Engagement

 

Seit Sartres Essay ›Qu'est-ce que la littérature?‹ wird theoretisch weniger über engagierte und autonome Literatur gestritten. Aber die Kontroverse bleibt so dringlich, wie heute nur etwas sein kann, das den Geist betrifft und nicht das Überleben der Menschen unmittelbar. Sartre wurde zu seinem Manifest bewogen, weil er, gewiß nicht als erster, die Kunstwerke in einem Pantheon unverbindlicher Bildung nebeneinander aufgebahrt, zu Kulturgütern verwest sah. Durch ihre Koexistenz freveln sie aneinander. Will ein jegliches, ohne daß der Autor es wollen müßte, das Äußerste, so duldet eigentlich keines das nächste neben sich. Solche heilsame Intoleranz gilt aber nicht nur für die einzelnen Gebilde sondern auch für Typen wie jene bei den Verhaltensweisen der Kunst, auf welche die halbvergessene Kontroverse sich bezog. Es sind zwei »Stellungen zur Objektivität«; sie befehden sich, auch wenn das Geistesleben sie in falschem Frieden ausstellt. Das engagierte Kunstwerk entzaubert jenes, das nichts will denn da sein, als Fetisch, als müßige Spielerei solcher, welche die drohende Sintflut gern verschliefen; gar als höchst politisches Apolitisches. Es lenke ab vom Kampf der realen Interessen. Keinen mehr schone der Konflikt der beiden großen Blöcke. Von ihm hänge die Möglichkeit von Geist selber so sehr ab, daß nur Verblendung auf ein Recht poche, das morgen zerschlagen werden kann. Den autonomen Werken aber sind solche Erwägungen, und die Konzeption von Kunst, die sie trägt, selber schon die Katastrophe, vor der die engagierten den Geist warnen. Verzichte er auf Pflicht und Freiheit seiner reinen Objektivation, so habe er abgedankt. Was dann noch an Werken sich formiert, mache geschäftig jenem bloßen Dasein sich gleich, gegen das es eifert, so ephemer, wie umgekehrt den Engagierten das autonome Werk dünkt, das schon am ersten Tag in die Seminare gehöre, in denen es unvermeidlich ende. Die drohende Spitze der Antithese mahnt daran, wie fragwürdig es um Kunst heute bestellt ist. Jede der beiden Alternativen negiert mit der anderen auch sich selbst: engagierte Kunst, weil sie, als Kunst notwendig von der Realität abgesetzt, die Differenz von dieser durchstreicht; die des l'art pour l'art, weil sie durch ihre Verabsolutierung auch jene unauslöschliche Beziehung auf die Realität leugnet, die in der Verselbständigung von Kunst gegen das Reale als ihr polemisches Apriori enthalten ist. Zwischen den beiden Polen zergeht die Spannung, an der Kunst bis zum jüngsten Zeitalter ihr Leben hatte.

Zweifel an der Allmacht der Alternative indessen weckt die zeitgenössische Literatur selbst. Noch ist diese nicht so gänzlich vom Weltlauf unterjocht, als daß sie zur Frontenbildung sich schickte. Die Sartreschen Böcke, die Valéryschen Schafe lassen nicht sich scheiden. Engagement als solches, sei's auch politisch gemeint, bleibt politisch vieldeutig, solange es nicht auf eine Propaganda sich reduziert, deren willfährige Gestalt alles Engagement des Subjekts verhöhnt. Das Gegenteil aber, das im sowjetischen Lasterkatalog Formalismus lautet, wird nicht nur von den dortigen Amtswaltern und auch nicht nur vom libertären Existentialismus befochten: Mangel an Ärgernis, an gesellschaftlicher Aggressivität wird selbst von Avancierten den sogenannten abstrakten Texten leicht vorgeworfen. Umgekehrt hat Sartre für das Guernica-Bild das höchste Lob; in Musik und Malerei könnte er unschwer formalistischer Sympathien bezichtigt werden. Seinen Begriff des Engagements reserviert er der Literatur, ihres begrifflichen Wesens wegen: »Der Schriftsteller ... hat es mit Bedeutungen zu tun.«1 Sicherlich, aber nicht nur. Entledigt kein Wort, das in eine Dichtung eingeht, sich ganz der Bedeutungen, die es in der kommunikativen Rede besitzt, so bleibt doch in keiner, selbst im traditionellen Roman nicht, diese Bedeutung unverwandelt die gleiche, welche das Wort draußen hatte. Bereits das simple »war« in einem Bericht von etwas, das nicht war, gewinnt eine neue Gestaltqualität dadurch, daß es nicht war. Das setzt sich fort in den höheren Bedeutungsschichten einer Dichtung, bis hin zu dem, was einmal als ihre Idee galt. Die Sonderstellung, die Sartre der Literatur einräumt, muß auch der anzweifeln, welcher die Gattungen der Kunst nicht umstandslos unter deren allgemeinen Oberbegriff subsumiert. Die Rudimente der Bedeutungen von draußen in den Dichtungen sind das unabdingbar Nichtkünstlerische an der Kunst. Nicht aus ihnen ist ihr Formgesetz herauszulesen sondern aus der Dialektik beider Momente. Es waltet in dem, worein die Bedeutungen sich verwandeln. Die Unterscheidung von Dichter und Literat ist schal, aber der Gegenstand einer Philosophie der Kunst, wie auch Sartre sie visiert, ist nicht deren publizistischer Aspekt. Weniger noch das, wofür man im Deutschen den Terminus Aussage herbetet. Unleidlich vibriert er zwischen dem, was ein Künstler von seinem Produkt will, und dem Gebot eines objektiv sich aussagenden, metaphysischen Sinns. Im allgemeinen ist das hierzulande das ungemein praktikable Sein. Die soziale Funktion der Rede vom Engagement hat sich einigermaßen verwirrt. Wer kulturkonservativen Geistes vom Kunstwerk verlangt, daß es etwas sage, alliiert sich wider das zweckferne, hermetische Kunstwerk mit der politischen Gegenposition. Lobredner von Bindungen werden eher Sartres ›Huis clos‹ tief finden, als mit Geduld einen Text sich anhören, in dem die Sprache an der Bedeutung rüttelt und durch ihre Sinnferne vorweg gegen die positive Unterstellung von Sinn rebelliert, während für den Atheisten Sartre der begriffliche Sinn von Dichtung die Voraussetzung von Engagement bleibt. Werke, gegen die im Osten der Büttel einschreitet, werden zuweilen von den Hütern der echten Aussage demagogisch angeprangert, weil sie angeblich aussagen, was sie gar nicht aussagen. Der Haß gegen den von den Nationalsozialisten schon während der Weimarer Republik so genannten Kulturbolschewismus hat die Zeit des Hitler überlebt, in der er institutionalisiert wurde. Er entflammt heute noch wie vor vierzig Jahren an Gebilden des gleichen Wesens, darunter auch solchen, die mittlerweile ihrer Entstehung nach weit zurückliegen und deren Zusammenhang mit traditionalen Momenten unverkennbar ist. In rechtsradikalen Zeitungen und Zeitschriften wird wie eh und je Entrüstung angedreht über das, was unnatürlich, überintellektuell, ungesund, dekadent sei; sie wissen, für wen sie schreiben. Das deckt sich mit den Einsichten der Sozialpsychologie in den autoritätsgebundenen Charakter. Zu dessen Existentialien rechnet Konventionalismus, Respekt für die versteinerte Fassade von Meinung und Gesellschaft, Abwehr von Regungen, die daran irremachen oder im Unbewußten des Autoritätsgebundenen etwas ihm Eigenes treffen, das er um keinen Preis sich zugesteht. Mit dieser allem Fremden und Befremdenden feindlichen Haltung ist literarischer Realismus jeglicher Provenienz, nennte er sich auch kritisch oder sozialistisch, viel vereinbarer als Gebilde, die, ohne auf politische Parolen sich vereidigen zu lassen, durch ihren bloßen Ansatz das starre Koordinatensystem der Autoritätsgebundenen außer Aktion setzen, an das jene um so verbissener sich klammern, je weniger sie zu lebendiger Erfahrung eines nicht schon Approbierten fähig sind. Das Begehren, Brecht vom Spielplan abzusetzen, rechnet einer verhältnismäßig äußerlichen Schicht des politischen Bewußtseins zu; war wohl auch gar nicht sehr heftig, sonst hätte es nach dem 13. August weit krasser sich manifestiert. Wo dagegen der Gesellschaftsvertrag mit der Realität gekündigt wird, indem literarische Gebilde nicht länger reden, als meldeten sie von einem Wirklichen, sträuben sich die Haare. Es ist keine von den geringsten Schwächen der Debatte übers Engagement, daß sie nicht auch über die Wirkung reflektiert, welche von solchen Werken ausgeübt wird, deren eigenes Formgesetz auf Wirkungszusammenhänge keine Rücksicht nimmt. Solange man nicht versteht, was im Schock des Unverständlichen sich mitteilt, ähnelt der ganze Streit einem Schattenkampf. Konfusionen in der Beurteilung der Sache ändern zwar nichts an dieser, nötigen aber dazu, die Alternative zu durchdenken.

