VI. Kammermusik

 

Um der Kammermusik ihren soziologischen Aspekt abzugewinnen, gehe ich weder von der Werkgattung aus, deren Grenzen verfließen, noch von den Hörern sondern von den Spielern. Unter Kammermusik verstehe ich dabei im wesentlichen jene Produkte der Sonatenepoche von Haydn bis Schönberg und Webern, die durch das Prinzip der durchbrochenen Arbeit gekennzeichnet ist. Dieser Typus Musik wird der inneren Beschaffenheit, dem Gewebe nach konstituiert durch die Verteilung an ein paar Musizierende. Sein Sinn ist, zunächst jedenfalls, mindestens so sehr den Spielern zugeeignet wie einer Hörerschaft, an die dabei zuweilen kaum gedacht scheint. Vom kirchlich definierten Wirkungskreis von Sakralkunst, auch solcher kleiner Besetzung, unterscheidet darin die Kammermusik, zu der man auch den größten Teil der Liedproduktion des neunzehnten Jahrhunderts zählen mag, sich ebenso wie vom vagen und weiten Publikumsbereich des Virtuosen und der Orchester. Zu fragen ist, was das gesellschaftlich bedeute. Sicherlich wird Kennerschaft vorausgesetzt. Die Zuwendung zu den Spielenden, wie sie der Gehalt der Kammermusik selbst vollzieht, rechnet mit solchen, die, indem sie ihren eigenen Part ausführen, des Ganzen sich bewußt sind und den Vortrag ihres Parts auf seine Funktion im Ganzen einrichten. Wenn, schon in der Spätzeit der Kammermusik, das Kolisch-Quartett bei den Proben nie Stimmen sondern nur Partituren verwandte und die Werke, auch die schwierigsten zeitgenössischen, allesamt auswendig spielte, so vollendete sich damit eine Intention, welche im kammermusikalischen Verhältnis von Notentext und Spieler von Anbeginn steckte. Wer Kammermusik richtig darstellt, bringt zugleich die Komposition als ein Werdendes nochmals hervor und bildet ihr ideales Publikum, das noch ihre geheimste Regung mitvollzieht. Insofern ließ der Typus authentischer Kammermusik es sich angelegen sein, in einem wie immer auch beschränkten sozialen Bereich Sache und Publikum zu vereinen. Beide entfernten sich voneinander seit dem Übergang der bürgerlichen Musik zur vollen Autonomie. Kammermusik war die Zufluchtsstätte eines Äquilibriums von Kunst und Rezeption, das sonst die Gesellschaft verweigerte. Sie stellt es her durch Verzicht auf jenes Moment der Öffentlichkeit, das ebenso der Idee von bürgerlicher Demokratie zugehört, wie ihm, unter dieser, Besitzdifferenz und Bildungsprivileg entgegen sind. Die Möglichkeit eines solchen homogenen Modellraums gewährt der Zustand relativer Sekurität wirtschaftlich unabhängiger einzelner Bürger; von Unternehmern und, insbesondere, wohlhabenden Mitgliedern der sogenannten freien Berufe. Offensichtlich herrscht eine Relation zwischen der Blüte der Kammermusik und der Ära des Hochliberalismus. Kammermusik ist spezifisch einer Epoche, in der die Sphäre des Privaten, als eine von Muße, von der öffentlichberuflichen energisch sich getrennt hat. Weder aber divergieren beide schon unversöhnlich, noch wird, wie im modernen Begriff der Freizeit, die Muße beschlagnahmt und Parodie von Freiheit. Große Kammermusik konnte entstehen, gespielt und verstanden werden, solange der Privatsphäre einige sei's auch schon zerbrechliche Substantialität zukam.

Die Aktion derer, die Kammermusik spielen, hat man, nicht ohne Grund, immer wieder mit einem Wettkampf oder einem Gespräch verglichen. Dafür ist in den Partituren gesorgt: die motivisch-thematische Arbeit, das sich Abnehmen der Stimmen, ihr wechselseitiges Hervortreten, die ganze Dynamik in der Struktur von Kammermusik hat etwas Agonales. Der Prozeß, den eine jegliche Komposition in sich repräsentiert, trägt aktiv Gegensätze aus; zuerst offen und, bei Haydn und Mozart, nicht ohne Ironie, später dann versteckt in strikter Technik. Die Spieler befinden sich so evident in einer Art von Konkurrenz, daß der Gedanke an den Konkurrenzmechanismus der bürgerlichen Gesellschaft nicht abzuweisen ist; der Gestus des rein musikalischen Vollzugs selber gleicht dem sichtbaren sozialen. Und gleicht ihm doch auch nicht. Denn nirgendwo trifft die Kantische Definition der Kunst als Zweckmäßigkeit ohne Zweck, die zu Beginn der bürgerlichen Emanzipationsbewegung formuliert ward, den Gegenstand genauer als in der Kammermusik. Während, gerade in den ersten Werken der Gattung, die noch nicht das Äußerste wollen, vielfach ein emsiges Getriebe herrscht, als leisteten die vier Instrumente des Streichquartetts gesellschaftlich nützliche Arbeit, ist doch, was sie tun, bloß deren machtloses und unschuldiges Nachbild; ein Produktionsprozeß ohne Endprodukt: das wäre, in der Kammermusik, einzig er selber. Der Grund ist, daß die Spieler, im doppelten Sinn, eben bloß spielen. In Wahrheit ist jener Produktionsprozeß in dem Gebilde vergegenständlicht, das sie nur noch wiederholen, in der Komposition; die Aktivität ward zum reinen, der Selbsterhaltung entronnenen Tun. Was die primäre Funktion der Spieler scheint, ist vorweg schon von der Sache geleistet und wird ihnen von dieser nur noch gleichsam zurückerstattet. Das gesellschaftliche Zweckverhältnis ist sublimiert zu einem zweckfreien ästhetischen An sich. Insofern hat auch die große Kammermusik dem Primat des Dinges ihren Tribut zu entrichten; ihre Geburtsstunde fällt zusammen mit der Abschaffung des bezifferten Basses und damit der bescheidenen Reste irrationaler Spontaneität der Spieler, der Improvisation. Kunst und Spielen finden zum Einstand: Kammermusik ist ein Augenblick; fast dünkt es ein Wunder, daß ihre Periode so lange währte. Jene Vergeistigung eines gleichwohl unverkennbar sozialen Vorgangs aber modelt dessen eigene Erscheinung, den Wettstreit. Der kammermusikalische nämlich ist ein negativer und kritisiert insofern den realen. Der erste Schritt, Kammermusik richtig zu spielen, ist, zu lernen, nicht sich aufzuspielen, sondern zurückzutreten. Das Ganze konstituiert sich nicht durch die auftrumpfende Selbstbehauptung der einzelnen Stimmen – sie ergäbe ein barbarisches Chaos – sondern durch einschränkende Selbstreflexion. Wenn die große bürgerliche Kunst ihre eigene Gesellschaft transzendiert durch die umfunktionierende Erinnerung an feudale Elemente, die dem Gang des Fortschritts zum Opfer fielen, so pflegt Kammermusik, als Korrektiv des patzigen Bürgers, der auf dem Seinigen steht, Courtoisie. Die soziale Tugend der Höflichkeit hat, bis zu Weberns Gestus des Verstummens, mitgewirkt bei jener Vergeistigung der Musik, deren Schauplatz die Kammermusik – vermutlich sie allein – war. Große Kammermusikspieler, die im Geheimnis der Gattung sind, neigen dazu, so sehr auf den anderen zu hören, daß sie den eigenen Part nur markieren. Als Konsequenz ihrer Praxis kündigt das Verstummen, der Übergang der Musik ins lautlose Lesen sich an, Fluchtpunkt aller Vergeistigung von Musik. Am ehesten ist ein Analogon zur Verhaltensweise der Kammermusiker das Ideal des fair play im älteren englischen Sport: die Vergeistigung der Konkurrenz, ihre Versetzung in die Imagination, nimmt einen Zustand vorweg, in dem sie vom Aggressiven und Bösen geheilt wäre; schließlich den von Arbeit als Spiel.

Wer auf diese Weise sich verhält, wird als ein vom Zwang der Arbeit Ausgenommener vorgestellt, als Amateur; die frühen Streichquartette des Wiener Klassizismus, noch die drei letzten, die Mozart für den König von Preußen schrieb, waren Nichtberufsmusikern zugedacht. Heute bereits ist es nicht mehr leicht, ein Amateurtum sich zu vergegenwärtigen, das derlei Anforderungen technisch bewältigen konnte. Man wird, um das Pathos jener Idee des Amateurs zu begreifen, an ein Motiv des deutschen Idealismus sich zu erinnern haben, das bei Fichte, vor allem aber bei Hölderlin und Hegel hervortrat, den Widerspruch zwischen der Bestimmung des Menschen, bei Hölderlin seinem »göttlichen Recht«, und der heteronomen Rolle, die ihm im bürgerlichen Erwerb zufällt. Übrigens hat der kranke Hölderlin Flöte gespielt; in seiner Lyrik insgesamt ist etwas vom Geist der Kammermusik zu spüren. Die privaten Kammermusiker waren solche, die, als Adlige, einen bürgerlichen Beruf nicht nötig hatten, oder später solche, die den bürgerlichen Beruf nicht als das Maß ihrer Existenz anerkannten und deren bestes Teil außerhalb der Arbeitszeit suchten, die sie doch gleichwohl so prägte, daß sie auch dort sie nicht ignorieren konnten, wo sie ein schmales Reich der Freiheit besaßen. Diese Konstellation dürfte das Spezifische des Kammermusikers erklären. Er behielt seinem Privatleben eine Beschäftigung vor, die, wollte sie nicht lächerliche Stümperei bleiben, volle berufliche Qualifikation verlangte, das, was man heute professional standards nennen würde. Der Liebhaber von Kammermusik, der seiner Aufgabe gewachsen ist, könnte Berufsmusiker sein; bis in die jüngste Vergangenheit hinein fehlt es nicht an Beispielen dafür, daß Amateure in Konzertierende sich verwandelten. Die stets noch anhaltende Liebe und Fähigkeit der Ärzte zur Kammermusik wäre wohl zu enträtseln als Protest gegen einen bürgerlichen Beruf, der dem Intellektuellen, der ihn ergreift, besonders viel zumutet, Opfer verlangt, wie sie sonst nur von körperlich Arbeitenden verlangt werden: Ekel Erregendes berühren und über die eigene Zeit nicht verfügen, sondern auf Abruf warten. Die musikalische Sublimierung in der Kammermusik entschädigt dafür. Sie wäre die geistige Tätigkeit, um die der Arzt betrogen sich fühlt. Der Preis ist, daß sie in die Realität nicht eingreift, nicht hilft – so wie Tolstoi in dem Werk, das den Namen einer großen Kammermusik trägt, dieser, im vollen Bewußtsein ihrer ästhetischen Dignität, es vorgeworfen hat. Die Beziehung der Kammermusik zum deutschen Idealismus als die Aufrichtung eines Gehäuses, darin der menschlichen Bestimmung nachzukommen sei, zeigt im übrigen wohl sich auch daran, daß Kammermusik im emphatischen Sinn auf den deutsch-österreichischen Bereich beschränkt war. Ich hoffe nicht den Verdacht des Nationalismus zu erregen mit der Behauptung, die weltberühmt gewordenen Quartette von Debussy und Ravel, Meisterstücke auf ihre Weise, fielen nicht eigentlich unter jenen nachdrücklichen Begriff. Das mag damit zusammenhängen, daß sie selbst schon in einer Phase geschrieben wurden, in der er erschüttert war. Ihre Quartette sind wesentlich koloristisch empfunden, kunstvoll paradoxe Übertragungen von Farben, sei es der Orchesterpalette, sei es des Klaviers auf die vier Solostreicher. Ihr Formgesetz ist die statische Juxtaposition von Klangflächen. Ihnen fehlt eben das, woran Kammermusik ihr Lebenselement hatte, die motivisch-thematische Arbeit oder ihr Nachhall, das, was Schönberg entwickelnde Variation nannte: der dialektische Geist eines sich aus sich heraus erzeugenden, negierenden, meist allerdings wiederum bestätigenden Ganzen. In solchem Geist hält noch die äußerste kammermusikalische Intimität ihre Beziehung auf die soziale Wirklichkeit fest, vor der sie wie mit Abscheu sich zurückzieht. Tief miteinander verwachsen sind große Philosophie und Kammermusik in der Struktur des spekulativen Gedankens. Schönberg, der Kammermusiker par excellence, lenkte denn auch von je den Vorwurf des Spekulativen auf sich. Stets wohl hatte Kammermusik etwas von der Esoterik der Identitätssysteme. In ihr ist, wie bei Hegel, alle qualitative Fülle der Welt nach innen geschlagen.

Nahe liegt es danach, sie als Musik der Innerlichkeit zu bestimmen. Aber deren Idee reicht kaum an das geschichtlich-soziale Phänomen heran. Nicht umsonst ist gerade sie zum Mittel einer heimelig reaktionären Apologetik der Gattung für solche geworden, die wider die technische Zivilisation an ihre Musik sich klammern, als wären sie dort geschützt vor dem äußerlichen, kommerziellen und, nach ihrer Sprache, dekadenten Betrieb. Über diesen gelangt nicht hinaus, wer als Liebhaber von Kammermusik trachtet, ökonomisch und auch ästhetisch überholte Stadien provinziell zu konservieren oder restaurieren. Ein Buch nach dem Zweiten Weltkrieg trug den Titel ›Das stillvergnügte Streichquartett‹. Solchem ideologischen Unwesen von Innerlichkeit ist große Kammermusik entrückt. Jene Ideologie hat zum Substrat ein in Wahrheit höchst abstraktes Konkretum, das rein für sich selbst seiende Individuum. Kammermusik aber ist der eigenen Struktur nach ein Objektives. Keineswegs erschöpft sie sich im Ausdruck des entfremdeten Subjekts. Dazu wird sie ganz erst am Ende, in einer polemisch extremen Haltung, die den Stillvergnügten am letzten behagt. Früher aber entrollte sie das unbildliche Bild eines antagonistisch sich fortbewegenden Ganzen, soweit diesem die Erfahrung von Privaten noch kommensurabel ist.

Solche Wiederkunft verlorener Objektivität in einem subjektiv eingeschränkten Bereich definierte das soziale wie das metaphysische Wesen von Kammermusik. Besser als das muffig selbstgerechte Wort Innerlichkeit taugt zu seiner Deskription die bürgerliche Wohnung, in welcher Kammermusik durch ihr Klangvolumen wesentlich lokalisiert war. In ihr, wie in der Kammermusik, ist kein Unterschied zwischen dem Spielenden und dem Hörenden vorgesehen. Scheinbar belanglose, dabei aus der häuslichen Kammermusikpraxis des neunzehnten und früheren zwanzigsten Jahrhunderts nicht wegzudenkende Gestalten wie der die Seiten des Klavierparts Umblätternde, ein Zuhörer, der dem musikalischen Fortgang präzis folgt, sind soziale imagines der Kammermusik. Das bürgerliche Interieur älteren Stils wollte wie diese von sich aus die Welt noch einmal sein. Dabei hat freilich von Anbeginn ein Widerspruch sich ausgeformt. Was durch seinen Schauplatz wie durch die Exekutoren auf die Privatsphäre verwiesen war, transzendierte diese zugleich durch seinen Gehalt, die Vergegenwärtigung des Ganzen. Die Rücksichtslosigkeit gegenüber breiter Wirkung, die im Prinzip solcher Privatheit eingeschlossen war, spornte an zur autonomen Entfaltung der Musik selbst kraft jenes Gehalts. Das mußte ihren sozialen Raum und den Umkreis der Spieler sprengen. Schon ehe die Gattung der musikalischen Intimität voll etabliert war, hat sie zu Hause nicht mehr häuslich sich gefühlt. Beethoven sagte von der endgültigen Gestalt der Sechs Quartette op. 18, dem ersten Werk, in dem er souverän über die kompositorischen Mittel verfügte, jetzt erst habe er recht gelernt, Quartette zu schreiben. Dem Ausspruch gebührt darum besondere Aufmerksamkeit, weil jenes Opus eigentlich gar kein Vorbild hatte; seine Verfahrungsweise hat wenig selbst mit den großen, Haydn gewidmeten Quartetten Mozarts zu tun. Beethoven leitete das Kriterium des wahren Streichquartetts aus den immanenten Forderungen der Gattung, nicht aus tradierten Modellen ab. Eben das jedoch, die Erhebung der kammermusikalischen Produktion über ihre damals noch sehr jungen Archetypen, dürfte die adäquate Interpretation durch Amateure verhindert haben. Dadurch aber auch, prinzipiell, die Aufführung im Zimmer. Berufsmusiker waren ökonomisch auf eine immerhin größere Zuhörerschaft und damit auf die Form des Konzerts angewiesen. Selbst in jenen Mozartquartetten, in denen die Widmung an einen großen Komponisten bereits den Vorrang der Komposition über das Musizieren bezeugt, dürfte es nicht viel anders sich verhalten haben; sie gehören zu den Gebilden, deren einige Mozart in fast jeder Kompositionsgattung hinterließ und die etwas wie Paradigmata des wahren Komponierens sein wollten, als protestierten sie gegen den Wust der Auftragskompositionen und die Einschränkungen von Technik und Phantasie, welche sie dem Genius aufzwangen. Demnach wäre bei der Kammermusik früh von einem Antagonismus zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen zu reden, und zwar nicht als einem der Produktion äußerlichen Mißverhältnis zwischen ihrer Gestalt und ihrer Rezeption sondern als einem künstlerisch immanenten. Dieser Widerspruch trieb weiter und zerbrach den letzten gesicherten Raum musikalischer Rezeption, zeitigte aber die Entwicklung der Gattung und ihre Größe. Sie war, ohne harmonistisch-totale Fiktionen, dem in sich antagonistischen Stand einer durchs principium individuationis organisierten Gesellschaft gemäß und überflügelte zugleich ihre Angleichung an diese durch das, was sie sagte. Indem sie ihr eigenes Formgesetz rein verfolgte, schärfte sie sich kritisch gegen den marktmäßigen Musikbetrieb und gegen die Gesellschaft, der er zu Willen war. Auch dieser Widerspruch hat eine sichtbare imago gefunden, die des kleinen Saals. Kleine Säle gab es früher in Schlössern; nun wurden sie in den großen Konzerthäusern, die der symphonischen Produktion galten, aus bürgerlichem Bedürfnis geplant, Räume, die akustisch und atmosphärisch der kammermusikalischen Intimität einigermaßen noch entsprachen, aber sie schon veröffentlichten und sie auf Marktbedingungen einrichteten. Der kleine Saal – ich selbst habe in dem akustisch idealen des Frankfurter Saalbaus die gesamte traditionelle Quartettliteratur, vor allem Beethoven, durch Rosé kennengelernt – war der Ort eines Waffenstillstands zwischen Musik und Gesellschaft. Es nähme nicht wunder, wenn nach den Bombenkatastrophen des Zweiten Krieges solche kleinen Säle nicht oder nur in geringem Umfang wiederaufgebaut worden wären. Der kammermusikalische Waffenstillstand zwischen Kunst und Gesellschaft dauerte nicht: der Gesellschaftsvertrag wurde gekündigt. In der bürgerlichen Welt sind demnach eigentlich keine kleinen Säle möglich. Werden sie um der Kunst willen und nicht, wie im Feudalismus, aus realen Zweckforderungen der Schlösser errichtet, so überschattet sie Paradoxie. In der bürgerlichen Idee des Saals, die von Assoziationen mit der großen politischen Versammlung oder wenigstens des Parlaments nicht getrennt werden kann, ist Monumentalität schon immer mitgedacht. Kammermusik und kapitalistischer Aufschwung vertrugen sich schlecht. Die Tendenz der Kammermusik, die einmal ephemere Konkordanz aller an der Musik Beteiligten schuf, hat früher als andere musikalische Typen von der Rezeption sich losgesagt. Die Evolution der neuen Musik begann genau in jenem Bereich. Die entscheidenden Innovationen Schönbergs wären nicht möglich gewesen, hätte er sich nicht vom Pomp der symphonischen Dichtungen seiner Zeit abgekehrt und den verpflichtenden Brahmsischen Quartettsatz sich als Muster erwählt.

