Zum Gedächtnis Eichendorffs

 

Je devine, à travers un murmure

Le contour subtil des voix anciennes

Et dans les lueurs musiciennes,

Amour pâle, une aurore future!

Verlaine

 

Die Beziehung zur geistigen Vergangenheit in der falsch auferstandenen Kultur ist vergiftet. Der Liebe zum Vergangenen gesellt vielfach sich die Rancune gegen das Gegenwärtige; der Glaube an einen Besitz, den man doch verliert, sobald man ihn unverlierbar wähnt; das Wohlgefühl im vertraut Überkommenen, in dessen Zeichen gern jene dem Grauen entfliehen, deren Einverständnis es bereiten half. Die Alternative zu alldem scheint schneidend: der Gestus »Das geht nicht mehr«. Allergie gegen das falsche Glück der Geborgenheit bemächtigt eifernd sich auch des Traumes vom wahren, und die gesteigerte Empfindlichkeit gegen Sentimentalität zieht sich auf den abstrakten Punkt des bloßen Jetzt zusammen, vor dem das Einst so viel gilt, als wäre es nie gewesen. Erfahrung wäre die Einheit von Tradition und offener Sehnsucht nach dem Fremden. Aber ihre Möglichkeit selber ist gefährdet. Der Bruch in der Kontinuität historischen Bewußtseins, den Hermann Heimpel erkannte, bewirkt eine Polarisierung in antiquarische, wo nicht zu ideologischen Zwecken zurechtgestutzte Kulturgüter, und in eine Aktualität, die, gerade weil es ihr an Erinnerung gebricht, auf dem Sprung steht, dem bloß Bestehenden auch dort spiegelnd sich zu verschreiben, wo sie ihm opponiert. Der Rhythmus von Zeit ist verstört. Während die philosophischen Gassen von Zeitmetaphysik widerhallen, ist Zeit den Menschen, einst gemessen am beständigen Ablauf ihres Lebens, selber entfremdet; darum wohl wird sie so krampfhaft beredet. Das wahrhaft tradierte Vergangene wäre in seinem Gegenteil, in der fortgeschrittensten Gestalt des Bewußtseins aufgehoben; fortgeschrittenes Bewußtsein aber, das seiner selbst mächtig wäre und nicht fürchten müßte, von der nächsten Information dementiert zu werden, hätte darum auch die Freiheit, Vergangenes zu lieben. Große avantgardistische Künstler wie Schönberg mußten nicht sich selber durch die Wut auf Vorfahren bestätigen, daß sie deren Bann entrannen. Entronnene und Befreite, durften sie die Tradition als ihresgleichen wahrnehmen, anstatt auf einem Unterschied zu insistieren, der mit dem Gebot des radikalen, gleichsam naturhaften Neubeginns nur die Geschichtshörigkeit übertönt. Sie wußten sich als Vollstrecker des geheimen Willens jener Tradition, die sie zerbrachen. Nur wo sie nicht mehr durchbrochen wird, weil man sie nicht mehr spürt und darum auch nicht die eigene Kraft an ihr erprobt, verleugnet man sie; was anders ist, scheut nicht die Wahlverwandtschaft mit dem, wovon es abstößt. Gegenwärtig wäre nicht das zeitlose Jetzt sondern eines, das gesättigt ist mit der Kraft des Gestern und es darum nicht zu vergötzen braucht. An dem avancierten Bewußtsein wäre es, das Verhältnis zum Vergangenen zu korrigieren, nicht indem der Bruch beschönigt wird, sondern indem man dem Vergänglichen am Vergangenen das Gegenwärtige abzwingt und keine Tradition unterstellt. Sie gilt so wenig mehr wie umgekehrt der Glaube, die Lebenden hätten Recht gegen die Toten, oder die Welt finge mit ihnen an.

Spröde widerstrebt Joseph von Eichendorff solcher Bemühung. Die ihn preisen, sind vorab Kulturkonservative. Manche rufen ihn als Kronzeugen einer positiven Religiosität an, wie er sie, zumal in den literarhistorischen Arbeiten seiner Spätzeit, schroff dogmatisch behauptete. Andere beschlagnahmen ihn in landsmannschaftlichem Geiste, einer Art Stammespoetik Nadlerschen Schlages. Sie möchten ihn gewissermaßen rücksiedeln, ihr »er war unser« soll patriotischen Ansprüchen zugute kommen, mit deren jüngster Gestalt sein restaurativer Universalismus doch wohl wenig gemein hat. Solchen Anhängern gegenüber ist dann der zeitgemäße Hinweis aufs Unzeitgemäße an Eichendorff nur allzu einleuchtend. Deutlich erinnere ich mich aus meiner Gymnasialzeit daran, wie ein Lehrer, der auf mich bedeutenden Einfluß ausübte, mich bei den Zeilen »Es war, als hätt' der Himmel /Die Erde still geküßt«, die mir so selbstverständlich waren wie Schumanns Komposition, auf die Trivialität des Bildes aufmerksam machte. Ich war unfähig, der Kritik zu begegnen, ohne daß sie mich doch recht überzeugt hätte, wie denn Eichendorff allen Einwänden preisgegeben ist. Aber dennoch gefeit gegen jeglichen. Was, nach Brahmsens Wort, jeder Esel hört, prallt ab von der Qualität der Eichendorffschen Gedichte. Wird sie indessen zum Geheimnis erklärt, das man zu respektieren habe, so verbirgt hinter solchem demütigen Irrationalismus sich die Trägheit, die angestrengte Passivität aufzubringen, welche das Gedicht erheischt; am Ende auch die Bereitschaft, das einmal Approbierte weiter zu bewundern und sich zu bescheiden mit der vagen Überzeugung, daß irgend etwas daran mehr sei als in Anthologien oder Klassikerausgaben aufgebahrte Lyrik. Zu einer Stunde aber, zu der keine künstlerische Erfahrung mehr fraglos vorgegeben ist; zu einer Stunde, da in unserer Kindheit keine Autorität von Lesebüchern uns die Schönheit zueignet, die wir verstehen, weil wir sie noch nicht verstehen, fordert jegliche Anschauung des Schönen, daß wir den Grund wissen, warum es schön genannt wird. Selbstgerecht und unwahr bleibt die Naivetät, die davon sich dispensiert; der Gehalt des Kunstwerks, der Geist ist, hat den Geist nicht zu fürchten, der sucht, ihn zu begreifen, sondern sucht ihn selber.

Eichendorff erkennend vor Freunden und Feinden retten, ist das Gegenteil sturer Apologie. Das Element seiner Gedichte, das dem Männergesangverein überantwortet ward, ist nicht immun gegen sein Schicksal und hat es vielfach herbeigezogen. Ein Ton des Affirmativen, der Verherrlichung des Daseins schlechthin bei ihm hat geradewegs in jene Lesebücher geführt. Die apokryphe Unsterblichkeit freilich, die er dort fand, steht zu verachten nicht an. Wer nicht als Kind »Wem Gott will rechte Gunst erweisen, / Den schickt er in die weite Welt« auswendig lernte, kennt nicht eine Schicht der Erhebung des Wortes über den Alltag, die kennen muß, wer sie sublimieren, wer den Riß zwischen der menschlichen Bestimmung und dem ausdrücken will, was die Einrichtung der Welt aus ihm macht. So sind auch Schuberts Müllerlieder nur dem ganz nah, der zuvor einmal die Vulgärkomposition von »Das Wandern ist des Müllers Lust« im Schulchor mitgesungen hat. Manche Verse von Eichendorff, »Am liebsten betracht' ich die Sterne, / Die schienen, wenn ich ging zu ihr«, klingen wie Zitate beim ersten Mal, memoriert nach dem Lesebuch Gottes.

Darum jedoch muß man die allzu ungebrochenen Töne nicht verteidigen, mit denen Eichendorff lobt und dankt. In den Generationen, die seit seinen Tagen vergingen, ist das Ideologische am weltfrohen und geselligen Eichendorff hervorgetreten, um in der Prosa manchmal Lächeln zu provozieren. Aber selbst um diese Schicht ist es bei ihm nicht ganz einfach bestellt. Ein goethisch angestimmtes geselliges Lied enthält die Zeilen:

 

Das Trinken ist gescheiter,

Das schmeckt schon nach Idee,

Da braucht man keine Leiter,

Das geht gleich in die Höh'.

 

Nicht bloß streift die studentenhaft saloppe Nennung des Wortes Idee die große Philosophie, deren Zeitalter Eichendorff angehört, sondern es wird eine über jenes Zeitalter weit hinausgreifende Vergeistigung des Sinnlichen innerviert, wie sie nichts mit verspäteter Anakreontik gemein hat und erst in den tödlichen Weingedichten Baudelaires zu sich selber kam: so flüchtig und ephemer ist von nun an die Idee, das Absolute, wie der Duft des Weines. Wohl geziemt es nicht, nach einer verbreiteten literarhistorischen Manier, Eichendorffs affirmativen Ton als dem Dunklen entrungen zu rechtfertigen, von dem jene Gedichte und Prosasätze wenig bezeugen. Aber fraglos sind sie doch verwandt mit dem europäischen Weltschmerz. Ihm antwortet Eichendorffs gekaufter Mut, jener Entschluß zur Munterkeit, wie er mit befremdend paradoxer Gewalt am Ende eines der größten seiner Gedichte, dem vom Zwielicht, sich bekundet: »Hüte dich, sei wach und munter«. Was bei Schumann einmal »im fröhlichen Ton« heißt, gleicht bei diesem wie bei Eichendorff schon dem Rilkeschen »Als ob wir noch Fröhlichkeit hätten«:

 

Hinaus, o Mensch, weit in die Welt

Bangt dir das Herz in krankem Mut;

Nichts ist so trüb in Nacht gestellt,

Der Morgen leicht macht's wieder gut.

 

Die Ohnmacht solcher Strophen ist nicht die des beschränkten Glücks, sondern der vergeblichen Beschwörung, und der Ausdruck ihrer Vergeblichkeit, mit dem wohl skeptisch Wienerischen »leicht« für »vielleicht«, ist zugleich die Kraft, die mit ihnen versöhnt. Kinderangst will der Schluß des ›Zwielichts‹ übertäuben, aber: »Manches bleibt in Nacht verloren«. Der späte Eichendorff hat die verfrühte Dankbarkeit des jungen so nach Hause gebracht, daß sie des eigenen Truges inne wird und die eigene Wahrheit doch festhält:

 

Mein Gott, dir sag' ich Dank,

Daß du die Jugend mir bis über alle Wipfel

In Morgenrot getaucht und Klang,

Und auf des Lebens Gipfel,

Bevor der Tag geendet,

Vom Herzen unbewacht

Den falschen Glanz gewendet,

Daß ich nicht taumle ruhmgeblendet,

Da nun herein die Nacht

Dunkelt in ernster Pracht.

 

So unwiederbringlich heute das Befriedete selbst dieser Verse dahin ist, so strahlend leuchtet es, und längst nicht mehr bloß der Todesnacht des Einzelnen. Eichendorff verherrlicht was ist und meint doch nicht das Seiende. Er war kein Dichter der Heimat sondern der des Heimwehs, im Sinne des Novalis, dem er nahe sich wußte. Selbst in jenem »Es war als hätt' der Himmel«, das er unter die ›Geistlichen Gedichte‹ einreihte und das klingt, als wäre es mit dem Bogenstrich gespielt, trägt das Gefühl der absoluten Heimat nur darum, weil es nicht unmittelbar die beseligte Natur meint, sondern mit einem Akzent unfehlbaren metaphysischen Takts bloß gleichnishaft ausgesprochen wird:

 

Und meine Seele spannte

Weit ihre Flügel aus,

Flog durch die stillen Lande,

Als flöge sie nach Haus.

 

Anderswo schreckt die Katholizität des Dichters nicht zurück vor der wie immer auch trauernden Zeile: »Das Reich des Glaubens ist geendet.«

Gleichwohl ist Eichendorffs Positivität seinem Konservativismus verschwistert, sein Lob dessen, was ist, der Idee des Bewahrenden. Aber wenn irgendwo, dann hat in der Dichtung der Stellenwert des Konservativismus zum äußersten sich verändert. Hilft er heute, nach dem Zerfall der Tradition, als willkürliches Lob von Bindungen, bloß zur Rechtfertigung eines schlechten Bestehenden, so wollte er einmal auch ein sehr anderes, das erst an seinem Gegensatz, der hereinbrechenden Barbarei, ganz sich wägen läßt. Wieviel an Eichendorff aus der Perspektive des depossedierten Feudalen stammt, ist so offenbar, daß gesellschaftliche Kritik daran albern wäre; in seinem Sinne aber lag nicht nur die Restauration der entsunkenen Ordnung, sondern auch der Widerstand gegen die destruktive Tendenz des Bürgerlichen selber. Seine Überlegenheit über alle Reaktionäre, die heute die Hand nach ihm ausstrecken, bewährt sich daran, daß er, wie die große Philosophie seiner Epoche, die Notwendigkeit der Revolution begriff, vor der ihn schauderte: er verkörpert etwas von der kritischen Wahrheit des Bewußtseins derer, die den Preis für den fortschreitenden Gang des Weltgeistes zu entrichten haben. Seine Schrift über den Adel und die Revolution enthält gewiß viel Beschränktes, und seine Vorbehalte gegen den eigenen Stand sind nicht frei von puritanischen Klagen über dessen »Seuche der Glanz-und Genußsucht«, die freilich von ihm zusammengebracht werden mit der unter den Feudalen sich ausbreitenden kapitalistischen Gesinnung, mit ihrer Neigung, den Grundbesitz »in ihrer beständigen Geldnot durch verzweifelte Güterspekulationen zur gemeinen Ware« zu machen. Aber er hat nicht nur von den »bramarbasierenden Haudegen des Siebenjährigen Krieges« gesprochen, »die mit einer unnachahmlich lächerlichen Manneswürde von einer gewissen Biderbigkeit Profession machten«, sondern auch den deutschen Nationalisten der Napoleonischen Ära den »Terrorismus einer groben Vaterländerei« vorgeworfen. Teilt er, mit einem Einschlag von Sozialkritik, die der Rechten seiner Zeit geläufigen Argumente gegen kosmopolitische Nivellierung, so hat der Feudale doch keineswegs mit den Jahn und Fries sich gemein gemacht. Überraschend sein Organ für die revolutionären und auflösenden Sympathien der Aristokratie; er hat sie bejaht: »Es brütete ... eine unheimliche Gewitterluft über dem ganzen Lande, jeder fühlte, daß irgendetwas Großes im Anzuge sei, ein unausgesprochenes, banges Erwarten, man wußte nicht von was, hatte mehr oder minder alle Gemüter beschlichen. In dieser Schwüle erschienen, wie immer vor nahenden Katastrophen, seltsame Gestalten und unerhörte Abenteurer, wie der Graf St. Germain, Cagliostro u.a., gleichsam als Emissäre der Zukunft.« Und er fand Sätze über Figuren wie den Baron Grimm und den radikalen Emigranten Grafen Schlabrendorf, die mit dem Cliché vom Konservativen so wenig zusammenstimmen wie jene Partien der Hegelschen Rechtsphilosophie, die von den über sich hinaustreibenden Kräften der bürgerlichen Gesellschaft handeln. Die Sätze lauten: »Aus diesen Sonderbündlern sind später, als die Revolution zur Tat geworden, einige höchst denkwürdige Charaktere hervorgegangen. So der rastlos unruhige Freiheitsfanatiker Baron Grimm, unablässig wie der Sturmwind die Flammen schürend und wendend, bis sie über ihm zusammenschlugen und ihn selber verzehrten. So auch der berühmte Pariser Einsiedler Graf Schlabrendorf, der in seiner Klause die ganze soziale Umwälzung wie eine große Welttragödie unangefochten, betrachtend, richtend und häufig lenkend, an sich vorübergehen ließ. Denn er stand so hoch über allen Parteien, daß er Sinn und Gang der Geisterschlacht jederzeit klar überschauen konnte, ohne von ihrem wirren Lärm erreicht zu werden. Dieser prophetische Magier trat noch jugendlich vor die große Bühne, und als kaum die Katastrophe abgelaufen, war ihm der greise Bart bis an den Gürtel gewachsen.« Wohl ist die Sympathie mit der Revolution hier bereits zu gebildet zuschauender Humanität neutralisiert, aber noch diese erhebt sich gebietend über den heutigen Kult des Heilen, Organischen und Ganzheitlichen: Eichendorffs Bewahrendes ist weit genug, sein eigenes Gegenteil mitzuumfassen. Seine Freiheit zur Einsicht in das Unwiderrufliche des geschichtlichen Prozesses ist dem Konservativismus der spätbürgerlichen Phase gänzlich abhanden gekommen; je weniger die vorkapitalistischen Ordnungen mehr sich wiederherstellen lassen, desto verbissener klammert sich die Ideologie an deren angeblich geschichtloses, absolut verbürgtes Wesen.

