wobei höchst wichtige Einsichten vor allem auch zum Problem von Vokal- und Instrumentalmusik gelingen. Die Epoche der kosmologisch-rationalen Musikspekulation, üblicherweise unter dem Schlagwort »Pythagoreismus« verkürzt, wird entfaltet und deutlich abgehoben als erste Stufe gelungener Entmythologisierung, als »Noëtik der Harmonie«. Sie entspringt der »Absicht, das Flüchtig-Dämonische vorüberrauschender Musik zu meistern, zu bannen, zu kanonisieren, durch schriftliches Symbol zu klären, zu reinigen, zu heiligen«; mit ihr die Noten-Schrift. Eine neue historische Theorie der ›Sphärenharmonie‹ hebt sich besonders heraus. Aus ihr erwächst die Deutung der antiken Ethos-Lehre, d.h. der Lehre von der Seinsart der Tonarten und Instrumente. Gegenüber der mathematischen Metaphysik gewinnt endlich die Ethoslehre den Vorrang in der nacharistotelischen »Ästhetik der Tonkunst«, die Schäfke wesentlich als Zurückführung der Ästhetik auf das Erfahrungsbereich verstanden wissen möchte: eine eingehende Darstellung des Aristoxenos steht in der Mitte. Die entscheidende Frage freilich: ob der Charakteristik der Tonarten und ihrer ›ethischen‹ Wertung jeweils bündige Erfahrungen zugrunde lagen, vermag Schäfke so wenig wie die Vorgänger zu lösen: wie sie sich denn wohl der Lösung entziehen mag. Immerhin hängt davon der Sinn jeder Aussage über eine empirische oder gar psychologische Musikästhetik der Antike ab. Der Zerfall der antiken Musikphilosophie – demonstriert an der Skepsis des Sextus Empiricus – und die neuplatonische Beschwörung der alten Musik-Kosmologie wird in einiger Kürze abgehandelt; zumindest für Boëthius, der länger als ein Jahrtausend die Autorität in musikalischen Dingen bedeutete, wäre im Falle einer Neuauflage – die bei einem Standardbuch dieser Art bestimmt zu erwarten ist – eine etwas mehr eingehende Behandlung anzuraten, damit der Zusammenhang des Buches unabhängig von monographischen Untersuchungen verständlich zu halten ist.

Weniger an eigentlich neuen Resultaten enthält das zusammenfassende Kapitel über das Mittelalter. Die Darstellung der neueren Epochen erwehrt sich der Überfülle des Materials, indem sie an wenigen repräsentativen Theoretikern den ›Geist der Zeit‹ aufzuweisen unternimmt. So ist die Renaissance in drei Kapiteln: über Tinctoris, Glarean und die Florentiner Reformisten konzentriert, von denen insbesondere das vorzügliche über Tinctoris den Rang einer Monographie mit selbständigen Forschungsergebnissen besitzt. Beim Barock wird ein gewisser Mangel philosophischer Kategorien fühlbar; die Affekten-Ästhetik wäre nur aus dem Zusammenhang der großen rationalistischen Systeme wirklich zu begründen und vor der Verwechslung mit moderner ›Psychologie‹ sicherzustellen. Schäfke verweist zwar auf den Ursprung in Descartes' »Des passions de l'âme«, bleibt aber gerade hier die heute fälligen Entfaltungen schuldig. Verdienstlich die Behandlung der Kuhnauschen Kritik der Affektenlehre und seiner Programmtheorie; es wäre zu verfolgen, ob hier nicht eine musikästhetische Gegenposition zum barocken Rationalismus vorliegt. Für das 18. Jahrhundert muß wesentlich Mattheson einstehen.

Bei der Romantik treten die großen philosophischen Systeme zurück: Wackenroder und Tieck sind die Kronzeugen. Die musikästhetische Bedeutung Schopenhauers wird mit Recht eingeschränkt; Hegel, Schelling, Kierkegaard fehlen freilich ganz. Neu und treffend ist die Abgrenzung des frühromantischen Musikideals von dem des psychologischen Ausdrucks. Einleuchtend auch, trotz nicht eben glücklicher Formulierung, Schäfkes Umdeutung der Programm-Musik: »Soweit sie noch aus der lebendigen schöpferischen Kraft der Romantik entsprungen ist, will die Programm-Musik nicht wie in früheren Zeiten die unbestimmte Instrumentalkunst durch Überschrift und Programm rational bezwingen, sondern umgekehrt sogar zu ganz realistischen Erscheinungen und Vorgängen deren unnennbaren mystischen Untergrund erklingen lassen und dabei die dämonische Spannung zwischen hellem Wirklichen und dunklem Metaphysischen erleben.« Ausgezeichnet wird Hanslick als Grenzphänomen zwischen Romantik und Positivismus gesehen.

Die Musikästhetik der Gegenwart ist dem Problemtitel »Energetik« unterstellt und damit wesentlich auf Schenker, Halm und Kurth beschränkt; womit fraglos eine gewisse Verengung des Problem-Horizontes gesetzt wird. Hier immerhin sei eine Anmerkung gestattet. Wenn mit dem Zerfall der großen idealistischen Musikspekulationen die Musikästhetik zerfiel, so ist ihr Erbe gewiß nicht allein den phänomenologisch-neusachlichen Richtungen zugefallen. Sondern gerade soweit es jene Kräfte historischer Dynamik in sich enthält, die Schäfke mit Recht hier vermißt, ist es an ganz anderer Stelle wirksam geworden: nämlich in den technologischen Rechenschaften und Anweisungen der Komponisten. Leicht genug könnte der gegenwärtige Stand der Musikästhetik angemessener aus den Kritiken Wolfs, Debussys, den Berichten über Satie, den Aufzeichnungen Busonis, vor allem aber aus scheinbar rein ›handwerklichen‹ Schriften wie Regers Modulationsbeispielen und Schönbergs Harmonielehre entnommen werden, als aus den Schriften der Ästhetiker, die, wie Schäfke gut weiß, meist den Zusammenhang mit der aktuellen musikalischen Praxis verloren haben oder vielmehr – eben nach Schäfkes Darstellung – in Wahrheit nie besaßen. Das freilich würde einen Schritt voraussetzen, den auch Schäfke zu wagen sich noch scheut: die Rede von ›bloßer‹ Technik aufzugeben und Technik als den strengen Ort der Entscheidungen über den musikalischen Gehalt zu verstehen – der stets erneuten Entscheidung zwischen Subjekt und Objekt der Musik, zwischen der menschlichen Produktivkraft und ihrem Naturmaterial, die auch musikalisch niemals isoliert, sondern nur verschränkt vorkommen in eben jenem Prozeß, der mit der Freiheit der Strenge als ›Technik‹ sich vollzieht.

 

1934

 

 

Siegfried Kracauer, Jacques Offenbach und das Paris seiner Zeit. Amsterdam: de Lange 1937.

 

Das Buch ist, der Deklaration des Vorworts zufolge, eine »Gesellschaftsbiographie«, »in dem Sinne, daß es mit der Figur Offenbachs die der Gesellschaft erstehen läßt, die er bewegte und von der er bewegt wurde, und dabei einen besonderen Nachdruck auf die Beziehungen zwischen der Gesellschaft und Offenbach legt«. Als Schauplatz dieser Beziehungen wird nicht die Musik aufgesucht; nicht in ihr das Spiel der gesellschaftlichen Kräfte analysiert, welches das Offenbachsche oeuvre so vollständig erfüllt, daß die Figur des Komponisten es kaum mit größerer Autonomie lenken mag als der exakt zappelnde Kapellmeister, der unter Glas ein mechanisches Orchester zum Tanze dirigiert. Kracauer aber hat es mit dem Schicksal des Autors und seiner Werke in der Gesellschaft zu tun und seine Methode ist nicht sowohl kritische Analysis als die Konstruktion einer prästabilierten Harmonie zwischen Gesellschaft und Autor. Soweit das oeuvre ins Blickfeld tritt, fällt Licht vorweg auf die Texte, zumal die Halévyschen; die Gesellschaft wird durch abgeschilderte Typen repräsentiert und einen Anekdotenschatz, dem Kracauer gesellschaftliche Beweiskraft zutraut. Die These von der prästabilierten Harmonie bezieht sich wesentlich auf das zweite Empire; unter Louis-Philippe soll die Zeit für die Offenbachsche Operette noch nicht reif gewesen sein, und der dritten Republik soll ihr magisch-satirischer Glanz nicht mehr leuchten können. Die Angemessenheit ans zweite Kaiserreich wird erklärt, indem diesem selber phantasmagorischer Charakter zugeschrieben wird: »Die Operette konnte entstehen, weil die Gesellschaft, in der sie entstand, operettenhaft war.« Sie sei operettenhaft gewesen, weil sie »sich gegen die Wirklichkeit verstockte«, wobei Kracauer unter Wirklichkeit die republikanische Staatsform verstanden wissen möchte, die nach seiner Ansicht vom Stand der Produktivkräfte während des zweiten Kaiserreiches gefordert war. Die Offenbachdeutung konzentriert sich in der These, daß Offenbach mit Rausch und Satire dieser Gesellschaft angehöre und zugleich sie transzendiere. Es soll ihr Rausch sein, den er zelebriert, und an ihrem Bohème-Zynismus soll sich der Spottvogel der Boulevards nähren; er soll sie überfliegen, indem er gerade im scheinhaften Rausch eine utopische Humanität verspricht und im Spott wiederum ihre Scheinhaftigkeit ad absurdum führt. Es wird dieser Interpretation Offenbach zum weißen Magier und seine Oberflächlichkeit zur guten Auswendigkeit eines Materialisten, der dialektischer ist, als er sich gibt. – Das Buch enthält eine Fülle von Stoff und ist thematisch ein guter Griff: einer gesellschaftlichen Theorie der Musik des neunzehnten Jahrhunderts bietet fraglos Offenbach die Chance zentraler Einsichten. Distanziert von Offenbachs Material jedoch gerät die Darstellung in die Nähe eben jener individualisierenden Roman-Biographik, der Kracauer so emphatisch opponiert. Das betrifft nicht bloß die Auffassung von Offenbachs Werk, sondern vor allem die Ansicht von der Gesellschaft und die Theorie des zweiten Kaiserreichs. Der Begriff der Phantasmagorie vermöchte gewiß, in die tiefsten Schluchten der Landschaft jener Epoche zu geleiten; wird aber durch den Gegenbegriff der ›Wirklichkeit‹ um seine Fruchtbarkeit gebracht. Er wäre der Warenform selber abzuzwingen.

Anstelle von Kritik seien Hinweise erlaubt, wie man etwa eine gesellschaftliche Analyse der Offenbachschen Musik ansetzen könnte. Kracauer hat die Beziehung Offenbachs zum Journalismus so gut gesehen, wie er die Flüchtigkeit seiner Verfahrungsweise eingesteht. Genau hier aber ist der Ort seiner Technik bestimmbar: der der Skizze, die mit Offenbach erstmals als musikalische Form sich installierte. Sie vereint jene höchste Promptheit und Bereitschaft zur Reaktion auf den Augenblick, die ihre Dauer stiftete, mit der ephemeren Ungediegenheit und zugleich Starrheit im Cliché, die sie eben zur Ware machte und jene Depravation der späteren Operette in Offenbach selber vorbereitet, vor welcher Kracauer eifrig ihn retten will, anstatt zu erkennen, daß seine dämonische oder magische Aura gerade dem Fetischcharakter seiner Ware sich verdankt, und in Offenbachs Werk den Ursprung des Kitschs zu exhumieren: des Kitschs, dessen Name nicht umsonst von der Skizze sich herleitet. Das neue Element aber, kraft dessen die leichte Musik bei Offenbach definitiv als Ware zum Markt fand, ist die Farbe. Er hat, so ließe vielleicht sich sagen, die koloristischen Ergebnisse der Berliozschen ars nova praktikabel zur beliebigen Vervielfältigung gemacht. Zur musikalischen Zeitungsskizze hat er das musikalische Buntdruckverfahren hinzugefügt. Darin mehr als im Humanitätsgehalt seiner Musik liegt seine Größe; hier ließe seine gesellschaftliche Funktion exakt und unmetaphorisch sich aufsuchen.