Die musikalische Form, die auf den großen Saal geeicht war, ist die Symphonie. Nicht zu unterschätzen ist das Allbekannte, daß ihre architektonischen Schemata mit denen der Kammermusik übereinstimmten und von der Brahmsischen wie der Brucknerschen Richtung weiter verwandt wurden, als die Konzeption der symphonischen Dichtung davon sich abgespalten hatte. Diese rebellierte viel früher, aber auch viel weniger radikal als die kammermusikalische Literatur und die für Klaviersolo, wo dann produktive Kritik die kanonisierten Formen in ihrer Fiber, bis in die kleinsten Elemente hinein, ergriff. In der Vorgeschichte des Wiener Klassizismus, bei den Mannheimern, war die Grenze zwischen Symphonie und Kammermusik nicht strikt gezogen. Sie blieb stets labil; am kammermusikalischen Duktus des ersten Satzes der Vierten Symphonie von Brahms ist so wenig Zweifel wie am symphonischen Zug seiner Klaviersonaten, den bereits Schumann in der berühmten Rezension bemerkte, oder gar an dem des ersten Satzes von Beethovens f-moll-Quartett op. 95. Der Sonatentypus muß besonders gut zur Darstellung einer subjektiv vermittelten, dynamischen Totalität getaugt haben. Deren Idee – als eine der Musik selbst und nicht ihres Verhältnisses zu den Aufnehmenden – behauptete, weil sie aus dem tragenden gesellschaftlichen Grunde geschöpft war, den Primat über den drastischeren, aber sekundären Unterschied von Öffentlichkeit und Privatsphäre. Dieser konnte selbst nicht volle Substantialität beanspruchen, insofern die musikalische Öffentlichkeit keine Agora, keine wahrhafte Gemeinsamkeit im Sinn unmittelbarer Demokratie war sondern eine Vereinigung von Einzelnen, die bei den festlich symphonischen Gelegenheiten subjektiv das Gefühl ihrer Vereinzelung abwerfen mochten, ohne daß doch an deren Grund gerüttelt wurde. Im Gehalt von symphonischer und Kammermusik gab es tief Gemeinsames: die Dialektik zwischen Partikularem und Ganzem, die werdende Synthesis aus kontradiktorischen Interessen. Zuweilen schien die Wahl des einen oder anderen Mediums fast beliebig. Sicherlich war für die strukturellen Ähnlichkeiten von Symphonik und Kammermusik verantwortlich auch, daß nach einer langen Vorgeschichte der geschliffene Sonatensatz und die ihm gesellten Typen die Sekurität des Allvertrauten stifteten und gleichzeitig dem spontan musikalischen Impuls viel Raum boten. Sie waren vorhanden, seligiert und handwerklich erprobt. Die Schwerkraft existenter Formen jedoch, ein wesentliches kunstsoziologisches Moment auch in der Musik, hätte allein nicht ausgereicht, zwei ihrem Raum nach, im buchstäblichen und übertragenen Sinn, so verschiedene Typen wie die Symphonik und die Kammermusik strukturell an die gleichen Formvoraussetzungen zu binden. Sprach Paul Bekker von der gemeinschaftsbildenden Kraft, die übrigens stets insofern etwas Ideologisches hatte, als die Menschheit, die im Angesicht der Symphonie sich formierte, und wäre es die Neunte gewesen, ästhetisch blieb und nie in die reale gesellschaftliche Existenz hineinreichte – so zielte auch der Mikrokosmos der Kammermusik auf Integration, verzichtete aber auf die schmückende und repräsentative Fassade des expansiven Klangs. Trotzdem hatte Bekker recht, wenn er sich wehrte gegen die formalistische Definition der Symphonie als einer Sonate für Orchester. Schönberg hat das, im Gespräch, hartnäckig bestritten und, unter Hinweis auf die Prävalenz der Sonate hier und dort, auf der unmittelbaren Identität beider Gattungen bestanden. Dabei leitete ihn der apologetische Wille, der Brüche und Widersprüche im Werk der sakrosankten großen Meister, selbst stilistische, nicht dulden mochte; gelegentlich hat er sogar Unterschiede des Rangs im œuvre der einzelnen Komponisten geleugnet. Dennoch ist der Unterschied von Symphonie und Kammermusik fraglos. Licht wirft es auf die Widersprüchlichkeit des musikalischen Bewußtseins, daß gerade im œuvre Schönbergs die Faktur der Orchesterwerke gänzlich abweicht von der Kammermusik. Er selbst erörterte bei Gelegenheit der Orchestervariationen op. 31 das Problem, das sich stellte, als er die Zwölftontechnik zum ersten Mal auf einen großen Orchesterapparat anwandte und durch das Klangmaterial genötigt war, an polyphonischer Kombinatorik weit über das hinauszugehen, was er zuvor mit der neuen Technik gewagt hatte. Allerdings war die frühere Differenz zwischen der kammermusikalischen und der symphonischen Sonate genau entgegengesetzt der, welche im Zeitalter der Krisis der Sonatenform dominierte. Trotz des immerhin erheblich reicheren Apparats sind die Beethovenschen Symphonien prinzipiell einfacher als die Kammermusik, und gerade darin machten die vielen Hörer im Inneren des Formbaus sich geltend. Das hatte freilich nichts zu tun mit Anpassung an den Markt; allenfalls mit dem Beethovenschen Vorsatz, »dem Mann Feuer aus der Seele zu schlagen«. Die Beethovenschen Symphonien waren, objektiv, Volksreden an die Menschheit, die, indem sie ihr das Gesetz ihres Lebens vorführten, sie zum unbewußten Bewußtsein jener Einheit bringen wollten, die den Individuen sonst in ihrer diffusen Existenz verborgen ist. Kammermusik und Symphonik waren komplementär. Jene hat, in weitem Maß unter Verzicht auf pathetische Gestik und Ideologie, dem Stand des sich emanzipierenden bürgerlichen Geistes zum Ausdruck verholfen, ohne noch zur Gesellschaft unmittelbar zu sprechen; die Symphonie zog die Konsequenz, die Idee der Totalität wäre ästhetisch nichtig, sobald sie nicht mit der realen Totalität kommuniziert. Dafür aber entwickelte sie ein Moment des Dekorativen, auch des Primitiven, das das Subjekt zur produktiven Kritik nötigte. Humanität trumpft nicht auf. Das mochte einer der genialsten Meister, Haydn, ahnen, als er über den jungen Beethoven als den Großmogul spottete. Die Unvereinbarkeit der ähnlichen Gattungen ist, in einer Drastik, welche die Theorie kaum überbieten kann, Niederschlag der Unvereinbarkeit von Allgemeinem und Besonderem in einer entwickelten bürgerlichen Gesellschaft. In Beethovens Symphonie tritt die Detailarbeit, der latente Reichtum an Binnenformen und Gestalten, vor der rhythmisch-metrischen Schlagkraft zurück; die Symphonien wollen durchweg einfach in ihrem Zeitverlauf und in ihrer zeitlichen Organisation gehört werden, bei vollkommener Ungebrochenheit der Vertikale, des Gleichzeitigen, des Klangspiegels. Die Motivabundanz des ersten Satzes der Eroica – freilich in gewissem Hinblick der höchsten Erhebung der Beethovenschen Symphonik überhaupt – blieb die Ausnahme. Nennte man freilich Beethovens Kammermusik polyphon und die Symphonien homophon, so wäre das unexakt. Auch in den Quartetten wechselt Polyphonie mit Homophonie; in den letzten neigt diese zur kahlen Einstimmigkeit auf Kosten eben jenes Ideals von Harmonie, das in den hochklassizistischen Symphonien, wie der Fünften und der Siebenten, herrscht. Wie wenig indessen Symphonik und Kammermusik bei Beethoven eins sind, lehrt der flüchtigste Vergleich der Neunten mit den letzten Quartetten oder auch bereits den letzten Klaviersonaten; ihnen gegenüber ist die Neunte rückblickend, orientiert sich am klassizistischen Symphonietypus der mittleren Zeit und gewährt den Dissoziationstendenzen des eigentlichen Spätstils keinen Einlaß. Das ist schwerlich unabhängig von der Intention dessen, der seine Hörer mit »O Freunde« anredet und mit ihnen zusammen »angenehmere Töne« anstimmen will.

Unter denen, die sich musikalisch dünken, gilt es für ausgemacht, die Kammermusik sei die höchste musikalische Gattung. Dies Convenu dient sicherlich in erheblichem Maß der elitären Selbstbestätigung; aus der Beschränktheit des Personenkreises wird abgeleitet, die Sache, die ihnen reserviert ist, sei dem, woran die misera plebs sich erfreut, überlegen. Die Nähe solcher Gesinnung zu fatalen kulturellen Führungsansprüchen ist so offenbar wie die Unwahrheit jener musikalischen Bildungsideologie. Daß die traditionelle Kammermusik höher stehe als die große Symphonik, nur weil sie auf Pauken und Trompeten verzichtet und weniger überredet als die Symphonik, überzeugt nicht. Immer wieder haben die bedeutenden und resistenzkräftigen Komponisten von Haydn bis Webern die Hand nach der Symphonie oder ihren Derivaten ausgestreckt. Denn ihnen allen war gegenwärtig, welchen Preis die Kammermusik für den Unterschlupf zu zahlen hatte, den sie einer Subjektivität gewährt, die keine Öffentlichkeit surrogieren muß und ungefährdet gleichsam bei sich selber verbleibt: ein Moment von Privatem im negativen Sinn, von kleinbürgerlichem Glück im Winkel, von einer Selbstbescheidung, die mehr als bloß gefährdet ist von resignierender Idyllik. An der Kammermusik der hochromantischen Komponisten ist das, trotz leuchtender Schönheit, offenbar, und noch bei Brahms, dessen Kammerwerke durch konstruktive Festigung aus sich selbst heraus nachdrücklich sich zu objektivieren beginnen, sind die Spuren davon zu finden, zuweilen in ernüchterter Trockenheit, zuweilen in einem buntdruckähnlichen Spitzwegton. Einer Musik, die dem gespaltenen und fragwürdigen Zustand des Ganzen entspringt und nicht über ihn hinaus kann, wird mit gesellschaftlicher Notwendigkeit auch dort, wo sie nicht mehr ambitioniert als das scheinbar Erreichbare, diese Einschränkung zu einer der Sache selbst, es sei denn, daß das Leiden am Zustand in ihr gestaltet ist. An der Qualität der Kunstwerke rächt sich der falsche gesellschaftliche Zustand, gleichgültig, welche Position sie ihm gegenüber beziehen.

Andererseits aber ist jenes Urteil, das die Kammermusik verherrlicht, auch wahr, wie denn tatsächlich ihre Adepten an Sachverständnis die übrigen Hörer übertreffen. Nur ist dieser Vorrang so wenig einer der vielberufenen inneren Werte als solcher wie einer der einzelnen Werke über vergleichbare symphonische. Vielmehr hat er seinen Ort in der musikalischen Sprache, in einem höheren Grad an Materialbeherrschung. Die Reduktion des Klangvolumens ebenso wie der Verzicht auf breitere Wirkung im Gestus der Kammermusik erlaubt es, die Struktur bis in die innersten Zellen, bis in die Differentiale hinein durchzubilden. Darum reifte die Idee der neuen Musik in der Kammermusik heran. Was jene als Aufgabe ergriff, die Integration von Horizontale und Vertikale, war in der Kammermusik vorgefühlt. Das Prinzip universaler thematischer Arbeit ist bei Brahms schon so früh wie im Klavierquintett erreicht. Und in den letzten Quartetten Beethovens ermöglicht gerade die Absage an Monumentalität eine bis in jegliches Einzelmoment durchgebildete Binnenstruktur, wie sie mit der Alfresco-Manier der Symphonie unvereinbar war. Begünstigt wurde solches Komponieren durchs Medium der Kammermusik, die selbständig hervortretenden und doch wieder einander bedingenden Einzelstimmen. Sie war, als Widerstand gegen das Expansive und Dekorative, wesentlich kritisch, »sachlich«, beim letzten Beethoven anti-ideologisch. Das erst begründet die kammermusikalische Superiorität. Gesellschaftlich verdankt sie sich der Beschränkung der Mittel, insofern diese ihre Autonomie gestattet durch Askese gegen den Schein. Sie reicht von der bloßen Klangdimension bis in die Faktur, die so organisiert ist, daß alle Zusammenhänge und Beziehungen real-kompositorisch sich rechtfertigen, auskomponiert werden, nicht bloß auf der musikalischen Fassade verbleiben. Diese Durchorganisation hat der Kammermusik schon im Klassizismus gestattet, tiefer von den Schemata abzuweichen als die Symphonik. Nicht erst die letzten Quartette, sondern, worauf Erwin Ratz nachdrücklich aufmerksam machte, bereits Quartettsätze des mittleren Beethoven, wie der große zweite aus op. 59, Nr. 1 und der langsame aus op. 95, sind irregulär gebaut. Dadurch, nicht durch besondere Kühnheiten der Stimmführung, hat in ihnen Musik erstmals radikal sich emanzipiert; Stücke dieses Typus wären in keiner Beethovenschen Symphonie denkbar. Die Konsequenz aus all dem ist paradox. Während die Kammermusik nach außen weniger auf Integration – nämlich die illusionäre der Hörer – ausgeht als die Symphonik, ist sie von innen her, durchs dicht und fein gewobene Netz der thematischen Beziehungen, integraler, einsinniger in sich; kraft der weitergetriebenen Individuation aber auch freier, minder autoritär, minder gewaltsam. Was sie durch den Rückzug in die Privatsphäre an Schein des Übergreifenden einbüßte, hat sie durch ihre abgespaltene, gleichsam fensterlose Verbindlichkeit wieder eingebracht. Fast hundert Jahre hindurch ist ihr das sogar in der Rezeption zugute gekommen.

Die neue Musik ist aus der großen Kammermusik des spezifischen, vom Wiener Klassizismus geprägten Stils hervorgetreten. Nie wurde bezweifelt, daß Schönberg in der Polyphonie des Streichquartetts wurzelt. Der qualitative Sprung geschah in seinen beiden ersten Quartetten. Im Ersten, noch tonalen, erlangte die motivisch-thematische Arbeit Allgegenwart. Daraus resultierte erweiterte Harmonik und ungeahnt dichte Kontrapunktik. Das Zweite Quartett hat dann in sich selbst den gesamten Prozeß von einer durch selbständige chromatische Nebenstufen zum Äußersten angespannten Tonalität bis zur freien Atonalität sichtbar vollzogen. Sozial wurde dadurch das Einverständnis mit der Hörerschaft gekündigt. Die Konsequenz des kammermusikalischen Prinzips, die totale strukturelle Durchbildung, entäußerte sich jeder Rücksicht auf ihre Aufnahmebereitschaft, so wenig auch der im Verhältnis zur Gesellschaft sein Leben lang naive Schönberg davon Rechenschaft sich ablegen wollte. Die ersten Skandale der neuen Musik brachen nach seinem d-moll- und fis-moll-Quartett los, obwohl in ihnen eigentlich gar nichts anderes geschah, als daß die Brahmsische Forderung pan-thematischen Verfahrens mit den Wagnerschen harmonischen Neuerungen sich durchdrang. Nur verstärkten sich dabei beide Tendenzen wie durch einen Induktor: die Harmonik wurde schroffer, als auch die schärfsten Dissonanzen durch die Stimmführung, durch autonome motivisch-thematische Arbeit sich rechtfertigten, und diese konnte unvergleichlich viel ungehemmter in dem erweiterten tonalen Bereich sich bewegen, als es ihr in der konservativen Harmonik Brahmsens vergönnt war. Aber in der dialektischen Synthesis von Kompositionsmitteln, die aus den zwei feindlichen Schulen des späteren neunzehnten Jahrhunderts stammten, zerging auch die soziale Dichotomie zwischen musikalischem Innenraum und musikalischer Öffentlichkeit. Die Anforderungen der Schönbergschen Kammermusik waren mit häuslichem Musizieren und häuslichem Ambiente nicht mehr zu vereinen. Sie waren gleich explosiv nach Gehalt und Technologie. Mit ihnen mußte Kammermusik definitiv in den Konzertsaal übersiedeln. Umgekehrt desavouierten sich durch ihre bloße Existenz das Dekorativ-Lapidare der öffentlichen Musik. Sie brachten einer über die Intimität hinausdrängenden Musik als deren Erbe die Fülle von Kompositionsverfahren zu, die nur unter der Schutzhülle hatten gedeihen können. Unter diesem Aspekt ist die Erfindung der Form der Kammersymphonie, von der alle kammerorchestralen Gebilde bis heute abstammen, zentral. Schönberg wurde zu der im übrigen klanglich äußerst waghalsigen und immer noch sehr schwer zu realisierenden Konzeption zunächst wohl einfach dadurch bewogen, daß die im Ersten Quartett emanzipierte Polyphonie mit der gewohnten Vierstimmigkeit des Quartettsatzes nicht länger sich bescheiden konnte. Polyphonie, einmal ganz losgelassen, verlangte eine größere Vielfalt an Stimmen, wie denn Schönberg stets das Maß an Polyphonie nach dem des verfügbaren Apparats dosierte, darin konträr zur Richtungstendenz der klassizistischen Wiener Symphonik. Die Kammersymphonie überbietet in der großen Durchführung alles an realer Vielstimmigkeit seit dem Mittelalter, selbst Bach, während das Zweite Quartett dann die Polyphonie zugunsten der harmonischen Ereignisse eher wieder einschränkt. Damit aber verbindet sich in der Ersten Kammersymphonie ein Zug nach außen. Das Stück ist, nach Weberns Beschreibung, durchaus schwungvollen, beweglichen Charakters. Überliefert wird, Schönberg hätte gerade von ihm, irrtümlich, einen großen Publikumserfolg sich versprochen. Unter den geheimen sozialen Impulsen der neuen Musik war sicherlich nicht der schwächste, die dinghaft geronnene Antithese zu der nun wahrhaft veräußerlichten öffentlichen Musik, zur Strauss'schen Programmatik, zu verflüssigen. Hemmungsloser Ausdruck, den man mit künstlerischer Esoterik zu assoziieren pflegt, hat in sich den Wunsch, vernommen zu werden. Was man dann im Expressionismus, mit dem der jüngere Schönberg viel gemein hat, den Schrei nannte, ist nicht nur, durch Absage an die eingeschliffenen sprachlichen Artikulationen von Sinn, ein der Kommunikation sich Entziehendes, sondern objektiv auch der verzweifelte Versuch, die zu erreichen, welche nicht mehr hören. Die bis heute viel zu ungebrochen behauptete These von der selbstgenügsamen Asozialität der neuen Musik bedarf auch darum der Revision. Besser verstünde man ihre ersten Manifestationen als ein öffentlich Werden ohne Öffentlichkeit. Nicht zuletzt reizte an der neuen Musik auf, daß sie nicht einfach kammermusikalisch sich retirierte, sondern denen ihre undurchdringliche Armatur zukehrte, von denen sie scheinbar nichts wissen wollte. Von Anbeginn war sie nicht bloß Selbstversenkung sondern ebenso Angriff auf das Einverständnis der Extrovertierten untereinander.