Theoretisch wären Engagement und Tendenz zu unterscheiden. Engagierte Kunst im prägnanten Sinn will nicht Maßnahmen, gesetzgeberische Akte, praktische Veranstaltungen herbeiführen wie ältere Tendenzstücke gegen die Syphilis, das Duell, den Abtreibungsparagraphen oder die Zwangserziehungsheime, sondern auf eine Haltung hinarbeiten: Sartre etwa auf die der Entscheidung als der Möglichkeit, überhaupt zu existieren, gegenüber zuschauerhafter Neutralität. Was aber das Engagement künstlerisch vorm tendenziösen Spruchband voraus hat, macht den Inhalt mehrdeutig, für den der Dichter sich engagiert. Die ursprünglich Kierkegaardsche Kategorie der Entscheidung übernimmt bei Sartre die Erbschaft des christlichen Wer nicht für mich ist, der ist wider mich, aber ohne den konkreten theologischen Inhalt. Übrig davon ist nur die abstrakte Autorität anbefohlener Wahl, gleichgültig dagegen, daß deren eigene Möglichkeit abhängt von dem zu Wählenden. Die vorgezeichnete Form der Alternative, in der Sartre die Unverlierbarkeit von Freiheit beweisen will, hebt diese auf. Innerhalb des real Prädeterminierten mißrät sie zur leeren Behauptung: Herbert Marcuse hat den Nonsens des Philosophems beim Namen genannt, daß man noch die Marter innerlich annehmen oder ablehnen könne. Eben das aber soll aus Sartres dramatischen Situationen herausspringen. Sie taugen darum so schlecht als Modelle seines eigenen Existentialismus, weil sie in sich, der Wahrheit zu Ehren, die ganze verwaltete Welt enthalten, die jener ignoriert; lernen läßt sich an ihnen die Unfreiheit. Sein Ideentheater sabotiert, wofür er die Kategorien erdachte. Das aber ist keine individuelle Unzulänglichkeit seiner Stücke. Kunst heißt nicht: Alternativen pointieren, sondern, durch nichts anderes als ihre Gestalt, dem Weltlauf widerstehen, der den Menschen immerzu die Pistole auf die Brust setzt. Sobald jedoch die engagierten Kunstwerke Entscheidungen veranstalten und zu ihrem Maß erheben, geraten diese auswechselbar. Sartre hat, als Konsequenz jener Vieldeutigkeit, mit großer Offenheit ausgesprochen, daß er keine reale Veränderung der Welt durch die Literatur erwarte; seine Skepsis bezeugt geschichtliche Veränderungen der Gesellschaft wie der praktischen Funktion von Literatur seit Voltaire. Das Engagement rutscht in die Gesinnung des Schriftstellers, dem extremen Subjektivismus von Sartres Philosophie gemäß, in der trotz aller materialistischen Untertöne die deutsche Spekulation nachhallt. Ihm wird das Kunstwerk zum Aufruf von Subjekten, weil es nichts ist als Kundgabe des Subjekts, seiner Entscheidung oder Nichtentscheidung. Er will nicht Wort haben, daß jedes Kunstwerk durch seinen puren Ansatz den Schreibenden, sei er noch so frei, auch mit objektiven Anforderungen konfrontiert, wie es zu fügen sei. Ihnen gegenüber sinkt seine Intention zum bloßen Moment herab. Sartres Frage »Warum schreiben?«, und ihre Zurückführung auf eine »tiefere Wahl«, ist darum untriftig, weil fürs Geschriebene, das literarische Produkt, die Motivationen des Autors irrelevant sind. Dem ist Sartre nicht so fern, soweit er erwägt, daß der Rang der Werke, wie schon Hegel wußte, steigt, je weniger sie in der empirischen Person verhaftet bleiben, die sie hervorbringt. Nennt er, in der Sprache Durkheims, das literarische Werk ein fait social, so zitiert er damit ungewollt den Gedanken an dessen von der bloßen subjektiven Intention des Verfassers undurchdringliche, zuinnerst kollektive Objektivität. Darum möchte er das Engagement nicht an jene Intention des Schriftstellers binden sondern an sein Menschsein2. Diese Bestimmung aber ist so generell, daß das Engagement jegliche Differenz von irgendwelchen menschlichen Werken und Verhaltensweisen einbüßt. Es handelt sich darum, daß der Schriftsteller sich in der Gegenwart, dans le présent, engagiere; dem aber kann er ohnehin nicht entrinnen, und darum ist kein Programm herauszulesen. Die Verpflichtung, die der Schriftsteller eingeht, ist weit präziser: keine des Entschlusses sondern eine der Sache. Während Sartre von Dialektik redet, registriert sein Subjektivismus so wenig das bestimmte Andere, zu dem das Subjekt sich entäußerte und durch das es überhaupt erst zum Subjekt wird, daß ihm jegliche literarische Objektivation als Erstarrung verdächtig ist. Weil aber die reine Unmittelbarkeit und Spontaneität, die er zu erretten hofft, an keinem ihr Entgegengesetzten sich bestimmt, verkommt sie zu einer zweiten Verdinglichung. Um Drama und Roman über die bloße Kundgabe – ihr Urbild wäre bei ihm der Schrei des Gefolterten – hinauszubringen, muß er Sukkurs suchen bei einer planen, der Dialektik von Gebilde und Ausdruck entzogenen Objektivität, der Mitteilung seiner eigenen Philosophie. Sie wirft sich zum Gehalt der Dichtung auf wie nur bei Schiller; nach dem Maß des Gedichteten aber ist das Mitgeteilte, und wäre es noch so sublim, kaum mehr als ein Stoff. Sartres Stücke sind Vehikel dessen, was der Autor sagen will, zurückgeblieben hinter der Evolution der ästhetischen Formen. Sie operieren mit traditioneller Intrige und überhöhen diese mit ungebrochenem Gottvertrauen in Bedeutungen, die von der Kunst auf die Realität zu übertragen wären. Die bebilderten oder womöglich ausgesprochenen Thesen jedoch mißbrauchen die Regung, deren Ausdruck Sartres eigene Dramatik motiviert, als Beispiel, und desavouieren damit sich selbst. Fällt am Schluß eines seiner berühmtesten Stücke der Satz: »die Hölle, das sind die anderen«3, so klingt das wie ein Zitat aus ›L'être et le néant‹; übrigens könnte es ebensogut: »Die Hölle, das sind wir selbst« heißen. Die Komplexion von handfestem plot und ebenso handfester, destillierbarer Idee trug Sartre den großen Erfolg zu und machte ihn, ganz gewiß gegen seinen integren Willen, der Kulturindustrie akzeptabel. Die hohe Abstraktionsebene des Thesenstücks verleitete ihn dazu, einige seiner besten Arbeiten, den Film ›Les jeux sont fait‹ oder das Drama ›Les mains sales‹, in der politischen Prominenz spielen zu lassen und nicht nur unter den Opfern im Dunkeln: ganz ähnlich jedoch verwechselt die gängige, Sartre verhaßte Ideologie Taten und Leiden der Führer-Schnittmuster mit dem objektiven Zug der Geschichte. Mitgewoben wird an dem Schleier der Personalisierung, daß verfügende Menschen entscheiden, nicht die anonyme Maschinerie, und daß auf den sozialen Kommandohöhen noch Leben sei; Becketts Krepierende erteilen darauf den Bescheid. Sartres Ansatz verhindert ihn daran, die Hölle zu erkennen, gegen die er revoltiert. Manche seiner Parolen könnten von seinen Todfeinden nachgeplappert werden. Daß es um Entscheidung an sich gehe, würde sogar das nationalsozialistische »Nur das Opfer macht uns frei« decken; im faschistischen Italien hat Gentiles absoluter Dynamismus auch philosophisch Verwandtes verkündet. Die Schwäche in der Konzeption des Engagements befällt, wofür Sartre sich engagiert.

Auch Brecht, der in manchen Stücken, wie der Dramatisierung von Gorkis ›Mutter‹ oder der ›Maßnahme‹, unmittelbar die Partei verherrlicht, wollte zuzeiten, mindestens den theoretischen Schriften nach, vorab zu einer Haltung erziehen, der distanzierten, denkenden, experimentierenden, dem Widerpart der illusionären von Einfühlung und Identifikation. Im Hang zur Abstraktheit übertrumpft seine Dramatik seit der ›Johanna‹ Sartre beträchtlich. Nur hat er sie, konsequenter als dieser und der größere Künstler, selber zum Formgesetz erhoben, zu dem einer didaktischen Poesie, die den traditionellen Begriff der dramatischen Person ausschaltet. Er sah ein, daß die Oberfläche gesellschaftlichen Lebens, die Konsumsphäre, zu der auch die psychologisch motivierten Aktionen der Individuen hinzurechnen, das Wesen der Gesellschaft verhüllt. Als Tauschgesetz ist es selber abstrakt. Brecht mißtraut der ästhetischen Individuation als einer Ideologie. Darum will er das gesellschaftliche Unwesen zur theatralischen Erscheinung verhalten, indem er es kahl nach außen zerrt. Die Menschen auf der Bühne schrumpfen sichtbar zusammen zu jenen Agenten sozialer Prozesse und Funktionen, die sie mittelbar, ohne es zu ahnen, in der Empirie sind. Brecht postuliert nicht länger, wie Sartre, Identität zwischen den lebendigen Individuen und dem gesellschaftlichen Wesen, oder gar die absolute Souveränität des Subjekts. Aber der ästhetische Reduktionsprozeß, den er der politischen Wahrheit zuliebe anstellt, fährt dieser in die Parade. Sie bedarf ungezählter Vermittlungen, die er verschmäht. Was artistisch als verfremdender Infantilismus sich legitimiert – die ersten Stücke Brechts hielten Kompanie mit Dada –, wird zur Infantilität, sobald es theoretischgesellschaftliche Gültigkeit beansprucht. Brecht wollte im Bild das Ansichsein des Kapitalismus treffen; seine Absicht war insofern tatsächlich, als was er gegen den Stalinistischen Terror sie tarnte, realistisch. Abgelehnt hätte er, jenes Wesen, gleichsam bilderlos und blind, bedeutungsfern durch seine Manifestation im beschädigten Leben zu zitieren. Das bürdete ihm aber die Verpflichtung zur theoretischen Richtigkeit des eindeutig Intendierten auf, wofern seine Kunst das quid pro quo verschmäht, sie, die sich als Lehre vorträgt, sei gleichzeitig um ihrer ästhetischen Gestalt willen von der Verbindlichkeit dessen dispensiert, was sie lehrt. Kritik an ihm kann nicht verschweigen, daß er – aus objektiven Gründen jenseits der Zulänglichkeit des von ihm Gestalteten – die Norm nicht erfüllte, die er, als wäre sie ein Rettendes, über sich aufgerichtet hatte. ›Die heilige Johanna der Schlachthöfe‹ war die zentrale Konzeption seines dialektischen Theaters; noch ›Der gute Mensch von Sezuan‹ variierte sie durch die Umkehrung, daß, wie Johanna durch die Unmittelbarkeit der Güte dem Bösen hilft, so, wer das Gute will, sich böse machen muß. Das Stück spielt in einem Chicago, das die Mitte hält zwischen dem Wild-West-Märchen des Kapitalismus aus Mahagonny und ökonomischer Information. Je näher Brecht indessen mit dieser sich einläßt, je weniger er auf eine imagerie es abgesehen hat, desto weiter verfehlt er das kapitalistische Wesen, dem die Parabel gilt. Vorgänge in der Sphäre der Zirkulation, in der Konkurrenten sich gegenseitig die Hälse abschneiden, treten anstelle der Appropriation des Mehrwerts in der Produktionssphäre, der gegenüber die Raufereien der Großviehhändler um ihren Anteil an der Beute Epiphänomene sind, die unmöglich von sich aus die große Krise verursachen könnten; und die ökonomischen Vorgänge, welche als Machinationen raffgieriger Händler erscheinen, sind nicht nur, wie Brecht es wohl möchte, kindisch, sondern auch nach jeglicher sei's noch so primitiven wirtschaftlichen Logik unverständlich. Dem entspricht auf der Gegenseite eine politische Naivetät, welche den von Brecht Bekämpften nur zu dem Grinsen verhülfe, von so törichten Feinden hätten sie nichts zu fürchten; sie könnten mit Brecht ebenso zufrieden sein, wie sie es in seinem Stück mit der sterbenden Johanna in der höchst eindrucksvollen Schlußszene sind. Daß eine Streikleitung, hinter der die Partei steht, eine nicht zur Organisation Gehörige mit einer entscheidenden Aufgabe betraut, ist, auch bei größter Weitherzigkeit in der Interpretation des poetisch Glaubwürdigen, ebenso undenkbar wie, daß durch das Versagen jener Einzelnen der gesamte Streik scheitert. – Die Komödie vom aufhaltsamen Aufstieg des großen Diktators Arturo Ui rückt das subjektiv Nichtige und Scheinhafte des faschistischen Führers grell und richtig ins Licht. Die Demontage der Führer jedoch, wie durchweg bei Brecht die des Individuums, wird verlängert in die Konstruktion der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge hinein, in denen der Diktator agiert. Anstelle der Konspiration hochmögender Verfügender tritt eine läppische Gangsterorganisation, der Karfioltrust. Das wahre Grauen des Faschismus wird eskamotiert; er ist nicht länger ausgebrütet von der Konzentration gesellschaftlicher Macht, sondern zufällig wie Unglücksfälle und Verbrechen. So verordnet es der agitatorische Zweck; der Gegner muß verkleinert werden, und das fördert die falsche Politik, wie in der Literatur so auch in der Praxis vor 1933. Die Lächerlichkeit, der Ui überantwortet wird, bricht wider alle Dialektik dem Faschismus die Zähne aus, den Dezennien vorher Jack London exakt vorausgesagt hatte. Der antiideologische Dichter bereitet die Degradation der eigenen Lehre zur Ideologie vor. Die stillschweigend akzeptierte Beteuerung, daß auf ihrer einen Seite die Welt nicht länger antagonistisch sei, wird ergänzt vom Spaß über alles, was die Theodizee des gegenwärtigen Zustands Lügen straft. Nicht daß, aus Respekt vor welthistorischer Größe, das Lachen über den Anstreicher verboten wäre, obwohl das Wort Anstreicher gegen Hitler aufs bürgerliche Klassenbewußtsein peinlich spekuliert. Und das Gremium, welches die Machtübernahme inszenierte, war gewiß eine Bande. Aber solche Wahlverwandtschaft ist nicht exterritorial, sondern wurzelt in der Sozietät selbst. Daher ist der Spaß des Faschismus, den auch Chaplins Film registrierte, unmittelbar zugleich das äußerste Entsetzen. Wird das unterschlagen, wird über die armseligen Ausbeuter von Gemüsehändlern gespottet, wo es um wirtschaftliche Schlüsselpositionen geht, so verpufft der Angriff. Auch der ›Große Diktator‹ verliert die satirische Kraft und frevelt in der Szene, wo ein jüdisches Mädchen SA-Männern der Reihe nach eine Pfanne auf den Kopf haut, ohne daß es in Stücke zerrissen würde. Dem politischen Engagement zuliebe wird die politische Realität zu leicht gewogen: das mindert auch die politische Wirkung. Sartres freimütiger Zweifel, ob das Guernica-Bild »einen einzigen für die spanische Sache gewonnen« habe, gilt sicherlich auch für das Brechtische Lehrstück. Das herausoperierte fabula docet – daß es in der Welt ungerecht zugeht – brauchte man kaum irgend jemand zu lehren; die dialektische Theorie, zu der Brecht summarisch sich bekannte, hat darin wenig Spuren hinterlassen. Der Habitus des Lehrstücks mahnt an die amerikanische Redewendung preaching to the saved, denen predigen, deren Seelen ohnehin gerettet sind. In Wahrheit wird der von Brecht gemeinte Primat der Lehre über die reine Form zu deren eigenem Moment. Indem sie suspendiert wird, wendet sie sich wider ihren Scheincharakter. Ihre Selbstkritik ist verwandt der Sachlichkeit im Bereich der angewandten visuellen Kunst. Die heteronom bedingte Berichtigung der Form, die Tilgung des Ornamentalen der Zweckmäßigkeit zuliebe, wächst ihrer Autonomie zu. Das ist die Substanz von Brechts Dichterschaft: das Lehrstück als artistisches Prinzip. Sein Medium, die Verfremdung unmittelbar erscheinender Vorgänge, ist denn auch eher eines der Formkonstitution, als daß es zur praktischen Wirkung beitrüge. Zwar sprach Brecht von dieser nicht so skeptisch wie Sartre. Aber der Kluge und Welterfahrene war schwerlich von ihr ganz überzeugt; souverän schrieb er einmal, wenn er sich nichts vormache, sei ihm schließlich doch das Theater wichtiger als jene Veränderung der Welt, der es bei ihm dienen soll. Durchs artistische Prinzip der Simplifikation aber wird nicht bloß, wie es ihm vorschwebte, die reale Politik von den Scheindifferenzierungen im subjektiven Reflex des gesellschaftlich Objektiven gereinigt, sondern eben jenes Objektive verfälscht, um dessen Destillation das Lehrstück sich bemüht. Nimmt man Brecht beim Wort; macht man die Politik zum Kriterium seines engagierten Theaters, so erweist es an dieser sich als unwahr. Hegels Logik hat gelehrt, daß das Wesen erscheinen muß. Dann ist aber eine Darstellung des Wesens, welche dessen Verhältnis zur Erscheinung ignoriert, auch an sich so falsch, wie die Substitution der Hintermänner des Faschismus durchs Lumpenproletariat. Brechts Technik der Reduktion hätte ihr Recht einzig im Bereich jenes l'art pour l'art, welches seine Version des Engagements verurteilt wie er den Lukullus.

