Neue Tempi

 

Möchte selbst einer mit Pfitzner an die Unveränderlichkeit der Werke glauben, an jene Ewigkeit, die sich das neunzehnte Jahrhundert ausgedacht hat, den Schöpfer-Künstler zu vergotten: die Texte der Werke selber widerlegten solche Ewigkeit. Wie sie dastehen, bieten sie keine bündige Regel der Interpretation, und die Möglichkeit interpretativer Veränderung der Werke im Rahmen ihres Textes ist so radikal, daß sie am Ende die Texte selber notwendig angreift. Je älter das Werk, desto offenbarer wird seine Veränderung. Bei Werken, deren Ursprung in objektiv verbindlichen Formen und in geschlossener Tradition der musikalischen Ausübung gesetzt ist, findet sich die Zeichensprache des subjektiv Vermeinten unvollkommen ausgebildet; jene Zeichensprache allein konnte den Schein des in der Zeit unveränderten Werkes hervorbringen. Unveränderte Werke des siebzehnten Jahrhunderts bereits wären Hieroglyphen, wie von mittelalterlicher Musik insgesamt trotz allem Gerede von der Wiederbelebung ihrer polyphonischen Prinzipien der unerfragbare, hieroglyphische Charakter ernstlich nicht zu bestreiten ist. Verstummen die unveränderten Werke, so zerfallen freilich die anderen in ihrer Veränderung. Allein die Veränderung des Werkes, wie sie objektiv an ihm sich vollzieht, gewährt doch für einige Dauer die Regel zur Interpretation, die im geschichtslosen Werke nicht gesucht werden kann. Das darf freilich nicht so gedacht werden, als sei durch Geschichte das Werk als Werk ohnmächtig schlechthin und gebe bloß deren zufälligen Schauplatz ab. Sondern die Erkenntnis der aktuellen Interpretation eines Werkes vollzieht sich zwischen Text und Geschichte in Strenge. Ein Werk aktuell, also nach dem objektiv gegenwärtigen Stande der Wahrheit in ihm interpretieren, ein Werk angemessener und richtiger interpretieren, heißt stets zugleich auch: es treuer interpretieren; es besser lesen. Geschichte läßt latente, objektiv wohl, doch nicht subjektiv darin angelegte Gehalte im Werke aufsteigen, und der Garant von deren Objektivität ist der Blick, der näher auf den Text geht und in ihm der Züge gewahr wird, die vordem im Werke verborgen und zerstreut lagen und nun im Text selber sich ausweisen; allerdings erst ausweisen können zur geschichtlichen Stunde. Rechte Aktualisierung der musikalischen Interpretation ist nicht Willkür am Werk sondern bessere Treue; Treue, die das Werk so versteht, wie es durch Geschichte konkret uns vermittelt wird, anstatt ein abstraktes An sich des Werkes dort vorauszusetzen, wo das Werk in der geschichtlichen Konstellation seiner Ursprungszeit ganz noch gefangen ist. Wo das Werk als geschichtslos erfragt wird, verfällt es der Geschichte als ideologisches Denkmal des Vergangenen; was ewig ist an ihm, kann einzig in seiner Geschichtlichkeit erkannt werden. Der Zwang, Werke neu und fremd anzuschauen, wird von den Werken diktiert und nicht von den Menschen. Er ist so zu realisieren, wie er vom geschichtlichen Stande der Werke für die Erkenntnis vorgezeichnet wird.

Es ist im Bewußtsein aller Schwankungen und aller empirischen Widersprüche, doch gleichwohl mit einiger genereller Bestimmtheit zu vermuten, daß die Werke im Lauf der Zeit stets rascher gespielt werden müssen. Das ist an den Werken zu begründen; nicht psychologisch. Die Werke schrumpfen in der Zeit ein, die Vielfalt des darin Seienden rückt zusammen. Das mag mit der Funktionalisierung der Musik – und nicht der Musik bloß – bedeutet sein, so wie sie seit der Statuierung des harmonischen Prinzips zu verfolgen ist: die Seinsgehalte der Musik werden kleiner, ziehen sich von der großen geschlossenen Oberflächengestalt weiter stets ab, werden schließlich zu monadengleichen Kraftzentren, die sich im Übergang eines Seienden ins andere, doch nicht mehr im Seienden unmittelbar darstellen. Die Authentizität von Musik geht an unvergleichlich kleine Zellen und an deren Zuordnung über. Es wird damit als eigentlicher Sinn des Funktionalisierungsprozesses in Musik angesprochen eine Verschiebung von deren Gehalten in der Art, daß sie ihre wahre scheinlose Schicht erst nach dem Zerfall ihrer eigenmächtigen Oberfläche gewinnen und in völliger Verkleinerung. Die fortschreitende Subjektivierung der Musik ihre fortschreitende Entmythologisierung nennen, hieße das Gleiche. Für die Folge der Werke aufeinander ist jener Prozeß zugestanden; an den Werken selber ihn herauszustellen, Aufgabe der erkennenden Interpretation. Zwischen der Folge der Werke und der Geschichte der Werke in sich vermittelt die Geschichte der musikalischen Schrift. Sie hat seit dem Mittelalter sich mehr und mehr verkleinert. Die Größenmacht der Longa und der Brevis schrumpft zusammen; jene ist längst vergessen, diese fristet ihr Dasein kümmerlich in Kompositionen archaisch-sakraler Haltung. Die Semibrevis ist uns als ganze Note seit Beethoven verdächtig geworden, und erst die neoklassizistische Reaktion versucht wieder, sie uns aufzuschwatzen. Wo unsere Musik am aufrichtigsten ihren geschichtlichen Stand realisiert, läßt sie sich in Zweiunddreißigsteln notieren; ein Blick auf Schönbergs ›Erwartung‹ zeigt es. Daraus sind Folgerungen für die Interpretation zu ziehen und als selbstverständlich längst gezogen. Selbst unter Annahme absolut gleicher Tempi muß ältere Musik heute relativ auf die notierten Werte rascher gespielt werden, da wir ja zumindest die gleiche Zeitdauer heute in anderen Zeichen darstellen. Damit wäre gewiß noch keine Veränderung der Tempi als absoluter Einheiten gefordert. Wohl aber wäre stringent der Zwang erwiesen, den Geschichte über Interpretation hat; die Bedeutung der Notation variiert in Geschichte, und schon, um identische Tempi herzustellen, ist gleich Notiertes in verschiedener Geschwindigkeit auszuführen. Das kategorische Recht der Texte ist gebrochen.

Dies Recht schwindet vollends, sobald man sich entschließt, die Veränderung der Zeichen nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit der Veränderung der Werke selber zu denken. In einer Händelschen Sarabande etwa hatten, als sie entstand, die Fundamentschritte kraft des seit hundert Jahren erst ausgebildeten harmonischen Prinzips solche Macht, daß der Übergang von der ersten zum Terzquartakkord der fünften Stufe, durch den Vorhalt gebunden, eine Spannung bedeutete, die nachgefühlt werden wollte und Zeit brauchte, nachgefühlt zu werden, ohne den in sich ruhenden tonischen Dreiklang und damit die Form aufzulösen, anstatt diesen Dreiklang sinnvoll weiterzubewegen. Für uns jedoch ist die Fortschreitung durch Geschichte so abgenutzt, so ausgeschliffen und verbraucht, daß sie als solche, durch Tempo beleuchtet, nicht mehr erträglich wäre. Wofern es heute an Händel ein realeres Interesse gäbe als das der musikphilologischen Aufwärmung, könnte es allein am Fluß der melodischen Linie sich orientieren, der gewiß historisch in solch ruhigem Schreiten nur durch die staunende Gewinnung des harmonischen Prinzips möglich war, den wir aber angemessener erkennen könnten nach der Befreiung von jener längst zerfallenen Harmonik, die die Linie für unser harmonisch weit funktionelleres Bewußtsein nur hemmt, während sie sie ursprünglich bewegen sollte. Es resultiert daraus der Zwang, Händel auch absolut rascher zu interpretieren, als er mutmaßlicherweise zu seiner Zeit interpretiert wurde. Dagegen werden laut der Einwand und Protest: man bringe ihn so um seine Würde und das Werk um eine Einheit, die die Elemente untrennbar in sich beschließe. Es ist zunächst zu antworten, daß Würde als Wahrheitscharakter uns nichts mehr bedeute. So wenig sie in der Realität uns verbindlich ist, so wenig darf sie es in Kunst sein, wo ja nicht das Gewesene aufgespeichert wird, sondern die uns nur soweit gilt, wie wir ihre Gehalte als Wahrheitsgehalte anzuerkennen gezwungen sind. Kunst vermöchte Würde heute nur scheinhaft zu behaupten, müßte uns einen Ausdruck geschlossener Seinsfülle vorspielen, der uns unerreichbar und nicht einmal erreichenswert ist und dessen ästhetische Setzung damit jeglicher Legitimität entbehrt; Würde wäre nur zu erkaufen um den Stand unseres musikalischen Bewußtseins und um den Preis der Langeweile dazu. Mag sie im Werke preisgegeben werden wie in der Wirklichkeit. Die Einheit des Werkes vollends ist uns nicht kanonisch. Sie zerfällt in Geschichte, vom Werk bleiben Bruchstücke allein übrig als Wirkliches, während die Einheit als Schein evident wird und vom Wirklichen sich sondert. Solche Einheit durchsetzen wollen, nachdem sie dem immanenten geschichtlichen Stande des Werkes nach fragwürdig wurde, heißt einen Zustand galvanisieren, aus dem Leben entwich, und die lebendigen Trümmer frommen uns mehr als das tote Ganze. Der Raum des toten Ganzen ist antiquarisch und hat sein antiquarisches Recht; nicht jedoch das der Unmittelbarkeit. Ihm dient besser, wer ihn stumm bewahrt, als wer ihm den Schein des Lebendigen zu erwirken trachtet. Man weiß, wie in manchen Städten mitteldeutscher kirchenmusikalischer Tradition Werke des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts dargeboten werden; wie feierlich langsam im Langsamen, wie gemäßigt und skandiert im Raschen. Die Schicht der Weihe, die jene Interpretation umhüllt, erklärt sich daraus, daß unmittelbar das Werk so nicht mehr interpretiert werden kann; daß man es sakral und schließlich ästhetizistisch stilisieren muß, in einen künstlichen, gleichsam geschichtsfreien Hörraum transponieren, um es überhaupt noch traditionstreu wiederzugeben. Wer da zu unterscheiden vermag, wird in solchen Interpretationen das lehrhaft Moralisierende, Irreale und Ideologisch-Reaktionäre nicht überhören können, wenn bedächtig jeder gute Taktteil so betont wird, als wäre mit ihm das wahre und unauflösliche Sein gesetzt, während das Ohr längst sechzehn Sequenztakte weiterhält. Alle solche historisch treue Interpretation hat den Charakter des Als ob: sie interpretiert, als ob die Werke in der Gestalt ihrer Ursprungszeit noch ungebrochen gegenwärtig wären, die sich doch so veränderten, daß ihre Ursprungsgestalt überhaupt nicht mehr greifbar ist oder allein an finsteren Weihestätten. Das zeigt sich schließlich exemplarisch am Zwang zur Übertreibung. Händel mußte wahrscheinlich nicht skandieren, da seine guten Taktteile als Träger des harmonischen Fortschrittes ohnehin Kraft genug in sich hatten. Nun diese Kraft entwich, muß sie durch eine Überbelastung der Akzente ersetzt werden, nur damit die vergangene Wirkung konserviert werde, die aus dem Material selber adäquat nicht mehr zu gewinnen ist. So führt gerade der Wille, das Werk geschichtslos zu bewahren, schließlich zu einer Musikregie, die von außen, aus der reaktionären Ideologie der Interpreten kommt und in ihrer Kraßheit und Starrheit mit der konkret-musikalischen Gestalt des Werkes selber in Widerspruch gerät. Es läßt sich damit die Unmöglichkeit solcher Interpretation einsehen und zugleich, die bestimmende Tatsache der Funktionalisierung in ihrer Konsequenz für die einzelnen Werke einmal zugestanden, die Notwendigkeit, die Werke rascher zu interpretieren.

Ihre spezifische Aktualität gewinnen die neuen rascheren Tempi durch die Krisis des expressiven Pathos; vorab Beethoven gegenüber. Die pathetischen Tempi waren guten Teiles in romantischer Reaktion gegen den totalen Funktionalisierungsprozeß, den sie doch nicht aufhalten konnten, langsamer durchweg. Die Gewalt des Ausdrucks ist in Musik stets im Einzelnen; nur das musikalisch unmittelbar Wahrgenommene kann nach Analogie mit den »Erlebnissen« aufgefaßt werden, der Totalverlauf eines Satzes aber ist von völlig anderer Form als der psychologische Erlebniszusammenhang des Menschen. Der musikalische Zusammenhang leistet eine Objektivation der einzelnen musikalischen Phänomene, wie sie im menschlichen Erlebniszusammenhang durch die Formen der Begriffsbildung, keinesfalls aber allein durch den bloßen unreflektierten Zusammenhang der Erlebnisse selber geleistet werden kann. Darum läßt alle psychologische Musikübung das Einzelne verweilen auf Kosten der Totalität, die die expressive Unmittelbarkeit aufhebt. Formanalytisch wäre fast das Pathos als Mittel zu verstehen, die Formschwierigkeit, die aus der Vorherrschaft des Singulären resultiert, zu beseitigen, indem nun die beharrende Darstellung des Einzelnen gerade als Formintention erscheinen soll. Demgegenüber wird die Interpretation um so rascher, je konsequenter sie auf die Formkonstruktion ausgeht und auch die Partikeln formkonstruktiv erfaßt. Die Zuordnung von großen Formteilen zueinander, ja oft schon der Bau eines Teilganzen, einer bestimmten melodischen Gestalt, wird erst in einem Tempo deutlich, das diese Teile nicht mehr als autonome Einheiten gibt, sondern so anlegt, daß sie im Augenblick des Erklingens unvollständig sind, nur als Teilstücke des Ganzen verstanden werden können. Oder umgekehrt, vom Ganzen aus gesehen: die Vorstellung eines Formganzen bildet sich allein dann, wenn die Teile so aneinanderrücken, daß sie unmittelbar aufeinander bezogen werden müssen. Es ergeben sich damit völlig neue Interpretationsprobleme für das Einzelne, das ja nicht sich verflüchtigen, sondern in seiner konstruktiven Stellung im Ganzen kenntlich werden, deshalb auch in sich auskonstruiert werden soll: die Einzelgestalt wird jetzt nicht mehr durch die Zeitlupe vorgeführt und dadurch als in sich Geschlossenes vom Ganzen abgehoben, sondern ins Ganze hineingezogen; damit wird ihre plastische Darstellung erneut zur Aufgabe, die nicht mehr vom Tempo aus, vielmehr durch veränderte Darstellung des Teiles selbst gelöst werden muß. Es ist dabei an Phrasierung und Metrik, an bewußte Betonung – Emanzipation von der schematischen Viertaktigkeit zumal – und an die Dynamik zu denken, wie sie auf Grund der Formkonstruktion des Ganzen wie der Teile zu disponieren ist. So ergibt sich der Zusammenhang der geforderten neuen Tempi mit dem veränderten Interpretationsstil insgesamt. Damit innerhalb der neuen Tempi die Gestalten nicht ausgeschliffen werden, das Ganze sich nicht in einen Leerlauf von Bewegung verwandle, ist eine veränderte, das heißt hier: weitgehend vom guten Taktteil und also den tonalen Kadenzierungen emanzipierte metrisch-rhythmische und dynamische Interpretation erheischt. Damit anderseits unter konstruktiver Preisgabe der ausgezehrten rhythmisch-harmonischen Symmetrie die Darstellung der Formteile als Teilganzer gelinge, die allein nach ihren Formkategorien, nach keinem vorgedachten Schema sich bewegen, ohne daß sie darum in Formanarchie gerieten: daß dies zentrale Problem aktueller Interpretation gelöst werde, muß das Tempo beschleunigt werden, die Partikeln aneinanderzurücken. Ob im Stadium des Zerfalls der Werke solche Versöhnung von Ganzem und Teil durchweg noch gelingen kann, bleibt die Frage. Jedenfalls kann sie nicht als unmittelbar gesichert mehr vorausgesetzt werden, und wo sie sich etwa realisiert, wird sie sich lieber als rationale Konfiguration der bereits auseinandergetretenen Teile denn als eine »organische« Totalität realisieren. Es mag der wahre Sinn der heut unabweislichen Tempobeschleunigung sein, die als organisch verlorene Einheit der Werke konstruktiv nochmals zu erzeugen, indem im zerfallenen Kunstwerk die dissoziierten Teile dicht aneinander rücken und Schutz suchen beieinander. Die Tempomodifikation, die ihren Ausgang in der geschichtlichen Veränderung der Werke hatte, findet ihre Bestimmung erst, wenn sie die Werke in ihrer Geschichtlichkeit ergreift. Vom Zerfall der Werke wird sie inauguriert; an den zerfallenen Werken bewährt sie sich. Das Verfahren des Virtuosen mag prototypisch sein, vor dessen Übung, vor dessen gewalttätiger Wiederholung die Werke schon zerfielen, als sie geschichtlich noch zusammenzuhalten schienen. In der Tat hat d'Albert mit seinen auch heute noch erstaunlichen Interpretationen des mittleren Beethoven, vor allem der Waldstein-Sonate und der Appassionata, in improvisatorischer Vorwegnahme die neuen Tempi gefunden, die heute der konstruktiven Erkenntnis zwangvoll sich ergeben. Aus der Konstruktion des musikalischen Materials und mit allen übergreifenden Konsequenzen für die Totaldarstellung hat sie erst Schönberg gewonnen. Kein Zufall, daß seine Entdeckung in genauer Kenntnis der Originale ihren Grund hatte; daß also die Veränderung des Werkes dialektisch von Treue gegen das Werk erzeugt ward. So hat er das f-moll-Quartett von Beethoven in der originalen Metronomisierung spielen lassen und damit nicht bloß die einzelnen Sätze in sich, sondern auch die Form des Ganzen, vor allem die Korrespondenz des ersten und letzten Satzes, herausgestellt.

Der Kampf, der um die Werke unter dem Problemtitel der Technisierung geführt wird, ist nicht von außen, durch die Findung neuer Darstellungsmaterialien, herbeigeführt. Daß solche Materialien konnten gefunden werden, entspricht einem objektiven geschichtlichen Stand der Werke bei sich selber, der es unmöglich macht, die Werke anders zu interpretieren als in der gründlichen Neuanschauung, deren drastisches Zeichen die Technisierung ist. Im Zwang, neue Tempi zu wählen und die Darstellung von Musik insgesamt in raschere Zeitmaße als die traditionalen zu verlegen und in eins damit insgesamt zu modifizieren, zeigt sich diese Notwendigkeit unabhängig von den technischen Mitteln an und fundiert sie von den Werken her. Die Interpretation, die heute die Werke ihrem geschichtlichen Stande nach selber verlangen, und die, deren Chance die Technisierung bietet, nähern sich ideell an. Freilich ist die Technik am fortgeschrittensten Stande der Interpretation selber zu messen, und die Interpretation hat nach der Erkenntnis des Werkes und nicht in hilfloser Analogie zu der gegenwärtigen technischen Praxis zu verfahren.