 

1937

 

 

Ernst Krenek, Über neue Musik. Wien: Verlag der Ringbuchhandlung 1937.

 

Die Anzeige der mit Musik technisch befaßten Schrift rechtfertigt sich nicht darum bloß, weil sie ein sozialtheoretisches Kapitel enthält, sondern vorab weil ihre Methode unvergleichlich viel tiefer in gesellschaftliche Zusammenhänge zu leiten vermag als etwa die üblich stilhistorische und ›zuordnende‹; weil, wie Krenek sehr stringent formuliert, »alles, was über Musik überhaupt gewußt werden kann, durch bloße, aber genaue und deutende Untersuchung ihrer technischen Befunde, und nur durch diese, mit wirklicher Sicherheit in Erfahrung gebracht werden kann« (S. 96). Die Publikation ist nicht nur eine der aufschlußreichsten und verantwortungsvollsten zur Apologie der eigentlich ›neuen‹ Musik, die Krenek mit Recht heute einzig von der Wiener Schule Schönbergs repräsentiert sieht, sondern ihre Insistenz bei technischen Problemen liefert in der Tat erstmals entscheidende Beiträge zu ihrer Deutung und gerade zur gesellschaftlichen Deutung, die bislang über die dürftige Konstatierung von ihrer ›Isoliertheit‹ nicht hinausgelangt war und an diese Isolierung meist das billige Verdikt eines Kollektivismus anschließen zu dürfen glaubte, der dem kollektiven Gehalt des isoliert Erscheinenden nicht weiter nachfragt. Von Kreneks Thesen seien einige wiedergegeben: mit allem Nachdruck wird, entgegen dem seit Schopenhauer fast unbestritten herrschenden Irrationalismus der Musikästhetik, dabei beharrt, daß »die Musik selbst eine Form des Denkens ist« (S. 19), und der Begriff der musikalischen Intuition wird völlig eingeschränkt; er soll »keineswegs den musikalischen Schaffensprozeß als das mirakulöse Herausspringen eines fertigen Musikstückes aus dem Haupt seines Urhebers charakterisieren, sondern vielmehr zum Ausdruck bringen, daß das Mittel des musikalischen Schaffensprozesses ein begrifflich nicht direkt Faßbares, d.h. den Mitteln der Wortsprache primär Unzugängliches ist« (ibd.). In »Grundideen einer neuen Musikästhetik« versucht Krenek etwas wie eine Kategorienlehre dieses musikalischen Denkens, und dem gewissermaßen transzendentalen Entwurf soll sich die tonale Musik als Spezialfall einfügen, der seine historische Dialektik in sich trägt und auf seinen Untergang drängt. Atonalität und Zwölftontechnik werden gesehen als die einzig mögliche Anwendungsweise jenes Schematismus, dessen von »Artikulation« und »Relation«, auf das historisch veränderte Material der Musik: ihre historische und ›systematische‹ Rechtfertigung fällt für Krenek, der Intention nach, zusammen. Zu den fruchtbarsten gesellschaftlichen Einsichten gelangt Krenek dort, wo er die Notwendigkeit der im dialektischen Selbstbewußtsein vorgeschrittenen Musik mit den Versuchen konfrontiert, dem Zwang des in Musik sich selber denkenden Gedankens irrationalistisch auszuweichen; Versuchen, die allemal zugleich als Veranstaltungen verstanden werden, den gesellschaftlichen Widersprüchen regressiv sich zu entziehen. Besonders eindringlich wird die Kritik, wenn die Forderung an die Kunst, sie habe »Genuß« zu bieten, in ihrer gegenwärtigen Gestalt als bloßes Komplement des Leidens unter der kapitalistischen Entfremdung enthüllt wird: »Indessen, so überzeugt die Menschen davon sind, daß die negative Seite des Lebens, wo Arbeit und Qual gleichgesetzt sind, nicht in Ordnung sei und daß dieser Zustand einer Änderung bedürfe, so wenig sind sie sich im Klaren darüber, daß die andere Seite der Antithese, die auf den Genuß abgestellt ist, infolgedessen ebensowenig in Ordnung ist« (S. 93). Zum echten Gehalt der neuen Musik wird ihm – in einer freilich rasch unter die Unvollkommenheit des Irdischen subsumierten Welt – die »eschatologische Trauer« (S. 94). An ihrem Maß aber, nämlich dem Maß der Haltung von Karl Kraus, wird alle Musik, die nicht die Schönbergische Konsequenz zieht, mag sie sich neoklassisch, neusachlich, surrealistisch oder bloß noch musikantisch gebärden, als konformistisch kenntlich. Mit besonderer Schärfe ist ihr Zusammenhang mit dem totalitären Denken gesehen. »Das, was an der Anti-Espressivo-Musik des Neoklassizismus so ›modern‹, so wie ein neuer Inhalt aussieht, ist in Wirklichkeit die Inhaltsarmut, die Verschweigung des Aussprechbaren. Die Anpassung an die gesellschaftliche Realität besteht darin, daß über jene Inhalte, welche den Genußansprüchen der Gesellschaft nicht entgegenkommen und die aus der Isoliertheit der wirklich neuen Musik so sprechend hervortreten wie aus ihrer Konstruktion, geschwiegen wird; statt dessen werden Masken präpariert, die das feinere Unterhaltungsbedürfnis befriedigen sollen .... Wird hier, im Neoklassizismus, vorwiegend die Fiktion gepflegt, als sei die Gesellschaft noch immer so wie damals, als die echte klassische Musik entstand ..., so lebt die neusachliche Musik mehr von der Fiktion, als sei in der Gesellschaft schon irgend eine nicht näher definierbare Veränderung vollzogen, die die Möglichkeit neuer Unmittelbarkeit geschaffen habe« (S. 96f.). Die Kritik der falschen und regressiven Unmittelbarkeit inmitten der arbeitsteiligen Gesellschaft wird mit besonderem Nachdruck an der kollektivistischen Jugendmusikbewegung und ihrer »Blockflötenkultur« durchgeführt. »War es früher«, beim heute so geschmähten Musikunterricht, »notwendig, den Geist auf die Noten und den Körper darauf zu konzentrieren, daß die Finger so funktionierten, wie es der Geist von ihnen verlangte, so gilt es jetzt, mehr auf die Kommandos eines Musikführers zu achten, der die tönenden Manifestationen der Gruppe regelt ... Es gehört zu den unerforschlichen Eigentümlichkeiten des geistigen Verfalls, in dem wir leben, daß Menschen den ganzen zivilisatorischen Fortschritt – den einzigen, der wirklich unbestreitbar ist – lieber aufgeben und auf alles, was man mit seiner Hilfe erreichen könnte, verzichten, statt ihn zu vernünftigen Zwecken zu benützen« (S. 99f.). Es ist das Echtheitssiegel solcher technologischen Einsichten, daß ihre Schlagkraft über den technologischen Bezirk weit hinausreicht, dem sie sich doch verdankt.

Kritik wäre vorab an den musikästhetischen Entwurf anzuschließen, der in sich statisch verharrt und nur rahmenhaft der Dialektik ihren Raum läßt. Der Form-Inhalt-Dualismus der traditionellen idealistischen Ästhetik wird von diesem Entwurf nicht kritisch betroffen, und darum bleibt auf der einen Seite die Bestimmung des ›Inhalts‹ der neuen Musik bloß negativ, nämlich ihre gesellschaftlich vorgezeichnete Entfremdung wird selber zum Inhalt und eine existential getönte ›Wahrhaftigkeit‹ zu deren Medium gemacht. Andererseits ist das Erbe der Formalästhetik wirksam in der Behauptung der ›Autonomie‹ der Musik und der Orientierung der Analyse am sogenannten ›Problem der Form‹, das seinerseits nicht in seiner Dialektik mit Sachgehalten verfolgt wird. Es wäre aber das entscheidende Anliegen, gerade die Last jener Begriffe in Bewegung zu setzen. Das könnte gelingen wohl einzig im Kleinsten. Krenek sieht etwa den Schönberg der ›expressionistischen‹ Periode in Einheit mit der Romantik vermöge des Prinzips des Espressivo, dessen quantitative Steigerung die neuen Mittel produziere. Es wäre aber zu fragen, ob das expressionistische Ausdrucksmoment überhaupt auf die romantische Expression reduktibel sei; ob zwischen beiden nicht der Unterschied von protokollarischer Kundgabe und Fiktion liege; ob nicht Schönbergs Kampf gegen das musikalische Ornament, das innerste Motiv der Atonalität, nicht aus einem prinzipiell veränderten Inhalt seiner Musik hervorgehe, der, vergleichsweise, zum romantischen steht wie Freud zum psychologischen Roman des neunzehnten Jahrhunderts. Kandinsky hat einmal Schönbergs Bilder »Gehirnakte« genannt: das und nicht das Espressivo bezeichnet die Schicht, in der Schönbergs Ausdruck entspringt. Damit zerfällt freilich die Annahme einer ungebrochenen geistesgeschichtlichen Einheit von Wagner bis Schönberg, wie sie die Musikhistoriker mit Vorliebe predigen; dafür aber wird der spezifische Ausdrucks-Sinn an seinem Ursprung selber verständlich, der später im Material sich niederschlägt, in der Formensprache der neuen Musik sich gleichsam sedimentiert. Von diesem Gehalt hat Krenek alle Erfahrung des produktiven Künstlers: der Charakter der funktionalen Durchorganisation der neuen Musik – Abbild einer planvollen und erhellten Gesellschaft – entgeht ihm so wenig wie ihr tief dialektisches Verhältnis zur Zeit: »In dem Widerspruch gegen den Zeitablauf, der in der Idee der Rückläufigkeit seinen Ausdruck findet, liegt ein charakteristisches inhaltliches Moment der neuen Musik beschlossen ...: ihre pathetische Dialektik, die aus dem einsamen Kampf des Individuums gegen das rettungslose Vergehen im Nichts der forteilenden Zeit resultiert« (S. 88). Solche Erfahrungen aber zum Sprechen zu bringen, bedürfte es nicht weniger als einer ausgebildeten dialektischen Theorie der Kunst. Bei Krenek behält das ›einsame Individuum‹ das letzte Wort, und die Treue, die ihm Erkenntnis hält, fruchtet mehr als aller eilige Kollektivismus; aber das Individuum ist selber vordergründig, durchlässig auf die Gesellschaft, und seine Gehalte wären erkennbar als mehr denn die Tautologie seiner Einsamkeit im gleichen Augenblick, in dem es als monadologische Figur der Gesellschaft dechiffriert würde.

 

1938

 

 

Leo Wilzin, Musikstatistik. Logik und Methodik gesellschaftlicher Musikforschung. Wien: Franz Deuticke 1937.