Im gegenwärtigen literarischen Deutschland trennt man gern den Dichter Brecht vom Politiker. Man will die bedeutende Figur für den Westen retten, womöglich ihn aufs Postament eines gesamtdeutschen Dichters stellen und dadurch, au-dessus de la mêlée, ihn neutralisieren. Sicherlich ist soviel richtig, daß Brechts dichterische Kraft ebenso wie seine listige und unbezähmbare Intelligenz übers offizielle Credo und über die verordnete Ästhetik der Volksdemokratien hinausschossen. Gleichwohl wäre Brecht gegen solche Verteidigung zu verteidigen. Sein Werk hätte, mit seinen offen zutage liegenden Schwächen, nicht solche Gewalt, wäre es nicht mit Politik durchtränkt. Das erzeugt noch in den fragwürdigsten Produkten, wie der ›Maßnahme‹, das Bewußtsein, es gehe ums Ernsteste. Soweit hat er seinem Anspruch, durchs Theater zum Denken zu veranlassen, genügt. Vergeblich, die vorhandenen oder fiktiven Schönheiten seines Werkes von der politischen Intention abzuheben. Wohl aber müßte immanente Kritik, die allein dialektische, die Frage nach der Stichhaltigkeit der Gebilde mit der nach seiner Politik synthesieren. In Sartres Kapitel ›Warum schreiben?‹ heißt es mit großem Recht: »Niemand aber sollte auch nur einen Moment glauben, man könnte einen guten Roman zum Lobe des Antisemitismus schreiben.«4 Aber auch keinen zum Lob der Moskauer Prozesse, selbst wenn es früher gespendet ward, als Stalin Sinowjew und Bucharin ermorden ließ. Die politische Unwahrheit befleckt die ästhetische Gestalt. Wo, dem thema probandum zuliebe, die gesellschaftliche Problematik zurechtgebogen wird, die Brecht auf dem epischen Theater diskutiert, zerbröckelt das Drama in seinem eigenen Begründungszusammenhang. Die ›Mutter Courage‹ ist eine Bilderfibel, welche den Montecuculischen Satz ad absurdum führen will, daß der Krieg den Krieg ernähre. Die Marketenderin, die den Krieg benutzt, um ihre Kinder durchzubringen, soll eben dadurch deren Untergang verschulden. Aber diese Schuld folgt in dem Stück weder zwingend aus der Kriegssituation noch aus dem Verhalten der kleinen Unternehmerin; wäre sie nur nicht gerade im kritischen Augenblick abwesend, so geschähe das Unheil nicht, und daß sie abwesend sein muß, um etwas zu verdienen, bleibt gegenüber dem, was sich abspielt, ganz allgemein. Die Bilderbogentechnik, welche Brecht für die Sinnfälligkeit der These benötigt, verhindert deren Beweis. Eine politisch-soziale Analyse, wie Marx und Engels sie gegen das Sickingen-Drama von Lassalle entwarfen, ergäbe, daß durch die simplistische Gleichsetzung des Dreißigjährigen Krieges mit einem modernen durchstrichen würde, was tatsächlich über Verhalten und Schicksal der Mutter Courage in der Grimmelshausenschen Vorlage entscheidet. Weil die Gesellschaft des Dreißigjährigen Krieges nicht die funktionale des modernen ist, kann dort auch poetisch kein geschlossener Funktionszusammenhang stipuliert werden, in dem Leben und Tod der privaten Individuen ohne weiteres durchsichtig würden aufs ökonomische Gesetz. Gleichwohl bedarf Brecht der altertümlich wilden Zeiten als Gleichnis für die gegenwärtigen, denn gerade er gab sich genaue Rechenschaft darüber, daß die Gesellschaft seines eigenen Zeitalters nicht länger an Menschen und Sachen unmittelbar greifbar ist. So verleitet die Konstruktion der Gesellschaft erst zur gesellschaftlichen Fehlkonstruktion und dann zum dramatisch Unmotivierten. Politisch Schlechtes wird ein künstlerisch Schlechtes und umgekehrt. Je weniger aber die Werke etwas verkünden müssen, was sie nicht ganz sich glauben können, um so stimmiger werden sie auch selber; desto weniger brauchen sie ein Surplus dessen, was sie sagen, über das, was sie sind. Übrigens dürften die wahren Interessenten in allen Lagern auch heute noch die Kriege ganz gut überstehen.

Derlei Aporien reproduzieren sich bis in die dichterische Fiber hinein, den Brechtischen Ton. So wenig Zweifel ist an diesem und seinem Unverwechselbaren – Qualitäten, auf die der reife Brecht wenig Wert gelegt haben mag –, er wird vergiftet von der Unwahrheit seiner Politik. Weil, wofür er wirbt, nicht, wie er lange wohl glaubte, bloß ein unvollkommener Sozialismus ist, sondern eine Gewaltherrschaft, in der die blinde Irrationalität des gesellschaftlichen Kräftespiels wiederkehrt, der Brecht als Lobredner von Einverständnis an sich beisprang, muß die lyrische Stimme Kreide schlucken, damit sie dich besser fressen kann, und sie knirscht. Schon die pubertär sich überschlagende Männlichkeit des jungen Brecht verrät gekauften Mut des Intellektuellen, der aus Verzweiflung an der Gewalt kurzschlüssig zu der gewaltsamen Praxis überläuft, vor der sich zu fürchten er allen Anlaß hat. Das wilde Gebrüll der ›Maßnahme‹ überschreit das Unheil, das der Sache widerfuhr und das er krampfhaft als Heil ausgeben möchte. Noch Brechts bester Teil wird vom Trügerischen seines Engagements angesteckt. Die Sprache bezeugt, wie weit das tragende poetische Subjekt und das von ihm Verkündete auseinanderklaffen. Um über den Bruch hinwegzukommen, affektiert sie die der Unterdrückten. Aber die Doktrin, für die sie wirbt, verlangt die des Intellektuellen. Ihre Schlichtheit und Simplizität ist Fiktion. Sie verrät sich ebenso durch Male von Übertreibung wie durch stilisierenden Rückgriff auf veraltete oder provinzielle Ausdruckscharaktere. Nicht selten biedert sie sich an; Ohren, welche sich nicht die eigene Differenziertheit austreiben lassen, müssen hören, daß man ihnen etwas aufschwatzen will. Usurpation und wie Hohn auf die Opfer ist es, zu reden wie diese, als ob man selber eines wäre. Alles ist erlaubt zu spielen, nur nicht den Proletarier. Am schwersten fällt wider das Engagement ins Gewicht, daß selbst die richtige Absicht verstimmt, wenn man sie merkt, und mehr noch, wenn sie eben darum sich maskiert. Etwas davon reicht beim späteren Brecht in den sprachlichen Gestus von Weisheit, die Fiktion des von epischer Erfahrung gesättigten alten Bauern als poetischen Subjekts. Kein Mensch in keinem Staat der Welt ist solcher körnigen Erfahrung süddeutscher Muschiks mehr mächtig; der bedächtige Klang wird zum Propagandamittel, das vortäuschen soll, dort sei das Leben das richtige, wo die Rote Armee einmal die Verwaltung übernahm. Weil es wahrhaft nichts gibt, woran jene Humanität sich halten kann, die doch als verwirklichte erschlichen wird, macht Brechts Ton sich zum Echo archaischer gesellschaftlicher Verhältnisse, die unwiederbringlich dahin sind. Der späte Brecht war von offizieller Humanität gar nicht so entfernt; den ›Kaukasischen Kreidekreis‹ könnte ein journalistischer Abendländer recht wohl als Hohelied der Mütterlichkeit preisen, und wem ginge nicht das Herz auf, wenn die prächtige Magd der von Migräne geplagten Dame als Exempel vorgehalten wird. Baudelaire, der sein Werk dem widmete, der die Formel l'art pour l'art prägte, wäre zu solcher Katharsis weniger geeignet. Selbst so groß geplante und virtuose Gedichte wie die ›Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration‹ werden getrübt von der Theatralik vollkommener Schlichtheit. Was seine Klassiker noch als Idiotie des Landlebens denunzierten, das verstümmelte Bewußtsein Darbender und Unterdrückter, wird ihm wie einem Existentialontologen zum alten Wahren. Sein gesamtes oeuvre ist eine Sisyphusanstrengung, seinen hochgezüchteten und differenzierten Geschmack mit den tölpelhaft heteronomen Anforderungen irgend auszugleichen, die er desperat sich zumutete.