Das vorbürgerliche Ferment im Eichendorffschen Konservativismus, das über die Bürgerlichkeit selber die Unruhe von Sehnsucht, Ausbruch und seliger Nutzlosigkeit bringt, reicht aber tief hinein bis in seine Lyrik. In Benjamins ›Einbahnstraße‹ heißt es: »Der Mann ..., der sich in Einklang mit den ältesten Überlieferungen seines Standes oder seines Volkes weiß, stellt gelegentlich sein Privatleben ostentativ in Gegensatz zu den Maximen, die er im öffentlichen Leben unnachsichtlich vertritt, und würdigt ohne leiseste Beklemmung des Gewissens sein eigenes Verhalten insgeheim als bündigsten Beweis unerschütterlicher Autorität der von ihm affichierten Grundsätze.«1 Das könnte zwar nicht auf Eichendorffs Privatleben, wohl aber auf seinen dichterischen Habitus gemünzt sein. Hinzuzufügen wäre die Frage, ob nicht eben solche Unzuverlässigkeit, neben dem Gesichertsein selbst, auch das Korrektiv an der Sicherheit, die Transzendenz zu einer bürgerlichen Gesellschaft ausdrücke, in der der Konservative nicht ganz domestiziert ist und zu deren Gegnern ihn etwas hinzieht. Sie werden bei Eichendorff von den Vaganten vertreten, den Heimatlosen von einst als Boten an die Zukunft derer, die, wie es bei Novalis die Philosophie will, überall zuhause sind. Nach dem Lob der Familie als der Keimzelle der Gesellschaft wird man bei ihm vergebens suchen. Enden einige Novellen – nicht der große Jugendroman ›Ahnung und Gegenwart‹ – konventionell mit der Ehe des Helden, so bekennt sich in der Lyrik der Dichter als der, welcher keine Bleibe hat, mit unmißverständlichem Spott gegen das Gebundensein. Das Motiv kommt aus dem Volkslied, aber die Insistenz, mit der Eichendorff es wiederholt, sagt etwas über ihn selber. Der Soldat singt: »Und spricht sie vom Freien: / So schwing ich mich auf mein Roß – / Ich bleibe im Freien, / Und sie auf dem Schloß.« Und der wandernde Musikant: »Manche Schöne macht wohl Augen, / Meinet, ich gefiel' ihr sehr, / Wenn ich nur was wollte taugen, / So ein armer Lump nicht wär. – / Mag dir Gott ein'n Mann bescheren, / Wohl mit Haus und Hof versehn! / Wenn wir zwei zusammen wären, / Möcht mein Singen mir vergehn.« Noch das berühmte Gedicht von den zwei Gesellen würde verfehlen, wer dächte, die Strophe vom ersten, der ein Liebchen fand, dem die Schwieger Haus und Hof kaufte und der behaglich seine Familie gründet, entwerfe das Bild richtigen Lebens. Die Schlußstrophe mit dem jähen Weinen »Und seh ich so kecke Gesellen« gilt dem mittleren Glück des ersten nicht weniger als dem verlorenen zweiten; das richtige Leben ist zugehängt, vielleicht schon unmöglich, und in der letzten Zeile: »Ach Gott, führ uns liebreich zu dir!« sprengt niederbrechende Verzweiflung hilflos das Gedicht.

Ihr Gegenteil ist die Utopie: »Es redet trunken die Ferne / Wie von künftigem, großem Glück!« – und nicht vom vergangenen: so unzuverlässig war Eichendorffs Konservativismus. Es ist aber eine schweifend erotische. Wie die Helden seiner Prosa schwanken zwischen Frauenbildern, die ineinanderspielen, niemals gegeneinander konturiert sind, so zeigt Eichendorffs Lyrik kaum ans konkrete Bild einer Geliebten sich gebunden: eine jegliche bestimmte Schöne wäre schon Verrat an der Idee schrankenloser Erfüllung. Selbst in »Übern Garten durch die Lüfte«, einem der passioniertesten Liebesgedichte der deutschen Sprache, erscheint weder sie selber noch redet der Dichter von sich. Laut wird einzig der Jubel: »Sie ist Deine, sie ist dein!« Über Namen und Erfüllung ist ein Bilderverbot ergangen. Der älteren Tradition der deutschen Dichtung war im Gegensatz zur französischen die unverhüllte Darstellung des Sexus fremd, und sie hat auf ihrem mittleren Niveau mit Prüderie und idealischem Philistertum bitter dafür zu büßen gehabt. In ihren größten Repräsentanten aber ist ihr das Verschweigen zum Segen angeschlagen, die Kraft des Ungesagten ins Wort gedrungen und hat ihm seine Süße geschenkt. Noch das Unsinnliche und Abstrakte ward bei Eichendorff zum Gleichnis für ein Gestaltloses: archaisches Erbe, früher als die Gestalt und zugleich späte Transzendenz, das Unbedingte über die Gestalt hinaus. Das sinnlichste Gedicht aus seiner Hand hält sich im nächtlich Unsichtbaren:

 

Über Wipfel und Saaten

In den Glanz hinein –

Wer mag sie erraten?

Wer holte sie ein?

Gedanken sich wiegen,

Die Nacht ist verschwiegen,

Gedanken sind frei.

 

Errät es nur eine,

Wer an sie gedacht,

Beim Rauschen der Haine,

Wenn niemand mehr wacht,

Als die Wolken, die fliegen –

Mein Lieb ist verschwiegen

Und schön wie die Nacht.

 

Der noch Zeitgenosse Schellings war, tastet nach den ›Fleurs du mal‹, der Zeile: »O toi que la nuit rend si belle.« Eichendorffs entfesselte Romantik führt bewußtlos zur Schwelle der Moderne.

Die Erfahrung des modernen Elements in Eichendorff, das heute wohl erst offen liegt, führt am ehesten ins Zentrum des dichterischen Gehalts. Es ist wahrhaft antikonservativ: Absage ans Herrschaftliche, an die Herrschaft zumal des eigenen Ichs über die Seele. Eichendorffs Dichtung läßt sich vertrauend treiben vom Strom der Sprache und ohne Angst, in ihm zu versinken. Für solche Generosität, die nicht haushält mit sich selber, dankt ihm der Genius der Sprache. Die Zeile: »Und ich mag mich nicht bewahren!«, die in einem seiner Gedichte vorkommt, das er selber an den Anfang von deren Ausgabe setzte, präludiert in der Tat sein gesamtes oeuvre. Hier zuinnerst ist er Schumanns Wahlverwandter, gewährend und vornehm genug, noch das eigene Daseinsrecht zu verschmähen: so verströmt die Ekstase des dritten Satzes von Schumanns Klavierphantasie ins Meer. Todverfallen ist diese Liebe und selbstvergessen. In ihr verhärtet das Ich nicht länger sich in sich selber. Es möchte etwas gutmachen von dem uralten Unrecht, Ich überhaupt zu sein. Eichendorff ist schon ein bâteau ivre, aber eines noch auf dem Fluß zwischen grünen Ufern und mit bunten Wimpeln. »Nacht, Wolken, wohin sie gehen, / Ich weiß es recht gut«, heißt es aufgelöst expressionistisch in den gleichwohl dem Volkslied nachgebildeten ›Nachtigallen‹: diese Konstellation ist der ganze Eichendorff. Der wandernde Musikant sagt: »In der Nacht dann Liebchen lauschte / An dem Fenster süß verwacht«, ein Bild der Traumbefangenen mit wirrem Haar, von keiner exakten Vorstellung mehr einzuholen, aber, durch die Synkopierung des Ausdrucks, der die Süße des Mädchens und die Übernächtigkeit ineinanderfügt, magischer als jegliche Beschreibung; im selben Geist wird sie anderswo »ein süßverträumtes Kind« genannt. Zuweilen sind bei Eichendorff Worte hingelallt, aller Kontrolle bar, und die bis zum Extrem gediehene Lockerung nähert sie dem immer schon Gewesenen: »Lied, mit Tränen halb geschrieben.«

Wie wenig ein Begriff von Kultur taugt, welcher die Künste abschneidend auf einen Nenner bringt, bezeugt die deutsche Dichtung, die, seit Lessing Shakespeare gegen den Klassizismus wandte, im äußersten Gegensatz zur großen Musik und Philosophie, nicht Integration, System, subjektiv gestiftete Einheit des Mannigfaltigen wollte, sondern Ausatmen und Dissoziation. An diesem deutschen Unterstrom, wie er vom Sturm und Drang und vom jungen Goethe über Büchner und manches von Hauptmann bis zu Wedekind, dem Expressionismus und Brecht treibt, hat Eichendorff insgeheim Anteil. Seine Lyrik ist gar nicht »subjektivistisch«, so, wie man von der Romantik es sich vorzustellen pflegt: sie erhebt, als Preisgabe an die Impulse der Sprache, stummen Einspruch gegen das dichterische Subjekt. Auf kaum einen paßt das bequeme Schema vom Erlebnis und der Dichtung schlechter als auf ihn. Das Wort »wirr«, eines seiner liebsten, ist völlig anderen Sinnes als das »dumpf« des jungen Goethe: es meldet die Suspension des Ichs, seine Preisgabe an ein chaotisch Andrängendes an, während die Goethesche Dumpfheit stets den seiner selbst gewissen Geist meint, der sich erst bildet. Ein Eichendorffsches Gedicht beginnt: »Ich hör die Bächlein rauschen / Im Walde her und hin, / Im Walde in dem Rauschen / Ich weiß nicht, wo ich bin«: so weiß diese Lyrik überhaupt nie, wo ich bin, weil das Ich sich vergeudet an das, wovon es flüstert. Genial falsch ist die Metapher von den Bächlein, die »her und hin« rauschen, denn die Bewegung der Bäche ist einsinnig, aber das Her und Hin gibt das Verstörte dessen wieder, was die Laute dem Ich sagen, das lauscht, anstatt sie zu lokalisieren; auch ein Stück Impressionismus wird in solchen Wendungen antezipiert. An eine äußerste Grenze gelangen jene Verse ›Zwielicht‹, die Thomas Mann besonders liebte. In der Jagdszene aus ›Ahnung und Gegenwart‹, in die sie eingeflochten sind, wahren sie, mit Eifersucht motiviert, eine gewisse Oberflächen-Verständlichkeit. Aber sie reicht nicht weit. Die Zeile: »Wolken ziehn wie schwere Träume« gewinnt der Lyrik die spezifische Art des Meinens im deutschen Wort Wolken, zum Unterschied etwa von nuage: das Wort Wolken und was es begleitet zieht in diesem Vers dahin wie schwere Träume, gar nicht erst die Gebilde, die es bedeutet. Vollends in der Fortsetzung bezeugt das Gedicht, isoliert vom Roman, die Selbstentfremdung des Ichs, das sich seiner entäußert hat, bis zum Wahnsinn der schizoiden Mahnung: »Hast ein Reh du lieb vor andern, /Laß es nicht alleine grasen«, und der Verfolgungsphantasie des Abgeschiedenen, die ihm den Freund in den Feind verhext.

Eichendorffs Selbstentäußerung hat nichts gemein mit jener Kraft gegenständlicher Anschauung, jener Fähigkeit zur Konkretion, die das convenu dem dichterischen Vermögen gleichsetzt. Sein lyrisches Werk neigt zum Abstrakten nicht bloß in der imago der Liebe. Kaum je gehorcht es den Kriterien sinnlichdichter Erfahrung von der Welt, die man von Goethe, Stifter, auch Mörike abgezogen hat. Es weckt damit Zweifel am unbedingten Recht jener Kriterien selbst als an einer Reaktionsbildung, dem Versuch, für das zu kompensieren, was die idealistische Philosophie gerade dem deutschen Geist entzog. In den Märchen der Grimmschen Sammlung wird kein Wald je beschrieben oder auch nur charakterisiert; und welcher Wald wäre doch so sehr einer wie der aus den Märchen. Mit Recht hat Wolfdietrich Rasch auf die Seltenheit von Zeilen »erhöhter Anschaulichkeit, mit besonderen optischen Reizen« bei Eichendorff aufmerksam gemacht wie »Schon funkelt das Feld wie geschliffen«. Nur ist es nicht mit der rhetorischen Frage getan, ob es überhaupt nötig sei zu zeigen, worin das Faszinierende seiner Verse beruhe. Denn er erreicht die außerordentlichsten Wirkungen mit einem Bilderschatz, der bereits zu seiner Zeit abgebraucht gewesen sein muß. Von jenem Schloß, an dem Eichendorffs Sehnsucht haftete, ist nicht anders die Rede als eben nur von dem Schloß; der obligate Vorrat von Mondschein, Waldhörnern, Nachtigallen, Mandolinen wird aufgeboten, ohne daß doch die Requisiten der Eichendorffschen Dichtung viel zuleide täten. Dazu trägt bei, daß er an den Bruchstücken der lingua mortua als erster wohl Ausdruckskraft entdeckt. Er hat die lyrischen Valeurs von Fremdwörtern entbunden. In dem utopischen Gedicht ›Schöne Fremde‹ folgt unmittelbar auf das »Wirr wie in Träumen« die »phantastische Nacht«, und das Abstraktum phantastisch, uralt und unberührt in eins, ruft alles Gefühl der Nacht auf, das ein genaueres Epitheton zerschnitte. Erweckt jedoch werden die Requisiten nicht durch solche Funde, auch nicht durch neue Anschauung, sondern durch die Konstellation, in die sie treten. Totes erwecken will Eichendorffs Lyrik insgesamt, so wie der einer Schonfrist bedürftige Spruch am Ende des ›Sängerleben‹ überschriebenen Abschnitts postuliert: »Schläft ein Lied in allen Dingen, / Die da träumen fort und fort, /Und die Welt hebt an zu singen, / Triffst du nur das Zauberwort.« Dies Wort, dem die wohl von Novalis inspirierten Verse nachhängen, ist kein geringeres als die Sprache selbst. Ob die Welt singt, darüber entscheidet, daß der Dichter ins Schwarze, ins Sprachdunkle, trifft, als in ein zugleich an sich schon Seiendes. Das ist der Antisubjektivismus des Romantikers Eichendorff. Vorab wird man dabei, bei dem Dichter des Heimwehs, in dem viel ungebrochener Barock gegenwärtig war, an Allegorie gemahnt. Den Vollzug seiner allegorischen Intention halten zwei Strophen fast protokollarisch fest:

 

Es zog eine Hochzeit den Berg entlang,

Ich hörte die Vögel schlagen,

Da blitzten viel Reiter, das Waldhorn klang,

Das war ein lustiges Jagen!

 

Und eh' ich's gedacht, war alles verhallt,

Die Nacht bedecket die Runde,

Nur von den Bergen noch rauschet der Wald,

Und mich schauert im Herzensgrunde.

 

In der Vision der sogleich verschwindenden Hochzeit zielt Eichendorffs ganz unausgesprochene und darum um so nachdrücklichere Allegorie ins Zentrum des allegorischen Wesens selber, die Vergänglichkeit; der Schauer, der ihn vor dem Ephemeren des Festes ergreift, das doch Dauer meint, verwandelt die Hochzeit zurück in eine Geisterhochzeit; läßt das Jähe des Lebens selber zum Gespenstischen erstarren. Stand am Anfang der deutschen Romantik die spekulative Identitätsphilosophie, in der das Gegenständliche Geist ist und der Geist Natur, dann verleiht Eichendorff den bereits verdinglichten Dingen im Einstand noch einmal die Kraft des Bedeutens, des über sich Hinausweisenden. Dieser Augenblick des Aufblitzens einer gleichsam noch in sich erzitternden Dingwelt erklärt wohl in einigem Maß das Unverwelkliche am Welken bei Eichendorff. »Aus der Heimat hinter den Blitzen rot«, hebt ein Gedicht an, als wäre das Wetterleuchten ein geronnenes, Trauer verkündendes Stück der Landschaft, wo Vater und Mutter lange tot sind. So gleichen zuweilen die hellen Sonnenränder zwischen Gewitterwolken Blitzen, die aus ihnen zünden könnten. Keines der Eichendorffschen Bilder ist nur das, was es ist, und keines läßt sich doch auf seinen Begriff bringen: dies Schwebende allegorischer Momente ist sein dichterisches Medium.

