III. Zur Dialektik der erkenntnistheoretischen Begriffe

 

Der Weg ... kann deswegen als der Weg des Zweifels angesehen werden, oder eigentlicher als Weg der Verzweiflung; auf ihm geschieht nämlich nicht das, was unter Zweifeln verstanden zu werden pflegt, ein Rütteln an dieser oder jener vermeinten Wahrheit, auf welches ein gehöriges Wiederverschwinden des Zweifels und eine Rückkehr zu jener Wahrheit erfolgt, so daß am Ende die Sache genommen wird wie vorher. Sondern er ist die bewußte Einsicht in die Unwahrheit des erscheinenden Wissens.

Hegel, Phänomenologie des Geistes

 

Die Selbstkritik Husserls, als welche der »Versuch einer Kritik der logischen Vernunft« aus seiner Spätzeit in weitem Maße aufzufassen ist, hat der Unmöglichkeit sich versichert, durchs Herauslösen der einzelnen Intention Wesenheiten ohne Abstrahieren zu ergreifen. Der Universalienstreit läßt sich nicht durch ein Dekret schlichten, demzufolge das Universale, als schlicht, »selbst« Vermeintes, mit dem Gegebenen, dem Dasein, der res zusammenfiele: »Intentionalität ist nichts Isoliertes, sie kann nur betrachtet werden in der synthetischen Einheit, die alle Einzelpulse psychischen Lebens teleologisch in der Einheitsbeziehung auf Gegenständlichkeiten verknüpft, oder vielmehr in der doppelten Polarisierung von Ichpol und Gegenstandspol.«1 Diese Korrektur, die übrigens nicht als solche gegenüber den Logischen Untersuchungen vorgetragen wird; das Zugeständnis einer wie immer gearteten Divergenz von »Ichpol und Gegenstandspol«, von Subjekt und Objekt enthüllt aber nachträglich die Phänomenologie als das, was sie im Namen von »Forschung«, der Beschreibung von Sachverhalten, bis zum Ende eifrig verleugnet2, als Erkenntnistheorie. Sie strengt sich an, Ungleichnamiges auf den gemeinsamen Nenner, hier den statischen Oberbegriff der »Pole«, zu bringen. Ihre wirksamsten Gedanken waren Vehikel, geschaffen eben zu diesem Zweck, theoretische Konstruktionen. Erst wenn man von der Suggestion eines radikal neuen und ursprünglichen Ansatzes sich befreit, welche die Phänomenologie wie ihre Nachfolger auszuüben trachtet, und ihrer epistemologischen Tendenz sich nicht versperrt, der, zu ergründen, wie Wissen von Gegenständlichem überhaupt möglich sei und in der Struktur des Bewußtseins sich ausweise, werden jene Kategorien durchsichtig, welche die Phänomenologie schlechterdings entdeckt zu haben behauptet. Sie erschließen sich weniger von den Leistungen und Sachverhalten im tatsächlichen Vollzug der Erkenntnis her, die ihnen die Theorie zumutet – sie sind in allen Erkenntnistheorien fragwürdig – als aus der Funktion, die jene Begriffe zugunsten der Konsequenz und Einstimmigkeit der Theorie selber, zur Meisterung ihrer Widersprüche zumal, erfüllen. Gerade der Anspruch der Frische und theoretischen Unvoreingenommenheit, das Feldgeschrei »Zu den Sachen«, stammt von einer erkenntnistheoretischen Norm her: der positivistischen, die Denken aufs gleichsam technische Verfahren der Abkürzung einschränkt und die Substanz der Erkenntnis einzig dem zuschreibt, was ohne die Zutat des Denkens da sein soll, und was freilich auf die dünnsten, abstraktesten Befunde hinausliefe. Dies positivistische Kriterion hat sich in Husserl, vermöge der selbst zunächst gleichermaßen positivistischen Forderung reiner Bewußtseinsimmanenz, mit dem subjektiv-idealistischen verbunden und dadurch die These vom geistigen Ansichsein, den Wesenheiten als einer Gegebenheit sui generis auskristallisiert: die Phänomenologie ließe sich als der paradoxe Versuch einer theoriefreien Theorie definieren. Dafür aber ereilt sie die Rache: was an sich sein soll, ist nur für sie; was sie erschaut, hat sie erzeugt, um zu begründen, daß sie schaue. In der Differenz der systematischen Funktion vom vorgeblich Getroffenen jedoch wird sie, gleich aller Theorie, der Kritik kommensurabel. Sie gerät allenthalben in die Irre, weil eben die im Namen der Deskription sogenannter Sachverhalte oder Vorfindlichkeiten des reinen Bewußtseins eingeführten Begriffe gar nicht Erkenntnisvorgänge oder Typen von solchen beschreiben, sondern einzig dazu herhalten, um im Rahmen der »Reduktion« etwas wie eine strukturelle Einheit zu ermöglichen. Von dieser Schwäche der Begriffe hat Husserl, ähnlich wie die Lebensphilosophen und die Gestalttheoretiker, ein Gefühl, mag aber doch, der szientifischen Abwehr des Irrationalismus zuliebe, auf die Klassifikation von »Bewußtseinsinhalten« nicht verzichten. Darum muß er die Erkenntnisklassen mit Qualitäten ausstatten, die den Erkenntnisleistungen nicht entsprechen, und umgekehrt die Definitionen jener Erkenntnisklassen verletzen, ohne welche ihre Einführung sich erübrigt hätte.

Die in jeglichem Positivismus latente, noch in dessen jüngster Abwandlung wirksame Spannung zwischen dem logischen und dem empirischen Element, deren beider das an der Wissenschaft gebildete Erkenntnisideal bedarf, ohne sie vereinigen zu können, entscheidet Husserl zugunsten des logischen. Wiederum trägt eine Art von Dialektik wider Willen sich zu: die Maxime, nach den Tatsachen sich zu richten, unterhöhlt den Begriff des Tatsächlichen selber, den nominalistischen Vorrang des Datums vorm Begriff, und der letztere reklamiert die positivistische Gediegenheit des Sachverhalts. Auf diesen Umschlag jedoch wird von Husserl nicht reflektiert; seine Resultate möchte er in unmittelbare Übereinstimmung bringen mit der traditionellen Logik der Widerspruchslosigkeit, deren Rechtfertigung jenen Prozeß insgesamt auslöste. Im undialektischen System wird die Dialektik wider Willen zur Fehlerquelle und doch zum Medium der Wahrheit, indem sie alle erkenntnistheoretischen Kategorien, die sie erfaßt, über sich hinaustreibt bis zur Liquidation des Ansatzes selber, der Analyse der Form von Erkenntnis ohne Rücksicht auf ihren konkreten, bestimmten Inhalt. Die Überführung des Positivismus in Platonischen Realismus will nicht gelingen: weder läßt sich die positivistische Forderung purer Gegebenheit in die der bloßen Hinnahme idealer Sachverhalte umsetzen, noch gar Idealität, Begriff, Logos als Gegebenheit interpretieren. Die kennzeichnenden Kategorien der Philosophie Husserls – die gleichen, die ins Instrumentarium der irrationalistischen Ideologie im Zeitalter totaler Rationalisierung eingingen – sind durchweg ersonnen worden, um verräterische Erdenreste inmitten der prima philosophia, die Spuren des Unvereinbaren, zu tilgen. Der Husserlschen Reflexionsphilosophie ist die Identität der Extreme, der faktischen Vorfindlichkeit und des reinen Geltens, nur als selber unmittelbare, nicht als wiederum begrifflich vermittelte erträglich. Gerade weil der Begriff der Unmittelbarkeit nicht von der Faktizität zu emanzipieren, nicht für die Idealität zu retten ist, muß sein dogmatischer Gebrauch dazu herhalten, das kritische Bewußtsein niederzuschlagen. Dabei bleibt das Verhältnis der aneinander sich reibenden Elemente der Husserlschen Philosophie kein äußerliches unvereinbarer Weltanschauungen, die er unter einen Hut zu bringen suchte. Vielmehr gehorchen die Konflikte objektivem Zwang. Als Wissenschaftler und Mathematiker sieht Husserl sich nicht bloß einer ungeformten Mannigfaltigkeit gegenüber, sondern auch den Einheiten des Seienden im Begriff. Da er aber diese weder aus dem Subjekt, als dem »Geist« erzeugen kann – denn das wäre dem Positivisten als idealistische Metaphysik suspekt – noch die Einheiten von der ungeformten Mannigfaltigkeit des Faktischen selber hernehmen, muß er die einheitlich begrifflichen Strukturen, die ihm in den entfalteten Wissenschaften vor Augen stehen, als An sich reklamieren. Die Wesenheiten werden jenseits von subjektivem Geist sowohl wie von bloß daseiender, zerstreuter Faktizität angesiedelt. Die Platonisierende Wendung ist unfreiwillig. Er muß die Wesenheiten als Absolutum und letztes Gegebenes präsentieren, weil die positivistische Wissenschaftsnorm den Begriff der Gegebenheit selbst anzutasten verwehrt. Dem älteren Positivismus wirft denn auch der Husserl der Logischen Untersuchungen vor, daß er jener Norm nicht treu genug gewesen wäre und darüber die idealen Gegebenheiten verkannt hätte: »Man bringt es nicht über sich, die Denkakte als das zu nehmen, als was sie sich rein phänomenologisch darstellen, sie somit als völlig neuartige Aktcharaktere gelten zu lassen, als neue ›Bewußtseinsweisen‹ gegenüber der direkten Anschauung. Man sieht nicht, was für den, der die Sachlage unbeirrt durch die überlieferten Vorurteile betrachtet, das Offenkundigste ist, nämlich daß diese Aktcharaktere Weisen des Meinens, Bedeutens von dem und dem Bedeutungsgehalt sind, hinter denen man schlechterdings nichts suchen darf, was anderes wäre und anderes sein könnte als eben Meinen, Bedeuten.«3 Und: »Was ›Bedeutung‹ ist, das kann uns so unmittelbar gegeben sein, wie uns gegeben ist, was Farbe und Ton ist. Es läßt sich nicht weiter definieren, es ist ein deskriptiv Letztes.«4 Aber alles Gemeinte ist durch Meinen vermittelt. Daß Erkenntnistheorie hinter Bewußtseinsstrukturen wie die »symbolische Funktion«5 nicht zurückgreifen kann, begründet nicht das, worauf diese sich bezieht, als Urphänomen. Überdies verändert durch seine Ausweitung der Begriff der Gegebenheit sich qualitativ. Er büßt ein, weswegen er konzipiert war und was auch von Husserl festgehalten wird, das Moment, auf das der englische Ausdruck »stubborn facts« anspielt, das Opake, nicht Wegzuräumende, schlechterdings Anzuerkennende, das dem Denken seine unverrückbare Grenze vorschreibt. Husserls Auffassung von der mittelbaren Gegebenheit krankt daran, daß er ihr weiterhin gutschreibt, was durch jene Modifikationen zerging, die Unmittelbarkeit des Gemeinten. Viel von ihren Versprechungen verdankt Phänomenologie diesem Defekt.

Der Begriff des Datums ist zunächst bei Husserl wie in der positivistischen und empiristischen Erkenntnistheorie, und auch bei Kant, sinnlicher Stoff, »Material«, ylh: in der dritten Logischen Untersuchung des zweiten Bandes wird »real« geradezu definiert als »perzipierbar in möglicher Sinnlichkeit.«6 Ohne Rekurs auf ein Unmittelbares, Stofflich-Vorkategoriales ist mit den Mitteln der traditionellen, subjektiv gerichteten Erkenntnistheorie kaum ein Begriff von Realität zu gewinnen. Zugleich jedoch kann die erkenntnistheoretische Analyse des Unmittelbaren dessen eigenes Vermitteltsein nicht wegerklären. Das motiviert die dialektische Logik, welche solchen Widerspruch zur Bestimmung der Sache selbst erhebt, also den Begriff des Unmittelbaren festhält sowohl wie negiert. Diese Konsequenz aber ist Husserl durch den von ihm selbst emphatisch verkündeten Absolutismus der formalen Logik, der reinen Widerspruchslosigkeit versperrt. Zum Ersatz bildet seine Theorie alles vermittelte Wissen dem Modell der Unmittelbarkeit nach; für die dynamische Entfaltung des Widerspruchs tritt die statische Hilfskonstruktion einer sich selbst genügenden Erkenntnisleistung ein, die Vermitteltes primär geben soll. Die Paradoxie des Beginnens aber ist unvereinbar mit Husserls eigenem Kriterium der Widerspruchslosigkeit. Der Modellcharakter der Gegebenheit für alle Erkenntnis ist seit den Logischen Untersuchungen aufgerichtet. Die Terminologie schwankt dabei zwischen sinnlicher Anschauung und dem Inbegriff aller Erlebnisse als unmittelbarer Tatsachen des Bewußtseins. Dem liegt das seit Bergsons frühen Schriften allbekannte Wahre zugrunde, daß die strikte Zerlegung des Bewußtseins in »Tatsachen« und deren Klassifizierung an einem Moment von Willkür krankt, das aus dem Bedürfnis der Nachkonstruktion der Dingwelt sich erklärt7, während im aktuellen Bewußtseinsleben nicht nur die einzelnen Akte, sondern auch deren Charakteristiken weit mehr ineinander fließen. Aber Husserl kritisiert gar nicht die erkenntnistheoretischen Klassen, sondern behält sie bei, um sie zu konfundieren und die Unschärfe ihrer Unterscheidung der Gültigkeit des Gegebenheitsbegriffs für Vermitteltes zugute kommen zu lassen: gerade Bergson hat Wahrnehmung und Erinnerung viel schärfer gesondert. Weil, grob nach den überlieferten Begriffen gesprochen, die Denkakte als solche ebenso unmittelbare Tatsachen des Bewußtseins seien wie die sinnlichen Eindrücke, wird bei Husserl das jeweils in den Denkakten Gedachte, durch sie Vermittelte seinerseits zur Unmittelbarkeit. In der sechsten Logischen Untersuchung ist aktuelles Gegebensein dem Bewußtsein gleichgesetzt8. Danach wäre schließlich Intentionalität in der prägnanten Fassung, die Husserl dem Terminus verliehen hat, mit Gegebenheit identisch. Indem das Vermittelte, durch die Intention bereits Gedachte, bloß hingenommen werden soll, wird der Begriff der unmittelbaren Gegebenheit total: Wahrnehmung Wissen von etwas, dies Wissen zum primären, irreduktibeln Tatbestand des Bewußtseins und die wahrgenommene Dingwelt gleichsam zum radikal Ersten. Die Zweideutigkeit erbt sich fort an die Grundbestimmungen der »Ideen«, wo der Begriff der ursprünglichen, originären Gegebenheit geradenwegs Gegenständlichem zugeordnet und damit durch terminologische Festsetzung der Stein des Anstoßes eskamotiert ist: »Jeder Wissenschaft entspricht ein Gegenstandsgebiet als Domäne ihrer Forschungen, und allen ihren Kenntnissen, d.h. hier richtigen Aussagen, entsprechen als Urquellen der rechtausweisenden Begründung gewisse Anschauungen, in denen Gegenstände des Gebietes zur Selbstgegebenheit und, mindestens partiell, zu originärer Gegebenheit kommen. Die gebende Anschauung der ersten, ›natürlichen‹ Erkenntnissphäre und aller ihrer Wissenschaften ist die natürliche Erfahrung, und die originär gebende Erfahrung ist die Wahrnehmung, das Wort in dem gewöhnlichen Sinne verstanden. Ein Reales originär gegeben haben, es schlicht anschauend ›gewahren‹ und ›wahrnehmen‹ ist einerlei.«9 Dies vorkritische Verhältnis der Wissenschaften zu den von ihnen bearbeiteten Gegenständen wird im Verlauf der »Ideen«, wie zuvor bei der Logik, so nun auch für die erkenntnistheoretischen Konstitutionsfragen ganz unbefangen supponiert; auch in »phänomenologischer Einstellung« sollen »Gegenstände zur Selbstgegebenheit kommen«, ohne daß die vielberufene »Reduktion« etwas daran änderte. Vernunftkritik bescheidet sich zur bloßen Urteilsenthaltung; Vornehmheit gegen die krude Faktizität hindert nicht daran, die Dingwelt als das zu akzeptieren, »als was sie sich gibt«. Dazu verhilft, daß die Analyse als bei ihrem letzten bei der Wahrnehmung stehen bleibt. Denn Wahrnehmung im deutschen Sinne des Wortes und ganz gewiß bei Husserl ist immer bereits ein Von etwas; das fertige Ding, um dessen Konstitution sonst die Erkenntnistheorie sich müht, gibt Husserl zunächst sich vor, und seine Analyse endet beim Bewußthaben eines Gegenständlichen, wie wenn es vorfindlich, schlicht da wäre. So benutzen die »Ideen«, als Gegensatz zur Reflexion, ausdrücklich die Termini »vorgegebenes Erlebnis« und »Erlebnisdatum«10, die das letztere als an sich Seiendes fixieren.