Was in Schönbergs Erster Kammersymphonie sich anmeldet, ist unterdessen erreicht, das Ende der Kammermusik als eines ums Streichquartett zentrierten Komponierens. Nach Schönbergs Viertem Quartett (1936) sind wohl keine Streichquartette obersten Ranges mehr geschrieben worden. Das ungefähr gleichzeitige op. 28 Weberns (1937/38) klingt ein wenig, als wäre die Gattung, in der er wie sein Lehrer beheimatet war, vom lebendigen Geist verlassen; die Starrheit der Exposition des ersten Satzes dementiert alles, was Kammermusik zuvor, noch in Weberns eigenem meisterlichen Streichtrio, sich gewonnen hatte. In denselben Zusammenhang mag gehören, daß das berühmteste Kammermusikwerk von Berg, die Lyrische Suite, zwar mit den Mitteln des Streichquartetts haushält, aber im Verlauf einer »latenten Oper« oder, drastischer, einer Programmusik wie der ›Verklärten Nacht‹ ähnelt. In der hochbürgerlichen Ära stand Kammermusik am Gegenpol der Oper. Diese, objektiv unterhöhlt, fand und findet ihr Publikum; Kammermusik, der objektiven Gestalt der Gesellschaft weit adäquater, fand es eben darum immer weniger; beides ergänzt einander. Bei Berg beginnen die Gattungen zu schweben, zu changieren, als wäre das selbstgenügsame kammermusikalische Ideal ihm ebenso verblaßt, wie er umgekehrt der Oper nur noch als einer wahrhaft durchkomponierten traute. Jedenfalls verschwindet das Streichquartett und das ihm Verwandte während der letzten fünfzehn Jahre. Was vom Livre à Quatuor von Boulez bis jetzt zu vernehmen war, ist dem – später konzipierten – Marteau sans maître nicht ebenbürtig, den man als Nachkommen der Schönbergschen Idee des Kammerorchesters, zumal des Pierrot lunaire, ansehen kann. Der Grund für den Niedergang des Streichquartetts oder die Idiosynkrasie der Komponisten dagegen ist zunächst technologisch. Die Einbeziehung der Farbdimension in die Konstruktion, die freilich gerade in den beiden ersten Quartetten Schönbergs anhob, im Dritten und auch Vierten aber hinter einer fast abweisenden Materialgerechtigkeit des puren Quartettsatzes in seiner Normalform zurücktrat, sträubt sich gegen dessen relative Homogenität, die Armut an Timbres. Vor allem jedoch verneint serielles Musizieren, das als Material das Motiv verschmäht und auf den einzelnen Ton und seine Parameter rekurrieren will, die kammermusikalische Tradition als die Domäne des motivisch-thematischen Verfahrens. Ob es dabei bleibt; ob nicht, je kritischer die Komponisten gegen die serielle Verfahrungsweise werden, die verdrängten kammermusikalischen Mittel sich wieder aktualisieren, läßt kaum sich prophezeien. Stockhausens wachsendes Interesse am Klangmaterial des Soloklaviers spricht dafür.

In der Krisis der Kammermusik stimmt wiederum die immanent-kompositorische Geschichte der Gattung mit dem Wechsel der sozialen Bedingungen überein. Determinanten auf völlig verschiedenen Abstraktionsniveaus, von der allgemeinen Gesellschaftstendenz bis zu höchst handgreiflichen Umständen, sind anzugeben. Primär mahnt die Krise der Kammermusik an die des Individuums, in dessen Zeichen jene stand. Die Voraussetzungen der Autonomie und Unabhängigkeit, die bis ins kompositorische Geäder der Kammermusik hineinreichen, sind geschwächt; vergangen ist die feste Eigentumsordnung, in deren begünstigten Gruppen eine so zerbrechliche Tätigkeit wie die des Kammermusizierens sich geborgen fühlen durfte. Man braucht sich nur die Rolle des Angestellten als eines sozialen Typus zu vergegenwärtigen, wie er zunehmend den Platz dessen einnimmt, was früher Mittelstand hieß. Angestellte gehen aus; seit dem Berliner Haus Vaterland ist ein ganzes Kulturangebot auf sie zugeschnitten; ihre Freizeit ist nicht Muße sondern ein offen oder geheim institutionell Verwaltetes; und die Angestelltenkultur hat sich über die Berufsgruppe hinaus ohne feste Grenze ausgebreitet. Die Monotonie der mechanisierten Arbeit, auch der im Büro, verlangt vermutlich andere Korrelate als die langwierige, anspruchsvolle und schwierige Arbeit des Quartett- oder Triospielens, und die von der Kulturindustrie gelieferten Leitbilder modernen Lebens brandmarken in den Augen der naiv ihnen Preisgegebenen derlei seriöse, unkomfortable Beschäftigungen mit jenem Odium des oldfashioned, das ein unrenoviertes Gastzimmer im Vergleich zur neonbeleuchteten synthetischen Schänke trägt. Was weg will von der schadhaft gewordenen Innerlichkeit, strebt zum Betrieb und zum gadget1, das Progressive und Regressive darin verschränkt sich. Reflexe dessen fallen ins Komponieren. Das Ungenügen an den möglichen Klangkombinationen aller irgend traditionellen Kammermusik paart sich oft mit desperater Scheu vor Vergeistigung: sie prätendiert ein Gelingen der Kultur, an das keiner mehr glaubt. Wo die Produktion versiegt, überlebt aber auch kaum die reproduzierende Pflege. Selbst in der Schicht, in der sie früher gedieh, ist sie, wird stets wieder versichert, zur Ausnahme geworden. Darüber hat man viel lamentiert; bei empirischen Untersuchungen stünde es, die These zu überprüfen und dann die Ursachen zu ermitteln und zu wägen.

Die These vom quantitativen Rückgang der Kammermusik, die einer dem andern nachspricht, läßt freilich schwer sich kontrollieren. Vergleichbare Zahlen für die Vergangenheit fehlen, und gerade Musikliebhaber älteren Stils mögen gegen statistische Befragungen sich sträuben, die den Konsumenten der Massenmedien auf den Leib geschrieben sind. Vorstellbar, daß die Zahl der privat Musizierenden nur proportional abnahm, nicht absolut; ermitteln ließe sich das wohl nur indirekt, insbesondere durch Befragung von Privatmusiklehrern und einen Vergleich von deren Anzahl mit der vor dreißig Jahren auf Grund der Mitgliederlisten der Berufsorganisationen. Die Veränderung ist wahrscheinlich eher qualitativ als quantitativ; das Gewicht häuslichen Musizierens fürs Musikleben insgesamt wurde seit dem Hochliberalismus geringer. Das junge Mädchen, das Chopin spielt, ist so wenig mehr charakteristisch wie die Amateure, die zu einem Streichquartett sich vereinen; schon, ob weniger privat gesungen wird als früher, ist nicht so zweifelsfrei, wie man etwa daraus, daß kaum mehr zu privaten musikalischen Soiréen eingeladen wird, folgern könnte. Unter den Aufgaben einer empirischen Musiksoziologie befände sich auch die, durch pointierte Problemstellungen Meinungen zu überprüfen, die als Ausdruck vorwaltender Kulturideologie Gemeingut geworden sind. Dagegen wird man wohl sagen dürfen, daß der Zug zur verwaltenden Organisation, sei es auch einer inoffiziellen, die private Musikübung in Deutschland, nach dem Jargon der verwalteten Welt, in weitem Maß erfaßt hat; diese Tendenz des Musiklebens hat institutionell den Typus des Ressentiment-Hörers wohl überhaupt erst gezüchtet. Der Ehrgeiz nach Versenkung, auch nach spezifischer musikalischer Qualität und entwickelter Einzelleistung weicht dem fugenlosen sich Anpassen und munteren Mitmachen. Das Verhältnis zur Sache selbst gewinnt, gegenüber der Freude des Kammermusik Spielenden, dem plötzlich die Schönheit des bestimmten Werks aufgeht, vielfach etwas Abstraktes; anstelle dessen, den das Beethovensche Geistertrio oder der langsame Satz von op. 59, 1 überwältigt, treten »Freunde alter Musik«, ohne viel zu diskriminieren, so wie in vor-Bachischer Musik ja tatsächlich die Qualitätsunterschiede sei's problematisch, sei's heute sehr schwer wahrzunehmen sind. Was in der privaten kammermusikalischen Musikübung einmal die Basis guten und adäquaten Hörens war, der Geschmack, verkümmert und gerät zugleich in Mißkredit. Sicherlich war er nicht die höchste Kategorie musikalischer Erfahrung, aber eine, deren es bedarf, damit man über sie sich erhebe.

Der Niedergang des häuslichen Musikunterrichts mag zu dem der Kammermusik beigetragen haben. Die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg hat qualifizierte Privatstunden für den bescheideneren Mittelstand unerschwinglich gemacht; doch brachte ihnen, nach unsystematischer Beobachtung, auch die Hochkonjunktur der fünfziger Jahre keinen Aufschwung, obwohl neuerdings wenigstens wieder mehr Klaviere gekauft werden. Nahe liegt, den Massenmedien die Schuld zuzuschieben. Immerhin verbreiten diese die Kenntnis der Literatur und vermöchten an sich der häuslichen Kammermusik ebensogut neue Anhänger zu werben, wie sie andere von der Anstrengung eigenen Spiels dispensieren. Verantwortlicher ist also doch wohl die Mentalität der Hörer, die selbst wiederum gesamtgesellschaftlich vermittelt ist. Der Einfluß der Massenmedien wäre wahrscheinlich eher in der Sphäre dessen zu suchen, was mit einem sozialpsychologischen Schlagwort Reizüberflutung heißt. Wichtiger, als daß die Radiosüchtigen der eigenen musikalischen Aktivität entwöhnt wurden, mag sein, daß ihnen, was sie selbst spielen könnten, zu einfarbig, bescheiden dünkt gegenüber den billigen de luxe-Klängen, welche ihnen die Lautsprecher offerieren. Der Verfall des kulturellen Interieurs oder, in manchen Ländern, dessen Fehlen, geht zusammen mit Hunger nach gröberen sinnlichen Stimuli; ihre Absenz vergißt nur der, welcher Musik vorweg als ein Geistiges erfährt, und eben das wird von ihrer Zubereitung als Konsumgut verhindert. Das mindert das Potential kammermusikalischer Aktivität. Überall handelt es sich um kollektive Reaktionsformen; wenig hilft es darum, den Einzelnen große Kammermusik zu predigen. Man sollte schon zufrieden sein, wenn sie die Kammermusikliteratur überhaupt kennenlernen, um zu merken, worum sie sich betrügen. Kaum gestatten ihnen die Bedingungen, sie sich zuzueignen. Abermals steht ein Äußeres fürs Inwendige. In den kleinzimmrigen, niedrigen, dünnwandigen Wohnungen, in welche einzuheiraten sie sich beeilen, wäre ein Streichquartett akustisch schon kaum mehr möglich, während der aus dem Lautsprecher pulsierende Blues akustisch beliebig sich verkleinern läßt und die Wohnungsnachbarn, die daran gewöhnt sind, weniger belästigt als Beethovens großes B-Dur-Trio. Ohnehin fehlt dafür der Flügel, der teurer ist als die Musiktruhe und in der Kleinwohnung keinen Platz hat. Das Pianino an seiner Statt aber schickt sich schlecht zur Kammermusik.

Noch möglich ist diese nicht als Bewahrung einer längst durchlöcherten Tradition sondern einzig als Expertenkunst, ein gänzlich Nutzloses und Verlorenes, das dessen selbst innesein muß, wenn es nicht zum Schmücke-dein-Heim ausarten soll. Sie hätte keinen Schutz gegen den Vorwurf des l'art pour l'art. Aber an jenem Prinzip selbst hat sich etwas geändert in einer Periode, in der alle einig darin sind, es als Überbleibsel von Neuromantik und Jugendstil zu schelten. In einer Gesellschaft, die alles Geistige unter die Konsumgüter subsumiert, ist das von der historischen Tendenz Verurteilte die prekäre Zuflucht jenes zukünftig Möglichen, das von der universalen Herrschaft des Realitätsprinzips unterbunden wird. Was eine Funktion hat, ist ersetzlich; unersetzlich nur, was zu nichts taugt. Die gesellschaftliche Funktion von Kammermusik ist die des Funktionslosen. Selbst sie freilich wird von der traditionellen nicht mehr geleistet.

 
Fußnoten

 

1 Gadget im engeren idiomatischen Sinn heißen in Amerika kleine, zumal in der Privatsphäre anwendbare technische Gebilde, die angeblich Arbeit sparen oder erleichtern sollen. Nach einer vielfach beobachteten sozialpsychologischen Tendenz werden diese gadgets von zahllosen Individuen, die sich zuweilen organisatorisch zusammenschließen, affektiv besetzt, und die Spielerei mit jenen Werkzeugen verwandelt sich in einen irrationalen Selbstzweck. Der Terminus dafür ist das Argotwort ›gadgeteering‹.

 

 

VII. Dirigent und Orchester

Sozialpsychologische Aspekte1

Erwägungen über den Dirigenten, das Orchester und die Relation zwischen beiden rechtfertigen sich nicht nur wegen der gesellschaftlichen Relevanz ihrer Rolle im Musikleben, sondern vor allem darum, weil sie in sich etwas wie einen Mikrokosmos bilden, in dem Spannungen der Gesellschaft wiederkehren und konkret sich studieren lassen, vergleichbar etwa der community, der Stadtgemeinde, als einem soziologischen Forschungsgegenstand, der Extrapolationen auf die als solche unmittelbar niemals greifbare Gesellschaft erlaubt. Dabei handelt es sich nicht um formalsoziologische Gruppenbeziehungen, die unabhängig wären vom spezifischen gesellschaftlichen Gehalt, wie sehr auch manche Beobachtungen an Dirigent und Orchester wie Spezialfälle einer allgemeinen Gruppensoziologie erscheinen mögen. Nur mit Willkür wären die Sozialcharaktere von Dirigent und Orchester, ihre Funktion in der Gesellschaft heute und die ästhetische Problematik getrennt zu erörtern. Was innerästhetisch das Musizieren der Orchester unter ihren Führern entstellt, sind Symptome eines gesellschaftlich Falschen.