 

1930

 

Über Jazz

 

Die Frage, was unter Jazz zu verstehen sei, scheint der eindeutig definitorischen Antwort zu spotten. Wie der historische Ursprung der Gattung im Nebel des jüngst Vergangenen verfließt, so ihr Umfang im zweideutigen Gebrauch der Gegenwart. Zur rohen Orientierung könnte man angeben, es handle sich um den Bereich jener, sei es unmittelbar gebrauchten, sei es leicht stilisierten Tanzmusik etwa seit dem Kriege, die von der voraufgehenden durch einen entschiedenen, doch selber der Bestimmung höchst bedürftigen Charakter von Modernität sich abhebe. Er wird am sinnfälligsten vielleicht von den – übrigens regional sehr verschiedenen – Widerständen bezeichnet, denen der Jazz begegnet und die nach den Begriffen des seelenlos Mechanischen und des zuchtlos Dekadenten polarisiert sind. Musikalisch ist jene »Modernität« wesentlich auf Klang und Rhythmus bezogen, ohne die harmonisch-melodische Konvention der tradierten Tanzmusik fundamental zu brechen. Als rhythmisches Prinzip gilt die Synkope. Sie tritt außer in ihrer Elementarform – wie der Vorläufer des Jazz, der Cake Walk, sie nutzt – in vielfachen Modifikationen auf, die stets indessen auf jene Elementarform durchlässig bleiben. Die gebräuchlichsten Modifikationen sind: die Verschleifung der guten Taktteile durch Aussparung (Charleston) oder Überbindung (Ragtime); die Scheintaktigkeit, etwa als Behandlung eines Viervierteltaktes als Folge von 3+3+2 Achteln, mit dem Akzent jeweils auf der ersten Note der als »Scheintakt« aus dem Hauptrhythmus herausgegliederten Gruppe; endlich der »break«, eine improvisationsähnliche Kadenz, meist am Ende des Mittelteils zwei Takte vor Wiedereintritt des Refrain-Hauptteils. Bei all diesen Synkopierungen indessen, die in virtuosen Stücken zuweilen als ungemein kompliziert sich geben, ist die zugrundeliegende Zählzeit aufs strengste innegehalten; sie wird je und je von der großen Trommel markiert. Die rhythmischen Ereignisse betreffen die Akzentuierung und Phrasierung, doch nicht den Zeitverlauf des Stückes, und selbst die Akzentuierung bleibt, eben durch die große Trommel und die ihr zugeordneten Continuo-Instrumente, stets auf eine zugrundeliegende symmetrische bezogen. So ist denn insbesondere in der »Großrhythmik« die Symmetrie völlig respektiert. Die achttaktige Periode, ja bereits die viertaktige Halbperiode sind unangefochten in Geltung erhalten. Dem entsprechen ebenso simple harmonische und melodische Symmetrieverhältnisse, nach Halb- und Ganzschluß aufgegliedert. – Dem Klang ist die gleiche Simultaneität des Ausbrechenden und des Starren eigen. Er kombiniert expressive und kontinuohafte, objektiv durchgehaltene Elemente: Geige und große Trommel sind seine Extreme. Sein Lebenselement aber ist jenes Vibrato, das einen für sich selber starren und objektiven Ton gleichsam in sich erzittern macht; das ihm subjektive Emotionen einlegt, ohne daß diese die Starrheit des Grundklanges zu brechen vermöchten – so wie die Synkope das Grundmetron nicht zu brechen vermag. In Europa gilt als für jenen Klang repräsentativ das Saxophon, gegen welches die Widerstände vorab sich kehren. In Wahrheit ist das Instrument, dem so viel modernistische Verruchtheit nachgesagt wird und das die überreizten abendländischen Nerven der Negervitalität pervers preisgeben soll, von ehrwürdigem Alter. Es findet bereits in Berlioz' Instrumentationslehre sich abgehandelt; wurde im neunzehnten Jahrhundert erfunden, als die Emanzipation der Orchestrierungskunst die Forderung nach feineren Übergängen zwischen Holz- und Blechblaskörper nahelegte, und ist in einem längst zur Klassizität erhobenen Stück wie Bizets Arlésienne-Suite – freilich nicht obligat – verwendet. In vielen Ländern wird es seit Generationen in der Militärmusik gebraucht und vermag darum keinen Menschen mehr zu schockieren. Seine Bedeutung für die tatsächlich geübte Jazzpraxis mag hinter der der Trompeten zurückstehen, denen eine weit größere Mannigfaltigkeit von Spielweisen zu Gebot steht als dem Saxophon und die darum funktionell weit bequemer, weit weniger abhängig vom Grundklang sich einsetzen lassen als jenes. Der Jazzklang selber aber bestimmt sich eben nicht durch ein bestimmtes auffälliges Instrument, sondern funktionell: durch die Möglichkeit, das Starre vibrieren zu lassen, oder allgemeiner durch die Möglichkeit der Herstellung von Interferenzen zwischen Starrem und Ausbrechendem. Das Vibrato selber ist Interferenzerscheinung im genauen physikalischen Sinn, und das physikalische Modell taugt wohl zur Darstellung des historisch-gesellschaftlichen Phänomens Jazz.

Der technologische Tatbestand der Funktion darf als Chiffre eines gesellschaftlichen verstanden werden: die Gattung wird von der Funktion beherrscht und nicht von einem autonomen Formgesetz. Als Tanzmusik scheint sie zum Gebrauch selber sich zu bekennen. Aber es scheint zugleich ihr eifriges Bestreben, ihre Funktion lediglich abstrakt, eben unter der Formel Tanzmusik, zu deklarieren, um dafür konkret um so unangefochtener geheim sie ausüben zu können: darum gibt die Funktion des Jazz dem Dialektiker als Rätsel sich auf. So wenig eindeutige Elemente des Materials zu dessen Lösung beitragen, so wenig die Formtypen, die der Jazz ausgebildet hat. Vieles, was wenn nicht bei den Jazzfachleuten so doch zumindest beim Publikum als Jazz unterläuft, will nicht einmal der gröbsten Charakteristik rhythmischer und klanglicher Interferenz Genüge tun. Das gilt zunächst für die Tangos, die, rhythmisch sehr primitiv, nur die Elementarform der Synkope heranziehen, ohne sie je zum Prinzip der Faktur zu machen. Es gilt weiter für jene Mischform aus Jazz und Marsch, die, seit der ›Valencia‹ von 1925 als »Six-eight« aufkam und ungemein rasch sich ausbreitete, die marschähnlichen Züge immer offener ausbildete, anstelle der Synkope den ungebrochen durchlaufenden Rhythmus, anstelle des Interferenzklanges einen homogenen und »wohllautenden« Tuttiklang setzte; von der Jazzpraxis aber nie scharf sich sonderte und von den Orchestern alternierend mit durchsynkopierter »hot music« gespielt wird. Andererseits wird viele Musik als Jazz oder Jazz-verwandt nur um ihres Klanges willen angesehen, ohne überhaupt mit den rhythmischen Jazzprinzipien befaßt zu sein: der breite Publikumserfolg der Songs von Kurt Weill war durchaus einer von Jazz, obwohl die rhythmische Profilierung ihrer Melodien nach der Skandierung der komponierten Verszeile dem Jazzverfahren völlig entgegengesetzt ist; durchgehender Grundrhythmus und Saxophonklang stehen hier allein fürs Jazzwesen ein. Jazz ist nicht, was er »ist« – karg und mit einem Blick zu durchdringen ist sein ästhetisches Gefüge bei sich selber –, er ist, wozu man ihn braucht, und das freilich stellt vor Fragen, die zu beantworten weitgreifende Untersuchung nötig machte. Vor Fragen nicht wie das autonome Kunstwerk; viel eher wie der Detektivroman, mit dem der Jazz gemein hat, daß er eine strenge Stereotypik unerbittlich durchhält und zugleich alles daransetzt, sie durch individualisierende Züge vergessen zu lassen, die selber wieder ausschließend durch die Stereotypik determiniert sind. Wie beim Detektivroman die Frage nach dem Verbrecher sich verschränkt mit der, was mit dem Ganzen bedeutet sei, so beim Jazz die nach dem seltsamen Subjekt, das da zugleich bebt und marschiert, mit der, wozu es diene, wozu es überhaupt da sei, während es sein Dasein als eine Selbstverständlichkeit behauptet, die nur verbirgt, wie schwer ihm die eigene Rechtfertigung fallen muß.

Denn wollte man, wie es oft genug geschah, die Gebrauchsfähigkeit des Jazz, seine Eignung zum Massenartikel, als Korrektiv der bürgerlichen Vereinsamung der autonomen Kunst, als dialektisch fortgeschritten betrachten und gar seine Gebrauchsfähigkeit als Motiv zur Aufhebung des Dingcharakters der Musik akzeptieren, man geriete in jene jüngste Romantik, die aus ihrer Angst vorm tödlichen Charakter des Kapitalismus den verzweifelten Ausweg sucht, das Gefürchtete selber zu bejahen als eine Art grausiger Allegorie kommender Freiheit und die Negativität zu heiligen – ein Heiltum, an das, beiläufig gesagt, der Jazz selber glauben machen möchte. Wie immer es in einer kommenden Ordnung der Dinge mit Kunst sich verhalten mag; ob ihr Autonomie und Dinglichkeit wird erhalten bleiben oder nicht – und die ökonomische Überlegung bringt manchen Grund dafür bei, daß auch die richtige Gesellschaft nicht auf die Herstellung purer Unmittelbarkeit aus sein wird –, soviel jedenfalls ist gewiß, daß die Gebrauchsfähigkeit des Jazz die Entfremdung nicht aufhebt, sondern verstärkt. Der Jazz ist Ware im strikten Sinn: seine Tauglichkeit zum Gebrauch setzt in der Produktion anders nicht sich durch denn in Gestalt seiner Absatzfähigkeit, im äußersten Widerspruch zur Unmittelbarkeit der Verwendung nicht bloß sondern auch des Arbeitsprozesses selber; sie unterliegt den Gesetzen, auch der Zufälligkeit des Marktes, so wie seine Distribution denen von Konkurrenz oder auch schon ihrem Erben. Die Züge am Jazz indessen, in denen Unmittelbarkeit sich zu behaupten scheint, jene angeblich improvisatorischen nämlich, als deren Elementarform die Synkope genannt ward, sind dem genormten Warencharakter, selber wiederum genormt, in blanker Auswendigkeit hinzugefügt, um ihn zu maskieren, ohne doch Macht über ihn zu gewinnen für eine Sekunde. Durch Intentionen, sei es von gehobenem »Stil«, sei es von individuellem Geschmack, ja sei es auch von individueller Spontaneität, will der Jazz seinen Absatz verbessern und seinen Warencharakter bemänteln, der, nach einem der gründenden Widersprüche des Systems, unverhüllt auf dem Markte die Durchsetzung seiner selbst gefährdete. Wie immer neusachlich der Jazz sich gebärden mag, er ist, was alle Sachlichkeit am grimmigsten zu befehden vorgibt, Kunstgewerbe, und seine Sachlichkeit taugt nicht mehr als ein aufgeklatschtes Ornament, das darüber betrügen soll, wie sehr er bloße Sache ist.

Solcher Trug liegt zunächst im Interesse des Bürgertums. Wenn ihm wirklich das Vorrecht reserviert ist, seine eigene Entfremdung zu genießen, so hilft in der antagonistisch weit fortgeschrittenen Situation zu solchem Genuß nicht mehr das Pathos der Distanz, von dem noch Nietzsche Freundliches zu berichten wußte. Wie es durch Gemeinschaftsideologien der vielfältigsten Art die Distanz fürs Bewußtsein um so mehr verkleinert, je unerbittlicher sie im Sein anwächst, so ist ihm das Entfremdete selber nur noch erträglich, solange es sich als unbewußt und »vital« gibt: das Allerfremdeste als das Allervertrauteste. Die Funktion des Jazz ist denn auch zunächst relativ auf die Oberklasse zu verstehen, und seine folgerichtigeren Formen dürften, jedenfalls soweit es um intimere Rezeption geht als das bloße Ausgeliefertsein an Lautsprecher und Kapellen in Massenlokalen, heute noch der tanzgerechten und hochtrainierten Oberschicht vorbehalten sein. Der Jazz repräsentiert ihr, ähnlich etwa wie die Abendkleidung des Herrn, die Unerbittlichkeit der gesellschaftlichen Instanz, die sie selber ist, die sich jedoch im Jazz als urtümlich, primitiv, »Natur« verklärt; mit seinen individuellen oder stileigenen Momenten aber appelliert der Jazz an ihren »Geschmack«, zu dessen souveräner Wahlfreiheit ihr Standort sie legitimiert; daß aber der Jazz, sowohl um seiner Starrheit wie seines individualisierenden Geschmacks willen, »kein Kitsch« sei, hilft den also Disziplinierten zu gutem Gewissen. Allein die Wirkung des Jazz bleibt so wenig an die Oberschicht gebunden, wie deren Bewußtsein von dem der Beherrschten in Schärfe sich abhebt: der Mechanismus der psychischen Verstümmelung, dem die gegenwärtigen Bedingungen ihren Fortbestand verdanken, hat Macht auch über die Verstümmler selber, und sind diese der Triebstruktur nach ihren Opfern ähnlich genug, so werden die Opfer damit entschädigt, daß sie an den Gütern der Herrschenden soweit Anteil haben dürfen, wie diese auf eine verstümmelte Triebstruktur gemünzt sind. Als Oberflächenwirkung und Zerstreuung, ob auch nicht als seriöses Amüsierritual, durchdringt der Jazz die gesamte Gesellschaft, selbst das Proletariat; in Europa dürften allenfalls spezifisch agrarische Gruppen ausgenommen sein. Oft mögen die Abhängigen durch die Rezeption des Jazz mit der Oberklasse sich identifizieren; Jazz gilt ihnen für »mondän«, und ihm dankt es der Angestellte, wenn er mit seiner Freundin im Bierkabarett stets noch etwas Besseres sich dünkt. Doch werden dabei wohl einzig noch die »primitiven« Elemente des Jazz, also die nachtanzbaren guten Taktteile des Grundrhythmus, aufgefaßt; die hochsynkopierte hot music wird geduldet, ohne genauer ins Bewußtsein zu dringen – zumal die billigen Tanzlokale keine virtuosen Jazzorchester bezahlen können, und die vermittelte Wiedergabe durchs Radio doch weit weniger eindringlich bleibt als die der leibhaften Kapelle zu ihrem Ort und ihrer Stunde. Es ist aber charakteristisch für den Jazz als Interferenz, daß auf seine differenzierteren Elemente ohne weiteres sich verzichten läßt, ohne daß er darum sich aufhöbe oder nur aufhörte, als Jazz kenntlich zu sein. Er ist pseudodemokratisch in jenem das Bewußtsein der Epoche bezeichnenden Sinn: die Attitüde seiner Unmittelbarkeit, definierbar durch ein starres Tricksystem, täuscht über die Klassendifferenzen. Wie im aktuell politischen so ist im ideologischen Bereich solcher Demokratie die Reaktion dicht gesellt. Je tiefer der Jazz gesellschaftlich wandert, um so mehr reaktionäre Züge nimmt er an, um so vollkommener ist er dem Banalen hörig, um so weniger duldet er Freiheit und Ausbruch von Phantasie, bis er endlich als Begleitmusik der zeitgemäßen Kollektive schlechtweg die Unterdrückung selber verherrlicht. Je demokratischer der Jazz, um so schlechter wird er.

Daß seine demokratische Attitüde bloßer Schein sei, kommt an der Rezeption zutage. Nichts falscher als diese plebiszitär zu denken. Die Kapitalkraft der Verlage, die Verbreitung durch Rundfunk und vor allem der Tonfilm bilden eine Tendenz zur Zentralisierung aus, die die Freiheit der Wahl einschränkt und weithin eigentliche Konkurrenz kaum zuläßt; der unwiderstehliche Propagandaapparat hämmert den Massen solange die Schlager ein, die er gut findet und die meist die schlechten sind, bis ihr müdes Gedächtnis wehrlos ihnen ausgeliefert ist; und die Müdigkeit des Gedächtnisses wiederum wirkt auf die Produktion zurück. Die für die gesellschaftliche Breitenwirkung des Jazz entscheidenden Stücke sind gerade nicht jene, welche die Idee des Jazz als Interferenz am reinsten ausprägen, sondern technisch zurückgebliebene, grobschlächtige Tänze, die jene Züge fragmentarisch bloß enthalten. Diese werden als »commercial« betrachtet: bei ausreichendem Bezug der banalen Erfolgsstücke pflegen die Verleger ein »modernes«, also leidlich konsequentes hot-Stück gratis dreinzugeben. Immerhin kann auch für den Massenkonsum auf die hot music nicht ganz verzichtet werden. Es drückt darin ein gewisser Überschuß der musikalischen Produktivkraft über die Marktforderung sich aus. Die Kapellen verlangen nach hot music, teils um ihre Virtuosität zu zeigen, teils auch weil die immerwährende Wiederholung der simpelsten Dinge unerträglich sie langweilt. Zugleich aber ist die kunstgewerbliche hot music, der relativ fortschrittliche Jazz, auch für die Hebung des Massenkonsums notwendig. Gibt das Verständnis der hot music der Oberklasse das gute Gewissen ihres Geschmacks, so verleiht die Verständnislosigkeit der Majorität im Schock des Unverstandenen dieser, wenn sie mit hot music zu tun hat, die vage Satisfaktion des Up to date, vielleicht auch eine Bestätigung der erotischen Emanzipiertheit durchs gefährlich Moderne oder »Perverse«. All das ist bloßes Dekorum; nachgesungen werden nur die faßlichsten und rhythmisch trivialsten Melodien. Für die breite Rezeption spielen die hot-Stücke äußerstenfalls die Rolle pseudomoderner Maler wie van Dongen, Foujita, Marie Laurencin, oder besser noch von kubistischen Reklamebildern.

Es liegt dagegen der Einwand zur Hand: von Zentralismus und Scheindemokratie könne darum nicht wohl die Rede sein, weil der propagandistische Mechanismus nicht zureichend funktioniere. Schlager könnten nicht »gemacht«, darum auch keine zureichenden theoretischen Bedingungen für den Erfolg angegeben werden. So sei einer der größten Schlager aus jüngster Zeit – ›Capri‹ – bei einem kleinen Verleger erschienen, nachdem die wichtigen ihn refusiert hätten, und hätte seinen Weg aus eigener Kraft gemacht. Fragt man Jazz-Fachleute nach dem Grund für große Schlagererfolge, so werden sie – je geschäftstüchtiger um so eifriger – mit depraviert magischen Formeln aus dem Vokabular der Kunst, mit Inspiration, Genialität, Schöpfertum, mit Ursprünglichkeit, geheimnisvoller Kraft und anderem Irrationalem aufwarten. So durchsichtig die Motive jenes Irrationalismus sein mögen, so wenig ist doch das Moment der Irrationalität am Schlagererfolg zu übersehen. Welcher Schlager Erfolg haben wird und welcher nicht, das läßt mit apodiktischer Gewißheit so wenig sich voraussagen wie das Schicksal eines Wertpapieres. Aber diese Irrationalität ist nicht sowohl eine Suspension des gesellschaftlichen Bestimmtseins als vielmehr selber gesellschaftlich bestimmt. Zunächst kann die Theorie zahlreiche notwendige, ob auch nicht zureichende Bedingungen des »Erfolges«, also der sozialen Wirksamkeit herausstellen. Die fortschreitende Analyse mag dann auf die »irrationalen« Momente stoßen; auf die Frage etwa, warum von zwei durchaus äquiformen und äquivalenten Stücken das eine reussierte und nicht das andere. Aber sie wird kein schöpferisches Wunder annehmen dürfen, wo nichts geschaffen ist. Wofern die Irrationalität sich nicht auf ungleiche Chancen der Propaganda und Distribution reduziert, ist die Zufälligkeit selber Ausdruck einer gesellschaftlichen Gesamtverfassung, zu deren Konstituentien es gehört, bei genauester tendenzieller Bestimmtheit des Ganzen gleichwohl anarchische Zufälligkeit in allem konkreten Einzelnen zu dulden und zu fordern. Auch im Bereich der Ideologie kommt der Monopolismus keineswegs einer Aufhebung der Anarchie gleich. Wie die Realität, in der ein Schlager erklingt, keine planvoll geordnete ist; wie Ort und Stunde mehr über das Schicksal eines Gebildes zu entscheiden vermögen als sein eigenes Verdienst, so ist planlos das Bewußtsein derer, die ihn rezipieren, und die Irrationalität vorab die der Hörer. Das ist aber keine schöpferische, sondern eine zerstörende; keine Ursprungsmacht, sondern Rückgriff auf falsche Ursprünge unter der Macht der Zerstörung. In einer richtigen Gesellschaft könnte vielleicht Angemessenheit von Qualität und Erfolg angesetzt werden; in der falschen ist ihre Unangemessenheit nicht sowohl Zeugnis einer okkulten Qualität denn der Falschheit der Gesellschaft.

Unternimmt in Wahrheit der Jazz den Rückgriff auf falsche Ursprünge, so verliert nicht bloß die Rede von der Irrationalität seines Erfolgs, sondern auch die von seiner wesenseigenen, von der in ihm aufbrechenden Archaik oder wie immer die Phrasen lauten mögen, mit denen diensteifrige Intellektuelle den Betrieb rechtfertigen, ihren Sinn. Der Glaube an den Jazz als eine Elementarkraft, an der etwa die angeblich dekadente europäische Musik sich regenerieren könnte, ist eine bloße Ideologie. Wieweit der Jazz überhaupt mit genuiner Negermusik zu tun hat, ist überaus fraglich; daß er vielfach von Negern praktiziert wird und daß das Publikum den Markenartikel Neger-Jazz verlangt, beweist über ihn wenig, selbst wenn die folkloristische Forschung die afrikanische Herkunft vieler seiner Praktiken bestätigen sollte. Heutzutage jedenfalls sind alle Formelemente des Jazz durch die kapitalistische Forderung nach seiner Tauschbarkeit völlig abstrakt vorgeformt. Selbst die vielberufenen Improvisationen, jene hot-Stellen und breaks, haben bloß ornamentale, nie konstruktive und formsetzende Bedeutung. Nicht bloß ist ihnen stereotyp ihre Stelle, bis auf die Taktzahl, zugewiesen; nicht bloß ihre Länge und harmonische Struktur als die einer Dominanzwirkung genau vorbestimmt. Sogar ihre melodische Gestalt und ihre simultanen Kombinationsmöglichkeiten lassen auf ganz wenige Grundformen: der Umschreibung der Kadenz, des harmonisch figurativen Kontrapunkts sich zurückführen. Der Jazz verhält sich zu den Negern ähnlich wie die Salonmusik der Stehgeiger, die er so stählern meint überwunden zu haben, zu den Zigeunern. Nach Bartóks Nachweis wird diese den Zigeunern von der Stadt aus geliefert; städtisch ist wie der Konsum so auch die Herstellung des Jazz, und die Haut der Neger so gut wie das Silber der Saxophone ein koloristischer Effekt. Keineswegs hält mit den blanken Musikwaren die siegreiche Vitalität ihren Einzug; der europäisch-amerikanische Amüsierbetrieb hat die Triumphatoren nachträglich als Lakaien und Reklamefiguren sich gedungen, und ihr Triumph ist bloß die verwirrende Parodie auf den kolonialen Imperialismus. Soweit bei den Anfängen des Jazz, beim Ragtime vielleicht, von Negerelementen die Rede sein kann, dürfte es weniger um archaisch-primitive Äußerungen als um die Musik von Sklaven sich handeln; selbst in der autochthonen Musik von Innerafrika scheint die Synkope bei durchgehaltener Zählzeit durchaus nur der niederen Schicht zugehörig. Psychologisch mag die Struktur des Ur-Jazz am ehesten an die des Vor-sich-hin-Singens der Dienstmädchen gemahnen. Die Society hat ihre Vitalmusik, wofern sie sie nicht von Anfang an nach Maß herstellen ließ, nicht von Wilden, sondern von domestizierten Leibeigenen bezogen. Damit könnten dann freilich die sadistisch-masochistischen Züge des Jazz recht wohl zusammenhängen. So modern wie die »Primitiven«, die ihn anfertigen, ist die Archaik des Jazz insgesamt. Die improvisatorische Unmittelbarkeit, die seinen halben Erfolg ausmacht, rechnet streng zu jenen Ausbruchsversuchen aus der fetischisierten Warenwelt, die ihr sich entziehen wollen, ohne sie zu verändern, und darum tiefer nur in ihre Verstrickung hineinziehen. Wer vor der unverständlich gewordenen Musik oder vor dem entfremdeten Alltag in den Jazz flüchtet, gerät in ein musikalisches Warensystem, das vor anderen für ihn einzig den Vorzug hat, nicht sogleich durchschaubar zu sein, das aber, mit den entscheidenden, den nicht improvisatorischen Zügen, eben jene humanen Ansprüche niederschlägt, die er an es erhebt. Mit dem Jazz stürzt ohnmächtige Subjektivität aus der Warenwelt in die Warenwelt; das System läßt keinen Ausweg. Was dabei an uraltem Trieb sich wiederherstellt, ist nicht die ersehnte Freiheit sondern Regression durch Unterdrückung; keine Archaik gibt es im Jazz denn die aus Moderne mit dem Mechanismus der Unterdrückung gezeitigte. Nicht alte und verdrängte Triebe werden in den genormten Rhythmen und genormten Ausbrüchen frei: neue, verdrängte, verstümmelte erstarren zu Masken der längst gewesenen.