Die Rede von der Reflexion auf Erlebnisse, die Gedanken bezeichnet, die sich auf ein eindeutig Umrissenes richten, setzt nicht weniger voraus, als daß der Gegebenheitsbegriff selber vergegenständlicht ist: daß das Bezugssubjekt ein Erlebnis an sich »habe«, auf das es dann reflektieren kann. Vermieden wird die simple, aber für die Methode der Bewußtseinsanalyse stringente Konsequenz, daß alle Rede von Gegebenem solche Reflexion erheischt, und daß daher der Begriff des Gegebenen selbst durch den Reflexionsbegriff vermittelt ist. In der Urcharakteristik des Gegebenen als eines bereits Bestimmten, auf der die ganze Phänomenologie basiert, steckt aber Verdinglichung: im Glauben, geistiger Sachverhalte ohne denkende Zutat habhaft werden zu können. Husserl haftet jedoch so zäh am Gegebenheitsbegriff, daß er lieber die erkenntnistheoretische Konsequenz als ihn opfert und noch in der »Formalen und transzendentalen Logik« von Wahrnehmung als »Urmodus der Selbstgebung«11 und ähnlichem redet. An der Doktrin vom Fundiertsein aller Erkenntnis läßt er nicht rütteln. Eine Intention soll in der anderen ruhen. Dann aber wäre der allein sichere Grund ein absolut Primäres. Diese Doktrin indessen ist mit der Ansicht vom Erkenntnisprozeß als einem funktionalen Zusammenhang, der der Transzendentallogiker Husserl sich zuneigte, unvereinbar. Funktionszusammenhang der Erkenntnis kann nichts anderes heißen, als daß nicht bloß das Höhere, kategorial Geformte vom Niedrigeren abhängt, sondern ebenso dieses von jenem. Das hat Husserl nicht gesehen oder nicht zugestanden. Paradox genug inaugurierte die Konzeption säuberlich getrennter, wie Steine aufeinander geschichteter Akte und Bedeutungen, Erbschaft der unersättlichen positivistischen Frage nach der Evidenz jeglicher Aussage, alle statisch-ontologischen Lehren, die an Husserl anschlossen, alle restaurative Seinsordnung, die man aus ihm herauslas. Nebenher entwickelte sich eine funktionale Erkenntnistheorie. Einzig daß er den Konflikt nicht austrug, erweckte den Schein, Phänomenologie könne gewissermaßen die Aristotelische Metaphysik auf dem Boden von Wissenschaftlichkeit und Kritizismus wieder herstellen. Am Ende mußte er versuchen, beides wirklich zusammenzubringen. Seine Auskunft war, das ursprüngliche Fundierende, die Gegebenheit selber, das Refugium des Seienden, in reines Sein, in seine eigene Möglichkeit umzudeuten als in die von etwas, was dabei nicht selbst bereits vorausgesetzt sein soll.

Diese ingeniöse Konstruktion, welche das Gegebene vom Fluch erlösen möchte, gegeben zu sein, hält das System zusammen, aber gereicht ihm nicht zum Guten. Gegebenheit selber wird bei Husserl, gar nicht so unähnlich dem Kantischen Theorem von der reinen Anschauung, in der Möglichkeit vom Gegebensein, also das Faktische in der ontologisch reinen Wesensbestimmung Faktischsein aufgehoben. Nur folgt aus der reinen Möglichkeit des Faktischen keinerlei faktische Existenz, auch nicht die jener »Tatsachen des Bewußtseins«, an denen sie selbst gewonnen war. Husserls frühere Lehre, daß »reine Wesenswahrheiten nicht die mindeste Behauptung über Tatsachen« enthalten, daß somit »auch aus ihnen allein nicht die geringfügigste Tatsachenwahrheit zu erschließen«12 ist, wird in den Wind geschlagen. Sie wird pervertiert zur These von der Wesensgesetzlichkeit des Daseins als des Daseienden. In ihr verschwindet der Unterschied zwischen der Unabdingbarkeit des Tatsächlichen als einer allgemeinen Bestimmung – wenn man durchaus will, als eines »Wesensgesetzes« – und der Behauptung, daß Dasein selbst wesenhaft sei, welche die ontologische Differenz verleugnet. So durchschneidet die Methode die letzte Beziehung auf Erfahrung, die ihren spezifischen Anspruch stützt, und unaufhaltsam ist der Rückfall in vorkritischen Rationalismus. Dabei impliziert der Begriff wesensgesetzlich vorgezeichneten Daseins selbst jene ontologische Differenz, die zum Ruhm der höheren Reinheit der Phänomenologie beseitigt werden soll. Husserl wagt die Fehlkonstruktion, um die Gegebenheit zu entmächtigen und doch um jeden Preis zu retten. Das Gegebene ist der innerste Schauplatz von Verdinglichung in der Erkenntnislehre: bei unwandelbarer Starrheit, unbewegtem bloßen Dasein läßt es als immanent, subjekteigen sich fassen. Dennoch bleibt dies Subjekteigene zugleich dem Subjekt ganz entfremdet. Das erkennende Ich, das es als seine »Bewußtseinstatsache« umklammert, muß es blind akzeptieren, als ein schlechthin Anderes, von der eigenen Arbeit Unabhängiges anerkennen, ja noch in seiner Spontaneität nach ihm sich richten, gar nicht so sehr anders, wie das rational wirtschaftende Subjekt als bloßer Funktionsträger seines Eigentums agiert. Dieser Antagonismus meldet sich in der Husserlschen Identifikation der »Sachen selbst« mit subjektiv Gegebenem an. In Gestalt der Gegebenheit wird das Versprechen von Sekurität, das der naive Realismus bietet, auf die Sphäre des Ich übertragen; hier meint es in sich selber jenes absolut Feste, Unveränderliche zu besitzen, das sonst allerorten durch die Rückfrage aufs Subjekt problematisch geworden ist, und wird sich damit gewissermaßen selber zum Ding. Der späte Husserl hat, wohl unter Bergsons Einfluß, dergleichen kritische Erwägungen angestellt: »Der allherrschende Daten-Sensualismus in Psychologie wie Erkenntnistheorie, in dem auch meist die befangen sind, die in Worten gegen ihn, bzw. das was sie sich unter diesem Worte denken, polemisieren, besteht darin, daß er das Bewußtseinsleben aus Daten aufbaut als sozusagen fertigen Gegenständen. Es ist dabei wirklich ganz gleichgültig, ob man diese Daten als getrennte ›psychische Atome‹ denkt nach unverständlichen Tatsachengesetzen in Art der mechanischen zu mehr oder minder zusammenhaltenden Haufen zusammengeweht, oder ob man von Ganzheiten spricht und von Gestaltqualitäten, die Ganzheiten als den in ihnen unterscheidbaren Elementen vorangehend ansieht, und ob man innerhalb dieser Sphäre im voraus schon seiender Gegenstände zwischen sinnlichen Daten und intentionalen Erlebnissen als andersartigen Daten unterscheidet.«13 Das ist kaum weniger als ein Widerruf des fundamentalen Anspruchs der Phänomenologie, zu beschreiben, was im »Bewußtseinsstrom« gegeben sei, die Phänomene. Analog wird in den Cartesianischen Meditationen die Auffassung der Bewußtseinstatsachen als Relationen letzter Elemente bestritten: sie seien a priori nicht als solche konstituiert14. Selbst die Einsicht, daß die »objektiv gerichteten«, auf je bereits konstituierte Dinge abzielenden Wissenschaften das Vorbild der erkenntnistheoretischen Elementaranalyse liefern; daß der Begriff des Datums selber nächstverwandt ist dem dogmatischen Ding-an-sich-Begriff, dem der Rekurs auf das Datum gerade opponiert, wird von Husserl erreicht. Sie träfe mit dem ontologischen Aspekt der Phänomenologie auch die Seinsmetaphysik, zu der jene gesteigert ward und die mit dem Anspruch des unmittelbaren Wissens nach dem Äußersten greift. Der Schein des Abgeschlossenseins, Definitivseins, der vom »bleibenden« Ding an sich auf die Gegebenheit als das immanenzphilosophische Substrat der Erkenntnis überging und das ontologische Pathos eines Ideenhimmels zeitigt, der diskursivem Denken entrückt sei, weicht einer dynamischen Bestimmung von Erkenntnis: »Wir haben es vorhin schon berührt, daß die Selbstgebung, wie jedes einzelne intentionale Erlebnis, Funktion ist im universalen Bewußtseinszusammenhang. Ihre Leistung ist also nicht in der Einzelheit abgeschlossen, auch nicht die als Selbstgebung, als Evidenz, sofern sie in ihrer eigenen Intentionalität implizite weitere Selbstgebungen ›fordern‹, auf sie ›verweisen‹ kann, ihre objektivierende Leistung zu vervollständigen.«15 So wird in Husserls transzendentaler Revision tatsächlich die Lehre von der originär gebenden Anschauung durch einen Funktionsbegriff nach Art der Marburger Schule substituiert. Aber der Konflikt zwischen solcher Kritik und dem Dogma von der »Urgegebenheit« ward von Husserls Reflexion nicht mehr ausgetragen. An es klammert sich selbst der letzte Husserl, weil er sonst das phänomenologische Verfahren sprengte. Das Gegebene, als absoluter Besitz des Subjekts, bleibt der Fetisch auch des transzendentalen. Nur was dem Subjekt als Teilmoment seines Bewußtseins»lebens«, und zwar als das fundierende, »gehört«, braucht, so dünkt es seiner Befangenheit, vom Denken nicht mehr gedacht, sondern bloß noch ohne Anstrengung und ohne Gefahr des Irrtums hingenommen zu werden. Theorie erscheint als Risiko: daher jene Sehnsucht nach einer theoriefreien. Theorie bleibt die Phänomenologie, weil sie notwendig auf Erkenntnis reflektiert, nicht »geradehin«, etwa empirisch, urteilt; theoriefrei möchte sie sein, weil sie am liebsten jede Aussage in Gegebenheit verwandelte und so der Möglichkeit des Fehlschlusses wie der Kritik auswiche. Beides ist unvereinbar. Wenn Philosophie überhaupt einmal ohne Reservat jener Dialektik sich überantwortet, welche mit der Reflexion der Gegebenheit anhebt, müßte ihre erkenntnistheoretische Begründung samt der Methode der »Reduktionen«, die Husserl bis zum Schluß lehrte, ins Schwanken geraten. Soll es zum Wesen der »Selbstgebung« als in diesem Selbst vorgezeichnete Möglichkeit gehören, andere Selbstgebungen zu verlangen, so ist ihr Fundamentalcharakter gebrochen. Erkenntnis wird in einen Prozeß geworfen, in dem, wie Hegel wohl wußte, der Begriff eines absolut Ersten seinen Sinn verliert16. Sobald das Gegebene als »forderndes« über sich hinausweist, wird es damit nicht nur zum bloßen Teilmoment des übergreifenden Erkenntnisprozesses herabgesetzt, sondern erweist sich als prozessual in sich selber. Der deskriptive Sachverhalt hat, nach den Worten des späten Husserl, seine ›genetischen Sinnesimplikate‹17. Das aber rührt an die seit den Prolegomena unterstellte Dichotomie von Genesis und Geltung: dieser ist ihre Entstehung nicht mehr äußerlich, nicht mehr unabhängig also von ihrem eigenen Wahrheitsgehalt, sondern Genesis fällt in jenen Wahrheitsgehalt selber, der »fordert«. Nicht ist, wie der Relativismus es will, Wahrheit in der Geschichte, sondern Geschichte in der Wahrheit. »Entschiedne Abkehr vom Begriffe der ›zeitlosen Wahrheit‹ ist am Platz. Doch Wahrheit ist nicht – wie der Marxismus es behauptet – eine zeitliche Funktion des Erkennens sondern an einen Zeitkern, welcher im Erkannten und Erkennenden zugleich steckt, gebunden.«18 An der Schwelle zu solchen Einsichten kam Husserls Reflexionsphilosophie jener Selbstbewegung der Sache, des Begriffs überaus nahe, die er sonst der spekulativen als unvollziehbare Verstiegenheit würde angekreidet haben. Mehr als daß der Sachverhalt eine Bewegung des Bewußtseins »fordere«, hat auch Hegel nicht verlangt. Wird dem einmal gehorcht, so ist die traditionelle Cartesianische Idee der Wahrheit als der Angemessenheit des Begriffs an die Sache erschüttert. Indem die Sache gedacht wird, ist sie nicht länger eine, der man sich anmessen könnte. Ort der Wahrheit wird die wechselfältige Abhängigkeit, das sich durcheinander Produzieren von Subjekt und Objekt, und sie darf als kein statisches Übereinstimmen – ja als keine »Intention« mehr gedacht werden. Wenn der frühere, eigentlich phänomenologische Husserl triftig gegen die Bilder- und Zeichentheorie der Erkenntnis polemisiert19, so wäre solche Polemik auch gegen die sublimierte Idee zu wenden, Erkenntnis sei Bild ihres Gegenstandes kraft der Ähnlichkeit, der adaequatio. Erst mit der Idee der bilderlosen Wahrheit würde Philosophie das Bilderverbot einholen.

Die Forderung des Hinnehmens im Rahmen der Intention setzt gerade das Vermittelte und damit dem Akte vollziehenden Subjekt wiederum auch Entgegengesetzte mit dem Subjekt selbst unmittelbar in eins; den »Ideen« zufolge soll das Noema, als das vom Subjekt selbst Gemeinte, »evident gegeben« sein20. Das Staunen über das »wunderbare Bewußthaben« eines evident Gegebenen, das doch »dem Bewußtsein selbst ein Gegenüber, ein prinzipiell Anderes, Irreelles, Transzendentes ist«21, wie Husserl es unmittelbar nach der These von der Selbstevidenz des Intendierten bekundet, verrät die Unstimmigkeit zwischen dem zugleich Subjekteigenen und Subjektfremden, an der nicht erst Husserls Lehre vom Noema, sondern eine jegliche vom absolut Gegebenen leidet. Bloß Hinnehmen ist doppeldeutig: Gedächtnis an den Wall, auf den der Geist dort aufprallt, wo etwas nicht seinesgleichen ist, und ein Stück Unterwerfung und Ideologie. Mit der Frage nach dem absoluten Ursprung wird die nach der »Arbeit«, der gesellschaftlichen Produktion als der Bedingung von Erkenntnis abgeschoben. An sie wird bereits vor allen phänomenologischen Einzelanalysen vergessen: in der Methode, dem »Prinzip aller Prinzipien«, »daß jede originäre gebende Anschauung eine Rechtsquelle der Erkenntnis sei, daß alles, was sich uns in der ›Intuition‹ originär, (sozusagen in seiner leibhaftigen Wirklichkeit) darbietet, einfach hinzunehmen sei, als was es sich gibt, aber auch nur in den Schranken, in denen es sich da gibt.«[1] Diese für Husserls gesamte Philosophie verbindliche Norm basiert eben darauf, daß was immer in einer Anschauung sich darbietet, sei es bloße Empfindung oder strukturierte oder kategorial geformte Erscheinung, vom Bewußtsein gelassen betrachtet werden könne, ohne daß das Betrachtete durch den Akt der Betrachtung sich änderte, und ohne Rücksicht auf die innere Zusammensetzung dessen, was da »erscheint«. Die naiv-realistische Erfahrung, daß das Ding identisch bleibt, auch wenn das Subjekt davon wegsieht, wird auf den erst der kritischen Reflexion sich verdankenden Begriff der Gegebenheit übertragen. Diese tritt die Erbschaft des vorkritischen Substrats an, ohne daß erhellt würde, was durch die Wendung auf Bewußtseinsimmanenz sich modifizierte: daß der Gegebenheit in ihr nicht länger jene »Objektivität« zukommt, mit der die unreflektierte Erfahrung rechnet. Das ist der Preis, den das Subjekt für die Cartesianische Zweifellosigkeit der Bewußtseinstatsachen entrichten muß. Gleichwohl ist es genötigt, den Charakter undisputabler Objektivität wiederum auf seine eigenen Gegebenheiten zu übertragen, um die immanenzphilosophischen Bestimmungen überhaupt an einem irgend Seienden anheften zu können. Die Verdinglichung der Gegebenheit ist so notwendig wie unhaltbar. Nur indem das Bewußtsein, auf das reduziert wird, in einem seiner Momente sich selbst verkennt und dies Moment sowohl als bewußtseinseigenes festhält wie als schlechthin Daseiendes sich gegenüberstellt, läßt sich so etwas wie Gegenständlichkeit aus bloßem Bewußtsein überhaupt hervorspinnen. Der idealistische Versuch, das kritisch zerfällte Ding aus dem Zusammenspiel von sinnlichem Material und kategorialer Form wieder zusammenzuaddieren, macht sich einer petitio principii schuldig; was als Ding konstruiert werden soll, wird unbemerkt bereits in die Konzeption dessen hineingetragen, woran dem Ansatz zufolge die Mechanismen der kategorialen Konstitution des Gegenstandes erst sich zu betätigen hätten. Was der Kantischen Vernunftkritik noch chaotische Mannigfaltigkeit heißt, wird von Husserl vollends nach dem Muster des schon Konstituierten interpretiert, um die Objektivität der subjektiven Konstitution desto plausibler dartun zu können. In seiner Supposition dessen, »als was« ein Gegenstand sich dem Subjekt gibt, spiegelt das Subjekt sich selbst zurück, denn eben diese quidditas wäre das, wodurch nach den Spielregeln von Bewußtseinsanalyse Denken das Unqualifizierte überhaupt erst bestimmt. Durch solchen Widerspruch wird eingeräumt, daß es die Bestimmung des »Was« als wahres Urteil gar nicht zu vollziehen vermöchte, wenn ihr nicht in dem letzten Substrat etwas entspräche. So wohnt dem Dogmatismus, welcher das Gegebene gar nicht so radikal reduziert, wie das Programm es will, sondern ihm das »Als was« als sein »An sich« beläßt, zugleich ein Wahres inne; Ausdruck der Undurchführbarkeit der idealistischen Konstruktion, sobald sie die volle Konsequenz erreichte. Phantasmagorisch, als Spiegelung erscheint in der transzendentalen Phänomenologie das nicht Subjekteigene, während sie doch gerade in der Spiegelung des »als solches sich Gebenden« aus der Phantasmagorie auszubrechen wähnt, treu der Benjaminschen Definition des Jugendstils als des Traums, in dem der Träumende zu erwachen träumt22. Darin sind Husserls Wesenslehre und die erkenntnistheoretische Parole »Zu den Sachen« eines Sinnes. Was nicht in der Bewußtseinsanalyse sich erschöpft, wird von dieser angesaugt und dann in deren eigenem Herrschaftsbereich so präsentiert, als wäre es Sein schlechthin. Das Subjekt erhöht sich selber, indem es seinem Produkt absolute Autorität zuspricht. Was als Überwindung des Idealismus sich gebärdet, treibt, wie im Hohn auf die Versöhnung von Subjekt und Objekt, einzig die Verfügungsgewalt herrschaftlichen Denkens bis in die Irrationalität: Denken verliert das kritische Recht übers Gedachte.