 

Bei Wilzin handelt es sich in Wahrheit nicht sowohl um eine »Logik und Methodik« der vom Autor kreierten Musikstatistik als um die Empfehlung statistischer Methoden für die Musiksoziologie. Im einzelnen gibt es interessante Resultate, so das laut Wilzin »paradox anmutende«, »daß eine Rückkehr zur ›fremdländischen‹ Oper sowohl dem ›Weimarer Geist‹ als auch dem ›Geist des Dritten Reiches‹ entsprach, daß aber erst das ›autoritäre und totalitäre Moment‹ jene Wiederbelebung der fremdländischen Oper bewirkte, die vorher wegen der ›Freiheit der Theaterleitung vom Weimarer Geist‹ nicht durchführbar war«. Sonst aber bietet die Arbeit einen Schulfall jener Art von Positivismus, den Horkheimer im »Neuesten Angriff auf die Metaphysik« jüngst analysiert hat*. So gewiß der logische Positivismus Arbeiten von der Naivetät der Wilzinschen abschütteln möchte, so gewiß verrät diese etwas von der Zersetzung jener Restbestände der offiziellen Wissenschaft, die sich in Opposition zum Irrationalismus wähnen – wie denn Wilzin seine Methode ausdrücklich als »rational« verstanden wissen möchte, während zur »Ergänzung« die unvermeidliche »höchste seelische Einfühlung« nicht fehlt. Der statistische Positivismus kommt auf die abenteuerlichsten Einfälle: »Ganz besonders wichtig wäre die Aufstellung einer Umrechnungstabelle (analog den Umrechnungen der Kinder auf Vollpersonen und der Kurzarbeiter auf Vollarbeitslose) für die meistverwendeten Formen in ein ›Standardopus‹ z.B. auf der Basis der durchschnittlichen Arbeitszeit, um einen ziffernmäßigen Vergleich beispielsweise der Beethovenschen Symphonien mit den Walzern Johann Strauß' zu ermöglichen.« Der Forderung der Umrechnung von »Opern, Oratorien, Liedern, Tänzen usw. in Standardopera« wird der nötige Nachdruck verliehen, indem sie mit der verbunden wird, daß die Komponisten selber Statistiker werden möchten: »Diese Materialanalyse, vielleicht die schwierigste Aufgabe im Rahmen der Musikstatistik, vorzunehmen, kann nur demjenigen zugetraut werden, der durch seine eigene künstlerische Veranlagung dazu befähigt ist, das wahrhaft Schöpferische vom Handwerklichen zu unterscheiden: dem schaffenden Komponisten.« Der musikalischen Naivetät ist die gesellschaftliche äquivalent: es soll etwa »der Einzelne, der sich zu seinem Privatvergnügen ans Klavier setzt und seine Lieblingsstücke durchspielt«, von der gesellschaftlichen Betrachtung ausgeschlossen sein, »da hier der Musik jede soziale Funktion fehlt«: als ob nicht eben jene Vereinzelung selber eine soziale Funktion wäre. Für Wilzins Zwecke ist das von ihm entdeckte »Grenzgebiet zwischen Musikstatistik und Religionsstatistik« besonders zu empfehlen.

 

1938

 

 
Fußnoten

* Vgl. Max Horkheimer, Der neueste Angriff auf die Metaphysik, in: Zeitschrift für Sozialforschung 6 (1937), S. 4ff.

 

 

Newman, Ernest, The Life of Richard Wagner. Bd. II: 1848–1860. London: Cassell and Company; New York: Alfred A. Knopf 1937.

 

Der zweite Band der groß geplanten, von der kurrenten Wagnerbiographik kritisch distanzierten Arbeit Newmans umfaßt den für die Bildung von Richard Wagners Sozialcharakter eigentlich entscheidenden Zeitraum von 1848–1860: Wagners Teilnahme an der Revolution und den größten Teil der Jahre, die er als Emigrant verbrachte. Der Begriff des Emigranten hat dabei freilich einen vom gegenwärtigen recht sehr verschiedenen Sinn: Verbannung und Steckbrief haben der gleichzeitigen Verbreitung von Wagners Werken in Deutschland nicht den mindesten Abtrag getan, und während die Wiener Polizei immerhin ihn in Zürich bespitzelte und aus Venedig verscheuchte, wurde der Tannhäuser friedlich im gleichen Dresden aufgeführt, das Wagner, wenn nicht auf den Barrikaden, so jedenfalls auf repräsentativem Beobachtungsposten gesehen hatte. Vom Schicksal des Wagnerschen oeuvre bis zum zweiten Pariser Aufenthalt gibt Newman ungemein sorgfältige Rechenschaft. Die Rezeption Wagners durch die Zeitgenossen war von Anbeginn weit freundlicher, als die Legende vom idealistischen Dulder zugibt. Wie diese Legende wird auch die von der Freundschaft mit Liszt entzaubert. Was die Sorgfalt von Newmans Buch von den pseudopsychologischen Betrachtungen der modischen deutschen Biographik aufs fruchtbarste unterscheidet, ist, daß sie auch auf die ökonomischen Verhältnisse der Hauptfiguren angewandt wird. Es ergeben sich dabei Zusammenhänge zwischen der wirtschaftlichen Lage der Musiker um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, Wagners immerwährendem Borgen und der hartnäckigen, drohendbittenden Insistenz seiner persönlichen Verhaltensweise, die unvergleichlich viel tiefer führen als die isolierende Introspektion. Wichtig sind zwei Resultate Newmans, die sich an der Oberfläche zu widersprechen scheinen. Das erste wird gegen die offizielle Wagnerüberlieferung der Glasenapp und Chamberlain, auch der Autobiographie gewonnen durch den detaillierten Nachweis, daß Wagner an dem Dresdner Aufstand 1849 nicht als sympathisierender Zuschauer, sondern in der denkbar exponiertesten Weise teilnahm: er hat die kritischen Tage in unablässiger Gesellschaft seiner Freunde Bakunin, Röckel und Heubner zugebracht und seine teilnahmsvolle Neutralität einzig darin bewährt, daß er sich in Sicherheit brachte, während seine Genossen gefangen gesetzt wurden. Das zweite relevante Ergebnis ist die Kritik der von Kurt Hildebrandt im Anschluß an Nietzsche entwickelten These, Wagner habe die Wendung zur pessimistischen Metaphysik erst in wachsender politischer Resignation genommen, während der ursprüngliche Siegfried, unmittelbar nach dem Modell Bakunins gebildet, das siegreiche Proletariat symbolisiert hätte. Newman mag den Einfluß Schopenhauers auf Wagner unterschätzt und die Konzeption der Verneinung des Weltwillens der Autonomie von Wagners Innerlichkeit vollständiger zugeschrieben haben, als man hinnehmen wird. Wie immer es indessen damit sich verhalte, so viel kann durch Newmans Analyse als sichergestellt gelten, daß die pessimistische Wendung Wagners früher zu datieren ist als der eigentliche Augenblick von Wagners politischer Desillusionierung, nämlich Napoleons Staatsstreich vom Dezember 1851. Die dokumentarischen Belege dafür sind besonders auf S. 331 erbracht. Im übrigen zeigt bereits Wagners Brief an Liszt vom 19. Juni 1849 ihn, der sich von der Großherzogin von Weimar Unterstützung erhoffte, so vollständig seiner eigenen, nur wenige Wochen zurückliegenden revolutionären Aktivität entfremdet, daß man nicht verstehen könnte, daß es der philologischen Beweisführung Newmans an Hand der Ringentwürfe überhaupt bedürfte, wäre nicht die Vorstellung des von Sturm und Drang zu objektiver Reife durch ›innere Entwicklung‹ sich abklärenden Künstlers ein Tabu, an das nur sehr ungern gerührt wird. – Jene beiden Resultate können zur Übereinstimmung gebracht werden erst durch eine Theorie, die den Wagnerschen ›Nihilismus‹ mit seiner revolutionären Aktivität und mit dem Wesen der bürgerlichen Revolution selber in eins rückt. Die Dokumente über Wagners politisch-revolutionäre Periode und gerade auch seine Anschauung von Bakunin als einem bäuerlichen Vernichter geben dazu jeglichen Grund.

 

1938

 

 

W. van de Wall, The Music of the People. New York: American Association for Adult Education 1938.

 

Das Buch besteht wesentlich aus Berichten über das Musikleben in bestimmten nordamerikanischen Distrikten: der vororthaften Grafschaft Westchester, der Stadt Cincinnati, den Staaten Vermont, Kentucky, Delaware und Wisconsin. Als Musikleben wird dabei nicht sowohl die offizielle und berufsmäßige Musikübung verstanden, als was dem Autor spontane Äußerung des Volkes dünkt: Chorsingen, Musik in Schulen und Universitäten, Orchestervereinigungen, WPA-Unternehmungen und ähnliches. Die Haltung des Autors ist die einer gewissen naiven Tüchtigkeit und Fortschrittsfreude. Sie setzt sich seinen eigenen Bedenken gegen die Organisationswut zum Trotz durch. Die gesellschaftlichen Aspekte des gegenwärtigen Musiklebens sind ihm nicht durchaus verstellt, aber werden durch den Schleier des Nächstliegenden gesehen. Die Frage der Entfremdung der Musik etwa nimmt für van de Wall die unvermittelt praktische Gestalt an, wie Erzieher und Musiker sich besser verständigen könnten. Dabei wird die Musik immer und immer wieder den Bedürfnissen des consumers unterstellt, und gerade solche Unterordnung gilt dem Autor, gegenüber dem ›Übereifer‹ der Musiker, für ›soziologisch‹; während die Konsumentenbedürfnisse selber doch gerade als soziale Funktionen zu enthüllen wären. Eine gewisse Tendenz zur Nivellierung, zur Apologie der schlechten Mitte ist daher unverkennbar, und das Ideal van de Walls, das ihr scheinbar widerspricht, daß nämlich auch Amerika eines Tages seine Beethovens und Tschaikowskys hervorbringen möge, bestätigt in Wahrheit bloß die Linie des geringsten Widerstandes. Dafür eröffnet immerhin der bedenkliche Gemeinschaftswille gelegentlich kritische Einsichten, deren man sich am letzten versieht: »Another factor that has retarded the musical growth of America is a belief in the superman, the star, that made the Barnum and Bailey type of promotion possible. Although the radio and the motion picture, without doubt, have served to disseminate culture, they also have been responsible for bringing this type of promotion into the music field, and with it has come a regimentation of the taste habits of the masses such as has never been known before. Without initiative, without responsibility, America has been taking its music from chains of radio stations and theaters which accustom the people to a continent-wide sameness of thougt and attitude and tend to minimize creative initiative that arises from local undertakings or local responsibility«.

 

1939

 

 

Carl E. Seashore, Psychology of Music. New York u. London: McGraw-Hill 1938.

 

Begriff und Methode der Geisteswissenschaften, wie sie an den deutschen Universitäten gediehen, verfallen der Kritik durch die dialektische Theorie. Der Exemption der ›Kultur‹ und ihrer vorgeblichen Sondergeschichte aus der gesellschaftlichen Verflechtung; die Annahme eines autonom sich bewegenden Geistes; die Hoffnung, diesen Geist durch Kategorien wie ›Verstehen‹, Erlebnis und Einfühlung einfangen zu können; die Gesamttendenz, die Objektivität von Artefakten in Psychologie unverbindlich aufzulösen, – all das liegt in seiner Ohnmacht und Beschränktheit zutage. Mit der negativen Einsicht jedoch kann sich die Kritik der Geisteswissenschaften nicht zufrieden geben. Ihr sind die Geisteswissenschaften nicht grob falsch; gewiß nicht durch handfestere Verfahrungsweisen zu ersetzen. Sondern sie bestimmt sie als perspektivische Verzerrungen: unwahr eben in ihrer affirmativen Weichheit und privatisierenden Beschränktheit, wahr jedoch gerade gegenüber solchen Methoden, die nicht sowohl erfahren den Begriff des autonomen Geistes suspendieren als überhaupt von keinem Geist etwas wissen. Die Verselbständigung der Artefakte als zweite Natur involviert nicht, daß sie frischfröhlich der physischen zugerechnet werden können. Die Kritik am Psychologismus des Verstehens rechtfertigt nicht den Forscher, der nichts versteht, sondern mißt und zählt. Die Zufälligkeit der individuellen Einfühlung hat nicht ihr Korrektiv an der Klassifizierung unerhellter Materialien.