Kaum wird unter Musikern bestritten, daß die öffentliche Geltung des Dirigenten weit die Leistung der meisten für die Wiedergabe von Musik übersteigt. Zumindest weisen öffentliche Geltung und tatsächliche künstlerische Arbeit auseinander. Der Dirigent verdankt seinen Ruhm nicht, sicherlich nicht nur, der Fähigkeit zur Darstellung der Partituren. Er ist eine imago, die von Macht, die er sichtbar als herausgehobene Figur und durch schlagende Gestik verkörpert. Darauf hat Elias Canetti hingewiesen2. Dies Moment ist in der Musik keineswegs auf den Dirigenten beschränkt. Der Virtuos, etwa der Pianist des Lisztschen Typus, zeigt ähnliche Züge. In der Identifikation mit ihm toben Machtphantasien sich aus, ungestraft, weil sie nicht als solche dingfest zu machen sind. Ich habe auf den Zusammenhang einmal bei Gelegenheit eines hochberühmten Salonstücks von Rachmaninow hingewiesen und dafür den Namen Nerokomplex vorgeschlagen3. Darüber hinaus demonstriert der Dirigent sichtbar seine Führerrolle: das Orchester muß wirklich spielen, wie er befiehlt. Diese imago hat zugleich etwas Ansteckendes und, als bloß ästhetische, Nichtiges: die Allüre des Gewaltherrschers entfesselt ein Crescendo, keinen Krieg, und der Zwang, den er ausübt, beruht auf Absprache. Was aber unrealem Zweck dient, gebärdet sich real, der Dirigent, als schüfe er es jetzt und hier. Davon wird alles, was er sachlich leistet, vergiftet. Während der Gestus des Medizinmannes den Zuhörern imponiert, die glauben, es bedürfe einer solchen Attitüde, um künstlerisch das Beste aus den Spielern herauszuholen, das mit körperlicher Höchstleistung verwechselt wird, ist die Qualität der Aufführungen, der dem Orchester zugewandte Aspekt des Dirigierens, weithin unabhängig von dem, was er dem Publikum vorgaukelt. Diesem gegenüber hat er a priori etwas Propagandistisch-Demagogisches. Daran erinnert der alte Witz von der Besucherin des Gewandhauskonzerts, die ihre sachverständige Nachbarin bittet, sie doch darauf aufmerksam zu machen, wenn Nikisch zu faszinieren beginne. So verschieden sind die soziale Einschätzung des Musikalischen und dessen eigene Struktur voneinander. Leistungen, welche die Faszinationsfreude dem Dirigenten zuschreibt, vollbringt er zuweilen gar nicht. In einer großen deutschen Stadt lebte ein geisteskranker Sohn aus wohlhabendem Haus, der sich einbildete, ein genialer Dirigent zu sein. Um ihn zu kurieren, mietete ihm die Familie das beste Orchester und gab ihm Gelegenheit, Beethovens Fünfte Symphonie durchzuspielen. Obwohl der junge Mann ein blutiger Laie war, wurde die Aufführung nicht schlechter als irgendeine gängige; das Orchester, das das Stück im Schlaf auswendig wußte, bekümmerte sich nicht um die falschen Einsätze des Dilettanten. Sein Wahn fand sich bestätigt. Verwandten Sinnes sind die Versuche amerikanischer Sozialpsychologen, die Versuchspersonen Schallplatten mit vertauschten Etiketten, solche von Toscanini und solche von einem unbekannten Provinzkapellmeister, vorführten, wobei die Reaktionen den Namen entsprachen, sei's, daß die Hörer die Qualitäten nicht unterscheiden konnten, sei's, daß die Differenzen unvergleichlich viel geringer waren, als die Ideologie des offiziellen Musiklebens Wort haben will.

Während der Dirigent als Bändiger des Orchesters agiert, meint er das Publikum, nach einem Verschiebungsmechanismus, der auch der politischen Demagogie nicht fremd ist. Stellvertretend befriedigt er das sadomasochistische Bedürfnis, wenn und solange keine anderen Führer zum Bejubeln verfügbar sind. So naiv, rein musikalisch, die Experimente mit dirigentenlosen Orchestern aus der Frühzeit der russischen Revolution sein mochten, sie haben nur vom Dirigenten eingeklagt, was er sozialpsychologisch permanent verschuldet. Er symbolisiert Herrschaft auch durch seine Tracht, in eins die der Herrenschicht und des peitschenschwingenden Stallmeisters im Zirkus; freilich auch die der Oberkellner, schmeichelhaft für die Zuhörer: solch ein Herr und unser Diener, mag ihr Unbewußtes registrieren. Die Verlegung des herrschaftlichen Wesens in die Distanz des ästhetischen Raums erlaubt zugleich, den Kapellmeister mit magischen Qualitäten auszustaffieren, die vor der Realitätsprüfung nicht beständen: eben der medizinmannhaften Fähigkeit zur Faszination. Selbst das kann sich noch an etwas im Phänomen anlehnen; daran, daß der Dirigent, um unter den gegenwärtigen Bedingungen überhaupt etwas von seinen Intentionen hinüberzubringen, gewisse suggestive Fähigkeiten ausbilden muß. Daß er dabei, anscheinend, rein der Sache sich verpflichtet weiß und um das Publikum unbekümmert ist – er wendet ihm den Rücken zu –, verleiht ihm jene Beziehungs- und Lieblosigkeit den Verehrern gegenüber, die Freud in ›Massenpsychologie und Ich-Analyse‹ unter den Konstituentien der Führerimago genannt hat. Die Absonderung des Ästhetischen wird zurückgebildet zu dem Ritual, in dem sie einmal entsprang. Das Übertreibende, der Fanatismus nach Bedarf, die Exhibition einer angeblich bloß ins Innere gewandten Leidenschaft ähnelt dem Gehabe von Führern, die nichts für sich zu wollen ausposaunen. Man traut dem Histrionen auf dem Pult zu, daß er wie der Diktator nach Belieben Schaum vor dem Mund produziert. Erstaunlich, daß die Nationalsozialisten nicht die Dirigenten, wie die Hellseher, als Konkurrenten ihres eigenen Charismas verfolgten.

Nicht daß die Tätigkeit des Dirigenten der künstlerischen Berechtigung und Notwendigkeit entriete. Die gesamte neuere Musik steht im Zeichen der Integration eines Mannigfaltigen. Freilich ist diese Idee nicht so unveränderlich, wie ihre Vertrautheit es nahelegt; die rücksichtslose polyphone Kombinatorik noch der Florentiner ars nova scheint nicht gänzlich der Einheit des Simultanen sich zu beugen, und wenn heute in den von John Cage angeregten Gruppen das kompositorische Integral aufgekündigt wird, so steigt damit auch etwas wieder auf, was von den rational-naturbeherrschenden Prozeduren der europäischen Kunstmusik drunten gehalten, aber nie ganz ausgemerzt war. Sobald jedoch vielstimmige Musik – sei's real polyphone, sei's homophone von »durchbrochener Arbeit« – Einheit des Mannigfaltigen ambitioniert, bedarf es zu ihrer Lenkung auch eines einheitlichen Bewußtseins, das die Integration erst geistig leistet und dann verwirklicht oder zumindest überwacht. Selbst bei kleinen Ensembles geht es, bei aller kameradschaftlichen Verständigung unter den Mitwirkenden, ohne dergleichen nicht ab. Im Streichquartett verlangt sachgerechte Darstellung eine Autorität, welche über die Kontroversen entscheidet und die Einzelleistungen der Spieler nach der Idee des Ganzen differenziert sowohl wie koordiniert; meist fällt diese Aufgabe dem Primarius zu.

Das kammermusikalische wie ein jegliches Ensemblewesen leidet jedoch an einem tiefen Widerspruch. Ensembles sind Gleichnisse einer produktiven, von sich aus spontanen, das Ganze hervorbringenden Mannigfaltigkeit und warten darauf, daß diese aus sich heraus sich herstellt. Aber ästhetisch kann der synthesierende Akt nur von einem einzelnen vollzogen werden, und dadurch sinkt die Mannigfaltigkeit, an sich schon ästhetischer Schein, nochmals zum Schein herab. In einem guten Streichquartett muß jedes Mitglied eigentlich ein hochqualifizierter Solist sein und darf es doch nicht. Die typischen Streitigkeiten in Streichquartetten, die deren Bestand verhängnisvoll befristen, gründen nicht nur in den finanziellen Verhältnissen sondern auch in einer Antinomie: im Quartett wird ebenso die autonome Aktivität der einzelnen wie ihre heteronome Unterordnung unter einen Einzelwillen gefordert, der eine Art von volonté générale vorstellt. In solchen Konflikten erscheinen, rein innermusikalisch, gesellschaftliche. Das Einheitsprinzip, das von der Gesellschaft draußen als autoritär-herrschaftlicher Zug in die Musik einwanderte und ihr, immanent, erst ihre Stringenz verlieh, übt auch im musikalisch-ästhetischen Zusammenhang noch Repression aus. Inmitten der Kunst wächst der gesellschaftliche Stachel nach. Die Musik geriert sich, als ob jeder für sich spielte und daraus das Ganze würde; aber das Ganze kommt erst von einem anordnenden und ausgleichenden Zentrum her zustande, das die Einzelspontaneitäten wiederum negiert. Die Notwendigkeit solcher Koordination verstärkt sich selbstverständlich beim Orchester, wo allein dadurch schon ein »sozialer Hohlraum« sich bildet, daß unmöglich jeder der zahlreichen Mitwirkenden so auf den anderen merken kann wie in Kammergruppen. Überdies sind in der traditionellen Orchesterliteratur die begleitenden Einzelstimmen nicht durchweg so artikuliert, daß ihre ungesteuerte Ausführung von sich aus überhaupt ein sinnvolles Ganzes garantierte. Der Orchesterapparat ist ebenso sich selbst – denn kein Mitglied hört jemals präzis alles, was simultan ringsherum geschieht – wie der Einheit der darzustellenden Musik entfremdet. Das beschwört die entfremdete Institution des Dirigenten, in dessen Verhältnis zum Orchester, dem musikalischen wie dem gesellschaftlichen, die Entfremdung sich verlängert. Diese Problematik erstattet gleichsam der Gesellschaft zurück, was die Gesellschaft als dunkles Geheimnis in die integrale Ensemblemusik versenkte. Die Sünden des Dirigenten verraten etwas von der Negativität der großen Musik als solcher, vom gewalttätig Schlagenden.

Sie sind keine bloßen Deformationen, sondern folgen aus der Situation des Dirigenten: sonst ließen sie schwerlich so regelhaft sich beobachten. Selbstverständlich werden sie stets verstärkt durch die außermusikalische Versuchung, das Publikum einzufangen. Weil die Musik des Dirigenten bedarf, während er, der herausgestellte einzelne, zugleich das Gegenteil dessen ist, was Vielstimmiges sein möchte, und weil im herrschenden Musikbetrieb die Integration unter einen Willen stets prekär bleibt, muß er kompensatorisch sachfremde Eigenschaften entwickeln, die leicht in Scharlatanerie ausarten. Ohne ein irrationales Surplus persönlicher Autorität wäre dem von der Unmittelbarkeit seiner musikalischen Vorstellung abgesonderten Klangkörper kaum Einheit, geschweige das Imaginierte abzuzwingen. Mit solcher Irrationalität finden sich in prästabilierter Harmonie gesellschaftliche Bedürfnisse, vorab das der Personalisierung4, der ideologischen Zusammenfassung sachlich-objektiver Funktionen in einer sichtbaren Einzelperson; diese Tendenz begleitet die real fortschreitende gesellschaftliche Entfremdung als Schatten. Der Dirigent wird zur Figur dessen, der unmittelbar zum Publikum sich verhält, während zugleich sein eigenes Musizieren auch diesem insofern notwendig entfremdet ist, als er ja selber nicht spielt; so wird er zum Musikanten als Schauspieler, und eben das widerstreitet der sachgerechten Darstellung. Effekt hat die Schauspielerei keineswegs nur auf die Musikfremden. Berühmt ist die Äußerung des halbwüchsigen Wagner: nicht Kaiser und König sein, aber so dastehen wie ein Dirigent5. Der Struktur bedeutender Kompositionen von Wagner bis Mahler, vielleicht auch Richard Strauss ist das Modell des überblickenden und schaltenden Dirigenten immanent; es ist mitschuldig am Als-ob-Charakter vieler spätromantischer Musik. Andererseits stieg die Wichtigkeit des Kapellmeisters im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert proportional mit der Komplexität der Werke an. Das Schimpfwort Kapellmeistermusik, das der Unselbständigkeit so vieler Stücke von Prätention gilt, moniert als individuelles Versagen einen weit objektiveren, musiksoziologisch zu fassenden Tatbestand. Als ökonomisch die Zirkulationssphäre blühte, gelangte auch der musikalische Vermittler schlechthin, der Dirigent, ins Zentrum des Interesses; weil er aber so wenig wie sein wirtschaftliches Urbild eigentlich die entscheidende Gewalt besaß, war ihm stets etwas Trügerisches beigemischt. – Übrigens sollte, wer von der Ideologie der Echtheit im Bereich ästhetischen Scheins nicht sich terrorisieren läßt, einmal der Affinität von Schauspielkunst und Musik grundsätzlich nachgehen; sie ist sicherlich nicht das Verfallssymptom, als das Nietzsche sie verkannte, sondern bekundet die Einheit der Zeitkünste im mimetischen Impuls. Wie in vorkapitalistischen Perioden sozial zwischen dem Gaukler und dem Musikanten als Fahrenden wenig unterschieden wurde, so dürften heute noch, in denselben Familien, schauspielerische und musikalische Begabungen alternieren, oft auch unmittelbar zusammengehen. Bei einer soziologischen Dechiffrierung der Musik wäre nicht zu vernachlässigen ihre Bestimmung als mimetische Reservatsphäre; der Sprachgebrauch, der mit dem Wort »spielen« die Leistung des Mimen wie des Instrumentalmusikers bezeichnet, mahnt an jene Verwandtschaft. Sie prädestiniert die Musik in besonderem Maß zur »Ideologie des Unbewußten«.

Sie hilft auch begreifen, daß die Orchester gar nicht so wenig auf Eigenschaften der Dirigenten ansprechen, von denen man zunächst denken würde, daß sie als unsachlich und irrational die handwerkliche Rationalität derer abstoßen müßten, welche die Klänge hervorbringen. Das Orchester respektiert im Dirigenten den Fachmann; den, der das störrische Pferd reiten kann, und soweit er das vermag, scheint er vorweg das Gegenteil des Salonlöwen. Aber zu seiner fachlichen Kompetenz gehören die unfachlichen Qualitäten selber hinzu. Reiten kann der Zirkusdirektor. Wer derlei Qualitäten überhaupt nicht besitzt, fällt durch ästhetische Reinheit aus jeglicher Kunst heraus und wird zum philiströsen Musikangestellten, so wie, nach einem Satz von Horkheimer, zum bedeutenden Arzt ein Rest von Scharlatanerie, ein Überschuß der Phantasie über die arbeitsteilige wissenschaftliche Rationalität, gehört. Wo Geschmack die letzte Spur des grünen Wagens getilgt hat, regt sich keine Musik mehr. Orchester erwarten vom Dirigenten ebenso, daß er die Partitur genau kennt und jede falsche Note, jede Unpräzision hört, wie daß er über die Fähigkeit verfügt, mit einer Bewegung der Hand, ohne zwischengeschaltete Reflexion, das Orchester zusammenzuhalten, zum richtigen Spielen zu veranlassen, womöglich sein Bild von der Musik aus ihm herauszuholen, wobei dahinsteht, ob suggestive Fähigkeiten je dazu ausreichen oder es nur vortäuschen. Der affektive Widerstand der Orchester aber richtet sich gegen alles Vermittelnde, alles, was weder Technik noch direkte Übertragung ist. Der redende Kapellmeister wird verdächtig als einer, der, was er meint, nicht drastisch zu konkretisieren vermag; auch als einer, der durch Geschwätz die zutiefst verhaßten Proben in die Länge zieht. Die Aversion gegen die Rede ist den Orchestermusikern vererbt vom physisch Arbeitenden. Sie argwöhnen, daß der Intellektuelle sie betrügt, der des Wortes mächtig ist, dessen sie entraten. Archaische, unbewußte Mechanismen dürften beteiligt sein. Der Hypnotiseur schweigt; allenfalls erteilt er Befehle. Er erklärt nicht; das rationale Wort bräche den Bann der Übertragung. Sobald es die Kommunikation besorgt, verwandelt es den Empfänger der Aufträge potentiell in ein selbständiges Subjekt, während die narzißtische Einsamkeit, an der soviel von seiner eigenen Autorität hängt, sich löste. Es ist, als sträubte sich der Masochismus der Befehlsempfänger gegen Verhaltensweisen des Vorgesetzten, die dessen traditionelle Rolle beeinträchtigen. Verletzt er die Tabus, mit denen jene Rolle in der Vorgeschichte seiner Urbilder besetzt war, so wird das, rationalisierend, als seine sachliche Unfähigkeit verbucht. Der Anti-Intellektualismus der Orchester ist der dicht verbundener und zugleich in ihrem Bewußtsein begrenzter Kollektive. Ähnlich mißtrauen Schauspieler dem Dramaturgen als dem Herrn Doktor.

Zum Dirigenten steht das Orchester ambivalent. Während es, bereit zur glanzvollen Leistung, begehrt, von ihm an die Kandare genommen zu werden, ist er zugleich verdächtig als Parasit, der nicht selbst zu geigen oder zu blasen hat und sich aufspielt auf Kosten derer, die spielen. Die Hegelsche Dialektik von Herr und Knecht wiederholt sich en miniature. Die Kenntnis und Überlegenheit, die den Dirigenten zur Leitung qualifiziert, entfernt ihn von der sinnlichen Unmittelbarkeit des Produktionsvorgangs; selten geht beides zusammen; selten kann der, welcher weiß, wie es richtig sein sollte, es auch physisch verwirklichen; zu lang sind beide Funktionen historisch voneinander getrennt. Nicht umsonst achten die Orchestermusiker, bei der Beurteilung von Dirigenten, vorab auf klangliche Fähigkeiten; leicht werden sie überwertig gegenüber den strukturell geistigen. Konkretistisch sind sie allem an der Musik abgeneigt, was nicht dingfest, kontrollierbar ist. Die Skepsis des Orchestermusikers – – »uns alten Hasen kann keiner was vormachen« –, die bei Klangkörpern von Weltruf zur maßlosen, sabotagefreudigen Arroganz sich steigert, ist ebenso berechtigt wie unberechtigt. Berechtigt gegen den Geist als Gewäsch, gegen solche ästhetische Reflexion, die nicht in die Sache sich hineinbegibt, sondern sie verschmiert. Ausgelacht wurde der feldwebelhafte Dirigent, der unfreiwillig Wagners Wort über die Siebente Symphonie paraphrasierte: Meine Herren, das ist die Apothese des Tanzes; Apotheke, verbesserten sie ihn. Unberechtigt ist jene Haltung, weil sie die Musik auf ihre sensuelle Fassade vereidigt und diffamiert, wodurch sie überhaupt erst zur Musik wird. Denn ihre strukturellen Elemente lassen sich nicht allesamt in Einsatz- und Schlagtechnik versinnlichen, sondern bedürften der Erklärung, so wie sie in der fortgeschrittenen Praxis der Kammermusik von selbst sich versteht. Die soziale Herkunft des Orchestermusikers, vielfach die des Kleinbürgers, dem Bildungsvoraussetzungen fürs Selbstverständnis seiner Arbeit abgehen, verstärkt die psychologische Ambivalenz, aber ihre Wurzeln reichen auch in die objektive Situation. Dem Dirigenten könnte jene Ambivalenz zur Selbstkritik helfen. Aber aus dem latent immer drohenden Konflikt ziehen viele Dirigenten stillschweigend die Konsequenz der bedingungslosen Anpassung an den Geist des Orchesters. Anstatt zu lernen, machen sie sich beliebt; zu zahlen hat dafür die Musik.