Der immanente Nachweis der Vermitteltheit des unmittelbar Gegebenen in sich selber überführt dessen Begriff eines Widerspruchs. Der aber erklärt sich eben damit, daß jener Begriff, der dingliches Dasein als Zusammenhang von Gegebenem fundieren soll, selber Produkt von Verdinglichung ist. Die Komposition des Objekts aus »Elementen« der Erkenntnis und ihrer Einheit supponiert das Abzuleitende. Termini wie Stoff, Materie, bei Husserl »ylh« der Erkenntnis, wie sie in aller Immanenzphilosophie das Gegebene benennen, erinnern nicht zufällig an jenen vom transzendenten Ding abgezogenen Charakter des Festen, an sich Seienden. Das Gegebene als ein von der Spontaneität des Bewußtseins Unabhängiges läßt einzig durch Redeweisen aus der Dingwelt sich charakterisieren. Die Nötigung dazu ist mehr als bloß verbal. Kommt doch gerade, was das Ich als sein Sicherstes und gleichwohl von ihm Getrenntes haben soll, dem Besitzbaren, zugleich Starren und Disponibeln am nächsten; die Umgrenztheit des Gegebenen, die von der Elementaranalyse unterstellt wird, ist die der Dinge als Eigentum, letztlich wohl deriviert von Besitztiteln. Dem entspricht, daß die Immanenzphilosophie sich von Anbeginn nicht etwa zur Aufgabe setzte, die Dingwelt im Ernst aufzulösen, ihre Existenz zu bestreiten, sondern sie »kritisch«, also durch die Evidenz der Selbstgewißheit hindurch, zu rekonstruieren. Damit ist sie vorweg aufs Ding als terminus ad quem vereidigt. Sie muß durch Reflexion die vorkritische Erfahrungswelt als eine von Dingen rechtfertigen. Die formalen Konstituentien aber, die Grundsätze der reinen Vernunft reichen dazu nicht aus. Sie bleiben uneigentlich, selbst bei Kant ein bloßes Begriffsnetz, welches dem Seienden übergeworfen ist und eines Materials der Erfahrung jeweils bedarf. Jene undisputable Sekurität, in der gerade erst die szientifische Rechtfertigung der Dingwelt sich bewähren würde, liefern sie nicht. Deshalb wird die Sekurität, mit zweiter, fetischistischer Dogmatik, in jenes Material verlegt, das durch die Abspaltung von der kategorialen Form zu einem ganz Unbestimmten, Abstrakten gemacht worden war. Seine Abstraktheit ist das Refugium, in dem das vom Ding sich verschanzt, was aus reiner Subjektivität sich nicht erzeugen läßt. Das Allersubjektivste, das dem Subjekt scheinbar ohne jegliche Zwischeninstanz unmittelbar Gegebene, ist zugleich das Residuum des Dinges als das dem Subjekt Allerfremdeste, worüber es keine Gewalt hat. Ohne das Modell des Dinges, das da von subjektiver Willkür unabhängig sein soll, würde das kategorienfreie Ansichsein des Gegebenen überhaupt nicht plausibel. Wie einmal das Ding, ist das Gegebene das, »worauf Denken sich bezieht«. Es soll inhaltlich sein, »da«, und zugleich immanent; seine Inhaltlichkeit, dem Bewußtsein gegenüber zufällig, ist aber seiner Immanenz, seinem bewußtseinseigenen Wesen inkompatibel, während doch Erkenntnistheorie, um nicht gegen ihr Prinzip zu freveln, sich auf die Immanenz des Gegebenen versteifen muß; die Konstruktion der Bewußtseinsimmanenz selber kann eines Begriffs von Gegebenem nicht entraten, um irgend inhaltlicher Aussagen, »synthetischer Urteile«, fähig zu sein. Das gesamte Schema von Form und Inhalt seit Kant läßt sich nur durchhalten, wofern vom Inhalt jenes Ansichsein prädiziert wird, das seinerseits von der Vernunftkritik attackiert war. Eben dieses Ansichsein nun kommt dem Gegebenen nicht zu; Bewußtsein, das es zu haben behauptet, weiß von ihm bloß vermittelt durch Bewußtsein; das haben die nachkantischen Idealisten durchschaut. Und selbst die Substitution des Gegebenen fürs Ansichsein des Dinges hilft der Erkenntnistheorie nicht aus der Not. Jene Abstraktheit des Gegebenen als des reduzierten Rests der vollen Erfahrung, die es dem undurchdringlichen Substrat anähnelt, beraubt es zugleich dessen, was es verbürgen soll, nachdem es einmal durch die Spaltung der Erkenntnis nach Form und Inhalt verlorenging: der Dignität des absolut Seienden. An seiner Abstraktheit wird das Gegebene als Resultat von Abstraktion kenntlich, als selbst erst Produziertes. Vergebens die Jagd nach Gegebenem als phänomenologischem Tatbestand. Selbst unter der Annahme bloßer Vorfindlichkeit sieht die Analyse stets wieder Strukturen sich gegenüber, die solche Gegebenheit transzendieren. Daher Husserls Tendenz, die übliche immanenzphilosophische Hierarchie umzustürzen und auf der Intentionalität anstatt der bloßen Empfindung aufzubauen. Seit den Prolegomena war er irre geworden an der Selbstverständlichkeit des Unverständlichen, der Fakten, und damit am Elementaren auch des Bewußtseins von Gegenständen, dem unmittelbar Gegebenen. Er hat deswegen später schüchtern versucht, den »Bewußtseinsstrom« als unendliches »Kontinuum« zu denken23, das doch nicht wohl aus Elementarklassen von »Vorstellungen« komponiert sein könnte. Aber selbst in ihm soll »jedes einzelne Erlebnis ... wie anfangen, so enden und damit seine Dauer abschließen«24. Die traditionelle Erkenntnistheorie der »Erlebnisse« wird nicht liquidiert, sondern lediglich ihre Ordnung umgestülpt. Lieber als mit Gegebenheit die Illusion des dinghaft Festen zu opfern, die jene bereitet, reklamiert er die Attribute des Tragenden, Ersten für das nach der Sprache der Erkenntnistheorie Produzierte, Höhere. Wohl kennt auch die Hegelsche Phänomenologie Unmittelbarkeit auf immer höheren Stufen des Bewußtseins, der Vermittlung. Aber auf den Prozeß, der sie zeitigt, wird von Husserl nicht reflektiert. Verblendung gegen die Produktion verführt ihn, das Produkt für gegeben zu halten. Noch die Sphäre äußerster Abstraktion wird bewußtlos von der Gesamttendenz einer Gesellschaft beherrscht, die, weil sie von ihrer eigenen Dynamik nichts Gutes mehr erwartet, ihre je existenten verdinglichten Formen als endgültig, als Kategorien hypostasieren muß. Bei Husserl schon kündet, in den innersten Zellen der Erkenntnistheorie, jene Fetischsierung des nun einmal Seienden sich an, die in der Ära der Überproduktion bei gleichzeitiger Fesselung der Produktivkräfte sich übers totale gesellschaftliche Bewußtsein ausbreitet. Auch in diesem Sinn sind Husserls Wesenheiten »zweite Natur«.

Der Begriff der Gegebenheit hat jedoch, als ontisches Residuum inmitten des Idealismus, nicht bloß die Dingwelt zum Modell seiner Struktur, sondern setzt sie, die er zu begründen prätendiert, im striktesten Sinne bereits voraus. Gegebenheit erfordert ihrem eigenen Begriff nach ein Subjekt, auf das sie sich bezieht. Man kann von keinem Gegebenen schlechthin reden, sondern nur von dem, was »einem« gegeben ist oder, wie es der Sprache der Erkenntnistheorie gefällt, »mir«. Die idealistischen und positivistischen Immanenzphilosophen differierten vorab darin, daß jene die Notwendigkeit betonten, das Subjekt zu bestimmen, dem etwas gegeben sein muß, wenn anders der Ausdruck Gegebenheit nicht an Willkür alle Metaphysik überbieten solle, gegen die er ersonnen war. Auch die Suche nach dem Subjekt von Gegebenheit jedoch führt auf eine Antinomie. Offensichtlich darf es nicht das raumzeitliche, empirische, das je bereits konstituierte Subjekt sein; sonst wäre die notwendige Bedingung, unter welcher der Begriff der Gegebenheit steht, eben das, was im Gefolge der gesamten Tradition seit Hume und Kant erst als Zusammenhang von Gegebenem sich auszuweisen hatte. Einem »reinen«, transzendentalen Subjekt dagegen kann nicht wohl etwas gegeben sein. Denn es ist eine Denkbestimmung, ein Abstraktionsprodukt, das mit Unmittelbarem ohne weiteres gar nicht auf einen Nenner zu bringen ist, gar kein konkretes Ich, das einen konkreten Bewußtseinsinhalt hätte. Vom Gegebenen wäre das transzendentale Subjekt selbst durch die ontologische Differenz getrennt, die in seiner Konstruktion verschwinden soll. Sinnliches ist nicht unmittelbar für Unsinnliches da, sondern nur durch den Begriff, der die Sinnlichkeit nicht »ist«, sondern sie meint und damit aufhebt. Darum wohl hat Kant in der transzendentalen Ästhetik eine Schicht der konstitutiven Subjektivität behauptet, die reine Form der Sinnlichkeit sei, frei von aller empirischen Beimischung, aber auch von jeglicher denkenden Zutat des Subjekts. Die Dichotomie von Form und Materie bereitet unüberwindliche Schwierigkeiten in der Konzeption der »reinen Anschauung«, die da zur Form geschlagen wird, ohne daß irgendein Inhalt unabhängig von ihr zu isolieren ist. Auch keiner »reinen« Anschauungen wäre das ganz formale, transzendentale Subjekt, der bloße Inbegriff der Bedingungen möglicher Erfahrung, fähig. Kein von allem Empirischen emanzipiertes Subjekt kann überhaupt Form für Gegebenes, keinem – schon das »ihm« ist problematisch – kann etwas gegeben sein, keines kann woher auch immer einen solchen Inhalt empfangen. Kants abgründige Bemerkung über die Ungleichartigkeit reiner Verstandesbegriffe und sinnlicher Anschauungen[2] zeigt das Bewußtsein davon, unbestochen durch die Lockung der Konsistenz des eigenen Systems. Erkenntnis vermag ihr mimetisches Moment niemals ohne Rest auszutreiben, die Anähnelung des Subjekts an die Natur, die es beherrschen will und aus der Erkenntnis selber entsprang. Die Ähnlichkeit, »Gleichheit« von Subjekt und Objekt, auf die Kant stieß, ist das Wahrheitsmoment dessen, was die Bilder- und Zeichentheorie in verkehrter Form, der von Verdopplung ausspricht. Daß die Erkenntnis oder die Wahrheit ein Bild ihres Gegenstandes sei, ist der Ersatz und Trost dafür, daß das Ähnliche vom Ähnlichen unwiederbringlich weggerissen ward. Der Bildcharakter der Erkenntnis verdeckt, als falscher Schein, daß Subjekt und Objekt nicht mehr sich ähneln – und das heißt nichts anderes, als daß sie einander entfremdet sind. Nur im Verzicht auf jeden solchen Schein, in der Idee bilderloser Wahrheit, ist die verlorene Mimesis aufgehoben, nicht in der Bewahrung ihrer Rudimente. Jene Idee lebt in Husserls Sehnsucht nach den »Sachen selbst«. Es wäre die »von der Kraft des Namens, ... bildlos, Zuflucht aller Bilder«25. Erkenntnistheorie aber, welche die Vereinung des Entzweiten vom Subjekt her stiften will, ist auf fixierte Begriffe wie Form und Inhalt als auf ihre Elemente angewiesen. Darum muß sie ein tertium comparationis suchen, das jene zusammenzubringen ermöglicht. Sinnlich Gegebenes, die ylh, die selbst Husserl zufolge aller Erkenntnis, sei es auch erst durch »Erfüllung«, ihren Inhalt verleiht, verlangt nach ihresgleichen, um überhaupt da sein zu können. Was rein wäre von aller Sinnlichkeit, dem fiele Sinnliches nicht zu, ein wie immer auch abstraktiv dem raumzeitlichen Kontinuum enthobenes Subjekt hätte keine Anschauungen. Der Bannfluch über den »Naturalismus« erspart der Erkenntnistheorie nicht, bei der Analyse des Gegebenen auf den sinnlichen Apparat, die Sinnesorgane zu rekurrieren. Sie aber sind nach den Spielregeln der Erkenntnistheorie ein Stück Dingwelt, und darum verfängt die Erkenntnistheorie sich im ysteron proteron. Das eingeschliffene Gebot, die Sinnesorgane ebenso wie die individuelle Person, die sie trägt, seien von der Konstitutionsanalyse auszuschließen, ist einzig ein Stück apologetischer Strategie. Phänomenologsich gesprochen, gehörte »mit den Augen« zum Sinn von Sehen und wäre nicht erst kausale Reflexion und theoretisierende Erklärung[3]. Sehen wäre ohne Auge, Hören ohne Ohr überhaupt nicht zu fassen. Die metabasis eis allo genos, das Gegebene, den primären Erkenntnisstoff nachträglich aus den Sinnesorganen als dem daraus selbst Konstituierten abzuleiten, ist kein korrigibler Denkfehler: ihre Unvermeidlichkeit überführt den immanenzphilosophischen Ansatz der eigenen Falschheit. Sinnliche Phänomene sind überhaupt nur den »Sinnen« kommensurabel und unabhängig von ihnen nicht aufweisbar, nicht »da«. Die deiktische Methode, die im Gegensatz zur definitorischen das sinnlich Gegebene ergreifen will, muß ausdrücklich oder unausdrücklich an die Sinnesorgane appellieren, um irgend zu »zeigen«, was Sinnliches und was Sinnlichkeit sei. Das »mir«, nach dem die Gegebenheit notwendig verlangt, ist das Subjekt als ein sinnlich Bestimmtes, eines das sehen und hören kann, und eben das ist einem transzendentalen oder reinen Subjekt versagt. Die statische Gegenüberstellung von Constituens und Constitutum langt nicht zu. Hat die Erkenntnistheorie herausgearbeitet, daß das Constitutum des Constituens bedarf, so muß umgekehrt die Analyse, wofern sie sich nicht die eigene Idealität ebenso naiv vorgibt wie der naive Realismus die Realität, die für konstitutiv geltenden Tatsachen des Bewußtseins dem eigenen Gehalt, ja der eigenen Möglichkeit nach auf das beziehen, was der herkömmlichen Erkenntnistheorie zufolge erst konstituiert ist. Die Ahnung davon lebt in Husserls Insistenz auf Noesis und Noema; sie bleibt ohnmächtig, weil er den Tabus der Erkenntnistheorie sich beugt, die sein tiefster Impuls durchbrechen möchte.