Freilich erst das Medium. In seiner Dichtung sind die Bilder wahrhaft nur Elemente, überantwortet dem Untergang im Gedicht selber. Der vergessene deutsche Ästhetiker Theodor Meyer hat in dem Buch ›Das Stilgesetz der Poesie‹, einer ebenso bescheiden vorgetragenen wie kühn gedachten Konzeption, vor mehr als fünfzig Jahren gegen den Lessingschen Laokoon und die an ihn sich anschließende Tradition, und sicherlich ohne Kenntnis Mallarmés, eine Theorie entwickelt, die etwa die Sätze zusammenfassen: »Es könnte sich bei genauerem Betrachten ergeben, daß solche Sinnenbilder mit der Sprache gar nicht geschaffen werden können, daß die Sprache allem, was durch sie hindurchgeht, auch dem Sinnlichen ihren eigenen Stempel aufdrückt; daß sie uns also das Leben, das uns der Dichter zu genießendem Nacherleben darbieten möchte, in psychischen Gebilden vorführt, die verschieden von den Erscheinungen der sinnlichen Wirklichkeit nur unserer Vorstellung eigen sind. Dann wäre die Sprache nicht das Vehikel, sondern das Darstellungsmittel der Poesie. Denn nicht in Sinnbildern, die durch die Sprache suggeriert wären, sondern in der Sprache selber und in den durch sie geschaffenen ihr allein eigentümlichen Gebilden bekämen wir den Gehalt. Man sieht, die Frage nach dem Darstellungsmittel der Poesie ist nicht müßig, ist kein Streit um des Kaisers Bart; sie wird alsbald zur Frage nach der Gebundenheit der Kunst an die sinnliche Erscheinung. Sollte es sich finden, daß die Lehre vom Vehikel ein Irrtum ist, der fallen muß, so fällt mit ihm auch die Definition der Kunst als Anschauung.«2 Das paßt genau auf Eichendorff. Die »Sprache als Darstellungsmittel der Poesie«, als ein Autonomes, ist seine Wünschelrute. Ihr dient die Selbstauslöschung des Subjekts. Der sich nicht bewahren will, findet für sich die Zeilen: »Und so muß ich, wie im Strome dort die Welle, / Ungehört verrauschen an des Frühlings Schwelle.« Zum Rauschen macht sich das Subjekt selber: zur Sprache, überdauernd bloß im Verhallen wie diese. Der Akt der Versprachlichung des Menschen, ein Wortwerden des Fleisches, bildet der Sprache den Ausdruck von Natur ein und transfiguriert ihre Bewegung ins Leben noch einmal. Rauschen war sein Lieblingswort, fast eine Formel; das Borchardtsche »Ich habe nichts als Rauschen« dürfte als Motto über Vers und Prosa Eichendorffs stehen. Dies Rauschen jedoch wird von der allzu hastigen Erinnerung an Musik versäumt. Rauschen ist kein Klang sondern Geräusch, der Sprache verwandter als dem Klang, und Eichendorff selber stellt es als sprachähnlich vor. »Er verließ schnell den Ort«, wird vom Helden des ›Marmorbildes‹ erzählt, »und immer schneller und ohne auszuruhen eilte er durch die Gärten und Weinberge wieder fort, der ruhigen Stadt zu; denn auch das Rauschen der Bäume kam ihm nun wie ein verständiges, vernehmliches Geflüster vor, und die langen gespenstischen Pappeln schienen mit ihren weitgestreckten Schatten hinter ihm drein zu langen.« Das ist nochmals allegorischen Wesens: als würde Natur dem Schwermütigen zur bedeutenden Sprache. Aber die allegorische Intention wird in Eichendorffs eigener Dichtung getragen nicht sowohl von der Natur, der er sie an jener Stelle zuschreibt, als von seiner Sprache in ihrer Bedeutungsferne. Sie ahmt Rauschen und einsame Natur nach. Damit drückt sie eine Entfremdung aus, die kein Gedanke sondern nur noch der reine Laut überbrückt. Doch auch das Entgegengesetzte. Die erkalteten Dinge werden durch die Ähnlichkeit ihres Namens mit ihnen selber heimgeholt, und der Zug der Sprache erweckt jene Ähnlichkeit. Ein Potential des jungen Goethe, der nächtigen Landschaft von ›Willkommen und Abschied‹, wird bei Eichendorff zum Formgesetz: das der Sprache als zweiter Natur, in der die vergegenständlichte, dem Subjekt verlorene diesem wiederkehrt als beseelte. Eichendorff ist dem Bewußtsein davon sehr nahe gekommen, und zwar nicht zufällig in einem Tafellied zu Goethes Geburtstag 1831, dessen letztem: »Wie rauschen nun Wälder und Quellen / Und singen vom ewigen Port.« Sagt Proust von den Bildern Renoirs, daß, seit sie gemalt wurden, die Welt selbst anders aussieht, so wird hier mit tiefem Blick an der Lyrik Goethes das Ungeheure gerühmt, daß durch sie Natur selber sich verändert habe, durch ihn die Rauschende geworden sei. Der »Port« aber, den nach Eichendorffs Deutung Wälder und Quellen besingen, ist die Versöhnung mit den Dingen durch die Sprache. Zur Musik transzendiert sie erst kraft jener Versöhnung. Das Requisitenhafte der Sprachelemente widerspricht dem nicht sowohl, als daß es die Bedingung dafür abgibt. Die Sigel einer selber bereits verdinglichten Romantik stehen in Eichendorffs Dichtung ein für die Entzauberung der Welt, und an ihnen gerade gelingt die Erweckung durch Selbstpreisgabe. Kraft gegen das Härteste hat bei Eichendorff allein das Zarteste wie in Brechts Laotse-Gedicht: »Daß das weiche Wasser in Bewegung mit der Zeit den Stein besiegt. Du verstehst.« Das weiche Wasser in Bewegung: das ist das Gefälle der Sprache, das, wohin sie von sich aus möchte, die Kraft des Dichters aber die zur Schwäche, die, dem Sprachgefälle nicht zu widerstehen eher als die, es zu meistern. Gegen den Vorwurf des Trivialen ist es so wehrlos wie die Elemente; aber was es vollbringt: die Wörter wegzuschwemmen von ihren abgezirkelten Bedeutungen und sie, in dem sie sich berühren, aufleuchten zu machen, überführt dergleichen Einwände der Armseligkeit pedantischen Gebildetseins.

Eichendorffs Größe ist nicht dort zu suchen, wo er gesichert ist, sondern wo die Schutzlosigkeit seines Gestus am äußersten sich exponiert. Das Gedicht ›Sehnsucht‹ lautet:

 

Es schienen so golden die Sterne,

Am Fenster ich einsam stand

Und hörte aus weiter Ferne

Ein Posthorn im stillen Land.

Das Herz mir im Leibe entbrennte,

Da hab' ich mir heimlich gedacht:

Ach, wer da mitreisen könnte

In der prächtigen Sommernacht!

 

Zwei junge Gesellen gingen

Vorüber am Bergeshang,

Ich hörte im Wandern sie singen

Die stille Gegend entlang:

Von schwindelnden Felsenschlüften,

Wo die Wälder rauschen so sacht,

Von Quellen, die von den Klüften

Sich stürzen in die Waldesnacht.

 

Sie sangen von Marmorbildern,

Von Gärten, die überm Gestein

In dämmernden Lauben verwildern,

Palästen im Mondenschein,

Wo die Mädchen am Fenster lauschen,

Wann der Lauten Klang erwacht

Und die Brunnen verschlafen rauschen

In der prächtigen Sommernacht.

 

Dies Gedicht, unvergänglich wie nur eines aus Menschenhand, enthält kaum einen Zug, dem man nicht das Abgeleitete, Sekundäre vorrechnen könnte, aber jeder dieser Züge wandelt sich in Charakter durch die Fühlung mit dem nächsten. Was ließe von der nächtlichen Landschaft Unverbindlicheres sich sagen, als daß sie still sei, und was wäre fataler als das Posthorn; aber das Posthorn im stillen Land, der tiefsinnige Widersinn, daß der Klang die Stille nicht sowohl tötet, denn, als ihre eigene Aura, zur Stille erst macht, trägt schwindelnd hinweg übers Gewohnte, und die unmittelbar anschließende Zeile »Das Herz mir im Leibe entbrennte«, mit dem ungebräuchlichen Präteritum, das gleichsam vom ungestümen Pochen der Gegenwart nicht los kann, verbürgt durch den Kontrast zu dem Vorhergehenden eine Würde und Eindringlichkeit, von der kein einzelnes ihrer Worte etwas weiß. Oder: wie schwach wäre, nach allen Maßstäben des Gewählten, für die Sommernacht das Attribut »prächtig«. Aber das Assoziationsfeld des Adjektivs begreift die von Menschen geschaffene Schönheit, allen Reichtum von Stoff und Stickerei in sich ein und nähert damit das Bild des gestirnten Himmels dem uralten von Mantel und Gezelt: die ahnungsvolle Erinnerung daran macht es glühen. Wie offen zutage liegt die Abhängigkeit der vier Zeilen übers Gebirge von denen aus »Kennst du das Land«, aber wie weltfern von dem mächtig festbannenden »Es stürzt der Fels und über ihn die Flut« Goethes ist das Pianissimo des »Wo die Wälder rauschen so sacht«, das Paradoxon eines leisen, gleichsam nur noch im akustischen Innenraum vernehmbaren Rauschens, in das die heroische Landschaft zerrinnt, opfernd die Bestimmtheit der Bilder für ihre Flucht in offene Unendlichkeit. So ist auch das Italien des Gedichts nicht bestätigtes Ziel der Sinne, sondern selber wiederum nur Allegorie der Sehnsucht, voll des Ausdrucks der Vergängnis, des »Verwilderten«, kaum Gegenwart. Die Transzendenz der Sehnsucht aber ist gebannt im Ende des Gedichts, einem Formeinfall des Genius, der im metaphysischen Gehalt entspringt. Wie in musikalischer Reprise schließt es sich kreishaft zusammen. Als Erfüllung der Sehnsucht dessen, der da mitreisen möchte in der prächtigen Sommernacht, erscheint die prächtige Sommernacht noch einmal, Sehnsucht selbst. Das Gedicht rankt sich gleichsam um den Goetheschen Titel ›Selige Sehnsucht‹: Sehnsucht mündet in sich als in ihr eigenes Ziel, so wie, in ihrer Unendlichkeit, der Transzendenz über alles Bestimmte, der Sehnsüchtige den eigenen Zustand erfährt; so wie Liebe stets so sehr der Liebe gilt wie der Geliebten. Denn wie das letzte Bild des Gedichts die Mädchen erreicht, die am Fenster lauschen, enthüllt es sich als erotisch; aber das Schweigen, mit dem allerorten Eichendorff Begierde zudeckt, schlägt um in jene oberste Idee des Glücks, worin Erfüllung als Sehnsucht selber sich offenbart, die ewige Anschauung der Gottheit.

 

Eichendorff zählt, nach der Periodisierung der Geistesgeschichte und auch dem eigenen Habitus nach, bereits in die Phase des Verfalls der deutschen Romantik. Wohl hat er viele aus der ersten Generation, darunter Clemens Brentano, noch gekannt, aber das Band scheint zerrissen; nicht zufällig hat er den deutschen Idealismus, nach Schlegels Wort, eine der großen Tendenzen des Zeitalters, mit dem Rationalismus verwechselt. Er hat den Nachfolgern Kants, für den er einsichtsvolle und ehrfürchtige Worte fand, »eine Art chinesischer Schönmalerei ohne allen Schatten, der doch das Bild erst wahrhaft lebendig macht« in vollkommenem Mißverständnis vorgeworfen und an ihnen kritisiert, daß sie »das Geheimnisvolle und Unerforschliche, das sich durch das ganze menschliche Dasein hindurchzieht, ohne weiteres als störend und überflüssig negierten«. Dem Bruch der Tradition, den solche ununterrichteten Sätze dessen bekunden, der selber noch im Heidelberg der großen Jahre studierte, entspricht seine Stellung zu den romantischen Errungenschaften als zu einem Erbe. Aber weit entfernt davon, daß dergleichen geistesgeschichtliche Reflexionen Eichendorffs Lyrik minderten, beweisen sie nur das Läppische einer Betrachtungsweise nach dem Schema von Aufstieg, Höhe und Verfall. Den Dichtungen Eichendorffs fiel mehr zu als denen der Inauguratoren der deutschen Romantik, die ihm bereits historisch waren und die er kaum mehr recht begriff. Hat Romantik, nach dem Wort eines anderen ihrer Spätlinge, Kierkegaard, an jedem Erlebnis die Taufe der Vergessenheit vollzogen und es der Ewigkeit der Erinnerung geweiht, dann bedurfte es wohl der Erinnerung, um der Idee der Romantik ganz Genüge zu tun, die ihrer eigenen Unmittelbarkeit und Gegenwart widersprach. Erst die abgeschiedenen Worte sind, von Eichendorffs Munde gesprochen, zur Natur zurückgekehrt, erst die Trauer um den verlorenen Augenblick hat errettet, was der lebendige bis heute stets wieder versäumte.

 

CODA: SCHUMANNS LIEDER

 

Schumanns Liederkeis nach Eichendorff-Gedichten op. 39 ist einer der großen lyrischen Zyklen der Musik. Diese bilden, seit Schuberts Müllerliedern und der ›Winterreise‹ bis zu den Georgeliedern op. 15 von Schönberg, eine eigentümliche Form, welche die Gefahr allen Liedwesens, die Verniedlichung der Musik in genrehafte Kleinformate, bannt durch Konstruktion: das Ganze steigt aus dem Zusammenhang miniaturhafter Elemente auf. Der Rang des Schumannschen Zyklus ward so wenig je in Zweifel gezogen wie sein Zusammenhang mit der glücklichen Wahl großer Dichtung. Viele der bedeutendsten Eichendorff- Verse sind darunter, und die wenigen anderen haben durch besondere Eigentümlichkeiten die Komposition inspiriert. Mit Grund nennt man die Lieder kongenial. Das heißt aber nicht, daß sie den lyrischen Gehalt ihres Vorwurfs bloß wiederholten; dann wären sie, nach höchster künstlerischer Ökonomie, überflüssig. Sondern sie bringen ein Potential der Gedichte heraus, jene Transzendenz zum Gesang, die entspringt in der Bewegung über alles bildhaft und begrifflich Bestimmte hinweg, im Rauschen des Wortgefälles. Die Kürze der gewählten Texte – keine Komposition außer der gleichsam exterritorialen dritten ist länger als zwei Seiten – erlaubt jeder einzelnen äußerste Präzision und schließt mechanische Wiederholung vorweg aus. Meist handelt es sich um variierte Strophenlieder, zuweilen um dreiteilige Liedformen nach dem Grundriß a-b-a, einigemale auch um ganz unkonventionelle, in einen Abgesang mündende Formen. Die Charaktere sind aufs genaueste gegeneinander ausgewogen, sei es durchs Mittel sich steigernder Kontraste, sei es durch verbindende Übergänge. Gerade die Profiliertheit der einzelnen Charaktere macht aber den Plan des Ganzen notwendig, wenn es nicht in Details sich zersplittern soll; die unausrottbare Frage, ob ein solcher Plan dem Komponisten bewußt war, ist gleichgültig gegenüber dem Komponierten. Wird immer wieder von Schumanns Formalismus geredet, so mag etwas daran sein, solange es um die überlieferten und ihm bereits entfremdeten Formen sich handelt; wo er sich eigene schafft, wie in seinen früheren Instrumental- und Vokalzyklen, bewährt er nicht nur den subtilsten Formsinn sondern obendrein einen von äußerster Originalität. Alban Berg hat, in seiner exemplarischen Analyse der ›Träumerei‹ und ihrer Stellung in den ›Kinderszenen‹, zum ersten Mal, zwingend, darauf aufmerksam gemacht. Der Aufbau der Eichendorfflieder, in vielem den ›Kinderszenen‹ verwandt, erheischt ähnliche Einsicht, wenn man über die bloß wiederholende Beteuerung ihrer Schönheit hinausgelangen will.