Die moderne Archaik des Jazz ist nichts anderes als sein Warencharakter. Die urtümlichen Züge an ihm sind die warenhaften: die starre, gleichsam zeitlose Unbewegtheit in der Bewegung, die maskenhafte Stereotypie, das Ineins von wilder Erregtheit als dem Schein des Dynamischen und Unerbittlichkeit der Instanz, die über solche Erregtheit herrscht. Vor allem aber das Gesetz, das eines des Marktes so gut ist wie eines der Mythen: er muß gleichzeitig stets dasselbe sein und stets das Neue vortäuschen. Es wird offenbar mit dem paradoxen und jede Produktivkraft lähmenden Anspruch an die Komponisten, immer nur »genau wie ...« und doch »originell«, durch Originalität wirksam zu komponieren. Wer beides zugleich vermöchte, würde das Ideal des »commercial« realisieren; in der Unversöhnlichkeit beider Ansprüche aber, wie sie an alle Waren gestellt werden, mag einer der tiefliegenden Widersprüche des Kapitalismus selber sich anmelden als des Systems, das gleichzeitig die Produktivkräfte entwickeln und fesseln muß. In der Jazzpraxis pflegt das Gewohnte sich durchzusetzen. Die Karten des Jazz scheinen ausgespielt; seit Foxtrot und Tango sind zu den Grundcharakteren keine neuen hinzugetreten, nur die bestehenden wurden modifiziert. Selbst der »Einfall«, dessen Begriff übrigens gesellschaftlich wie ästhetisch gleich problematisch ist, bleibt weithin von der Rücksicht auf erfolgreiche Modelle abhängig; er ist so gründlich konventionell vorgeformt wie nur die Grundtypen selber. Das neue dringt nur gelegentlich, anscheinend als individuelle Nuance und vom Individuum aus gesehen zufällig durch; wenn es nämlich, stets fast unbewußt, objektive gesellschaftliche Tendenzen ausprägt, also gerade nicht individuelle Nuance ist. Manchmal, ob auch keineswegs in der Mehrzahl der Fälle, bringt das Neue den großen Erfolg, etwa bei dem ersten Six-eight, Valencia, oder dem ersten Rumba. Solche Stücke werden meist gegen den Willen der Verleger gedruckt, da sie allemal Risiken sind. Das musikalische Korrelat der Forderung nach »ebenso wie« und »originell« aber ist: daß ein erfolgreicher Jazzschlager einen individuellen, charakteristischen Zug mit vollständiger Banalität in allem übrigen vereinen muß. Dabei ist keineswegs allein an melodische Plastik zu denken: gerade sie ist durchweg erstaunlich gering. Ein Detail welcher Art immer – in ›Valencia‹ etwa ist es eine kleine, dem Konsumenten nicht bewußte Unregelmäßigkeit der Metrik – genügt. Darum kommt es den Verlegern, ähnlich wie jedem Propagandisten, wesentlich an auf den Titel, den Textbeginn, die ersten acht Takte des Refrains und den meist in der Introduktion mottoartig vorweggenommenen Refrainschluß. Alles übrige, mit anderen Worten die musikalische Entwicklung, ist gleichgültig. Das alte, tatsächlich vielleicht auf Kultformen zurückverweisende Prinzip des Rondos: dem einprägsamen eigentlichen Rundtanz unselbständigere und unauffälligere Nebengedanken zu kontrastieren, wird vom Jazz in den Dienst der Behaltbarkeit und damit des Absatzes gestellt: durchweg sind die Couplets oder »verses«, als Gegensatz zum Refrain oder Chorus, absichtlich unplastisch gehalten.

Die Einheit des Charakteristischen und Banalen, die dem Jazz vorgezeichnet ist, betrifft nicht bloß die Gestalt der Jazzstücke in sich selber. Vielmehr und vor allem realisiert sie sich im Verhältnis von Produktion und Reproduktion, dem der Jazz gerade den Ruf der spontanen Unmittelbarkeit verdankt. Banal – so darf übertreibend gesagt werden – ist das Stück als solches; charakteristisch, apart, virtuos seine Wiedergabe, die es oft bis zur Unkenntlichkeit verkleidet. Für die Konvention im Jazz muß, sonderbar genug, der Komponist einstehen; der sie modifiziert, ist der Arrangeur, manchmal dem Verlag, manchmal dem Orchester verbunden, stets aber in engster Fühlung mit den Reproduzierenden; und vergleicht man die Leistung einer guten Kapelle mit dem Notentext etwa der Klavierfassung, so mag man gern glauben, daß die qualifizierten Musiker unter den Arrangeuren und nicht unter den Komponisten sich finden. Fast scheint es, daß ganz indifferentes Material am besten dazu sich eignet, verjazzt zu werden. Eines der bekanntesten Virtuosenstücke für Jazz, an dem die Kapellen mit Vorliebe ihre Fertigkeit beweisen, der ›Tiger Rag‹, ist als Komposition von der äußersten Simplizität. Es scheint damit der Jazz nach zwei Richtungen – beide verschieden von der innermusikalischen Entwicklungstendenz – fortschrittlich. Einmal durch Wiederhereinnahme des Reproduzierenden in die Komposition. Sind beide in der Kunstmusik einander hoffnungslos entfremdet; lassen die Vortragsbezeichnungen der neuen Musik keinerlei Raum für reproduktive Freiheit, ja will die Interpretation ganz hinter der mechanischen Wiedergabe verschwinden – dann scheint im Jazz der Reproduzierende sein Recht aufs neue anzumelden gegenüber dem Kunstwerk: der Mensch gegenüber dem Ding. So jedenfalls ist der Jazz von den Gewissenhaften unter seinen Apologeten verstanden worden: die Gesinnung von Kreneks ›Jonny spielt auf‹ legt dafür Zeugnis ab. Aber diese Gesinnung ist romantisch, und Krenek war nur konsequent, als er dem Jonny als Epilegomena die romantischen Einakter folgen ließ. Denn der Eingriff des Arrangeurs oder Interpreten in den Jazz vermag nicht, so wie stets noch die Improvisation des großen Schauspielers, den Stoff wahrhaft zu verändern, zum bloßen Anlaß der subjektiven Kundgabe zu machen. Reiz und Kunststück, die neue Farbe und der neue Rhythmus werden dem Banalen bloß eingelegt – so wie das Jazzvibrato dem starren Ton, die Synkope dem Grundmetron bloß eingelegt ist; ja diese Interferenz des Jazz ist die Leistung des Arrangements an der Komposition. Deren Konturen aber bleiben die alten. Noch den ausschweifendsten breaks des Arrangements ist das Schema anzuhören. Der Reproduzierende mag an den Ketten seiner Langeweile zerren, wohl auch mit ihnen klirren: zerbrechen kann er sie nicht. Reproduzierende Freiheit besteht so wenig wie in der Kunstmusik. Ließe sie selbst die Komposition zu, das Übereinkommen einer Jazzpraxis, die für die kleinste subjektive Nuance ihren vorgegebenen Namen bereit hält, würde sie nicht dulden. Vermag der Mensch nicht in der Komposition selber durchzubrechen, so gewiß nicht in einer Reproduktion, die deren kahle Wände respektvoll auskleidet, um über ihre Unmenschlichkeit zu täuschen, damit aber gerade der Unmenschlichkeit zur geheimen Dauer verhilft.

Weiter aber könnte man als fortschrittlich die Disposition des Arbeitsprozesses betrachten, der im Jazz zwischen Produktion und Reproduktion spielt. Er gibt sich als sinnfällige Arbeitsteilung, die ein »Material« in technischer Freiheit und Rationalität formt, ohne von seiner Zufälligkeit, der Zufälligkeit der Produktionsbedingungen oder der der mitwirkenden Personen noch abhängig zu sein. Einer hat einen »Einfall« oder was dafür gilt; ein zweiter harmonisiert ihn und setzt ihn aus; dann wird ein Text, dann der Rest der Musik geschrieben und rhythmisch und harmonisch, vielleicht schon vom Arrangeur, gewürzt; endlich das Ganze vom Fachmann instrumentiert. Es erfolgt nun aber die geflissentlich herausgekehrte Arbeitsteilung keineswegs planmäßig im Sinne von Rationalisierung – so wenig wie etwa bei der Filmfabrikation. Ihr Grund ist vielmehr die Not des Produzierenden, aus der er nachträglich die Tugend eines Kollektivismus macht, der in Wahrheit gar nicht obwaltet. Wer eine hochkapitalistische Rationalität des Produktionsvorgangs im Jazz annimmt, verfällt einer Illusion, ähnlich der, welche von der blitzenden Maschinerie ausgeht, die das Jazzorchester mit metallenen Instrumenten und hochgestelltem Flügeldeckel zu imitieren sich bemüht und die die Ware Jazz im Sinne vager Avanciertheit, im Sinne jenes »Tempos der Zeit« romantisieren möchte. Die Rationalisierung, die sich mit dem Plural der Autorennamen auf den Titeln der Klavierausgaben so eifrig deklariert, funktioniert höchst mangelhaft; nirgends kann von planvoller Kollektivarbeit die Rede sein, und durchweg ist der Widerspruch zwischen dem »Material« und seiner Technisierung offenbar – woran eben die Technisierung als gescheitert kenntlich wird. Die Arbeitsteilung rührt wesentlich daher, daß die Einfälle häufig von Amateuren, vielfach von Outsidern der Jazzpraxis stammen, die sie nicht selber jazzgerecht instrumentieren, ja oft nicht einmal aussetzen oder sogar nur notieren können; während am andern Ende des Produktionsprozesses die Rücksicht auf die dem Verlag liierten Kapellen und ihre besonderen ökonomischen Interessen steht. Es ist denn auch die Zufälligkeit des Ausgangsmaterials keineswegs das Resultat von dessen technischer Beherrschung, sondern mit ihr greift allemal die Anarchie in den Produktionsprozeß ein. Er beherrscht nicht sowohl das Ausgangsmaterial, als daß er von ihm und seiner Zufälligkeit abhängig bleibt: das setzt der Rationalität der Verfahrungsweise so gut wie des Resultats die Grenze. Die Jazzfachleute gehorchen dem Publikum und seinem Repräsentanten im Produktionsprozeß; der aber steht prinzipiell aller technischen Stimmigkeit entgegen. Wäre er Fachmann, so wäre der Erfolg im Ursprung gefährdet. Von künftigen kollektiven Kompositionsverfahren entwirft die Arbeitsteilung des Jazz bloß die Parodie.

Der extreme Fall des Publikums-Repräsentanten im – als solchem den Individuen entfremdeten – Produktionsprozeß des Jazz ist der Amateur. Er ist der Schulfall einer gesellschaftlichen Instanz, wie sie heute real auf die Musikpraxis wirken mag; darum von exemplarischer Bedeutung auch dann, wenn man die Zahl der eingeschalteten Jazzamateure nicht hoch anschlagen will. Diese Bedeutung freilich ist keinesfalls so aufzufassen, wie die Jazzideologie selber sie hinstellt. Der Amateur ist nicht der Unbelastete und Frische, dessen Originalität gegen die Routine des Betriebs sich durchsetzte; das gehört ins Bereich der Negerfabel. Es ist auch nicht so, daß durch ihn die gesellschaftliche Wirklichkeit bilderlos, scheinlos ins Kunstwerk eingriffe, und daß durch seinen Eingriff das Kunstwerk selber zur Wirklichkeit transzendierte. Als Anwalt der Gesellschaft im Jazz ist er vielmehr der Anwalt ihrer extremen Scheinhaftigkeit. Im Produktionsprozeß fungiert er als Garant der Apperzipierbarkeit des Produkts. Seine Einfälle sind der Niederschlag der aufgespeicherten Konventionen. Wie etwa ein Kaufmann, der im Angesicht einer Geburtstagsfeier zum Dichter zu erwachen meint, nicht etwa kraft seiner literarischen Unberührtheit unvermittelt und zwangvoll sich selber bekunden wird, sondern, wie ungebildet er auch sei, einen Abklatsch von Heine oder Scheffel oder Wilhelm Busch bietet – so klatscht der Amateur die Schablone der kurrenten Jazzmusik ab und gewährt die kommerzielle Chance, sie womöglich noch zu unterbieten. Was gerade ihn und nicht einen beliebigen anderen legitimiert, diesen Abklatsch an die Öffentlichkeit zu bringen, der er ihn verdankt, ist nicht sowohl die individuelle Qualifikation seiner Ideen als vielmehr, daß er die hysterische Hemmungslosigkeit aufbringt zu sagen, was er nicht leidet. Er investiert in der Produktion gerade jenen Fond unbewußter musikalischer und außermusikalischer Assoziationen, Erwartungen, Kategorien und Fehlleistungen, der beim Musiker durchs handwerkliche Training zersetzt oder zum Bewußtsein erhoben wird und, einmal verloren, nie mehr sich rekonstruieren ließe, der aber eine wesentliche, vielleicht die entscheidende Bedingung der Publikumswirkung ausmacht: unschätzbarer Beitrag zum kommerziellen Erfolg. Die Hilflosigkeit des vom spezialisierten Handwerk Ausgeschlossenen, der vor der Musik wie vor einer gesellschaftlichen Macht gleichsam Angst hat und aus Angst ihr sich zu adaptieren trachtet, ohne daß es ihm doch gelänge – diese Hilflosigkeit ist ein so wesentliches Ingrediens wie das versierte Normalbewußtsein des Habitués. Es gehören denn auch, als Konstituentien der Form Jazz selber, Hilflosigkeit – das wimmernde Vibrato – und Normalbewußtsein – die Banalität – zusammen. Das Wesen des Amateurs ist das subjektive Korrelat jener objektiven Formstruktur. Seine Fehlhandlungen fallen so gut ins Apriori des Jazz wie, nach der gründlich bewährten Einsicht von Karl Kraus, die Druckfehler in das der Zeitungen. Fehler der musikalischen Orthographie, Grammatik und Syntax sind in den Klavierfassungen – also den Originalen – von vielen der erfolgreichsten Schlager nachweisbar; sie setzen sich fort in den feineren Brüchen, die den gehobenen Jazzstücken aus zwingenden Gründen innewohnen; denn prinzipiell ist aller Jazz unstimmig. Wenn in der neueren, vor allem der amerikanischen Literatur die Oberfläche sich zu schließen beginnt, wenn weniger grobe Fehler vorkommen und die Dilettanten ausgeschlossen werden, so ist darin kein »Fortschritt« des Jazz zu sehen. Während er sich nach seinen Extremen, der sweet music und dem Marsch, aufzuspalten beginnt, stabilisiert sich der Jazz-Kern, die hot music, auf einer kunstgewerblich mittleren Linie von Sorgfalt und Geschmack, die die improvisatorischen Elemente des Ausbruchs, welche in der ursprünglichen Jazzkonzeption zuweilen doch am Werke waren, zu symphonischer Einfalt und Größe bändigt. Der stabilisierte Jazz, das ist der, welcher als »symphonisch«, als autonome Kunst sich gibt, damit aber endgültig auf jene Intentionen verzichtet, mit welchen zuvor einmal kollektive Unmittelbarkeit sich herzustellen schien. Er unterstellt sich dem Maß der Kunstmusik; vor diesem aber enthüllt er sich als weit zurückgeblieben.

Denn der »Geschmack« des Jazz und die Fermente seiner Modernität, Gegenpol und Korrektiv des Amateurs, sind artistisch so sehr bloß Trug wie umgekehrt dessen Unmittelbarkeit. Der versierte Geschmack, der das Konventionelle prüft und veredelt, ist längst selber konventionell; die Modernität beruht ausschließend auf Mitteln der jüngstvergangenen musikalischen Moderne. Es sind, grob gesagt, die des musikalischen Impressionismus. Der Farbige Duke Ellington, ein geschulter Musiker und der Hauptrepräsentant des gegenwärtigen »klassischen«, stabilisierten Jazz, hat als seine Lieblingskomponisten Debussy und Delius genannt. Mit Ausnahme der hot-Rhythmik weisen alle subtileren technischen Charakteristika des Jazz auf jenen Stil zurück, und es ist kaum übertrieben zu behaupten, daß dieser erst über den Umweg des Jazz in der Breite der Gesellschaft sich durchsetzte: in Pariser Nachtlokalen kann man zwischen Rumba und Charleston Debussy und Ravel hören. Am auffälligsten ist der impressionistische Einfluß in der Harmonik. Nonenakkorde, Sixte ajoutée und andere Mixturen, wie der stereotype blue chord, parallele Verschiebung von Akkorden und was immer der Jazz an vertikalen Reizen zu bieten hat, ist von Debussy entlehnt. Aber auch die Behandlung der Melodik, gerade in den konsequenteren Stücken, hat impressionistische Modelle. Die Auflösung in kleinste, nicht dynamisch entwickelte, sondern statisch wiederholte Motivformeln, die einzig rhythmisch umgedeutet werden und um einen unverrückbaren Mittelpunkt zu kreisen scheinen, ist spezifisch impressionistisch. Aber sie wird vom Jazz um ihren Formsinn gebracht: der übernommene Impressionismus wird depraviert zugleich. Bilden bei Debussy die melodischen Kommata nach dem konstruktiven Geheiß der Subjektivität aus sich heraus ihre Farb- und Zeitflächen, so werden sie im Jazz, so wie die Scheintakte der hot music, ins metrisch-harmonische Schema der »normal« kadenzierenden achttaktigen Periode eingespannt. Die subjektiv-funktionelle Aufteilung der Melodie bleibt ohnmächtig, indem sie durch die achttaktige Zusammenfassung zu einer melodischen Oberstimmengestalt gewissermaßen revoziert wird, die mit ihren Partikeln bloß spielt, anstatt daß aus ihnen eine neue Gestalt sich komponiert hätte; ebenso die komplexen Harmonien, indem sie von der gleichen Kadenz wieder aufgefangen werden, aus der ihr schwebender Klang entweichen wollte. Selbst das Gestrige muß vom Jazz erst harmlos gemacht, aus seinem historischen Zug herausgelöst werden, ehe es marktfähig wird. Auf dem Markt fungieren die impressionistischen Zutaten als Reiz. Sie wirken, bislang noch in Konzertsaal und Atelier isoliert, modern; im groben Schema als feine Nuance; fürs breite Publikum wohl auch, in einer kaum mehr nachzufühlenden Weise, gewagt und aufstachelnd; abstrakt täuschen sie Fortgeschrittenheit vor. Aber das Individuelle, das mit dem Impressionismus dem Jazz eingelegt wird, verdankt sich nicht sich selber und gehört sich nicht zu. Längst ist es erstarrt, formelhaft, verbraucht – das Individuelle nun so sehr wie die gesellschaftliche Konvention zuvor. Um seinen Formsinn ist es darum so bequem zu bringen, weil er bereits, auch in der nach-Debussystischen Epigonenmusik, ihm selber entwich; als konventionell läßt es bruchlos der Konvention sich einfügen. Das individuell Moderne am Jazz ist so scheinhaft wie das kollektiv Archaische.