Die Kantische transzendentale Ästhetik findet mit dem quid pro quo von Constituens und Constitutum sich ab, indem sie die Sinnlichkeit entsinnlicht. Ihre reine Anschauung ist nicht mehr anschaulich. Die Verwiesenheit des Gegebenen auf ein je schon Konstituiertes schlägt in der Kantischen Terminologie sich nieder, in Redeweisen wie eben jener immer wiederkehrenden, daß »uns« Gegenstände gegeben seien26. An ihrem Widerspruch zur Lehre vom Gegenstand als bloßer Erscheinung hat man seit Maimon sich gestoßen, anstatt des impliziten Zugeständnisses der Grenze der Apriorität an jenem Constitutum innezuwerden, dessen Konstitution der Apriorismus leisten soll. Aber im Zentrum des Kantischen Versöhnungsversuchs wohnt eine Paradoxie, zu welcher der unauflösliche Widerspruch sich zusammengezogen hat. Er wird sprachlich indiziert von der Nomenklatur »reine Anschauung« für Raum und Zeit. Anschauung als unmittelbare sinnliche Gewißheit, als die Gegebenheit unterm Aspekt des Subjekts, benennt einen Typus von Erfahrung, der, als eben ein solcher, überhaupt nicht »rein«, nicht von Erfahrung unabhängig sein kann; reine Anschauung wäre ein hölzernes Eisen, Erfahrung ohne Erfahrung. Wenig hülfe es, wenn man die reine Anschauung als laxe Redeweise für die von allem besonderen Inhalt gereinigten Formen der Anschauung interpretierte. Daß Kant vielmehr in der transzendentalen Ästhetik zwischen den Ausdrücken »Form der Anschauung« und »reine Anschauung« schwankt, bezeugt die Inkonsistenz der Sache. Er will verzweifelt, wie mit einem Schlag, Unmittelbarkeit und Apriorität auf den gemeinsamen Nenner bringen, während der Begriff der Form, als auf einen Inhalt verwiesen, selbst bereits eine Vermittlung, wenn man will ein Kategoriales darstellt. Die reine Anschauung, als unmittelbar und nicht begrifflich, wäre eben selbst sinnlich, »Erfahrung«; die reine, von der Beziehung auf jeglichen Inhalt gelöste Sinnlichkeit keine Anschauung mehr, sondern einzig »Gedanke«. Eine Form der Sinnlichkeit, die das Prädikat der Unmittelbarkeit verdiente, ohne doch selber Gegebenheit zu sein, ist absurd. Die Formen der Sinnlichkeit werden von Kant überhaupt nur darum den Kategorien, unter denen sie ja, wie jener moniert, bei Aristoteles ohne Differenzbestimmung eingeführt waren, so emphatisch gegenübergestellt, weil sonst die in diesen Formen angeblich vorhandene unmittelbare Gegebenheit gefährdet wäre: Kant müßte zugestehen, daß das »Material«, an dem die kategoriale Arbeit sich betätigen soll, selbst bereits vorgeformt sei. Raum und Zeit, so wie die transzendentale Ästhetik sie herauspräpariert, sind allen gegenteiligen Versicherungen zum Trotz Begriffe, nach Kantischer Redeweise Vorstellungen einer Vorstellung. Sie sind nicht anschaulich, sondern die obersten Allgemeinheiten, unter denen »Gegebenes« befaßt wird. Daß aber in der Tat von keinem Gegebenen unabhängig von diesen Begriffen die Rede sein kann, macht Gegebenheit selber zu einem Vermittelten. Soviel ist wahr an der Kantkritik des spekulativen Idealismus, welche den Gegensatz von Form und Inhalt verflüssigte. Keine Materie ist von den Formen abzusondern. Dennoch aber ist die Form einzig als Vermittlung der Materie. In solchem Widerspruch drückt Einsicht in die Nichtidentität, die Unmöglichkeit sich aus, in subjektiven Begriffen ohne Überschuß einzufangen, was nicht des Subjekts ist; schließlich das Scheitern von Erkenntnistheorie selber. Die gesamte Konzeption des Schematismuskapitels ist objektiv dadurch motiviert, daß Kant nachträglich des kategorialen Wesens dessen, was ihm Sinnlichkeit heißt, innewird. Dadurch, daß er, was als Rohmaterial der Erkenntnis am Anfang stand, durch eine »verborgene Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele«27 vorgeformt sein läßt, kann er die Gleichartigkeit von kategorialer Form und sinnlichem Inhalt statuieren, ohne welche die beiden »Stämme« der Erkenntnis schlechterdings nicht zusammenfänden. Die Lehre vom Schematismus widerruft unausdrücklich die transzendentale Ästhetik. Gälte diese in der Tat so, wie die Architektur des Systems es vorschreibt, dann wäre der Übergang zur transzendentalen Logik ein Wunder. Wird aber die reine Sinnlichkeit, in voller Konsequenz des Programms der Ästhetik, ihrer Materie enteignet, so reduziert sie sich auf ein selbst bloß Gedachtes, ein Stück transzendentaler Logik, und es wäre nicht zu verstehen, wieso Denken erst hinzuträte. Kant selbst, der den begrifflichen Charakter von Raum und Zeit bestreitet28, kommt doch nicht darüber hinweg, daß Raum und Zeit nicht vorgestellt werden können ohne Räumliches und Zeitliches. Insofern sind sie selber nicht anschaulich, nicht »sinnlich«. Diese Aporie erzwingt die kontradiktorischen Aussagen, daß einerseits Raum und Zeit »Anschauungen«29 seien, andererseits »Formen«.

 

Bei Husserl wie in der gesamten philosophischen Kunstsprache ist der Begriff der Gegebenheit äquivok. Er umfaßt gleichermaßen die sinnlichen Momente des Bewußtseinslebens wie diejenigen mit symbolischer Funktion, nach Husserlscher Terminologie die »Akte«. Diese Zweideutigkeit entspringt in dem Bedürfnis, das Gegebene wie den naturalistischen Begriffen so der spekulativen Willkür zu kontrastieren. Zugleich schlägt in ihr durch, daß das ens concretissimum der Erkenntnistheorie, die Eindrucksbestandteile oder »Empfindungen«, selber bereits Abstraktionen sind: nirgends kommen sie rein, unabhängig von den kategorialen Momenten vor und können nur gewaltsam, auf Kosten des Sachverhalts, der Gegebenheit als solcher, aus der Komplexion des Bewußtseins herausgerissen werden. Die Bewußtseinsanalyse vermag die Dialektik des Gegebenheitsbegriffs nicht durchaus zu umgehen. Sie klingt an in Husserlschen Formulierungen wie der, daß sich der Bewußtseinsstrom in der »Doppelheit und Einheit sensueller ylh und intentionaler morph«30 konstituiere. Der letzteren nun wird der Vorrang erteilt: es gleiche »die Intentionalität, abgesehen von ihren rätselvollen Formen und Stufen, auch einem universellen Medium ..., das schließlich alle Erlebnisse, auch die selbst nicht als intentionale charakterisiert sind, in sich trägt«31. Das Verhältnis ist also umgekehrt gegenüber der gesamten nominalistischen Tradition, jenem Typus der Bewußtseinszergliederung, der sich davon leiten ließ, daß die Vorstellungen etwas wie blasse Nachbilder der Empfindungen seien. Husserl hat damit die Erkenntnistheorie dem Platonischen Realismus der Logik und seiner Behauptung der Unabhängigkeit der Allgemeinbegriffe von der Abstraktion angepaßt: das stoffliche Moment ist ihm auch im Prozeß inhaltlicher Erkenntnis nicht eigentlich deren Substrat, sondern bloße Funktion des geistigen Moments, Akzidens. Zugleich aber verbietet ihm die positivistische Komposition des Bewußtseins aus Schichten oder Erlebnisklassen den in seiner eigenen These vom Vorrang der Intentionalität implizierten Gedanken der Vermittlung der Unmittelbarkeit. Statt dessen stellt er lediglich die statische Hierarchie der üblichen erkenntnistheoretischen Klassen auf den Kopf, ohne jene selbst anzutasten. Was dem Herkommen das erste war, die Empfindung, das Kantische »Material«, wird ihm zum letzten, einem vom Fortgang der Erkenntnis herbeizitierten telos, der endlichen »Erfüllung« der Intention32. Das eigentlich unmittelbare, stoffliche Moment an der komplexen Wahrnehmung erscheint Husserl, dem ja die Wahrnehmung unmittelbares Wissen von ihrem Gegenstand ist, als ein nachträglich erst Hinzutretendes. Das Verlangen nach der »Verifizierung« eines Wahrnehmungsaktes – der als solcher dem Irrtum unterliegt – durch die Bestätigung der der Wahrnehmung innewohnenden Erwartungen, führt dazu, daß die Probe auf die Erkenntnis mit deren Motivation verwechselt wird. Nachdem der Primat der Intentionalität tendenziell den Empfindungsbegriff weggeräumt hat, soll Erfüllung der Intention den verlorenen Stoff wieder hinzufügen. Das Ungereimte daran ist, daß Wahrnehmung zwar, als Bewußtsein von etwas, zu den intentionalen Akten rechnet, aber dabei eines neuen Moments, eben der Erfüllung, bedarf, die doch nach Husserls Theorie von nichts anderem geleistet werden kann als von Wahrnehmung selber. Diesem paradoxalen Erfüllungsbegriff mißt Husserl Schlüsselcharakter zu: er definiert Evidenz als Erfüllung, und sie gilt ihm als Kriterium der Wahrheit: »Der Begriff Bestätigung bezieht sich ausschließlich auf setzende Akte im Verhältnis zu ihrer setzenden Erfüllung und letztlich zu ihrer Erfüllung durch Wahrnehmungen. Diesem besonders ausgezeichneten Falle widmen wir eine nähere Überlegung. In ihm liefert das Ideal der Adäquation die Evidenz. Im laxeren Sinne sprechen wir von Evidenz, wo immer eine setzende Intention (zumal eine Behauptung) ihre Bestätigung durch eine korrespondierende und vollangepaßte Wahrnehmung, sei es auch eine passende Synthesis zusammenhängender Einzelwahrnehmungen, findet.«[4] Wahrnehmung, als »setzende Intention«, soll demnach buchstäblich erfüllt, bestätigt, evident werden durch Wahrnehmung, die äquivok in ihre zweite, hyletische Bedeutung hinüberspielt, während Husserl den Empfindungsbegriff ängstlich vermeidet. Aus der Bagatellisierung des hyletischen Moments als bloßer »Bestätigung« der Wahrnehmung zieht die phänomenologische Doktrin entscheidenden Gewinn mit Hinblick auf ihr durchgängiges Bemühen, das heterogene Moment, an dem der eidetische Apriorismus seine Grenze hätte, verschwinden zu lassen. Weil es eine Wesensgesetzlichkeit des Meinens sei, Erfüllung zu erheischen, wird diese selbst ins Reich der Wesen versetzt und die Faktizität, das nicht »Reine«, der Vernunft nicht Durchsichtige dort, wo es den hartnäckigsten Widerstand leistet, bei der Begründung gegenständlicher Wirklichkeit, in ein von Vernunft Vorgezeichnetes, schließlich eine bloße Vernunftbestimmung verflüchtigt. Ist aus der ylh der Erkenntnis einmal deren bloße »Erfüllung« geworden, so stellt die ylh doppelt leicht sich selber dar als Bestandstück kategorialer Apparatur, als Mechanismus fortschreitender Anpassung des Bewußtseins an ein Etwas, das eben durch diese Behandlung weganalysiert ist. Die Erfüllungstheorie erweist sich vollends als zirkelschlüssig dadurch, daß die Erfüllung vom »Gegenstand« erwartet wird, den die Wahrnehmung gäbe oder als ein Gegenwärtiges präsentiere33. Ist doch das der Wahrnehmung Gegenwärtige nach Husserls Theorie eben wiederum nicht bloße ylh, sondern ein selber bereits »Kategorisiertes«, nämlich nur durch die Intention Gemeintes. Die Erfüllung der Wahrnehmung als einer Intention würde vom Sinn dieser Intention und nicht von der Empfindung vollbracht. Das phänomenologische Bewußtsein stößt auf der Suche nach dem Was, auf das es sich bezieht, immer wieder nur auf sich selbst. Wo Husserl versucht, der Unendlichkeit der ineinander fundierten Intentionen Einhalt zu gebieten, verfängt er sich im Spiegelsystem der Intentionen, und die Sisyphusanstrengung, von der Intention her den Stoff zu bestimmen, wird auch noch zur weiteren Handhabe für die Verleugnung der ontologischen Differenz. Husserls Erkenntnistheorie vereint eine an den »Sachen« – hier dem Fortschritt untriftigen Meinens zur Evidenz – orientierte Bewußtseinsanalyse mit der Verabsolutierung des Geistes. Jenes Nichtidentische, mit dessen Bearbeitung dem älteren Idealismus und Positivismus zufolge Erkenntnis anhebt, wird an deren äußersten Rand verwiesen wie die Wilden in der süffisanten Zivilisation des Imperialismus; damit aber auch das kritische Motiv, die Entscheidung über Dasein, aus der Erkenntnistheorie verscheucht. Sie beruhigt sich dabei, daß der Begriff der Erfüllung selbst von der Wesensstruktur des Bewußtseins, geistig also, erheischt sei, und entzieht sich dem, was sie, über diese Struktur hinaus, als Faktisches, Nichtgeistiges beibringt; dem was sie, Kantisch gesprochen, dem bloßen Begriff hinzufügt. Damit aber der eigentlichen Rechtsfrage von Erkenntnis. Philosophie ersetzt ihren Anspruch, über Richtigkeit und Falschheit inhaltlicher Urteile zu befinden, durch einen Aufriß der apophantischen Formen, in dem auch die »Erfüllung« ihr bescheidenes Plätzchen findet. Der Vorrang der Intentionalität zerstört, bei immerwährender Beteuerung konkreter Fülle, die Beziehung der Philosophie aufs Wirkliche und erlaubt eine risikolose, aber unverbindliche Phänomenologie von allem und jedem, gar nicht so unähnlich dem Relativismus, dem die »Prolegomena« den Garaus machen sollten.

Unterm Primat der Intentionalität verschwimmt deren Differenz vom nicht Intentionalen. Gewiß durchdringen sich beide Momente in Wahrheit. Husserl will dem im zweiten Band der Logischen Untersuchungen gerecht werden durch den Begriff der Beseelung der Empfindungskomplexion: »Die Empfindungen werden offenbar nur in der psychologischen Reflexion zu Vorstellungsobjekten, während sie im naiven anschaulichen Vorstellen zwar Komponenten des Vorstellungserlebnisses sind (Teile seines deskriptiven Inhaltes), keineswegs aber dessen Gegenstände. Die Wahrnehmungsvorstellung kommt dadurch zustande, daß die erlebte Empfindungskomplexion von einem gewissen Aktcharakter, einem gewissen Auffassen, Meinen beseelt ist; und indem sie es ist, erscheint der wahrgenommene Gegenstand, während sie selbst so wenig erscheint wie der Akt, in dem sich der wahrgenommene Gegenstand als solcher konstituiert.«34 Wenn andererseits jedoch, im Anschluß daran, vom »Inhalt der Empfindung« die Rede ist, so stiftet die phänomenologische Schmiegsamkeit bei gleichzeitiger Konservierung der traditionellen Begriffe folgenreiche Verwirrung. Der Empfindungsbegriff wird nichtig, sobald die Empfindung einen Inhalt haben, also in irgendeinem Sinn etwas »meinen« soll, während sie doch eben als ylh, als absoluter Inhalt definiert ist. Husserls Intentionalitätsbegriff ist total, aber die Differenz von Empfindung und Intentionalität wird als solche von ihm nicht kritisiert, und das belastet seine Konzeption des Stoffmoments aufs schwerste. Es resultiert ein quid pro quo von Empfindung und Wahrnehmung, dank dessen die vom sinnlichen Eindruck erborgte unmittelbare Gewißheit sich mit der in Husserls Konzeption von der Intentionalität supponierten Gegenständlichkeit verbindet. Während bei Husserl die Empfindung, den »funktionalen Problemen« eingeordnet und als »Erfüllung« von der Intention abhängig gemacht, in Wahrnehmung, ins »Geben« eines Gegenständlichen übergeht, geht umgekehrt die Wahrnehmung im Namen schlichter sinnlicher Gegenwart in Empfindung über. Um nur ja nicht der Vermögenspsychologie des achtzehnten Jahrhunderts, der »Mythologie der Tätigkeiten« zu verfallen, gehorcht er dem kaum weniger mythischen Gebot, starr auf »Sachverhalte« zu blicken, wo deren Begriff inadäquat ist. Solcher Blick verhext alles Werden in Sein: die Wahrnehmung, die ihm selber doch als Akt gilt, ins gleichsam passive Haben des Objekts als eines fertigen vis à vis des Bewußtseins. »Der Gedanke der Betätigung muß schlechterdings ausgeschlossen bleiben«35 – auch wenn, wie bei allem Denken, Spontaneität, ein Tun des Subjekts selber zum phänomenologischen »Sachverhalt« gehört. Der Reinigung des phänomenologisch »Beobachteten« von Tätigkeit zuliebe wird die Wahrnehmung in die Passivität absoluter Unmittelbarkeit verschoben, gleichsam in Empfindung zurückübersetzt, während ihr doch zugleich mehr an Erkenntnisleistung zugemutet wird als der Empfindung. Wenn indessen die Intention, wie Husserl es will, etwas »selbst« meint36, so wird dadurch gleichwohl dies Selbst nicht zu einem Unmittelbaren wie die Empfindung: das hieße Symbolisiertes und Symbol verwechseln. Dessen aber macht Husserls Wahrnehmungstheorie sich schuldig. Er behauptet jenes »Selbst«, das in der Wahrnehmung gemeint ist, als ein schlechthin Letztes, Unmittelbares, während der Ausdruck »selbst« zunächst nur die logische Identität anzeigt; daß also etwa ein Akt, der auf ein »Selbst« geht, damit nicht als seine Bedeutung die Synthesen ausdrückt, die dies Selbst stiften; – ohne daß doch dadurch etwas darüber präjudiziert wäre, ob dies »Selbst« primäre Tatsache des Bewußtseins oder ein erst Gestiftetes sei. »Die Wahrnehmung«, sagt Husserl, »indem sie den Gegenstand ›selbst‹ zu geben prätendiert, prätendiert damit eigentlich, überhaupt keine bloße Intention zu sein, vielmehr ein Akt, der anderen Erfüllung bieten mag, aber selbst keiner Erfüllung mehr bedarf.«37 Das wäre die Negation ihres Aktcharakters; sie wäre buchstäblich unmittelbares Wissen. Dabei könnte der elementare Fall der Dingwahrnehmung darüber belehren, daß diese, um Erkenntnis zu sein, ebensogut der »Erfüllung« bedürfte wie andere, »höhere« Akte; nimmt man in deutschen Städten nach dem zweiten Krieg ein Haus in strikt frontaler Perspektive wahr, so muß man oft genug zur Seite treten, um zu wissen, ob man wirklich ein Haus sieht oder bloß die intakte Mauer eines eingestürzten. Eine solche Möglichkeit wird von Husserl nicht berücksichtigt. Noch in den »Ideen« bleibt Dingwahrnehmung, Bewußtsein eines Vermittelten, »originär«, also unvermittelt: »Umgekehrt werden wir von jedem Erlebnis aus, das schon als solche Modifikation charakterisiert, und dann immer in sich selbst als das charakterisiert ist, zurückgeführt auf gewisse Urerlebnisse, auf ›Impressionen‹, die die absolut originären Erlebnisse im phänomenologischen Sinn darstellen. So sind Dingwahrnehmungen originäre Erlebnisse in Relation zu allen Erinnerungen, Phantasievergegenwärtigungen usw. Sie sind so originär, wie konkrete Erlebnisse es überhaupt sein können. Denn genau betrachtet haben sie in ihrer Konkretion nur eine, aber auch immerfort eine kontinuierlich fließende absolut originäre Phase, das Moment des lebendigen Jetzt.«38 Durch das »So sind« werden hier die Dingwahrnehmungen unter die »Impressionen« eingereiht und damit die Distinktion von Empfindung und Wahrnehmung weggewischt. Die Konsequenz einer scheinbar so geringfügigen Wendung kann kaum überschätzt werden. Denn das Phantasma unmittelbaren Wissens von Vermitteltem, das von ihr erzeugt ward, blieb die wie immer auch unausdrückliche Bedingung aller späteren Restauration einer Seinsmetaphysik, die von Kritik sich dispensiert hält. Kritik heißt nichts anderes als die Konfrontation des Urteils mit den Vermittlungen, die ihm selbst innewohnen.