Jener Aufbau des Liederkreises steht im engsten Verhältnis zum Gehalt der Texte. Wörtlich ist der von Schumann herrührende Titel ›Liederkreis‹ zu nehmen: die Folge schließt sich den Tonarten nach zusammen und durchmißt zugleich einen modulatorischen Weg von der Melancholie des ersten, in fis-moll, zur Ekstase des letzten im Dur des gleichen Tons. Ähnlich wie die ›Kinderszenen‹ ist das Ganze zweiteilig gegliedert; und zwar im einfachsten Symmetrieverhältnis, mit der Zäsur nach dem sechsten Lied. Sie wäre durch ein deutliches Absetzen zu markieren. Das letzte Lied des ersten Teils, ›Schöne Fremde‹, steht in H-Dur, mit entschiedenem Aufstieg in die Dominanzregion; das letzte des gesamten Zyklus, in Fis-Dur, führt diesen Aufstieg noch um eine Quint weiter. Dies architektonische Verhältnis drückt ein poetisches aus: das sechste Lied endet mit der Utopie des künftigen großen Glücks, mit Ahnung; das letzte, die ›Frühlingsnacht‹ mit dem Jubel: »Sie ist Deine, sie ist dein«, mit Gegenwart. Verstärkt wird die Zäsur durch den Tonartenplan. Während die Lieder des ersten Teils allesamt in Kreuztonarten geschrieben sind, senken sie sich zu Beginn des zweiten Teils zweimal nach a-moll, ohne Vorzeichen, um dann die im ersten Teil vorwaltenden Tonarten reprisenhaft wieder aufzunehmen, bis die Anfangstonart erreicht und zugleich mit der Versetzung in Dur die stärkste modulatorische Steigerung bewirkt wird. Die Folge der Tonarten ist bis ins einzelne balanciert; das zweite Lied bringt die Dur-Parallele zum ersten, das dritte deren Dominante; das vierte senkt sich ins terzverwandte G-Dur, das fünfte stellt das vorausgehende E-Dur wieder her, und das sechste erhebt sich weiter nach H-Dur. Von den beiden a-moll-Liedern des zweiten Teils schließt das erste auf einem Dominantakkord, der das Gedächtnis an E-Dur wachruft; das anschließende, ›In der Fremde‹, anstatt in a-moll in A-Dur, das folgende erreicht dann wiederum E-Dur als Dominanz-Tonart von A-Dur, analog dem architektonischen Verhältnis des dritten zum zweiten. Ähnlich korrespondiert das zehnte, in e-moll, dem vierten in G-Dur, beide in Tonarten mit nur einem Kreuz. Anstelle des E-Dur des fünften jedoch bringt das elfte nur A-Dur und verleiht dadurch dem Übergang in die extreme Tonart, Fis-Dur, mit der großen Spannung allen modulatorischen Nachdruck. –

Diese harmonischen Proportionen vermitteln die innere Form des Zyklus. Er beginnt also mit zwei lyrischen Stücken, traurig das eine, im abgerungen fröhlichen Ton das zweite. Das dritte, ›Waldesgespräch‹, die Loreleiballade, kontrastiert ebenso durch den erzählenden Ton wie durch die breitere Anlage und den doppelstrophischen Bau; im ersten Teil nimmt es eine ähnliche Sonderstellung ein wie dann im zweiten die an analoger Stelle lokalisierte ›Wehmut‹. Das vierte und fünfte Lied wenden sich zum intimen Charakter zurück, steigern aber dessen Zartheit, ›Die Stille‹, ein piano-, die ›Mondnacht‹, ein pianissimo- Lied. Das sechste, die ›Schöne Fremde‹, bringt den ersten großen Ausbruch. Der zweite Teil wird eröffnet von einem Stück zwischen Lied und Ballade, und auch das folgende gibt den lyrischen Ausdruck im Medium des Erzählens. Die ›Wehmut‹ dann ist formal ein Intermezzo wie zuvor das ›Waldesgespräch‹, nun aber lyrisch ganz und gar, gleichsam die Selbstreflexion des Zyklus. Das zehnte Lied, ›Zwielicht‹, erreicht, wie das Gedicht es verlangt, den Schwerpunkt des Ganzen, die tiefste, dunkelste Stelle des Gefühls. Es zittert nach im elften, der Jagdvision ›Im Walde‹. Darauf endlich, mit dem stärksten Kontrast des gesamten Zyklus, die Elevation der ›Frühlingsnacht‹. –

Zu den einzelnen Liedern mag so viel bemerkt sein: das erste, ›In der Heimat hinter den Blitzen rot‹, ist »Nicht schnell« überschrieben und wird darum stets zu langsam genommen; man muß es in ruhigen Halben, nicht in Vierteln denken. Auffallend vorab die dissonierenden Akkordakzente; der kurze Mittelteil kennt ein bleich schimmerndes Dur, mit kurzen Motivansätzen im Klavier; eine unbeschreiblich ausdrucksvolle harmonische Variante fällt auf die Worte »Da ruhe ich auch«. Innerhalb der Gesamtform des Zyklus erfüllt das Lied einleitende Funktion. Es geht melodisch noch nicht aus sich heraus, hält meist mit Sekundintervallen haus. – Das zweite Lied, ›Dein Bildnis wunderselig‹, am ehesten Schumanns Heinegesängen vergleichbar, hat einen drängenden Mittelteil, dessen Impuls von der Reprise nach Hause gebracht wird. Diese beginnt mit einer Dehnung der Dominante, unter Aussparung der Tonika, so daß der harmonische Strom über den Formeinschnitt hinwegfließt. Abermals gibt es Ansätze selbständiger Nebenstimmen, eine Art hingetuschten harmonischen Kontrapunkts, der für den Stil des ganzen Werkes charakteristisch ist; folgerecht arbeitet dann auch das Nachspiel mit Imitationen des Themas durch seine Gegenbewegung. – Das ›Waldesgespräch‹ ist eines jener Schumannmodelle, aus denen Brahms entsprang. Die Form bildet der Kontrast des Balladenberichts und der Geisterstimme. Musikalisch am originellsten sind die zwiespältigen alterierten Akkorde, welche die drohende Lockung ausdrücken. – Das vierte, ganz vor sich hingesungene Lied bricht in der Mitte jäh aus und nimmt sogleich ins Leise sich zurück. Zum Wort »wissen« wird ein quartiger Akkord angeschlagen, der, durch doppelte Vorhaltsbildung, gefärbt ist wie vom Triangel. – Von der ›Mondnacht‹ läßt so schwer sich reden, wie, nach Goethes Diktum, von allem, was eine große Wirkung getan hat. Doch darf bei der Komposition, der tongewordenen Klarheit, wenigstens auf Züge verwiesen werden, durch die sie der Monotonie entgeht, wie die hinzugefügte Sekundreibung in der zweiten Strophe bei den Worten »durch die Felder«. Sigel des Liedes ist der große Nonenakkord, mit dem es anhebt. Durch die Setzweise und seine figurative Auflösung hält er sich diesseits des Schwelgerischen, das er vielfach bei Wagner, Strauss und später annimmt. Vielmehr suggerieren die übereinander geschichteten Terzen das Gefühl des Gedichts, indem das Ohr dieselben Intervalle wie ins Unendliche fortsetzt, über das real Erklingende hinaus, während zugleich die Identität des Terzenintervalls eben jene Klarheit rettet, aus deren Verhältnis zum Unendlichen der Ton des Liedes resultiert. Die Form nähert sich dem Bar; die letzte Strophe zeichnet als Abgesang die ausgreifende Gebärde des Gedichts nach, während doch die beiden letzten Zeilen Reprise des Beginns bleiben und das transzendierende Gebilde wiederum in sich verschließen. Der rhythmischen Dehnung zu den Schlußworten »Als flöge sie nach Haus«, wo aus zwei Dreiachteltakten ein großer Dreivierteltakt wird, dürfte kein Ohr sich versagen, das sie einmal wahrgenommen hat. Dies auskomponierte Ritardando hat ein Brahmsisches Verfahren gezeitigt, das endlich die bei Schumann unbestrittene Vorherrschaft der achttaktigen Periode brach. – Die ›Schöne Fremde‹ setzt auf der dritten Stufe ein, gewissermaßen in schwebender Tonalität, so daß das H-Dur des ekstatischen Schlusses wirkt, als wäre es nicht vorweg da, sondern aus dem Gang der Melodie erst erzeugt; das Wort »phantastisch« spiegelt sich in einer süß eindringenden Dissonanz. Auch hier hat die Schlußstrophe deutlich das Wesen des Abgesangs; aber in dem Lied ist insgesamt auf Symmetrie durch Wiederholung verzichtet, es strömt mit wahrhaft unerhörter Freiheit dorthin, wo es melodisch und harmonisch hinaus will.

›Auf einer Burg‹, das ritterromantische Stück, mit dem der zweite Teil anhebt, wird ausgezeichnet durch die kühnen, bei Schumann und im früheren neunzehnten Jahrhundert wohl einzigartigen Dissonanzen, die aus dem Zusammenstoß der melodischen Linie mit den choralhaften Bindungen der an Nebenstufen reichen Begleitung resultieren; es ist, als hätte die Modernität dieser Harmonisierung vorweg das Gedicht vorm Veralten schützen wollen. – Das gedämpft hastende ›Ich hör die Bächlein rauschen‹ ist aus einfachsten Zweitaktern, ohne jede rhythmische Variation gefügt, aber mit derart expressiven harmonischen Nuancen und, am Schluß, einem so grellen Akzent, daß gleichwohl die wildeste Rührung davon ausgeht. – Das Adagio-Intermezzo ›Wehmut‹ hält sich im undurchbrochenen Legatosatz harmonischer Instrumentalstimmen; die modulatorische Ausweichung in die Unterdominanzregion beim Wort »Sehnsucht« läßt jedoch darauf eine Sekunde lang schräg, wie von außen, trübsinniges Licht fallen; gegen das angedeutete D-Dur scheint die Haupttonart E-Dur kränklich aufzuleuchten. – ›Zwielicht‹, vielleicht das großartigste Stück des Zyklus, der Form nach einfaches Strophenlied, ist als starker Kontrast zum vorhergehenden kontrapunktisch, mit jener unendlich produktiven Umdeutung Bachs, an der der Historismus sich stößt, während also verwandelt Bach wahrhaft nachlebt. Das umgedachte Vorbild ist wohl das Thema der h-moll-Fuge aus dem ersten Band des Wohltemperierten Klaviers. Das c im Kontrapunkt des zweiten Takts, aus der harmonischen Molltonleiter gewonnen, hat eine Art von Schwere, die dann dem Ganzen, horizontal und vertikal, sich mitteilt, die ganze Musik in die Tiefe hinunterzieht. Die erste und zweite Strophe endet im dunklen Ton eines lang hallenden Akkords, als tönte das Lied in einem hohlen Raum; die dritte, »Hast du einen Freund hinnieden«, verdichtet das kontrapunktische Gewebe durch Hinzufügung einer dritten selbständigen Stimme; die vierte schließlich vereinfacht das Lied, bei identischer Melodie, ins Homophone und faßt die merkwürdige letzte Zeile, »Hüte dich, sei wach und munter«, aufs knappste, rezitativisch. – Das folgende Lied, ›Im Walde‹, wird erzeugt aus der anschlagenden Tonwiederholung des Horns und dem immer wiederkehrenden Gegensatz von Ritardando und a tempo, der übrigens der Darstellung außerordentliche Schwierigkeiten bereitet. Schumanns Formsinn triumphiert darin, daß er, gleichsam um die hartnäckig retardierenden Momente auszugleichen, einen fast widerstandslos gleitenden und gerade dadurch höchst unheimlichen Abgesang schreibt, der doch stets den Hornrhythmus markiert bis in die beiden letzten Noten der Singstimme hinein. – Die ›Frühlingsnacht‹ endlich, berühmt wie nur »Es war, als hätt' der Himmel«, scheint so sehr aus einem Guß, als spottete sie des analytischen Blicks; aber ihre Einheit wird gerade von der vielfältigen Artikulation des gedrängten Verlaufs erzeugt. Analog zur ›Mondnacht‹ ist die Idee des Liedes – hier die des hingerissen über sich Hinausgreifenden – im Ausgangsmaterial implizit. Die Melodie hat zum Kern einen umschriebenen Septim-Akkord. Melodisch prägnant an ihm ist das Septimintervall, dessen Schwung die Dreiklangsterzen und Sekundfüllungen überfliegt und das, in einem sonst von diesen definierten kompositorischen Raum, einer Subjektivität zur Sprache verhilft, die der Fessel sich entledigt. Schumanns Ingenium hat es jedoch nicht bei der Affektensymbolik belassen, sondern das kritische Intervall der Septime strukturell ins Zentrum gerückt. Angedeutet wird es schon in der Aufeinanderfolge der Phrasenendungen und -anfänge bei »Jauchzen möcht' ich, möchte weinen«; bei dem Wort »Sterne« erfaßt es die Singstimme, und schließlich, vor »Sie ist Deine«, wird es von der Begleitphrase des Klaviers variiert, so daß der motivische Verlauf identisch ist mit der Gefühlskurve. Das Lied des äußersten Ausbruchs ist ein piano-Lied, nach jeder Welle zum leisen Grunde zurückkehrend, und nur dem verdankt es das Atemlose, das erst im Forte der beiden Zeilen sich entlädt. Der Mittelsatz »Jauchzen möcht' ich, möchte weinen« setzt zu der jagenden Akkordbegleitung eine abermals nur eben angedeutete Gegenstimme, ohne daß doch die Bewegung unterbrochen würde. Das Atemlose steigert sich aufs höchste dort, wo, vor den Worten »Mit dem Mondesglanz herein«, ein guter Taktteil ganz ausgespart ist. Die Wiederholung der ersten Strophe führt zur Klimax nicht nur durch die harmonischen und melodischen Varianten, sondern dadurch, daß an der entscheidenden Stelle der Kontrapunkt des Mittelteils, nun erst ganz frei und erfüllend, hinzugefügt wird und ins Nachspiel hinüberträgt, in dem dies Motiv, der wahre Jubel, alles andere vergessen hinter sich zurückläßt.

 
Fußnoten

 

1 Walter Benjamin, Schriften, Frankfurt a.M. 1955, Bd. 1, S. 523f.

 

2 Theodor A. Meyer, Das Stilgesetz der Poesie, Leipzig 1901, S. 8.

 

 

Die Wunde Heine

Wer im Ernst zum Gedächtnis Heines am hundertsten Tag seines Todes beitragen will und keine bloße Festrede halten, muß von einer Wunde sprechen; von dem, was an ihm schmerzt und seinem Verhältnis zur deutschen Tradition, und was zumal in Deutschland nach dem zweiten Krieg verdrängt ward. Sein Name ist ein Ärgernis, und nur wer dem ohne Schönfärberei sich stellt, kann hoffen, weiterzuhelfen.

Nicht erst von den Nationalsozialisten ist Heine diffamiert worden. Ja diese haben ihn beinahe zu Ehren gebracht, als sie unter die Loreley jenes berühmt gewordene »Dichter unbekannt« setzten, das die insgeheim schillernden Verse, die an Figurinen der Pariserischen Rheinnixen einer verschollenen Offenbachoper mahnen, als Volkslied unerwartet sanktionierte. Das ›Buch der Lieder‹ hatte unbeschreibliche Wirkung getan, weit über den literarischen Umkreis hinaus. In seiner Folge ward schließlich die Lyrik hinabgezogen in die Sprache von Zeitung und Kommerz. Darum geriet Heine um 1900 bei den geistig Verantwortlichen in Verruf. Man mag das Verdikt der Georgeschule dem Nationalismus zuschreiben, das von Karl Kraus läßt sich nicht auslöschen. Seitdem ist die Aura Heines peinlich, schuldhaft, als blutete sie. Seine eigene Schuld ward zum Alibi jener Feinde, deren Haß gegen den jüdischen Mittelsmann am Ende das unsägliche Grauen bereitete.

Das Ärgernis umgeht, wer sich auf den Prosaschriftsteller beschränkt, dessen Rang, inmitten des durchweg trostlosen Niveaus der Epoche zwischen Goethe und Nietzsche, in die Augen springt. Diese Prosa erschöpft sich nicht in der Fähigkeit bewußter sprachlicher Pointierung, einer in Deutschland überaus seltenen, von keiner Servilität gehemmten polemischen Kraft. Platen etwa bekam sie zu spüren, als er Heine antisemitisch anrempelte und eine Abfuhr erhielt, die man heutzutage wohl existentiell nennen würde, hielte man nicht den Begriff des Existentiellen so sorgfältig von der realen Existenz der Menschen rein. Aber Heines Prosa reicht weit über solche Bravourstücke hinaus durch ihren Gehalt. Wenn, seitdem Leibniz Spinoza die kalte Schulter zeigte, alle deutsche Aufklärung insofern jedenfalls mißlang, als sie den gesellschaftlichen Stachel verlor und zum untertänig Affirmativen sich beschied, dann hat Heine allein unter den berühmten Namen der deutschen Dichtung, und in aller Affinität zur Romantik, einen unverwässerten Begriff von Aufklärung bewahrt. Das Unbehagen, das er trotz seiner Konzilianz verbreitet, geht von jenem scharfen Klima aus. Mit höflicher Ironie weigert er sich, das soeben Demolierte durch die Hintertür – – oder die Kellertür der Tiefe – sogleich wieder einzuschmuggeln. Man mag bezweifeln, ob er so stark den frühen Marx beeinflußte, wie manche jungen Soziologen es möchten. Politisch war Heine ein unsicherer Geselle: auch des Sozialismus. Aber er hat diesem gegenüber den rasch genug zugunsten von Sprüchen wie »Wer nicht arbeitet, soll nicht essen« verschütteten Gedanken ungeschmälerten Glücks im Bild einer rechten Gesellschaft festgehalten. In seiner Aversion gegen revolutionäre Reinheit und Strenge meldet sich Mißtrauen gegen das Muffige und Asketische an, dessen Spur bereits manchen frühen sozialistischen Dokumenten nicht fehlt und weit später verhängnisvollen Entwicklungstendenzen zugutekam. Heine der Individualist, der es so sehr war, daß er sogar aus Hegel nur Individualismus heraushörte, hat doch dem individualistischen Begriff der Innerlichkeit nicht sich gebeugt. Seine Idee sinnlicher Erfüllung begreift die Erfüllung im Auswendigen mit ein, eine Gesellschaft ohne Zwang und Versagung.

Die Wunde jedoch ist Heines Lyrik. Einmal hat ihre Unmittelbarkeit hingerissen. Sie hat das Goethesche Diktum vom Gelegenheitsgedicht so ausgelegt, daß jede Gelegenheit ihr Gedicht fand und jeder die Gelegenheit zum Dichten für günstig hielt. Aber diese Unmittelbarkeit war zugleich überaus vermittelt. Heines Gedichte waren prompte Mittler zwischen der Kunst und der sinnverlassenen Alltäglichkeit. Die Erlebnisse, die sie verarbeiteten, wurden ihnen unter der Hand, wie dem Feuilletonisten, zu Rohstoffen, über die sich schreiben läßt; die Nuancen und Valeurs, die sie entdeckten, machten sie zugleich fungibel, gaben sie in die Gewalt einer fertigen, präparierten Sprache. Das Leben, von dem sie ohne viel Umstände zeugten, war ihnen verkäuflich; ihre Spontaneität eins mit der Verdinglichung. Ware und Tausch bemächtigten sich in Heine des Lauts, der zuvor sein Wesen hatte an der Negation des Treibens. So groß war die Gewalt der entfalteten kapitalistischen Gesellschaft damals schon geworden, daß die Lyrik sie nicht mehr ignorieren konnte, wenn sie nicht ins provinziell Heimelige versinken wollte. Damit ragt Heine in die Moderne des neunzehnten Jahrhunderts hinein gleich Baudelaire. Aber Baudelaire, der Jüngere, zwingt der Moderne selbst, der weiter vorgerückten Erfahrung des unaufhaltsam Zerstörenden und Auflösenden, heroisch Traum und Bild ab, ja transfiguriert den Verlust aller Bilder selbst ins Bild. Die Kräfte solchen Widerstandes wuchsen mit denen des Kapitalismus. In dem Heine, den noch Schubert komponierte, waren sie nicht ebenso angespannt. Williger hat er sich dem Strom überlassen, hat gleichsam eine dichterische Technik der Reproduktion, die dem industriellen Zeitalter entsprach, auf die überkommenen romantischen Archetypen angewandt, nicht aber Archetypen der Moderne getroffen.