Die Verhaltensweise der Orchestermusiker zu beschreiben, liefe auf eine Phänomenologie der Renitenz hinaus. Primär ist der Widerwille dagegen, sich zu unterwerfen. Er muß besonders heftig sein bei solchen, die durchs Material und die Gestalt ihrer Arbeit sich als Künstler und damit als Freie fühlen. Weil aber die Unterwerfung unter die Person von der Sache technologisch gefordert wird; weil beim Dirigenten persönliche und Sachautorität trüb sich vermischen, muß der ursprüngliche Widerstand nach Begründungen suchen. Sie bieten sich in Fülle. Beobachtet man, wie Dirigenten, nach erfolgreichen Aufführungen, das Orchester animieren, sich zu erheben, so spürt man ebenso den ungeschickt beflissenen Versuch, das schiefe Verhältnis nach außen zu berichtigen, wie die fortwirkende Renitenz, die solche Berichtigung mißachtet, weil sie an dem Grundverhältnis nichts ändert. Aber Renitente sind bereit, sich unterzuordnen, wo sie Kraft wittern. Die Sozialpsychologie des Orchestermusikers ist die des ödipalen Charakters, schwankend zwischen Aufmucken und sich Ducken. Der Widerstand gegen die Autorität hat sich verschoben: was einmal Rebellion war und als solche stets noch sich fühlen mag, heftet sich an solche Momente der Autorität, in denen sie, als nicht autoritär genug, sich blamiert. Ich erinnere mich aus meiner Jugend an einen später berühmt gewordenen Musiker, der aus dem Orchester kam. Er delektierte sich, in seiner aufsässigen Phase, daran, daß er der Totenmaske Beethovens einen Schnurrbart anmalte. Ich prophezeite unserem gemeinsamen Lehrer, er werde einmal stockreaktionär werden, und er hat meine Erwartungen nicht enttäuscht. Bezeichnend für den Habitus der Renitenz sind all die Anekdoten, die von Orchestern ausgehen und modernen Komponisten der verschiedensten Schulen ankreiden, sie hätten, wenn irgendein Bläser absichtlich nicht transponierte und eine falsche Stimme spielte, das nicht bemerkt. Der Wahrheitsgehalt dieser Geschichten ist fragwürdig; nicht, was sie über den Geist der Orchester sagen. Der Ödipale neigt zur Feindschaft gegen die Moderne; die Väter sollen gegen die Söhne recht haben. Der Sabotageakt, das absichtliche Falschspielen, sucht sich nach solcher Manier sein Objekt dort aus, wo er vorweg die stärkere Autorität, die der communis opinio hinter sich hat: die moderne Musik. Zwar soll Autoritäten etwas am Zeug geflickt werden, aber nur solchen ohne bestätigte Autorität: sie seien Nichtskönner. Die Geschichten werden auf gar zu viele Quellen zurückgeführt, als daß man an das Gelingen des humorigen Experiments glauben könnte; zudem ist der Orchesterklang eines komplexen Werks für den, der es zum ersten Mal vernimmt, auch für den Komponisten, so überraschend, durch Intensität so verschieden selbst von der exaktesten Imagination, daß Hörfehler, wenn sie unterlaufen, wenig besagen. Die Zuverlässigkeit des äußeren Gehörs muß mit der Genauigkeit der inwendigen Vorstellung keineswegs harmonieren.

Der sadistische Humor der Orchestermusiker veranlaßt zu Konjekturen über den Musikerwitz insgesamt. Der Beruf geht offenbar mit der Neigung zu Witzen zusammen; zum Streich, zur Zote, vor allem zum Wortwitz. Einleuchtend, daß all das weniger unter eigentlich bürgerlichen Berufen gedeiht, wo die Verbote stärker sind. Aber auch unter Künstlern und Intellektuellen, denen die Gesellschaft sozusagen etwas zugute hält, schlagen die Musiker vermutlich den Rekord. Der Bereich ihres Humors erstreckt sich von der treffenden Pointe bis zum Dalbrigen oder roh Unanständigen. Die Tendenz dürfte von Introversion bedingt sein, dem Apriori der musikalischen Verhaltensweise. Die Libido ist, psychoanalytisch gesprochen, nach innen gewandt; aber im bildlosen Raum der Musik sind ihr viele Sublimierungen versagt. Manchmal sprudeln jene Witze weit über die manifesten intellektuellen Fähigkeiten der betreffenden Musiker hinaus. Ihre Wortassoziationen haben etwas mit dem Sprachcharakter der Musik zu tun, Rache an einer Sprache, die dem Sprechenden selber geheim bleibt. Je höher die musikalische Vergeistigung, desto niedriger zuweilen, wie in Mozarts Briefen an das Augsburger Bäsle, die Witze. Auch die Wagners mögen peinlich gewesen sein; Nietzsche hat sie ihm verübelt. Die Rancune des Orchestermusikers findet im Wortwitz ihre Zuflucht. Im Orchestermaterial eines Stücks, das sich, schlimm genug, ›Fanal‹ nannte, war der Titel in »banal« abgeändert. Über ›Pli selon pli‹ von Boulez prägte man in Paris »L'après-midi d'un vibraphone«, worin alles steckt, die Huldigung an Mallarmé, die Debussystische Süße des Klangs, die Bevorzugung jenes Instruments, die sehr lange Dauer und vor allem: daß Technologie die neuromantisch-vitalistischen Faune von 1890 verjagt hat. Witze dieses Genres rühren vielfach von Korrepetitoren her, Zwischentypen der Orchesterhierarchie. Auch die Kapellmeister, die oft ein gutes Stück Orchestermusiker in sich tragen, produzieren sie. Der Art nach sind es Conférencier-Witze, Übergänge zwischen dem Geist der Musiker und der Schauspieler.

Die kollektive Mentalität des Orchestermusikers, die selbstverständlich keineswegs die aller Individuen ist, hat als Ursache zunächst, in der Sphäre der Ichpsychologie, die Enttäuschung am eigenen Beruf. Viele von ihnen haben es ursprünglich nicht werden wollen, sicherlich die meisten Streicher; erst heute, da schon junge Musiker realitätsgerecht, unter gewerkschaftlichem Schutz, hochbezahlte Dienste verrichten, dürfte das sich geändert haben. Daß der unmittelbare Einbau der Musik in die Gesellschaft jene gefährdet, zeigt sich schlagend an der sozialen Institution, welche die Orchester gegen gesellschaftliche Ausbeutung schützt, der Gewerkschaft. Tarifverträge, Begrenzungen der Arbeitszeit, die Abmachungen, welche unbillige Forderungen eindämmen, drücken unter den gegenwärtigen Organisationsformen unvermeidlich das künstlerische Niveau. In ihnen vergegenständlicht sich die Renitenz jenes Schlagzeugers, der während der Aufführung eines Wagnerschen Werks im Orchesterraum saß, Karten spielte, rasch zu seinem Triangelschlag herbeieilte und dann den Skat fortsetzte, als störte die Musik seinen Beruf. Der Arbeitsschutz, dessen die Künstler unterm Profitsystem notwendig bedürfen, schränkt zugleich die Möglichkeit eines nicht von abstrakter Arbeitszeit, sondern von der Qualität der Sache Bestimmten ein, die der Musik unabdingbar ist und die verwirklichen müßte, wer Musik als Beruf wählte. Er revoltierte einmal gegen den Betrieb der Selbsterhaltung, auch wenn es ihm gar nicht bewußt war. Er will sein Brot durch eine brotlose Kunst erwerben, von Anbeginn der rationalisierten Gesellschaft ein Schnippchen schlagen. Die Knaben aus deutschen Entwicklungsromanen um die Jahrhundertwende, die in die Maschinerie der Schule hineingeraten, suchen als Gegenwelt die Musik; Hanno Buddenbrook ist ihr Prototyp. Aber die Gesellschaft klagt das Ihre ein. Sie reserviert Anerkennung und auskömmliche Existenz einer verschwindenden Minderheit von meist technisch exzeptionell Begabten; seit Dezennien belohnt sie auch unter ihnen nur solche, die mit einiger Willkür von monopolistischen Instituten wie den größten Konzertagenturen, Dépendencen der Radio- und Plattenindustrie, auserwählt sind. Als Ausnahme bestätigen die Stars ebenso den Vorrang nützlicher Arbeit wie daß das Establishment doch nichts gegen den Geist habe, wofern dieser nur den Spielregeln des Konkurrenzsystems oder seiner Nachfolge sich anbequemt. Der Majorität gegenüber jedoch zeigen die Kommandierenden des Musiklebens die kalte Schulter. Die Wahrheit, daß durchschnittliche Leistung kein ästhetisches Kriterium ist und dem Begriff von Kunst selbst widerstreitet, wird zur Ideologie. Musiker, die, wie dumpf auch immer, ein Absolutes wollten, werden zur Strafe fast notwendig von der Gesellschaft gebrochen, die ihnen vorrechnet, es habe eben nicht gelangt. Die Sozialpsychologie, welche über das Ressentiment des Orchestermusikers superior sich dünkt, ist darum zugleich beschränkt: sie verkennt das Recht in jenem Ressentiment. Den Orchestermusikern wird sichtbar demonstriert, was insgeheim, wie Freud wohl wußte, die gesamte bürgerliche Kultur durchherrscht: die Opfer, welche sie ihren Angehörigen aufbürdet und die sie, sei's der eigenen Selbsterhaltung, sei's einer Sache zuliebe bringen, bleiben vergeblich; zumindest das Äquivalent zufällig. Opfer sind so irrational wie im Mythos. Was ein Orchestermusiker zu tun hat – sie nennen es »Dienst« –, steht nach geistigmusikalischer Bedeutung und auch der Befriedigung nach, die der einzelne empfängt, außer allem Verhältnis zu der Utopie, der ein jeder einmal nachhing; die Routineaufführung, die Abgedroschenheit oder geringe Qualität der meisten Einzelleistungen, die im Tutti verschwinden, schließlich auch die oft bloß fiktive Überlegenheit des Dirigenten zeitigen Überdruß. »I just hate music.« Der Positivismus der Orchestermusiker, die ans Kontrollierbare sich halten: klangschöne Akkorde, präzise Einsätze, die Fähigkeit, komplexere Rhythmen verständlich zu schlagen, ist nicht nur der Widerschein ihres Konkretismus. In diese Momente, den Inbegriff dessen, was sie zu realisieren glauben, flüchtet sich die Liebe zur Sache, die einmal sie beseelte. Gedemütigt, überlebt sie einzig als fachmännische Rechthaberei. Ihre Geistfeindschaft, die sie übrigens mit allen Kollektiven gemeinsam haben, die gegen den einzelnen durch Identifikation untereinander integriert sind, hat auch ihr Wahres, die bündige und unwiderlegliche Erfahrung des Usurpatorischen am Geist unter den herrschenden gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen. Manchmal entschädigen sie sich durch hobbies wie fanatische Lektüre oder Sammlerwut. Vom ursprünglichen Berührtsein durch Musik, vom Traum, daß es anders sein sollte, ist der gute Wille übrig, sobald jenes Andere als technische Zuständigkeit ihnen begegnet, und damit nicht länger ein Anderes ist. Wenn die Orchestermusiker, anstatt wie Kulturkonsumenten sich zu begeistern, knurrig und übellaunig in Viertel und Sechzehntel sich verbeißen, so tun sie wiederum auch der Musik selbst Ehre an, in der kein Geist objektiv gilt, der nicht Konfiguration von Noten geworden wäre. Zur Utopie, die sie einmal betraf, gehört ein Bodensatz des Unsinnigen, Getrübten und Deformierten; das Normale verschmäht sie. Als Denkmal der permanenten Niederlage wird er sichtbar. Orchestermusiker haben etwas vom Kafkaschen Hungerkünstler oder von jenen Artisten, die bei kümmerlichem Lohn die halsbrecherischesten Kunststücke um ihrer selbst willen erlernen. Die Sinnlosigkeit jener Kunststücke hält protestierend einem Sinn den Spiegel vor, der selbst nichts ist als der sich am Leben erhaltende Betrieb. Große Dichtungen des neunzehnten Jahrhunderts haben das, ohne des Orchesters ausdrücklich zu gedenken, im Bild gerettet, Grillparzer in der unvergleichlichen Novelle vom armen Spielmann, Balzac in den beiden Freunden Pons und Schmucke, sozial verstümmelten Sonderlingen, die an der Gemeinheit der normalen Gesellschaft zugrunde gehen. Solche exzentrischen Figuren verraten besser als repräsentative Zahlen, was der Musik in der Gesellschaft widerfährt. Während der philosophische Idealismus hinab mußte, behält er etwas von seiner Wahrheit im vulgärsten Sprachgebrauch, dem der ein Idealist heißt, welcher dem gesellschaftlich verurteilten spleen zuliebe die Rolle ausschlägt, die auf ihn wartet. Die Defekte seiner Erniedrigung verkörpern, was höher wäre, und schaden doch der Kunst, der er zu seinem Verhängnis die Treue hielt.

Die musikalische Resultante aus dem Verhältnis zwischen Dirigenten und Orchester ist ein widermusikalischer Kompromiß. Das Maß an Vergröberung ist einzig der eines dramatischen Textes auf der Bühne zu vergleichen; selbst mit der vielgerühmten Präzision ist es selten weit her. Während Orchester von dirigierenden Komponisten, wegen ihres Mangels an Routine, der ein Vorzug wäre, wenig wissen wollen, sind jene im Entscheidenden, der Erfahrung der Sache von ihrem Inneren her, den angeblichen Fachleuten nicht selten in ihrer eigenen Domäne überlegen: so Anton von Webern als Dirigent von Mozart, Schubert, Bruckner, Mahler. Von ihm gibt es weder Schallplatten noch offenbar Bänder, einfach darum, weil er sozial nicht als großer Dirigent abgestempelt war. Auch Richard Strauss, den das Dirigieren und vermutlich alle Musik vielfach langweilte, konnte, wenn er wollte, außerordentliche Aufführungen zustande bringen, weil er an die Kompositionen mit dem Auge des Komponisten heranging; ebenso Strawinsky noch im hohen Alter. Mit den Orchestern hat Strauss, trotz seines seigneuralen Habitus, gut sich vertragen, in dem, was amerikanisch intelligence heißt, einer Art technologischer Solidarität, dem Veblenschen »instinct of workmanship«. Er erweckte den Eindruck dessen, der von der Pike auf diente, stets bereit, mit Orchestermusikern, die es gut konnten, ebenso gern Skat zu spielen wie mit seinen Kommerzienräten. Das Orchester als ingroup spricht an auf eine bestimmte, dabei nicht sich anbiedernde Art von Kollegialität, solidarisch gegen musikalische Instanzen außerhalb der unmittelbaren Praxis, besonders gegen Kritiker. Die vielberufene Kollegialität unter Musikern, keineswegs bloß denen des Orchesters, schlägt leicht in Haß oder Intrige um. Unter den einander Fremden, miteinander Konkurrierenden, nur durch die Gestalt der Arbeit einander Gleichen wird jene Kollegialität zum Substitut von Freundschaft, gezeichnet mit dem Mal von Unwahrheit. Aber der überaus fragwürdige Korpsgeist, verwandt dem autoritätsgebundenen Syndrom, kittet gelegentlich die produktive Genossenschaft von Dirigenten und Orchestern zusammen.

Nicht einmal als sogenannte Klangkörper sind die Orchester so homogen, wie es das Kollektiv der Kollegen vortäuscht. Ihre heutige Gestalt ist das musikalische Residuum anarchischer Warenproduktion, auch insofern ein Mikrokosmos der Gesellschaft. Das übliche Instrumentarium wurde nicht bewußt und planvoll, nicht als adäquates Medium kompositorischer Phantasie entwickelt, sondern in einer Art von naturwüchsigem Prozeß. Zwar wurde Unbrauchbares, Ungeschlachtes oder Groteskes darwinistisch ausgemerzt, aber das Ergebnis blieb zufällig und irrational genug. Über die auffälligsten Mängel: den an einem ausgewogenen Kontinuum der Klangfarben, an wirklich zulänglichen Holzbässen haben die Komponisten immer wieder vergebens sich beschwert. Stets noch verfügt die Harfe nicht über die vollchromatischen Möglichkeiten. Neuerungsversuche, wie die Aufnahme des Heckelphons durch Strauss, die Institution eines dritten Geigenparts in der Elektra, die ungewohnte Zusammenstellung in Schönbergs op. 22, hatten keine Konsequenz für den Aufbau des Orchesters; selbst die Kontrabaßklarinette bürgerte sich nicht ein und nicht die herrliche Baßtrompete von Wagners Ring. Grell ist die Diskrepanz zwischen dem archaischen, gegen Neuerungen überaus spröden, von sozialer Konvention definierten Inventar der Orchester und dem kompositorisch Geforderten; zu schweigen von den rückständigen Spielweisen. Die Emanzipation des Kammerorchesters vom großen hat nicht nur kompositorische Gründe, wie die Abneigung gegen die auratische Unendlichkeit des Streichertuttis und den Bedarf nach distinkten Stimmen für polyphone Zwecke. Das Orchester hat prinzipiell die farblichen Bedürfnisse nicht befriedigt. Kleine Ensembles schmiegen sich ihnen viel enger an. Auch als brüchige Totalität ist das Orchester Mikrokosmos der Gesellschaft, gelähmt vom Eigengewicht dessen, was nun einmal so und nicht anders wurde. Die Orchester sind heute noch wie die Skyline von Manhattan, imposant und zerrissen in eins6.

 
Fußnoten

 

1 Der Text war längst formuliert und wiederholt öffentlich vorgetragen, ehe die englische Wochenzeitung Observer im Juni 1962 das Interview brachte, das Igor Strawinsky über denselben Gegenstand Robert Craft gab. Die Übereinstimmung vieler kritischer Befunde, zu denen so verschieden Denkende gelangten, spricht für sich selbst.

 

2 Vgl. Elias Canetti, Masse und Macht. Hamburg 1960, S. 453ff.

 

3 Vgl. Theodor W. Adorno, Quasi una Fantasia. Frankfurt a.M. 1963, S. 60 [GS 16, s. S. 285].

 

4 Vgl. Theodor W. Adorno u.a., The Authoritarian Personality. New York 1950, pp. 664ff.; 669ff.

 

5 Vgl. Theodor W. Adorno, Versuch über Wagner. 2. Aufl., München, Zürich 1964, S. 26 [GS 13, s. S. 27].

 

6 Nicht verschweigen möchte ich die Beobachtung, daß neuerdings ein Typus von jüngeren Orchestermusikern sich abzeichnet, der von dem beschriebenen sich entfernt.