Der Scheincharakter des Individuellen verbindet den Jazz der Salonmusik, zu der der Impressionismus selber in seinen minderen Repräsentanten tendiert. Mit seinen Ursprüngen reicht der Jazz tief in den Salonstil hinab. Aus ihm stammt, drastisch gesagt, sein Espressivo; alles, womit ein Seelisches darin sich kundtun will. Das Jazzvibrato ist zunächst wohl vom Stehgeiger übernommen, der dann im Tango wieder aufersteht. Die impressionistische Harmonik spielt allenthalben in die sentimentale des Salons hinüber. Der eigentümliche Stil der flüsternden Jazzsänger, die am schwierigsten der Norm einzuordnen sind, hält den des Café Concerts wenig verändert fest. Der subjektive Pol des Jazz – Subjektivität selber strikt als Sozialprodukt und warenhaft verdinglicht genommen – ist die Salonmusik; von ihren Regungen zittert er. Wollte man die Interferenzerscheinung Jazz mit großen und handfesten Stilbegriffen bestimmen, man könnte ihn die Kombination von Salonmusik und Marsch nennen. Jene repräsentiert eine Individualität, die in Wahrheit keine ist, sondern bloß deren sozial produzierter Schein; dieser eine ebenso fiktive Gemeinschaft, die durch nichts anderes sich bildet als durch Gleichrichtung von Atomen unter auf sie ausgeübtem Zwang. Die Wirksamkeit des Marschprinzips im Jazz ist evident. Der Grundrhythmus von Continuo und großer Trommel fällt mit dem Marschrhythmus durchweg zusammen, und mühelos konnte der Jazz, seit den Six-eights, in den Marsch sich verwandeln. Der Zusammenhang ist historisch gegründet: einer der Bläserbässe des Jazz heißt nach dem Marschkomponisten Sousaphone, und nicht bloß das Saxophon ist den Militärkapellen entlehnt, sondern die gesamte Disposition des Jazzorchesters, nach Melodie-, Baß-, »obligaten« Begleit- und bloßen Füllinstrumenten, ist mit der der Militärkapellen identisch. Darum will der Jazz zum faschistischen Gebrauch gut sich schicken. In Italien ist er, gleich dem kubistischen Kunstgewerbe, besonders beliebt. Das Verbot in Deutschland hängt mit der Fassadentendenz zusammen, auf vorkapitalistisch-feudale Formen von Unmittelbarkeit zurückzugreifen und diese Sozialismus zu heißen. Aber charakteristisch genug hat dies Verbot keine Macht. Der Kampf gegen das Saxophon ist von den Musikorganisationen und der Instrumentenindustrie beschwichtigt worden; der Jazz selber geht, unter anderen Namen, munter weiter, auch im Rundfunk; einzig die vorgeschobenere, neusachlich-großbürgerliche und dem Laien schwerer verständliche hot music bleibt dem Bann verfallen. Nicht nur wird die marschähnliche Jazzmusik geduldet: die neuen Märsche, wie sie zumal der Tonfilm lancierte, sind selber wieder unvermittelt aus dem Jazz entsprungen.

Das Verhältnis von Salonmusik und Marsch, die sich im Jazz vermischen, hat seinen Grund in der Entmythologisierungstendenz des Tanzes selber: der Umwandlung des Tanzens in bürgerliches Gehen, womöglich von Individuen aus dem Salon. Die Vorformen des Jazz, vor dem Kriege, waren »Step« genannt: die Schrittbewegung, also eine aus dem Gehen, gab ihnen den Namen. Es ist die gesellschaftliche Funktion des Jazz, die Tendenz der Entzauberung des Tanzens, deren Geschichte zu schreiben wäre, aus ihrer eigenen Konsequenz in ihr Gegenteil, den neuen Zauber, überzuführen. Das magisch nicht länger gebundene Gehen der bürgerlichen Individuen schlägt, einmal rhythmisch kommandiert, in Marschieren um. Soweit Tanzen gleichgerichtete Bewegung heißt, ist im gehenden Tanz die Tendenz zum Marschieren von Anbeginn vorhanden; darum knüpft der Jazz im Ursprung an den Marsch an, und seine Geschichte deckt lediglich die Beziehung auf. Zunächst freilich gibt das lässige Gehen, mit dem der Jazz begleitend mitläuft, sich als das Gegenteil des Marschierens. Es scheint den Tanzenden aus der Haft der genauen Gestik zu entlassen in die Zufälligkeit seines Alltags, die er auch mit dem Tanz nicht mehr verläßt, doch die der Tanz als eine verborgene Ordnung spielerisch verklärt. Mit dem Jazz setzt, so dünkt es, die Kontingenz des individuellen Daseins gegenüber seiner gesellschaftlichen Regel sich durch, mit dem Anspruch, es sei sinnvoll. Vollends die Jazzsynkope will das rituale Maß vergessen machen; zuweilen klingt es, als ob die Musik ihre Distanz und ästhetische Bildlichkeit opferte und in die leibhaftige Empirie des geordnet-zufälligen Lebens überginge. Im Film will der Jazz am besten zur Begleitung kontingenter, im doppelten Sinn prosaischer Vorgänge sich schicken: wenn flanierende und schwatzende Menschen an einer Küste gezeigt werden, wenn eine Frau mit ihrem Schuh sich zu schaffen macht. In solchen Augenblicken wirkt der Jazz so situationsgerecht, daß er kaum mehr ins Bewußtsein dringt. Daher auch die Bedeutung der Schlager der Kontingenz: wo ein zufälliges Wort, als Fetzen der Alltäglichkeit, der Musik zur Hülle wird, aus der sie sich hervorspinnt: Bananen und Käse am Bahnhof und Tante Paula, die Tomaten ißt, haben oft genug ihre erotischen und geographischen Konkurrenten aus dem Felde geschlagen.

Ihrer Kontingenz nun freilich läßt sich nur über ein sehr kurzes Stück vertrauen. Allzu willig geben die Schlager der Kontingenz eine – keineswegs unbewußte – sexuelle Bedeutung her: sie allesamt tendieren zur Zote. Der Käse appelliert an die anale Regression, die Bananen verhöhnen die Ersatzbefriedigung der Frau; je absurder der Unsinn, um so handgreiflicher der sex appeal. Das Gehen selber hat – die Sprachen bezeugen es – unmittelbaren Bezug auf den Coitus: der Geh-Rhythmus ähnelt dem geschlechtlichen, und haben die neuen Tänze die erotische Magie der alten entzaubert, so haben sie – darin wenigstens fortgeschrittener, als sich erwarten ließe – die drastische Andeutung des sexuellen Vollzugs an ihre Stelle gesetzt. Das wird extrem ausgeprägt von einigen Dance Academies, wo Taxi girls zur Verfügung stehen, mit denen man Gehtänze ausführt derart, daß sie zuweilen zum Orgasmus des Mannes führen: so daß der Tanz zum Mittel sexueller Befriedigung bei gleichzeitigem Respekt fürs Virginitätsideal wird. Das sexuelle Moment des Jazz ist es denn auch, das diesem den Haß der kleinbürgerlich asketischen Gruppen eingetragen hat.

Dies sexuelle Moment aber wird von allem Jazz geflissentlich unterstrichen. Anders als Psychoanalyse es gewohnt ist, möchte man, in ihren Begriffen, die symbolische Darstellung der sexuellen Vereinigung den manifesten Trauminhalt des Jazz nennen, der durch die Anspielungen von Text und Musik eher verstärkt als zensiert werden soll. Es läßt sich der Verdacht nicht von der Hand weisen, daß die plumpe und leicht durchschaubare sexuelle Geheimnistuerei des Jazz nur darauf aus ist, ein zweites, tieferes und gefährlicheres Geheimnis zu verstecken. Das erste wäre in nichts von dem unterschieden, was älteren Operetten wie ›Walzertraum‹ Titel und Handlung gab; der Charakter von Modernität, der dem Jazz innewohnt, würde von ihm nicht betroffen. Das zweite Geheimnis aber darf als gesellschaftliches vermutet werden. Den latenten Traumgedanken aufzufinden, mag man beim Verhältnis des Jazz zur Kontingenz insistieren. Denn als gesellschaftliche geht sie nicht auf in der sexuellen Bedeutung: die gesellschaftliche muß ihr in der sexuellen abgezwungen werden. Auch gesellschaftlich hält der Jazz zunächst eine simple Lösung bereit. Es ist die rondomäßige: die von Couplet und Refrain, die er mit der traditionellen leichten Vokalmusik teilt. Couplet und Refrain heißen englisch: verse und chorus; Namen und Sache beschwören das alte Verhältnis von Vorsänger oder -tänzer zum Kollektiv. Das Individuum redet im verse gleichsam isoliert, eben aus der Kontingenz seiner Individualität; bescheiden, unaufdringlich berichtend, nicht im Ton der gemeinschaftlichen Hymne, um sich dann im chorus, der einer musikalisch durch den Halbschluß ausgedrückten Frage antwortet, bestätigt und zur Gesellschaft objektiviert zu finden. Dies Ritual richtet sich an Individuen als an sein Publikum. Der intendierte, vom Publikum wohl auch geleistete unbewußte Vorgang ist demnach zunächst der der Identifizierung. Das Individuum im Publikum erlebt sich primär als Couplet-Ich, fühlt dann im Refrain sich aufgehoben, identifiziert sich mit dem Refrainkollektiv, geht tanzend in dieses ein und findet damit die sexuelle Erfüllung. Soweit die allbekannte Traumschicht des Jazz; sie ähnelt jener im Film, die unter dem Titel der Wunschphantasie wieder und wieder mit allem trivialen Esprit abgehandelt wurde. Immerhin zeigt sie bereits, wie die korrespondierenden Filme, den Primat der Gesellschaft über ein Individuum, das sich doch als Maß des Vorgangs erfährt. Bezeichnend der Produktionsprozeß: er verwirklicht den Primat des Refrains vorm Couplet, indem jener immer zuerst und als Hauptsache geschrieben, das Couplet nachträglich erst dazu gesucht wird; das Individuum, der »Held« des verse, ist bei der Herstellung gleichgültig. Oft erzählt der verse, um nur überhaupt den Anschluß an den Refrain zu finden, eine schwachsinnige Entstehungsgeschichte des Refrains. Bei Orchesterarrangements tritt der verse ganz zurück: das Stück beginnt mit dem Refrain, das Couplet wird überhaupt nur einmal – wie ein Rondo»gang« – gebracht; Wiederholungen und Variationen gelten allein dem Chorus. Auch gesungen wird nur dieser. Dagegen enthalten die Klavierausgaben, die ja an den Privaten sich richten, den vollständigen Text und musikalisch das Couplet samt dem Refrain.

Will die Theorie hinter solche Befunde ins Zentrum der gesellschaftlichen Funktion des Jazz oder, psychologisch gewandt, in seinen latenten Traumgedanken eindringen, nämlich die konkret-historisch bestimmte Konstellation von gesellschaftlicher Identifizierung und sexueller Triebenergie deuten, deren Schauplatz er ist, so muß sie das Problem der Kontingenz stellen im Angesicht der hot music, so wenig auch diese, jedenfalls in Europa, in der Breite des Publikums sich durchgesetzt hat. Denn den Minima von Marsch und Salonmusik steht die hot music als das erreichbare Maximum gegenüber; aus ihr, wenn überhaupt, ist seine »Idee« zu konstruieren. Der Umfang der hot-Elemente reicht von der kunstvoll ausgeführten Improvisation über break und Scheintakte bis zum Elementarfall, der aus dem Grundrhythmus gleichsam herausstolpernden Synkope. Ihnen steht als Norm die durchgehaltene Zählzeit gegenüber. Sie mögen mit besserem Recht fürs Jazz-Subjekt gelten als dessen archaisches Rudiment, das Couplet: in ihrem Herausfallen stellt individuelle Kontingenz leibhaft sich selber dar. Dies Jazz-Subjekt ist ungeschickt und neigt doch zur Improvisation; es steht als Selbst der abstrakten übergeordneten Instanz gegenüber und ist doch nach Belieben auszuwechseln; es verleiht ihr Ausdruck, ohne sie doch durch Ausdruck zu erweichen. So ist es paradoxer Art. Daß es selber konventionell vorgeformt ist und bloß anscheinend sich selber gehört, zwingt so gut wie der musikalische Ausdruck der hot-Stellen zum Schluß, dies Subjekt sei kein »freies«, lyrisches, das ins Kollektiv erhoben würde, sondern unfrei im Ursprung: Opfer des Kollektivs. Damit aber setzt zugleich der Jazz den vorgeschichtlichen Sinn des festgehaltenen Refrain-Coupletverhältnisses aufs neue zu seiner eigenen Stunde durch: denn der Vorsänger oder Vortänzer ist kaum etwas anderes als ein – vielleicht abgelöstes – Menschenopfer. Es mag in diesem Zusammenhang entscheidend zur Erhellung des Jazz beitragen, daß der einzige dem Jazz irgend nahestehende Komponist von Gewicht, Strawinsky, mit seinem eben um synkopischer Künste willen berühmten Hauptwerk, dem Sacre du printemps, ein Menschenopfer, und eben das des Vortänzers, zum Gegenstand macht; ein Opfer, das die Musik nicht sowohl dramatisch interpretiert wie ritual begleitet. Der Opfersinn des Jazzsubjekts ist freilich, nun wahrhaft unter Traumzensur, abgeschwächt. Es fällt aus dem Kollektiv heraus wie die Synkope aus den guten Taktteil-Akzenten; will der vorgegebenen, vor ihm selbst existierenden, von ihm unabhängigen Mehrheit, sei es aus Protest oder Ungeschick oder beidem in eins, sich nicht einfügen – bis es dann doch in sonderbarer Gnadenwahl vom Kollektiv rezipiert oder besser eingeordnet wird; ja bis die Musik ironisch-nachträglich, mit der sich rundenden Periode, beweist, daß es von Anbeginn darin war; daß es, selber ein Stück dieser Gesellschaft, eigentlich aus ihr gar nicht herausfallen kann; ja daß sein scheinbares Ungeschick in Wahrheit Virtuosität der Einfügung ist; daß sein Nichtkönnen in jedem und freilich nun vorab dem sexuellen Sinn gerade Können, Auch-Können, gar Besser-Können bedeutet.

Die genaueste Vorform dieses Jazz-Subjekts hat das Vorkriegsvarieté ausgebildet; die historische Frage, wieweit die ersten Steptänze im Varieté entsprungen sind, wäre darum sachlich für eine ausgeführte Theorie des Jazz von äußerster Wichtigkeit. Als Modell des Jazz-Subjekts darf der Excentric vermutet werden: eines der ältesten und berühmtesten jazzähnlichen Stücke der Kunstmusik, ein vorm Kriege erschienenes Präludium Debussys, trägt den Titel: ›Général Lavine, Excentric‹, mit der auf den Steptanz bezugnehmenden Vortragsbezeichnung: »Dans le mouvement et le style d'un Cake-walk«. Der Excentric kann zunächst als der strikte Gegenspieler des Clowns verstanden werden. Ist der Clown der, dessen anarchische und archaische Unmittelbarkeit dem verdinglichten bürgerlichen Leben sich nicht einfügt, vor ihm lächerlich wird, fragmentarisch aber zugleich es selber lächerlich erscheinen läßt, so fällt gewiß der Excentric ebensowohl aus der zweckvollen Regelmäßigkeit – dem »Rhythmus« – des bürgerlichen Lebens heraus. Er ist Sonderling und Einspänner so gut wie der Clown und mag den Bereich des Lächerlichen wohl streifen. Aber sein Herausfallen offenbart sich sogleich: nicht als Ohnmacht, sondern als Überlegenheit oder doch deren Schein; Lachen grüßt den Excentric nur, um im Schock zu verstummen, und mit seiner Lächerlichkeit verschwindet elegant auch die der Gesellschaft in der Versenkung. Der Rhythmus seiner Willkür ordnet bruchlos einem Größeren, Gesetzmäßigen sich ein; und sein Versagen hat seinen Ort nicht unter, sondern über der Norm: dem Gesetz gehorchen und doch anders sein. Diese Verhaltensweise wird, unter allmählicher Preisgabe der Züge von spielerischer Überlegenheit und liberalem Anderssein, vom hot-Subjekt übernommen. Äußerlich schon hält die Jazzpraxis der besten Kapellen stets Züge des Excentrics fest. Jonglierkünste der Schlagzeuger, blitzschneller Wechsel der Instrumente, Improvisationen, die beim ersten Takt als lächerliches Falschspielen klingen und vom letzten als richtig erwiesen werden; planvolles Stolpern, sinnreich-sinnloses sich um sich selber Drehen – all das ist der virtuoseren Jazzpraxis mit der der Excentrics gemeinsam. Die rhythmischen Kategorien der hot music selber sind Excentric-Kategorien. Die Synkope ist nicht, wie ihr Widerspiel, die Beethovensche, Ausdruck gestauter subjektiver Kraft, die gegen das Vorgesetzte sich richtete, bis sie aus sich heraus das neue Gesetz produziert. Sie ist ziellos; nirgends führt sie hin und wird durch ein undialektisches, mathematisches Aufgehen in den Zählzeiten beliebig widerrufen. Sie ist bloßes Zu-früh-Kommen, so wie Angst zum verfrühten Orgasmus führt, wie Impotenz in zu frühem und unvollständigem Orgasmus sich ausdrückt. Durch den von Anfang an unverrückbar feststehenden und dem Zeitmaß nach streng durchgehaltenen, nur durch Betonung modifizierten Grundrhythmus oder genauer das Grundmetron ist sie durchaus relativiert und, abermals wie Impotenz, tendenziell verhöhnt: den Hohn und das Leiden an ihm drückt sie in trüber Zweideutigkeit gleichermaßen aus. Als Clown beginnt das hot-Ich, zu schwächlich, der unproblematisch gesetzten Kollektivnorm zu folgen, unsicher taumelnd gleich manchen Figuren der amerikanischen Filmgroteske wie Harold Lloyd und zuweilen selbst Chaplin. Die entscheidend eingreifende Tendenz des Jazz besteht nun darin, daß dies Subjekt der Schwäche gerade vermöge seiner Schwäche, ja als sollte es für diese belohnt werden, in eben jenes Kollektiv sich einpaßt, das so schwach es machte und dessen Norm seine Schwäche nicht genügen kann. Psychologisch vollbringt der Jazz die Quadratur des Zirkels. Das kontingente Ich ist prinzipiell selbst als Angehöriger der Bürgerklasse dem gesellschaftlichen Gesetz blind preisgegeben. Indem es nun die gesellschaftliche Instanz fürchten lernt und als Kastrationsdrohung – unmittelbar: Impotenzangst – erlebt, identifiziert es sich mit eben der Instanz, die es zu fürchten hat, gehört aber dafür plötzlich selber dazu und darf mittanzen. Der sex appeal des Jazz ist ein Kommando: pariere, dann darfst du auch, und der Traumgedanke, so widerspruchsvoll wie die Wirklichkeit, in der er geträumt wird: wenn ich mich entmannen lasse, bin ich erst potent. Das Verhältnis des durch die hot-Elemente repräsentierten Jazz-Subjekts zur gesellschaftlichen Instanz, dem vorgegebenen metrischen Gesetz, ist material-musikalisch wie sozialpsychologisch ambivalent. Aus Angst fällt es heraus und opponiert; aber die Opposition, als die eines vereinzelten Individuums, das gerade in seiner Vereinzelung als bloß sozial determiniertes sich darstellt, ist Schein. Aus Angst gibt es die Individualität – die Synkope – wieder auf, die selber bloße Angst ist, opfert eine Individualität, die es nicht besitzt, fühlt verstümmelt sich eins mit der verstümmelnden Macht und überträgt diese dergestalt auf sich selber, daß es meint zu »können«. Das herausfallende Ich bleibt ein Stück der totalen Gesellschaft, nur ein zunächst sich verborgenes, und der Jazzvollzug ist nicht sowohl seine dialektische Veränderung und »Aufhebung« im eigentlichen Verstande als vielmehr das starre Ritual der Enthüllung seines Sozialcharakters. Die Züge der Schwäche sind eingezeichnet in den »parodistischen« oder komischen, die allemal den hot-Stellen eignen, ohne daß doch einer deutlich wüßte, was da parodiert wird. Sie stellen aber gleichzeitig noch im Sinne des Excentrics die spielende Überlegenheit des Individuums über die Gesellschaft vor, das gerade vermöge der genauen Kenntnis ihrer Spielregeln es wagen darf, diese nicht strikt innezuhalten. Nur dieser ironische Überschuß ist suspekt am Jazz, und er ist mit dem Haß gegen Quäken und Mißton gemeint; nicht aber die Adaptation der Synkope; nur er entfällt im Faschismus, nicht aber das Modell des rhythmischen Verlaufs. Denn die Spezifikation des Individuums im Jazz war und ist niemals die der andrängenden Produktivkraft, sondern stets nur die der neurotischen Schwäche: wie denn eben auch musikalisch die Grundmodelle des »herausfallenden« hot-Subjekts selber ganz banal und konventionell bleiben. Darum vielleicht mögen unterdrückte Völker für den Jazz besonders qualifiziert sein. Sie machen gewissermaßen den noch nicht hinlänglich verstümmelten Liberalen den Mechanismus der Identifikation mit ihrer eigenen Unterdrückung vor.