Den Satz, nach Auschwitz noch Lyrik zu schreiben, sei barbarisch, möchte ich nicht mildern; negativ ist darin der Impuls ausgesprochen, der die engagierte Dichtung beseelt. Die Frage einer Person aus ›Morts sans sépulture‹: »Hat es einen Sinn zu leben, wenn es Menschen gibt, die schlagen, bis die Knochen im Leib zerbrechen?« ist auch die, ob Kunst überhaupt noch sein dürfe; ob nicht geistige Regression im Begriff engagierter Literatur anbefohlen wird von der Regression der Gesellschaft selber. Aber wahr bleibt auch Enzensbergers Entgegnung, die Dichtung müsse eben diesem Verdikt standhalten, so also sein, daß sie nicht durch ihre bloße Existenz nach Auschwitz dem Zynismus sich überantworte. Ihre eigene Situation ist paradox, nicht erst, wie man zu ihr sich verhält. Das Übermaß an realem Leiden duldet kein Vergessen; Pascals theologisches Wort »On ne doit plus dormir« ist zu säkularisieren. Aber jenes Leiden, nach Hegels Wort das Bewußtsein von Nöten, erheischt auch die Fortdauer von Kunst, die es verbietet; kaum wo anders findet das Leiden noch seine eigene Stimme, den Trost, der es nicht sogleich verriete. Die bedeutendsten Künstler der Epoche sind dem gefolgt. Der kompromißlose Radikalismus ihrer Werke, gerade die als formalistisch verfemten Momente, verleiht ihnen die schreckhafte Kraft, welche hilflosen Gedichten auf die Opfer abgeht. Aber selbst der ›Überlebende von Warschau‹ bleibt in der Aporie gefangen, der er, autonome Gestaltung der zur Hölle gesteigerten Heteronomie, rückhaltlos sich ausliefert. Ein Peinliches gesellt sich der Komposition Schönbergs. Keineswegs das, woran man in Deutschland sich ärgert, weil es nicht zu verdrängen erlaubt, was man um jeden Preis verdrängen möchte. Aber indem es, trotz aller Härte und Unversöhnlichkeit, zum Bild gemacht wird, ist es doch, als ob die Scham vor den Opfern verletzt wäre. Aus diesen wird etwas bereitet, Kunstwerke, der Welt zum Fraß vorgeworfen, die sie umbrachte. Die sogenannte künstlerische Gestaltung des nackten körperlichen Schmerzes der mit Gewehrkolben Niedergeknüppelten enthält, sei's noch so entfernt, das Potential, Genuß herauszupressen. Die Moral, die der Kunst gebietet, es keine Sekunde zu vergessen, schliddert in den Abgrund ihres Gegenteils. Durchs ästhetische Stilisationsprinzip, und gar das feierliche Gebet des Chors, erscheint das unausdenkliche Schicksal doch, als hätte es irgend Sinn gehabt; es wird verklärt, etwas von dem Grauen weggenommen; damit allein schon widerfährt den Opfern Unrecht, während doch vor der Gerechtigkeit keine Kunst standhielte, die ihnen ausweicht. Noch der Laut der Verzweiflung entrichtet seinen Zoll an die verruchte Affirmation. Werke geringeren Ranges als jene obersten werden denn auch bereitwillig geschluckt, ein Stück Aufarbeitung der Vergangenheit. Indem noch der Völkermord in engagierter Literatur zum Kulturbesitz wird, fällt es leichter, weiter mitzuspielen in der Kultur, die den Mord gebar. Untrüglich fast ist ein Kennzeichen solcher Literatur: daß sie, absichtlich oder nicht, durchblicken läßt, selbst in den sogenannten extremen Situationen, und gerade in ihnen, blühe das Menschliche; zuweilen wird daraus eine trübe Metaphysik, welche das zur Grenzsituation zurechtgestutzte Grauen womöglich insofern bejaht, als die Eigentlichkeit des Menschen dort erscheine. Im anheimelnden existentiellen Klima verschwimmt der Unterschied von Henkern und Opfern, weil beide doch gleichermaßen in die Möglichkeit des Nichts hinausgehalten seien, die freilich im allgemeinen den Henkern bekömmlicher ist.

Die Anhänger jener Metaphysik, die unterdessen zum bloßen Gesinnungspaß verkam, wettern wie vor 1933 gegen die Verhäßlichung, Entstellung, künstlerische Perversion des Lebens, als hätten die Autoren schuld an dem, wogegen sie sich aufbäumen, indem, was sie schreiben, jenem Äußersten sich gleichmacht. Der unter den deutschen Stillen im Land immer noch grassierenden Denkgewohnheit erteilt den besten Bescheid eine Geschichte über Picasso. Als ihn ein deutscher Besatzungsoffizier in seinem Atelier besuchte und vorm Guernica-Bild fragte: »Haben Sie das gemacht?«, soll er geantwortet haben: »Nein, Sie.« Auch autonome Kunstwerke wie dies Bild negieren bestimmt die empirische Realität, zerstören die zerstörende, das, was bloß ist, und als bloßes Dasein die Schuld endlos wiederholt. Kein anderer als Sartre hat den Zusammenhang zwischen der Autonomie des Werkes und einem Wollen erkannt, das nicht dem Werk eingelegt ist, sondern sein eigener Gestus der Wirklichkeit gegenüber. »Das Kunstwerk«, schreibt er, »hat keinen Zweck, darin stimmen wir mit Kant überein. Es ist aber ein Zweck. Kants Formulierung läßt den Appell außer acht, der aus jedem Bild, aus jeder Statue, aus jedem Buch spricht.«5 Dem wäre nur hinzuzufügen, daß dieser Appell in keinem ungebrochenen Verhältnis steht zum thematischen Engagement der Dichtung. Die rücksichtslose Autonomie der Werke, die der Anpassung an den Markt und dem Verschleiß sich entzieht, wird unwillkürlich zum Angriff. Der ist aber nicht abstrakt, keine invariante Verhaltensweise aller Kunstwerke zu der Welt, die es ihnen nicht verzeiht, daß sie ihr nicht gänzlich sich fügen. Sondern die Distanzierung der Werke von der empirischen Realität ist zugleich in sich selbst durch diese vermittelt. Die Phantasie des Künstlers ist keine creatio ex nihilo; nur Dilettanten und Feinsinnige stellen sie so sich vor. Indem die Kunstwerke der Empirie sich entgegensetzen, gehorchen sie deren Kräften, die gleichsam das geistige Gebilde abstoßen, es auf sich selbst zurückwerfen. Kein Sachgehalt, keine Formkategorie einer Dichtung, die nicht, wie immer auch unkenntlich abgewandelt und sich selbst verborgen, aus der empirischen Realität stammte, der es sich entringt. Dadurch, wie durch die Umgruppierung der Momente kraft ihres Formgesetzes, verhält sich die Dichtung zur Realität. Noch die avantgardistische Abstraktheit, über die der Spießbürger sich entrüstet und die nichts gemein hat mit der von Begriffen und Gedanken, ist der Reflex auf die Abstraktheit des Gesetzes, das objektiv in der Gesellschaft waltet. Das wäre an den Dichtungen Becketts zu zeigen. Sie genießen den heute einzig menschenwürdigen Ruhm: alle schaudern davor zurück, und doch kann keiner sich ausreden, daß die exzentrischen Stücke und Romane von dem handeln, was alle wissen und keiner Wort haben will. Philosophischen Apologeten mag sein oeuvre als anthropologischer Entwurf behagen. Aber es gilt höchst konkreten geschichtlichen Sachverhalten: der Abdankung des Subjekts. Becketts Ecce homo ist, was aus den Menschen wurde. Gleichwie mit Augen, denen die Tränen versiegt sind, stumm blicken sie aus seinen Sätzen. Der Bann, den sie verbreiten und unter dem sie stehen, löst sich, indem er in ihnen sich spiegelt. Das minimale Glücksversprechen darin freilich, das an keinen Trost sich verschachert, war um keinen geringeren Preis zu erlangen als den der vollkommenen Durchartikulation bis zur Weltlosigkeit. Jedes Engagement für die Welt muß gekündigt sein, damit der Idee eines engagierten Kunstwerks genügt werde, der polemischen Verfremdung, die der Theoretiker Brecht dachte und die er um so weniger praktizierte, je geselliger er dem Menschlichen sich verschrieb. Dies Paradoxon, das den Einwand des Erklügelten provoziert, stützt sich, ohne viel Philosophie, auf die einfachste Erfahrung: Kafkas Prosa, Becketts Stücke oder der wahrhaft ungeheuerliche Roman ›Der Namenlose‹ üben eine Wirkung aus, der gegenüber die offiziell engagierten Dichtungen wie Kinderspiel sich ausnehmen; sie erregen die Angst, welche der Existentialismus nur beredet. Als Demontagen des Scheins sprengen sie die Kunst von innen her, welche das proklamierte Engagement von außen, und darum nur zum Schein, unterjocht. Ihr Unausweichliches nötigt zu jener Änderung der Verhaltensweise, welche die engagierten Werke bloß verlangen. Wen einmal Kafkas Räder überfuhren, dem ist der Friede mit der Welt ebenso verloren wie die Möglichkeit, bei dem Urteil sich zu bescheiden, der Weltlauf sei schlecht: das bestätigende Moment ist weggeätzt, das der resignierten Feststellung von der Übermacht des Bösen innewohnt. Je größer allerdings der Anspruch, desto größer die Chance des Absinkens und Mißlingens. Was in Malerei und Musik an den von gegenständlicher Abbildlichkeit und faßlichem Sinnzusammenhang sich entfernenden Gebilden als Spannungsverlust beobachtet wurde, teilt vielfach auch der nach abscheulichem Sprachgebrauch Texte genannten Literatur sich mit. Sie gerät an den Rand von Gleichgültigkeit, degeneriert unvermerkt zur Bastelei, zum in anderen Kunstgattungen durchschauten Wiederholungsspiel mit Formeln, zum Tapetenmuster. Das leiht oft der groben Forderung nach dem Engagement ihr Recht. Gebilde, welche die verlogene Positivität von Sinn herausfordern, münden leicht in Sinnleere anderer Art, die positivistische Veranstaltung, das eitle Herumwürfeln mit Elementen. Dadurch verfallen sie der Sphäre, von der sie sich abstoßen; Grenzfall ist eine Literatur, die undialektisch mit Wissenschaft sich verwechselt und vergebens der Kybernetik gleichschaltet. Die Extreme berühren sich: was die letzte Kommunikation durchschneidet, wird zur Beute der Kommunikationstheorie. Kein festes Kriterium zieht die Grenze zwischen der bestimmten Negation des Sinnes und der schlechten Positivität des Sinnlosen als eines beflissenen Weitermachens um seiner selbst willen. Am letzten wäre eine solche Grenze die Anrufung des Menschlichen und der Fluch gegen die Mechanisierung. Die Kunstwerke, welche durch ihre Existenz die Partei der Opfer naturbeherrschender Rationalität ergreifen, waren im Protest stets auch der eigenen Beschaffenheit nach in den Rationalisierungsprozeß verflochten. Wollten sie ihn verleugnen, so wären sie ästhetisch und sozial gleich unkräftig: höhere Scholle. Das organisierende, Einheit stiftende Prinzip eines jeden Kunstwerks ist eben der Rationalität entlehnt, deren Totalitätsanspruch es Einhalt tun möchte.