Posthume Gerechtigkeit gegenüber den Geisteswissenschaften läßt sich am Buch von Seashore erwerben, das die Resultate von vierzig Jahren Research zusammenstellt. Es wird als eine Art von text book akzeptiert, obwohl die amerikanische Kritik seine Schwäche offenbar nicht verkennt (cf. etwa Raleigh M. Drakes Besprechung im Journal for applied Psychology, Vol. XXIII, No. 1, p. 215ff.). Für Redlichkeit, Fleiß und ein wie immer auch fragwürdiges Ideal naturwissenschaftlicher ›Sauberkeit‹ zeugt bescheiden jede Seite. Vergleicht man jedoch das Buch mit seinem deutschsprachigen Seitenstück, der ausdrücklich von Dilthey ausgehenden Musikpsychologie von Ernst Kurth – Seashore erwähnt sie nicht einmal in der Bibliographie, die doch für die dürftigsten Tests Raum hat –, so ergibt sich ein Bild von Stumpfheit, Denkfeindschaft und Zahlenfetischismus, das Angstträume erwecken kann. Voran steht die Photographie einer Erkenntnismaschine, des Henrici Harmonic Analyzer, den Seashore mit Recht a symbol of the science of music nennt. Man wird zumindest nicht leugnen, daß die Maschine der Art Kultur würdig ist, die ihr überantwortet wird. Beinahe vermag sie es, aus dem Wort Kultur nochmals Funken zu schlagen. Aber es wäre vergebliche Hoffnung, daß die Funken überspringen könnten. Dazu ist sie zu gut isoliert.

Die Naivetät von Seashores Verfahren prägt vorweg sich aus in der stillschweigenden Identifikation der Musikpsychologie mit der Tonpsychologie, von der gerade Kurths Buch so eindringlich sich abgegrenzt hat (» ... der Gegensatz von Ton- und Musikpsychologie ... Jene geht von der Umsetzung des physischen ins psychische Phänomen aus, ist also im wesentlichen physiologisch orientiert und sucht von da weiter gegen die Musikgesetze auszustreifen; diese setzt von ganz andrer Seite her an; für sie stellt sich der Ton als Phänomen dar, das ihre Vorgänge mit der äußeren Welt verbindet, sie versinnlicht, wie er andrerseits die Versinnlichung physikalischer Vorgänge darstellt. Dort bedeutet der Ton Einbruch ins Innere, hier Ausbruch aus dem Inneren.« (Kurth, Musikpsychologie, Berlin 1931, S. 2f.). Seashore hält sich demgegenüber an die plane Meßbarkeit der Tonwellen und ihrer musikalisch relevanten ›Variablen‹, als welche er Frequenz, Intensität, Zeitdauer und ›Form‹ betrachtet. Diesen rechnet er als Äquivalente seine musikalischen Grundkategorien, Tonhöhe, Tonstärke, Rhythmus und Klangfarbe zu, die eine »basic classification of all music phenomena« erlauben sollen. Natürlich weiß er, daß zwischen ihnen und den physikalischen Grundreizen keine konstante Korrelation besteht und daß daher dem Versuch, musikalische Qualitäten physikalisch zu messen, von Anbeginn enge Grenzen gesetzt sind. Er findet sich damit ab durch den Begriff der ›Illusion‹, auf den er eilends die Wunschphantasie der universalen Meßbarkeit überträgt: »It is a triumph of science ..., that we can identify, measure, and explain each of these illusions«.

Mit der Meßbarkeit transferiert er die Idee des regelhaft Normalen von der Physik auf die Musik. Die spezifisch musikalische Aktivität qualifiziert sich als ›Abweichung‹ vom »first and regular«. Es wird nicht einmal gefragt, ob solche Abweichungen in der Tat stattfinden; ob nicht vielmehr das Material der Musik so weit menschlich vorgeformt ist, daß es sinngemäß auf die physikalische Norm überhaupt nicht mehr bezogen werden kann. Ein physikalisch reiner, obertonfreier Ton wäre musikalisch jedenfalls die äußerste ›Abweichung‹, die sich denken läßt.

Die These, daß Musik aus ›Abweichungen‹ besteht, entmutigt ihn keineswegs, Meßmethoden auf sie anzuwenden, die vom first und regular geborgt sind. Die Normen, die dabei herausschauen, sind nicht weniger furchterregend als der Henrici Harmonic Analyzer: »Norms of artistic performance may be set up in terms of objective measurement and analysis of superior performance for the purpose of evaluating achievement and indicating goals of attainment«. Es versteht sich am Rande, daß diese pseudonaturwissenschaftlichen Normen, mit deren Hilfe eine Apparatur über die Qualität einer Aufführung entscheiden soll, in Wahrheit dem trivialsten Hedonismus des schönen Tons und der schönen Stimme abgeborgt sind. Aber niemand entgeht ihnen: »Musical talent may be measured and analyzed in terms of hierarchy of talents as related to the total personality, the musical medium, the extent of proposed training, and the object to be served in the musical pursuit«. Nicht auszudenken, wie bei solchen Tests der späte Beethoven abschneiden würde.

Pseudonaturwissenschaftlich ist die Klassifizierung der musikalischen Phänomene selber. Die Trennung von Tonstärke und Zeitdauer etwa – musikalisch: von Dynamik und Rhythmik – ist konkret nicht durchzuhalten. Jeder jitterbug im College könnte Seashore erzählen, daß die spezifisch rhythmischen Suspensionswirkungen des Jazz ihren Grund nicht in den konstant innegehaltenen Zeitrelationen als solchen haben, sondern in der Akzentuierung schlechter Taktteile oder wenigstens dem Nicht-in-Erscheinung-Treten der guten. Mit anderen Worten: die musikalische Rhythmik ist eine Funktion der Dynamik. Je differenzierter die Musik, um so sinnloser die Klassifikation. Die ganze Form – ›Großrhythmik‹ – eines moderneren Stückes kann sich durch die Disposition der Klangfarben konstituieren.

Aber es ist nicht damit getan, daß die Unexaktheit der Begriffsbildung Seashore daran verhinderte, Subtilitäten zu registrieren, an die sein musikalischer Erfahrungshorizont ohnehin nicht heranreicht. Seine Psychologie verfehlt ihren Gegenstand. Die Auslegung der Musikpsychologie als Tonpsychologie eliminiert das Moment der Spontaneität aus der Musik. Diese wird zu einer Tabulatur von Reaktionen auf Reize: im Grunde zum sekundären Nachvollzug eines dinglich Vorgegebenen. Es gibt nichts Neues mehr: so wenig wie in einer Wissenschaft, die mit Abprüfen und Einordnen haushält und den Rest mit subalternem Hochmut als ›Metaphysik‹ von sich weist.

Seashores Musikpsychologie erreicht nicht den Sinn von Musik. Er definiert die musikalische Erfahrung, physikalistisch, durch »sensory capacities«. Er weiß nichts vom Moment der Kategorisierung an Musik: er redet vom »musical mind«, ohne auch nur dessen inne zu werden, daß Bewußtsein die konstitutive Bedingung der musikalischen Perzeption abgibt und daß ohne dessen Funktion kein sinnliches Datum überhaupt ins Bereich von Musik fällt.

Das läßt sich bündig an den Verzerrungen aufweisen, die die sinnlichen ›Daten‹ erleiden, sobald ihnen, in ihrer Blindheit im Kantischen Sinne, zugemutet wird, was sie allein in der Bewußtseinsfunktion und in der historischen Dimension zu leisten vermöchten. Seashore redet vom »sense of consonance«. Der Begriff ist zweideutig: er kann die Fähigkeit bezeichnen, den Unterschied von Konsonanz und Dissonanz aufzufassen, oder einfach die Möglichkeit zur Auffassung mehrerer simultaner Töne. Offensichtlich ist die erste Bedeutung nicht auf die Passivität der bloßen Anschauung zu reduzieren. Die Relation von Konsonanz und Dissonanz ist historisch entsprungen und variiert historisch. Verwendet Seashore den Terminus in der ersten Bedeutung, so hypostasiert er eine historische Unterscheidung, in welche die ganze Spontaneität der Kunstübung eingegangen ist, als »natural capacity«. Aber selbst wenn er die zweite, breitere Bedeutung unterlegt, genügen nicht die passiv-sensorischen Reaktionen. Der harmonische Sinn geht hinaus über die Wahrnehmung, auch die Zergliederung eines musikalischen Simultankomplexes. Von sense of consonance kann nur die Rede sein, wo die Funktion des Klanges im Zusammenhang verstanden wird: wo sein Gewicht in der Stufenfolge, seine fortschreitende, zurücklenkende oder suspendierende Rolle realisiert wird. Sense of consonance, besser harmonisches Gefühl, ist ein Bewußtsein von der Dynamik des Klanges – einer Dynamik, die nichts zu tun hat mit der von Laut und Leise, an der Seashore sein Genügen findet. Diese Dynamik aber hängt ab von nichts anderem als dem musikalischen Sinn eines Gebildes, und umgekehrt ist sie es, die diesen Sinn stiftet. Kurth hat das gesehen. Seashore kennt nicht einmal das Problem.

Der musikalische Sinn fällt keineswegs zusammen mit dem sei's wirklichen sei's vorgeblichen expressiven oder deskriptiven Gehalt einer Musik. Man mag ihn definieren als das Moment, das Musik den Charakter von Sprache verleiht – ohne Rücksicht auf ihren ›Inhalt‹. – Es ist der Einwand zu gewärtigen, daß dieser Sinn in Musik sich nur verwirkliche, soweit er sich in Relationen ihrer sinnlichen Elemente umsetze und nicht abstrakt außerhalb der ästhetischen Gestalt verbleibe. Das wird man willig zugestehen. Aber es ist entscheidend, ob Musiktheorie die sensuellen Elemente als solche jenes Sinnes bestimmt oder aber sie als Steine benutzt, um einen Wall gegen den musikalischen Sinn aufzuführen. Das tut Seashore.

Daher schlägt sein common sense um ins offen Absurde. Seine Doktrin von den Abweichungen ist formuliert in dem Satze, daß »the quantitative measurement of performance may be expressed in terms of adherence to the fixed and so-called ›true‹, or deviation from it in each of the four groups of musical attributes«. Auf solcher Basis hofft er eine definite, konstante und verifizierbare musikalische Terminologie zu entwickeln. Aber seine Verblendung gegen den musikalischen Sinn kehrt sich gegen den Vorsatz, der ihr entspringt. Man stelle sich etwa den forcierten, gepreßten Ton eines Cellos in sehr hoher Lage vor. Wollte man einen solchen Ton den Kriterien von »pleasing flexibility, tenderness and richness« unterwerfen, die Seashore insbesondere im Kapitel über das Vibrato aufstellt, so wäre ein solcher Ton fix zu verwerfen. Der musikalische Sinn – keineswegs bloß der außermusikalische ›Ausdruck‹ – einer Stelle aber fordert häufig genug solche Töne. Eine Psychologie, die sie mit dem Brimborium von Norm, Abweichung und exakter Messung verbieten wollte, stünde auf dem Niveau einer Ästhetik der Malerei, die Bilder verwürfe, deren Farben oder womöglich Modelle nicht hübsch genug sind. Eine solche Ästhetik kann man sich schwerlich mehr vorstellen. Die Erhebung der Musikpsychologie auf den Standpunkt der exakten Naturwissenschaft jedoch scheint die Zeit heraufzubeschwören, da Potentaten von Kloakenkunst schwatzen durften. Eine solche Wissenschaft würde der Reichskulturkammer nicht übel anstehen.

Der Einwand des gesunden Menschenverstandes, der hohe Celloton sei die Ausnahme und Seashores Kriterien gälten für die Norm, ist läppisch. Er führt unweigerlich zu jenen Kunstanschauungen der Staatsanwälte und Frauenorganisationen. Jedes Kunstwerk kehrt eine Spitze gegen die Norm und wird zum Kunstwerk bloß polemisch. Das aber um so mehr, je vollkommener die Norm selber den Gesetzen des Marktes verfällt. Die musikalischen Schulen, die heute ernsthaft zählen, sind solche, deren Material sich fast durchaus auf solche Elemente beschränkt, wie sie in Seashores System bloß als exzeptionelle Randphänomene figurieren könnten. Auch sie gehorchen einer Norm: der Ausnahme selber.