Jazz, das Amalgam von Marsch und Salonmusik, ist ein falsches: das eines zerstörten Subjektiven mit einer es produzierenden, vernichtenden und durch Vernichtung objektivierenden Gesellschaftsmacht. Das gilt wie für die Einheit des Pseudofreien und -unmittelbaren mit dem marschhaft kollektiven Grundmetron auch koloristisch: für das subjektiv-expressive Klingen; für einen subjektiven Laut, der damit sich aufhebt, daß er allemal sich selber als mechanisch kenntlich macht. Von allen Instrumenten bekennt diese Farbe am treuesten die unerträgliche Wurlitzer-Orgel. In ihr kommt das Wesen des Jazzvibratos endgültig an den Tag. Ihm sind die anderen Klangcharakteristika des Jazz: die Dämpferverzerrungen der Bläser, die zirpenden und damit selber vibrierenden Tonwiederholungen der Zupfinstrumente Banjo und Ukulele; auch das Ziehen der Harmonika, funktionell insofern äquivalent, als sie allesamt einen »objektiven« Klang modifizieren, aber doch nur so weit, daß er selber unweigerlich manifest bleibt; vielleicht ironisiert, meist aber das in ihm hilflos sich erprobende Wimmern ironisierend. Der objektive Klang ist mit einem subjektiven Ausdruck fourniert, der ihn nicht beherrschen kann und darum konstitutiv lächerlich-jammervoll wirkt. Die Züge des Komischen, Grotesken, auch Analen, die dem Jazz eignen, lassen darum von den sentimentalen nie sich trennen. Sie charakterisieren eine Subjektivität, die gegen eine Kollektivmacht aufbegehrt, die sie doch selber »ist«; darum erscheint ihr Aufbegehren lächerlich und wird von der Trommel niedergeschlagen wie die Synkope von der Zählzeit. Erst Situationen, denen die Ironie, gleichgültig wogegen, und der Ausdruck der Subjektivität, gleichgültig welcher, suspekt ist, können diesen Klang nicht mehr dulden. Dann tritt an seine Stelle der militärisch edle, teuflisch wohllautende der symphonischen Jazzmärsche, dessen blanke Geschlossenheit nicht einmal dem Schein des Menschlichen mehr seine Lücke läßt. Dann hat der Jazz nach den Polen seines Ursprungs sich aufgespalten, während in seiner Mitte die hot music, zu verfrühter Klassizität verdammt, ihr schmales Spezialisten-Dasein führt. Dann aber auch ist der Jazz nicht mehr zu retten.

 

1936

 

Oxforder Nachträge

Jener Titel des Debussyschen Präludiums: ›Général Lavine, excentric‹, scheint programmatisch die Idee des Jazz vorwegzunehmen. Gibt man dem Wort Lavine die deutsche Bedeutung – für die freilich sonst im Französischen nur avalanche einsteht –, so bezeichnet es jedenfalls das Losbrechende, regellos Stürzende; auch das Beängstigende zugleich; die Lawine aber ist wiederum, als identisch mit der zerstörenden gesellschaftlichen Instanz, ein General; der General zugleich dadurch verspottet, daß man ihm den Namen der Lawine beilegt, so wie etwa zur gleichen Periode, der um 1910, mit den ersten Teddybären und dem Diabolo, der Rang des Konsuls verspottet wird, indem uniformierte Affen »Konsul Peter« heißen. Sie werden Rad fahrend vorgeführt. Das paradoxe Wesen, das als von der Gesellschaft verstümmelt Hohn erntet und als ihr Souverän verherrlicht ist, heißt Excentric. Wenn er am Ende des Präludiums gleichsam im Scheinwerferlicht präsentiert wird, und die Bewegung innehält: dann könnte leicht genug das Modell des Jazz-Subjekts erstellt sein, das später, zwangshaft invariant, das gleiche Tableau wiederholt.

 

Das eigentlich Entscheidende am Jazz-Subjekt ist, daß es sich, trotz seines individuellen Charakters, überhaupt nicht selbst gehört: daß also die individuellen Züge, mit denen es gegen die soziale Instanz protestiert, in Wahrheit gerade die ihm von jener eingeprägten Male der Verstümmelung sind. In der Angst, in der es sich mit der Gesellschaft identifiziert, enthüllt sich diese reale Identität: das verleiht dem Jazz-Ritual jenen eigentümlich bestätigenden Charakter. Nur weil es real mit dem gesellschaftlichen Prinzip identisch ist, vermag es psychologisch sich mit ihm zu identifizieren und seine eigene Verstümmelung zu genießen.

 

Jazz und Pogrom gehören zusammen. Zez Confrey, der Autor des kunstgewerblich virtuosen Stückes ›Kitten on the Keys‹, hat ein anderes ›Poor Buttermilk‹ genannt, offenbar als Darstellung eines von der Musik komisch-jämmerlich präsentierten Juden. Das Motiv kommt schon in den ›Bildern einer Ausstellung‹ von Mussorgsky vor. Dem Ineins von sentimentalen und komischen Zügen entspricht revers beim Pogrom die Verhaltensweise des in Grausamkeit umschlagenden Spaßes. Es ist die Gestik dessen, der, von einem jähen und unerträglichen Schmerz ergriffen, zu tanzen beginnt, weil er »nicht mehr auf seinen Beinen stehen kann«. Sie lebt noch im Achselzucken fort. – Benjamin sagt: im Jazz werden Gesten gezeigt von solchen, die im Pogrom auftreten mögen: von Ungeschickten, die gezwungen sind, geschickt zu sein. – Ich erinnere mich deutlich, daß ich erschrak, als ich das Wort Jazz zum ersten Male las. Plausibel wäre, daß es vom deutschen Wort Hatz kommt und die Verfolgung eines Langsameren durch Bluthunde entwirft. Jedenfalls scheint das Schriftbild die gleiche Kastrationsdrohung zu enthalten, die das des Jazzorchesters mit dem aufgesperrten Flügeldeckel darstellt. Am symbolischen Charakter dieses Flügeldeckels ist kein Zweifel. Wann immer in amerikanischen Filmen ein Flügel gezeigt wird, und wäre es bei den intimsten Duetten, ist der Deckel hochgestellt, in offenbarem Widerspruch zu den akustischen Erfordernissen der Situation. In den gleichen Zusammenhang gehört der Name für die letzte Vorform des Jazz: Ragtime. Jazz möchte der festgehaltenen Zeit das gleiche widerfahren lassen wie dem festgehaltenen Leib: zerfetzen. ›Tiger Rag‹. Das »Zerfetzen der Zeit« durch die Synkope ist ambivalent. Es ist zugleich Ausdruck der opponierenden Schein-Subjektivität, die gegen das Maß der Zeit aufbegehrt, und der von der objektiven Instanz vorgezeichneten Regression, die die historische Zeiterfahrung, wie sie der tanzende Leib machen könnte, unterdrückt und den ohnmächtigen Leib im Zeitlosen: im Gewesenen zu halten unternimmt und ihn selber verstümmelt.

 

Zum Verhältnis von Jazz und Salonmusik: wenn das anscheinend freie und ungebundene Jazz-Subjekt aus dem Salon in den Marsch übergeht, so betrifft das nicht bloß den – im Ursprung scheinhaften – Ausdruck seiner Subjektivität, sondern das rhythmische Verhältnis zur Norm selber. Die breaks haben ihre dialektische Vorform im Rubato der Salonmusik. Freilich ihre dialektische. Denn im Rubato erhebt in der Tat Subjektivität, wie scheinhaft auch immer, noch den Anspruch von Kraft. Es besteht wesentlich in der Verlängerung der Noten; gleichsam dem langen Atem, wie er an Sängern gefeiert wird. Beschleunigungen in der Salonmusik sind allemal »elegant«, wie immer auch degradierte Verbeugungen des Ebenbürtigen in der Gesellschaft. Er behält die gewonnene Zeit als Besitz; der Grundrhythmus nimmt sie ihm nicht mehr ab. Die Geste, die den seltenen Fällen eines beschleunigenden Rubatos in der Salonmusik entspräche, wäre die der Dame, die die Schleppe rafft. Das Rubato des Jazz ist immer bloß das Zufrüh der Schwäche. Das Subjekt läuft vorm System ins System davon. Keine gewonnene Zeit bleibt übrig: Atom und Totalität gehen bruchlos ineinander auf. Selbst die Einpassung ins Ganze, die Bestätigung also, hat noch den Charakter der Ohnmacht. Die ergänzenden Rhythmen sind meist kürzere Modelle als die Scheintakte, ein Zweiachtelmodell nach zwei Dreiachtelmodellen etwa, und so nochmals Beschleunigungen; man könnte hier das genaue technische Korrelat für die Deutung suchen, daß die Integration eben durch die Kastration geschieht. Suchte man hier nach der illustrierenden Geste, so wäre an die der Claudette Colbert zu denken, wenn sie in ›It Happened One Night‹ mit einem rätselhaft traurigen Lächeln den Rock hochhebt. Noch wo der Jazz ausbricht, noch wo die Sexualität bejaht scheint, geschieht es mit der Koketterie der Schwäche; die erotisch preisgegebene Frau wird zur ideologischen Verklärung des gesellschaftlich preisgegebenen Menschen.

 

Hätte das Jazz-Subjekt einen deutschen Namen – und seine Internationalität erlaubt wohl, ihm einen solchen zu geben –: er könnte nicht anders als Peter lauten. Konsul Peter; der arme, ungeschickte Peter; Peter Schlemihl, der schwarze Peter; der Einsame, von den Mädchen Verlassene, Hilflose: gerade er hat seine Funktion so geändert, daß ein Journalist schreiben konnte, jeder Mann mit erotischen Chancen habe heute auf den Namen Peter Anspruch. Die Bohémiens Hille und Altenberg, Ausgestoßene und Lieblinge zugleich, haben als erste das Glück des armen Peter gemacht. Vielleicht liegt das theologische Modell des Petrus zugrunde, auf den Jesus seine Kirche bauen will, obwohl er ihn dreimal verleugnet hat. Heute mögen Millionen von Mädchen in der Intimität ihren Geliebten Peter nennen. Denn alle Männer sind Peter geworden, und einmal enthüllt, scheint es keine Schande mehr: ja mit der Enthüllung wird er rezipiert, und in seiner Andersheit birgt sich der letzte Rest unmittelbarer, inkommensurabler Individualität als Schein. Die Berliner Vorkriegsoperette hat dem auf ihre brutale Weise Ausdruck gegeben, indem ihr verbreitetster Schlager Puppchen hieß: Peter und Jazz-Subjekt in statu pupillari. »Ein jeder nennt mich Puppchen, das macht mir riesig Spaß«: Hohn und Lust am Namen als einer gesellschaftlichen Warenmarke in eins. Der Puppchen ist ein Mann. Wenn es dann heißt: »Puppchen, du bist mein Augenstern, Puppchen, hab dich zum Fressen gern« – ist solche orale Liebe nicht das treue Urbild der Liebe im Jazz, der Integration als Einverleibung und Vernichtung? Die Musik zu Puppchen kam noch aus dem Metropoltheater der Jahrhundertwende. Der Krieg hat sie ausgelöscht. Aber alle spätere leichte Musik hat einzig diesen Text kommentiert.

 

Die Ausübung der Funktion des Jazz, als einer konstitutiv unbewußten, wird dadurch möglich, daß er gemeinhin nicht in voller Aktualität aufgefaßt wird, sondern als Begleitung zum Tanz oder als Hintergrund zum Gespräch. Er erhebt nicht den Anspruch einer synthetischen Einheit der Apperzeption, wie sie im autonomen Kunstwerk die in ihm enthaltenen partialen Momente vergessen macht. Nicht mit der Objektivierung des Kunstwerks konfrontiert und in einer ganz anderen Schicht hörend als in der, in welcher solche Einheit sich konstituiert, vermag der Hörer sich wohl mit dem partialen Jazz-Subjekt zu identifizieren und er wird es um so vollkommener vermögen, je weniger er »zuhört«. Zwischen dem Hörer und der Identifikation des Subjekts einer Beethovensonate liegt wahrhaft, was die Phrase eine Welt nennt: die des Werkes. Ihr angemessen ist die Aufmerksamkeit, die sich, eben indem sie das Werk aktiv-subjektiv ergreift, zugleich von ihm distanziert. Die unaufmerksame Rezeption von Jazz leistet keine Arbeit an der Musik – und eben darum distanziert sie nicht. Man brauchte nur dem Jazz zuzuhören, und er verlöre seine Macht. Dann identifizierte man nicht sich mit ihm sondern ihn selber. Dem verleiht genauen Ausdruck das Urteil, dem man oft begegnen kann: zum Tanzen sei Jazz höchst angenehm, zum Hören abscheulich. Es enthält freilich auch das falsche Bewußtsein dessen, der träumt, was er nicht zu denken wagt.

 

Der Stabilisierung der hot music auf einer mittleren kunstgewerblichen Linie entspricht: daß das wirksamste Ferment des ironischen Überschusses des Jazz übers Bestehende, das eigentliche Clown-Element an ihm, die anstoßerregende Verwendung »klassischer« Musik als seines Ausgangsmaterials, während der letzten zehn Jahre mehr stets zurücktrat. Dem Respekt vor den Kulturgütern ist ebenbürtig die Fiktion, daß das Ausgangsmaterial, dessen Kontingenz durch die Wahl klassischer Modelle bekräftigt war, substantiell und für sich bedeutsam – daß das Jazz-Subjekt kein Clown, kaum mehr ein Excentric, sondern ein Held sei. Der schwer greifbare Begriff der swing music, die jedenfalls den melodischen Charakter des »Einfalls« gegenüber der rhythmischen Capriole betont und die nach dem Maß der Zählzeit stets einigermaßen irrationale Triole heranzieht, gehört zusammen mit den wiederholten Deklarationen der deutschen Reichsmusikkammer gegen das Verjazzen klassischer Musik.

 

Die Sozialfunktion läßt sich vielleicht am genauesten am Verhalten der Tanzenden zur Musik studieren. Sie folgen dem objektiven Rhythmus, ohne je den break »auszutanzen«: und es ist ein Schlüssel zum Erfolg der Mickey Mouse, daß sie allein alle breaks genau ins Visuelle übersetzt. Der Ehrgeiz der Tanzenden gegenüber der Synkope aber ist einzig der, sich nicht irr machen zu lassen. Erreichen sie es, so gewährt es ihnen den Lustgewinn der Identifikation mit der objektiven Instanz zugleich mit dem der Unterdrückung des Jazz-Subjekts. Daß sie dieses selber sind, bleibt so unbewußt wie die rhythmische Gestalt der breaks unverstanden. Mit ihm identifizieren sie sich bloß in der Möglichkeit des sich Irrens oder Stolperns; alle sinnfälligeren Hinweise in der Tanzgestik entfallen immer mehr und werden spezialisierten step dancers, die den hot-Orchestern entsprechen, überlassen. Das ursprünglich improvisatorische Element des Protests wird bloß noch als Anfechtung der Schwäche aufgefaßt.

 

Zum Interferenzcharakter des Jazz scheint die Zweideutigkeit zu gehören, die der »ausbrechenden« Klangfarbe von Saxophon oder Dämpfertrompete eignet. Es ist die Zweideutigkeit des fingierten Brunstschreis und des parodierten Angstschreis. Angst wird verhöhnt zugleich und als Sinnlichkeit ausgegeben; das sexuelle Nicht-Können bereits in der singulären Figur des break als Können. In dieser historischen Figur erscheint beim Jazz-Subjekt die Ambivalenz von libido und Angst. Faßt die Psychoanalyse Angst als verdrängte libido, so behauptet Jazz dafür, daß der Angstlaut selber der libidinöse sei. Tiger Rag: das stellt den Brunstschrei des Tigers vor und zugleich die Angst, von ihm gefressen oder kastriert zu werden.

 

Das sozial nicht konformierende Moment des Jazz mag in seiner Zwischengeschlechtlichkeit gelegen sein. Der Verstümmelungs- und Integrationsmechanismus läßt mit der genitalen Sexualität die primären Geschlechtsunterschiede zurücktreten. Während der Klang der Jazzinstrumente dem menschlichen Stimmklang sich annähert, und während zugleich das Flüstern der Jazzsänger dem Timbre der Dämpfertrompete ähnlich wird, verliert er den spezifischen Geschlechtscharakter. Unmöglich, eine Dämpfertrompete als männlich-heroisch zu agnostizieren; unmöglich, den anthropoiden Ton des Saxophons als Stimme einer edlen Jungfrau zu bezeichnen, wie noch Berlioz mit dem immerhin verwandten der Klarinette verfuhr. Schon der reaktionäre Ästhetiker Waltershausen hat in einer Polemik vom bisexuellen Charakter des Saxophons gesprochen. – Die Verstümmelung des genital zentrierten Subjekts, als deren ritualer Vollzug Jazz einsteht, gibt im Augenblick der Regression die Partialtriebe frei. Sie werden freilich durch die falsche Integration sogleich verdrängt und damit erst – in ihrer sozialen Konfiguration – verderblich; die Homosexualität zum verschworenen Kollektiv, Sadismus zum Terror. Aber sie melden sich doch gegen die patriarchale Genitalität an; für einen Augenblick sind sie aufrührerisch. Gerade dies Moment hat die Dialektik des Jazz mit der fortgeschrittensten Kunstmusik gemein. In der ›Glücklichen Hand‹, im ›Wozzeck‹ sind die Partialtriebe von der Musik protokollarisch beim Namen gerufen: das, und nicht ein romantisches Moment von »Espressivo«, bestimmt die expressionistische Phase der neuen Musik. Die Klangfarben aber, in denen sie ernstlich sich anmelden, die fauchenden, grellen, wieder abgeblendeten, die man, mit einer Bezeichnung Schönbergs, solche des »gedämpften Forte« nennen könnte – sie sind die gleichen, die im Jazz als »parodistisch« erscheinen.

 

Der Funktionswechsel musikalisch-technischer Mittel läßt sich besonders eindringlich studieren an der Annäherung der verschiedenen Spielweisen im Jazz. Mit dem Jazzorchester holt zunächst die Warenmusik Ergebnisse der Kunstmusik – ähnlich wie bei der impressionistischen Harmonik und Koloristik – nach. Das Wagnerische Orchester hatte, im Verfolg der Funktionalisierungstendenz der chromatischen Harmonik, dahin tendiert, die Spielweisen und Klangfarben derart einander anzugleichen, daß sie bruchlos ineinander übergeführt werden können: Komposition wird zur »Kunst des Überganges«. Dem dient sinnfällig das wichtigste Binde-Instrument, das Ventilhorn. Aber die Erfindung des für den Jazz jedenfalls doch recht charakteristischen Saxophons geht auf die gleiche Tendenz zurück. Es sollte zwischen Blech- und Holzblaskörper vermitteln, steht selber zwischen beiden, dem Material nach Blech-, der Spielweise nach Holzblasinstrument. Sein »zwischengeschlechtlicher« Charakter hat darin den technischen Grund. Man mag es in Beziehung zu jener Art psychologischer Differenzierung setzen, die, als »dekadent«, für Nietzsche das Auffällige an Wagner war: eine, an der ohnmächtig-sehnsüchtige Männer, Tannhäuser, Tristan, Parsifal, leiden und von der sie erlöst werden; gewiß ist Amfortas ein monumentales Jazz-Subjekt. Die Initiative geht an die Frau über. All diese Tendenzen sind mit dem funktionalisierten Klang vom Jazz der leichten Musik zugeführt. Zugleich aber um ihren Sinn gebracht. Während der Klang kleinster Übergänge und »Beziehungen«, ähnlich wie die im Riemannschen Sinne funktionale Harmonik, bei Wagner die Musik einer »funktionalen« Gesellschaft bringt und ebenso zum Ausdruck der gesellschaftlichen Interdependenz wie des differenzierten, in sich funktionalen Individuums dient, verfolgen die gleichen instrumentalen Mittel, bei freilich harmonisch prinzipiell verschiedenen, nämlich statischen, im Jazz die Tendenz: die Individuen, gegenüber der vorgeordneten Ganzheit, zu beliebig auswechselbaren zu machen und zu entwerten. »Und schließlich ist es ganz egal, ob ich es mach, ob du« – das gilt, wie für den impotenten Liebhaber, den Erben der »siechen« Tristan und Amfortas, so auch für Dämpfertrompete und Saxophon; der Jazzsänger gleicht verdinglicht ihnen sich an; schon äußerlich, nach einer Bemerkung von Haselberg, durch den Gebrauch des Megaphons. Zugleich ist das Moment des »Fortschritts«, das noch die Wagnerische Totalität als ihr zeitliches telos bestimmt, abgeschnitten. Die Totalität reproduziert bloß noch sich selber; sie setzt alle Relationen, um sie sogleich wieder in sich aufzunehmen und in sich festzuhalten. Jazz tritt, wie die Gehtänzer im überfüllten Saal, auf der Stelle; seine Dynamik fängt sich in eben dem Schema auf, das sie produziert. Eben diesen Wechsel hat die »funktionale« Gesellschaft selber durchgemacht. Sie ist aus der »Totalität«, als welche sie Hegel noch erschien, zum »System« geworden im gleichen Augenblick, als die irrationalistische Mode, der der Jazz zugehört, die Systeme verbannte, deren eines der Jazz ist.