In der Geschichte des französischen und deutschen Bewußtseins stellt die Frage nach dem Engagement verschieden sich dar. In Frankreich herrscht ästhetisch, offen oder verhüllt, das Prinzip l'art pour l'art, und ist mit akademischen und reaktionären Richtungen verschworen. Das erklärt die Revolte dagegen6. Selbst extrem avantgardistische Werke haben in Frankreich einen touch des dekorativ Angenehmen. Darum klang dort die Berufung auf Existenz und Engagement revolutionär. Umgekehrt in Deutschland. Einer Tradition, die tief in den deutschen Idealismus hineinreicht – ihr erstes berühmtes, von der Geistesgeschichte der Oberlehrer rezipiertes Dokument ist Schillers Abhandlung über das Theater als moralische Anstalt –, war die Zweckfreiheit der Kunst, die doch theoretisch zuerst von einem Deutschen rein und unbestechlich zum Moment des Geschmacksurteils erhoben wurde, suspekt. Weniger jedoch wegen der damit verkoppelten Verabsolutierung des Geistes; gerade die hat in der deutschen Philosophie bis zur Hybris sich ausgetobt. Sondern wegen der Seite, die das zweckfreie Kunstwerk der Gesellschaft zukehrt. Sie erinnert an jenen sinnlichen Genuß, an dem sublimiert und durch Negation noch die äußerste Dissonanz, und diese gerade, teilhat. Gewahrte die deutsche spekulative Philosophie das im Kunstwerk selbst gelegene Moment seiner Transzendenz: daß sein eigener Inbegriff immer mehr ist, als es ist, so hat man daraus ein Sittenzeugnis abgeleitet. Das Kunstwerk soll, jener latenten Tradition zufolge, nichts für sich sein, weil es sonst, wie schon der Platonische Entwurf des Staatssozialismus es brandmarkte, verweichliche und von der Tat um der Tat willen, der deutschen Erbsünde, abhalte. Glücksfeindschaft, Asketentum, jene Sorte Ethos, die immerfort Namen wie Luther und Bismarck im Munde führt, wollen keine ästhetische Autonomie; ohnehin grundiert ein Unterstrom des knechtisch Heteronomen das Pathos des kategorischen Imperativs, der zwar einerseits die Vernunft selbst, andererseits aber ein schlechthin Gegebenes und blind zu Achtendes sein soll. Vor fünfzig Jahren ging es noch gegen George und seine Schule als gegen den Ästhetizismus von Französlingen. Heute hat der Muff, den keine Bomben explodieren ließen, mit der Wut auf die vorgebliche Unverständlichkeit der neuen Kunst sich verbündet. Als Motiv wäre der Kleinbürgerhaß auf den Sexus zu entdecken; darin berühren sich die abendländischen Ethiker mit den Ideologen des sozialistischen Realismus. Kein moralischer Terror hat Macht darüber, daß die Seite, welche das Kunstwerk seinem Betrachter zuwendet, diesem, und wäre es bloß durch die formale Tatsache temporärer Befreiung vom Zwang der praktischen Zwecke, auch Vergnügen bereitet. Thomas Mann hat das mit dem Wort vom höheren Jux ausgedrückt, das den Ethosbesitzern unerträglich ist. Selbst Brecht, der nicht frei war von asketischen Zügen – verwandelt kehren sie in der Sprödigkeit großer autonomer Kunst gegen den Konsum wieder –, hat zwar, mit Grund, das kulinarische Kunstwerk angeprangert, war aber viel zu gescheit, um nicht zu wissen, daß bei Wirkungszusammenhängen vom Moment des Genusses gar nicht ganz abgesehen werden kann, sogar im Angesicht der unerbittlichen Gebilde. Durch den Primat des ästhetischen Objekts als eines rein Durchgebildeten ist aber nicht doch wieder der Konsum, und damit das schlechte Einverständnis, auf einem Umweg eingeschmuggelt. Denn während jenes Moment, wäre es auch aus der Wirkung exstirpiert, stets in ihr wiederkehrt, ist der Wirkungszusammenhang nicht das Prinzip, dem die autonomen Werke unterstehen, sondern ihr Gefüge bei sich selbst. Sie sind Erkenntnis als begriffsloser Gegenstand. Darin beruht ihre Würde. Nicht haben sie die Menschen zu ihr zu überreden, weil sie in ihre Hand gegeben sei. Darum ist es heute in Deutschland eher an der Zeit, fürs autonome Werk zu sprechen als fürs engagierte. Allzu leicht rechnete dieses sich selbst alle edlen Werte zu, um mit ihnen umzuspringen. Auch unterm Faschismus wurde keine Untat verübt, die nicht moralisch sich herausgeputzt hätte. Die heute noch auf ihr Ethos und die Menschlichkeit pochen, lauern nur darauf, die zu verfolgen, die nach ihren Spielregeln verurteilt werden, und in der Praxis die gleiche Unmenschlichkeit zu betreiben, die sie theoretisch der neuen Kunst vorwerfen. In Deutschland läuft vielfach das Engagement auf Geblök hinaus, auf das, was alle sagen, oder wenigstens latent alle gern hören möchten. Im Begriff des »message«, der Botschaft von Kunst selbst, auch der politisch radikalen, steckt schon das weltfreundliche Moment; im Gestus des Anredens heimliches Einverständnis mit den Angeredeten, die doch allein dadurch noch aus der Verblendung zu reißen wären, daß man dies Einverständnis aufsagt.

Literatur, die wie die engagierte, aber auch wie die ethischen Philister es wollen, für den Menschen da ist, verrät ihn, indem sie die Sache verrät, die ihm helfen könnte nur, wenn sie nicht sich gebärdet, als ob sie ihm hülfe. Was aber daraus die Konsequenz zöge, absolut sich selbst zu setzen, nur um seiner selbst willen da zu sein, verkäme ebenso zur Ideologie. Über den Schatten von Irrationalität: daß Kunst, die noch in ihrem Gegensatz zur Gesellschaft ein Moment von ihr bildet, dagegen Augen und Ohren verschließen muß, kann sie nicht springen. Aber wenn sie selbst darauf sich beruft, willkürlich den Gedanken an ihre Bedingtheit bremst, und daraus ihre raison d'être folgert, so fälscht sie den Fluch über ihr um in ihre Theodizee. Noch im sublimiertesten Kunstwerk birgt sich ein Es soll anders sein; wo es nur noch sich selbst gliche, wie bei seiner reinen verwissenschaftlichten Durchkonstruktion, wäre es schon wieder im Schlechten, buchstäblich Vorkünstlerischen. Vermittelt aber ist das Moment des Wollens durch nichts anderes als durch die Gestalt des Werkes, dessen Kristallisation sich zum Gleichnis eines Anderen macht, das sein soll. Als rein gemachte, hergestellte, sind Kunstwerke, auch literarische, Anweisungen auf die Praxis, deren sie sich enthalten: die Herstellung richtigen Lebens. Solche Vermittlung ist kein Mittleres zwischen Engagement und Autonomie, keine Mixtur etwa von avancierten Formelementen und einem auf wirklich oder vermeintlich progressive Politik abzielenden geistigen Gehalt; der Gehalt der Werke ist überhaupt nicht, was an Geist in sie gepumpt ward, eher dessen Gegenteil. Der Akzent auf dem autonomen Werk jedoch ist selber gesellschaftlich-politischen Wesens. Die Verstelltheit wahrer Politik hier und heute, die Erstarrung der Verhältnisse, die nirgendwo zu tauen sich anschicken, nötigt den Geist dorthin, wo er sich nicht zu encanaillieren braucht. Während gegenwärtig alles Kulturelle, auch die integren Gebilde, zu ersticken droht im Kulturgewäsch, ist doch, zur gleichen Stunde, den Kunstwerken aufgebürdet, wortlos festzuhalten, was der Politik versperrt ist. Sartre selbst hat das an einer Stelle, die seiner Lauterkeit Ehre antut, ausgesprochen7. An der Zeit sind nicht die politischen Kunstwerke, aber in die autonomen ist die Politik eingewandert, und dort am weitesten, wo sie politisch tot sich stellen, so wie Kafkas Gleichnis von den Kindergewehren, in dem die Idee der Gewaltlosigkeit mit dem dämmernden Bewußtsein von der heraufziehenden Lähmung der Politik fusioniert ist. Paul Klee, der in die Diskussion über engagierte und autonome Kunst hineingehört, weil sein Werk, écriture par excellence, seine literarischen Wurzeln hatte und ebensowenig wäre, wenn es diese nicht gäbe, wie wenn es sie nicht aufgezehrt hätte – Paul Klee hat im ersten Weltkrieg oder kurz danach Karikaturen gegen den Kaiser Wilhelm als unmenschlichen Eisenfresser gezeichnet. Aus diesen ist dann – es wäre wohl genau nachzuweisen – im Jahr 1920 der Angelus novus geworden, der Maschinenengel, der von Karikatur und Engagement kein offenes Emblem mehr trägt, aber beides weit überflügelt. Mit rätselhaften Augen zwingt der Maschinenengel den Betrachter zur Frage, ob er das vollendete Unheil verkünde oder die darin verkappte Rettung. Er ist aber, nach dem Wort Walter Benjamins, der das Blatt besaß, der Engel, der nicht gibt sondern nimmt.

 
Fußnoten

 

1 Jean-Paul Sartre, Was ist Literatur? Ein Essay, übertr. von Hans Georg Brenner, Hamburg 1958, S. 10.

 

2 parce qu'il est homme, Situations, II, Paris 1948, p. 51.

 

3 Jean-Paul Sartre, Bei geschlossenen Türen, in: Dramen, Hamburg 1960, S. 97.

 

4 Sartre, Was ist Literatur?, a.a.O., S. 41.

 

5 a.a.O., S. 31.

 

6 »Man weiß genau, daß reine Kunst und leere Kunst ein und dasselbe sind und daß der ästhetische Purismus im letzten Jahrhundert nur ein brillantes Defensivmanöver der Bürger war, die sich lieber als Philister angeprangert sahen denn als Ausbeuter.« (a.a.O., S. 20)

 

7 Vgl. Jean-Paul Sartre, L'existentialisme est un humanisme, Paris 1946, p. 105.

 

 

Voraussetzungen

Aus Anlaß einer Lesung von Hans G. Helms

Mein Anspruch kann nicht sein, durch Interpretation das Verständnis des Textes FA: M'AHNIESGWOW zu erleichtern. Zu einer solchen Interpretation, die langer Versenkung bedürfte, wären andere, aus dem Kölner Freundeskreis von Helms, weit legitimierter als ich; eine Einleitung aus engster Fühlung mit dem Werk hat Gottfried Michael König verfaßt. Zudem ist der Begriff des Verstehens auf einen hermetischen Text nicht frischfröhlich anzuwenden. Ihm wesentlich ist der Schock, mit dem er die Kommunikation heftig unterbricht. Das grelle Licht des Unverständlichen, das solche Gebilde dem Leser zukehren, verdächtigt die übliche Verständlichkeit als schal, eingeschliffen, dinghaft – als vorkünstlerisch. Das fremd Erscheinende qualitativ moderner Werke in geläufige Begriffe und Zusammenhänge zu übersetzen, hat etwas vom Verrat an der Sache. Je objektiver diese, je rücksichtsloser gegen das, was die Subjekte von ihr erwarten, oder auch was das ästhetische Subjekt in sie hineinlegt, um so problematischer die Verständlichkeit; je weniger die Sache den sedimentierten subjektiven Reaktionsformen sich anpaßt, um so schutzloser exponiert sie sich dem Allerweltseinwand subjektiver Willkür. Verstehen setzt einen geschlossenen Sinnzusammenhang voraus, der etwa durch Einfühlung vom Rezipierenden kann mitvollzogen werden. Unter den Motiven aber, die zu Konsequenzen wie FA: M'AHNIESGWOW führen, ist nicht das schwächste, die Fiktion eines solchen Sinnzusammenhangs wegzuräumen. Sobald die Reflexion der Kunstwerke jenen positiven metaphysischen Sinn bezweifelt, der im Werk sich kristallisiere und entlade, muß sie auch die Mittel, die sprachlichen zumal, verwerfen, die implizit von der Idee eines solchen Sinnes zehren, der einen integralen und dadurch beredten Zusammenhang stifte. Wieweit, was im Innern des Gebildes sich zuträgt, dem Nachvollzug durch den Betrachter offen ist und wieweit ein solcher Nachvollzug getreu es trifft, wird ungewiß. Hegels Ästhetik hat vor bald anderthalb Jahrhunderten den noch von Kant unbefragt unterstellten Ausgang der Theorie der Kunst von deren Wirkung auf den anschauenden Betrachter um deren Zufälligkeit willen kritisiert und, im Geist dialektischer Philosophie, verlangt, daß statt dessen der Gedanke in die Disziplin der Sache selbst eintrete. Diese Hegelsche Forderung hat mittlerweile auch subjektivistische Ansichten zerstört, die für Hegel noch unerschüttert waren und in seiner eigenen Methode naiv walten, wie die von der prinzipiellen Verständlichkeit des ästhetischen Gegenstandes. Durchschaute er es als zufällig, welche Wirkung welches Kunstwerk auf welchen Betrachter ausübt, so mußte seitdem der Glaube hinab, daß a priori ein unmittelbares Verhältnis zwischen Werk und Betrachter bestehe; daß ein objektiv wahres Gebilde auch seine Apperzeption garantiere. Ich möchte darum nicht versuchen, Helms verständlich zu machen, auch nicht mit zustimmenden oder kritischen Urteilen aufwarten, sondern lediglich einige Voraussetzungen erörtern.