Der musikalische ›Sinn‹ ist die dialektische Einheit von musikalischem Material und musikalischem Bewußtsein: dem von Menschen. Bei Seashore friert er ein in mehr oder minder statischen Beschaffenheiten des Materials. Mit der menschlichen Produktivkraft hat er nichts mehr gemein. Daher ist von besonderer Dürftigkeit, was er zur Psychologie der ›musikalischen Intelligenz‹ beistellt. Diese ließe sich fassen als die Fähigkeit, des musikalischen Sinnes innezuwerden beim Hören, im Spielen ihn zu realisieren, spontan sinnvolle und nicht bloß klangsinnliche Musik hervorzubringen. Sie müßte keineswegs mit dem geistigen ›Gesamtniveau‹ eines Musikers zusammenfallen. Die Intelligenz des Komponisten besteht zunächst nicht in dessen außermusikalischer Denkkraft, sondern in seiner Fähigkeit, der Problemfiguren gewahr zu werden, die das Material – als historisches – ihm präsentiert, und in der, sie aufzulösen; die größte Gewalt seiner Spontaneität mag sich verstekken in den kleinsten Zügen der Umstellung des Vorgegebenen. Für Seashore gibt es das nicht. Die musikalische Begabung summiert sich ihm aus sensuellen Reaktionsweisen. Ihm liegt die musikalische Intelligenz außerhalb der Musik und des musikalischen Produktionsvorganges. Sie wird ihm zur Intelligenz der Musiker, einer Spezifikation allgemeiner Intelligenz: »Intelligence is musical when its background is a storehouse (!) of musical knowledge, a dynamo of musical interests, an outlet in musical tasks and a warmth of musical experiences and responses. Here ... the type and the degree of intelligence may characterize or set limits for the musical achievement«. Das kommt der Behauptung nahe genug, Mangel an allgemeiner Intelligenz, was immer das sei, bedeute zugleich Mangel an musikalischer. Immerhin ist die Definition zweideutig. Später indessen wird evident, daß der Begriff der musikalischen Intelligenz tatsächlich auf die Intelligenz der Musiker verengt wird. Es kommt zu der unvermeidlichen Frage »Are musicians as a class intelligent?«, die schon der Hegelschen Ästhetik nicht eben zum Segen geriet. Bei Seashore leitet sie zu banausischen Weisheiten: »musicians, as a class, are of the emotional type. Their job is to play upon feeling, to appreciate, to interpret and to create the beautiful in the tonal realm. To be successful, the musician must carry his audience on a wave of emotion often bordering on the point of ecstasy«. Wenn tatsächlich der Erfolg heutzutage die Warenmarke des emotionalen Typus verlangt, so besagt das nichts für das spezifisch musikalische Denken, sondern nur etwas über den herrschenden Betrieb. Eine Psychologie, die sich die Bewußtseinsdimension in Beethovens Musik à la Tschaikowsky vorstellt oder Paderewski als Beispiel von »genius« reklamiert, weil er »a life developed in balanced proportions« lebte, ist nur noch komisch.

 

1940

 

 

Wilder Hobson, American Jazz Music. New York: Norton & Company 1939.

Winthrop Sargeant, Jazz Hot and Hybrid. New York: Arrow Editions 1938.

 

Der Band von Wilder Hobson bietet eine populär gehaltene Übersicht über die Geschichte des Jazz, amerikanisch gesprochen dessen story. Hobson geht aus von der nicht näher begründeten These, Jazz sei eine »Sprache«, kein Agglomerat von Tricks. Diese Sprache wird als natürlich-ursprünglich und spontan gerühmt, ohne daß eine historisch-pragmatische Analyse ihrer Elemente versucht würde. Naturwüchsig heißen dabei die volksmusikalischen Züge des Jazz, zumal solche aus der Musikübung der amerikanischen Neger. Hobsons folkloristische Überzeugung erlaubt ihm scharfe Abgrenzung vom standardisierten Massenartikel Jazz. Die heut kurrente Amüsiermusik fällt nicht unter das Apriori seines Buches. So verlockend indessen dem Autor die säuberliche Scheidung in spontane Volksmusik und kommerzialisierte Massenprodukte erscheinen mag, so fragwürdig ist ihre Wahrheit. Die Dechiffrierung der Jazzformeln setzt vielmehr die Einsicht in deren ursprünglichen Warencharakter voraus. Jeder Versuch, dem Jazz gerecht zu werden, der sich dieser Einsicht entzieht, verfällt eben jener Art von Romantik, die gerade der kommerzielle Betrieb zur Erhöhung des Absatzes praktiziert. Hobson ist dieser Gefahr nicht entgangen. Existenz und Erfolg des Jazz genügen ihm, bei allen Vorbehalten, zur Rechtfertigung. Wenn das Buch in seinen späteren Partien sich mehr und mehr in monographische Skizzen arrivierter band-Musiker von Armstrong, Beiderbecke und Henderson bis zu den swing-Heroen auflöst, so ist dafür der Mangel an kritischer Distanz verantwortlich zu machen. Im übrigen sind gerade diese Skizzen etwas vag: sie enthalten sich aller präzisen technischen Charakteristik und sehen zuweilen den Warenmarken allzu ähnlich, unter denen heutzutage die Kapellen gehandelt werden.

Die Schrift von Winthrop Sargeant ist wissenschaftlich weit anspruchsvoller und sachgerechter. Sie gibt sehr minutiöse Deskriptionen der technischen Eigentümlichkeiten des Jazz; insbesondere der rhythmischen und der melodischen. Den eindringlichen Analysen des vermeintlichen Jazzidioms verdankt sich die Erkenntnis, daß es sich keineswegs um eine Sprache handelt, sondern daß gerade die scheinbare Freiheit und improvisatorische Ungebundenheit der Jazzpraxis sich auf eine kleine Anzahl standardisierter Formeln – patterns – (vgl. Sargeant, S. 90) reduzieren läßt. »Jazz, at its most complex, is still a very simple matter of incessantly repeated formulas«. (Sargeant, S. 220) Diese Formeln, insbesondere die rhythmischen, sind bereits zwischen 1905 und 1910 im Ragtimestil vollzählig versammelt, von dem die landläufige Auffassung, der auch Hobson anhängt, den Jazz so eifrig sondern möchte. Es kann als Resultat von Sargeants Buch festgehalten werden, daß es so wenig einen konstitutiven Unterschied zwischen Ragtime und Jazz gibt wie zwischen Jazz und Swing. Die vorgebliche Entwicklung der synkopierten Tanzmusik besteht darin, immer das Gleiche als immer Neues zu präsentieren, und die jeweils lancierten Stile sind kaum mehr als plumpe Versuche, durch wechselnde Beschriftung und wechselndes make up der abgestandenen Sache frischen Anreiz zu verleihen. Seine Hauptaufgabe sieht Sargeant darin, die Jazzpatterns auf solche der Negervolksmusik zu reduzieren. Es ist dies Bestreben, das auch ihn dazu verleitet, die improvisatorische Freiheit der Jazzproduktion zu überschätzen, wiewohl auch er in technischer Analyse die Unfreiheit jener Freiheit gewahrt. Er sieht die entscheidende Differenz zwischen dem Jazz und der europäischen Kunstmusik darin, daß er nicht nach Kategorien des Komponierens und insbesondere der Notenschrift, sondern nach solchen der Aufführung und des unvermittelten Klangs geformt sei. Diese These ist anfechtbar. Einmal ist es der Jazzimprovisation – und das weiß Sargeant als Musiker sehr wohl – weithin anzumerken, daß sie als bloßes Substitut für regelhafte und in Notationen fixierbare Gebilde eintritt. Die Autorität der geschriebenen Musik bleibt hinter der Freiheit der gespielten in jedem Augenblick spürbar. Dann aber ist die Grenze der Notierbarkeit keineswegs bloß der Volksmusik, sondern ebenso der Kunstmusik gesetzt. Ein Beethovenquartett, von dem nichts gespielt würde, als was in den Noten steht, wäre sinnlos. Endlich ist in der vorgeschrittenen europäischen Kunstmusik mittlerweile die Kunst der rhythmischen Notation so weit entwickelt, daß zumindest die von Sargeant als unnotierbar betrachteten Improvisationen durchaus ins Bereich des Notierbaren fallen. Der Gedanke, daß ein Solochorus von Armstrong graphisch nicht faßbar sein soll, während ein Quartettstück von Webern sich aufschreiben läßt, ist einigermaßen riskiert – zu schweigen von der Frage, wo und wann in der tatsächlichen Jazzpraxis überhaupt noch improvisiert wird.

Die beiden Bücher vermeiden gesellschaftliche Konklusionen: Hobson, weil er sich mit Bedacht auf dem Niveau der Reportage hält, Sargeant, weil ihn Phrasen wie die vom Jazz als ›Musik des Maschinenzeitalters‹ und die umgekehrte vom Stimulans großstädtischen Lasters begreiflicher Weise irritieren (Sargeant, S. 9). Er sucht sich deren Bannkreis zu entziehen und die sicheren Bezirke der technologischen und ethnologischen Analyse zu besiedeln, ohne gewahr zu werden, daß gerade die hier versammelten ›Fakten‹ die sozialtheoretische Interpretation schlechterdings erzwingen.

Mit Hinblick auf die in der Zeitschrift für Sozialforschung vertretene Auffassung vom Jazz und vom regressiven Massenhören1 ist auf Details aus beiden Büchern einzugehen. Zunächst das Zugeständnis, daß der Zusammenhang des Jazz mit der Folklore der amerikanischen Neger als solcher nicht geleugnet werden kann, wie sehr auch die marktmäßige Propagierung des Urtümlichen den Zweifel an der Urtümlichkeit selber begründet. Freilich ist der Zusammenhang alles eher als durchsichtig. Hobson meint: »that there is a close connection between the Negro folk music and jazz is obvious; but it is not open to what might be called exact scholar-ship« (S. 29). Man betrachtet gemeinhin als Vorform des Jazz die Negro spirituals. Gerade bei diesen jedoch ist die Frage ungeklärt, ob nicht die Melodien selber weißen Ursprungs und von den Negern der Südstaaten bloß umgeformt sind (vgl. Sargeant, S. 25). Der Beweis für den Negerursprung des Jazz kann gewissermaßen nur e contrario geführt werden: die Volksmusik der amerikanischen Weißen zeigt keines von dessen charakteristischen Momenten (vgl. Sargeant, S. 103). Andererseits sind die Ergebnisse des Vergleichs der amerikanischen mit der afrikanischen Negermusik auch im Lichte der Darstellung Sargeants so bescheiden, daß der Ursprung des Jazz in ethnologischen Kategorien kaum gedacht werden kann (vgl. Sargeant, Influences from the dark continent, insbesondere S. 189f.). Das lenkt den Blick auf gesellschaftliche Bedingungen. Man könnte sich gut vorstellen, daß die Negro Spirituals, welche die leidenschaftlichen Expektorationen der Sklaven und ihrer Enkel auf die christliche Autorität hin dirigieren und dieser unterwerfen, ein drastisches Modell jener sozialen Bedingungen abgeben: heidnischer Fetischismus, christliche Unterwürfigkeit und Warenreligion stellen in solchen Szenen, wie der von Sargeant zitierten evolution of a Spiritual (Sargeant, S. 19f.), ein Tableau, dessen Momente die heutige Massenmusik entfaltet. Deren entscheidender Zug: das Einpassen des Ausbruchs in die Norm, ist bereits am Hymnensingen in den Südstaaten zu konstatieren: »each singer would start off on a little vocal journey of his or her own, wandering up, down or around in strange pentatonic figures, but coming back at the appointed instant to common ground«. (Hobson, S. 33, zitiert aus dem Vorwort von Abbe Niles zu W.C. Handy's Blues). – Die Negro spirituals sind Vokalmusik: die scheinbare Spontaneität des Jazz kommt vielfach zustande durch Übertragung vokaler Eigenheiten auf das instrumentale Medium, zumal des Tanzes (Hobson, S. 31). Effekte wie die des laughing trombone und des baby cry sind Vokalisierungen, Nachahmungen von Flexionen der menschlichen Stimme beim Singen und Sprechen (Hobson, 43f., vgl. Sargeant, S. 6). Diese Übertragung kann recht wohl das Urphänomen der Furnierung mechanischer Objektivität mit subjektivem Ausdruck darstellen: im Jazz gebärdet sich Instrumentalmusik, als wäre sie vokal; der Mechanismus, als hätte er seine eigene Stimme. Noch für die gegenwärtige Übung des Swing ist die Pseudomorphose von Sprechen, Singen und Spielen höchst bezeichnend: auch Hobson ist sie nicht entgangen (Hobson, S. 46). Will man durchaus dem Jazz, gegenüber dem Ragtime, eine neue Qualität zugestehen, so liegt sie in dieser Pseudomorphose. Der Ragtime war ausschließlich instrumental: aufs Klavier beschränkt. Sargeant bezeichnet das Klavier als das Instrument jener Epoche. Die Pseudovokalisierung des Jazz und die Deklassierung des bürgerlich-privaten Instruments in der Ära von Grammophon und Radio korrespondieren.