 

1937

 

Zur Physiognomik Kreneks

 

Ernst Krenek ist als blutjunger Mensch, ums Jahr 1920, berühmt geworden, zur Zeit der Musikfeste von Donaueschingen und jener Salzburger Veranstaltungen, in denen die Stadt ebenso wie die Internationale Gesellschaft für Neue Musik identifiziert waren mit der Avantgarde. Neben Hindemith war damals Krenek der markanteste Exponent der zweiten radikalen Komponisten-Generation, die auf Schönberg, seine nächste Schule, und auf Strawinsky und Bartók, folgte. Seine Begabung, gestützt auf Interpreten wie Scherchen, Schnabel und Erdmann, eine eruptive, durchaus originale Kraft, lag offen zutage. Ihr aber war, vom ersten Tage an, seit er sich von der Schule freigemacht hatte, etwas Beunruhigendes, Schockierendes und gegen Verständnis Widerspenstiges gesellt, viel mehr als bei Hindemith, dessen wildeste Stücke allein schon vermöge ihrer sicheren instrumentalen Realisierung im Bereich des Faßlichen sich hielten. Heute, da alle neue Musik fatal respektvoll angehört wird und kaum mehr ihrer wohlinformierten Zuhörerschaft das Gleichgewicht raubt, fällt es schwer, sich die Aggression vorzustellen, die von den Werken des jungen Krenek, seinen beiden ersten Symphonien, dem ersten Streichquartett, etwa auch der von Skandal begleiteten Toccata und Chaconne für Klavier, ausging. Die Kasseler Uraufführung der zweiten Symphonie unter Laugs, im Jahre 1923, war von einer Wirkung, die vermutlich nicht zurückstand hinter legendären Uraufführungen vor dem Ersten Krieg, wie der der Bergschen Altenberg-Lieder oder des Sacre du printemps. Der letzte Satz, ein Adagio, endete in dieser Aufführung mit einem über alles tolerierte Maß hinausgehenden Fortissimo, einer dissonanten Akkordfortschreitung der Blechbläser, Gleichnis eines auf die Erde von außen zukommenden, gähnend schwarzen Abgrundes. Solche Panik ging seitdem wohl von keiner Musik mehr aus, übrigens, merkwürdig genug, auch nicht von späteren Wiederholungen der Symphonie. Dabei waren die Stücke Kreneks aus jener Zeit, liest man sie heute wieder, keineswegs übermäßig kompliziert oder, ihrer kompositorischen Zusammensetzung nach, extrem. Gleichwohl erinnere ich mich an ein Notenpaket, das ich damals aus Wien erhielt und in dem sich nebeneinander die frisch erschienenen Partituren der Fünf Sätze für Streichquartett von Anton Webern und das erste Quartett von Krenek befanden. Soviel aufgelöster, differenzierter, meisterlicher, in der Behandlung des Materials fortgeschrittener nun die Webernschen Stücke sich darboten, das vergleichsweise primitivere, freilich vom üblichen motorischen Primitivismus ganz reine Stück Kreneks zeigte einen Aspekt von Modernität – jener Modernität, deren Zwang und Gewalt darin liegt, daß sie nimmt, wo andere geben –, der den um so vieles authentischeren kurzen Stücken Weberns abging.

Man wird Krenek wohl nur dann begreifen, wenn man dies Ferment des Unverständlichen versteht. Dazu hilft vielleicht Benjamins Begriff der Aura. »Die Definition der Aura als ›einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag‹, stellt nichts anderes dar als die Formulierung des Kultwertes des Kunstwerks in Kategorien der raum-zeitlichen Wahrnehmung. Ferne ist das Gegenteil von Nähe. Das wesentlich Ferne ist das Unnahbare. In der Tat ist Unnahbarkeit eine Hauptqualität des Kultbildes. Es bleibt seiner Natur nach ›Ferne, so nah es sein mag‹. Die Nähe, die man seiner Materie abzugewinnen vermag, tut der Ferne nicht Abbruch, die es nach seiner Erscheinung bewahrt.«1 Oder auch: »Die Aura einer Erscheinung erfahren, heißt, sie mit dem Vermögen belehnen, den Blick aufzuschlagen.«2 Nun ist Musik wohl die auratische Kunst par excellence, und das macht ihre spezifische Schwierigkeit heute aus: musikalischer Zusammenhang kommt überhaupt nur dadurch zustande, daß das einzeln Erscheinende mehr ist als es selber, zum Nicht-Gegenwärtigen, Fernen transzendiert, und solcher Sinnzusammenhang, das Medium musikalischer Logik, bildet unabdingbar wohl etwas wie Atmosphäre um Musik. Die alte romantische These, Musik sei die romantische Kunst schlechthin, verweist darauf. Mag immer jedoch Musik dem nicht entrinnen können, die des jungen Krenek, keineswegs die der anderen sachlichen und neoklassizistischen Autoren, war die erste, die von sich aus die musikalische Aura sprengen wollte, an deren Idee noch die äußersten Werke Schönbergs, Weberns, Bergs festgehalten haben, und die vollends bei den Komponisten des mittleren Fortschritts, auch denen schnöden Tons, nicht einmal in Frage gestellt wurde. Seine frühe Musik sucht, die musikalische Dimension der Ferne in der Musik einzuziehen. Sie schlägt so wenig den Blick auf wie ein Scheinwerfer. Sie verschwebt nicht, ihr läßt nicht sich lauschen, sondern eher bewegt sie wie ein grausames Vehikel auf den Hörer sich zu; zu nahe zum Träumen, zu hart zum Spielen. In ihr will Musik die eigene Atmosphäre durchschlagen; ihr gesamter Gestus ist ein einziges Aufbegehren gegen musikalische Transzendenz. Die magische Wirkung, die sie ausübte, war gerade der Schreck vor jener Entzauberung, vor dem seiner selbst unbewußten Willen, der Musik den letzten Schein eines sinnhaften Gehaltes zu entreißen, der ihr nicht mehr verbürgt ist und der doch sie selber allein zusammenhält. Mit großartiger Unbehilflichkeit wird gegen den Sinn rebelliert um objektiver – negativer – Wahrheit willen. Daher das seitdem verdrängte und nicht wieder erweckte Bedrohliche. Man braucht heute nur die aus verschiedenen opera stammenden Lieder durchzuspielen, die der junge Krenek in einem Heft publizierte und die, was man je unter musikalischer Lyrik dachte, durch kahle Buchstäblichkeit des musikalischen Verlaufs, ohne jeden Rückbezug auf das sinnverleihende Idiom, durchbrechen, um es heute noch zu spüren. Längst ehe die Möglichkeiten der totalen Konstruktion, gar die elektronischen, auch nur absehbar waren, ja gepaart mit einer gewissen chaotischen Irrationalität aus der Sphäre des Dadaismus, haben Kreneks Jugendwerke das technische Kunstwerk geträumt. Durch dessen traumhafte Vorwegnahme, durch ihre ichfremde Abstinenz von allem Ausdruck, haben sie ausgedrückt, woran seitdem alle Musik sich abarbeitet: die universale Verdinglichung, unter deren Bann einzig sie noch gerät und der sie nicht anders opponieren kann, als indem sie sie auf sich nimmt.

Krenek hat all dies blind und taub wie ein geschichtlicher Chronometer registriert. Er hat einem Diktat gehorcht, vielleicht ohne selbst die Sache sinnlich genau sich vorzustellen. Selten war Musik so indifferent gegen den Klang wie seine. Dennoch sind jene musikalischen Meteore nicht vom Himmel gefallen. Als erster der jüngeren Komponisten, in entschiedenem Gegensatz zu Hindemith, hatte er an der Tradition keinen substantiellen Anteil mehr. Das meint selbstverständlich nicht, daß der Wiener keiner gewesen wäre. Aber die Vergangenheit hat ihn nicht mehr, sei's auch polemisch, so geprägt wie alle anderen Exponenten der neuen Musik bis dahin. Vielleicht erklärt sich das aus seiner Lehrzeit. Franz Schreker vermochte fraglos wie wenige, aus seinen Schülern das Spezifische ihrer Anlage herauszuholen und zugleich ihnen kompositorische Manieren beizubringen, eine gewisse Souveränität des Habitus, auch ein gewisses Formniveau. Aber dafür hatte wohl jeglicher seiner Schüler, nach glanzvollem Debut, Opfer zu bringen. Obwohl Schreker selbst einen sehr guten Palestrina-Satz soll geschrieben haben, ging die Ausbildung bei ihm nicht nur auf Kosten gediegener Verfügung über die herkömmlichen Mittel. Sondern er hielt nicht dazu an, die kompositorische peinture ganz verantwortlich durchzuformen: es war eine Fassaden-Pädagogik. Seine Schüler ließ er wie Neophyten auf die Welt los. Bei Krenek, dem begabtesten, wurde daraus jenes produktive Traditionslose; verstärkt durch Verachtung der etwas schwammigen Klangsinnlichkeit seines Lehrers, deren Aura ihm als Sauce begegnete. Ungemein bezeichnend blieb für ihn der Gestus des gegen den Strich Komponierens; ein Zwang, die vom musikalischen Idiom gestifteten Zusammenhänge zu suspendieren. Alban Berg, der ihn sehr gern hatte, aber genau entgegengesetzt reagierte, sagte einmal, wo man bei Krenek eine Sequenz erwarte, gebe es keine, und wo man keine erwarte, komme sie vor. Paradox aber fällt gerade dieser Zug insgeheim in die österreichische Überlieferung: bei Bruckner wäre er vielfach nachzuweisen, als Widerstand der kompositorischen Intention gegen das Gefälle der musikalischen Sprache, das längst schon den Komponisten so unerträglich wurde wie, nach dem Wort in einem Operntext Kreneks, das Triangel im Orchester. Krenek richtig hören, heißt, dies gegen den Strich Komponieren mit den Ohren mitvollziehen, latent gleichsam durchfühlen, was von jener Abruptheit seines Stils, zumal der Phrasierung, negiert wird.

Die Aufgabe, die Krenek, vom Augenblick des Erwachens aus dem Traum des Traumlosen an, sich stellte, war daher keine andere als die, sich selber einzuholen. Die Eruption läßt sich nicht verewigen: die Hand, die nicht länger wie unterm Diktat schreibt, muß sich, und nun mit angespanntester Mühe, die Mittel aneignen. Den Konflikt mit der Tradition austragen, erheischt, diese doch noch in sich hineinzunehmen. Der vielfache Wechsel von dem, was man nach üblichen Begriffen Kreneks Stil nennt, ist alles eher als Ausdruck einer proteischen Natur oder einer, die gesegnet wäre mit dem Leichtsinn des Maskenspiels. Er entspringt im fast verzweifelten Bemühen, solche Elemente der Musik bewußt in die Gewalt zu bekommen, die sonst bewußtlos, als Sprache, vorgegeben sind. Man wird denn auch selbst in den Arbeiten Kreneks, die ihrem Material nach, einer polemisch wiederbelebten Tonalität, mit den Frühwerken nichts zu teilen scheinen, die gleiche innere Zusammensetzung finden. Auch die Tonalität ist da gegen den Strich gebürstet, auch sie verweigert den Sinn des ungestauten Dahinströmens. Schließlich hat er dann, auf sehr eigene Weise, die Zwölftontechnik rezipiert. Sie hatte für ihn die Funktion, den Phantasieraum seiner Jugend wiederherzustellen und zugleich mit einer Konstruktion zu durchdringen, in der die Logik der musikalischen Tradition sich niedergeschlagen hat, obwohl es auch hier immer noch quer zugeht. Die äußerste Erhebung in dieser Phase, vielleicht in Kreneks œuvre insgesamt, ist die große, Techniken des epischen Theaters einbeziehende Oper Karl V., Hauptwerk nicht nach der üblichen Idee des chef d'oeuvre, sondern als die am weitesten ausholende Anstrengung, das Inkommensurable, im großen Sinn Absurde mit dem Durchgeformten zu verbinden.

 

1957/58

 
Fußnoten

 

1 Walter Benjamin, Schriften, hrsg. von Theodor W. Adorno und Gretel Adorno unter Mitwirkung von Friedrich Podszus, Frankfurt a.M. 1955, S. 398, Anm. 5 (Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit).

 

2 A.a.O., S. 461 (Über einige Motive bei Baudelaire).

 

 

Mahagonny

Die Stadt Mahagonny ist eine Darstellung der sozialen Welt, in der wir leben, entworfen aus der Vogelperspektive einer real befreiten Gesellschaft. Kein Symbol für dämonische Geldgier, kein Traum desperater Phantasie, überhaupt nichts, was ein anderes bedeutete, als es selber ist: sondern die exakte Projektion der gegenwärtigen Verhältnisse auf die unberührt weiße Fläche des Zustandes, der werden soll, im Bilde flammender Transparente. Keine klassenlose Gesellschaft wird als positives Maß des verworfenen Gegenwärtigen in Mahagonny offenbar. Sie schimmert kaum zuweilen durch, so undeutlich wie eine Kinoprojektion, die von einer anderen überblendet ward; einer Erkenntnis gemäß, die wohl unter dem Zwang des Kommenden das dunkle Heute mit Lichtkegeln zu zerteilen vermag, nicht aber legitimiert ist, das Zukünftige auszupinseln. Die Macht des Kommenden zeigt sich an vielmehr in der Konstruktion des Gegenwärtigen. Wie in Kafkas Romanen die mittlere bürgerliche Welt absurd und verstellt erscheint, indem sie aus dem geheimen Stande der Erlösung angeschaut wird, so ist in Mahagonny die bürgerliche Welt enthüllt als absurd, gemessen an einer sozialistischen, die sich verschweigt. Ihre Absurdität ist wirklich und nicht symbolisch. Das geltende System mit Ordnung, Recht und Sitte ist durchschaut als Anarchie; wir selber sind in Mahagonny, wo alles erlaubt ist außer dem einen: Kein Geld zu haben. Dies verbindlich vorzustellen, bedarf es der Transzendenz zu einer geschlossenen bürgerlichen Bewußtseinswelt, der die bürgerliche gesellschaftliche Realität für geschlossen gilt. Draußen aber läßt sich nicht stehen: es gibt in Wahrheit, zumindest fürs deutsche Bewußtsein, keinen unkapitalistischen Raum. So muß die Transzendenz paradox im Raum des Bestehenden sich vollziehen. Was dem geraden Blick darin nicht gelingt, erreicht vielleicht der schiefe des Kindes, dem die Hosen des Erwachsenen, zu dem es aufblickt, wie Gebirge erscheinen mit dem fernen Gipfel des Gesichtes. Die schräge infantile Betrachtung, die sich an Indianerbüchern und Seegeschichten nährt, wird zum Mittel der Entzauberung der kapitalistischen Ordnung, deren Höfe sich in Koloradofelder, deren Krisen sich in Hurrikane, deren Machtapparatur sich in parate Revolver verwandeln. In Mahagonny wird Wild-West als das dem Kapitalismus immanente Märchen evident, wie es Kinder in der Aktion des Spieles ergreifen. Die Projektion durchs Medium des kindlichen Auges verändert die Wirklichkeit so weit, bis ihr Grund verständlich wird; verflüchtigt sie jedoch nicht zur Metapher, sondern faßt sie zugleich in ihrer unvermittelten geschichtlichen Konkretion. Die Anarchie der Warenproduktion, die die marxistische Analyse trifft, kommt projiziert als Anarchie der Konsumtion vor, verkürzt bis zum krassen Entsetzen, das die ökonomische Analyse so nicht zeitigen könnte. Die Verdinglichung der zwischenmenschlichen Beziehungen wird ins Bild der Prostitution geschlagen, und was Liebe ist, geht einzig aus den rauchenden Trümmern von Knabenphantasien sexueller Macht hier auf. Der Widersinn des Klassenrechts wird, Kafka sehr ähnlich, an einer Prozeßverhandlung demonstriert, wo der Staatsanwalt als sein eigener Portier die Billette verkauft. Alles ist in eine regelhaft verschobene Optik gebracht, welche die Oberflächengestalt des bürgerlichen Lebens verzerrt zur Grimasse einer Wirklichkeit, die Ideologien sonst verdecken. Aber der Mechanismus der Verschiebung ist nicht der blinde des Traums, sondern läuft präzis nach der Erkenntnis ab, die Wild-West und die Welt des Tauschwerts zusammenzwingt. Es ist die von Gewalt als dem Grunde der gegenwärtigen Ordnung und von der Zweideutigkeit, in der Ordnung und Gewalt gegeneinander stehen. Die Wesen mythischer Gewalt und mythischen Rechts werden in Mahagonny aus den Gesteinsmassen der großen Städte aufgescheucht. Ihr paradoxes Zugleich ist von Brecht benannt. Bei der Gründung der Stadt, der mächtigen Parodie des Staatsvertrags, gibt ihr die Kupplerin Leokadja Begbick ihren infernalischen Segen mit: »Aber dieses ganze Mahagonny ist nur, weil alles so schlecht ist, weil keine Ruhe herrscht und keine Eintracht, und weil es nichts gibt, woran man sich halten kann.« Wenn später der Aufrührer Jimmy Mahonney, der die latente Anarchie hervortreibt, die ihn samt der Stadt verschlingt, sich an ihr ärgert, geschieht es mit dem gleichen Fluch in umgekehrten Worten: »Ach, mit Eurem ganzen Mahagonny wird nie ein Mensch glücklich werden, weil zuviel Ruhe herrscht und zuviel Eintracht, und weil's zuviel gibt, woran man sich halten kann.« Beide sagen dasselbe: weil es nichts gibt, woran man sich halten kann, weil blinde Natur herrscht, darum gibt es zuviel, woran man sich halten kann, Recht und Sitte; sie sind des gleichen Ursprungs; darum muß Mahagonny untergehen oder die großen Städte, von denen es an einer kometenhellen Stelle heißt: »Wir sind noch drin, wir haben nichts genossen. Wir vergehen rasch, und langsam vergehen sie auch.«

Die Darstellung des Kapitalismus ist genauer die seines Unterganges an der Dialektik der Anarchie, die ihm innewohnt. Diese Dialektik ist nicht nach idealistischem Schema blank entfaltet, sondern hat intermittierende Elemente, die sich nicht in den Prozeß auflösen lassen, wie denn insgesamt die Oper sich der rationalen Auflösung entzieht; die Bilder des herrschenden Unwesens, die sie trifft, werden nach eigener Formel bewegt, um erst am Ende wieder vollends in die soziale Realität einzustürzen, deren Ursprung sie in sich halten. Die intermittierenden Elemente sind zweifacher Art. Einmal spielt die Natur, das amorphe Sein unterhalb der Gesellschaft, herein, kreuzt den sozialen Prozeß, zwingt ihn weiter. Da kommt der Hurrikan, ein Naturereignis, als Kinderschreck auf der Landkarte notiert, und in der Angst vorm Tode findet der Held, jener Jim, »die Gesetze der menschlichen Glückseligkeit«, denen er zum Opfer fällt. Großartig die Wendung, die grotesk die historische Dialektik dem Naturzwang entreißt, der eben noch hineinwirkte: der Hurrikan macht einen Bogen um die Stadt und setzt seinen Weg fort wie die Geschichte den ihren, nachdem sie sich einmal begegnet. Was aber in der Nacht des Hurrikans geschieht, was sprengt und in der wirren Verstrickung der Anarchie über sie hinausdeutet, ist Improvisation; die ungebärdigen Lieder, in denen die Freiheit des Menschen sich meldet; »Wir brauchen keinen Hurrikan, wir brauchen keinen Taifun«, die antinomistische Theologie des »Denn wie man sich bettet, so liegt man«. So treten quer und verdeckt im Kapitalismus und in seinen Krisen zumal Intentionen der Freiheit auf, und sie sind es allein, in denen ein zukünftiger Zustand sich ankündigt. Ihre Form ist der Rausch. Es hat denn auch die Oper Mahagonny ihr positives Zentrum in der Rauschszene, wo Jim sich und seinen Freunden aus einem Billard und einer Storestange ein Segelschiff baut und nachts im Sturm durch die Südsee nach einem Alaska fährt, das an die Südsee grenzt; dazu singen sie das Seemannslos, den unsterblichen Katastrophenkitsch, Polarlicht ihrer schaukelnden Seekrankheit, und lenken die Segel ihrer Traumfahrt ins besonnte Eisbärenparadies. Richtig ist in der Vision dieser Szene die Verzahnung des Endes angebracht; die Anarchie leidet Schiffbruch an der Improvisation, die aus ihr kommt und die sie übersteigt. Mord und Totschlag und Verführung, die sich in Recht und Gerechtigkeit und Geld bezahlen lassen, werden dem Jim verziehen, nicht aber die Storestange und drei Gläser Whisky, die er nicht bezahlen kann und die sich hier überhaupt nicht bezahlen lassen, weil die Traumfunktion, die sie durch ihn gewannen, in keinem Tauschwert mehr ausdrückbar ist. Dieser Jimmy Mahonney ist ein Subjekt ohne Subjektivität: ein dialektischer Chaplin. Wie er sich langweilt in der geordneten Anarchie, will er seinen Hut aufessen wie Chaplin die Schuhe; das Gesetz der menschlichen Glückseligkeit, daß man alles dürfen darf, befolgt er buchstäblich, bis er sich im Netz verstrickt, das aus Anarchie und Ordnung verworren gewoben ist und dem in Wahrheit die Stadt Mahagonny den Namen der Netzestadt verdankt; vorm Tode ängstigt er sich und möchte den Tag verbieten, daß er nicht sterben muß, aber wie ihm schließlich jenseits aller Kinderbilder von Wildwest als nacktes Emblem dieser Kultur der elektrische Stuhl begegnet, singt er das »Laßt Euch nicht verführen« als offenen Protest der unterworfenen Klasse, der er zuzählt, da er nicht bezahlen kann; die Frau hat er sich gekauft, und zu seiner Bequemlichkeit soll sie keine Wäsche tragen, aber beim Sterben bittet er sie um Verzeihung: »Nimm mir nichts übel«; und ihr schnödes »Warum denn« hat mehr strahlende Versöhnung, als alle Romanciers edler Resignation je zusammen aufbrächten. Er ist kein Held, so wenig wie Mahagonny eine Tragödie ist; er ist ein Bündel von Regungen und Bedeutungen, die sich überschneiden, ein Mensch in der Zerstreutheit seiner Züge. Beileibe kein Revolutionär, aber auch kein rechter Bürger und Wildwestmann sondern ein Fetzen Produktivkraft, der die Anarchie realisiert und aufdeckt und deshalb sterben muß; ein Wesen vielleicht, das überhaupt nicht ganz in soziale Relationen eingeht, aber allesamt erschüttert; mit seinem Tod muß Mahagonny sterben, und wenig Hoffnung bleibt übrig; zwar ist der Hurrikan ausgewichen, aber dafür kommt nun die rettende Aktion zu spät.