Nach der Kantischen Terminologie ist Wahrnehmung »das empirische Bewußtsein, d.i. ein solches, in welchem zugleich Empfindung ist«39. Dem entsprach noch Husserls Definition aus der ersten Logischen Untersuchung des zweiten Bandes, es bestünde »der wesentliche Charakter der Wahrnehmung in dem anschaulichen Vermeinen, ein Ding oder einen Vorgang als einen selbst gegenwärtigen zu erfassen«40. Wie Kant kontrastiert Husserl Wahrnehmung der Empfindung, die doch in gewisser Weise in jener »enthalten« sein soll. Dann aber wird der Gegensatz der Wahrnehmung als intentionalen Akts – also unmittelbaren Wissens – zur Unmittelbarkeit der Empfindung immer mehr vernachlässigt. Der sechsten Logischen Untersuchung zufolge »ist der Erkenntnisakt im Erlebnis auf den Wahrnehmungsakt gegründet«41, und später: »Die Wahrnehmung, als Präsentation, faßt den darstellenden Inhalt so, daß mit und in ihm der Gegenstand als selbst gegeben erscheint.«42 Was aber soll »Selbstgegebenheit« besagen, wenn das Selbstgegebene, also Unmittelbare, nur »in und mit« einem Anderen, also mittelbar gegeben ist? So führt Husserls Wahrnehmungslehre auf eine flagrante Antinomie. Trotz der reinen »Selbstdarstellung«, also unmittelbaren Gegebenheit des Gegenstandes soll dieser vom »Akt« verschieden, durch ihn gemeint, vermittelt sein, und das wäre möglich nur, wenn der Gegenstand an sich vor aller kritischen Analyse gesetzt wäre. Je mehr »Intentionalität«, je mehr also dem reinen faktenfreien Denken der Vorrang über allen Stoff und alles Daseiende zuerteilt wird, desto mehr wird der subjektiv intendierte Gegenstand dem entfremdet, das da intendiert, denkt. In der sechsten Logischen Untersuchung macht Phänomenologie die eigene Verblendung zum Programm: Husserl will in der Analyse der Wahrnehmung die »kategorialen Formen ... mit Vorbedacht ignorieren«43. Wahrnehmung jedoch – nach dem historischen Sprachgebrauch stets auf Gegenständliches bezogen – läßt sich, ist einmal der naive Realismus verworfen, nur als denkende Leistung, Kantisch als »Apprehension in der Anschauung«, als Kategorisierung deuten; nach Abzug der kategorialen Formen bliebe die bloße ylh zurück. Der naive Realismus würde der Wahrnehmung den Charakter der Unmittelbarkeit, des Vorkategorialen retten, aber die Bewußtseinsimmanenz sprengen, auf deren Analyse der Gewißheitsanspruch der Erkenntnistheorie sich gründet. Die Insistenz auf dem kategorialen Anteil an der Wahrnehmung dafür bliebe zwar immanent und »kritisch«, opferte aber die Unmittelbarkeit und damit den Anspruch der Wahrnehmung, transzendentes Sein in reiner Immanenz ursprünglich, absolut zu begründen. Husserl jedoch möchte das eine haben und das andere nicht lassen. Darum trägt er die Antinomie theoretisch nicht aus und fällt ihr so erst recht zum Opfer. Weil er dem Phantom eines schlechthin Ersten nachjagt, ohne daß doch die Analyse des »reinen Bewußtseins« je darauf führte, muß er das dem eigenen Begriff nach Erste zum Zweiten machen und das Zweite zum Ersten. Der Aufbau seiner Erkenntnistheorie aber ist die unablässige Bemühung um die Korrektur jener Widersprüche durch Einführung von Hilfsbegriffen, die, erzeugt aus der Not der Logik, doch immer so auftreten müssen, als wären sie die Deskription von Sachverhalten: das schreibt der Phänomenologie jenes Grundgesetz vor, demzufolge sie stets wieder, vielleicht nach dem Modell der Mathematik, Gegenstände, Regionen, Begriffe erfindet, um sie dann mit dem Gestus des unbeteiligten Zuschauers oder ergriffenen Entdeckers zu beschreiben und zu analysieren.

In die Schwierigkeiten der Wahrnehmungstheorie gerät Husserl, weil er gleich den Nachfolgern Kants der ylh als eines bewußtseinsheterogenen Elements sich entschlagen möchte. Damit gewinnt von den Impulsen seiner Philosophie der idealistische die Oberhand. Aber zugleich meldet sich in der These von der Verflochtenheit der Wahrnehmung mit der Empfindung das Wissen an, daß auch die Empfindung nicht jenes absolut Erste beistellt, das seine Erkenntnistheorie sucht. Wohl markiert die Empfindung, unterste Stufe der herkömmlichen Hierarchie des Geistes wie des Husserlschen phänomenologisch reinen Bewußtseins, eine Schwelle. Unausrottbar aus ihr ist das materialistische Element; sie grenzt an physischen Schmerz und an Organlust; ein Stück Natur, das nicht auf Subjektivität sich reduzieren läßt. Aber durchs somatische Moment wird die Empfindung nicht zur reinen Unmittelbarkeit. Die Insistenz auf der Vermitteltheit eines jeglichen Unmittelbaren ist das Modell dialektischen Denkens schlechthin, auch des materialistischen, insofern es die gesellschaftliche Präformiertheit der kontingenten, individuellen Erfahrung bestimmt. An der bloßen Empfindung aber hat die Dialektik darum keinen materialistischen Boden, weil Empfindung trotz ihres somatischen Wesens gegenüber der vollen Realität durch die Reduktion auf subjektive Immanenz ganz verdünnt ist. Wäre es wahr, daß die materielle Realität einzig als Empfindung, »sinnliche Gewißheit« in das sogenannte »Bewußtsein« hineinragt, dann würde erst recht die Objektivität zur kategorialen Leistung des Subjekts, zur »Zutat« gemacht, auf Kosten des Begriffs einer dem einzelnen Subjekt vorgeordneten und es umgreifenden gesellschaftlichen Realität. Die Einsicht in das subjektiv Vermittelte der Empfindung dagegen führt darauf, daß das vermittelnde Ich seinerseits gar nicht als reines sondern nur als raumzeitliches und damit wiederum als Moment von Objektivität gedacht werden kann. Die Vermittlung der Empfindung im Subjekt ist alles eher als rein ontologisch; das Subjekt, ohne welches von Empfindung nicht die Rede sein kann, ist, damit es der Empfindung fähig sei, selber schon mundan. Sein eigener Begriff transzendiert die Sphäre der reinen Immanenz, in der der abstrakte Begriff der Empfindung gefangen bleibt. Es ist aber danach auch nicht umgekehrt die Dialektik ins Objekt aufzulösen: in diesem steckt, als Differenzbestimmung, Subjektivität, und die Frage nach dem Anteil beider ist nicht generell, invariant zu schlichten. Erst die Kritik der abstrakten Empfindung wie des abstrakten Ich denke und des Seins schlechthin schafft Raum für eine Bewegung des Begriffs, die so wenig durch die Thesis der Identität von Subjekt und Objekt wie die ihres starren Dualismus präjudiziert ist; – ohne daß doch darum der Umschlag aus dem Idealismus heraus automatisch, kraft dessen bloßer Konsequenz erfolgte. Weder kann das unmittelbare Moment der Empfindung von der Vermittlung isoliert werden, noch umgekehrt, wie bei den nachkantischen Idealisten, die Vermittlung vom Moment der Unmittelbarkeit. Nicht ist die Empfindung in »Geist« zu verflüchtigen – das wäre Spiritualismus und Ideologie – sondern dem Einhalt zu gebieten, daß Vermittlung und Unmittelbarkeit voneinandergerissen, das eine oder das andere verabsolutiert werde.

Die beiden gleichermaßen problematischen Begriffe Wahrnehmung und Empfindung gelten überhaupt nur innerhalb einer »Elementaranalyse«: wenn man also das Bewußtsein in Bestandteile zerlegt und die klassifikatorischen Schnitte als Unterschied der »Vermögen« Sinnlichkeit und Verstand naiv dem analysierten Bewußtsein an sich zuschreibt. Ist diese Denkgewohnheit einmal kritisiert, so lassen die bündigen Bestimmungen der beiden Begriffe sich nicht mehr verteidigen. Im realen Bewußtseinsleben findet sich keine bloße Empfindung losgelöst von der Wahrnehmung. Sie läßt sich von dieser nur kraft einer Theorie sondern, welche die Empfindung als Platzhalter des Dinges an sich statuiert. Andererseits ist aber auch die Einzelwahrnehmung nicht die Rechtsquelle der Erkenntnis. Der Fundamentalcharakter, den Erkenntnistheorie zu Unrecht der Empfindung zuteilt, wäre nicht nach Belieben auf die nächsthöhere Bewußtseinsstufe zu übertragen. Wahrnehmung, als Bewußtsein von je Gegenständlichem, als rudimentäres Urteil, ist ihrerseits der Enttäuschung ausgesetzt, nicht unwiderleglich da. So wenig Empfindung ohne Wahrnehmung statthat, so wenig diese – soll sie nicht ganz nichtig sein – ohne jene. Richtet man sich im Ernst nach der Erfahrung und nicht nach ihrem immanenzphilosophischen Surrogat, so begegnet man einer »Wahrnehmung als solcher« so wenig wie der Empfindung als solcher. Daß einer »dies Haus wahrnehme« und nichts anderes, ereignet sich nur in erkenntnistheoretischen Kollegien: die Läppischkeit von dergleichen Beispielen besagt etwas über die Unangemessenheit der Erkenntnistheorie an die Erkenntnis. Der Begriff der Wahrnehmung ist wohl insgesamt nur ein Auskunftsmittel, ersonnen, um die Forderung des Originären damit zu versöhnen, daß das Bewußtsein nicht aus den Teilmomenten komponiert ist, in welche die Erkenntnistheorie es zerfällen muß, wenn sie plausibel aus der Geschlossenheit des Immanenzzusammenhangs die Welt reproduzieren will. Das gelänge ihr nur, wenn sie im Bewußtsein alles das wie in einem Korb beisammen hätte, woraus die Welt sich bildet. Keine Immanenzphilosophie kann des Cartesianischen Vollständigkeitsaxioms aus dem Discours de la méthode44 entraten, und darum muß für alles in den Bewußtseinsformen vorgesorgt sein – schließlich sogar für das, was nicht selber Form ist. Vollständig aber ist nur Zählbares, der Inbegriff einzelner Teile. Erst Denken, das nicht mehr die Erkenntnis in Identität setzte mit ihrem Subjekt, könnte ohne die Vollständigkeit der subjektiven Bewußtseinsformen als des Kanons der Erkenntnis auskommen und müßte nicht mehr aus Teilen des Erkenntnisvorgangs die Erfahrung zusammenaddieren. Vorher ist alle Rede von der Ganzheit Phrase.

Die Not der Phänomenologie, daß die erkenntnistheoretische Klassifizierung der Bewußtseinstatsachen deskriptiv in der »Erfahrung des Bewußtseins« sich nicht bestätigt, hat Autoren wie Scheler bewogen, die Gestalttheorie aus der Wahrnehmungspsychologie in die Philosophie zu transponieren45, und die Gestalttheoretiker selbst, vor allem Köhler, haben ihn darin bestärkt. Die universale Priorität des Ganzen über seine Teile soll die Antinomien der klassifizierenden Bewußtseinsanalyse schlichten. Was immer jedoch die psychologischen Verdienste der Gestalttheorie sein mögen, erkenntnistheoretisch ist auch der Begriff der Gestalt aporetisch. Die Abstraktion, welche die Einteilung in sensations und reflections zeitigt, wird samt dem falschen Bewußtsein, das sie mit sich führt, diktiert von der Reduktion auf subjektive Immanenz. Ist einmal durch die theoretische Trennung von Subjekt und Objekt die gesellschaftliche Entfremdung durch den Geist ratifiziert, und muß das erkennende Subjekt verzweifelt sich abmühen, den zersprungenen Kosmos, nach Hamlets Wort, »wieder einzurenken«, so hat es zum »Material« kein Ganzes sondern bloß die Trümmer, welche die Spaltung hinterließ. An der Gestalt nun blitzt die Erinnerung auf, daß der Phänomenalismus trügt – daß die Welt nicht vom Subjekt aus Chaotischem geschaffen ward. Die Aufgabe indessen, aus »Tatsachen des Bewußtseins«, unter welche die Gestalten dann doch subsumiert werden, die Welt zusammenzuleimen, involviert selber bereits das Teilungsprinzip: alle Arbeit des Geistes betätigt sich an Elementen. Das ist die Wahrheit jener Aussage des späten Husserl, es sei, wenn man schon einmal »das Bewußtseinsleben aus Daten aufbaut, aus sozusagen fertigen Gegenständen«, gleichgültig, ob man diese Daten als »psychische Atome« denkt oder als »Akte«. Nichts anderes erhofft sich die Philosophie vom Sukkurs des Gestaltbegriffs, als die bereits vorweg abstrahierte Gegebenheit aus ihrer Isolierung zu erlösen und zu konkretisieren. Wenn aber die Gestalttheorie gegen Hume und die Assoziationspsychologie mit Recht einwendet, daß es voneinander isolierte, unstrukturierte, mehr oder minder chaotische »impressions« überhaupt nicht »gibt«, so dürfte dabei die Erkenntnistheorie nicht stehen bleiben. Denn es gibt ja insgesamt nicht die Daten, zu deren angemessener Beschreibung Erkenntnistheorie die Gestalttheorie zitiert. Lebendige Erfahrung kennt so wenig wie die ominöse Rotwahrnehmung die einer roten »Gestalt«: beides ist Produkt des Laboratoriums. Mit Grund hat man der Gestalttheorie vorgeworfen, daß sie im Datum der positivistischen Versuchsanordnung unmittelbar metaphysischen Sinn aufdecken wollte. Sie tritt als Wissenschaft auf, ohne den Preis der Entzauberung zu zahlen. Darum taugt sie zur ideologischen Vernebelung der gespaltenen Realität, die sie als ungespaltene, »heile« zu kennen behauptet, anstatt die Bedingungen der Spaltung zu nennen. Innerhalb der Erkenntnistheorie aber wird der Gestaltbegriff zur Fehlerquelle: er bewirkt, daß jene im Namen der Herrschaft des Ganzen über den Teil die Einsicht in die Wechselwirkung beider Momente, ihre Abhängigkeit voneinander versäumt. Sie muß das Gegebene als Elementares dem Ganzen unmittelbar gleichsetzen und gewährt darum der Vermittlung so wenig Raum wie die Phänomenologie. Der Begriff des Elementaren selber basiert bereits auf Teilung: das ist das Moment der Unwahrheit an der Gestalttheorie. Husserls eigene Stellung zu ihr schwankt denn auch. Atomistische Vorstellungen von der Komposition des Bewußtseins46 laufen neben gestalttheoretischen wie der Lehre von den »Hintergrundsanschauungen«47 oder von der relativen Unselbständigkeit aller Erlebnisse48 her. Der Vernunfttheoretiker Husserl begehrt gegen die irrationalistischen Implikate der Gestalttheorie auf, die ihm die Rezeption seiner eigenen Lehre zu kompromittieren schienen, während die Insistenz des Bewußtseinsanalytikers doch bei den übernommenen Erlebnisklassen der Mosaikpsychologie sich nicht bescheiden konnte.