Darüber genau schämen sich die Nachgeborenen. Denn seit es bürgerliche Kunst gibt derart, daß die Künstler ohne Protektoren ihr Leben erwerben müssen, haben sie neben der Autonomie ihres Formgesetzes insgeheim das Marktgesetz anerkannt und für Abnehmer produziert. Nur verschwand solche Abhängigkeit hinter der Anonymität des Marktes. Sie erlaubte es dem Künstler, sich und anderen als rein und autonom zu erscheinen, und dieser Schein selbst wurde honoriert. Dem Romantiker Heine, der vom Glück der Autonomie zehrte, hat der Aufklärer Heine die Maske heruntergerissen, den bislang latenten Warencharakter hervorgekehrt. Das hat man ihm nicht verziehen. Die sich selbst überspielende und damit wiederum sich selbst kritisierende Willfährigkeit seiner Gedichte demonstriert, daß die Befreiung des Geistes keine Befreiung der Menschen war und darum auch keine des Geistes.

Die Wut dessen aber, der das Geheimnis der eigenen Erniedrigung an der eingestandenen des anderen wahrnimmt, heftet sich mit sadistischer Sicherheit an seine schwächste Stelle, das Scheitern der jüdischen Emanzipation. Denn seine von der kommunikativen Sprache erborgte Geläufigkeit und Selbstverständlichkeit ist das Gegenteil heimatlicher Geborgenheit in der Sprache. Nur der verfügt über die Sprache wie über ein Instrument, der in Wahrheit nicht in ihr ist. Wäre es ganz die seine, er trüge die Dialektik zwischen dem eigenen Wort und dem bereits vorgegebenen aus, und das glatte sprachliche Gefüge zerginge ihm. Dem Subjekt aber, das die Sprache wie ein vergriffenes Ding gebraucht, ist sie selber fremd. Heines Mutter, die er liebte, war des Deutschen nicht ganz mächtig. Seine Widerstandslosigkeit gegenüber dem kurrenten Wort ist der nachahmende Übereifer des Ausgeschlossenen. Die assimilatorische Sprache ist die von mißlungener Identifikation. Die allbekannte Geschichte, daß der Jüngling Heine dem alten Goethe auf dessen Frage nach seiner gegenwärtigen Arbeit »ein Faust« geantwortet habe und darauf ungnädig verabschiedet wurde, erklärte Heine selbst mit seiner Schüchternheit. Sein Vorwitz entsprang der Regung dessen, der für sein Leben gern aufgenommen sein möchte und damit doppelt die Bodenständigen reizt, die, indem sie ihm die Hilflosigkeit seiner Anpassung vorhalten, die eigene Schuld übertäuben, daß sie ihn ausgeschlossen haben. Das ist heute noch das Trauma von Heines Namen, und geheilt kann es nur werden, wenn es erkannt wird, anstatt trüb, vorbewußt fortzuwesen.

Die Möglichkeit dazu aber liegt rettend in der Heineschen Lyrik selber beschlossen. Denn die Macht des ohnmächtig Spottenden übersteigt seine Ohnmacht. Ist aller Ausdruck die Spur von Leiden, so hat er es vermocht, das eigene Ungenügen, die Sprachlosigkeit seiner Sprache, umzuschaffen zum Ausdruck des Bruchs. So groß war die Virtuosität dessen, der die Sprache gleichwie auf einer Klaviatur nachspielte, daß er noch die Unzulänglichkeit seines Worts zum Medium dessen erhöhte, dem gegeben ward zu sagen, was er leidet. Mißlingen schlägt um ins Gelungene. Nicht in der Musik derer, die seine Lieder vertonten – erst in der vierzig Jahre nach seinem Tod entstandenen von Gustav Mahler, in der die Brüchigkeit des Banalen und Abgeleiteten zum Ausdruck des Realsten, zur wild entfesselten Klage taugt, hat dies Heinesche Wesen sich ganz enthüllt. Erst die Mahlerschen Gesänge von den Soldaten, die aus Heimweh die Fahne flohen, die Ausbrüche des Trauermarschs der V. Symphonie, die Volkslieder mit dem grellen Wechsel von Dur und moll, die zuckende Gestik des Mahlerschen Orchesters haben die Musik der Heineschen Verse entbunden. Das Altbekannte nimmt im Munde des Fremden etwas Maßloses, Übertriebenes an, und das eben ist die Wahrheit. Ihre Chiffren sind die ästhetischen Risse; sie versagt sich der Unmittelbarkeit runder erfüllter Sprache.

In dem Zyklus, den der Emigrant ›Die Heimkehr‹ nannte, stehen die Verse:

 

Mein Herz mein Herz ist traurig,

Doch lustig leuchtet der Mai;

Ich stehe, gelehnt an der Linde,

Hoch auf der alten Bastei.

 

Da drunten fließt der blaue

Stadtgraben in stiller Ruh;

Ein Knabe fährt im Kahne,

Und angelt und pfeift dazu.

 

Jenseits erheben sich freundlich,

In winziger, bunter Gestalt,

Lusthäuser und Gärten und Menschen,

und Ochsen und Wiesen und Wald.

 

Die Mägde bleichen Wäsche,

Und springen im Gras herum:

Das Mühlrad stäubt Diamanten,

Ich höre sein fernes Gesumm.

 

Am alten grauen Turme

Ein Schilderhäuschen steht;

Ein rotgeröckter Bursche

Dort auf und nieder geht.

 

Er spielt mit seiner Flinte,

Die funkelt im Sonnenrot,

Er präsentiert und schultert –

Ich wollt, er schösse mich tot.

 

Hundert Jahre hat es gebraucht, bis aus dem absichtsvoll falschen Volkslied ein großes Gedicht ward, die Vision des Opfers. Heines stereotypes Thema, hoffnungslose Liebe, ist Gleichnis der Heimatlosigkeit, und die Lyrik, die ihr gilt, eine Anstrengung, Entfremdung selber hineinzuziehen in den nächsten Erfahrungskreis. Heute, nachdem das Schicksal, das Heine fühlte, buchstäblich sich erfüllte, ist aber zugleich die Heimatlosigkeit die aller geworden; alle sind in Wesen und Sprache so beschädigt, wie der Ausgestoßene es war. Sein Wort steht stellvertretend ein für ihr Wort: es gibt keine Heimat mehr als eine Welt, in der keiner mehr ausgestoßen wäre, die der real befreiten Menschheit. Die Wunde Heine wird sich schließen erst in einer Gesellschaft, welche die Versöhnung vollbrachte.

 

Rückblickend auf den Surrealismus

 

Die verbreitete Theorie des Surrealismus, wie sie in den Manifesten von Breton niedergelegt ist, aber auch die Sekundärliteratur beherrscht, setzt ihn zum Traum in Beziehung, zum Unbewußten, womöglich den Jungschen Archetypen, die in den Collages wie in den automatischen Niederschriften ihre von der Zutat des bewußten Ichs befreite Bildersprache gefunden hätten. So sollen Träume mit den Elementen des Realen umspringen wie seine Verfahrensweise. Ist aber keine Kunst gehalten, sich selbst zu verstehen – und man ist versucht, ihr Selbstverständnis und ihr Gelingen für fast unvereinbar zu halten – dann braucht man auch jener programmatischen und von den Vermittlern wiederholten Auffassung nicht zu parieren. Ohnehin ist das Fatale an der Interpretation von Kunst, auch der philosophisch verantwortlichen, daß sie genötigt ist, Befremdendes, indem sie es auf den Begriff bringt, durch bereits Vertrautes auszudrücken und dadurch wegzuerklären, was einzig der Erklärung bedürfte: so sehr die Kunstwerke ihrer Erklärung harren, so sehr begeht eine jegliche, sei's auch entgegen der eigenen Absicht, ein Stück Verrat an den Konformismus. Wäre in der Tat der Surrealismus nichts anderes als eine Sammlung literarischer und graphischer Illustrationen zu Jung oder selbst Freud, er verdoppelte nicht bloß überflüssig, was die Theorie selber ausspricht, anstatt daß sie es metaphorisch verkleidete, sondern er wäre auch von einer Harmlosigkeit, die kaum Raum ließe für den scandal, den der Surrealismus meint und der sein Lebenselement bildet. Ihn auf die psychologische Traumtheorie nivellieren, unterwirft ihn bereits der Schmach des Offiziellen. Dem versierten: Das ist eine Vaterfigur, gesellt sich das befriedigte: Kennen wir schon, und was bloß Traum sein soll, läßt allemal, wie Cocteau erkannte, die Realität unbeschädigt, mag ihr Bild noch so beschädigt sein.

Jene Theorie verfehlt aber die Sache selbst. So träumt man nicht, keiner träumt so. Dem Traum sind die surrealistischen Gebilde mehr nicht als bloß analog, indem sie die gewohnte. Logik und die Spielregeln des empirischen Daseins außer Kraft setzen, dabei aber doch die einzelnen auseinander gesprengten Dinge respektieren, ja all ihren Inhalt, und gerade auch den menschlichen, der Dinggestalt annähern. Es wird zerschlagen, umgruppiert, aber nicht aufgelöst. Gewiß hält es der Traum nicht anders, aber die Dingwelt erscheint doch in ihm unvergleichlich verschleierter, weniger als Realität gesetzt denn im Surrealismus, wo Kunst an der Kunst rüttelt. Das Subjekt, das im Surrealismus weit offener und ungehemmter am Werk ist als in den Träumen, wendet seine Energie gerade an seine Selbstauslöschung, zu der es im Traum keiner Energie bedarf; dadurch aber gerät alles gleichsam objektiver als im Traum, wo das Subjekt, vorweg abwesend, was immer begegnet hinter den Kulissen umfärbt und durchdringt. Die Surrealisten sind selbst unterdessen darauf gekommen, daß man so, wie sie dichten, auch nicht etwa in der psychoanalytischen Situation assoziiert. Übrigens ist die Unwillkürlichkeit selbst der psychoanalytischen Assoziationen keineswegs unwillkürlich. Jeder Analytiker weiß, welcher Mühe und Anstrengung, welchen Willens es bedarf, um des unwillkürlichen Ausdrucks mächtig zu werden, der vermöge solcher Anstrengung bereits in der analytischen Situation, geschweige denn erst in der künstlerischen der Surrealisten sich formt. In den Welttrümmern des Surrealismus kommt nicht das An sich des Unbewußten zutage. Mäße man sie an ihrer Beziehung darauf, die Symbole erwiesen sich als viel zu rationalistisch. Solche Dechiffrierungen spannten die wuchernde Vielfalt des Surrealismus über wenige Leisten, brächten sie auf ein paar dürftige Kategorien wie den Ödipuskomplex, ohne die Gewalt zu erreichen, die wenn nicht stets von den surrealistischen Kunstwerken so doch von deren Idee ausging; so scheint ja auch Freud auf Dali reagiert zu haben.

Nach der europäischen Katastrophe sind die surrealistischen Schocks kraftlos geworden. Es ist, als hätten sie Paris durch Angstbereitschaft gerettet: der Untergang der Stadt war ihr Zentrum. Will man danach den Surrealismus im Begriff aufheben, so wird man nicht auf Psychologie, sondern auf die künstlerische Verfahrungsweise zurückgehen müssen. Deren Schema sind aber fraglos die Montagen. Leicht ließe sich zeigen, daß auch die eigentlich surrealistische Malerei mit deren Motiven operiert und daß das diskontinuierliche Aneinanderfügen von Bildern in der surrealistischen Lyrik Montagecharakter hat. Diese Bilder stammen aber, wie man weiß, teils buchstäblich, teils dem Geist nach, aus Illustrationen des späteren neunzehnten Jahrhunderts, mit denen die Eltern der Generation von Max Ernst Umgang hatten; schon in den zwanziger Jahren gab es, diesseits des surrealistischen Bereichs, Sammlungen solchen Bildmaterials wie ›Our Fathers‹ von Allan Bott, die an dem surrealistischen Schock – parasitär – teilhatten und dabei dem Publikum zuliebe die Mühe der Verfremdung durch Montage sich ersparten. Die eigentlich surrealistische Praxis jedoch hat jene Elemente mit ungewohnten versetzt. Eben die haben ihnen durch den Schreck das Vertraute, das: Wo habe ich das schon einmal gesehen? verliehen. Man wird also die Affinität zur Psychoanalyse nicht in einer Symbolik des Unbewußten vermuten dürfen, sondern im Versuch, durch Explosionen Kindheitserfahrungen aufzudecken. Was der Surrealismus den Abbildern der Dingwelt hinzufügt, ist, was uns von der Kindheit verlorenging: so sollen uns als Kindern jene damals selbst schon veralteten Illustrierten angesprungen haben wie jetzt die surrealistischen Bilder. Das subjektive Moment steckt dabei in der Handlung der Montage: diese möchte, vielleicht vergebens, aber der Intention nach unverkennbar, Wahrnehmungen herstellen, so wie sie damals gewesen sein müßten. Das Riesenei, aus dem jeden Augenblick das Monstrum eines jüngsten Tages ausschlüpfen kann, ist so groß, weil wir damals so klein waren, als wir zum ersten Mal vorm Ei erschauerten.

Zu diesem Effekt hilft aber das Veraltete. An Moderne wirkt paradox, daß sie, stets schon im Bann der Immergleichheit von Massenproduktion, überhaupt Geschichte hat. Diese Paradoxie entfremdet sie und wird in den »Kinderbildern der Moderne« zum Ausdruck einer Subjektivität, die mit der Welt auch sich selbst fremd geworden ist. Die Spannung im Surrealismus, die im Schock sich entlädt, ist die zwischen Schizophrenie und Verdinglichung, gerade nicht also eine psychologischer Beseeltheit. Das frei über sich verfügende, jeder Rücksicht auf die empirische Welt ledige, absolut gewordene Subjekt enthüllt sich im Angesicht der totalen Verdinglichung, die es vollends auf sich und seinen Protest zurückwirft, selber als Unbeseeltes, virtuell als das Tote. Die dialektischen Bilder des Surrealismus sind solche einer Dialektik der subjektiven Freiheit im Stande objektiver Unfreiheit. In ihnen erstarrt der europäische Weltschmerz gleich der Niobe, die ihre Kinder verlor; in ihnen schleudert die bürgerliche Gesellschaft die Hoffnung auf ihr Überleben von sich. Kaum zu vermuten, daß einer der Surrealisten die Hegelsche Phänomenologie kannte, aber ein Satz daraus, den man zusammendenken muß mit dem allgemeineren von der Geschichte als dem Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit, definiert den surrealistischen Gehalt. »Das einzige Werk und Tat der allgemeinen Freiheit ist daher der Tod, und zwar ein Tod, der keinen inneren Umfang und Erfüllung hat.« Die darin gegebene Kritik hat der Surrealismus zur eigenen Sache gemacht; das erklärt seine politischen Impulse wider die Anarchie, die doch wieder mit jenem Gehalt unvereinbar waren. Man hat von dem Hegelschen Satz gesagt, in ihm hebe die Aufklärung sich durch ihre eigene Verwirklichung auf; um keinen geringeren Preis, nicht als eine Sprache der Unmittelbarkeit, sondern als Zeugnis des Rückschlags der abstrakten Freiheit in die Vormacht der Dinge und damit in bloße Natur wird man den Surrealismus begreifen dürfen. Seine Montagen sind die wahren Stilleben. Indem sie Veraltetes auskomponieren, schaffen sie nature morte.