 

 

VIII. Musikleben

Bekannt ist, daß Richard Wagners Bayreuther Konzeption nicht einfach die einer Stätte für exemplarische Aufführungen seiner Werke war sondern kulturreformatorisch. Houston Stewart Chamberlain, einer der Vorreiter der nationalsozialistischen Ideologie, führte bei Cosima mit Glück sich ein durch die Formel, er sei nicht Wagnerianer sondern Bayreuthianer. Wagner erhoffte sich vom Gesamtkunstwerk Hilfe für das, was er sich unter Regeneration des deutschen Volkes vorstellte, eine Volksgemeinschaft faschistischen Schlages. Inmitten der bestehenden Gesellschaft sollten angesichts des Gesamtkunstwerks durch die rassisch-deutsche Idee verbundene Menschen aus allen Schichten zusammengeführt werden und eine Art Elite jenseits der Klassenunterschiede bilden; an diese selbst wurde nicht gerührt. Aber der Gedanke einer solchen realen Gewalt der Kunst hatte etwas jugendstilhaft Schimärisches – was Wagner noch vom Geist sich versprach, hat denn auch der Hitler mit seiner Realpolitik zu erreichen gesucht. Die soziale Realität von Bayreuth verhöhnte bereits die Konzeption der Volksgemeinschaft. Von den populistischen Impulsen, die der enttäuschte Achtundvierziger bis in sein Alter hütete, drang keiner durch. In Bayreuth versammelte sich jene internationale society, die der völkische Nationalist verabscheuen mußte. Nach Wahnfried wurden Personen von Namen, Rang und Besitz eingeladen; Leute, die dazugehörten, Adlige und Notabeln. Für das Volk der Meistersinger fielen allenfalls Freikarten ab. Sichtbar dagegen wurden die Mitglieder der Wagnervereine; Bier trinkende, Würstchen verzehrende Spießbürger, deren Anblick Nietzsche den ersten großen Schock versetzte; Menschen, die von der wie immer auch problematischen Bayreuther Idee wenig verspürten und von nichts angezogen wurden als einem Trara, in dem das Deutsche Reich der Jahre nach 1870, wie Nietzsche rasch erkannte, treulich widerhallte. Das Agglomerat aus feinen Leuten und Philistern desavouierte die Wagnersche Vorstellung vom Deutschen Volk als pure retrospektive Selbsterhöhung. Wäre selbst etwas dergleichen noch vorhanden gewesen, die Organisation dramatischer Festspiele hätte es nicht erreichen können. Die Zusammensetzung des Publikums war kraß ökonomisch determiniert: durch Rücksicht auf potentielle große Geldgeber oder auf Konnexionen in ihrer Sphäre ebenso wie auf die organisierten Kleinbürger, deren Scherflein sich summierten.

Aus den Erfahrungen Nietzsches im Jahr 1876 hätte die Soziologie des Musiklebens einige Lehren zu ziehen. Zuerst die empirische, daß unterm Hochkapitalismus die gemeinschaftsbildende Kraft, die im Gestus so vieler Musik sich kundtut, über deren ästhetische Rezeption nicht hinausreicht: sie verändert nicht die Welt. Dann, daß auch Formen des Musiklebens, die sich dem kapitalistischen Markt enthoben wähnen, an ihn gebunden bleiben und an die Sozialstruktur, die ihn trägt. Das Musikleben ist kein Leben für die Musik. Daran hat auch Wagners veranstaltete Renaissance des attischen Theaters nichts geändert. Teilhabe am Musikleben hängt bis heute, außer im Bezirk der Massenmedien, wesentlich ab von materiellen Bedingungen; nicht bloß der unmittelbaren Zahlungsfähigkeit der potentiellen Hörer sondern auch ihrer Stellung in der sozialen Hierarchie. Sie ist verfilzt mit dem Privileg und damit der Ideologie. Mit der Idee der Kunst hat sie zuweilen soviel zu tun wie der schmerbäuchige und stiernackige Festredner mit Tristan und Isolde. Musik realisiert sich im Musikleben, aber das Musikleben widerspricht der Musik.

Erich Doflein hat den gegenwärtigen musikalischen Zustand pluralistisch beschrieben, als Nebeneinander divergenter Funktionen, von denen die eine vielfach die andere negiert und in deren Mannigfaltigkeit die wirkliche oder vermeintliche Einheit jener Perioden, die im Sinn Riegls Stil besaßen, sich aufgelöst hätte. Das trifft deskriptiv, als Bestandsaufnahme der Sachverhalte, nicht aber strukturell und dynamisch zu. Es gibt keinen friedfertigen Sozialatlas des Musiklebens; so wenig wie einen der Gesellschaft. Innermusikalisch sind die Sektoren des Musiklebens nicht gleichberechtigt. Die konziliante Güte, die dem Zitherspieler auf dem Land dasselbe Recht zubilligt wie dem verständnisvollen Hörer komplexer Stücke des späten Bach oder der Moderne, unterdrückt nicht nur die Qualitätsunterschiede sondern den Wahrheitsanspruch der Musik selbst. Wenn jene Werke von Bach, oder irgendwelche der großen Musik, wahr sind, dann dulden sie objektiv, ihrem Gehalt nach, nicht die anderen, die nicht beheimatet sind im Hölderlinschen »Land des hohen ernsteren Genius«. Haben der Zitherspieler und Bach gleiches Recht, geht es nur nach individuellem Geschmack zu, dann wird der großen Musik entzogen, wodurch allein sie die große ist, als welche sie Geltung genießt. Depraviert zum Konsumgut für Anspruchsvollere, büßt sie eben das ein, worauf jener Anspruch allenfalls gehen könnte. So wenig aber wie musikalisch läßt der Pluralismus soziologisch sich halten. Das Nebeneinander verschiedener Gestalten von Musik und Musikübung ist das Gegenteil versöhnter Vielfalt. Das hierarchische System des Angebots kultureller Güter betrügt die Menschen um diese. Noch die menschlichen Beschaffenheiten, welche den einen zum Zitherspieler, den anderen zum Bachhörer prädestinieren, sind keine natürlichen, sondern gründen in gesellschaftlichen Verhältnissen. Was dem inventarisierenden Blick wie ein bunter Reichtum musikalischer Erscheinungsformen dünkt, ist Funktion vorab des sozial determinierten Bildungsprivilegs. Führt, wie Doflein nicht bestreitet, von der einen Musiksphäre kein Weg mehr zu der andern, dann erscheint darin ein zerrissener Gesamtzustand, der so wenig vom künstlerischen Willen wie durch bloße Pädagogik wie durchs verfügende Diktat sich schlichten läßt; er brennt einem jeglichen musikalischen Phänomen Wundmale ein. Selbst die konsequentesten und lautersten Anstrengungen, die der musikalischen Avantgarde, werden, ohne daß sie darüber etwas vermöchten, durch ihre notwendige Lossage von der Gesellschaft der Gefahr des bloßen Spiels mit sich selber ausgesetzt; Spannungsverlust und Neutralisierung der radikalen Moderne sind nicht Schuld von deren Asozialität, sondern ihr sozial aufgezwungen: die Ohren sperren sich, sobald sie hören, was sie anginge. Die mangelnde Beziehung einer Kunst auf das außer ihr, auf das, was an ihr nicht selbst Kunst ist, bedroht sie in ihrer inneren Zusammensetzung, während der soziale Wille, der sie davon zu heilen beteuert, unabdingbar das Beste an ihr beschädigt: Unabhängigkeit, Konsequenz, Integrität. Das Musikleben als extensive Größe freilich nimmt von all dem keine Notiz. Grob und mit Einschränkung gilt fürs Musikleben der Grundsatz, was im Angebot als Qualität erscheint, das messe sich dem materiellen und sozialen Status der Empfangenden an, seien es Individuen, seien es Gruppen. Nur wo dieser Grundsatz verletzt wird, kommt die Musik zu dem Ihren und damit auch die Hörer.

Nicht jedoch im offiziellen Musikleben. Das sind die öffentlichen Konzerte, vor allem auch die fester Musikvereine, und die Opernhäuser, sowohl das Stagione- wie das Repertoiretheater. Die Grenzen gegen andere musikalische Bereiche fließen; müßig, darüber zu rechten, ob die Veranstaltungen des ›neuen werks‹, der ›Musica viva‹ oder der ›Reihe‹, arrivierte Analoga zu den Ausstellungen moderner Kunst, dem offiziellen Musikleben zuzählen oder nicht. Andererseits gehen viele Kirchenkonzerte und öffentliche Darbietungen von Kammerorchestern und Singkreisen unmerklich über in jene Aktivitäten, die in Deutschland vom Namen Volks- und Jugendmusikbewegung gedeckt werden und, indem sie die mit der großen Kunstmusik gesetzte Trennung zwischen Interpreten und Publikum nicht anerkennen, sich dem offiziellen Musikleben, vor allem dem herkömmlichen Symphonie- und Solistenkonzert gegenüber oppositionell fühlen. Im allgemeinen rechnen zum offiziellen Musikleben die aus dem neunzehnten Jahrhundert überkommenen Formen der Musikübung. Sie setzen ein kontemplatives Publikum voraus. Grundsätzlich mit der Kultur d'accord, sind jene Formen sich unproblematisch als kulturelle Einrichtung. Sie wollen angehäufte Schätze verwalten. Über das Repertoire von Bach bis zur gemäßigten Moderne des neunzehnten und beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts wird nach beiden Seiten nur wenig hinausgegangen. Wo es doch geschieht, soll einzig der gar zu kleine und abgegraste Bereich der Standardwerke aufgefüllt werden; oder man führt halben Herzens und in zwinkerndem Einverständnis mit einem ablehnenden Publikum ein paar radikale Novitäten einmal auf, um dem Vorwurf des Reaktionären zu entgehen und gleichzeitig verschmitzt zu beweisen, daß, wenn die Modernen kein Publikum fänden, es nicht an den Institutionen läge, die ihnen ja die Chance gäben, sondern an jenen selber. Bezeichnend, daß die meisten Aufführungen ernsthaft moderner Werke im offiziellen Musikleben unzulänglich sind; adäquate glücken fast nur avantgardistischen Gruppen.

Das offizielle Musikleben gliedert sich nach internationalen und lokalen Sektoren, mit handfesten Unterschieden des Niveaus. Das internationale Musikleben hat seine Schwerpunkte in den größten Städten wie New York und London oder alten Zentren wie Wien; oder in Festorten wie Bayreuth, Salzburg, Glyndebourne und Edinburgh. Was dort geschieht, ist Reservat wenn schon nicht mehr der alten großen Gesellschaft, so doch der zahlungskräftigsten Schichten, die mit den Restbeständen der früheren society in solchem Musikleben Begegnung feiern. Untersuchungen über den Anteil der Gruppen wären ergiebig, zumal die immer wiederholte Behauptung, es gäbe keine society mehr, viel zu beflissen klingt, als daß man sie ohne weiteres glauben sollte; zur Signatur des Zeitalters gehört, daß die Exklusivität ebenso ihrer selbst sich schämt, wie der Reichtum zögert, so ungehemmt zur Schau sich zu stellen wie im neunzehnten Jahrhundert in Paris oder an der Riviera. Das offizielle Musikleben überlebt vielleicht auch darum so hartnäckig, weil es einige Ostentation erlaubt, ohne daß das Publikum, das ja durch seine Gegenwart in Salzburg als kultiviert sich erklärt, dem Vorwurf der Protzerei oder der Ausschweifung sich aussetzte.

Die Programme dürften nicht allzusehr von denen um 1920 sich unterscheiden. Vielleicht schrumpft der approbierte Vorrat noch mehr zusammen; sicherlich nutzen die am häufigsten wiederholten Werke, vor allem die große Symphonik, weiter sich ab. Dadurch verlagert das Interesse sich notwendig auf die Wiedergabe; beim Immergleichen achtet man kaum mehr auf das Was sondern allenfalls darauf, wie es präsentiert wird. Diese Tendenz stimmt zusammen mit dem sachfremden Kult des Instrumentellen, der glanzvollen Leistung, der, von der absolutistischen Ära ererbt, das ganze bürgerliche Zeitalter hindurch das Star- und Virtuosenwesen begünstigt hat. Gerade Immergleiches wird mit Vorliebe als Auswuchs der Zeit gegeißelt, die kulturgläubige Kulturkritik ist nicht reich an Motiven. Das Prinzip der Ostentation ist zugleich auch das des Musizierens selber; der Virtuos, sei's der des Pults, der Stimme oder des Soloinstruments, spiegelt in seinem glamor den des Publikums. Darüber hinaus zelebriert er durch das, was auf dem Markt Spitzenleistung heißt, die Steigerung der technisch-industriellen Produktivkräfte; unbewußt werden Kriterien der materiellen Praxis auf die Kunst transferiert. Erheblich ist jedoch keineswegs nur die Rolle berühmter Dirigenten oder stupender Virtuosen, sondern auch gewisser sakrosankter Figuren dessen, was man in Amerika salopp und präzis sacred cow nennt. Ältere Damen, die es verstehen, am Klavier ihr Programm mit Seherinnenmiene zu absolvieren, als handele es sich um Gottesdienst, werden selbst bei höchst anfechtbaren Interpretationen fanatisch bejubelt. Unbewußte Konventionen dieser Art wirken zurück auf die Interpreten. Das Musikleben ist struktureller Interpretation nicht hold. In der Praxis verursacht, selbst nach deren eigenen Maßstäben, die Idolatrie des Erstklassigen – Zerrbild der ästhetischen Qualität – absurde Mißverhältnisse. In der New Yorker Metropolitan Opera etwa ließen die exorbitanten Gagen der Gesangsstars so wenig Fonds für Dirigenten und Orchester übrig, daß das Gesamtniveau der Aufführung kläglich hinter der Qualität der Sänger und Sängerinnen herhinkte. Doch scheint das allmählich sich ausgeglichen zu haben, wohl auch durch den Zustrom fähiger Kapellmeister und Instrumentalisten aus Europa während der Hitlerära; worüber die bürgerliche Musikkultur selbst von je klagt, damit kann sie meist auch fertig werden. Heute aber wie längst verwehrt das internationale Musikleben die Bildung fester Traditionen. Es treibt die Artisten als Nummern eines monströsen Zirkus zusammen. Die Aufführungen sind illusionäre Apotheosen. Das sinnlich Angenehme und der fehlerlose, störungsfreie Ablauf verdrängen sinngemäße Darstellung. Sie bedürfte des einzigen Reichtums, den der reiche Betrieb versagt: der Zeitverschwendung.