Ich bin mir dessen bewußt, daß ich damit seine Produktion, und meine eigene Stellung zu ihr, dem triumphalen Hohn all der Wohldenkenden aussetze, die schon mit dem Vorsatz gewappnet anrücken, sich darüber zu ereifern, daß dies denn doch auch fortschrittlichen und aufgeschlossenen Leuten zuviel zumute. Ich kann mir vorstellen, mit welcher Befriedigung manche meinen Worten entnehmen, ich verstünde es also auch nicht. Aber ich möchte vor diesem bequemen Triumph warnen. In Kunst – und, so möchte ich denken, in ihr nicht allein – hat Geschichte rückwirkende Kraft. Die Krisis der Verständlichkeit, heute weit akuter als vor fünfzig Jahren, reißt auch ältere Werke in sich hinein. Insistierte man darauf, was Verständlichkeit von Kunst überhaupt bedeutet, so müßte man die Entdeckung wiederholen, daß sie wesentlich abweicht vom Verstehen als der rationalen Auffassung eines wie immer auch Gemeinten. Kunstwerke versteht man nicht wie eine fremde Sprache, oder wie Begriffe, Urteile, Schlüsse der eigenen. All das kann zwar in Kunstwerken als das signifikative Moment ihrer Sprache, oder als das ihrer Handlung, oder eines auf dem Bild Dargestellten, auch unterlaufen, spielt aber doch eher beiher und ist schwerlich das, worauf der ästhetische Verstehensbegriff zielt. Soll dieser etwas Adäquates, Sachgerechtes anzeigen, so wäre das heute eher als eine Art von Nachfahren vorzustellen; als der Mitvollzug der im Kunstwerk sedimentierten Spannungen, der in ihm zur Objektivität geronnenen Prozesse. Man versteht ein Kunstwerk nicht, wenn man es in Begriffe übersetzt – tut man einfach das, so ist es vorweg mißverstanden –, sondern sobald man in seiner immanenten Bewegung darin ist; fast möchte man sagen, sobald es vom Ohr seiner je eigenen Logik nach nochmals komponiert, vom Auge gemalt, vom sprachlichen Sensorium mitgesprochen wird. Verstehen im spezifisch begrifflichen Verstande des Wortes, wofern das Werk nicht rationalistisch verschandelt werden soll, stellt erst auf höchst vermittelte Weise sich her; indem nämlich der im Vollzug von Erfahrung ergriffene Gehalt, in seiner Beziehung zur Formensprache und den Stoffen des Gebildes, reflektiert und benannt wird. Derart verstanden werden Kunstwerke allein durch die Philosophie der Kunst, die freilich ihrer Anschauung nichts Äußerliches ist, sondern von jener immer schon erheischt, und in der Anschauung terminiert. Fraglos ist die Anstrengung zu solchem emphatischen Verstehen auch traditioneller Kunstwerke nicht geringer als die, welche ein avancierter Text seinem mitvollziehenden Leser auferlegt.

Daß Kunst dem rationalen Verstehen als einer primären Verhaltensweise sich entzieht, ist vom vulgären ästhetischen Irrationalismus ausgebeutet worden. Gefühl sei alles. Die Einsicht wird aber dringlich erst recht, sobald künstlerische Erfahrung zur schlechten, passiven Irrationalität des Konsums wird, und aufs Gefühl kein Verlaß mehr ist. Anstelle des spezifischen Mitvollzugs, den die Kunstwerke verlangen, ist das bloße Mitplätschern mit dem Strom von Sprache, mit dem tonalen Gefälle, mit der gegenständlichen Komplexion der Bilder getreten. Die Passivität jener Reaktionsweise verwechselt sich mit löblicher Unmittelbarkeit. Die Werke werden fertig bezogenen Schemata subsumiert, nicht selber mehr erkannt. Dagegen müssen, nicht heute erst, die Kunstwerke sich schützen und einen Mitvollzug erzwingen, der dem konventionellen Verstehen abschwört, das nur ein seiner selbst nicht bewußtes Nichtverstehen wäre. Das in aller Kunst konstitutiv enthaltene, aber bislang weithin von Konventionellem überdeckte Moment des Absurden muß hervortreten, sich selbst aussprechen. Die sogenannte Unverständlichkeit gerade der legitimen zeitgenössischen Kunst ist die Konsequenz aus einem der Kunst an sich Eigentümlichen. Die Provokation vollstreckt zugleich das historische Urteil über die zum Mißverständnis degenerierte Verständlichkeit.

Dahin kam es freilich nicht so sehr durch die Polemik des Kunstwerks gegen das, was außer ihm ist, gegen sein gesellschaftliches Schicksal, als durch Notwendigkeit in seinem Innern. In der Dichtung ist deren Schauplatz der Doppelcharakter der Sprache als eines diskursiven, signifikativen Mittels – primär der Kommunikation – und als Ausdruck. Insofern berührt die immanente Notwendigkeit radikaler sprachlicher Veranstaltungen sich doch wiederum mit der Kritik der Umwelt, an die Sprache das Kunstwerk zu zedieren neigt. Unbestechlich hat Karl Kraus, der dem Expressionismus feind war und damit der umstandslosen Vormacht des Ausdrucks über das Zeichen in der Sprache, dennoch nichts von der Differenz der dichterischen Sprache von der mitteilenden nachgelassen. Ausdauernd strengt sein oeuvre sich an, künstlerische Autonomie der Sprache herzustellen, ohne ihrem anderen Aspekt, dem mitteilenden, der von der Überlieferung nicht zu trennen ist, Gewalt anzutun. Die Expressionisten aber trachteten, über den Schatten zu springen. Sie haben rücksichtslos den Primat des Ausdrucks verfochten. Ihnen schwebte vor, die Worte rein als Ausdrucksvaleurs wie Farben- oder Tonrelationen in Malerei und Musik zu verwenden. Der expressionistischen Idee leistete die Sprache so zähen Widerstand, daß sie außer bei den Dadaisten kaum je ganz sich realisierte. Kraus behielt insofern recht, als er, gerade vermöge seiner schrankenlosen Hingabe an das, was die Sprache als objektiver Geist jenseits der Kommunikation will, dessen innewurde, daß sie ihres signifikativen Moments, der Begriffe und Bedeutungen, nicht ganz sich entledigen kann. Der Dadaismus wollte denn auch nicht Kunst, sondern Attentate auf diese. Vielleicht ist keine optische Konfiguration vorzustellen, die nicht durch sei's auch noch so entfernte Ähnlichkeit mit der Dingwelt an diese gefesselt bliebe. Analog trägt alles Sprachliche, selbst bei äußerster Reduktion auf den Ausdruckswert, die Spur des Begrifflichen. Angesichts jenes untilgbaren Rests von starrer, objektiv diktierter Eindeutigkeit hat das Expressive seinen Zoll an Willkür und Beliebigkeit zu entrichten. Je eifriger Dichtung ihrer dem Formgesetz fremden, von seiner inneren Organisation her nie ganz zu bestimmenden Verwandtschaft mit der empirischen Welt zu entrinnen sucht, desto mehr exponiert sie sich dem, was den literarischen Expressionismus zum Veralten verurteilte, ehe er nur recht seinen Augenblick hatte. Um reiner Ausdruck, ja um überhaupt ein rein dem eigenen Impuls Gehorchendes zu werden, muß solche Dichtung sich mühen, ihr begriffliches Element abzuschütteln. Darum Mallarmés berühmter Einwand gegen den großen Maler Degas, als dieser ihm sagte, er habe einige gute Ideen für Sonette: aber Gedichte macht man doch nicht aus Gedanken sondern aus Worten. In der vorigen Generation haben Antipoden wie Karl Kraus und Stefan George gleichermaßen den Roman verworfen, aus Aversion gegen das Amusische des gegenständlichen Überschusses in der Dichtung, den doch eigentlich die Begriffe bereits in die Lyrik hineinschleppen. Der Begriff selber, die Merkmaleinheit alles jeweils unter ihm Befaßten, das der Empirie angehört und nicht in den Bann des Werkes fällt, hat vor aller Erzählung von der Welt etwas Kunstfeindliches. Nicht umsonst entstammt das Wort Sprachkunstwerk erst einer überaus späten Phase, und sensible Ohren werden ein leise Ungemäßes darin nicht überhören. Dennoch sind die Begriffe der Sprache unabdingbar. Noch der stammelnde Laut, soweit er Wort ist und nicht Ton, behält seinen begrifflichen Umfang, und vollends der Zusammenhang sprachlicher Gebilde, durch den allein sie zu einem künstlerischen Einen sich organisieren, kann des begrifflichen Elements kaum entraten.

Nachträglich nehmen unter diesem Aspekt selbst die authentischesten Werke etwas Vorkünstlerisches, gewissermaßen Informatorisches an. Dichtung tastet danach, ohne expressionistische Don Quixoterie mit dem begrifflichen Moment sich abzufinden, nicht aber ihm sich zu überantworten. Rückblickend wäre einzuräumen, eben das habe große Dichtung von je getan, ja sie danke ihre Größe gerade der Spannung zu jenem ihr heterogenen Moment. Sie werde zum Kunstwerk in der Reibung am Außerkünstlerischen; sie transzendiere es, und sich selber, indem sie es achtet. Aber durch die unaufhaltsame Reflexion der Geschichte wird diese Spannung, und die Aufgabe sie auszutragen, thematisch. Wer noch blind dem Doppelcharakter von Sprache als Zeichen und Ausdruck sich anvertraute, als wäre er gottgewollt, der würde auf dem gegenwärtigen Stand der Sprache selbst Opfer der bloßen Mitteilung. Die Grenzscheide sind die beiden Epopöen von James Joyce. Er verschmilzt die Intention auf eine streng im Innenraum des Kunstwerks organisierte Sprache – und dieser Innenraum, nicht der psychologische, war die legitime Idee des monologue intérieur – mit der großen Epik, mit dem Drang, jenen der Kunst gegenüber transzendenten Gehalt, durch den sie erst zur Kunst wird, inmitten ihres dicht verschlossenen Immanenzzusammenhangs festzuhalten. Wie Joyce beides zum Einstand bringt, macht seinen außerordentlichen Rang aus, die erhobene Mitte zwischen zwei Unmöglichkeiten, der des Romans heute und der von Dichtung als reinem Laut. Sein prüfender Blick hat einen Riß im Gefüge der signifikativen Sprache erspäht, wo sie dem Ausdruck kommensurabel würde, ohne daß der Dichter den Kopf in den Sand zu stecken brauchte und sich zu benehmen, als wäre Sprache Musik unmittelbar. Ihm zeigte sich diese Lücke im Licht der fortgeschrittenen Psychologie, der Freudischen. Die radikale Konstitution des ästhetischen Innenraums ist durch die Beziehung auf den des Subjekts vermittelt, in dem sie sich doch nicht erschöpft. Im Bereich der abgespaltenen Subjektivität befreit das Werk sich von dem, was ihm selber äußerlich ist, was seinem Kraftfeld sich entzieht. Erst durch Subjektivierung wird die Objektivation des Kunstwerks, als einer in sich durchgeformten Monade, recht möglich. Subjektivität macht sich zu dem, was sie rudimentär stets war, seit Kunstwerke eigenen Gesetzes existieren, zu deren Medium oder zu deren Schauplatz. Im Prozeß der ästhetischen Objektivation dann jedoch sinkt Subjektivität, der Inbegriff beredter Erfahrungen, selber herab zum Rohmaterial, einer zweiten Auswendigkeit, die von dem Kunstwerk aufgezehrt wird. Durch Subjektivierung hindurch konstituiert es sich als eine Realität sui generis, in der das Wesen der Realität draußen widerscheint. Das ist ebenso die geschichtliche Bahn der Moderne wie der zentrale Vorgang in jedem einzelnen Werk. Die Kräfte, welche die Objektivation bewirken, sind die gleichen, durch welche das Werk der Empirie gegenüber, von der es nichts unverwandelt in sich duldet, Stellung bezieht und zu ihr sich verhält. Im übrigen sind deren Elemente in den vermeintlich bloß subjektiven Materialien, an welchen der Prozeß sich ereignet, zerstreut enthalten.