Diese Bilder sind nicht sowohl die eines Inwendigen als vielmehr Fetische – Warenfetische – an die einmal Subjektives, Libido sich heftete. An ihnen, nicht durch die Selbstversenkung, holen sie die Kindheit herauf. Die Modelle des Surrealismus wären die Pornographien. Was in den Collages geschieht, was in ihnen krampfhaft innehält wie der gespannte Zug von Wollust um den Mund, ähnelt den Veränderungen, die eine pornographische Darstellung im Augenblick der Befriedigung des Voyeurs durchmacht. Abgeschnittene Brüste, Beine von Modepuppen in Seidenstrümpfen auf den Collages – das sind Erinnerungsmerkmale jener Objekte der Partialtriebe, an denen einst die Libido aufwachte. Das Vergessene offenbart dinghaft, tot, sich in ihnen als das, was die Liebe eigentlich wollte, dem sie sich selbst gleichmachen will, dem wir gleichen. Verwandt der Photographie ist der Surrealismus als erstarrtes Erwachen. Wohl sind es imagines, die er erbeutet, aber nicht die invarianten, geschichtslosen des unbewußten Subjekts, zu denen die konventionelle Auffassung sie neutralisieren möchte, sondern geschichtliche, in denen das Innerste des Subjekts seiner selbst als dessen Auswendiges, als Nachahmung eines Gesellschaftlich-Geschichtlichen innewird. »Geh Joe, mach die Musik von damals nach.«

Damit aber bildet der Surrealismus das Komplement der Sachlichkeit, mit der gleichzeitig er erstand. Das Grauen, das diese im Sinn des Worts von Adolf Loos vor dem Ornament als Verbrechen empfindet, wird mobilisiert vom surrealistischen Schock. Das Haus hat eine Geschwulst, seinen Erker. Die malt der Surrealismus: aus dem Haus wuchert ein Auswuchs von Fleisch. Die Kinderbilder der Moderne sind der Inbegriff dessen, was die Sachlichkeit mit einem Tabu zudeckt, weil es sie an ihr eigenes dinghaftes Wesen gemahnt und daran, daß sie nicht damit fertig wird, daß ihre Rationalität irrational bleibt. Der Surrealismus sammelt ein, was die Sachlichkeit den Menschen versagt; die Entstellungen bezeugen, was das Verbot dem Begehrten antat. Durch sie errettet er das Veraltete, ein Album von Idiosynkrasien, in denen der Glücksanspruch verraucht, den die Menschen in ihrer eigenen technifizierten Welt verweigert finden. Wenn aber heute der Surrealismus selber obsolet dünkt, so darum, weil die Menschen bereits jenes Bewußtsein der Versagung sich selbst versagen, das im Negativ des Surrealismus festgehalten ward.

 

Satzzeichen

 

Je weniger die Satzzeichen, isoliert genommen, Bedeutung oder Ausdruck tragen, je mehr sie in der Sprache den Gegenpol zu den Namen ausmachen, desto entschiedener gewinnt ein jegliches unter ihnen seinen physiognomischen Stellenwert, seinen eigenen Ausdruck, der zwar nicht zu trennen ist von der syntaktischen Funktion, aber doch keineswegs in ihr sich erschöpft. Die Erfahrung des Grünen Heinrich, der, nach dem großen deutschen P befragt, ausruft: das ist der Pumpernickel, gilt erst recht für die Figuren der Interpunktion. Gleicht nicht das Ausrufungszeichen dem drohend gehobenen Zeigefinger? Sind nicht Fragezeichen wie Blinklichter oder ein Augenaufschlag? Doppelpunkte sperren, Karl Kraus zufolge, den Mund auf: weh dem Schriftsteller, der sie nicht nahrhaft füttert. Das Semikolon erinnert optisch an einen herunterhängenden Schnauzbart; stärker noch empfinde ich seinen Wildgeschmack. Dummschlau und selbstzufrieden lecken die Anführungszeichen sich die Lippen.

 

Alle sind Verkehrssignale; am Ende wurden diese ihnen nachgebildet. Ausrufungszeichen sind rot, Doppelpunkte grün, Gedankenstriche befehlen stop. Aber es war der Irrtum der Georgeschule, sie darum mit Zeichen der Kommunikation zu verwechseln. Vielmehr sind es solche des Vortrags; sie dienen nicht beflissen dem Verkehr der Sprache mit dem Leser, sondern hieroglyphisch einem, der im Sprachinnern sich abspielt, auf ihren eigenen Bahnen. Überflüssig darum, sie als überflüssig einzusparen: dann verstecken sie sich bloß. Jeder Text, auch der dichtest gewobene, zitiert sie von sich aus, freundliche Geister, von deren körperloser Gegenwart der Sprachleib zehrt.

 

In keinem ihrer Elemente ist die Sprache so musikähnlich wie in den Satzzeichen. Komma und Punkt entsprechen dem Halb- und Ganzschluß. Ausrufungszeichen sind wie lautlose Beckenschläge, Fragezeichen Phrasenhebungen nach oben, Doppelpunkte Dominantseptimakkorde; und den Unterschied von Komma und Semikolon wird nur der recht fühlen, der das verschiedene Gewicht starker und schwacher Phrasierungen in der musikalischen Form wahrnimmt. Vielleicht ist aber die Idiosynkrasie gegen Satzzeichen, die vor fünfzig Jahren sich regte und der kein Aufmerksamer sich ganz entziehen wird, gar nicht so sehr Auflehnung gegen ein ornamentales Element, wie daß darin sich niederschlägt, wie heftig Musik und Sprache auseinanderstreben. Kaum jedoch wird man es für Zufall halten können, daß die Berührung der Musik mit sprachlichen Satzzeichen an das Schema der Tonalität gebunden war, das unterdessen zerfiel, und daß man die Mühe der neuen Musik recht wohl als eine um Satzzeichen ohne Tonalität darstellen könnte. Ist aber Musik gezwungen, in Satzzeichen das Bild ihrer Sprachähnlichkeit zu bewahren, so mag die Sprache ihrer Musikähnlichkeit nachhängen, indem sie den Satzzeichen mißtraut.

 

Der Unterschied zwischen dem griechischen Semikolon, jenem erhöhten Punkt, der der Stimme verwehren will, sich zu senken, und dem deutschen, das mit Punkt und Unterlänge die Senkung vollzieht und gleichwohl, indem es den Beistrich in sich aufnimmt, die Stimme in der Schwebe läßt, wahrhaft ein dialektisches Bild – dieser Unterschied scheint den zwischen der Antike und dem christlichen Zeitalter, der durchs Unendliche gebrochenen Endlichkeit, nachzuahmen; auf die Gefahr hin, daß das heute gebräuchliche griechische Zeichen erst von Humanisten des sechzehnten Jahrhunderts erfunden ward. In den Satzzeichen hat Geschichte sich sedimentiert, und sie ist es weit eher als Bedeutung oder grammatische Funktion, die aus jedem, erstarrt und mit leisem Schauder, herausblickt. Wenig fehlt darum, und man möchte für die wahren Satzzeichen nur die der deutschen Fraktur halten, deren graphisches Bild allegorische Züge bewahrt, und die der Antiqua für bloße säkularisierte Nachbilder.

 

Das geschichtliche Wesen der Satzzeichen kommt daran zutage, daß an ihnen genau das veraltet, was einmal modern war. Aufrufungszeichen sind unerträglich geworden als Gebärde der Autorität, mit der der Schriftsteller von außen her einen Nachdruck zu setzen versucht, den die Sache nicht selbst ausübt, während das musikalische Seitenstück zum Ausrufungszeichen, das Sforzato, heute noch so unentbehrlich ist wie zu Beethovens Zeiten, als es den Einbruch subjektiven Willens ins musikalische Gewebe markierte. Die Ausrufungszeichen aber sind zu Usurpatoren von Autorität, Beteuerungen der Wichtigkeit verkommen. Sie waren es indessen, die einmal die graphische Gestalt des deutschen Expressionismus prägten. Ihre Häufung lehnte sich gegen die Konvention auf und war Symptom der Ohnmacht zugleich, das Sprachgefüge von innen her zu verändern, an dem man stattdessen von außen rüttelte. Sie überleben als Male des Bruchs von Idee und Realisiertem aus jener Epoche, und ihre hilflose Beschwörung errettet sie in der Erinnerung: verzweifelte Schriftgebärde, die vergebens über die Sprache hinausmöchte. In ihr hat der Expressionismus sich verbrannt; mit den Ausrufungszeichen hat er die eigene Wirkung sich gutgeschrieben, und darum ist sie in ihnen verpufft. Sie gleichen, in expressionistischen Texten, heute den Millionenziffern auf Banknoten der deutschen Inflation.

 

Literarische Dilettanten sind daran kenntlich, daß sie alles miteinander verbinden wollen. Ihre Produkte haken die Sätze durch logische Partikeln ineinander, ohne daß die von jenen Partikeln behauptete logische Beziehung waltete. Wer nichts wahrhaft als Einheit zu denken vermag, dem ist alles unerträglich, was ans Brüchige, Abgesetzte mahnt; erst wer eines Ganzen mächtig ist, weiß um Zäsuren. Die aber lassen sich vom Gedankenstrich lernen. An ihm wird der Gedanke seines Fragmentcharakters inne. Nicht zufällig wird gerade dies Zeichen dort, wo es seinen Zweck erfüllt: wo es trennt, was Verbundenheit vortäuscht, im Zeitalter des fortschreitenden Sprachzerfalls vernachlässigt. Es hält nur noch dazu her, läppisch auf Überraschungen vorzubereiten, die eben dadurch keine mehr sind.

 

Der ernste Gedankenstrich: sein unübertroffener Meister in der deutschen Literatur des neunzehnten Jahrhunderts war Theodor Storm. Selten sind die Satzzeichen so tief dem Gehalt verschworen wie jene in seinen Novellen, stumme Linien in die Vergangenheit, Falten auf der Stirn der Texte. Die vortragende Stimme fällt mit ihnen in sorgenvolles Schweigen: die Zeit, die sie zwischen zwei Sätze einsprengen, ist eine des lastenden Erbes und hat, kahl und nackt zwischen den angezogenen Ereignissen, etwas vom Unheil des Naturzusammenhangs und von der Scham, daran zu rühren. So diskret versteckt sich der Mythos im neunzehnten Jahrhundert; er sucht Unterschlupf in der Typographie.

 

Zu den Verlusten, mit denen die Interpunktion am Sprachzerfall teilhat, rechnet der des schräggestellten Strichs, wie er etwa Verse einer Strophe voneinander sondert, die in einem Prosastück zitiert ist. Als Strophe gesetzt, zerrisse sie barbarisch das Sprachgewebe; einfach als Prosa gedruckt, machen Verse einen lächerlichen Effekt, weil Metron und Reim als kalauerhafter Zufall erscheinen; der moderne Gedankenstrich aber ist zu kraß, um zu leisten, was er in dergleichen Fällen leisten sollte. Die Fähigkeit, physiognomisch solche Differenzen wahrzunehmen, ist jedoch die Voraussetzung für jeglichen angemessenen Gebrauch der Satzzeichen.

 

Die drei Punkte, mit denen man in der Zeit des zur Stimmung kommerzialisierten Impressionismus Sätze bedeutungsvoll offen zu lassen liebte, suggerieren die Unendlichkeit von Gedanken und Assoziation, die eben der Schmock nicht hat, der sich darauf verlassen muß, durchs Schriftbild sie vorzuspiegeln. Reduziert man aber, wie die Georgeschule, jene den unendlichen Dezimalbrüchen der Arithmetik entwendeten Punkte auf die Zahl zwei, so meint man, die fiktive Unendlichkeit ungestraft weiter beanspruchen zu können, indem man, was dem eigenen Sinn nach unexakt sein will, als exakt drapiert. Der Interpunktion des unverschämten Schmocks ist die des verschämten nicht überlegen.

 

Anführungszeichen soll man nur dort verwenden, wo man etwas anführt, beim Zitat, allenfalls wo der Text von einem Wort, auf das er sich bezieht, sich distanzieren will. Als Mittel der Ironie sind sie zu verschmähen. Denn sie dispensieren den Schriftsteller von jenem Geist, dessen Anspruch der Ironie unabdingbar innewohnt, und freveln an deren eigenem Begriff, indem sie sie von der Sache trennen und das Urteil über diese als vorentschieden hinstellen. Die gehäuften ironischen Anführungszeichen bei Marx und Engels sind Schatten, welche das totalitäre Verfahren vorauswirft über ihre Schriften, die das Gegenteil meinten: der Samen, aus dem schließlich wurde, was Karl Kraus das Moskauderwelsch nannte. Die Gleichgültigkeit gegen den sprachlichen Ausdruck, die in der mechanischen Überantwortung der Intention ans typographische Cliché sich kundgibt, weckt den Verdacht, es sei eben die Dialektik stillgestellt, die den Inhalt der Theorie ausmacht, und das Objekt werde ihr von oben her, verhandlungslos, subsumiert. Dort, wo es überhaupt etwas zu sagen gibt, weist allerorten Indifferenz gegenüber der literarischen Form auf Dogmatisierung des Inhalts. Der blinde Richtspruch der ironischen Anführungszeichen ist deren graphischer Gestus.

 

Theodor Haecker erschrak mit Recht darüber, daß das Semikolon ausstirbt: er erkannte darin, daß keiner mehr eine Periode schreiben kann. Dazu gehört die Furcht vor seitenlangen Abschnitten, die vom Markt erzeugt ward; von dem Kunden, der sich nicht anstrengen will und dem erst die Redakteure und dann die Schriftsteller, um ihr Leben zu erwerben, sich anpaßten, bis sie am Ende der eigenen Anpassung Ideologien wie die der Luzidität, der sachlichen Härte, der gedrängten Präzision erfanden. Bei dieser Tendenz lassen aber Sprache und Sache nicht sich trennen. Durch das Opfer der Periode wird der Gedanke kurzatmig. Die Prosa wird auf den Protokollsatz, der Positivisten liebstes Kind, heruntergebracht, auf die bloße Registrierung der Tatsachen, und indem Syntax und Interpunktion des Rechts sich begeben, diese zu artikulieren, zu formen, Kritik an ihnen zu üben, schickt bereits die Sprache sich an, vor dem bloß Seienden zu kapitulieren, ehe nur der Gedanke Zeit hat, diese Kapitulation eifrig von sich aus ein zweites Mal zu vollziehen. Mit dem Verlust des Semikolons fängt es an, mit der Ratifizierung des Schwachsinns durch die von aller Zutat gereinigte Vernünftigkeit hört es auf.

 

Die Sensibilität des Schriftstellers in der Interpunktion bewährt sich in der Behandlung der Parenthesen. Der Vorsichtige wird dazu neigen, sie zwischen Gedankenstriche zu stellen und nicht in Klammern, denn die Klammer nimmt die Parenthese aus dem Satz ganz heraus, schafft gleichsam Enklaven, während doch nichts, was in guter Prosa vorkommt, dem Gesamtbau entbehrlich sein sollte; mit dem Zugeständnis solcher Entbehrlichkeit geben die Klammern stillschweigend den Anspruch auf die Integrität der sprachlichen Gestalt auf und kapitulieren vor der pedantischen Banausie. Dagegen halten die Gedankenstriche, welche die Parenthese aus dem Fluß herausstauen, ohne sie ins Gefängnis zu sperren, Beziehung und Distanz gleichermaßen fest. Aber wie das blinde Vertrauen auf ihre Kraft, das zu leisten, illusionär wäre, indem es vom bloßen Mittel erwartete, was einzig von Sprache und Sache selber geleistet werden kann, so läßt sich an der Alternative von Gedankenstrichen und Klammern entnehmen, wie hinfällig abstrakte Normen der Interpunktion sind. Proust, den keiner leicht einen Banausen nennen wird und dessen Pedanterie nichts ist als ein Aspekt seiner großartigen mikrologischen Kraft, hat unbedenklich mit Klammern gearbeitet, vermutlich, weil in den großen Perioden die Parenthesen so lang gerieten, daß ihre bloße Länge die Gedankenstriche annulliert hätte. Sie bedürfen festerer Dämme, um nicht die ganze Periode zu überfluten und jenes Chaos zu bereiten, dem jede dieser Perioden atemlos abgezwungen ward. Das Recht für den Proustschen Interpunktionsgebrauch liegt aber einzig beim Ansatz seines gesamten Romanwerkes: daß der Schein des Kontinuums der Erzählung durchbrochen wird, daß durch alle seine Fenster der asoziale Erzähler hineinzuklettern bereit ist, um den dunklen temps durée mit der Blendlaterne der gar nicht so unwillkürlichen Erinnerung zu beleuchten. Seine eingeklammerten Parenthesen, die wie das Schriftbild so den Vortrag unterbrechen, sind Denkmäler der Augenblicke, da der Autor, müde des ästhetischen Scheins und mißtrauisch gegen die Selbstgenügsamkeit der Vorgänge, die er doch ohnehin nur aus sich hervorspinnt, offen die Zügel ergreift.