 

Der notwendige Widerspruch zwischen einem positivistischen Begriff der Gegebenheit und einem idealistisch zum äußersten getriebenen des »reinen«, von aller empirischen Beimischung freien Seins erreicht seine Höhe in der Lehre von Noesis und Noema, und in deren Antinomien. Indem die Korrelation von Akt und Aktsinn zum Kanon der Analyse des Bewußtseins gemacht wird, findet der logisch-bedeutungstheoretisch konzipierte Begriff der Intentionalität seine Anwendung auf die traditionellen Konstitutionsfragen. Die noetisch-noematische Struktur soll, als Apriori des Bewußtseinszusammenhangs schlechthin, erklären, was früher der transzendentalen Synthesis, der ursprünglichen Tätigkeit des Geistes zugemessen wurde. Das Modell der Lehre ist im logischen Absolutismus aufzusuchen, demzufolge Denken als bloß erfassendes einem an sich seienden Sachverhalt, den logischen Grundsätzen gleichsam passiv »meinend« gegenübersteht. In all ihren Schichten legt Phänomenologie, um selber als Wissenschaft möglich zu sein, positive Wissenschaft und wissenschaftliche Methode als geltend zugrunde und will doch dies Fundamentale ihrerseits wieder begründen. Aus der Schlinge zieht sie sich, indem sie die ausdrückliche Entscheidung über den idealistischen oder nichtidealistischen Ansatz umgeht und hier die »Sachen«, dort die »Akte« als gleichberechtigte Momente aufeinander bezieht. Bei ihrer Korrelation, der Beschreibung ihrer statischen Zuordnung hält sie inne: den Idealismus ihres Verfahrens verschweigt sie. Wie aber die Spezies gegenüber dem Abstraktionsvorgang, so ist auch das Noema gegenüber der Noesis Verdinglichung, die sich selbst als ein An sich verkennt. Der »Einstrahligkeit«, in der, den Logischen Untersuchungen zufolge, der Akt der Spezies gewahr wird49, entspricht der »Blickstrahl«, mit dem in den »Ideen« das Konstitutum, der Kantische Gegenstand, als Gegenspieler der Intention eingeführt wird. Das Noema ist ein Zwitter subjektiver Immanenz und transzendenter Objektivität. Das indiziert am krassesten die Urteilstheorie der »Ideen«, in der die kritische Funktion, an der ein jegliches Bewußtsein von Realität haftet, das Existentialurteil, ausdrücklich zu einer »Gegebenheitsweise«, einem Aktkorrelat wird, das als solches hinzunehmen sei. Das aus den beurteilten Gegenständen »geformte Ganze, das gesamte geurteilte Was und zudem genauso genommen, mit der Charakterisierung, in der Gegebenheitsweise, in der es im Erlebnis ›Bewußtes‹ ist, bildet das volle noematische Korrelat, den (weitest verstandenen) ›Sinn‹ des Urteilserlebnisses. Prägnanter gesprochen, ist es der ›Sinn im Wie seiner Gegebenheitsweise‹, soweit diese an ihm als Charakter vorfindlich ist.«50 Wie in der Lehre von der idealen Einheit der Spezies die Abstraktion, so ist hier der Vollzug des Existentialurteils, der motivierende Prozeß gegenständlichen Bewußtseins zu einem bloßen Resultat eingeschrumpft und stillgelegt. Das Desinteressement der extrem objektivistischen Prolegomena an der Erkenntnistheorie affiziert bei Husserl diese selbst; es wird in ihr eigentlich nicht die Möglichkeit von Erkenntnis behandelt, sondern was in der schon vollzogenen als Charakteristikum sich darbietet; eine Verschiebung der Frage übrigens, die ihren Schatten schon bei Kant vorauswirft, der nach dem Programm der Vernunftkritik das Wie der Möglichkeit synthetischer Urteile a priori anstatt jene Möglichkeit selbst untersuchen will. Die Neutralisierung des vernunftkritischen Anspruchs zum bloßen Betrachten dessen, was an Akten der Erkenntnis zu bemerken sei, trug wesentlich dazu bei, daß Husserls Philosophie, die sich transzendental nannte, schließlich ohne allzuviel Mühe zur Denunziation der Vernunft aufgeboten werden konnte.

Ohne daß der Terminus eingeführt wäre, ist der Sache nach der Begriff des Noema als eines gegenständlichen Gemeinten diesseits der Frage seiner Legitimation bereits in dem Kapitel über die Idee der reinen Logik in den Prolegomena erreicht51. Die fünfte Logische Untersuchung des zweiten Bandes trägt dann schon die volle Lehre von Noesis und Noema vor: »Beispielsweise ist also im Falle der äußeren Wahrnehmung das Empfindungsmoment Farbe, das ein reelles Bestandstück eines konkreten Sehens (in dem phänomenologischen Sinn der visuellen Wahrnehmungserscheinung) ausmacht, ebensogut ein ›erlebter‹ oder ›bewußter Inhalt‹, wie der Charakter des Wahrnehmens und wie die volle Wahrnehmungserscheinung des farbigen Gegenstands. Dagegen ist dieser Gegenstand selbst, obgleich er wahrgenommen ist, nicht erlebt oder bewußt; und desgleichen auch nicht die an ihm wahrgenommene Färbung. Wenn der Gegenstand nicht existiert, wenn also die Wahrnehmung kritisch als Trug, als Halluzination, Illusion u. dgl. zu bewerten ist, so existiert auch die wahrgenommene, gesehene Farbe, die des Gegenstandes, nicht. Diese Unterschiede zwischen normaler und anormaler, richtiger und trügerischer Wahrnehmung gehen den inneren, rein deskriptiven, bzw. phänomenologischen Charakter der Wahrnehmung nicht an.«52 Der Ausdruck Noema für das als solches nicht »reelle« intentionale Korrelat selbst jedoch wird erst in den »Ideen« gebraucht. Noesis und Noema sollen nach deren These »zwar in ihrem Wesen aufeinander bezogen, aber in prinzipieller Notwendigkeit nicht reell und dem Wesen nach eins und verbunden« sein53. Dunkel bleibt vorweg der Unterschied von Bezogenheit und Verbundenheit; was notwendig aufeinander bezogen ist, ist eben damit verbunden, und es wäre sinnwidrig, gleichzeitig Bezogenheit als eine Art Urstruktur zu behaupten, als innere Abhängigkeit aber, als funktionalen Zusammenhang zu verleugnen. Die terminologische Willkür verrät eine sachliche. Der »Blickstrahl des Ich«, ein im Kantischen Sinn Funktionales, die »Einheit der Handlung«54, ein Werden also, wird, um beschrieben und als absolute Gegebenheit ergriffen werden zu können, als Sachverhalt – als Sein dargestellt. Das geschieht in der These von der »Entsprechung«: »Überall entspricht den mannigfaltigen Daten des reellen, noetischen Gehaltes eine Mannigfaltigkeit in wirklich reiner Intuition aufweisbarer Daten in einem korrelativen ›noematischen Gehalt‹, oder kurzweg im ›Noema‹ – Termini, die wir von nun ab beständig gebrauchen werden.«55 Daß alle »Akte« solche Erlebnisse seien, mit denen etwas gemeint ist, demnach eigentlich nichts anderes als die einfache Festsetzung des Terminus Noesis, verführt dazu, jenes Etwas, das Gemeinte, mit dem Meinen zu »parallelisieren«. Gerade weil Noesis und Noema unabdingbar aufeinander bezogen seien, wird ihre Beziehung vernachlässigt, das Etwas hypostasiert, und schließlich – wie das Wesen – als ein Irreales und gleichwohl Gegenständliches konstruiert.

Der Phänomenologe vergißt krampfhaft die Synthesis und starrt mit manischer Obsession auf die zur Ewigkeit reduzierte und damit phantasmagorische Welt selbstgemachter Dinge. Noch wenn er sich selbst in ihnen begegnet, erkennt er sich nicht. Gerade wo Husserl, mit einer die Sprache der dialektischen Theologie überraschend vorwegnehmenden Wendung, vom »prinzipiell Anderen« redet, als wäre er dem Immanenzzusammenhang entflohen, ist dessen Bann am größten. Das »absolut Andere«, das inmitten der phänomenologischen epoxh aufgehen soll, ist unter deren Diktat nichts als die vergegenständlichte, dem eigenen Ursprung radikal entfremdete Leistung des Subjekts. Der Gedanke an es ist – um seiner Allmacht willen – in der authentischen Phänomenologie tabu. Ihre sämtlichen methodischen Veranstaltungen laufen auf die Gewinnung einer vorgeblich »reinen« subjektiven Region hinaus, aber das Subjekt selber wird nicht genannt, sondern jene Region erscheint, wie der Name suggeriert, als ein gewissermaßen Sachliches und Objektives. Die phänomenologische Reduktion auf Subjektivität glaubt zunächst jedenfalls ohne einen Begriff von Subjekt haushalten zu können. Nur rudimentär darf die Vorstellung von ihm und seiner Tätigkeit passieren, etwa in jener Wendung vom »Blickstrahl des reinen Ich«, und selbst hier übersetzt der Terminus »Strahl« vorweg ein Funktionales, eine Tätigkeit in ein Fixiertes, Linienhaftes. Wenn aber Husserl an einer späteren Stelle der »Ideen«, deren Ende bereits den Rückzug zur Transzendentalphilosophie vorbereitet, von »Synthesen« handelt56, so ist der Begriff subjektiver »Spontaneität und Aktivität«57, den er dabei anzieht, von der ursprünglichen Synthesis ganz verschieden. Ihm wird »Freiheit« als willkürliches Verfügen über die bereits konstituierten Noemata zugeschrieben58. Solche Freiheit ist das Gespenst der von Husserl vergessenen Leistung: das »fiat«, das er zum Privileg des Denkens erhebt, ereignet sich, höchst unkantisch, im bereits konstituierten Gegensatz von vorgegebenem intentionalen Objekt und bloßer denkender Manipulation.

Der nervus probandi seiner Theorie von dem vorgeblich irreduktibeln Ursachverhalt der »Korrelation« ist, daß die »phänomenologische Struktur« der Noesen unabhängig sei davon, ob die in ihnen vermeinten Gegenstände, die Noemata, existierten oder nicht. Phänomenologisch, also solange man nicht vom Gemeinten handelt, seien als Noesen Halluzinationen und Wahrnehmungen äquivalent. Die raumzeitliche Realität ihrer Korrelate sei für die Noesen gleichgültig. Wenngleich es für den Charakter der meinenden Akte keinen Unterschied mache, ob sie auf Unwirkliches oder Wirkliches gehen, blieben immer noch die Akte selber zeitlich bestimmte »psychische Phänomene« und, nach Husserls eigener Lehre, reale Ereignisse. Die Redeweise von »Erlebnissen«, die mit dem Ton der eidetischen Phänomenologie so wenig harmoniert, ist gleichwohl kein Zufall; nur wo überhaupt »Erlebnisse«, als Bestandstücke eines innerzeitlich konstituierten »Bewußtseinsstroms« da sind, läßt nach ihrem phänomenologischen Residuum irgend sich fragen. Darüber hinaus jedoch ist die Behauptung von der Identität des noetischen Bestandes in Halluzination und Wahrnehmung selbst fragwürdig, wofern sie mehr besagen soll als die Tautologie, daß beide Noesen seien. Husserl zufolge gehen ja »diese Unterschiede ... den ... phänomenologischen Charakter der Wahrnehmung nicht an«59. Das Gemeinsame von Wahrnehmung und Halluzination jedoch ist ein äußerst Abstraktes, Isoliertes; nur wenn der singuläre Akt ohne Rücksicht auf jeglichen Zusammenhang von Urteil und Erfahrung betrachtet wird, hat sein Charakter nichts zu schaffen mit dem, was er meint. Da aber selbst Husserl zufolge die »objektivierenden« Akte miteinander und mit ihren Korrelaten verflochten sind, ist ihre Independenz nicht zu vertreten. Einzig im pathischen Fall, eben dem der Halluzination, mag sie sich beobachten lassen, und diese disqualifiziert sich damit als Erkenntnis. Daß der halluzinatorische Akt sich gegen die eigene Konstitution abdichtet, färbt ihn als »phänomenologischen Tatbestand«; er reklamiert vom Subjekt die Anerkennung einer Absolutheit, die sonst den kognitiven Akten nicht eignet; ihn charakterisiert ein der Psychiatrie nur allzu bekanntes Moment des Zwangshaften, Unansprechbaren, und, wofern er in ein noch nicht vollends psychotisches Kontinuum eingesprengt ist, zugleich wieder Ichfremdes, Uneigentliches. Die Halluzination wird als unwiderstehlich und doch als scheinhaft erlebt; das verzweifelt um seine »Restitution« kämpfende Individuum sucht vergebens, die antagonistischen Momente jenes »Akts« miteinander zu versöhnen; er ist wohl niemals einstimmig und einsinnig. Nur eine trotz aller guten Vorsätze deskriptiver Treue gegen die Qualitäten der Bewußtseinsweisen indifferente Analyse begnügt sich mit der rohen Feststellung, hier wie dort werde subjektiv wahrgenommen, ohne Rücksicht auf die Realität des Objekts. Tangiert aber dessen Realität oder Irrealität die Akte ihrem eigenen phänomenologischen Bestand nach, so bricht die prinzipielle Behauptung der Unabhängigkeit der Noesen von ihren Korrelaten zusammen. Schließlich weist die phänomenologische Differenz wahrnehmender und halluzinatorischer Akte auf den Bestand oder Nichtbestand des von Husserl so genannten »hyletischen Kerns« der Wahrnehmung, also auf nicht Geistiges zurück, und dies Stoffliche wäre auch von Husserl als eine konstitutive Weise des Bewußtseins aus dem phänomenologischen Kontinuum nicht »auszuklammern«.