Die ästhetische Form der Oper ist die ihrer Konstruktion, und nichts wäre falscher, als wenn man einen Widerspruch zwischen ihrer politischen, auf die Wirklichkeit gerichteten Absicht und einer Verfahrungsweise herauslesen wollte, in der die gleiche Wirklichkeit nicht naturalistisch gespiegelt wird; denn die Veränderung, die die Wirklichkeit darin erfährt, ist eben durch den politischen Willen geboten, das Bestehende zu dechiffrieren. Mit der bloßen Konstatierung des epischen Theaters kommt man bei Mahagonny nicht weit. Es dient der Absicht, anstelle der geschlossenen bürgerlichen Totalität das bruchstückhafte Aneinander von deren Trümmern zu setzen, in den Hohlräumen zwischen den Trümmern das immanente Märchen in Besitz zu nehmen, aus der nächsten Nähe und selbst vermöge der infantilen Goldgräberpassion zu zerstören. Die Form, in der eine zerfallene Realität gebannt wird, ohne daß schon eine bessere gegenwärtig wäre, darf nicht selber den Schein von Totalität annehmen. Zudem: das Moment des Intermittierenden, das die Dialektik von Mahagonny tief bestimmt, ist nur in intermittierender Form durchzusetzen; etwa also in der Moralität des zweiten Aktes, wo nach der Errettung vorm Hurrikan das dunkle Glück der Anarchie an vier allegorischen Bildern bewiesen wird, dem Essen, der Liebe, dem Boxen und dem Saufen; ein Glück, das je und je mit unversöhntem Tode bezahlt werden muß. Aber die intermittierende Form ist nicht die von Reportage, wie in den paragraphenwütigen Stücken des neuen Naturalismus, sondern die der Montage vielmehr; die Trümmer der zerfallenen organischen Wirklichkeit sind konstruktiv verklammert. Beginn und Ende der Konstruktion liegen in der empirischen Realität, dazwischen ist sie autonom, um die Urbilder des Kapitalismus gespannt; schließlich erst wird gezeigt, daß diese Urbilder ganz gegenwärtig sind, und damit das ästhetische Kontinuum definitiv gesprengt. Man kennt den Augenblick bei Wagner, wo der Holländer unter seinem Bilde und aus ihm gleichsam hervortritt. So ist die Logik des Mahagonnyfinales. Wenn im Benares-Song den Zeitungslesern die Erde erzittert, dann ist es mit ihr nach Jimmys Tod zu Ende, und Gott erscheint in Mahagonny, ein zweideutiger Demiurg, dem sie gehorchen bis zum letzten Nein, das ihm aus der Hölle entgegenschallt, in die er sie geschaffen hat und an der nun die demiurgische Macht ihre Grenze hat. Die Frau, die am tiefsten in die Hölle des Naturzusammenhanges gebannt ist, spricht endlich dies Nein aus, und es beginnen die Demonstrationszüge weg vom brennenden Mahagonny, die die Szene tilgen. – Gründlicher indessen als durch alle Montage und alle songspielmäßige Intermittenz wird die bürgerliche Immanenz bedroht durch Sprach- und Phantasieform im einzelnen, die den schrägen und schreckhaften Kinderaspekt erzwingt. Mahagonny ist die erste surrealistische Oper. Die bürgerliche Welt wird als schon abgestorbene im Moment des Grauens präsentiert und demoliert im Skandal, in dem ihre Vergangenheit sich kundtut. Solch ein Schockmoment ist das grundlos beginnende und verschwindende Naturereignis des Hurrikans, solch eines die verschwimmende Vergrößerung der Freßszene des Herrn Schmidt, der eigentlich Jack O'Brien heißt wie vom Captain Marryat und zwei Kälber frißt, an denen er stirbt, worauf ihm ein Kriegerverein das Grablied singt; die photographische Kalkfarbe dieser Szene ist aus Hochzeitsbildern von Henri Rousseau, in ihrem Magnesiumlicht wachsen den Bürgern sichtbar die Astralleiber ihrer unterweltlichen Präexistenz zu. Oder die Szene in der Hier darfst Du-Schenke, »unter einem großen Himmel«, der wie ein Glasdach darüber steht, auf dem die Wolke sanften Wahnsinns hin- und herzieht, der die wilden Männer von Mahagonny träumend nachschauen, ein Bild, das mit der ängstlichen Gewißheit der Erinnerung aufsteigt. Wenn Natur, im Hurrikan, im Zeitungserdbeben allein als Katastrophe erscheint, so darum, weil die naturgebundene blinde bürgerliche Welt, der die Taifune unkalkulabel wie die Krisen zugehören, allein im Schock der Katastrophe erhellt und veränderlich wird. Die surrealistischen Intentionen von Mahagonny werden getragen von der Musik, die von der ersten bis zur letzten Note dem Schock gilt, den die jähe Vergegenwärtigung der verfallenen Bürgerwelt erzeugt. Sie wird erst die glorreich mißverstandene Dreigroschenoper, die als Parergon zwischen dem ersten Mahagonny-Songspiel und der endgültigen Gestalt liegt, an die rechte Stelle rücken und zeigen, wie wenig es in den faßlichen Melodien um arriviertes Amusement und zündende Vitalität geht; daß diese Qualitäten, die ja der Weillschen Musik fraglos zukommen, nur Mittel sind, den Schrecken der erkannten Dämonologie im Bewußtsein der Menschen durchzusetzen. Diese Musik, die außer an wenigen polyphon sich gebärdenden Momenten wie der Einleitung und ein paar Ensemblesätzen mit den primitivsten Mitteln haushält oder vielmehr den abgenutzten, verschabten Hausrat der Bürgerstube auf einen Kinderspielplatz schleift, wo die Kehrseiten der alten Waren als Totemfiguren Entsetzen verbreiten – diese Musik, aus Dreiklängen und falschen Tönen zusammengestoppelt, mit den guten Taktteilen alter Music-hall-songs, die gar nicht gekannt, sondern als Erbgut erinnert werden, festgehämmert, mit dem stinkenden Leim aufgeweichter Opernpotpourris geleimt, diese Musik aus Trümmern der vergangenen Musik ist gänzlich gegenwärtig. Ihr Surrealismus ist von aller neuen Sachlichkeit und Klassizität radikal verschieden. Sie geht nicht darauf aus, die zerstörte bürgerliche Musik zu restituieren, ihre Formen, wie man das heute zu nennen beliebt, »wiederzubeleben« oder das Präteritum durch Rekurs aufs Plusquamperfekt aufzufrischen; sondern ihre Konstruktion, ihre Montage des Toten macht es als tot und scheinhaft evident und zieht aus dem Schrecken, der davon ausgeht, die Kraft zum Manifest. Dieser Kraft entspringt ihr improvisatorischer, wandernder, obdachloser Elan. Wie nur die fortgeschrittenste Musik der materialeigenen Dialektik, die Schönbergs, so fällt diese Zusammenstellung durchschauter Scherben aus dem bürgerlichen Musikraum heraus, und wer in ihr Gemeinschaftserlebnisse wie bei der Jugendbewegung sucht, der wird sich an ihr stoßen müssen, auch wenn er zehnmal alle Songs im Kopf behielte. Darum ist es ihr erlaubt, Dreiklänge zu schreiben, weil sie sich selber die Dreiklänge nicht glaubt, sondern jeden destruiert durch die Art seines Einsatzes. Innermusikalisch kommt das zutage an einer Metrik, die die Symmetrieverhältnisse, wie sie in den tonalen Akkorden stecken, verbiegt und tilgt, da die Dreiklänge ihre Kraft verloren haben und keine Form mehr bilden können, die vielmehr aus ihnen montiert wird, von außen; dem entspricht auch die Gestalt der Harmonik selber, die das Prinzip der Fortschreitung, der leittönigen Spannung, der Kadenzfunktion kaum mehr kennt, sondern die kleinsten Kommunikationen der Akkorde untereinander, die die späte Chromatik ausmachten, wegläßt, so daß nun die Resultate der Chromatik funktionsfrei stehen bleiben. In alldem geht Mahagonny weit über die Bühnenmusik der Dreigroschenoper hinaus; die Musik dient nicht mehr, sondern herrscht in der durchkomponierten Oper und entfaltet sich nach ihrem infernalischen Maß. Sie hat zugleich ihre Ausweichungen ins Unscheinbare und Wirkliche. Vor allem in der ausdruckslosen, carmenhaft gefangenen und rätselvollen Duettmusik Jimmys und Jennys; im Billardensemble; an der groß gedachten Stelle am Schluß, wo der Alabama-Song mit dem »We've lost our good old mamma« als leiser Cantus firmus erscheint und, im Sinne höchster szenischer Wirkung, durchsichtig wird als Klage der Kreatur über ihre Verlassenheit. Der Alabama-Song ist überhaupt eines der seltsamsten Stücke in Mahagonny, und nirgends eignet der Musik mehr die archaische Kraft der Erinnerung an einmal gewesene, verschollene, in kümmerlichen Melodieschritten wiedererkannte Gesänge wie in diesem Song, dessen stupide Wiederholungen in der Einleitung ihn gleichsam aus dem Reich der Dementia heimbringen. Wenn satanischer Kitsch des neunzehnten Jahrhunderts, Seemannslos und Gebet einer Jungfrau geflissentlich zitiert und paraphrasiert werden, so ist da kein literarischer Witz gewagt, sondern es ist die Grenzlage einer Musik festgestellt, die sich durch jene Region hindurchschlägt, auch ohne sie zu nennen, und die nur an Zäsuren den Namen dessen ausspricht, was keine Macht mehr über sie hat. Ein seltsamer Mahler spielt in die ganze Oper herein, in ihren Märschen, ihrem Ostinato, ihrem trüben Dur-Moll. Mahler gleich nutzt sie die Sprengkraft des Unteren, das Mittlere zu zerschlagen und des Oberen teilhaftig zu werden. Die Bilder, die in ihr gegenwärtig sind, stürmt sie allesamt, doch nicht, um ins Leere weiterzugehen, sondern um die erbeuteten als Fahnen der eigenen Aktion zu erretten.

 