Die Vokalisierung des Instrumentalklangs bedeutet Irregularität im Bereich des Instrumentalen selber. Der musikalische Analphabetismus, die Imitation der Menschenstimme und das planlos-planvolle Falschspielen kommen überein. Die dirty tones (Hobson, S. 45) und worried notes (Sargeant, S. 132) sind Wirkungen der trugvollen Vermenschlichung des Mechanismus. Dabei nun freilich erweist sich die Unzulänglichkeit der bloß deskriptiven Methode, zu der sich die amerikanischen Autoren bescheiden. Denn diese Methode vermag nichts über die Lust auszumachen, die den ›schmutzigen‹ und ›geängstigten‹ Tönen beigesellt ist. Diese substituieren die normalen und lassen sie durchschimmern. Es ist eine sadistische Lust: die Lust, die der Unterdrückte wie im Slang an der Sprache so im Jazz an der musikalischen Norm büßt. Er rächt sich dafür, daß er der Apparatur des objektiven Geistes eingefügt ist, ohne selber über sie gebieten zu dürfen. Er entstellt, was er nur zu entstellen vermag: die unerbittliche Objektivität ebenso wie den Ausdruck der eigenen Subjektivität. Die falschen Töne im Jazz sind vom gleichen Schlag wie die schwarzen Zähne, die den Reklameschönheiten auf den Stationen der Untergrundbahn vom ungezogenen Bleistift gemalt werden. Ein zweideutiger Protest: sich selbst so wenig gut wie dem Betrug und dem falschen Versprechen, an dem er sich ausläßt. Es ist eine Ungezogenheit, die auf dem Sprung steht, sich bestrafen zu lassen; der Jammer, der ihrem Klang beigemischt ist, verlangt nach der eigenen Unterwerfung. Die Vokalisierung des Instrumentalen dient nicht bloß dessen scheinhafter Vermenschlichung sondern ebenso der Einpassung der Stimme ins Instrumentarium.

Hobson nennt die dirty tones »sonorities suggestive of hoarse or harsh vocal effects«. Wessen Stimme die rauhe ist, daran ist historisch kein Zweifel: »the lost origins of these songs ... were among ›barroom pianists, nomadic laborers, watchers of incoming trains and steamboats, streetcorner guitar players, strumpets, and out-casts‹« (Hobson, S. 34). In dieser Sphäre des Ursprungs hat der radikalere, ungeglättete Jazz heute noch seine Zufluchtsstätte: »Hence its chief market was in big, lower-class dance halls, mostly Negro, where the dancers really meant business, and perhaps its only sizable ›respectable‹ market was at the more intoxicated college house parties of the Prohibition period« (Hobson, S. 131). Die Massenmusik der virtuellen Arbeitslosen kommt vom Lumpenproletariat, und es scheint, daß sie ihre Versprechungen dort allein einlöst, während sie die Massen betrügt, sobald sie sie einmal erfaßt. Der Vorwurf des Pornographischen ist daher auch von Anbeginn zur Stelle gewesen, und zuweilen könnte man denken, der Jazz provoziere ihn selber, masochistisch auf das Endziel der eigenen Liquidation bedacht. Das Moment des Verrufenen kommt zugleich der kommerziellen Ausbeutung zunutze. Nicht bloß reizt es zum Konsum an. Seine Träger, die Neger, lassen sich am besten benachteiligen und ausbeuten. »In this connection it may be noted that despite the large number of brilliant Negro instrumentalists, there are non regularly engaged as radio ›house men‹ or in the motion picture studio orchestras. The inequality of opportunity for the Negro is nowhere more clearly marked than in this field where he is often so specially talented« (Hobson, S. 172).

Die Tendenz des Jazz, an musikalischen Modellen die unterdrückte Lust zu büßen, eröffnet dessen vormals modernistische Perspektive. Wenn der Jazz es liebt, das vermeintlich Edle in den Schmutz zu ziehen, um das er sich betrogen weiß, dann neigt er insgesamt dazu, die musikalische Zaubersprache der Dingwelt zu überantworten, sie mit Gebrauchsdingen zu durchsetzen, die er nochmals verhöhnt, indem er sie um ihre eigentliche Gebrauchsfunktion bringt. Das erklärt die Querverbindungen zwischen dem Jazz, manchen kubistischen Intentionen und dem Dadaismus. Im lumpenproletarischen Milieu sind diese Querverbindungen ganz offenbar: »In the early years of the century Negro dance musicians played in the New Orleans bordellos, and the New Orleans City Guide states that the theatres and saloons of the city were bally-hooed by a white band, with a leader called Stale Bread (one of the players was known as Family Haircut), which improvised so-called ›spasm music‹ on such instruments as cigar-box violins, horns, pebble-filled gourds, and rude bass viols made out of half- (Hobson, S. 38). Aber auch aus dem Londoner Westend wird noch 1919 berichtet von einer Jazzband »consisting of piano, violin, two banjos, concertina, cornet, and ... a ›utility man‹ playing traps, gongs, rattles, railway whistle, and motor hooter« (Hobson, S. 106). Mit der Zähmung des Jazz haben sich diese Neigungen ins Kunstgewerbliche gemildert: zur Verwendung pittoresker Schlaginstrumente, denen in der Musik kaum mehr ernstliche Bedeutung zukommt (vgl. Sargeant, S. 198). Die Vorliebe für außermusikalische Objekte dient dem allgemeinen Zug zur Entzauberung des Tanzes. Für diese gibt Hobson einen merkwürdigen Grund an: den Drang, das Tanzen Personen mittleren Alters zu erleichtern: »And if the ragtime two-steps or one-steps had been somewhat rapid for many of the middle-aged, that objection had been overcome in 1914 by the dance team of Jeanette Warner and Billy Kent, who had introduced the fox trot, the music for which, as Vernon Castle explained, was ›an ordinary rag half as fast as ... the one-step‹« (Hobson, S. 97). Der Triumph des Foxtrotts ist der Triumph des scheinbar ungebundenen Gehens. Dem assimiliert sich die Vokalisierungstendenz: die Sprechmelodie stellt, gegenüber der musikalisch-symmetrischen, Kontingenz vor. Sargeant sagt von den Soloexhibitionen der Trompete: »From the abstract musical point of view they are often chaotic, resembling recitative or even prose inflection. And the recitative and prose usually bear a close resemblance to Negro speech in their intonations« (Sargeant, S. 64). Musik, die auf Whiskykrügen praktiziert wird (vgl. Hobson, S. 96), drängt zur Prosa.

Daß aber alle solche Ambitionen in engen Grenzen sich halten, daß sie in der Konvention verbleiben und selber Konventionen gehorchen, wird von Hobson sowohl wie Sargeant bestätigt. Die unausweichliche Grundkonvention ist die identisch festgehaltene Zählzeit: »for those who enjoy jazz the beat has become a convention; the attention is naturally given to what the convention makes possible« (Hobson, S. 48). Nur relativ auf die Zählzeit sind die Exzesse des Jazz zu verstehen: »the polyrhythmic designs of a jazz band depend on the rock-steady maintenance of basic rhythmic suggestions on and around the 4–4 beat« (Hobson, S. 52). Hobson wirft die Frage auf, warum die Konvention der Grundzählzeit innegehalten werde, und gibt die common sense-Antwort, es sei für die meisten Ohren schon gerade schwierig genug, Improvisationen im vorgesteckten Rahmen zu verstehen; ohne ein solches Maß seien die Hörer vollends desorientiert. Mit andern Worten: die Willfährigkeit der Jazzfreiheit gegenüber der Konvention geht aus der Forderung nach Leichtverständlichkeit hervor und diese aus den Anforderungen des Marktes. Je mehr aber die Gegenrhythmen ausgebildet und die Grundakzente suspendiert werden, um so mehr tendieren jene dazu, als Scheintakte selber wiederum symmetrische Gestalt anzunehmen und eine zweite Konvention, gleichsam die Ableitung der ersten, zu bilden: der Grundrhythmus wird auf das Synkopensystem schräg projiziert (vgl. Hobson, S. 53). Diese Verdinglichung der Improvisation ist das eigentliche Charakteristikum des ›Swing‹ und hängt offensichtlich mit der völligen Kommerzialisierung der Improvisation zusammen (vgl. Hobson, S. 87). – Ähnliche Erwägungen führen Sargeant zu Formulierungen wie der von den pseudoprimitiven Orgien der jugendlichen jitterbugs (Sargeant, S. 5). Sargeant ist bereit, die Ursprünglichkeit der Improvisation im heutigen Jazzbetrieb skeptisch zu beurteilen: »Most of what is popularly known (even among swing fans) as ›hot jazz‹ belongs to this category of remembered and repeated, partially rehearsed, music« (Sargeant, S. 31).

Die Verdinglichung und Standardisierung der Freiheit hat ihre technologische und ihre gesellschaftliche Seite. Technologisch ergibt sie sich zwangsläufig, sobald versucht wird, die cross-rhythms über ihre rudimentäre Einmaligkeit hinaus zu entwickeln. Analog wirkt die Vergrößerung der Kapellen: »the more intricate the individual rhythms become, the fewer the players must be if the articulation of the whole is not to be lost, especially in jazz ›counterpoint‹, where the players must be able to hear each other as they play« (Hobson, S. 71, vgl. Sargeant, S. 200). Die Notwendigkeit nun, die cross-rhythms auszuspinnen und die Kapellen zu vergrößern, ist jene marktmäßige: »The natural music«, nämlich die aggressiv synkopierte, »as these men play it for their own pleasure, has a limited public market. Hence most of them make a living in the big business of popular dance music, all of which has been generally known as ›jazz‹, and most of which, similarly, is rapidly coming to be known as ›swing‹« (Hobson, S. 74). Diese Marktforderung involviert zugleich die Präponderanz der Schlagermelodie über die jazz-spezifische, aufgelöste Behandlung: »It is the popular tune which is important and this is stressed. As the pianist Arthur Schutt has said, with some eloquence, in Metronome: ›By all means make the melody of any given song or tune predominant ... There is no misunderstanding when commercialism reigns supreme‹« (Hobson, S. 85). Hobson weiß nichts von der Fesselung der Produktivkräfte durch die Produktionsverhältnisse. Aber er notiert die Erfahrung: »There is thus a constant pressure on the players to please the audience at the expense of relaxed invention – which they can practice at home, anyway. And under this pressure, also, the ensemble ease and sympathy are likely to disappear« (Hobson, S. 155). Es sind diese Tendenzen, denen die Pflege des Jazz durch kleine, hochtrainierte Ensembles wie Benny Goodmans Trio und Quartett opponiert. Sie wenden sich an ein beschränktes Stammpublikum sportlich sachverständiger Enthusiasten, die der Majorität gegenüber als Propagandisten wirken. Der Rest der als Jazz affichierten Musik gehört zu jenem juste milieu, das Hobson als kommerzielles Verfallsprodukt, Sargeant als unausweichlich notwendiges »hybrid« anspricht.