Die kurrenten Einwände gegen das offizielle Musikleben betreffen ebenso die Kommerzialisierung, der die mit Hochdruck propagierte Sache nur Vorwand nackter materieller Interessen und der Machtbedürfnisse der Musikkapitäne ist, wie die von genuinem Sachverständnis vielfach weit entfernte Wirkung, wie schließlich auch musikalische Mängel eines Systems, das kraft seiner sozialen Bedingungen auf einen Perfektionismus des Technicolorstils zusteuert, dem, fasziniert von Toscanini, viele der Befehlsgewaltigen ohnehin huldigen. Gegenüber all diesen Argumenten, in denen, hélas, die Avantgardisten mit der pharisäischen Elite der Innerlichkeit sich einig sind und die das offizielle Musikleben sich integrierte, wäre ketzerisch daran zu erinnern, daß es vermöge der in ihm konzentrierten ökonomischen Mittel den opponierenden Richtungen immer zugleich auch in manchem überlegen ist. Selten genügen Strömungen, die gegen etablierte aufbegehren, ganz deren Standards. Wer die Hollywooder Filmproduktion verfolgte, würde gern die unprätentiösen, ehrlich oder zynisch auf Massenkonsum geeichten Streifen, die als class B oder C pictures rangieren, den hochtrabenden, mit falscher Psychologie und anderen zurechtgestutzten Abfällen des Geistes ausstaffierten class A pictures vorziehen. Sieht man sich aber dann so einen Western an, so ist der lieblose Stumpfsinn von der Stange womöglich noch unerträglicher als der preisgekrönte Schinken. Nicht anders im internationalen offiziellen Musikleben, dem ja musikalische Hollywood-Ideale teleologisch innewohnen: was da betrieben wird, überragt das andere, das Abweichende ebenso wie das, was es nicht so weit gebracht hat, durch eben die störungsfreie Perfektion, die selber wiederum den Geist der Musik abwürgt. Wird etwa ein exzeptioneller Dirigent weg von einer bescheideneren Arbeitsstätte, wo er, so meint man, nach eigenem Willen anständig Musik machen könnte, durchs internationale Musikleben abgeworben, so ist es nicht nur wegen der geringeren Gage oder wegen des mit den internationalen Positionen verknüpften Prestiges schwierig, ihn zu halten, sondern ein solcher Dirigent kann mit Recht auf die viel weiter greifenden Chancen seiner Wirkung hinweisen und darauf, daß die künstlerischen Mittel, die ihm in den internationalen Zentren zur Verfügung stehen, die außerhalb jener Sphäre bereitgestellten sehr überragen. Die Musik ist nicht nur von der Ökonomie gefesselt, sondern die ökonomischen Bedingungen setzen zugleich auch, innerhalb von Grenzen, in ästhetische Qualität sich um. Betont der Dirigent, daß an der internationalen Stätte die Blechbläser präziser spielen und schöner klingen; daß der Geigenchor mehr Fülle und Wärme ausstrahlt; daß mit einem Orchester, das aus Virtuosen besteht, fruchtbarer, nämlich der eigenen Vorstellung adäquater, sich arbeiten läßt als mit einem Apparat, bei dem elementare technische Fragen, das Funktionieren im vorkünstlerischen Sinn, ein ungebührliches Maß an Energie und Arbeitskraft verzehren, so ist das wahr. Eine Dame sagte einmal, die Welt, in der man sich nicht langweilt, sei nicht halb so langweilig, wie die es sich ausmalen, die nicht hineinkommen. So verhält es sich auch mit dem offiziellen Musikleben. Matadore, denen man wegen ihrer künstlerisch totalitären Ambitionen ebenso mißtraut wie wegen ihrer kulturkonservativen Gesinnung, sind, einmal auf die obersten Kommandohöhen gelangt, meist doch auch in vielem qualifiziert und weit bessere Musiker, als den guten Musikern recht ist. Ich habe vor einigen Jahren mürrisch und widerwillig die Aufführung eines Werks besucht, auf das die Opponierenden ein Monopol zu besitzen glauben, unter einem bei ihnen besonders schlecht angeschriebenen Dirigenten. Die Aufführung überragte nicht nur das, was manche unzulänglichen Freunde der Moderne unter den Kapellmeistern verschulden, sondern war sinnvoll bis ins letzte Detail, so durchgearbeitet und bewußt musiziert, daß Webern als Interpret sich nicht zu schämen gehabt hätte. Die Kritik am offiziellen Musikleben ist vielfach mit Ressentiment des ökonomisch Schwächeren verkoppelt. Unter den Widersprüchen des Musiklebens fehlt nicht der, daß die Sphäre, in der dessen Schlechtes, der Warencharakter, zum äußersten sich konzentriert, zugleich so viel an produktiver Kraft ansaugt, daß das nicht Korrumpierte, an sich Wahre durch geringere Kraft des Realisierens, mangelnde Präsizion, sinnliche Schäbigkeit selber anfällig wird. Das krasseste Symptom dessen war im Bereich der Vokalisten zu konstatieren. Zwischen den beiden Kriegen wurden die schönen Stimmen und die souveränen Sänger vom offiziellen Musikleben und dessen stationären Programmen beschlagnahmt, während die exponierte Moderne Interpreten ohne Stimme, oder ausgesungenen, reserviert blieb, die, stolz auf ihre meist nicht vorhandene musikalische Intelligenz, dort die Chance witterten, ihren Namen unter die Leute zu bringen, durch ihr Geheul aber der Sache, für die sie angeblich heroisch eintraten, schadeten. Man wird den Sachverhalt musiksoziologisch etwas allgemeiner so formulieren dürfen, daß durch die Übereinstimmung mit der realen gesellschaftlichen Tendenz und ihrer Gewalt das offizielle Musikleben all das, was mit produktiver Kraft und legitimer Kritik abweicht, in eine Position des Sektenhaften und Abgespaltenen treibt, die das objektiv Legitime schwächt. Analog verwandeln Gruppen, welche an sich die strenge und fortgeschrittenste Gestalt der politischen Theorie vertreten, die »recht haben«, sobald sie gegen den Hauptstrom des über die Apparatur verfügenden Zentrismus schwimmen, sich oft in ohnmächtige und verketzerte Minoritäten, deren theoretisches Recht von der Praxis Lügen gestraft wird. Einsichten des reifen Hegel konkretisieren sich ähnlich in musiksoziologischen Phänomenen. Wie aber Hegels Parteinahme für das sich durchsetzende Stärkere den, der nicht Sieger und Weltgeist einander gleichsetzt, nicht dazu verleiten darf, die Wahrheit des Dissentierenden zu verleugnen, so ist von der intransigenten Kritik am offiziellen Musikleben doch nichts nachzulassen. An der Fülle disponibler Mittel ist kein Segen. Aller kulturelle Reichtum bleibt falsch, solange der materielle monopolisiert ist. Das Geschleckte, Blitzende, das die Aufführungen der internationalen Zentren unvermeidlich fast annehmen und wodurch sie, was anders ist, zum Provinzialismus verurteilen möchten, kehrt sich gegen das »Bewußtsein von Nöten« und die immanente Arbeit der Werke, die in sich selbst als Prozeß bestimmt sind und ihren eigenen Sinn verfehlen, sobald sie als reines Resultat sich darstellen. Was das Marktgesetz rückhaltlos honoriert, das doch vom Kunstwerk immer auch angegriffen wird, tilgt durch lückenlose Glätte die Frische des Werdenden. Das Werk begibt sich nicht mehr aus den meßbar abgezirkelten Qualitäten hinaus ins Unerfaßte. Aber es genügt dem eigenen Begriff nur, insoweit es nicht ganz in seinem Ablauf aufgeht, sondern ein noch nicht Vorgeformtes erreicht, sich transzendiert. Daran haftet, was an Kultur mehr ist denn gesellschaftliches Netz. Am wenigsten aber dringen die sogenannten Naturqualitäten, etwa die schönen Stimmen, die das offizielle Musikleben pflegt, in die inwendige Beschaffenheit der Aufführungen hinein. Sie sind Fassade, wollen das Zellophanhafte mit mehr oder minder Glück vertuschen. Das wesentlich Konventionelle vermummt stets sich in Natur; dieser widerfährt Ehre nur im Phänomen, das so durchgeknetet ist, daß es nicht länger von selbst sich versteht.

Das Publikum des internationalen Musiklebens ist homogen in versierter Naivetät: Kultur, der nichts zu teuer ist und deren Reklameapparat das der Menschheit einbläut, wird ohne viel Frage als das goutiert, als was sie sich gibt; fetischistisch erscheint die zweite Natur als erste. Kulinarische Meriten liefern fürs Einverständnis stets die solide Begründung. Die Hörgewohnheiten sind wohl weniger konservativ als eingestimmt auf den technologischen Standard. Gelegentlich, wie in Bayreuth, treten spezifische ideologische Momente hinzu; doch dürfte gerade dort nach dem Zweiten Krieg die völkische Ideologie so weit ausgeschaltet worden sein, wie die Texte es zulassen, die ja bis jetzt, nach meiner Kenntnis, noch nicht retuschiert wurden. Das internationale Musikleben wirkt reaktionär weniger durch spezifische Inhalte als durchs unbefragte Verhältnis zur Kultur und zur Welt, in der sie gedeiht. Alles geht, nach den Spielregeln jener Welt, mit rechten Dingen zu. Die, welche finanzieren, bestimmen auch den Kurs. Im Konfliktfall haben die ausübenden Künstler, die als Experten zwischen die ökonomische Macht und die Forderung der Sache geschaltet sind, zu parieren, können wohl auch, wo es der ökonomischen Macht gefällt, und wäre es nur, weil der Frack nicht sitzt, fortgejagt werden. Im internationalen wie im lokalen Bereich behauptet sich der Klassencharakter durch den Reichtum derer, die das letzte Wort haben. Je reiner aber eine Gesellschaft nach dem Tauschprinzip organisiert ist, desto weniger lassen sie von den Sprechern autonomer Kultur sich dreinreden; desto unerheblicher wird Sachverständnis für die Lenkung des Musiklebens. In Amerika ist charakteristisch die Figur derer, welche die Opposition dort culture vulture nennt, ältere Damen mit allzuviel freier Zeit und ohne viel Kenntnis, die mit einer Art Wut auf Kultur als Ersatzbefriedigung sich stürzen und ihren Eifer und ihre Kontributionen mit Zuständigkeit verwechseln. Zwischen den culture vultures und Künstlern, die von ihnen sich verwöhnen lassen, stellen gelegentlich trübe Querverbindungen sich her. Nur Weltfremdheit sähe Musiker und Geldgeber in einfachem Gegensatz. In jenen fördert Abhängigkeit und legitimes Glücksverlangen immer noch Eigenschaften des Typs der Dritten Personen. Die Unmittelbarkeit des Künstlers zu seiner Sache aber erschwert es ihm ebenso, deren gesellschaftliche Funktion zu durchschauen – das bereitet Schmerz – wie zu wissen, was Kunst eigentlich sei. Der Bann des offiziellen Musiklebens verstärkt sich durchs Bewußtsein und Unbewußtsein der Künstler hindurch.

Repräsentationscharakter, oligarchische Kontrolle, cultural lag der Moderne gegenüber haben die internationalen Zentren des Musiklebens mit den großen lokalen gemein. Doch mögen typische Unterschiede sich abzeichnen und verstärken, je provinzieller die lokalen Zentren werden. Die Oligarchie hier ist weniger die der Kapitalkraft als eine traditionalistischer Honoratioren, obwohl beide Gruppen häufig verschmelzen. Die Programmpolitik wird nicht sowohl vom Markt bestimmt wie von ausdrücklich konservativer Gesinnung; avancierte ausübende Musiker werden planvoll draußen gehalten; am beliebtesten sind Zelebritäten mit dem Nimbus der guten alten Zeit, in Deutschland nicht selten Priesterinnen von Talmi-Innerlichkeit. Das Publikum rekrutiert sich immer noch vielfach aus dem Patriziat, aus Familien, die seit Generationen ortsansässig sind; Habitués fühlen sich als zu jener Schicht zugehörig. Doch sind solche Normen nicht starr und werden vielleicht, sauf imprévu, allmählich aufgeweicht. Vorzüge des Systems sind ein gewisses kritisches Vermögen des lange geschulten Publikums und der Standard gut eingespielter Orchester und Ensembles, die zuweilen über Jahrzehnte hin von dem gleichen Dirigenten betreut werden. Schlecht ist der stagnierende Geist, auch in der hausbacken orthodoxen Wiedergabe. Das Ideal der lokalen Institutionen ist das des Gediegenen. Geschmack wird zum Mittel von Abwehr, auch solcher älteren Komponisten, die mit Geschmackskategorien nicht harmonieren wie Mahler. Vor unüblichen oder gar radikalen Stücken verlassen die Gralshüter gern den Saal; deshalb geraten dann solche Stücke, sei's auch sinnwidrig, ans Ende der Programme. Mit Recht wird auf Sauberkeit und Klarheit gehalten, sorgfältig probiert, aber mit Widerstand gegen die Kraft der Phantasie, welche die Musik erst aufschließt; Gegenstück zum internationalen glamor ist lokale Langeweile. Die Kategorie der Gediegenheit ist dem älteren bürgerlichen Leben, zumal dem Ehrenkodex von Handelsstädten entlehnt und auf die Kunst übertragen; in musikalisch sehr traditionsgebundenen kleineren Ländern wie der Schweiz und Holland wäre sie besonders gut zu studieren. Dadurch, daß in den großen lokalen Zentren noch einige Einheit zwischen dem gesellschaftlichen Leben der Oberschicht und dem musikalischen herrscht, geraten Vorstellungen aus jenem ungebrochen in dieses. Schwerlich zum Glück der Musik. Zwar hält die Norm des Gediegenen ein Moment fest, das, seit dem Triumph der neudeutschen Schule, dem Musikleben sonst vielfach abhanden kommt: die verantwortliche, präzise, um den Effekt unbekümmerte Wiedergabe. Dies Moment wurde gerade von der fanatischen Aufführungspraxis der extremen Moderne rezipiert und umfunktioniert. Ohne deren Fermente aber wird künstlerische Gediegenheit zur prosaischen Nüchternheit, unvereinbar mit der Idee von Kunst selbst. Die Tabus, welche die Norm der Gediegenheit verewigt, ersticken jene Freiheit und Spontaneität der Wiedergabe, die von der Sache erheischt wird, in deren Dienst Gediegenheit sich weiß. Der prägnante Name dafür ist Akademismus; selten vermag das offizielle lokale Musikleben darüber sich zu erheben. – Bezeichnend vielleicht, in größeren Städten, das Phänomen des zweiten Orchesters, das dem Anwachsen der Hörermassen, dem demokratischen Bedürfnis Rechnung trägt, gegen welches das Honoratiorensystem sich sperrt. Die Konzerte der zweiten Orchester sind billiger, zugänglicher als die offiziellen philharmonischen, auch freundlicher der Moderne; oft übrigens weniger gut besucht, weil ihnen die elitäre Aura mangelt. Was die Veranstaltungen dieses Typus vor den akademisch-philharmonischen an Liberalität voraushaben, wird nicht selten beeinträchtigt durch das, was das offizielle Musikleben zweitrangige Aufführungen schilt. Die eine Institution frevelt durch Verstocktheit und Kulturhochmut, die andere durch Indifferenz, Unverbindlichkeit der Darbietungen und einen Mangel an Unterscheidungsfähigkeit bei den Hörern, der dann wieder auf das Niveau zurückwirkt.

Quantitativ, den Hörerzahlen nach, überwiegen gegenüber dem offiziellen Musikleben weit die Massenmedien, in manchen Ländern wahrscheinlich bis zur Insignifikanz des Besuchs leibhafter Konzerte. Das dürfte eine neue Qualität des Verhältnisses der Menschen zur Musik setzen. Sie macht mittlerweile in der Produktion, auch der sogenannten ernsten sich bemerkbar. Musik ist nicht mehr, wie im feudalen und absolutistischen Fest, und im bürgerlichen Konzert, ein Ausnahmezustand, sondern hat eine Ubiquität erlangt, durch welche sie dem Alltag sich einreiht; die großen Festivals scheinen mehr die synthetische Antithese dazu, als daß sie solcher Alltäglichkeit wahrhaft widersprächen. In der dargebotenen traditionellen, auch in vieler neu komponierten Musik leben jedoch Eigenschaften der Musik wie Ernst, Erhebung, Freude fort, die auf der Voraussetzung des Ausnahmezustands beruhen und ihn in sich selbst enthalten. Was bis heute an großer Musik geriet, war davon nicht zu trennen; wo darauf verzichtet wird, resigniert Musik dem eigenen Anspruch gegenüber. Zufrieden mit jederzeit verfügbarem Handwerk, regrediert sie aufs Mittelmaß. Jene Qualitäten jedoch nehmen im gegenwärtigen Musikleben, über allen herkömmlichen ästhetischen Schein hinaus, etwas Fiktives an. An der Fatalität des gegenwärtigen Musiklebens hat teil, daß es die Ausnahme als Regel praktiziert. Musikalische Phänomene, die das Kunsthafte in der Kunst verleugnen und sie einem praktischen oder wenigstens sportlichen Tun anähneln wie der Jazz, bezeugen nicht nur die Unkraft, die Distanz zum empirischen Dasein festzuhalten, die einmal Musik setzte, sobald sie erklang sondern bringen das Verlogene eines Zustandes zutage, der Hölderleins Satz mißachtet: »Denn nimmer, von nun an / Taugt zum Gebrauche das Heil'ge.« Renitent antworten die Teens und Twens auf das Ungemäße von Versuchen, hohe Musik ihrerseits jener Betriebsamkeit anzugleichen, die sie real unterdessen verschluckt hat. Dem Widerspruch weichen sie aus in die schlechte Identität von banaler Situation und banaler Musik; aber wenigstens denunzieren sie dadurch den Widerspruch.

An der Verbreiterung des offiziellen Musiklebens selber sind die Massenmedien beteiligt, etwa durch Affiliation der zweiten Orchester mit dem Rundfunk, der sie subventioniert und durch seine Finanzkraft sehr zu verbessern vermag. Trotzdem wird, wer in Europa ohne viel Reflexion vom Musikleben redet, dabei kaum unmittelbar an die Massenmedien denken1, obwohl doch allein sie Millionen von Menschen Gelegenheit geben, überhaupt Musik von nachhaltigem Anspruch kennenzulernen. Grund dafür ist die »Einbahnstruktur« des Radios, auf die man immer wieder hingewiesen hat, und die auch durch Wunschkonzerte nicht allzu sehr modifiziert werden dürfte. Man soll auch in dieser Dimension die Unterschiede innerhalb des insgesamt verdinglichten Musikbetriebs nicht überschätzen; der durchschnittliche philharmonische Hörer wird auf die Programme seiner Gesellschaft, die ohnehin jahrein jahraus im Kern identisch bleiben, kaum viel mehr Einfluß ausüben als der Mann, der in seinem Zimmer das ihm konvenierende Programm aussucht. Ob die unmittelbare Gegenwart bei Aufführungen heute noch eine soviel lebendigere Beziehung zur Musik garantiert als die Massenmedien, wäre durch sehr sorgfältig geplante, qualitativ akzentuierte Erhebungen erst zu ermitteln. Immerhin haben amerikanische Studien dargetan, was wahrscheinlich allgemein gilt: daß der musikalische Geschmack von Menschen, die zur Musik durch lebendige Aufführungen gekommen sind, nach groben Kriterien besser ist als der solcher, welche Musik überhaupt nur durch die Massenmedien vernehmen. Ein Forschungsproblem bleibt dabei, ob die Unterschiede tatsächlich von den Quellen der musikalischen Eindrücke herrühren oder davon, daß die Hörer sogenannter lebendiger Musik in Amerika vorweg schon, durch Familien- und sozialen Status, eine ausgewählte Gruppe bilden, die mehr mitbringt. Denkbar, daß über die musikalische Erfahrung nicht entscheidet, ob sie vorm Radio oder im Konzert gemacht wurde, sondern daß die Wahl zwischen Radio und Konzert bereits von der Struktur der musikalischen Erfahrung abhängt. Soviel jedoch dürfte wahr bleiben, daß die passivische und anstrengungslose Situation der Radiohörer strukturellem Hören wenig günstig ist. Selbstverständlich lassen Hörpräferenzen sich ermitteln, sie werden aber im allgemeinen im Sinn der offiziellen kulturellen Standards verlaufen, abermals mit Unterschieden, die einigermaßen die soziale Schicht widerspiegeln. Hörerbriefe sind, wie der amerikanische Radio Research längst festgestellt hat, soziologisch von fragwürdigem Erkenntniswert; die sie schreiben, sind eine Gruppe mit spezifischen Merkmalen, vielfach Leute, die narzißtisch unter Beweis stellen wollen, daß sie etwas sind, darunter Querulanten, zuweilen offene Paranoiker. Heftiger Nationalismus, Wut gegen die Moderne sind nicht selten. Auffällig der Gestus aggressiver Kulturentrüstung, die Äußerungsform »ich jedenfalls«, verkoppelt mit dem Hinweis auf jene zahlreichen wertvollen Menschen, mit denen der Protestierende einverstanden sich weiß und mit deren potentieller Macht er droht. Verglichen mit dieser Minorität, die negationsfreudig zum Positiven sich bekennt, ist die weniger artikulierte Majorität bereit, innerhalb von Grenzen zu konsumieren, was ihr angeboten wird, vor allem solange die Auswahl von Programmen einige Variationsbreite ihr gewährt. Die Notwendigkeit, ohne Unterlaß Sendezeiten mit Musik auszufüllen, erzwingt ohnehin einen Reichtum der Programme, der die meisten auf ihre Kosten kommen läßt. Die Programme gliedern sich a priori analog zur präsumtiven Gliederung der Hörer; was dabei das Ei sei und was die Henne, ist, nach vierzig Jahren von institutionalisiertem Rundfunk, schwierig auszumachen. Die Situation der Programmdirektoren bedingt durchmusternde und disponierende Überschau. Unterm Diktat eines Bedarfs, der quantitativ ganz disproportional ist zu dem, den die kompositorische Produktion einmal befriedigte, auf die er qualitativ eingestimmt bleibt, wird die musikalische Literatur in ein Kulturmagazin verwandelt, in dem man beengt herumwühlt. Das verstärkt, gegen den ausdrücklichen Willen der Planenden, den herrschenden Fetischcharakter der Musik. Zur vermeintlichen Korrektur wird eine Unmenge von Mittelmäßigem und Schlechtem aus der Vergangenheit ausgekramt. Selbst die Reduktion der Standardwerke auf eine geringe Zahl gehorcht fataler Notwendigkeit: viele sind wirklich die besseren Stücke. Quantitativ fallen im Vergleich mit dem Zahmen, wie die Sendeleitungen reaktionären Denunzianten erfolgreich vorhalten konnten, Sendungen avantgardistischer Konzerte kaum ins Gewicht. Sie füllen einen minimalen Bruchteil der Sendezeit aus; auch die Kompositionsaufträge sind äußerst limitiert. Trotzdem hat dieser Aspekt des Radios qualitativ größte Bedeutung. Ohne solche wie immer auch bescheidene Hilfe, preisgegeben dem Markt und der Konsumideologie, müßte die Produktion, die objektiv allein noch zählt, aussterben. Durch sachverständige Förderung in den Massenmedien wird der modernen Musik etwas von jener Relevanz bestätigt, die der Markt oder Pseudomarkt ihr verweigert. Soziologisch läßt ein eigentümlicher Funktionswechsel sich feststellen. Während im neunzehnten Jahrhundert bis ins zwanzigste hinein, also unterm Hochliberalismus, die freien Institutionen gegenüber den von der öffentlichen Hand gesteuerten die progressiveren waren, tendiert heute, unter den Bedingungen des monopolistischen Massenkonsums, der angeblich freie Markt zum Abdrosseln dessen, was sich regt; staatliche oder gemischtwirtschaftliche Institutionen aber werden durch die marge an Unabhängigkeit, die sie sich behaupten, zu Refugien des Avancierten und Unbequemen, mit allen fruchtbaren Paradoxien, die das involviert. Ähnlich sind im amerikanischen Universitätsleben die staatlichen Hochschulen freieren Geistes als die von der privaten Wirtschaft unterhaltenen. Verständlich, daß gerade dies Moment der Massenmedien denen Vorwände liefert, welche nach bewährtem Muster die formal-demokratischen Regeln zur Sabotage an der Demokratie ausschlachten.