Entäußert der sprachliche Ausdruck nicht gänzlich sich der Begriffe, so gleichen umgekehrt diese nicht, wie die positivistische Wissenschaft es propagiert, den Definitionen ihrer Bedeutungen. Die Definitionen sind selber Resultate einer Verdinglichung, eines Vergessens; nie das, was sie am eifrigsten sein möchten: dem voll adäquat, worauf die Begriffe gehen. Die fixierten Bedeutungen sind herausgebrochen aus dem Leben der Sprache. Dessen Rudimente aber sind die in den begrifflichen Bedeutungen nicht aufgehenden, gleichwohl mit zarter Notwendigkeit an die Worte sich anschließenden Assoziationen. Gelingt es der Dichtung, in ihren Begriffen die Assoziationen zu erwecken und mit ihnen das signifikative Moment zu korrigieren, so beginnen die Begriffe, jener Konzeption zufolge, sich zu bewegen. Ihre Bewegung soll zur immanenten des Kunstwerks werden. Den Assoziationen ist mit so feinen Ohren nachzugehen, daß sie den Worten selbst sich anschmiegen und nicht bloß dem zufälligen Individuum, das sie hantiert. Der subkutane Zusammenhang, der aus ihnen sich bildet, hat den Vorrang vor der Oberfläche des diskursiven Inhalts von Dichtung, ihrer kruden Stoffschicht, ohne daß diese doch ganz verschwände. In Joyce verbindet sich die Idee einer objektiven Physiognomik der Worte kraft der ihnen innewohnenden Assoziationen mit einem Atem des Ganzen, der in diese Assoziationen umgesetzt, tendenziell nicht von außen anbefohlen wird. Seine Position hat zugleich jener Unerreichbarkeit der gegenständlichen Welt fürs ästhetische Subjekt Rechnung getragen, die weder durch reumütig realistische Gesinnung rückgängig zu machen noch, in verblendetem Solipsismus, absolut zu setzen ist. Indem Dichtung als Ausdruck sich zu dem der für sie zerfallenen Realität macht, drückt sie deren Negativität aus.

Die autonome Durchformung des literarischen Produkts stellt, monadologisch, Gesellschaftliches vor, ohne darauf hinzuschielen; vieles spricht dafür, daß das aktuelle Kunstwerk die Gesellschaft um so genauer trifft, je weniger es von ihr handelt oder gar auf unmittelbare gesellschaftliche Wirkung, sei es die des Erfolgs, sei es die praktisch eingreifende, hofft. Zersetzt bei Joyce, und eigentlich schon in Prousts Roman, sich das empirische Zeitkontinuum, weil die biographische Einheit von Lebensläufen dem Formgesetz äußerlich und der subjektiven Erfahrung, an der es sich schult, unangemessen ist, so konvergiert eine solche literarische Verfahrungsweise, also genau das, was nach östlicher Redeweise formalistisch hieße, mit der Zersetzung des Zeitkontinuums in der Realität, dem Absterben von Erfahrung, das schließlich zurückgeht auf den zeitfremd technifizierten Prozeß der Produktion materieller Güter. Derlei Konvergenzen erweisen den Formalismus als den wahren Realismus, während Prozeduren, die anordnungsgemäß das Reale spiegeln, dadurch eine nichtexistente Versöhntheit der Realität mit dem Subjekt vortäuschen. Realismus in der Kunst ist Ideologie geworden, so wie die Gesinnung sogenannter realistischer Menschen, die nach den nun einmal bestehenden Institutionen, ihren Desideraten und Angeboten sich richten, dadurch nicht, wie sie es sich einbilden, von Illusionen frei werden, sondern einzig an dem Schleier mitweben, den der Zwang der Verhältnisse, als Schein ihrer Naturgegebenheit, um jene legt.

Proust hatte das mildere Mittel der unwillkürlichen Erinnerung benutzt, die ja mit den Freudischen Assoziationen manches teilt. Joyce macht diese für die Spannung zwischen Ausdruck und Bedeutung fruchtbar, indem die Assoziation sich an die Bedeutung von freilich meist aus ihrem Urteilskontext isolierten Worten heftet, ihren Gehalt aber vom Ausdruck – zunächst dem des Unbewußten – empfängt. An der Lösung jedoch ist auf die Dauer ein Unzulängliches nicht zu verkennen. Bei Proust kommt es daran zutage, daß, entgegen dem Vorsatz, im ausgeführten Gewebe der Recherche die authentischen unwillkürlichen Erinnerungen gegenüber weit handfesteren Elementen von Psychologie und Romantechnik sehr zurücktreten. Proust selbst, und vollends seine Ausleger, haben den Geschmack der in Tee getauchten Madeleine so sehr überanstrengt, weil jene Erinnerungsspur als eine der wenigen im Werk dem aus Bergson herausgelesenen Programm genügt. Joyce, der Jüngere, verfährt weniger behutsam mit der empirischen Realität. Er spinnt die Assoziationen so weit aus, bis sie vom diskursiven Sinn sich emanzipieren. Dafür hat er zu zahlen: nicht stets wird die Assoziation als notwendig evident, oft bleibt sie zufällig wie ihr Substrat, das psychologische Individuum. Das Hegelsche Philosophem, es sei das Besondere das Allgemeine, das seiner Spekulation durch zahllose Vermittlungen als Frucht zufällt, wird zum Risiko, wenn das literarische Gebilde es buchstäblich nimmt. Manchmal glückt es, manchmal nicht. Proust wie Joyce lassen auf dies Risiko in heroischer Anstrengung sich ein. Ihre Selbstreflexion kontrolliert den Verlauf des Unwillkürlichen im Text, um nur solches Zufällige zu tolerieren, dessen Notwendigkeit zugleich einleuchtet. Nicht anders hat in der neuen Musik, auf der Höhe der freien Atonalität, der Schönberg der ›Erwartung‹ dem Triebleben der Klänge nachgehört und es dadurch vor dem behütet, womit die spätere Kunst sich selbst kompromittierte, als die Parole des Automatischen beliebt ward. Das Gehör, das jene Klänge und ihre Folge mitvollzieht, wird zu der Instanz, die über ihre konkrete Logik entscheidet. In keinem ästhetischen Medium hat auf diesem Indifferenzpunkt zwischen äußerster Passivität und äußerster Anspannung sich beharren lassen. Der Grund ist wahrscheinlich nicht einmal, daß die darin liegende Zumutung die Fähigkeit des produktiven Ingeniums überschritte. Gewiß hat der Philister unrecht, der tönt, nach dem extremen Pendelschlag von ungebundenem Subjektivismus sei Besinnung auf eine mittlere Objektivität an der Zeit, die eben als mittlere in Wahrheit bereits sich selbst richtet. Vielmehr wird wohl alle avancierte Kunst nach dem zweiten Weltkrieg bewogen, jene Position zu verlassen, weil die Notwendigkeit, bei der das Subjekt ganz dabei ist, die eins wäre mit seiner lebendigen Spontaneität, ein Moment des Trugs enthält. Gerade wo die Freiheit des künstlerischen Subjekts sich geborgen dünkt, sind seine Reaktionsweisen determiniert durch die Macht, die eingeschliffene Formen der ästhetischen Verfahrungsweise über es ausüben. Was das Subjekt als seine autonome Leistung, die der Objektivation fühlt, enthüllt sich im Rückblick auf mehr denn dreißig Jahre als durchsetzt mit historischen Rückständen. Sie sind aber mit der immanenten Tendenz des Materials selbst, des sprachlichen nicht anders als des musikalischen oder malerischen, nicht länger vereinbar. Was einst Logik verbürgen wollte, wird als obsolet zum Flecken, zum Falschen; Hypothek des Traditionalismus in einer Kunst, die von der traditionellen am drastischesten dadurch sich unterscheidet, daß sie gegen Rudimente des Traditionellen empfindlich geworden ist, wie die traditionelle gegen die Dissonanz es war. Bereits die Konzeption der Zwölftontechnik in der Musik wollte die traditionalistische Last des subjektiven Gehörs, etwa die Gravitation von Leitton und Kadenz, abschütteln. Was folgte, hat registriert, daß man nun wiederum einen Rückfall in überholte und ungemäße Formen in den Kategorien der Objektivation witterte, die der spätere Schönberg aufrichtete. Man wird das wohl, ohne auf geistesgeschichtliche Gemeinplätze sich zu verirren, auf die Literatur übertragen dürfen.

Helmsens Experiment – und das diffamierende Wort Experiment ist positiv zu wenden; nur als experimentierende, nicht als geborgene hat Kunst überhaupt noch ihre Chance – basiert technisch auf derlei Erfahrungen und Erwägungen. Er nimmt Joyce gegenüber ein ähnliches Interesse wahr wie die serielle Musik und Theorie, der er nahe steht, gegenüber freier Atonalität und Zwölftontechnik. Daß FA: M'AHNIESGWOW von Finnegans Wake herstammt, liegt auf der Hand. Helms versteckt das nicht im mindesten, wie denn Tradition heute ihren Ort nur in der avancierten Produktion hat. Wesentlicher sind die Differenzen. Er macht literarisch denselben Schritt wie die jüngste Musik und bietet dasselbe Ärgernis. Während seine Strukturen Raum und Material äußerster Subjektivierung verdanken, erkennen sie den Primat des Subjekts, das Kriterium seines lebendigen Mitvollzugs nicht mehr an. Vollends weigern sie sich dem Cliché des Schöpferischen, das ohnehin vor menschlichem Werk nur Hohn ist. Notwendigkeit inmitten des subjektiv konstituierten Bereichs wird tendenziell vom Subjekt losgesprengt, ihm entgegengesetzt. Die Konstruktion versteht sich nicht mehr als Leistung der spontanen Subjektivität, ohne die sie freilich gar nicht zu denken wäre, sondern will aus dem durchs Subjekt je schon vermittelten Material herausgelesen werden. Benutzt bereits Joyce in verschiedenen Teilen verschiedene Sprachkonfigurationen, -schichten, Grade der Diskursivität, die gegeneinander abgewogen sind, so werden solche zuvor erst desultorischen Strukturelemente bei Helms beherrschend. Das Ganze ist in Strukturen komponiert, jeweils aus einer Reihe von Dimensionen, oder, nach der Terminologie der seriellen Musik, Parametern gefügt, die selbständig oder kombiniert oder nach Stufen geordnet auftreten. Die Affinität dieses Verfahrens zum seriellen der Musik mag ein Modell erläutern. Die Krise des Sinnzusammenhangs als eines phänomenal, in der Tuchfühlung seiner Teile wahrnehmbaren Ganzen hat die seriellen Komponisten nicht dazu verführt, den Sinn einfach zu liquidieren. Stockhausen hält ihn, den unmittelbar apperzipierbaren Zusammenhang, als einen Grenzwert fest. Von ihm führte ein Kontinuum bis zu solchen Strukturen, die der gewohnten Weise des Sinn Hörens, also der Illusion der Notwendigkeit von Klang zu Klang, sich versagen. Sie lassen nur noch etwa so sich auffassen, wie das Auge die Fläche eines Bildes als ganze überschaut. Analog steht die Konzeption von Helms zum diskursiven Sinn. Sein Kontinuum reicht von quasi erzählenden, an der Oberfläche verständlichen Teilen bis zu solchen, in denen die phonetischen Valeurs, die reinen Ausdrucksqualitäten, die semantischen, die Bedeutungen ganz überwiegen. Der Konflikt von Ausdruck und Bedeutung in der Sprache wird nicht, wie von den Dadaisten, schlicht zugunsten des Ausdrucks entschieden. Er wird als Antinomie respektiert. Aber das literarische Gebilde findet sich mit ihm nicht als mit einem ungebrochenen Ineinander ab. Es polarisiert ihn zwischen Extremen, deren Folge selber Struktur ist, also das Gebilde formt.

Auch das Moment des Zufälligen, das der von Helms ererbten Assoziationstechnik des Sprachgefüges bei Joyce innewohnt, fällt nicht der Konstruktion zum Opfer. Diese sucht zu leisten, was die Assoziation allein nicht leisten konnte, und wofür früher in der Dichtung, tant bien que mal, die diskursive Sprache zu sorgen schien. Die Strukturierung sowohl der einzelnen Komplexe wie ihres Verhältnisses zueinander möchte immanent jene Gesetzlichkeit des literarischen Gebildes garantieren, die ihm weder die ihm entfremdete Empirie noch das unverbindliche Assoziationsspiel gewährt. Aber das Gebilde ist frei von der Naivetät, darum den Zufall als beseitigt einzuschätzen. Er überlebt ebenso in der Wahl der Strukturen wie im Mikrobereich der einzelnen sprachlichen Konfigurationen. Deshalb wird Zufälligkeit selbst – wiederum analog zur seriellen Komposition – zu einem der Parameter des Werkes gemacht, dem am anderen Extrem der vollkommener Durchorganisation entspräche. Aus der Zufälligkeit, zu der im Stande des konsequenten ästhetischen Nominalismus die Universalia herabgesunken sind, soll ein Kunstmittel werden.