Weil unter dem Namen Akt die Noesen gewissermaßen horizontal, nämlich allein durch das allen gemeinsame, höchst abstrakte Merkmal Intentionalität, zusammengefaßt, anstatt wie bei Kant vertikal, aus ihrer Funktion in der Bewußtseinseinheit abgeleitet werden, verlegt Husserl nun aber ihre Einheit in die bloße Form des Etwas, auf das alle Akte sich richteten. Die klassifikatorische Operation verschafft dem Gemeinten schließlich die Würde des An sich. Die Eigentümlichkeit aller Noesen, etwas zu meinen, hält dazu her, dies Etwas, das ein für allemal in Noesen gegeben sei, als Letztes, als Apriori auszugeben. Absolute, »ontologische« Objektivität soll aus dem Wesen jener Subjektivität gerechtfertigt werden, die doch wiederum vermöge solcher Rechtfertigung das Objekt in Identität mit sich selber setzt und die Absolutheit des Objekts revoziert. Daher ist das Noema ein An sich und ein bloß Geistiges in eins. Schema aller späteren Ontologie bleibt die Behauptung solchen Ansichseins, das doch nicht Dasein, in der Sprache Husserls nicht »reell« sei. Die im formalen Bereich entsprungene Vorstellung vom logisch Absoluten wird aufs Inhaltliche, auf die transzendentale Logik im Kantischen Sinn übertragen. Nach dem Muster der Sätze an sich konstruiert Husserl nun Dinge an sich, die doch keine Dinge sein sollen, und in beiden Bereichen verläuft die Polemik gegen den Psychologismus parallel60. Beide Male ist das Interesse das einer Rettung der Objektivität von Wahrheit gegen den aller Aufklärung mit dem Regreß aufs Subjekt drohenden Relativismus; beide Male wird, in Übereinstimmung mit der Tradition seit Kant, die Möglichkeit solcher Rettung von der Versenkung in Subjektivität selbst erhofft. Aber die positivistische Entwicklung nach Kant hat eben jene Versenkung als »spekulativ« abgewertet, und auf tatsachengerechte, quasi-naturwissenschaftliche Forschung gedrängt. Darum muß Husserl den immanenten Gegenstand, der bei Kant das Resultat des Zusammenspiels der transzendentalen Apparatur mit dem sinnlichen Inhalt war, seinerseits als Vorfindlichkeit hypostasieren und den Prozeß der transzendentalen Synthesis in beschreibender Kontemplation sistieren, ohne den der Begriff eines »immanenten« und in gewissem Sinn »idealen« Gegenstandes nicht zu gewinnen war. Umgekehrt aber radikalisiert zugleich der Fortschritt kritischer Besinnung die Idee von Apriorität: diese wird, weit über Kant hinaus, allergisch gegen jede Spur des Faktischen. So erzwingt die selbstkritische Bewegung der kritischen Philosophie deren eigenen Rückfall in vorkritische: die Supposition dogmatischer Transzendenz ebenso wie die des Denkens gegenüber der Erfahrung. Beide Tendenzen konvergieren im Noema. In der Erkenntnistheorie wie in der Logik fetischisiert Husserl das seiner selbst vergessene Denken im wörtlichsten Verstande: im Gedachten. Er betet es an als reines Sein. Der noematische »Kern« aber, das eigentliche An sich der Husserlschen Erkenntnistheorie, ist einzig die abstrakte Identität des Etwas, die nicht mehr besagt, nicht mehr Inhalt hat als jenes Kantische Ich denke, aus dem das Noema »realistisch« auszubrechen wähnt, während es gerade damit in Wahrheit zusammenfällt. Was immer an »Qualitäten« ihm zugesprochen wird, wäre nach der idealistischen Voraussetzung der Husserlschen Reduktionen bloße Projektion der unterschlagenen Leistungen der Synthesis auf das isolierte und als statisch unterschobene »Als solche«. Das ist zu greifen etwa an der »Umgrenzung des Wesens ›noematischer Sinn‹« der »Ideen«: »Ausgeschlossen sind hingegen für die Beschreibung dieses vermeinten Gegenständlichen als solchen Ausdrücke wie ›wahrnehmungsmäßig‹, ›erinnerungsmäßig‹, ›klaranschaulich‹, ›denkmäßig‹, ›gegeben‹ – sie gehören zu einer anderen Dimension von Beschreibungen, nicht zu dem Gegenständlichen, das bewußt, sondern zu der Weise, wie es bewußt ist. Hingegen würde es bei einem erscheinenden Dingobjekt wieder in den Rahmen der fraglichen Beschreibung fallen zu sagen: seine ›Vorderseite‹ sei so und so bestimmt nach Farbe, Gestalt usw., seine ›Rückseite‹ habe ›eine‹ Farbe, aber eine ›nicht näher bestimmte‹, es sei überhaupt in den und jenen Hinsichten ›unbestimmt‹, ob es so oder so sei.«61 Unter dem Tabu über alle subjektiven Ausdrücke werden abermals die objektiven einem je schon unterstellten, »naturalistischen« Ding entlehnt, wie es doch die Reduktionen gerade ausschlossen. Die Erfahrungen, welche das Noema überhaupt erst bestimmen, werden zum Akzidens bagatellisiert, das in den Inhalt als dessen bloße »Qualität« hineinspielt, gewissermaßen kontingent wiederkehrt, während wie in der Scholastik die Washeit des Gegenstandes – die bloße Form der Prädikation – verselbständigt ist. Husserl faßt die Qualitäten als dem Gegenstand äußerlich und von ihm ablösbar, um ihn aus der Zufälligkeit der Erfahrung herauszuheben; dafür aber wird er selber zu einem ganz Leeren und Unbestimmten. So mißlingt der Versuch, im Noema eines zugleich bewußtseinseigenen und dennoch transzendenten Seins habhaft zu werden. Der Husserlsche Gegenstand komponiert sich als ein Concoct aus Qualitäten, logischen Bestimmungen und einem abstrakt-nichtigen Substrat. Vielleicht ist der innerste erkenntnistheoretische Zwang zur Verdinglichung, und zugleich das Einheitsmoment von Subjektivismus und verdinglichendem Denken, im Prinzip der abstrakten Identität selber aufzusuchen. Sobald von einem völlig Unbestimmten etwas prädiziert werden soll; sobald Erfahrung vorweg abgespalten ist von dem, worauf sie sich bezieht, wird dem Worauf ein An sich zugebilligt, das ihm nicht gebührt. Gereinigt von jeglicher Prädikation wäre es jenes Nichts, in welches Hegel das abstrakte Sein umschlagen läßt, während zugleich diese völlige Unbestimmtheit das Ansichsein des abstrakten Bezugpunktes vor jeder Kritik sicherstellt, über das ja so wenig etwas ausgemacht werden kann wie über das Kantische Ding an sich als die Ursache der Erscheinungen. Insofern das reine Identitätsmoment, als welches Husserl den noematischen Kern faßt, nichts anderes ist als das Resultat der Abstraktion von allen Prädikaten, schließlich die pure Form des Gedankens, gehorcht die Konstruktion des Noemas demselben Mechanismus, der alles Ansichsein bei Husserl liefert. Das Resultat der Abstraktion wird von ihr losgerissen, der Gedanke will von sich selber nichts wissen. Der gegenständliche Kern wohnt genau in den Prädikaten, die Husserl, in argloser Anlehnung an den Sprachgebrauch und die syntaktischen Vorurteile, von ihm trennt – nicht neben oder unter den Prädikaten als reines »Sein«. In Husserls formal-erkenntnistheoretischen Theoremen ist bereits das proton peydos der an ihn anschließenden materialen Metaphysiken und Existentialontologien gesetzt. Aus Objektivität, im weitesten Sinn, läßt sich nicht durch Destruktion dessen, was sie vermeintlich bloß überlagert, Sein als ihr Innerstes herausschälen. Was als Ursprung gefeiert wird, ist ein Absud, das Erste ein verstocktes Letztes. Objektivität wird einzig voller konkreter Erfahrung mit all ihren Verflechtungen zuteil. Die Frage nach dem absolut primären Sein, dem prädikatsfreien noematischen Kern, führt auf nichts anderes als auf die bloße Denkfunktion. Das vereitelt den Husserlschen Ausbruchsversuch wie die nach ihm unternommenen. Von ihnen allen wird der Idealismus sei's terminologisch verpönt, sei's pathetisch als Sündenfall des abendländischen Geistes verbucht, weil der Name sie an die eigene Gefangenschaft mahnt.

Die Verabsolutierung des noematischen Kerns gegenüber seinen vorgeblich bloßen Prädikaten, in denen doch steckt, wodurch er erst Gegenstand wird, begründet letztlich Husserls Lehre vom Vorrang der Intentionalität: den Primat des »objektivierenden Aktes«. Weil er das Etwas hypostasiert, wird ihm zum Fundament aller Erkenntnis der Akt, der »etwas« meint. In einem Denken, dessen Struktur grundsätzlich sich dem Primat dinglicher Gegenständlichkeit als einem Vorgegebenen anmißt, muß auch ein Primat gegenständlichen Bewußtseins herrschen derart, daß jedes andere in Gegenständlichem fundiert sei. Daraus resultiert die sonderbare Unterordnung alles Menschlichen, das nicht in Erkenntnis aufgeht, unter die Intentionen, die es grundsätzlich tragen sollen. Gefühl und selbst praktisches Verhalten soll gegenständliches Bewußtsein prinzipiell voraussetzen, als hätte nicht gegenständliches Bewußtsein den psychologischen Reaktionsweisen und der blinden Aktion mühselig und unstabil sich entrungen. Der Antipsychologe Husserl frönt rationalistischer Psychologie: »Jeder Akt, bzw. jedes Aktkorrelat birgt in sich ein ›Logisches‹, explizite oder implizite ... Nach all dem ergibt es sich, daß alle Akte überhaupt – auch die Gemüts-und Willensakte – ›objektivierende‹ sind, Gegenstände ursprünglich ›konstituierend‹, notwendige Quellen verschiedener Seinsregionen und damit auch zugehöriger Ontologien. Zum Beispiel: Das wertende Bewußtsein konstituiert die gegenüber der bloßen Sachenwelt neuartige ›axiologische‹ Gegenständlichkeit, ein ›Seiendes‹ neuer Region, sofern eben durch das Wesen des wertenden Bewußtseins überhaupt, aktuelle doxische Thesen als ideale Möglichkeiten vorgezeichnet sind, welche Gegenständlichkeiten eines neuartigen Gehaltes – Werte – als im wertenden Bewußtsein ›vermeinte‹ zur Heraushebung bringen. Im Gemütsakte sind sie gemütsmäßig vermeint, sie kommen durch Aktualisierung des doxischen Gehaltes dieser Akte zu doxischem und weiter zu logisch-ausdrücklichem Gemeintsein.«62 Das enthält gewiß soviel Wahres, wie in der Tat die vom Kantischen System sanktionierte Trennung von Praxis, Gefühl und Erkenntnis, selber bloß arbeitsteilig, gesellschaftlich produziert, »falsches Bewußtsein« ist. Kein Gefühl ist substantiell, dem nicht Erkenntnis innewohnt, und keine Praxis, die nicht an Theorie sich legitimiert. Scheidet Husserl seinerseits die Sphären und erklärt er die rationale zum Fundament aller, so könnte er auf den Zustand heute und hier, die vollendete Etablierung von Rationalität deuten. Sein Theorem dürfte beanspruchen, was freilich Phänomenologie als philosophia perennis am letzten beanspruchen möchte, die Angemessenheit an den geschichtlichen Augenblick. Dadurch jedoch wird jenes Theorem dem eigenen Sinn nach keineswegs gerechtfertigt. Was an Psychischem nicht selber, wie die von Husserl glorifizierte Wahrnehmung, vorweg auf ein Gegenständliches geht, untersteht auch nicht dem Primat des Dinges, der erst in Jahrtausenden von Aufklärung sich befestigte. Gefühle und Verhaltensweisen erheischen nicht wesentlich Dingbewußtsein und sind nicht dessen bloße Spielart. Husserls Erkenntnistheorie gerät überall dort ins Gedränge, wo sie sich mit »Intentionen« beschäftigt, deren Akzent nicht auf der Abhängigkeit von supponierten Gegenständen liegt. Die Nivellierung der Praxis zu einem bloßen Spezialfall von Intentionalität ist die krasseste Konsequenz seines verdinglichenden Ansatzes. Ward aber einmal durch das szientifische Postulat der Reinheit von Erkenntnis deren Beziehung auf Praxis durchschnitten, so gerinnt zugleich auch das »reine«, allem Tun entfremdete Denken selber zu einem Statischen, gleichsam zum Ding.

Die von Husserl bis zur revisionistischen Spätphase behauptete Priorität und Sonderstellung der objektivierenden Akte erlaubt es, das konstituierte Ding als »Leitfaden«63 der Konstitutionsanalyse zu verwenden, die »transzendentale Struktur« vom Dingbewußtsein abzulesen. Methodisch setzt damit die Erkenntnistheorie voraus, was zu deduzieren ihre einzige raison d'être wäre. Das Noema soll ja weder reeller Bestandteil des Bewußtseinskontinuums noch »unreduziertes«, naivrealistisches Objekt sein. Indem aber die Korrelation von Noesis und Noema, bei bloß formaler Beteuerung ihrer phänomenologischen Reduziertheit, genau das »naive« Verhältnis von Denken und Ding wiederholt und dem Ding als dem »Einheitsmoment« den Vorrang zuspricht, unterwirft sich die konstitutive Erkenntnistheorie dinghaftem Denken. Das Noema wird zum Deckbild dessen, worin Vernunftkritik überhaupt sich erst bewegt. Es ist der Statthalter des konkreten Dinges in der reinen Phänomenologie, und zwar sowohl des alten Dinges an sich wie des Gegenstands im Kantischen Sinn. Die Verheißung neuen Beginnens in der Phänomenologie, samt ihrer geschichtlichen Wirkung haftet an dem Schein, daß Bewußtseinsanalyse im Stil des Kritizismus liefere, was schlechthin jenseits des Bewußtseins sei, und dem Immanenzzusammenhang des Bewußtseins sich entwinde. Während das Noema, als bloß in den Akten Vermeintes, an den Immanenzzusammenhang gefesselt bleibt und in »epoxh« ohne das Risiko naturalistischer Setzung, erscheinen soll, erlaubt es die Deutung des Gemeinten als Sein schlechthin, Meinen und Gemeintes jeweils einander statisch, in ontologischer Polarität, entsprechen zu lassen. Sobald einmal alle Charakteristika jenes Als solchen, die »Qualitäten« der reinen Gegenstandstheorie, in denen doch Subjektivität steckt, ausschließend ins Als solche verlegt werden und das Bewußtsein des Subjekts, als bloßes Wissen von der schon konstituierten Gegenständlichkeit, dieser kontrastiert ist, ohne Erinnerung an die Einheit und Vermittlung von beiden, verwandelt sich das »volle« Noema ins Ding als zweite Natur. Das Denken des Dinges, in dem Denken sich vergessen hat, wird zu dessen Gegebenheit. Aber diese wird durch die einfachste Überlegung dementiert. Alle Meinung unterliegt dem Irrtum, aller Anspruch der Selbstgegebenheit ist es, jenen auszuschließen. Von Selbstgegebenheit ließe streng nur dort sich reden, wo der Akt und sein Gegenstand zusammenfielen. Sonst jedoch ist der im Akt gegebene Gegenstand – nach Husserls eigener Terminologie wie der Hegelschen, die er ignoriert – »vermittelt«: er wird »gedacht« und trägt in sich selbst, auch wo er als Objektives gedacht ist, kategoriale Momente, die keine Operation von seinem »Selbst« abheben kann. Der Ausdruck Selbstgegebenheit ist eine contradictio in adjecto und diese die Pointe von Husserls These.