Allgemein hat die Empörung über das angebliche Massenzeitalter in einen Konsumartikel für die Massen sich verwandelt, der dazu taugt, sie gegen politisch demokratische Formen aufzuhetzen. So hat es sich eingespielt, die Massenmedien für den Verfall musikalischer Bildung verantwortlich zu machen. Sie dispensierten die Hörer, die sie im Haus beliefern, von eigener Aktivität. Weil sie das Gehörte nicht buchstäblich selbst erzeugten, würde ihnen die Erfahrung des Inneren der Werke abgeschnitten. Das klingt überzeugend genug, und die Beobachtung solcher, die ohne Musik als Hintergrund sich nicht wohl fühlen, schlecht arbeiten können, aber durch ihre Verbannung in den Hintergrund sie zugleich neutralisieren, scheint das Verdikt zu bestätigen. Mißtrauisch jedoch macht mittlerweile die Mechanisierung des Arguments gegen die Mechanisierung. Die Gleichsetzung von Musikalität als aktivem Vollzug mit praktischem Selbermusizieren ist zu simpel. Wer den Verfall des häuslichen Musizierens beklagt, hat recht und unrecht. Sicherlich war es der Humus von Musikalität großen Stils, wenn man, sei's auch noch so unbeholfen, Kammermusik spielte; Schönberg ist auf diese Weise, fast ohne es recht zu merken, zum Komponisten geworden. Auf der anderen Seite aber wird solches häusliche Musizieren überflüssig, wenn die Aufführungen, die man durchs Radio hören kann, das dem häuslichen Amateur Erreichbare übertreffen, und das zehrt an seiner objektiven Substanz. Die Fürsprecher einer Wiederbelebung der Hausmusik vergessen, daß diese, sobald einmal durch Schallplatte und Rundfunk authentische Interpretationen verfügbar sind, die freilich nach wie vor in beiden Medien zu den seltenen Ausnahmen zählen, nichtig wird, private Wiederholung von Akten, die dank der gesellschaftlichen Arbeitsteilung anders besser und sinnvoller vollzogen werden können. Sie legitimieren sich nicht mehr daran, daß sie eine sonst unerreichbare Sache sich zueigneten, sondern werden herabgewürdigt zum unzulänglichen Tun nur um des Tuns und des Tuenden willen. Zumindest bedenkenswert wäre, ob der Begriff des Tuns nicht allzu wörtlich vom sogenannten praktischen Leben, oder gar von romantisch-handwerklichen Idolen konkreter, materialnaher Arbeit erborgt ist. So wahr die philosophische Einsicht bleibt, daß es zu nichts in der Welt eine wahre Beziehung gibt als zu dem, was man aktiv erfahren hat, und daß die stillgestellte und vermeintlich reine Kontemplation versäumt, was sie als ihr Objekt gesichert wähnt, so wenig ist doch solche aktive Erfahrung mit physischem Hervorbringen zu verwechseln. Der Prozeß der Verinnerlichung, dem große Musik als ein von der äußeren Objektwelt sich Befreiendes überhaupt ihren Ursprung verdankt, läßt auch im Begriff musikalischer Praxis sich nicht widerrufen, wenn diese nicht selbst auf primitive und überholte Stadien regredieren soll. Aktive Erfahrung von Musik besteht nicht im Klimpern oder Fiedeln sondern in sachgerechter Imagination, einem Hören, das die Werke, denen es passiv sich hingibt, durch solche Hingabe wiederum erst entstehen läßt. Entbindet die Musik der Massenmedien von der physischen Mühsal, so könnte die Energie, die dadurch frei wird, geistiger, sublimierter Tätigkeit zugute kommen. Unentschieden bleiben mag die pädagogische Frage, ob nicht solche Sublimierung eines Maßes an vorhergehender physischer Übung im Musizieren bedarf, von der sie dann sich scheidet; keinesfalls jedoch dürfte blinde Praxis zum Selbstzweck werden. In den Standard-Jeremiaden der Innerlichen über die Massenmedien vegetiert auch immer etwas fort von jenem fatalen Arbeitsethos, das nichts so sehr fürchtet wie eine Einrichtung der Welt, in der harte und entfremdete Arbeit überflüssig wäre, und das diese auch durch pädagogische Steuerung der Kultur zu verewigen trachtet. Künstlerische Tätigkeit, die auf auswendiger Arbeit, mit moralischen Rationalisierungen, besteht, widerstreitet der Idee der Kunst selbst, deren Distanzierung von der gesellschaftlichen Praxis der Selbsterhaltung in sich die Anweisung auf einen von Arbeit befreiten Zustand einschließt. Vollbeschäftigung ist keine Norm der Kunst, was immer auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen Halb- oder Ganzwahres, stets jedoch Anmaßendes darüber gesagt werden mag, daß die Menschen mit dem angeblichen Überfluß an freier Zeit nichts anzufangen wüßten. Wollte die Radiomusik daraus ebenso die Konsequenzen ziehen wie aus der Kritik an dem tatsächlichen Erfahrungsverlust durch die Verwandlung von Kunstwerken in Konsumgüter, so hätte sie planvoll zu aktiver Imagination zu erziehen und das Ihre dazu beizutragen, die Hörermassen adäquat, nämlich strukturell hören zu lehren, etwa so, wie es dem Typus des »guten Zuhörers« entspricht. Dem wäre auch die Wendung zu geben, die sozialpädagogische Leistung der musikalischen Massenmedien sollte darin bestehen, daß sie ihre Hörer wahrhaft »lesen« lehren, nämlich dazu befähigen, musikalische Texte stumm, in bloßer Imagination sich zuzueignen, eine Aufgabe, die nicht entfernt so schwierig ist, wie die Ehrfurcht vor dem professional als Medizinmann sich einbildet. Damit könnten die Massenmedien wirklich jenem Analphabetismus entgegenwirken, dem als einem erworbenen, zweiten, der objektive Geist der Epoche insgesamt zustrebt.

Das andere musikalische Massenmedium, die Schallplatte, ist durch einige ihrer Eigenschaften näher am Hörer. Sie ist nicht an vorgegebene Programme gebunden sondern disponibel; die Kataloge lassen größere Freiheit der Wahl; außerdem gestattet die Platte häufige Wiederholung und dadurch gründlicheres Kennenlernen des Aufgeführten als die meist einmalige Rundfunksendung. Die Form der Schallplatte erlaubt in der Musik erstmals etwas dem Sammeln in der bildenden Kunst, zumal der Graphik Analoges; man weiß, wieviel das Sammeln, die Vermittlung des ästhetischen Objekts durch buchstäblichen Besitz, zur Einverleibung, zum Sachverständnis beitrug. Das wäre auch von den technisch mittlerweile ungemein perfektionierten Platten zu erwarten, zumal seitdem die Langspielaufnahme die Zeitgrenze durchbrach, welche die älteren Platten auf kürzere Piècen, oft auf Genremusik verwies, die großen symphonischen Formen ausschloß und die Platten musikalisch handlichen Nippes anähnelte. Daß, prinzipiell, heute die gesamte musikalische Literatur durchs Medium der Schallplatte den Hörwilligen zur Verfügung stehen könnte, dürfte, als Potential einer Abschaffung des musikalischen Bildungsprivilegs, sozial die Nachteile überwiegen, die unter den gegenwärtigen Verhältnissen das Anhorten von Platten als hobby von Konsumhörern mit sich führt; die Frage, was der Musik überhaupt, ihrem eigenen Gehalt nach, durch Massenreproduktion widerfährt, mag außer Betracht bleiben2. Ihren gesellschaftlichen Zoll jedoch haben die Schallplatten zu entrichten durch die Auswahl des Aufgenommenen und auch durch die Qualität der Wiedergabe. Die Programmpolitik muß, weit mehr als die des Radios, auf den Absatz bedacht sein. Das Selektionsprinzip ist, in weitem Maß, das von Prominenz, arrivierten großen Namen von Werken und Interpreten; die Schallplattenproduktion spiegelt das offizielle Musikleben in seiner konventionellsten Gestalt. Dadurch reproduziert die Schallplatte, die das musikalische Bewußtsein produktiv verändern könnte, die gängigen Urteile mit all ihrem Fragwürdigen. Man brauchte einen Katalog dessen, was fehlt; so ist in Deutschland bis heute das œuvre Schönbergs nur zu seinem kleineren Teil zugänglich. Überdies behindern internationale Schranken den Erwerb von Platten. Viele wichtige Aufnahmen aus der Moderne existieren nur in Amerika, und es kann endlose Zeit vergehen, bis man sie in Deutschland überhaupt erhält. Dafür ist in Amerika der Schallplattenverkauf rücksichtslos an der gängigen Nachfrage nach popular music orientiert. Außerhalb von New York konnte es einem bis vor kurzem begegnen, daß ein Schallplattenladen sich weigerte, eine ernste moderne Platte zu bestellen, weil die Anschaffung eines Einzelexemplars sich nicht lohne; solche Sitten breiten über die ganze Erde sich aus. An wenig Phänomenen läßt so drastisch sich erkennen, wie die Verhältnisse gesellschaftlicher Produktion musikalische Kultur sabotieren, wie an derart kruden Fakten; ein Maßstab für die heraufziehende Barbarei ist, abermals nicht nur in der Musik, was, trotz aller Rede vom Massenkonsum, an relevanten geistigen Gebilden heute nicht sich erreichen läßt. Die Auswahl der aufzunehmenden Aufführungen moderner Werke aber entspricht, teilweise wohl der Billigkeit zuliebe, keineswegs dem zu Verlangenden; so waren die ersten Platten der Opern Bergs Karikaturen und müssen das gesellschaftliche Vorurteil gegen die Moderne verstärken. Auch bei Älterem sind solche Mängel zu konstatieren. Der größte Teil der greifbaren Mahler-Platten ist der Aufführung, vielfach auch der rein technischen Qualität nach ganz unzulänglich; von der Dritten Symphonie gibt es überhaupt keine nur einigermaßen befriedigende Platte. Immerhin dürften manche dieser Mängel wie Kinderkrankheiten sich ausgleichen, sobald die große neue Musik einigermaßen ähnlich etabliert ist wie die ihr verwandte Malerei. Dann wird wahrscheinlich der Sammlerehrgeiz, die besten Platten zu besitzen, die Produktion anspornen. Einstweilen sperrt das Motto »Das Beste vom Besten« das Gute aus. Selbstverständlich wird dem Gängigen unter dem Titel kultureller Verpflichtung allerhand anderes hinzugefügt, darunter viel Überflüssiges, Aufgewärmtes. Was der Kommerzialismus sich abringt, bleibt verunstaltet durchs kommerzielle Interesse, das seinen Sinn für Höheres beweisen will und eben damit dem verdinglichten Bewußtsein pariert.

Die feindselige Beziehungslosigkeit der Sparten des Musiklebens untereinander ist Index des gesellschaftlichen Antagonismus. Eingeprägt hat sich mir eine Beobachtung beim akademischen Unterricht. Ästhetische Vorlesungen wurden testiert von Gasthörern oder mit Studienbüchern, in denen Musikalisches belegt war. Fragte ich sie: »Sind Sie Musiker?«, so erhielt ich in leise protestierendem Ton, als wolle man mit der Musik sich nicht gemein machen, aber auch unangenehme Anforderungen des Metiers vermeiden, die Antwort: »Nein, Schulmusiker.« Der musikpädagogische Bereich usurpiert eigene Gesetze, die mit Musik selber nichts zu tun haben wollen. Sie ist darin Mittel, nämlich pädagogisches, nicht Zweck. Virtuell wird der Übergang von einer Sphäre zur anderen abgeschnitten und die Einheit der Musik mit der Arroganz des Subalternen negiert. Das setzt sich fort bis in die Schulen der Moderne untereinander. Die Richtungskämpfe von einst sind zur unfruchtbaren Divergenz ausgeartet. Kurt Weill sagte mir einmal, er erkenne nur zwei Möglichkeiten des Komponierens heute an, die von Zwölftonmusik und seine eigene. Er zweifelte nicht daran, daß beides nebeneinander existieren könne; bedachte nicht, daß, was er reichlich summarisch die Zwölftonmusik nannte, auf Kritik der wie immer auch zugerichteten Tonalität beruht. Werden festgenagelte Stile zur Auswahl gestellt, so ist das Musikleben bereits desintegriert. Das Wort »Zwölftonmusik« ist Produkt verdinglichter Nomenklatur, kein Zeichen der Sache. So wie in der zeitgenössischen Produktion des höchsten Formniveaus, auch der Wiener Schule, nur ein Teil, und am Ende nicht einmal der gewichtigste, des Verfahrens der Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen – so hieß es bei Schönberg – sich bedient, so ist, was unter jenem Slogan zusammengebracht wird, keine Sondergattung von Musik, sondern ein technisches Verfahren, das gleichsam rationalisiert, was in der Dynamik der musikalischen Sprache sich ausformte; dem Laien wird es schwerfallen, beim lebendigen Hören frei atonale und zwölftönige Kompositionen etwa des mittleren Webern auch nur zu unterscheiden. Trotzdem hat der Terminus Zwölftonmusik undifferenziert für alles Nichttonale sich eingebürgert, Formel für die Rezeption des Nichtrezipierten. Analog hat sich der Ausdruck »Elektronik«, der das Ungleichnamigste von der strengen aus elektronischen Klangbedingungen entwickelten Konstruktion bis zur bloß koloristischen Einbeziehung elektronisch erzeugter Klänge subsumiert, für das meiste eingespielt, was den Hörern astronautisch klingt. In solchen scheinbar gleichgültigen Nomenklaturfragen schlägt die Neigung sich nieder, durch automatisch einschnappende Oberbegriffe die Sache der lebendigen Erfahrung zu entziehen und, positiv oder negativ, zu erledigen. Man disponiert übers Vorhandene, anstatt dem Spezifischen zu folgen. Wer »die Zwölftonmusik«, »die Elektronik« sagt, ist potentiell schon derselben Geistesart wie der, welcher von »dem Russen« oder »dem Amerikaner« spricht. Derlei Clichés subsumieren Unvereinbares und fälschen es, indem sie der Kommunikation zuliebe seiner sich bemächtigen.

Unversöhnlich sind die Phänomene tatsächlich. Die Pluralität der heute vorhandenen Musiksprachen und der Typen des Musiklebens selbst, zumal der verhärteten Bildungsniveaus, verkörpert verschiedene geschichtliche Stufen, deren eine die andere ausschließt, während die antagonistische Gesellschaft sie zur Gleichzeitigkeit zwingt. Nur in gesellschaftlich partikularen Bereichen können die musikalischen Produktivkräfte sich ungehemmt entwickeln; in anderen werden sie, auch psychologisch, zurückgestaut. In der Mannigfaltigkeit ist kein qualitativer Reichtum von Möglichkeiten verwirklicht, sondern das meiste ist vorhanden nur, weil es nicht mitkam. Anstelle der sachlichen Verbindlichkeit der musikalischen Ideale, Schulen, kompositorischen Gestalten und Typen des Musiklebens entscheidet der je gegebene, anarchisch erreichte und bloß durch seine Schwerkraft erhaltene Zustand des allenthalben Unvereinbaren, ohne daß die Rechtsfrage dem Divergierenden gegenüber auch nur aufkäme. Vom Leben ist Musikleben bloß der Schein. Musik wurde durch ihre soziale Integration ausgehöhlt. Den Ernst, den die Unterhaltungsmusik verschmäht, hat die Integration insgesamt beseitigt. Die extremen Gestalten, an denen der Normalkonsument des Musiklebens sich stößt, sind, sozial, verzweifelte Versuche, jenen Ernst festzuhalten oder wiederherzustellen; insofern ist ihr Radikalismus konservativ. Musikleben jedoch, der Inbegriff einer nach der Einschätzung von Kunden gestuften kulturellen Warenproduktion, dementiert, was eigentlich jeder Ton sagt, der erklingt und über jenes Getriebe hinaus will, dem das Musikleben ihn eingliedert.

 
Gesammelte Werke
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