 

Den Satzzeichen gegenüber befindet der Schriftsteller sich in permanenter Not; wäre man beim Schreiben seiner selbst ganz mächtig, man fühlte die Unmöglichkeit, je eines richtig zu setzen, und gäbe das Schreiben ganz auf. Denn die Anforderungen der Regeln der Interpunktion und des subjektiven Bedürfnisses von Logik und Ausdruck lassen sich nicht vereinen: in den Satzzeichen geht der Wechsel, den der Schreibende auf die Sprache zieht, zu Protest. Weder kann er den vielfach starren und groben Regeln sich anvertrauen, noch kann er sie ignorieren, wenn er nicht einer Art Eigenkleidung verfallen und durch die Pointierung des Unscheinbaren – und Unscheinbarkeit ist das Lebenselement der Interpunktion – deren Wesen verletzen will. Umgekehrt aber darf er, wenn er es ernst meint, nichts von dem, was er sucht, einem Allgemeinen opfern, mit dem kein Schreibender heute sich ganz und gar identisch fühlen kann und mit dem er sich überhaupt nur um den Preis des Archaisierens gleichzusetzen vermöchte. Jedesmal ist der Konflikt auszutragen, und man braucht viel Kraft oder viel Dummheit, um darüber nicht den Mut zu verlieren. Zu raten wäre allenfalls, man solle mit den Satzzeichen umgehen wie Musiker mit verbotenen Fortschreitungen der Harmonien und Stimmen. Einer jeden Interpunktion, wie einer jeden solchen Fortschreitung, läßt sich anmerken, ob sie eine Intention trägt oder bloß schlampt; und, subtiler, ob der subjektive Wille die Regel brutal durchbricht oder ob das wägende Gefühl sie behutsam mitdenkt und mitschwingen läßt, wo er sie suspendiert. Das wird sich besonders an den unscheinbarsten Zeichen erweisen, den Kommata, deren Beweglichkeit sich am ehesten dem Ausdruckswillen anschmiegt, die aber gerade in solcher Nähe zum Subjekt die Tücke des Objekts entfalten und besonders empfindlich werden mit Ansprüchen, die man ihnen kaum zutraut. Jedenfalls wird heute wohl der am besten fahren, der an die Regel: besser zuwenig als zuviel, sich hält. Denn die Satzzeichen, welche die Sprache artikulieren und damit die Schrift der Stimme anähneln, haben durch ihre logisch-semantische Verselbständigung von dieser doch gleich aller Schrift sich geschieden und geraten in Konflikt mit ihrem eigenen mimetischen Wesen. Davon sucht der asketische Gebrauch der Satzzeichen etwas gutzumachen. Jedes behutsam vermiedene Zeichen ist eine Reverenz, welche die Schrift dem Laut darbringt, den sie erstickt.

 

Der Artist als Statthalter

 

Die Rezeption Paul Valérys in Deutschland, die bis heute nicht recht gelang, stellt darum vor besondere Schwierigkeiten, weil sein Anspruch vorab auf dem lyrischen Werk beruht. Kaum bedarf es eines Wortes, daß Lyrik in eine fremde Sprache nicht entfernt so transponiert werden kann wie Prosa; ganz gewiß nicht die unerbittlich gegen jede Kommunikation mit einer vorgestellten Leserschaft abgedichtete poésie pure des Mallarmé-Schülers. Mit Recht hat gerade George gesagt, es sei überhaupt nicht die Aufgabe der Übersetzung von Lyrik, einen fremdländischen Verfasser einzuführen, sondern ihm in der eigenen Sprache ein Denkmal zu errichten oder, wie der Gedanke von Benjamin gewandt ward, die eigene Sprache durch den Einbruch des fremden Dichtwerks zu erweitern und zu steigern. Immerhin ist trotzdem, oder vielleicht gerade wegen der Intransigenz seines großen Übersetzers, Baudelaire aus dem geschichtlichen Material der deutschen Literatur nicht wegzudenken. Nichts dergleichen bei Valéry; übrigens blieb auch bereits Mallarmé Deutschland wesentlich verschlossen. Wenn die Auswahl Valéryscher Verse, an der Rilke sich versucht hat, nichts von dem leistete, was den großen Übersetzungswerken von George, auch etwa den Borchardtschen Swinburne-Übertragungen gelang, so liegt das nicht nur an der Sprödigkeit des Gegenstandes. Rilke hat das Grundgesetz jeglicher legitimen Übertragung, die Treue zum Wort, verletzt und ist gerade Valéry gegenüber in eine Übung des ungefähren Nachdichtens zurückgefallen, die weder dem Modell Gerechtigkeit widerfahren läßt, noch kraft dessen strenger Abbildung sich in sich selbst zur vollen Freiheit erhebt. Man braucht nur Rilkes Version eines der berühmtesten und in der Tat schönsten Gedichte von Valéry, ›Les Pas‹, mit dem Original zu vergleichen, um zu sehen, welcher Unstern über dem Rencontre waltete.

Nun besteht aber, wie man weiß, das Valérysche Werk keineswegs bloß in Lyrik, sondern auch in Prosa wahrhaft kristallinischer Art, die sich auf dem schmalen Grat zwischen ästhetischer Gestaltung und Reflexion über die Kunst provokativ bewegt. In Frankreich finden sich höchst kompetente Beurteiler, unter ihnen Gide, die diesem Teil von Valérys Produktion sogar das größere Gewicht zusprechen. In Deutschland ist auch sie, abgesehen von ›Monsieur Teste‹ und ›Eupalinos‹, bis heute kaum erfahren worden. Wenn ich hier auf eines der Prosabücher zu sprechen komme, so geschieht das nicht bloß, um dem bekannten Namen eines unbekannten Autors etwas von der Resonanz zu erbitten, um die er nicht zu bitten brauchte, sondern um mit der sachlichen Kraft, die seinem Werke innewohnt, der sturen Antithese von engagierter und reiner Kunst zu Leibe zu rücken. Sie ist ein Symptom der verhängnisvollen Tendenz zur Stereotypie, zum Denken in starren und schematischen Formeln, wie sie die Kulturindustrie allenthalben hervorbringt und wie sie längst auch ins Bereich der ästhetischen Erwägung eingedrungen ist. Die Produktion droht sich zu polarisieren in die sterilen Verwalter der Ewigkeitswerte auf der einen Seite und auf der anderen die Unheilsdichter, von denen man schon manchmal nicht mehr weiß, ob ihnen nicht die Konzentrationslager als Begegnung mit dem Nichts ganz recht sind. Ich möchte zeigen, welcher geschichtliche und gesellschaftliche Inhalt gerade dem Werke Valérys innewohnt, das jeden Kurzschluß zur Praxis sich versagt; ich möchte deutlich machen, daß das Beharren auf der Formimmanenz des Kunstwerks nicht zu tun haben muß mit dem Anpreisen unveräußerlicher, aber lädierter Ideen und daß in solcher Kunst und in dem Gedanken, der an ihr sich nährt und ihr gleicht, tieferes Wissen von historischen Veränderungen des Wesens sich kundgeben kann als in Äußerungen, die so behend es auf die Veränderung der Welt abgesehen haben, daß ihnen die lastende Schwere eben der Welt zu entgleiten droht, die es zu verändern gilt.

Das Buch, das ich meine, ist leicht zugänglich. Es ist in der Bibliothek Suhrkamp erschienen und trägt den deutschen Titel ›Tanz, Zeichnung und Degas‹1. Die Übertragung stammt von Werner Zemp. Sie ist ansprechend, auch wenn sie nicht stets die mit unendlicher Anstrengung errungene Grazie des Valéryschen Textes so hintergründig wiedergibt, wie sie es erheischt. Aber es ist dafür doch das Element des Leichten als solches, das Arabeskenhafte, und dessen paradoxes Verhältnis zu den aufs äußerste belasteten Gedanken bewahrt; zumindest der Schrecken der Unverständlichkeit wird von dem Bändchen kaum ausgehen. Neid erregt Valérys Fähigkeit, die subtilsten und schwierigsten Erfahrungen spielerisch, schwerelos zu formulieren, so wie er es zu Beginn des Degas-Buchs sich selbst als Programm setzt: »Wie ein etwas zerstreuter Leser seinen Bleistift an den Rändern eines Buches spazierenführt und, dank seiner Zerstreutheit und der Laune des Stifts, kleine Figuren oder unbestimmtes Schnörkelwerk neben den gedruckten Text kritzelt, so will ich das Folgende nach Einfall und Belieben an den Rand dieser paar Studien von Edgar Degas schreiben. Ich begleite diese Bilder mit ein wenig Text, der nicht unbedingt gelesen zu werden braucht, oder doch nicht unbedingt in einem Zug, und der nur einen ganz losen Zusammenhang mit diesen Zeichnungen hat, ja in überhaupt keiner unmittelbaren Beziehung zu ihnen steht.« (7) Diese Fähigkeit Valérys ist nicht billig auf die stets wieder als Lückenbüßer bemühte romanische Formbegabung, nicht einmal auf seine eigene exzeptionelle zurückzuführen. Sie wird gespeist von seinem unermüdlichen Drang zum Objektivieren und, mit Cézannes Wort, Realisieren, der kein Dunkles, Unaufgehelltes, Ungelöstes duldet; dem die Transparenz nach außen zum Maß des Gelingens im Innern selbst wird.

Um so eher könnte man wohl Anstoß daran nehmen, wenn ein Philosoph über ein Buch spricht, das ein esoterischer Dichter über einen vom Handwerk besessenen Maler geschrieben hat. Ich möchte dies Bedenken lieber vorweg erörtern, als es naiv provozieren; um so mehr als dabei ein Zugang zur Sache selbst sich eröffnet. Ich halte es nicht für meine Aufgabe, über Degas mich zu äußern, und fühle mich dieser Aufgabe auch nicht gewachsen. Die Gedanken von Valéry, auf die ich hinweisen möchte, greifen allesamt über den großen impressionistischen Maler hinaus. Aber sie sind gewonnen vermöge jener Nähe zum künstlerischen Objekt, deren nur fähig ist, wer selbst in äußerster Verantwortung produziert. Große Einsichten in die Kunst geraten überhaupt entweder in absoluter Distanz, aus der Konsequenz des Begriffs, ungestört vom sogenannten Kunstverständnis, wie bei Kant oder auch Hegel, oder in solcher absoluten Nähe, der Haltung dessen, der hinter den Kulissen steht, der nicht Publikum ist, sondern das Kunstwerk mitvollzieht unter dem Aspekt des Machens, der Technik. Der mittlere, sich einfühlende Kunstverständige, der Mann mit Geschmack ist zumindest heute und wahrscheinlich schon stets in Gefahr, die Kunstwerke zu verfehlen, indem er sie zu Projektionen seiner Zufälligkeit erniedrigt, anstatt ihrer objektiven Disziplin sich zu unterwerfen, Valéry bietet den fast einzigartigen Fall des zweiten Typus, dessen, der vom Kunstwerk durchs métier, den präzisen Arbeitsprozeß weiß, in dem aber dieser Prozeß sogleich so glücklich sich reflektiert, daß er in die theoretische Einsicht umschlägt, in jene gute Allgemeinheit, die nicht das Besondere fortläßt, sondern es in sich bewahrt und es aus der Kraft der eigenen Bewegung ins Verbindliche treibt. Er philosophiert nicht über Kunst, sondern durchbricht, im gleichsam fensterlosen Vollzug des Gestaltens selber, die Blindheit des Artefakts. So drückt er etwas von der Verpflichtung aus, die jeglicher ihrer selbst bewußten Philosophie heute auferlegt ist; derselben Verpflichtung, die am entgegengesetzten Pol, dem spekulativen Begriff, in Deutschland vor hundertundvierzig Jahren von Hegel erreicht war. Das zur äußersten Konsequenz gesteigerte l'art pour l'art-Prinzip transzendiert bei Valéry sich selber, treu dem Satz der ›Wahlverwandtschaften‹, daß alles in seiner Art Vollkommene über seine Art hinausweise. Der Vollzug des dem Kunstwerk selbst streng immanenten geistigen Prozesses heißt zugleich: Blindheit und Befangenheit des Kunstwerks überwinden. Nicht umsonst haben Valérys Gedanken immer wieder um Lionardo da Vinci gekreist, in dem zu Beginn der Epoche eben jene Identität von Kunst und Erkenntnis unvermittelt gesetzt ist, die am Ende, durch hundert Vermittlungen hindurch, in Valéry zum großartigen Selbstbewußtsein gefunden hat. Das Paradoxon, um welches das Valérysche Werk geordnet ist und das auch im Degas-Buch immer wieder sich anmeldet, ist nichts anderes, als daß mit jeder künstlerischen Äußerung und mit jeder Erkenntnis der Wissenschaft der ganze Mensch und das Ganze der Menschheit gemeint sei, daß aber diese Intention nur durch selbstvergessene und bis zum Opfer der Individualität, zur Selbstpreisgabe des je einzelnen Menschen rücksichtslos gesteigerte Arbeitsteilung sich verwirklichen lasse.

Diesen Gedanken trage ich nicht willkürlich in Valéry hinein. »Das, was ich die ›Große Kunst‹ nenne, ist, mit einem Wort, die Kunst, die gebieterisch alle Fähigkeiten eines Menschen für sich beansprucht und deren Werke so sind, daß alle Fähigkeiten eines andern sich von ihnen angesprochen fühlen und aufgeboten werden müssen, um sie zu begreifen ...« (138) Eben das wird, mit einem düsteren geschichtsphilosophischen Seitenblick, auch vom Künstler selber gefordert, vielleicht gerade in Erinnerung an Lionardo: »Hier wird nun mehr als einer ausrufen, was schon daran liege! Ich meinerseits glaube, es ist wichtig genug, daß an der Hervorbringung des Kunstwerks der ganze Mensch sich beteiligt. Aber wie ist es nur möglich, daß das, was man heute ohne weiteres glaubt vernachlässigen zu dürfen, ehemals so wichtig genommen wurde? Ein Liebhaber, ein Kenner aus der Zeit Julius II. oder Ludwigs XIV. wäre höchlichst erstaunt, vernehmen zu müssen, daß beinahe alles, was ihm an der Malerei wesentlich erschien, heutzutage nicht nur vernachlässigt wird, sondern für die Absichten des Malers und für die Ansprüche des Publikums völlig belanglos ist. Ja, je verfeinerter dieses Publikum ist, desto fortgeschrittener, das heißt: desto weiter entfernt ist es von jenen früheren Idealen. Aber es ist der gesamte Mensch, von dem man sich solchermaßen entfernt. Der Vollmensch stirbt aus.« (135/6) Es bleibt dahingestellt, ob der Ausdruck Vollmensch, der peinliche Assoziationen mit sich führt, die angemessene Übersetzung des von Valéry Gemeinten bietet; jedenfalls aber zielt er auf den ungeteilten Menschen, den, dessen Reaktionsweisen und Fähigkeiten nicht selber nach dem Schema der gesellschaftlichen Arbeitsteilung voneinander gerissen, einander entfremdet, zu verwertbaren Funktionen geronnen sind.

Aber Degas, dessen Ungenügsamkeit im Anspruch an sich selbst, Valéry zufolge, auf diese Idee der Kunst hinausläuft, wird von ihm als das äußerste Gegenteil eines Universalgenies dargestellt, obwohl der Maler nicht nur, wie man weiß, als Plastiker arbeitete, sondern auch Sonette schrieb, über die es zu denkwürdigen Kontroversen mit Mallarmé kam. Valéry sagt von ihm: »Die Arbeit, das Zeichnen waren bei ihm zur Leidenschaft geworden, einer strengen Übung, Gegenstand einer Mystik und einer Ethik, die sich selber genügten, zu einem höchsten Anliegen, das jeden andern Belang schlechterdings aufhob, einem Anstoß nie gelöster, genau umrissener Aufgaben, die ihn jeder weiteren Neugierde entband. Er war Spezialist und wollte es sein, in einem Bereich, der sich bis zu einer gewissen Universalität zu steigern vermag.« (114) Solche Steigerung des Spezialistentums zur Universalität, die verrannte Intensivierung der arbeitsteiligen Produktion enthält nach Valéry das Potential einer möglichen Gegenwirkung gegen jenen Zerfall der menschlichen Kräfte – im jüngsten Sprachgebrauch der Psychologie würde man sagen: der Ichschwäche – dem Valérys Spekulation nachhängt. Er führt eine Äußerung des siebzigjährigen Degas an: »›Man muß eine hohe Meinung haben, nicht sowohl von dem, was man im Augenblick macht, als vielmehr von dem, was man eines Tages wird machen können; ohne das verlohnt es sich nicht, zu arbeiten.‹« (114) Das interpretiert Valéry: »So spricht der echte Stolz, Gegengift jeder Eitelkeit. Wie der Spieler fieberhaft seinen Partien nachsinnt, nachts vom Gespenst des Schachbretts oder des Spieltisches, auf den die Karten fallen, heimgesucht, von taktischen Kombinationen und ebenso spannenden wie nichtigen Lösungen bedrängt wird, so auch der Künstler, der wesentlich Künstler ist. Ein Mensch, der nicht ständig von einer derart heftig ihn erfüllenden Gegenwart sich belagert fühlt, ist ein Mensch ohne Bestimmung: ein brachliegendes Erdreich. Die Liebe, ohne Zweifel, und der Ehrgeiz sowie die Habgier beanspruchen viel Raum in einem Menschenleben. Aber das Vorhandensein eines sicheren Ziels und die damit verbundene Gewißheit, daß es näher oder ferner, erreicht oder nicht erreicht ist, ziehen diesen Leidenschaften bestimmte Grenzen. Dagegen rückt der Wunsch, etwas zu schaffen, wovon eine größere Macht oder Vollkommenheit ausgehen soll, als wir sie uns selber zutrauen, den betreffenden, jedem irdischen Augenblick entschlüpfenden und sich versagenden Gegenstand von uns ab in unendliche Fernen. Jeder Fortschritt unsererseits entrückt ihn ebensosehr, als er ihn verschönert. Die Vorstellung, die Technik einer Kunst völlig zu beherrschen, dereinst in der Lage zu sein, über ihre Mittel ebenso sicher und mühelos verfügen zu können, wie man über den normalen Gebrauch seiner Sinne und Glieder verfügt, gehört zu jenen Wunschbildern, auf die gewisse Menschen mit einer unendlichen Beharrlichkeit, unendlichen Aufwendungen, Übungen, Qualen reagieren müssen.« (114–116) Und Valéry faßt die Paradoxie des universalen Spezialistentums zusammen: »Flaubert, Mallarmé, jeder auf seinem Gebiet und auf seine Weise, sind literarische Beispiele für das völlige Aufgehen eines Lebens im Dienste des alles umfassenden imaginären Anspruchs, den sie der Kunst des Schreibens beimaßen.« (116)