Zur kompositionstechnischen Struktur des Jazz wird in den Büchern mancherlei beigebracht. Hobson gebraucht für die simultane Improvisation mehrerer Instrumente im Jazz den Ausdruck Jazzkontrapunkt. Es drängt sich ihm jedoch die Einsicht in den Scheincharakter dieses Kontrapunkts auf: Jazz kennt so wenig echte Polyphonie wie echte melodische Freiheit und echte Polyrhythmik. Die angeblichen Kontrapunkte umschreiben bloß die Generalbaßharmonie: »But many of the appalled have probably not understood that the basic harmonic progression, as it always is in jazz, is known to all the group improvisers. On this basis, each invents a melody guided by his own feeling and the sound of his fellows« (Hobson, S. 59). Sargeant zieht gegenüber dem Gerede von der kontrapunktischen Natur der Jazzimprovisation die Konsequenz: »Jazz ... is not essentially a contrapuntal type of music – not, at least, in the sense that that term applies to European music. The blues, and subsequent jazz, employed the conventional four-voiced polyphonic structure of European music only sporadically. This Negroid idiom involved a sustained melody moving over a throbbing rhythmic background. Melodic basses and sustained inner voices were not an essential part of blues, or of jazz, structure« (Sargeant, S. 196f.). Ebenso kritisch ist er gegen die angeblichen harmonischen Innovationen: er weiß, daß die Harmonik der europäischen, zumal der impressionistischen entlehnt ist. Bemerkenswert scheint dabei nur, daß die amerikanische Volksmusik, und zwar gerade die sogenannten Hillbilly und Cowboy Songs der Weißen, gewisse dem Impressionismus verwandte harmonische Formeln ausgebildet hat, die sich dadurch auszeichnen, daß sie eigentlich keine Stufenfortschreitungen kennen, sondern von Dominante zu Dominante gleiten – eine Art folkloristischer faux bourdon-Wirkung. Sie trägt den Namen »barbershop harmony« (Sargeant, S. 168ff.). Ursprung und Bedeutung dieser Harmonik zu analysieren, wäre für die Theorie des Jazz von erheblicher Wichtigkeit. Ihr Charakteristikum ist wohl die Widerstandslosigkeit; die Neigung, sich treiben zu lassen, ohne von sich aus bestimmte harmonische Verhältnisse zu setzen. In den barbershop-Akkorden nimmt die Fügsamkeit des Jazz Besitz auch von der Harmonik. – Besondere Sorgfalt läßt Sargeant der melodischen Struktur und ihrem Koordinatensystem angedeihen und konstruiert eine Tonleiter mit blue notes an zwei Stellen: neutraler Terz und neutraler Septime, oder mit der Möglichkeit, die kleine für die große Terz und die kleine für die große Septime alternierend eintreten zu lassen (vgl. Sargeant, S. 134). Diese Skala definiert die Norm der normfeindlichen dirty tones. In ihr sieht Sargeant das Negererbe des Jazz kondensiert. Sie gilt selbstverständlich weit mehr für die jazzgerechte Verarbeitung als für die zugrundeliegenden Melodien. Deren Armseligkeit und Indifferenz ist von Sargeant eindeutig zugestanden (Sargeant S. 7 und passim). – Was die Form im engeren Sinn anlangt, so konzedieren beide Autoren den Variationscharakter des Jazz. Die Variationsform im Jazz leistet indessen niemals eingreifende motivische Arbeit sondern allein Paraphrasierungen des harmonisch-melodischen Skeletts: »There has been almost no extended thematic writing, or contrapuntal writing, for jazz bands« (Hobson, S. 70). Sargeant spricht von a very simple type of variation form und beschreibt sie: »considered as we consider ›musical form‹ in Western music, jazz has a rather elementary structure. The hot ensemble simply presents a theme, which may be improvised or taken from some popular melody, and proceeds to make a series of rhythmic and melodic variations on it. The harmonic structure of the theme is not altered in the variations. The formula is that usually expressed in theory books as A-A'-A''-A'' ' etc.; in other words the simple theme-and-variation type of structure« (Sargeant, S. 211f.). Daß eine so mechanistische Formgebarung der Idee der improvisatorischen Freiheit von Anbeginn widerspricht, liegt auf der Hand und sollte genügen, jegliche Romantisierung des Jazz auszuschließen. Sonderbarerweise ist beiden Autoren das essentielle Moment der Jazzform entgangen: daß nämlich die konventionelle Formgebarung darauf hinausläuft, das formale Bewußtsein überhaupt zu suspendieren und – auch darin Parodie des Impressionismus – die Musik zu verräumlichen. Im Jazz herrscht Gleichzeitigkeit in dem Sinn, daß die zeitliche Abfolge nichts für den Sinn der einzelnen Phänomene besagt: prinzipiell sind alle Ereignisse vertauschbar, und Sargeant beobachtet denn auch gelegentlich ganz richtig, daß ein Jazzstück beliebig in jedem Augenblick aufhören kann. Jazz ist undialektisch: die als rhythmisch gepriesene Technik verhält sich im Grunde neutral zur musikalischen Zeit. Darum wohl vermeiden virtuose Jazzmusiker wie Ellington und Basie so weit wie möglich Zäsuren, die auch nur den Schein einer zeitlichen Artikulation der Form aufkommen lassen könnten. Man flieht im Jazz vor der Zeit in den Stillstand der immer gleichen Bewegung.

Zwischen den Stiltypen des Jazz vermögen Hobson und Sargeant so wenig eindeutige Ordnung zu stiften wie ihre Vorgänger. Daraus ist ihnen kein Vorwurf zu machen: man hat eben die Namen der Stiltypen wesentlich dazu erfunden, um die Geschichtslosigkeit der Gattung zu verdecken, an der sich seit den Tagen des Ragtimes nur die Ornamentierung geändert hat, und weiter dazu, um in den Kunden die Illusion der Wahlfreiheit aufrecht zu erhalten, während sie mehr stets abzunehmen haben, was ihnen zudiktiert wird. Hobson definiert Jazz als »a more or less vocalized, personal, instrumental expression whose melodic and harmonic, as well as percussive, elements move in stress-and-accent syncopation in subtle momentums which are the products of an instinct for suspended rhythm« (Hobson, S. 72). Man kann nicht sagen, daß diese Definition sehr weit führte. Um so ergiebiger sind dafür einige Hinweise auf den Ursprung des Wortes Jazz. Es soll entweder dem in New Orleans noch gebräuchlichen Französischen entstammen und von jaser – plaudern, schwatzen – abgeleitet sein. Das würde auf den Zusammenhang mit der Sprechmelodie sowohl wie auf die Kontingenz des Alltagslebens hinweisen. Oder es soll zurückdatieren auf einen alten, den amerikanischen minstrel-shows entlehnten Ausdruck jasbo, »meaning antics guaranteed to bring applause« (Hobson, S. 94). Diese Etymologie erinnert an das Trickmoment und an das kommerzielle Erfolgsinteresse im Ursprung, welches der Monopolkapitalismus geradeswegs aus der Schießbudensphäre übernommen zu haben scheint. Auf jeden Fall hatte das Wort anfänglich sexuelle Bedeutung und scheint in allgemeinen Gebrauch gekommen zu sein durch einen jazzfeindlichen Konkurrenten, der es als Schimpfwort gegen die neue Mode in New Orleans lancierte. Schon 1914 fungierte dann das Wort als Reklameslogan: »In 1914, when the jazz bands had their first, faddish success, the word jazz was immediately taken over for its novelty value by dance musicians whose playing had little or no relation to the natural music« (Hobson, S. 75).

Zur ältesten Vorgeschichte des Jazz finden sich Angaben in Sargeants Kapitel »The Evolution of Jazz Rhythm in Popular Music«. Seine Beispiele reichen zurück bis 1834: damals gab es Gassenhauer wie Turkey in the straw und Old Zip Coon, im charakteristischen cake walk-Rhythmus, in dem rudimentär die Scheintaktidee des Jazz (2/4 zerlegt in 3/16 + 3/16 + 2/16) steckt. – Auf den Zusammenhang des Jazz mit der Militärmusik fallen nur gelegentlich Streiflichter: während des Krieges hatten zahlreiche amerikanische Militärkapellen, die sich nach Frankreich einschifften, ihre Jazzensembles (vgl. Hobson, S. 105). Sargeant erwähnt die Rolle des Saxophons in der Militärmusik und erwähnt den Gebrauch von Märschen als two-steps: »Military marches often did duty as two-steps during the later decades of the nineteenth century« (Sargeant, S. 195).

Zum unvermeidlichen Begriff des Swing zitiert Hobson die Definition: »a band swings when its collective improvisation is rhythmically integrated« (Hobson, S. 16). Sie ist nach jeder Richtung problematisch: sowohl wegen der Überschätzung des improvisatorischen Moments wie wegen des Nachdrucks, den sie auf die Simultaneität verschiedenartiger Improvisationen legt. Später faßt Hobson Swing als eine Gegentendenz zur Kommerzialisierung auf, etwa nach dem Modell der kleinen hochsynkopierten Ensembles, die sich von dem breiten Strom der synkopisch versetzten Musik des Massenkonsums abheben. Aber auch damit kommt man nicht weit, eben weil der Warencharakter sogleich auch die kunstgewerbliche Spezialität ergreift: »The word ›swing‹ has become completely ambiguous. In some quarters ›swing‹ even seems to be regarded as if it were some sort of standardized commodity, such as the newmodel Buicks, which could be judged from any given sample« (Hobson, S. 84). Hobson scheint schließlich der Ansicht zuzuneigen, Swing bezeichne eine Mischung von Jazzkunststücken und kurrenter Schlagermusik: »The ›swing‹ fad, which still continues as this is written, has largely been built on the commercially salable mixture of a certain amount of jazz playing and a great many of those compromise, popular melody-and-jazz orchestrations referred to in the chapter on commercial and concert jazz« (Hobson, S. 152). Die Swingterminologie der jitterbugs wird von der Industrie und ihren Journalisten manipuliert: »Thousands have taken to jabbering what they suppose to be musicians' slang but which is largely the product of ›swing‹ journalism and makes the players themselves wince« (Hobson, S. 153). – Die Resultate Sargeants stimmen mit denen Hobsons wesentlich überein. Swing ist eine Gegenbewegung gegen die Standardisierung des Jazz, die selber sogleich der Standardisierung verfällt: »The swing fad has, of course, been a reaction against the studied product of the large ensembles, and toward the primitive art of Negroid Improvisation. Like most fads it too has become sophisticated and conventionalized. As this book goes to press the term ›swing‹ is being universally applied to a ubiquitous variety of noise in which real improvisation has about as much place as it has in a logarithmic table« (Sargeant, S. 201). Es ist nur die Frage, ob die Standardisierung in der Tat ein Unrecht ist, das man dem Swing angetan, und ob nicht vielmehr die vermeintliche Reaktionsbewegung gegen die Standardisierung selber von sich aus nach Standardisierung drängt. Gerade Sargeants Analyse der Improvisations-patterns gibt solchem Argwohn Nahrung. – Der Gegenbegriff zu Swing, Sweet, ist nicht viel luzider. Sargeant faßt die typischen Differenzen zusammen in den Sätzen: »Small differences aside, then, we have distinguished for our present purposes two general types of jazz both of which represent types of performance rather than types of composition. They are ›hot‹ jazz and ›sweet‹ or sophisticated jazz. The former is more purely Negroid, more purely improvisatory, and comparatively independent of composed ›tunes‹. The latter is the dance and amusement music of the American people as a whole. The tunes on which it is based issue from Tin Pan Alley, the centre of the popular song-publishing industry. These tunes are, some of them, purely Anglo-Celtic or Central European in character, some of them pseudo-Negroid« (Sargeant, S. 35f.). Danach würde als Sweet die große Masse der Unterhaltungsmusik rangieren, die zwar Jazzelemente benutzt, aber sich nicht auf kompliziertere rhythmische Formeln spezialisiert und nicht auf sachverständige Hörer, sondern auf die Hörermajorität einstellt, der sie die Synkopierkünste nur verdünnt serviert, damit sie sich gerade noch als up to date fühlen kann. Die historische Tendenz geht trotz der manipulierten Swingmode auf diesen Typus. Das vormals Aggressive ist durch die Kommerzialisierung geglättet und harmlos geworden: »›Sweet‹ commercial jazz today is different in many respects from the ragtime of 1910. It is orchestral where ragtime was jerky and boisterous. Its melodies are vocal: based on tunes that are originally created as songs. Its composers and what is more important, its arrangers, are likely to be eclectic in their choice of musical material. Its harmonic and orchestral effects are often borrowed from the romantic and impressionistic composers of Europe. Its general character is more romantic and sentimental, less primitive, than that of ragtime« (Sargeant, S. 117). Sophisticated heißt, wohlverstanden, hier und in allen ähnlichen Wendungen nicht: rhythmisch raffiniert, sondern im Gegenteil: poliert und zivilisiert, also im engeren technischen Sinn gerade primitiviert.