1930

 
Gesammelte Werke
adorno-theodor-w.xml
adorno-theodor-w-0000001-0000001.xml
adorno-theodor-w-0000002-0000023.xml
adorno-theodor-w-0000024-0000024.xml
adorno-theodor-w-0000025-0000025.xml
adorno-theodor-w-0000026-0000028.xml
adorno-theodor-w-0000029-0000037.xml
adorno-theodor-w-0000038-0000124.xml
adorno-theodor-w-0000125-0000130.xml
adorno-theodor-w-0000131-0000147.xml
adorno-theodor-w-0000148-0000148.xml
adorno-theodor-w-0000149-0000151.xml
adorno-theodor-w-0000152-0000187.xml
adorno-theodor-w-0000188-0000271.xml
adorno-theodor-w-0000272-0000342.xml
adorno-theodor-w-0000343-0000382.xml
adorno-theodor-w-0000383-0000457.xml
adorno-theodor-w-0000458-0000515.xml
adorno-theodor-w-0000516-0000553.xml
adorno-theodor-w-0000554-0000632.xml
adorno-theodor-w-0000633-0000638.xml
adorno-theodor-w-0000639-0000646.xml
adorno-theodor-w-0000647-0000647.xml
adorno-theodor-w-0000648-0000652.xml
adorno-theodor-w-0000653-0000701.xml
adorno-theodor-w-0000702-0000755.xml
adorno-theodor-w-0000756-0000803.xml
adorno-theodor-w-0000804-0000844.xml
adorno-theodor-w-0000845-0000888.xml
adorno-theodor-w-0000889-0000927.xml
adorno-theodor-w-0000928-0000971.xml
adorno-theodor-w-0000972-0001004.xml
adorno-theodor-w-0001005-0001039.xml
adorno-theodor-w-0001040-0001079.xml
adorno-theodor-w-0001080-0001084.xml
adorno-theodor-w-0001085-0001086.xml
adorno-theodor-w-0001087-0001088.xml
adorno-theodor-w-0001089-0001092.xml
adorno-theodor-w-0001093-0001104.xml
adorno-theodor-w-0001105-0001175.xml
adorno-theodor-w-0001176-0001244.xml
adorno-theodor-w-0001245-0001315.xml
adorno-theodor-w-0001316-0001400.xml
adorno-theodor-w-0001401-0001476.xml
adorno-theodor-w-0001477-0001576.xml
adorno-theodor-w-0001577-0001577.xml
adorno-theodor-w-0001578-0001641.xml
adorno-theodor-w-0001642-0001643.xml
adorno-theodor-w-0001644-0001645.xml
adorno-theodor-w-0001646-0001653.xml
adorno-theodor-w-0001654-0001751.xml
adorno-theodor-w-0001752-0001795.xml
adorno-theodor-w-0001796-0001894.xml
adorno-theodor-w-0001895-0001955.xml
adorno-theodor-w-0001956-0002055.xml
adorno-theodor-w-0002056-0002146.xml
adorno-theodor-w-0002147-0002177.xml
adorno-theodor-w-0002178-0002178.xml
adorno-theodor-w-0002179-0002179.xml
adorno-theodor-w-0002180-0002246.xml
adorno-theodor-w-0002247-0002326.xml
adorno-theodor-w-0002327-0002385.xml
adorno-theodor-w-0002386-0002485.xml
adorno-theodor-w-0002486-0002583.xml
adorno-theodor-w-0002584-0002587.xml
adorno-theodor-w-0002588-0002666.xml
adorno-theodor-w-0002667-0002717.xml
adorno-theodor-w-0002718-0002817.xml
adorno-theodor-w-0002818-0002822.xml
adorno-theodor-w-0002823-0002823.xml
adorno-theodor-w-0002824-0002824.xml
adorno-theodor-w-0002825-0002828.xml
adorno-theodor-w-0002829-0002919.xml
adorno-theodor-w-0002920-0002981.xml
adorno-theodor-w-0002982-0003041.xml
adorno-theodor-w-0003042-0003120.xml
adorno-theodor-w-0003121-0003162.xml
adorno-theodor-w-0003163-0003163.xml
adorno-theodor-w-0003164-0003198.xml
adorno-theodor-w-0003199-0003298.xml
adorno-theodor-w-0003299-0003311.xml
adorno-theodor-w-0003312-0003410.xml
adorno-theodor-w-0003411-0003414.xml
adorno-theodor-w-0003415-0003499.xml
adorno-theodor-w-0003500-0003518.xml
adorno-theodor-w-0003519-0003519.xml
adorno-theodor-w-0003520-0003524.xml
adorno-theodor-w-0003525-0003526.xml
adorno-theodor-w-0003527-0003626.xml
adorno-theodor-w-0003627-0003720.xml
adorno-theodor-w-0003721-0003726.xml
adorno-theodor-w-0003727-0003727.xml
adorno-theodor-w-0003728-0003811.xml
adorno-theodor-w-0003812-0003911.xml
adorno-theodor-w-0003912-0004007.xml
adorno-theodor-w-0004008-0004013.xml
adorno-theodor-w-0004014-0004113.xml
adorno-theodor-w-0004114-0004196.xml
adorno-theodor-w-0004197-0004241.xml
adorno-theodor-w-0004242-0004341.xml
adorno-theodor-w-0004342-0004371.xml
adorno-theodor-w-0004372-0004465.xml
adorno-theodor-w-0004466-0004540.xml
adorno-theodor-w-0004541-0004611.xml
adorno-theodor-w-0004612-0004626.xml
adorno-theodor-w-0004627-0004715.xml
adorno-theodor-w-0004716-0004735.xml
adorno-theodor-w-0004736-0004742.xml
adorno-theodor-w-0004743-0004743.xml
adorno-theodor-w-0004744-0004744.xml
adorno-theodor-w-0004745-0004762.xml
adorno-theodor-w-0004763-0004800.xml
adorno-theodor-w-0004801-0004877.xml
adorno-theodor-w-0004878-0004890.xml
adorno-theodor-w-0004891-0004941.xml
adorno-theodor-w-0004942-0004983.xml
adorno-theodor-w-0004984-0005035.xml
adorno-theodor-w-0005036-0005068.xml
adorno-theodor-w-0005069-0005108.xml
adorno-theodor-w-0005109-0005145.xml
adorno-theodor-w-0005146-0005158.xml
adorno-theodor-w-0005159-0005218.xml
adorno-theodor-w-0005219-0005250.xml
adorno-theodor-w-0005251-0005347.xml
adorno-theodor-w-0005348-0005375.xml
adorno-theodor-w-0005376-0005376.xml
adorno-theodor-w-0005377-0005409.xml
adorno-theodor-w-0005410-0005444.xml
adorno-theodor-w-0005445-0005452.xml
adorno-theodor-w-0005453-0005471.xml
adorno-theodor-w-0005472-0005517.xml
adorno-theodor-w-0005518-0005528.xml
adorno-theodor-w-0005529-0005543.xml
adorno-theodor-w-0005544-0005571.xml
adorno-theodor-w-0005572-0005608.xml
adorno-theodor-w-0005609-0005635.xml
adorno-theodor-w-0005636-0005643.xml
adorno-theodor-w-0005644-0005698.xml
adorno-theodor-w-0005699-0005709.xml
adorno-theodor-w-0005710-0005724.xml
adorno-theodor-w-0005725-0005757.xml
adorno-theodor-w-0005758-0005787.xml
adorno-theodor-w-0005788-0005788.xml
adorno-theodor-w-0005789-0005789.xml
adorno-theodor-w-0005790-0005838.xml
adorno-theodor-w-0005839-0005923.xml
adorno-theodor-w-0005924-0005975.xml
adorno-theodor-w-0005976-0006025.xml
adorno-theodor-w-0006026-0006026.xml
adorno-theodor-w-0006027-0006086.xml
adorno-theodor-w-0006087-0006092.xml
adorno-theodor-w-0006093-0006129.xml
adorno-theodor-w-0006130-0006169.xml
adorno-theodor-w-0006170-0006176.xml
adorno-theodor-w-0006177-0006185.xml
adorno-theodor-w-0006186-0006204.xml
adorno-theodor-w-0006205-0006212.xml
adorno-theodor-w-0006213-0006217.xml
adorno-theodor-w-0006218-0006309.xml
adorno-theodor-w-0006310-0006335.xml
adorno-theodor-w-0006336-0006344.xml
adorno-theodor-w-0006345-0006444.xml
adorno-theodor-w-0006445-0006449.xml
adorno-theodor-w-0006450-0006511.xml
adorno-theodor-w-0006512-0006552.xml
adorno-theodor-w-0006553-0006571.xml
adorno-theodor-w-0006572-0006615.xml
adorno-theodor-w-0006616-0006653.xml
adorno-theodor-w-0006654-0006654.xml
adorno-theodor-w-0006655-0006655.xml
adorno-theodor-w-0006656-0006661.xml
adorno-theodor-w-0006662-0006670.xml
adorno-theodor-w-0006671-0006676.xml
adorno-theodor-w-0006677-0006681.xml
adorno-theodor-w-0006682-0006697.xml
adorno-theodor-w-0006698-0006716.xml
adorno-theodor-w-0006717-0006727.xml
adorno-theodor-w-0006728-0006738.xml
adorno-theodor-w-0006739-0006750.xml
adorno-theodor-w-0006751-0006783.xml
adorno-theodor-w-0006784-0006790.xml
adorno-theodor-w-0006791-0006817.xml
adorno-theodor-w-0006818-0006848.xml
adorno-theodor-w-0006849-0006849.xml
adorno-theodor-w-0006850-0006855.xml
adorno-theodor-w-0006856-0006873.xml
adorno-theodor-w-0006874-0006878.xml
adorno-theodor-w-0006879-0006884.xml
adorno-theodor-w-0006885-0006896.xml
adorno-theodor-w-0006897-0006933.xml
adorno-theodor-w-0006934-0006977.xml
adorno-theodor-w-0006978-0007003.xml
adorno-theodor-w-0007004-0007045.xml
adorno-theodor-w-0007046-0007107.xml
adorno-theodor-w-0007108-0007152.xml
adorno-theodor-w-0007153-0007177.xml
adorno-theodor-w-0007178-0007215.xml
adorno-theodor-w-0007216-0007224.xml
adorno-theodor-w-0007225-0007225.xml
adorno-theodor-w-0007226-0007288.xml
adorno-theodor-w-0007289-0007311.xml
adorno-theodor-w-0007312-0007317.xml
adorno-theodor-w-0007318-0007346.xml
adorno-theodor-w-0007347-0007354.xml
adorno-theodor-w-0007355-0007385.xml
adorno-theodor-w-0007386-0007386.xml
adorno-theodor-w-0007387-0007387.xml
adorno-theodor-w-0007388-0007421.xml
adorno-theodor-w-0007422-0007447.xml
adorno-theodor-w-0007448-0007490.xml
adorno-theodor-w-0007491-0007533.xml
adorno-theodor-w-0007534-0007577.xml
adorno-theodor-w-0007578-0007603.xml
adorno-theodor-w-0007604-0007629.xml
adorno-theodor-w-0007630-0007679.xml
adorno-theodor-w-0007680-0007702.xml
adorno-theodor-w-0007703-0007782.xml
adorno-theodor-w-0007783-0007808.xml
adorno-theodor-w-0007809-0007870.xml
adorno-theodor-w-0007871-0007871.xml
adorno-theodor-w-0007872-0007889.xml
adorno-theodor-w-0007890-0007901.xml
adorno-theodor-w-0007902-0007922.xml
adorno-theodor-w-0007923-0007930.xml
adorno-theodor-w-0007931-0007936.xml
adorno-theodor-w-0007937-0007947.xml
adorno-theodor-w-0007948-0007962.xml
adorno-theodor-w-0007963-0007973.xml
adorno-theodor-w-0007974-0007989.xml
adorno-theodor-w-0007990-0007996.xml
adorno-theodor-w-0007997-0008013.xml
adorno-theodor-w-0008014-0008049.xml
adorno-theodor-w-0008050-0008056.xml
adorno-theodor-w-0008057-0008094.xml
adorno-theodor-w-0008095-0008108.xml
adorno-theodor-w-0008109-0008145.xml
adorno-theodor-w-0008146-0008232.xml
adorno-theodor-w-0008233-0008313.xml
adorno-theodor-w-0008314-0008381.xml
adorno-theodor-w-0008382-0008385.xml
adorno-theodor-w-0008386-0008401.xml
adorno-theodor-w-0008402-0008419.xml
adorno-theodor-w-0008420-0008457.xml
adorno-theodor-w-0008458-0008467.xml
adorno-theodor-w-0008468-0008485.xml
adorno-theodor-w-0008486-0008515.xml
adorno-theodor-w-0008516-0008544.xml
adorno-theodor-w-0008545-0008563.xml
adorno-theodor-w-0008564-0008625.xml
adorno-theodor-w-0008626-0008707.xml
adorno-theodor-w-0008708-0008732.xml
adorno-theodor-w-0008733-0008762.xml
adorno-theodor-w-0008763-0008789.xml
adorno-theodor-w-0008790-0008806.xml
adorno-theodor-w-0008807-0008807.xml
adorno-theodor-w-0008808-0008907.xml
adorno-theodor-w-0008908-0009001.xml
adorno-theodor-w-0009002-0009049.xml
adorno-theodor-w-0009050-0009145.xml
adorno-theodor-w-0009146-0009205.xml
adorno-theodor-w-0009206-0009255.xml
adorno-theodor-w-0009256-0009326.xml
adorno-theodor-w-0009327-0009396.xml
adorno-theodor-w-0009397-0009469.xml
adorno-theodor-w-0009470-0009534.xml
adorno-theodor-w-0009535-0009612.xml
adorno-theodor-w-0009613-0009613.xml
adorno-theodor-w-0009614-0009647.xml
adorno-theodor-w-0009648-0009661.xml
adorno-theodor-w-0009662-0009683.xml
adorno-theodor-w-0009684-0009716.xml
adorno-theodor-w-0009717-0009736.xml
adorno-theodor-w-0009737-0009762.xml
adorno-theodor-w-0009763-0009776.xml
adorno-theodor-w-0009777-0009789.xml
adorno-theodor-w-0009790-0009806.xml
adorno-theodor-w-0009807-0009807.xml
adorno-theodor-w-0009808-0009812.xml
adorno-theodor-w-0009813-0009825.xml
adorno-theodor-w-0009826-0009829.xml
adorno-theodor-w-0009830-0009841.xml
adorno-theodor-w-0009842-0009853.xml
adorno-theodor-w-0009854-0009859.xml
adorno-theodor-w-0009860-0009865.xml
adorno-theodor-w-0009866-0009875.xml
adorno-theodor-w-0009876-0009886.xml
adorno-theodor-w-0009887-0009893.xml
adorno-theodor-w-0009894-0009897.xml
adorno-theodor-w-0009898-0009905.xml
adorno-theodor-w-0009906-0009911.xml
adorno-theodor-w-0009912-0009924.xml
adorno-theodor-w-0009925-0009931.xml
adorno-theodor-w-0009932-0009941.xml
adorno-theodor-w-0009942-0009952.xml
adorno-theodor-w-0009953-0009957.xml
adorno-theodor-w-0009958-0009981.xml
adorno-theodor-w-0009982-0009982.xml
adorno-theodor-w-0009983-0009986.xml
adorno-theodor-w-0009987-0009991.xml
adorno-theodor-w-0009992-0010030.xml
adorno-theodor-w-0010031-0010109.xml
adorno-theodor-w-0010110-0010189.xml
adorno-theodor-w-0010190-0010289.xml
adorno-theodor-w-0010290-0010316.xml
adorno-theodor-w-0010317-0010321.xml
adorno-theodor-w-0010322-0010324.xml
adorno-theodor-w-0010325-0010332.xml
adorno-theodor-w-0010333-0010334.xml
adorno-theodor-w-0010335-0010335.xml
adorno-theodor-w-0010336-0010434.xml
adorno-theodor-w-0010435-0010528.xml
adorno-theodor-w-0010529-0010573.xml
adorno-theodor-w-0010574-0010672.xml
adorno-theodor-w-0010673-0010769.xml
adorno-theodor-w-0010770-0010864.xml
adorno-theodor-w-0010865-0010865.xml
adorno-theodor-w-0010866-0010868.xml
adorno-theodor-w-0010869-0010885.xml
adorno-theodor-w-0010886-0010941.xml
adorno-theodor-w-0010942-0010953.xml
adorno-theodor-w-0010954-0010966.xml
adorno-theodor-w-0010967-0010972.xml
adorno-theodor-w-0010973-0010980.xml
adorno-theodor-w-0010981-0010995.xml
adorno-theodor-w-0010996-0011008.xml
adorno-theodor-w-0011009-0011017.xml
adorno-theodor-w-0011018-0011041.xml
adorno-theodor-w-0011042-0011052.xml
adorno-theodor-w-0011053-0011078.xml
adorno-theodor-w-0011079-0011097.xml
adorno-theodor-w-0011098-0011111.xml
adorno-theodor-w-0011112-0011146.xml
adorno-theodor-w-0011147-0011149.xml
adorno-theodor-w-0011150-0011152.xml
adorno-theodor-w-0011153-0011184.xml
adorno-theodor-w-0011185-0011192.xml
adorno-theodor-w-0011193-0011193.xml
adorno-theodor-w-0011194-0011195.xml
adorno-theodor-w-0011196-0011202.xml
adorno-theodor-w-0011203-0011265.xml
adorno-theodor-w-0011266-0011292.xml
adorno-theodor-w-0011293-0011365.xml
adorno-theodor-w-0011366-0011401.xml
adorno-theodor-w-0011402-0011429.xml
adorno-theodor-w-0011430-0011470.xml
adorno-theodor-w-0011471-0011551.xml
adorno-theodor-w-0011552-0011640.xml
adorno-theodor-w-0011641-0011740.xml
adorno-theodor-w-0011741-0011816.xml
adorno-theodor-w-0011817-0011915.xml
adorno-theodor-w-0011916-0011935.xml
adorno-theodor-w-0011936-0011937.xml
adorno-theodor-w-0011938-0011938.xml
adorno-theodor-w-0011939-0011939.xml
adorno-theodor-w-0011940-0011943.xml
adorno-theodor-w-0011944-0011947.xml
adorno-theodor-w-0011948-0011976.xml
adorno-theodor-w-0011977-0011995.xml
adorno-theodor-w-0011996-0012017.xml
adorno-theodor-w-0012018-0012040.xml
adorno-theodor-w-0012041-0012080.xml
adorno-theodor-w-0012081-0012119.xml
adorno-theodor-w-0012120-0012152.xml
adorno-theodor-w-0012153-0012183.xml
adorno-theodor-w-0012184-0012187.xml
adorno-theodor-w-0012188-0012196.xml
adorno-theodor-w-0012197-0012198.xml
adorno-theodor-w-0012199-0012204.xml
adorno-theodor-w-0012205-0012248.xml
adorno-theodor-w-0012249-0012329.xml
adorno-theodor-w-0012330-0012417.xml
adorno-theodor-w-0012418-0012478.xml
adorno-theodor-w-0012479-0012531.xml
adorno-theodor-w-0012532-0012587.xml
adorno-theodor-w-0012588-0012589.xml
adorno-theodor-w-0012590-0012593.xml
adorno-theodor-w-0012594-0012596.xml
adorno-theodor-w-0012597-0012597.xml
adorno-theodor-w-0012598-0012696.xml
adorno-theodor-w-0012697-0012796.xml
adorno-theodor-w-0012797-0012871.xml
adorno-theodor-w-0012872-0012970.xml
adorno-theodor-w-0012971-0013005.xml
adorno-theodor-w-0013006-0013006.xml
adorno-theodor-w-0013007-0013015.xml
adorno-theodor-w-0013016-0013016.xml
adorno-theodor-w-0013017-0013059.xml
adorno-theodor-w-0013060-0013083.xml
adorno-theodor-w-0013084-0013101.xml
adorno-theodor-w-0013102-0013122.xml
adorno-theodor-w-0013123-0013123.xml
adorno-theodor-w-0013124-0013169.xml
adorno-theodor-w-0013170-0013198.xml
adorno-theodor-w-0013199-0013221.xml
adorno-theodor-w-0013222-0013268.xml
adorno-theodor-w-0013269-0013338.xml
adorno-theodor-w-0013339-0013406.xml
adorno-theodor-w-0013407-0013489.xml
adorno-theodor-w-0013490-0013526.xml
adorno-theodor-w-0013527-0013599.xml
adorno-theodor-w-0013600-0013660.xml
adorno-theodor-w-0013661-0013702.xml
adorno-theodor-w-0013703-0013720.xml
adorno-theodor-w-0013721-0013721.xml
adorno-theodor-w-0013722-0013816.xml
adorno-theodor-w-0013817-0013911.xml
adorno-theodor-w-0013912-0013974.xml
adorno-theodor-w-0013975-0013975.xml
adorno-theodor-w-0013976-0013978.xml
adorno-theodor-w-0013979-0014014.xml
adorno-theodor-w-0014015-0014029.xml
adorno-theodor-w-0014030-0014039.xml
adorno-theodor-w-0014040-0014049.xml
adorno-theodor-w-0014050-0014116.xml
adorno-theodor-w-0014117-0014125.xml
adorno-theodor-w-0014126-0014192.xml
adorno-theodor-w-0014193-0014201.xml
adorno-theodor-w-0014202-0014211.xml
adorno-theodor-w-0014212-0014217.xml
adorno-theodor-w-0014218-0014224.xml
adorno-theodor-w-0014225-0014235.xml
adorno-theodor-w-0014236-0014251.xml
adorno-theodor-w-0014252-0014282.xml
adorno-theodor-w-0014283-0014289.xml
adorno-theodor-w-0014290-0014290.xml
adorno-theodor-w-0014291-0014365.xml
adorno-theodor-w-0014366-0014366.xml
adorno-theodor-w-0014367-0014419.xml
adorno-theodor-w-0014420-0014436.xml
adorno-theodor-w-0014437-0014454.xml
adorno-theodor-w-0014455-0014465.xml
adorno-theodor-w-0014466-0014472.xml
adorno-theodor-w-0014473-0014482.xml
adorno-theodor-w-0014483-0014499.xml
adorno-theodor-w-0014500-0014508.xml
adorno-theodor-w-0014509-0014523.xml
adorno-theodor-w-0014524-0014572.xml
adorno-theodor-w-0014573-0014668.xml
adorno-theodor-w-0014669-0014768.xml
adorno-theodor-w-0014769-0014868.xml
adorno-theodor-w-0014869-0014964.xml
adorno-theodor-w-0014965-0015062.xml
adorno-theodor-w-0015063-0015162.xml
adorno-theodor-w-0015163-0015212.xml
adorno-theodor-w-0015213-0015213.xml
adorno-theodor-w-0015214-0015227.xml
adorno-theodor-w-0015228-0015238.xml
adorno-theodor-w-0015239-0015244.xml
adorno-theodor-w-0015245-0015253.xml
adorno-theodor-w-0015254-0015256.xml
adorno-theodor-w-0015257-0015264.xml
adorno-theodor-w-0015265-0015268.xml
adorno-theodor-w-0015269-0015275.xml
adorno-theodor-w-0015276-0015303.xml
adorno-theodor-w-0015304-0015336.xml
adorno-theodor-w-0015337-0015342.xml
adorno-theodor-w-0015343-0015347.xml
adorno-theodor-w-0015348-0015367.xml
adorno-theodor-w-0015368-0015375.xml
adorno-theodor-w-0015376-0015383.xml
adorno-theodor-w-0015384-0015424.xml
adorno-theodor-w-0015425-0015437.xml
adorno-theodor-w-0015438-0015441.xml
adorno-theodor-w-0015442-0015444.xml
adorno-theodor-w-0015445-0015463.xml
adorno-theodor-w-0015464-0015508.xml
adorno-theodor-w-0015509-0015509.xml
adorno-theodor-w-0015510-0015522.xml
adorno-theodor-w-0015523-0015608.xml
adorno-theodor-w-0015609-0015623.xml
adorno-theodor-w-0015624-0015625.xml
adorno-theodor-w-0015626-0015627.xml
adorno-theodor-w-0015628-0015634.xml
adorno-theodor-w-0015635-0015642.xml
adorno-theodor-w-0015643-0015651.xml
adorno-theodor-w-0015652-0015666.xml
adorno-theodor-w-0015667-0015670.xml
adorno-theodor-w-0015671-0015676.xml
adorno-theodor-w-0015677-0015684.xml
adorno-theodor-w-0015685-0015698.xml
adorno-theodor-w-0015699-0015701.xml
adorno-theodor-w-0015702-0015705.xml
adorno-theodor-w-0015706-0015708.xml
adorno-theodor-w-0015709-0015713.xml
adorno-theodor-w-0015714-0015717.xml
adorno-theodor-w-0015718-0015718.xml
adorno-theodor-w-0015719-0015817.xml
adorno-theodor-w-0015818-0015902.xml
adorno-theodor-w-0015903-0015996.xml
adorno-theodor-w-0015997-0016096.xml
adorno-theodor-w-0016097-0016193.xml
adorno-theodor-w-0016194-0016202.xml
adorno-theodor-w-0016203-0016245.xml
adorno-theodor-w-0016246-0016343.xml
adorno-theodor-w-0016344-0016365.xml
adorno-theodor-w-0016366-0016465.xml
adorno-theodor-w-0016466-0016523.xml
adorno-theodor-w-0016524-0016524.xml
adorno-theodor-w-0016525-0016536.xml
adorno-theodor-w-0016537-0016546.xml
adorno-theodor-w-0016547-0016551.xml
adorno-theodor-w-0016552-0016561.xml
adorno-theodor-w-0016562-0016573.xml
adorno-theodor-w-0016574-0016578.xml
adorno-theodor-w-0016579-0016581.xml
adorno-theodor-w-0016582-0016585.xml
adorno-theodor-w-0016586-0016588.xml
adorno-theodor-w-0016589-0016597.xml
adorno-theodor-w-0016598-0016605.xml
adorno-theodor-w-0016606-0016627.xml
adorno-theodor-w-0016628-0016629.xml
adorno-theodor-w-0016630-0016665.xml
adorno-theodor-w-0016666-0016672.xml
adorno-theodor-w-0016673-0016680.xml
adorno-theodor-w-0016681-0016689.xml
adorno-theodor-w-0016690-0016697.xml
adorno-theodor-w-0016698-0016704.xml
adorno-theodor-w-0016705-0016715.xml
adorno-theodor-w-0016716-0016732.xml
adorno-theodor-w-0016733-0016738.xml
adorno-theodor-w-0016739-0016746.xml
adorno-theodor-w-0016747-0016794.xml
adorno-theodor-w-0016795-0016813.xml
adorno-theodor-w-0016814-0016818.xml
adorno-theodor-w-0016819-0016851.xml
adorno-theodor-w-0016852-0016919.xml
adorno-theodor-w-0016920-0016970.xml
adorno-theodor-w-0016971-0017001.xml
adorno-theodor-w-0017002-0017006.xml
adorno-theodor-w-0017007-0017007.xml
adorno-theodor-w-0017008-0017008.xml
adorno-theodor-w-0017009-0017065.xml
adorno-theodor-w-0017066-0017160.xml
adorno-theodor-w-0017161-0017196.xml
adorno-theodor-w-0017197-0017225.xml
adorno-theodor-w-0017226-0017234.xml
adorno-theodor-w-0017235-0017249.xml
adorno-theodor-w-0017250-0017285.xml
adorno-theodor-w-0017286-0017325.xml
adorno-theodor-w-0017326-0017331.xml
adorno-theodor-w-0017332-0017333.xml
adorno-theodor-w-0017334-0017339.xml
adorno-theodor-w-0017340-0017344.xml
adorno-theodor-w-0017345-0017349.xml
adorno-theodor-w-0017350-0017352.xml
adorno-theodor-w-0017353-0017364.xml
adorno-theodor-w-0017365-0017367.xml
adorno-theodor-w-0017368-0017370.xml
adorno-theodor-w-0017371-0017373.xml
adorno-theodor-w-0017374-0017377.xml
adorno-theodor-w-0017378-0017390.xml
adorno-theodor-w-0017391-0017393.xml
adorno-theodor-w-0017394-0017395.xml
adorno-theodor-w-0017396-0017402.xml
adorno-theodor-w-0017403-0017405.xml
adorno-theodor-w-0017406-0017407.xml
adorno-theodor-w-0017408-0017410.xml
adorno-theodor-w-0017411-0017413.xml
adorno-theodor-w-0017414-0017425.xml
adorno-theodor-w-0017426-0017436.xml
adorno-theodor-w-0017437-0017445.xml
adorno-theodor-w-0017446-0017449.xml
adorno-theodor-w-0017450-0017545.xml
adorno-theodor-w-0017546-0017615.xml
adorno-theodor-w-0017616-0017705.xml
adorno-theodor-w-0017706-0017706.xml
adorno-theodor-w-0017707-0017709.xml
adorno-theodor-w-0017710-0017738.xml
adorno-theodor-w-0017739-0017757.xml
adorno-theodor-w-0017758-0017778.xml
adorno-theodor-w-0017779-0017799.xml
adorno-theodor-w-0017800-0017802.xml
adorno-theodor-w-0017803-0017813.xml
adorno-theodor-w-0017814-0017816.xml
adorno-theodor-w-0017817-0017822.xml
adorno-theodor-w-0017823-0017841.xml
adorno-theodor-w-0017842-0017855.xml
adorno-theodor-w-0017856-0017858.xml
adorno-theodor-w-0017859-0017862.xml
adorno-theodor-w-0017863-0017864.xml
adorno-theodor-w-0017865-0017869.xml
adorno-theodor-w-0017870-0017872.xml
adorno-theodor-w-0017873-0017875.xml
adorno-theodor-w-0017876-0017879.xml
adorno-theodor-w-0017880-0017888.xml
adorno-theodor-w-0017889-0017899.xml
adorno-theodor-w-0017900-0017903.xml
adorno-theodor-w-0017904-0017906.xml
adorno-theodor-w-0017907-0017907.xml
adorno-theodor-w-0017908-0017912.xml
adorno-theodor-w-0017913-0017913.xml
adorno-theodor-w-0017914-0017915.xml
adorno-theodor-w-0017916-0017918.xml
adorno-theodor-w-0017919-0017921.xml
adorno-theodor-w-0017922-0017933.xml
adorno-theodor-w-0017934-0017936.xml
adorno-theodor-w-0017937-0017940.xml
adorno-theodor-w-0017941-0017946.xml
adorno-theodor-w-0017947-0017950.xml
adorno-theodor-w-0017951-0017952.xml
adorno-theodor-w-0017953-0017957.xml
adorno-theodor-w-0017958-0017959.xml
adorno-theodor-w-0017960-0017963.xml
adorno-theodor-w-0017964-0017966.xml
adorno-theodor-w-0017967-0017973.xml
adorno-theodor-w-0017974-0017975.xml
adorno-theodor-w-0017976-0017993.xml
adorno-theodor-w-0017994-0017997.xml
adorno-theodor-w-0017998-0018001.xml
adorno-theodor-w-0018002-0018021.xml
adorno-theodor-w-0018022-0018022.xml
adorno-theodor-w-0018023-0018028.xml
adorno-theodor-w-0018029-0018090.xml
adorno-theodor-w-0018091-0018162.xml
adorno-theodor-w-0018163-0018181.xml
adorno-theodor-w-0018182-0018189.xml
adorno-theodor-w-0018190-0018206.xml
adorno-theodor-w-0018207-0018210.xml
adorno-theodor-w-0018211-0018216.xml
adorno-theodor-w-0018217-0018224.xml
adorno-theodor-w-0018225-0018233.xml
adorno-theodor-w-0018234-0018234.xml
adorno-theodor-w-0018235-0018268.xml
adorno-theodor-w-0018269-0018285.xml
adorno-theodor-w-0018286-0018302.xml
adorno-theodor-w-0018303-0018340.xml
adorno-theodor-w-0018341-0018342.xml
adorno-theodor-w-0018343-0018377.xml
adorno-theodor-w-0018378-0018420.xml
adorno-theodor-w-image-appendix.xml
adorno-theodor-w-image-appendix-0000000.xml