Ich darf an meine Behauptung erinnern, daß dem berüchtigten Artisten und Ästheten Valéry tiefere Einsicht in das gesellschaftliche Wesen von Kunst zufällt als der Doktrin ihrer unmittelbaren praktisch-politischen Nutzanwendung. Man mag das hier erhärtet finden. Denn die Theorie vom engagierten Kunstwerk, wie sie heute gang und gäbe ist, setzt sich über die in der Tauschgesellschaft unabdingbar herrschende Tatsache der Entfremdung zwischen den Menschen sowohl wie zwischen dem objektiven Geist und der Gesellschaft, die er ausdrückt und richtet, umstandslos hinweg. Sie will, daß die Kunst unmittelbar zu den Menschen spreche, als ließe sich in einer Welt universaler Vermittlung das Unmittelbare unmittelbar realisieren. Gerade damit aber degradiert sie Wort und Gestalt zum bloßen Mittel, zum Element des Wirkungszusammenhangs, zur psychologischen Manipulation und höhlt die Stimmigkeit und Logik des Kunstwerks aus, das nicht mehr nach dem Gesetz der eigenen Wahrheit sich entfalten, sondern die Linie des geringsten Widerstands bei den Konsumenten verfolgen soll. Valéry ist aktuell und das Widerspiel jenes Ästheten, zu dem ihn das vulgäre Vorurteil stempelt, weil er dem kurzatmig-pragmatischen Geist den Anspruch der unmenschlichen Sache um des Menschlichen willen entgegensetzt. Daß aber die Arbeitsteilung nicht durch ihre Verleugnung, daß die Kälte der rationalisierten Welt nicht durch empfohlene Irrationalität sich bannen läßt, ist eine gesellschaftliche Wahrheit, die durch den Faschismus aufs nachdrücklichste demonstriert worden ist. Durch ein Mehr, nicht durch ein Weniger an Vernunft lassen die Wunden sich heilen, welche das Werkzeug Vernunft im unvernünftigen Ganzen der Menschheit schlägt.

Dabei hat Valéry weder naiv die Position des vereinsamten und entfremdeten Künstlers hingenommen, noch von der Geschichte abstrahiert, noch sich Illusionen gemacht über den gesellschaftlichen Prozeß, der in der Entfremdung terminierte. Gegen die Pächter der privaten Innerlichkeit, die Schlauheit, die oft genug ihre Funktion auf dem Markt erfüllt, indem sie die Reinheit dessen vorspiegelt, der nicht nach rechts und nicht nach links blickt, zitiert er einen sehr schönen Satz von Degas: »›Wieder einer jener Eremiten, die wissen, wann der nächste Zug abgeht.‹« (129) Mit aller Härte, ohne alle ideologische Zutat, wie kein Theoretiker der Gesellschaft es rücksichtsloser vermöchte, spricht Valéry den Widerspruch der künstlerischen Arbeit als solcher zu den heute herrschenden gesellschaftlichen Bedingungen der materiellen Produktion aus. Er zeiht, wie in Deutschland vor mehr als hundert Jahren Carl Gustav Jochmann, die Kunst selber des Archaismus: »Bisweilen kommt mir der Gedanke, die Arbeit des Künstlers sei eine Arbeit noch ganz urtümlicher Art; der Künstler selber etwas Überlebtes; zu einer im Aussterben begriffenen Klasse von Arbeitern oder Handwerkern gehörig, die unter Anwendung höchst persönlicher Methoden und Erfahrungen Heimarbeit verrichtet; im vertrauten Durcheinander ihrer Werkzeuge lebt, blind für ihre Umgebung, nur sieht, was sie sehen will; die zerschlagene Töpfe, häuslichen Eisenkram und sonstiges überzähliges Zeug ihren Zwecken dienstbar macht ... Ob dieser Zustand sich je ändert und man vielleicht an Stelle des wunderlichen Wesens, das mit so weitgehend vom Zufall abhängigem Werkzeug sich behilft, dereinst einen peinlich in Weiß gekleideten, mit Gummihandschuhen versehenen Herrn in seinem Mal-Laboratorium antreffen wird, der sich an einen strikten Stundenplan hält, über streng spezialisierte Apparate und ausgesuchte Instrumente verfügt: jedes an seinem Platz, jedes einer bestimmten Verwendung vorbehalten? ... Bis jetzt freilich ist der Zufall aus unserem Tun noch nicht ausgeschaltet, so wenig als das Geheimnis aus der Technik, die Trunkenheit aus dem Stundenplan; aber ich möchte mich für nichts verbürgen.« (33/4) Man könnte wohl Valérys ironisch vorgetragene ästhetische Utopie als den Versuch bezeichnen, dem Kunstwerk die Treue zu halten und es zugleich durch Änderung der Verfahrungsweisen von der Lüge zu befreien, von der alle Kunst, und die Lyrik zumal, entstellt scheint, die unter den herrschenden technologischen Bedingungen sich regt. Der Künstler soll sich zum Instrument umschaffen: selbst zum Ding werden, wenn er nicht dem Fluch des Anachronismus inmitten einer verdinglichten Welt verfallen will. Valéry faßt den zeichnerischen Vorgang zusammen in dem Satz: »Der Künstler tritt vor und tritt zurück, er neigt sich bald nach dieser, bald nach jener Seite, er blinzelt, er benimmt sich, als sei sein gesamter Körper nur ein Zubehör seiner Augen, er selber vom Scheitel bis zur Sohle ein bloßes Instrument im Dienste des Zielens, Punktierens, Linierens, Präzisierens.« (67) Damit rückt Valéry jener unendlich verbreiteten Vorstellung vom Wesen des Kunstwerks zuleibe, die es, nach dem Muster des Privateigentums, dem gutschreibt, der es hervorgebracht hat. Er weiß besser als jeder andere, daß dem Künstler von seinem Gebilde nur das wenigste »gehört«; daß in Wahrheit der künstlerische Produktionsprozeß, und damit auch die Entfaltung der im Kunstwerk beschlossenen Wahrheit, die strenge Gestalt einer von der Sache erzwungenen Gesetzmäßigkeit hat, und daß ihr gegenüber die viel berufene schöpferische Freiheit des Künstlers nicht ins Gewicht fällt. Damit begegnet er sich mit einem anderen, ähnlich konsequenten, auch ähnlich unbequemen Künstler seiner Generation, Arnold Schönberg, der noch in seinem letzten Buch ›Style and Idea‹ entwickelt, daß große Musik in der Einlösung von »obligations«, von Verpflichtungen bestünde, die der Komponist gleichsam mit der ersten Note eingehe. Im gleichen Geiste sagt Valéry: »Auf allen Gebieten ist der wahrhaft starke Mensch derjenige, der am besten einsieht, daß einem nichts geschenkt ist, daß alles gemacht, daß alles erkauft werden muß; und der zittert, wenn er keine Widerstände spürt; der sie sich selber schafft ... Bei ihm ist die Form ein begründeter Entscheid.« (120) In Valérys Ästhetik waltet eine Metaphysik der Bürgerlichkeit. Am Ende der bürgerlichen Epoche will er die Kunst vom traditionellen Fluch ihrer Unehrlichkeit reinigen, sie rechtschaffen machen. Er mutet ihr zu, daß sie die Schulden bezahle, in die unabdingbar jedes Kunstwerk sich stürzt, indem es als wirklich sich setzt, ohne wirklich zu sein. Zweifel sind daran erlaubt, ob Valérys und Schönbergs Vorstellung vom Kunstwerk als einer Art von Tauschvorgang die ganze Wahrheit, ob sie nicht eben jener Verfassung des Daseins hörig sei, mit der nicht mitzuspielen doch eben von Valérys Konzeption gefordert wird. Aber es liegt ein Befreiendes in dem Selbstbewußtsein, das schließlich die bürgerliche Kunst von sich als bürgerlicher erringt, sobald sie sich ernst nimmt wie die Realität, die sie nicht ist. Die Geschlossenheit des Kunstwerks, die Notwendigkeit seines Gepräges in sich soll es von der Zufälligkeit heilen, durch die es hinter Zwang und Gewicht des Wirklichen zurücksteht. Im Moment der objektiven Verpflichtung, nicht in einem Verwischen der Grenze der Bereiche ist die Affinität der Valéryschen Kunstphilosophie zur Wissenschaft zu suchen und nicht zuletzt seine Wahlverwandtschaft mit Lionardo.

Seine Pointierung von Technik und Rationalität gegenüber der bloßen Intuition, die es einzuholen gilt; die Hervorhebung des Prozesses gegenüber dem ein-für allemal fertigen Werk läßt sich aber ganz verstehen nur auf dem Hintergrund von Valérys Urteil über die breiten Entwicklungstendenzen der neueren Kunst. In dieser gewahrt er ein Zurücktreten der konstruktiven Kräfte, ein sich Überlassen an die sinnliche Rezeptivität – kurz in Wahrheit eben die Schwächung der menschlichen Kräfte, des Gesamtsubjekts, auf das er alle Kunst bezieht. Die Worte, die er, abschiednehmend, der Dichtung und Malerei der impressionistischen Ära widmet, können in Deutschland vielleicht am ehesten verstanden werden, wenn man sie auf Richard Wagner und Strauss anwendet, deren Signalement sie ungewollt entwerfen: »Eine Beschreibung setzt sich aus Sätzen zusammen, die man, im allgemeinen, miteinander vertauschen kann: ich vermag ein Zimmer vermittels einer Reihe von Sätzen zu schildern, deren Aufeinanderfolge beinahe belanglos ist. Der Blick schweift, wie er will. Nichts ist natürlicher und der ›Wahrheit‹ näher als dieses Schweifen, denn ... die ›Wahrheit‹ ist das vom Zufall Gegebene ... Aber wenn dieses unverbindliche Ungefähr, samt der daraus sich ergebenden Gewöhnung zur Leichtigkeit, in den Werken vorzuherrschen beginnt, so dürfte es die Schriftsteller schließlich dazu bringen, aller Abstraktion zu entsagen, ebenso wie es den Leser noch der geringsten Verpflichtung zur Aufmerksamkeit entbinden wird, um ihn einzig und allein für Augenblickswirkungen empfänglich zu machen, für die überzeugende Gewalt des Schocks ... Diese Art von Kunstschaffen, die prinzipiell wohl zu verantworten ist und der wir so manche wunderschönen Dinge zu danken haben, führt indessen gleicherweise wie der mit der Landschaft getriebene Mißbrauch zu einer Schwächung der geistigen Seite der Kunst.« (135) Und kurz danach noch grundsätzlicher: »Die moderne Kunst sucht fast ausschließlich die sinnenhafte Seite unseres Empfindungsvermögens auszuwerten auf Kosten der allgemeinen oder gemüthaften Sensibilität, auf Kosten auch unserer konstruktiven Kräfte, sowie unserer Befähigung, Zeitintervalle zu addieren und mit Hilfe des Geistes Umformungen zu vollziehen. Sie versteht es ausgezeichnet, Aufmerksamkeit zu erregen, und verwendet alle Mittel, um sie zu erregen: Höchstspannungen, Kontraste, Rätsel, Überraschungen. Bisweilen gewinnt sie dank ihren subtilen Mitteln oder der Kühnheit der Ausführung sehr kostbare Beute: höchst verwickelte oder höchst flüchtige Zustände, irrationale Werte, eben erst aufkeimende Empfindungen, Resonanzen, Übereinstimmungen, Ahnungen von ungewisser Tiefe ... Aber diese Gewinne wollen bezahlt sein.« (136/7)

Hier erst enthüllt sich ganz der objektive gesellschaftliche Wahrheitsgehalt Valérys. Er setzt die Antithese zu den anthropologischen Veränderungen unter der spätindustriellen, von totalitären Regimes oder Riesenkonzernen gesteuerten Massenkultur, die die Menschen zu bloßen Empfangsapparaten, Bezugspunkten von conditioned reflexes reduziert und damit den Zustand blinder Herrschaft und neuer Barbarei vorbereitet. Die Kunst, die er den Menschen, wie sie sind, entgegenhält, meint Treue zu dem möglichen Bilde vom Menschen. Das Kunstwerk, welches das äußerste von der eigenen Logik und der eigenen Stimmigkeit wie von der Konzentration des Aufnehmenden verlangt, ist ihm Gleichnis des seiner selbst mächtigen und bewußten Subjekts, dessen, der nicht kapituliert. Nicht umsonst zitiert er mit Enthusiasmus eine Äußerung von Degas gegen die Resignation. Sein Gesamtwerk ist ein einziger Protest gegen die tödliche Versuchung, es sich leicht zu machen, indem man dem ganzen Glück und der ganzen Wahrheit entsagt. Lieber am Unmöglichen zugrunde gehen. Die dicht organisierte, lückenlos gefügte und gerade durch ihre bewußte Kraft ganz versinnlichte Kunst, der er nachhängt, läßt sich kaum realisieren. Aber sie verkörpert die Resistenz gegen den unsäglichen Druck, den das bloß Seiende übers Menschliche ausübt. Sie steht ein für das, was wir einmal sein könnten. Sich nicht verdummen, sich nicht einlullen lassen, nicht mitlaufen: das sind die sozialen Verhaltensweisen, die im Werk Valérys sich niedergeschlagen haben, das sich weigert, das Spiel der falschen Humanität, des sozialen Einverständnisses mit der Entwürdigung des Menschen, mitzuspielen. Kunstwerke konstruieren heißt ihm: dem Opiat sich verweigern, in das die große sinnliche Kunst seit Wagner, Baudelaire und Manet sich verwandelt hat; die Schmach abzuwehren, welche die Werke zu Medien und die Konsumenten zu Opfern psychotechnischer Behandlung macht.

Es geht um das gesellschaftliche Recht des als Esoteriker rubrizierten Valéry, um das, womit sein Werk einen jeglichen betrifft, auch und gerade weil er es verschmäht, irgend jemandem nach dem Munde zu reden. Aber einen Einwand erwarte ich und ich möchte ihn nicht leicht nehmen. Man kann fragen, ob nicht in Valérys Werk und Philosophie, nach dem was geschehen ist und weiter droht, Kunst selber maßlos überschätzt sei; ob er nicht deswegen doch jenem neunzehnten Jahrhundert angehöre, für dessen ästhetische Unzulänglichkeit er ein so hellsichtiges Organ hatte. Weiter kann man fragen, ob er nicht, trotz der objektiven Wendung der Interpretation des Kunstwerks, eine Künstlermetaphysik oktroyiere, etwa wie Nietzsche. Ob Valéry, oder auch Nietzsche, die Kunst überschätzt haben, wage ich nicht zu entscheiden. Wohl aber möchte ich, zum Ende, etwas sagen über die Frage der Künstlermetaphysik. Das ästhetische Subjekt Valérys, mag es nun er selber sein oder Lionardo oder Degas, ist nicht Subjekt in dem primitiven Sinn des Künstlers, der sich ausdrückt. Die ganze Valérysche Konzeption richtet sich gegen diese Vorstellung, gegen die Inthronisierung des Genies, wie sie insbesondere in der deutschen Ästhetik seit Kant und Schelling so tief eingewurzelt ist. Das, was er vom Künstler verlangt, die technische Selbsteinschränkung, die Unterwerfung unter die Sache, gilt nicht der Einschränkung sondern der Erweiterung. Der Künstler, der das Kunstwerk trägt, ist nicht der je Einzelne, der es hervorbringt, sondern durch seine Arbeit, durch passive Aktivität wird er zum Statthalter des gesellschaftlichen Gesamtsubjekts. Indem er der Notwendigkeit des Kunstwerks sich unterwirft, eliminiert er aus diesem alles, was bloß der Zufälligkeit seiner Individuation sich verdanken könnte. In solcher Stellvertretung des gesamtgesellschaftlichen Subjekts aber, eben jenes ganzen, ungeteilten Menschen, an den Valérys Idee vom Schönen appelliert, ist zugleich ein Zustand mitgedacht, der das Schicksal der blinden Vereinzelung tilgt, in dem endlich das Gesamtsubjekt gesellschaftlich sich verwirklicht. Die Kunst, die in der Konsequenz von Valérys Konzeption zu sich selbst kommt, würde Kunst selber übersteigen und sich erfüllen im richtigen Leben der Menschen.

 
Fußnoten

 

1 Vgl. Paul Valéry, Tanz, Zeichnung und Degas, übertr. von Werner Zemp, Berlin, Frankfurt a.M.o.J. [1951]. – Die im folgenden in Klammern gesetzten Ziffern beziehen sich auf die Seiten dieses Bandes.

 

 
Gesammelte Werke
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