Die Relation des Jazz zum Excentric wird gegenüber der zur Negervolksmusik auffällig vernachlässigt, obwohl Auseinandersetzungen über das tap dancing bis an die Schwelle des Phänomens führen. Immerhin fehlt es nicht an Material, gerade aus der Frühzeit des Jazz: »Within a few months after the Dixiland arrived in New York, the word jazz merely meant any rackety, acrobatic dance music« (Hobson, S. 76). Ein Patriarch des Jazz, Ted Lewis, wird als Excentric beschrieben: »Lewis at his best was a sort of loony apotheosis of the ragtime spirit, strutting, twirling a baton, offering burlesque histrionics with a dancer's sense of pace and posture« (Hobson, S. 81). Wirklich von Interesse ist, daß Hobson das Moment des Excentrics mit dem des Kastraten assoziiert. Er zitiert eine Stelle von Virgil Thompson, der Armstrong, den Excentrictrompeter par excellence, beschreibt als »a master of musical art comparable only ... to the great castrati of the eighteenth century« (Hobson, S. 121). Eine Schilderung der band Mike Rileys hält Excentrictaten als solche der Verstümmelung fest, die an den Instrumenten verübt wird: »The band squirted water and tore clothes, and Riley offered perhaps the greatest of trombone comedy acts, an insane rendition of Dinah during which he repeatedly dismembered the horn and reassembled it erratically until the tubing hung down like brass furnishings in a junk shop, with a vaguely harmonic honk still sounding from one or more of the loose ends« (Hobson, S. 161). Angesichts solcher Berichte nimmt sich die Theorie des Jazzsubjekts weniger waghalsig aus.

Werden die Excentriczüge des Jazz zu wenig verfolgt, so wird dafür der kompositionstechnische Repräsentant des Excentric, die Synkope, in ihrer Relation zum Grundrhythmus um so schärfer visiert. Hobson vollzieht nur den ersten Schritt einer Theorie der Synkope: »For those who like psychoanalytic suggestions, it might be said that the ragtime public enjoyed being moved out of the rut of the established beat« (Hobson, S. 26). Denn das Entscheidende ist demgegenüber, daß der established beat allemal sich wiederherstellt, ja, daß er latent während der Synkopierung wirksam bleibt und dieser das Maß vorschreibt. Gerade gegen dies Maß dämmert bei Hobson der legitime Argwohn, den er freilich etwas mißgünstig den ›Modernisten‹ zuschiebt: »The ultramodernists in composition go so far as to pronounce taboo upon rhythm, and even omit the perpendicular lines on their bars of written music, so that the risk of a monotonous pulsation is done away with« (Hobson, S. 107f.). Hier liegt die Einsicht in den bloß pseudomodernen Charakter des Jazz, die Unfreiheit seiner Freiheit, die Einförmigkeit des angeblich vielfältigen Rhythmus zum Greifen nahe. – Tiefer noch führen Sargeants technische Analysen in die Theorie der Synkope. Die beiden Grundtypen, die er angibt, nämlich einfache Synkopierung und Scheintaktbildung, sind gewiß Oberflächenphänomene, da nach Sargeants eigenem Nachweis schon die einfachste Synkopierung elementare Scheintakte bildet. Um so wichtiger ist seine Auffassung von der Synkope als bloßer Stellvertretung des gutes Taktteils. Sie lokalisiert den Fiktionscharakter des Jazz im Zentrum der technischen Verfahrungsweise: »A syncopation often gives the impression of anticipating a normal beat, as the ear tends to expect a normal one, and accepts the appearance of the abnormal one as its hurried or advanced representative« (Sargeant, S. 38). Die Synkope ist ein leibhaftiges Als ob. Ihre stellvertretende Rolle steht in Konfiguration mit jenem Moment des zu Früh: »Both anticipative and retardative syncopation are found in jazz though the former device is perhaps the commoner« (Sargeant, S. 39). Einleuchtend ist Sargeants Auffassung von der Bedeutung des punktierten Rhythmus (»umpateedle«, Sargeant, S. 54). Durch die Punktierung wird die Wirkung des guten Taktteils verstärkt und dadurch indirekt die der zum guten Taktteil kontrastierenden Synkope. Das von Sargeant formulierte Gesetz der Synkopierung stellt sie gerade als Funktion der Stärke des guten Taktteils heraus, auf dem die Synkope eben nicht eintritt: die Kraft des Ausbruchs wird gleichsam von der Kraft der Konvention gespeist: »A syncopation, or syncopative accent, is striking in direct proportion to the weakness of the metric beat on which it enters. Hence the effect, through ›umpateedle‹, has been intensified« (Sargeant, S. 55). Aus der Theorie der Punktierung leitet Sargeant den Begriff der Synkopierung zweiten Grades ab, die die Symmetrie des Scheinausbruchs selber impliziert. Neu ist weiter die Entdeckung, daß die Relation von Zählzeit und Synkope als historische Auseinandersetzung zu verstehen ist. Die guten Taktteile haben sich gegen den unterwürfigen Hohn der Synkope zur Wehr gesetzt, so gut es gehen wollte. Aber der Motor des hämischen Kunststücks erwies sich als stärker: »Even in the rags of the early nineteen hundreds a certain reluctance to override these beats with syncopation and polyrhythmic cycles persisted. The prim four-square structure of the old reels and hornpipes, put up a valiant defense against the new influence. But the development of polyrhythmic freedom was not to be denied indefinitely, even though the Anglo-Celtic tradition and the structural peculiarities of the European notational system were pitted against it. By the turn of the century the besieged strong beats began to yield here and there« (Sargeant, S. 108). – Sargeants abschließende Theorie der Synkope kommt der des Referenten recht nahe. »The interruption of rhythmic regularity produces a feeling of unrest. The listener's rhythmic faculties are thrown off balance, and he gropes instinctively for a reorientation. His groping is attended by a certain sense of stimulation or excitement. A resumption of regularity is greeted with a feeling of relief.« (Sargeant, S. 203) Er beschreibt die Synkope hübsch als »rhythmische Dissonanz«, die auf ihre Auflösung drängt. Das Enthüllungsritual, kraft dessen das Jazzsubjekt seiner Identität mit der gesellschaftlichen Macht der Zählzeit innewird, der es zu opponieren meint, wird von Sargeant treu festgehalten: »The listener is thrown for the moment on unmapped and confusing ground. The basic rhythm ceases to offer its familiar thumping landmarks. The solo dangles dizzyingly without support, and then, just as the listener has about abandoned hope of re-orienting himself, the fundamental rhythm resumes its orderly sway, and a feeling of relief ensues« (Sargeant, S. 205). An dieser Stelle erreicht er die Einsicht in den Illusionscharakter des gesamten Vorgangs: »In this process the fundamental rhythm is not really destroyed. The perceptive listener holds in his mind a continuation of its regular pulse even though the orchestra has stopped marking it. And when the orchestra resumes its rhythmic function, it continues the series of mentally sustained pulses, its entrance coinciding precisely with one of them. The situation during the silent pulses is one that challenges the listener to hold his bearings. If he has any sort of rhythmic sense he will not be content to lose himself. If he does not feel the challenge, or is perfectly content to lose himself, then he is one of those who will never understand the appeal of jazz« (Sargeant, S. 206, vgl. Hobson, S. 49). Diesen Appell des Jazz verstehen ist nichts anderes, als zur Mimik der Freiheit in der Unfreiheit sich bereitfinden. Die Leistung des sachverständigen Hörers beschränkt sich darauf, im Parieren durch keine subjektive Anfechtung sich irremachen zu lassen (vgl. Sargeant, S. 208).

Die Art Integration, die der Jazz zuwegebringt, vergleicht Sargeant zu Recht dem happy ending des Films (Sargeant, S. 215). Die ideologische Rolle der Filmschlüsse ist eine Trivialität. Die der Jazzintegration tritt durch Sargeants Vergleich ins Blickfeld. Jazz ist »a ›get together‹ art for ›regular fellows‹. In fact it emphasizes their very ›regularity‹ by submerging individual consciousness in a sort of mass self-hypnotism ... In the social dimension of jazz, the individual will submits, and men become not only equal but virtually indistinguishable« (Sargeant, S. 217). Aus dem Munde eines Musikers, der die gesellschaftliche Betrachtung ablehnt, eine erstaunliche Feststellung. Die Vermittlung zwischen gesellschaftlichem und ästhetischem Vorgang jedoch ist die Technik der mechanischen Reproduktion. Jazz und Radio passen zueinander, als wären sie in der gleichen Form gegossen, und fast könnte man sagen, Jazz sei die Musik, die bereits in natura klingt, als wäre sie durchs Radio übertragen. Auch dies Verhältnis ist bei Sargeant wenigstens angedeutet: »Already the flexible idiom of jazz has found a strong foothold in the technologically changed situation« (Sargeant, S. 222). – Der Ausdruck Selbsthypnose, den er bei der Beschreibung der Jazzintegration verwendet, gewinnt in den präzisen Analysen ein anderes Gewicht, als wenn er in der Phrase des Journalisten erscheint, der über ein jitterbug meeting berichtet. Es war dem regressiven Hören der Verlust jeglicher Spontaneität, die blinde Akzeptierung der vom Monopol aufgezwungenen Kulturwaren nachgesagt worden. Vielleicht ist es damit nicht getan. Die zwangskonsumierten Güter erregen solchen Widerwillen – kaum mehr unbewußten –, daß das Ich den Identifikationsmechanismus von sich aus andrehen und sich buchstäblich selber hypnotisieren muß, weil es anders nicht mehr bei der Stange bleibt. Daher der Gestus des jitterbugs, der sich benimmt, als mache er willentlich einen Idealtypus des jitterbugs nach. Wenn die regressiven Hörer sich wie Insekten verhalten, dann verbrauchen sie zum Schwirren eben die Triebenergien, deren sie bedürften, um Menschen zu werden.

 

1941

 

 
Gesammelte Werke
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