Jenes Moment der sich selbst hervorhebenden Zufälligkeit, als des nicht gänzlichen Dabeiseins des Subjekts im Werk, ist das eigentlich Schockierende an den jüngsten Entwicklungen, im Tachismus nicht anders als in der Musik und literarisch. Wie meist Schocks, zeugt auch dieser von einer alten Wunde. Denn die Versöhntheit von Subjekt und Objekt, eben das vollkommene Dabeisein des Subjekts im Kunstwerk, war immer auch Schein, und wenig fehlt, daß man diesen Schein dem ästhetischen schlechthin gleichsetzen möchte. Zufällig waren im Kunstwerk, unter dem Aspekt seines Formgesetzes, nicht nur die ihm selbst transzendenten Gegenstände, die es, nach der barbarischen Redeweise, behandelte. Auch die Notwendigkeiten seiner eigenen Logik hatten etwas Fiktives. Ein Stück Täuschung steckte darin, daß notwendig sei, was es doch als Spiel nicht ganz ist; nie gehorchen Kunstwerke in sich derselben Kausalität wie Natur und Gesellschaft. Zufällig aber ist schließlich die konstitutive Subjektivität selbst, die dabei sein will, und auf die das Kunstwerk notwendig sich zurücknimmt. Die Notwendigkeit, die das Subjekt anbefiehlt, um in der Sache gegenwärtig zu sein, wird erkauft mit den Schranken einer Individuation, von der das Moment der Beliebigkeit nicht sich wegdenken läßt. Das Ich, als das Unmittelbare, Nächste der Erfahrung, ist nicht deren wesentlicher Gehalt; von Erfahrung wird es entblättert als ein Abgeleitetes. Während die traditionelle Kunst solche subjektive Zufälligkeit im Werk, und selbst seinem eigenen Gesetz gegenüber, sei es abschaffen, sei es wenigstens vertuschen wollte, stellt die neue sich der Unmöglichkeit des einen und der Lüge des anderen. Anstatt daß Zufälligkeit über den Kopf des Werkes hinweg triumphierte, gesteht sie sich als unabdingbares Moment ein und hofft, damit etwas von der eigenen Fehlbarkeit loszuwerden. Auch kraft solcher hineingenommenen Zufälligkeit arbeitet hermetische Kunst, welche die Realisten verdammen, ihrem Scheincharakter entgegen und nähert der Realität sich an. Von je war die Bereitschaft von Werken, der Zufälligkeit des Lebens sich zu öffnen, anstatt sie durch die Dichte ihres Sinnzusammenhangs auszutreiben, das Ferment dessen, was bis zur Schwelle der Moderne als Realismus figurierte. Das Zufallsprinzip ist das Bewußtsein des Realismus von sich selbst im Augenblick seiner Lossage von der empirischen Realität. Ihm kommt zustatten, daß ästhetisch alles in sich ganz Konsequente, wäre es auch die strikte Negation von Sinn durch den Zufall als Prinzip, etwas wie einen Sinnzusammenhang zweiter Potenz stiftet. Das erlaubt es, ihn mit anderen ästhetischen Elementen in ein Kontinuum einzubringen. Was nicht länger beansprucht, dem Formgesetzt untertan zu sein, stimmt, nach der Arbeitshypothese solcher Produktion, mit diesem zusammen.

Sie widerstrebt einer sehr verbreiteten Ansicht über die neue Kunst: daß die konstruktiven Richtungen – in der Malerei der Kubismus und was an ihn anschloß – und die subjektiv-expressiven – also Expressionismus und Surrealismus – bloße Gegensätze, zwei divergente Möglichkeiten des Verfahrens wären. Beide Momente sind nicht durch äußerliche Synthese verkoppelt, sondern gehen in sich ineinander über: das eine wäre nicht ohne das andere. Reduktion auf den reinen Ausdruck allein schafft Raum für eine autonome Konstruktion, die keiner der Sache äußerlichen Schemata mehr sich bedient, und bedarf der Konstruktion zugleich, um den reinen Ausdruck gegen seine Kontingenz zu festigen. Konstruktion aber wird zur künstlerischen – im Gegensatz zur buchstäblich-mathematischen von Zweckformen – nur dadurch, daß sie an Heterogenem, ihr gegenüber Irrationalem, gleichsam Stofflichem sich sättigt; sonst bliebe sie zum Leerlauf verurteilt. Nach der Sprache der Psychoanalyse gehörten im emanzipierten Werk Ausdruck und Konstruktion so zusammen wie Es und Ich. Was Es ist, soll Ich werden, sagt die neue Kunst mit Freud. Aber das Ich ist von seiner Kardinalsünde, der blinden, sich selbst verzehrenden und das Naturverhältnis ewig wiederholenden Herrschaft über die Natur nicht zu heilen, indem es auch die inwendige Natur, das Es sich unterwirft, sondern indem es mit dem Es sich versöhnt, wissend und aus Freiheit es dorthin begleitet, wohin es will. Wie der richtige Mensch nicht der wäre, welcher den Trieb unterdrückt, sondern einer, der ihm ins Auge sieht und ihn erfüllt, ohne ihm Gewalt anzutun und ihm als einer Gewalt sich zu beugen, so müßte das richtige Kunstwerk heute zu Freiheit und Notwendigkeit modellhaft sich verhalten. Das mochte dem Komponisten Ligeti vorschweben, als er auf den dialektischen Umschlag totaler Determiniertheit und totaler Zufälligkeit in der Musik aufmerksam machte. Nicht weitab davon dürfte die Intention von Helms sein. Sie zielt, wenn einmal literarhistorisch zu reden gestattet ist, auf etwas wie einen zu sich selbst gekommenen, seiner selbst bewußten, in sich folgerechten und durchorganisierten Joyce. Sicherlich wäre Helms der letzte, zu prätendieren, er habe diesen überholt oder, wie das beliebt-abscheuliche Wort lautet, überwunden. Die Geschichte der Kunst ist kein Boxkampf, in dem das Jüngere das Ältere zu Boden schlägt; auch in der avancierten, in der ein Werk das andere zu kritisieren scheint, geht es nicht so agonal her. Nicht weniger töricht, als einer seriellen Komposition nachzurühmen, sie sei besser als die mehr als fünfzig Jahre alte ›Erwartung‹ von Schönberg, wären derlei Fanfaren in der Literatur. Größere Konsequenz ist nicht identisch mit höherer Qualität. Die triftige Frage jedoch, ob der Fortschritt der Materialbeherrschung nicht allzu teuer bezahlt werde; ob nicht die Authentizität von Schönberg oder Joyce gerade von der Spannung ihres nicht vollends eingeschmolzenen Gehalts zu Material und Verfahrungsweise herrührt, vermag nicht die künstlerische Praxis zu retardieren. Diese hat keine Wahl, als folgerecht, unbestechlich, ohne nach rückwärts zu blicken, Bedürfnisse einzulösen, die in den älteren Werken unerfüllt blieben. Sie kann nur hoffen, durch ihre eigene Konsequenz etwas von deren Fluch zu tilgen, so wie es im Verhältnis von Konstruktion und Zufall sich anmelden mag. Sie kann aber nicht im Gedanken an die Kraft des noch nicht ganz Konsequenten auf eine geschichtlich vergangene Position sich zurückbegeben. Eher müßte sie Qualitätsverlust in den Kauf nehmen; ohnehin herrscht nie prästabilierte Harmonie zwischen der Intention und der Qualität. Spannung zu einem ihnen Heteronomen ist das Eine, was die Kunstwerke von sich aus nicht wollen können und wovon alles abhängt. Zu ihr ist geworden, was einmal das Begnadete der Werke hieß, der Wahrheitsgehalt, über den sie selber keine Macht haben.

Technisch entfernt Helms sich vom Joyceschen Verfahren, indem er die psychologischen Wortassoziationen, die nicht vermieden werden, einem Kanon unterwirft. Er stammt aus dem Vorrat des objektiven Geistes, den Beziehungen und Querverbindungen von Worten und ihren Assoziationsfeldern in verschiedenen Sprachen. Sie spielten schon in Finnegans Wake herein, gehorchen aber nun dem Konstruktionsplan. Ein philologisch gelenkter Assoziationszusammenhang, und damit tendenziell ein aus dem Material der Sprache geschöpfter, möchte anstelle des Typus der Assoziation treten, der aus der psychoanalytischen Methode vertraut ist, wenn sie die Worte als Schlüssel zum Unbewußten verwendet. Ähnliche Funktion gewinnt die Philologie auch bei Beckett. Helms aber ambitioniert dabei nicht weniger, als aus dem monologue intérieur auszubrechen, dessen Struktur das Urbild des Ganzen ist, der aber nun selbst nicht länger das Gesetz des literarischen Gebildes abgibt, sondern Material. Die eigentlich exzentrischen Züge des Experiments von Helms, an denen, wie stets in der Kunst, die differentia specifica seines Ansatzes von anderen sich erkennen läßt, resultieren daraus. Er ist etwas wie eine Parodie des poeta doctus aus dem siebzehnten Jahrhundert, die polemische Antithese zu der mittlerweile zum Schwindel verkommenen imago des Dichters als dessen, der den Ursprüngen lauscht. Er erwartet die Kenntnis der von ihm benutzten und verschlüsselten Sprachbestandteile und Realien. Haben von jeher Dichtungen im Kommentar sich entfaltet, so ist diese auf den Kommentar angelegt wie jene deutschen Barockdramen, denen die gelehrten Schlesier ihre Scholien hinzufügten. Auch das steigert bestürzend eine Qualität, die in der Moderne längst präformiert war; außer bei Joyce selbst, dessen Finnegan seines Bedürfnisses nach Erläuterungen nicht sich schämt, schon bei Eliot und Pound. Provoziert wird der Einwand der Übersetzbarkeit. Die Handlung, die aus FA: M'AHNIESGWOW diskursiv herauszuschälen ist, die erotischen Situationen zwischen Michael und Helène, sind keineswegs so unkonventionell, daß sie primär derart schwierige Veranstaltungen erheischten. König schon hat angedeutet, daß der Parameter Inhalt mit dem technischen noch nicht Schritt hält: er erklärt das mit der Jugend des Autors. Warum aber verschlüsseln, was nach dem Herkommen sich erzählen ließe? Der Einwand entspringt einer um den Begriff des Symbols geordneten Ästhetik. Er attackiert den Überschuß von Bedeutungen über das nach den Normen jener Ästhetik anschaulich Gestaltete. Gerade auch der hermetische Anspruch werde dadurch desavouiert, daß das Werk, um sich selber in sich zu entfalten, verwiesen bleibe auf das, was es von sich aus nicht leistet. Soviel jedenfalls darf dem entgegnet werden, daß jenes nicht Aufgehen in der Sache, verwandt dem Geist der Allegorie, dieser Sache wesentlich sei. Wie die Konzeption des Kunstwerks als eines in sich einstimmigen Sinnzusammenhangs wird auch die Fiktion der Einstimmigkeit seiner Gestalt, seiner reinen immanenten Geschlossenheit herausgefordert, die keinen anderen Rechtsgrund hätte denn jenen Sinnzusammenhang. Die unmittelbare Identität von Anschaulichkeit und Intention, die in der traditionellen Kunst prätendiert, aber, mit Grund, nie realisiert ward, ist mit Grund drangegeben. Durch den Abbruch der Kommunikation, durch seine eigene Geschlossenheit kündigt das hermetische Kunstwerk Geschlossenheit, die den früheren Werken das verlieh, was sie darstellten, ohne es selber ganz zu sein. Das hermetische Werk jedoch formt in sich den Bruch aus, der der ist zwischen der Welt und dem Werk. Das brüchige Medium, das Ausdruck und Bedeutung nicht verschmilzt, nicht das eine dem anderen opfernd integriert, sondern beide zur unversöhnlichen Differenz treibt, wird zum Träger des Gehalts, des Brüchigen, Sinnfernen. Der Bruch, den das Gebilde nicht überbrückt, sondern liebend und hoffend zum Agens seiner Form macht, ist übrig als Figur des ihm transzendenten Gehalts. Sinn drückt es aus durch Askese gegen den Sinn.

 
Gesammelte Werke
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