Aber während das Noema, zumindest in den die Phänomenologie eigentlich bezeichnenden und folgenreichsten Schriften aus Husserls mittlerer Periode, nicht als konstituiertes erkannt, sondern einzig an der isolierten Intention aufgespießt wird, die es »trifft«, unterscheidet er es doch wiederum emphatisch von dem Ding. Ein höchst paradoxer Sachverhalt stellt sich her. Gerade die verdinglichende Tendenz der reinen Phänomenologie, die das je Gemeinte, und insofern schon Fertige, dem Meinen korreliert, bewirkt die Differenz von dem vollen Ding der Erfahrung, auch dem Kantischen. Das einzelne Gemeinte, jedes Noema und keineswegs nur der Allgemeinbegriff, die »ideale Einheit der Spezies«, entzieht sich nicht bloß der bestätigenden oder widerlegenden Erfahrung, sondern schlechthin aller Bestimmung in Raum und Zeit. Die »Abstraktheit« des Noemas im Hegelschen Sinne, seine isolierende Zuordnung zum isolierten Akt, wird ontologisch auf der Credit-, ontisch auf der Debetseite verbucht. Weil das jetzt und hier Vermeinte, das nur vom gegenwärtigen Akt her visiert ist, sich nicht verändert, empfängt dies Momentane die Prädikate des Ewigen und transzendiert zum Wesen. Dafür aber klafft zwischen dem noematischen Objekt und dem vollen Ding der Erfahrung der gleiche xorismos, den sonst Phänomenologie so angestrengt zudeckt. Dies Schema der Verewigung des Bedeuteten, unter Vernachlässigung der Frage nach der Existenz des Gegenstandes, gegen welche der Umkreis der epoxh die Grenze zieht, beherrscht die gesamte nachhusserlsche Entwicklung der Schule. Noch die Existentialontologie ist ein lucus a non lucendo: indem sie vorsichtig mit den bloßen Bedeutungen und dem Schein ihrer Zeitlosigkeit haushält, eliminiert sie die Frage nach der Existenz des Bedeuteten. Husserl zufolge ist das »Ding in der Natur« – also das, was allem Kantianismus der immanente, kategorial konstituierte Gegenstand war, grundverschieden vom reduzierten, vom Noema64. »Der Baum schlechthin, das Ding in der Natur, ist nichts weniger als dieses Baumwahrgenommene als solches« – das Noema – »das als Wahrnehmungssinn zur Wahrnehmung unabtrennbar gehört. Der Baum schlechthin kann abbrennen, sich in seine chemischen Elemente auflösen usw. Der Sinn aber – Sinn dieser Wahrnehmung, ein notwendig zu ihrem Wesen Gehöriges – kann nicht abbrennen, er hat keine chemischen Elemente, keine Kräfte, keine realen Eigenschaften«65, die ja eben nicht der einzelnen Intention, sondern erst deren Beziehung auf die Kontinuität der Erfahrung zufielen. Husserls Argumentation wird motiviert von den Schwierigkeiten einer Duplizität des Dingbewußtseins. Die idealistische Ansicht vom immanenten Ding habe mit zwei Realitäten zu rechnen, »während doch nur eine vorfindlich und möglich« sei. »Das Ding, das Naturobjekt nehme ich wahr, den Baum dort im Garten; das und nichts anderes ist das wirkliche Objekt der wahrnehmenden ›Intention‹. Ein zweiter, immanenter Baum oder auch ein ›inneres Bild‹ des wirklichen, dort draußen vor mir stehenden Baumes ist doch in keiner Weise gegeben, und dergleichen hypothetisch zu supponieren, führt nur auf Widersinn.«66 Aber daraus, daß das Ding des transzendentalen Idealismus immanent konstituiert ist, folgt ja keineswegs, daß er selber »inneres Bild« oder sonst ein Erlebnis, daß es reeller Bestandteil des Bewußtseinszusammenhanges sei. Schon bei Kant war es als Gesetz67, und seit Ernst Mach ausdrücklich als Funktionsgleichung von Gegebenem, keineswegs selber als ein Stück Gegebenes konzipiert. Husserl, der eine Welt der Noemata lehrt und eine ihr parallele und doch durch die ontologische Differenz radikal von ihr verschiedene der »natürlichen Dinge«, hat das Gespenst der Verdopplung nicht weniger zu fürchten als der orthodoxe Idealismus, der es erlaubt, dies nie adäquat zu gebende, nie in den Bewußtseinsdaten ohne Rest aufgehende Constitutum zu meinen und auch zu »apprehendieren«. Das Skandalon des Idealismus: daß das subjektiv Erzeugte doch zugleich objectum, das dem Subjekt Entgegengesetzte bleiben soll, wird auch von Husserl nicht weggeräumt. Kant selber sprach von einem Paradoxon der eigenen Philosophie, das er hoffte, durch die transzendentale Deduktion der reinen Verstandesbegriffe »verständlich zu machen«68. In der Kritik der reinen Vernunft konstituiert das Ich die Dinge dadurch, daß es die Kategorien auf Sinnliches anwendet. In Geltung aber bleibt der traditionelle Wahrheitsbegriff, der der Angemessenheit der Erkenntnis an ihren Gegenstand. Danach wären die Erkenntnisse des Subjekts wahr, wenn sie mit dem übereinstimmen, was das Subjekt selbst konstituiert hat. Das Wissen des Subjekts von Objektivem führt, angesichts der radikalen Unbestimmtheit des »Materials«, wiederum nur auf das Subjekt zurück und ist insofern in gewissem Sinn tautologisch. Daß das Denken unter der Autorität Kants und all der Idealisten und Positivisten, die ihm folgten, sich daran gewöhnte, ändert nichts daran, daß der Wahrheitsbegriff als der der adaequatio rei atque cogitationis unsinnig wird, sobald die Sphäre der res in der der cogitationes aufgeht. Husserl nun wollte sich nicht von der zur schlechten Selbstverständlichkeit eingeschliffenen These terrorisieren lassen, daß der Geist der Natur die Gesetze vorschreibe, die den Begriff von Objektivität zersetzt, indem sie ihn begründet. Aber er verstrickt sich im Widerstand dagegen. Auf der einen Seite fügt er sich dem idealistischen Desiderat im Namen der »phänomenologischen Reduktion«, auf der anderen möchte er mit Hilfe des »einfach hinnehmenden« und insofern »vorkritischen« Bewußtseins von Gegenständlichem die Immanenzphilosophie sprengen. Die Scheidung zwischen unreduziertem und reduziertem Ding, zwischen »Baum schlechthin« und »Wahrgenommenem als solchem« supponiert dingliche Transzendenz inmitten der Immanenzphilosophie. Die Erfindung des Noemas soll zwischen einem dogmatischen Ding-an-sich-Begriff und den Kriterien idealistischer Bewußtseinsphilosophie vermitteln69. Die Rede vom »Baum schlechthin« ist äquivok. Gälte sie der »unbekannten Ursache der Erscheinungen« Kants, so wäre deren Annahme weder mit dem Husserlschen Postulat einer »Philosophie als strenger Wissenschaft« vereinbar, noch wäre dies transzendente X mit dem durchaus Bestimmten, intentional Gemeinten gleichzusetzen. Wäre dagegen der Baum das Objekt der Erfahrung, der Kantische Gegenstand, so wäre er auch durch seine Apotheose als Aktsinn nicht vor der Möglichkeit der Vernichtung geschützt. Denn auch das »Baumwahrgenommene als solches« wäre als ein Identisches, als »dieser Baum« und kein anderer bewußt, und dies Bewußtsein schließt, mit der Raum-Zeitlichkeit, die zu den Bestimmungen seines Gegenstandes rechnet, die Möglichkeit von dessen Veränderung und Vernichtung ein. Da alle Dinge dem Idealismus »Gedankendinge« sind, wäre nach dessen Spielregeln ihre Vernichtung ebenso ein Kategoriales wie ihre Existenz. Husserl macht in der zentralen Argumentation, auf der die eigentlich phänomenologische Methode beruht, sich, im Sinn immanenter Kritik, des gleichen Fehlers schuldig, gegen den er polemisiert: er verwechselt den »realen« Tatbestand des Bewußtseins, das einzelne intentionale »Erlebnis«, mit dem, worauf es geht. Aus der Binsenwahrheit, daß das Erlebnis nicht abbrennen könne, folgt ihm, daß das in ihm Gemeinte gleich einer Platonischen Idee vor den Wechselfällen der Faktizität gesichert sei. Phänomenologie, entstanden als Reaktion auf die psychologistische Kausalbetrachtung, verharrt bei der bloßen Negation naturalistischer Vorstellungen vom Kausalverhältnis und büßt darüber jeden zulänglichen Begriff von Kausalität überhaupt ein. Dies Abbrechen der erkenntnistheoretischen Analyse diesseits der Kausalität wird umgewertet in ein Jenseits, die Eroberung einer von raumzeitlicher Bedingtheit reinen, absoluten Region. Vom vollen Ding der Erfahrung, das der Kausalität unterworfen ist, wird jene Konkretion und Fülle der Qualitäten entlehnt, die der Phänomenologie ihre Überlegenheit über den erkenntnistheoretischen Formalismus verschaffen soll, während andererseits das schattenhafte double jenes Dings, das akausale Noema, ihr zur Würde von Apriorität verhilft. Dieser Mechanismus präpariert Erfahrungsbefunde als Wesenseinsichten, wie wenn Erfahrung unvermittelt das Wesen gewährte. Die Attraktionskraft der Schule, die Einheit von Konkretion und Wesenhaftigkeit, leitet sich von der Zweideutigkeit der zentralen Begriffskonstruktion her, die von beiden Bedeutungen sich holt, was ihr paßt, und fortläßt, was sie gefährdet.

Die Husserlsche Verdopplung des Objekts als eines Dinges und eines »als solchen« Gemeinten aber wird vom Ansatz der phänomenologischen epoxh gefördert, die ja nicht eigentlich, wie Hume und auch Kant, die sogenannten naturalistischen Begriffe Ding, Ich und Kausalität kritisiert, sondern lediglich neutralisiert. Die »Thesis der natürlichen Einstellung« soll für den Gang der phänomenologischen Forschung außer Kraft sein, aber damit soll »nichts sich ändern«: trotz der Reduktion aufs reine Bewußtsein soll die Analyse all das als ihr Forschungsobjekt sich vorgeben dürfen, was für die »natürliche Einstellung« gilt, einzig mit dem Unterschied, daß sie auf das Urteil über die raumzeitliche Existenz dessen verzichtet, was der natürlichen Einstellung »erscheint«70. Dank der zwielichtigen Fassung der epoxh kann die Methode sich vorbehalten, je nach Bedarf, vermöge der Bedeutungsanalyse, auf die naturalistischen Begriffe zu rekurrieren, ohne zunächst jedenfalls um deren Konstitution und Rechtsausweis sich zu kümmern. Daraus zieht Husserl die Freiheit, jenen Baum, der da im Gegensatz zum Noema abbrennen könne, nach Belieben herbeizuzitieren. Die Restauration vorkritischer Doktrinen durch die phänomenologische Schule läßt im Innersten ihrer erkenntnistheoretischen Texte buchstäblich auf den Mangel an Kritik sich zurückführen, den von außen her die geschichtliche Stunde zu verhängen scheint. Husserl bereits kapituliert vor der Übergewalt dessen, was ist, und die Verewigung des Seins in Wesen wie Noema ist Resultat und Verdeckung dieser Kapitulation in eins. Bei Kant sollte die Vernunftkritik verhindern, daß das erschütterte Dogma hinter den Anspruch sich verschanzt, Erkenntnis zu sein. Bei Husserl ist in der vollends aufgeklärten Welt mit der Notwendigkeit zu solcher Kritik auch die Kraft dazu zergangen. Vom Idealismus ist übrig nur noch das apologetische Moment, der Wille, des je Eigenen als eines Absoluten sich zu versichern, während das negative, der Widerspruch gegen die Prätention, von Menschen Gemachtes sei absolut, sich verkehrt in bloße Vorsichtsmaßnahmen, um den selbstgesteckten Umkreis des Geistes rein zu erhalten, unbefleckt von aller Faktizität und ihrer beängstigenden Gewalt. Die epoxh »nimmt hin«, meldet Besitztitel an, ohne sich zu engagieren, so als ahnte sie, daß, was dem Subjekt gehört, ihm schon nicht mehr gehört. In dieser Vorsicht aber ereilt sie das Verhängnis. Die Urteilsenthaltung um der absoluten Gewißheit willen öffnet dem Dogma die Tür, das mit jener Gewißheit unvereinbar ist. Der Gegenstand, als einer der bloßen subjektiven Intention, ohne Rücksicht auf seinen Rechtsgrund, verschwimmt gerade in solcher Subjektivierung mit der unbefragt unterstellten Objektivität. Husserls Deklaration, die epoxh sei nicht zu »verwechseln mit derjenigen, die der Positivismus fordert«71, ist gleich allen ähnlichen der Schule leere Beteuerung, die sich anklagt, indem sie sich entschuldigt; für sie gilt Freuds Charakteristik der Negation72. Auch bei Husserl handelt es sich um den »Rückgang aller Begründung auf die unmittelbaren Vorfindlichkeiten«73, nur einen, der aus eitel Respekt vorm Tatbestand nicht mehr prüfen mag, was vorfindlich ist und was nicht. Für die dadurch gewonnene Chance, die Hand auch aufs nicht Vorfindliche zu legen, als wäre das Bewußtsein seiner sicher, muß er bezahlen mit dem Verzicht auf jene Rechtsprechung der Vernunft, um die er sich seit dem Schlußabschnitt der Ideen abmüht und die doch Schritt um Schritt die differentia specifica der Phänomenologie von jenem Idealismus zerstört, dem mit idealistischen Mitteln sich zu entwinden die Phänomenologie verhieß. Der Auflösung ihrer Antinomien blieb keine Wahl, als die Phänomenologie transzendental zu revozieren oder ihren latent dogmatischen Aspekt offen hervorzukehren und in der Konsequenz der Wissenschaft reiner Vernunftwahrheiten, als welche die neue Ontologie inauguriert ward, die Vernunft zu verleumden.

 

Ihren obersten Ausdruck finden jene Antinomien in dem obersten Begriff, zu dem die reine Phänomenologie, ein wenig contre cœur, sich aufschwang, dem des Systems. Den Ausdruck zwar hat Husserl, abgesehen von der späten Bestimmung der formalen Logik als eines deduktiven Systems74, meist vermieden. Die Sache jedoch war, seit der Rückbeziehung der Konstitutionsprobleme aufs transzendentale Subjekt, so unvermeidlich wie bei Kant die synthetische Einheit der Apperzeption unablösbar ist vom System der reinen Vernunft. Die terminologische Scheu teilt Husserl mit anderen Schulphilosophen seiner Epoche, etwa dem »offenen System« Rickerts. Wohl haben die akademischen Denker gegen den Hohn Nietzsches über die Unredlichkeit des Systems sich hinter ihrer amtlichen Würde verschanzt. Selbst sie aber konnten die seit Hegels Tod unwiderstehliche Erfahrung nicht ignorieren, daß die Totalität der Inhalte des gegenwärtigen Bewußtseins, in sich so brüchig und antagonistisch wie disparat in ihrer Anordnung auf dem Feld der Wissenschaften, nicht länger aus einem einheitlichen Prinzip zu entwickeln ist, wenn man sie nicht zur Trivialität verdünnt oder in purer Verblendung das, was einmal ist, als Produkt des in sich stimmigen, mit sich identischen Geistes rechtfertigt. Andererseits aber führen die erkenntnistheoretischen Erwägungen, mit denen die Wissenschaft ihr Monopol auf Erkenntnis zu untermauern trachtet, selbst notwendig auf den Begriff des Systems: sonst bleibt der szientifische Anspruch, mit Kant zu reden, »rhapsodistisch«75. Dieser Widerspruch kristallisiert sich in Husserls Philosophie, ohne geistesgeschichtliches Raisonnement, immanent, aus der Unversöhnlichkeit seiner Denkmotive. Denn auch wo er, der »Rechtsprechung der Vernunft« zuliebe, über die bloße Deskription von Bewußtseinsstrukturen hinausgeht und, etwa zur Frage der Konstitution des Dings oder später des fremden Ichs, Erkenntnistheorie als eine Art Vernunftkritik praktiziert, bindet er sich ans Postulat des gleichsam passiven nach »Sachen« sich Richtens. Noch die Einheit des Ich denke soll bei ihm mit einer letzten Vorfindlichkeit des Bewußtseins zusammenfallen. Obwohl in den späteren Schriften der Infinitesimalbegriff seine Rolle spielt, hat Husserl auf Funktionalität, sei's Kantisch als »Handlung« oder neukantisch als ursprüngliches Erzeugen, nie sich eingelassen. Hätte er darin seinen positivistischen Ursprung revidiert, so wäre es um die Plausibilität seines Versuchs geschehen gewesen, die einst spekulativ gewonnene Absolutheit des Geistes zu restaurieren auf dem Boden der Wissenschaft, als ein selber »szientifisches« Resultat, und den spekulativen Begriff Hegels, von dem er freilich wenig wußte, im Medium der bloßen Reflexionsphilosophie zu ergreifen. Aber einzig das System garantierte die geschlossene transzendentale Einheit, in die er alle Wirklichkeit hineinnehmen muß, um vor der Kontingenz sie zu behüten. Daher kann das System nicht selber aus der Faktizität kommen, keine bloße Gegebenheit sein, und er muß doch trachten, als solche es auszulegen. Das geschieht im »Übergang zur Phänomenologie der Vernunft« der »Ideen«, im Namen des »Vorgezeichnetseins«, das, als »Idee«, die Totalität der »Welt« umgreife, während der »Wesensbau« als solcher, der ihre Unendlichkeit in sich fasse, positiv gegeben sei. In diesem Zusammenhang vermag Husserl den Begriff des Systems nicht länger zu umgehen: »Denn die Beschränkung auf das erfahrende Bewußtsein war nur exemplarisch gemeint, ebenso wie diejenige auf die ›Dinge‹ der ›Welt‹. Alles und jedes ist, so weit wir den Rahmen auch spannen, und in welcher Allgemeinheits- und Besonderheitsstufe wir uns auch bewegen – bis herab zu den niedersten Konkretionen – wesensmäßig vorgezeichnet. So streng gesetzlich ist die Erlebnissphäre nach ihrem transzendentalen Wesensbau, so fest ist jede mögliche Wesensgestaltung nach Noesis und Noema in ihr bestimmt, wie irgend durch das Wesen des Raumes bestimmt ist jede mögliche in ihn einzuzeichnende Figur – nach unbedingt gültigen Gesetzlichkeiten. Was hier beiderseits Möglichkeit (eidetische Existenz) heißt, ist also absolut notwendige Möglichkeit, absolut festes Glied in einem absolut festen Gefüge eines eidetischen Systems. Seine wissenschaftliche Erkenntnis ist das Ziel, d.i. seine theoretische Ausprägung und Beherrschung in einem System aus reiner Wesensintuition entquellender Begriffe und Gesetzesaussagen. Alle fundamentalen Scheidungen, welche die formale Ontologie und die sich ihr anschließende Kategorienlehre macht – die Lehre von der Austeilung der Seinsregionen und ihren Seinskategorien, sowie von der Konstitution ihnen angemessener sachhaltiger Ontologien – sind, wie wir im weiteren Fortschreiten bis ins einzelne verstehen werden, Haupttitel für phänomenologische Untersuchungen. Ihnen entsprechen notwendig noetisch-noematische Wesenszusammenhänge, die sich systematisch beschreiben, nach Möglichkeiten und Notwendigkeiten bestimmen lassen müssen.«76 Die Widersprüchlichkeit eines Begriffs von eidetischer Existenz prägt die phänomenologische Antinomie taciteisch aus: dem Wesen, das da über aller Hinfälligkeit der Existenz schweben soll, wird zugleich jenes vom Denken unabhängige Sein attestiert, das nirgendwo anders kann hergenommen werden als von einer Existenz, mit der Husserls Essenzen um keinen Preis kontaminiert werden wollen. Er bestimmt ein und dasselbe als ontologisch und ontisch – eine Vorform der späteren Lehre vom Dasein als dem Ontischen, das den Vorrang habe, ontologisch zu sein77, in der übrigens nicht weniger als bei Husserl der konstitutive Primat von Subjektivität, der alte Idealismus sich versteckt. Wie aber solche »Existenz« dem »absolut festen Gefüge eines eidetischen Systems« zuzurechnen sei, bleibt unerfindlich, Zufall zweiten Grades. Denn bei keinem Vorfindlichen, wie immer auch spiritualisiert es sei, läßt sich antizipieren, was weiter vorgefunden wird, wenn nicht das »Gefüge«, Kantisch gesprochen, selbst schon an einen höchsten Punkt geheftet ist78, und das muß Husserl sich versagen, solange ihm die Rechtsquelle der Begriffe »reine Wesensintuition« ist, deren Unfehlbarkeit sich auf den Charakter des Gegebenseins stützt. Schon jedoch überwiegt der Systemzwang, und die diskret gegeneinander abgesetzten Ontologien werden zu Anweisungen einer Art von phänomenologischer Arbeitsteilung reduziert. Die Cartesianischen Meditationen schließlich reden unverblümt von der Vorläufigkeit der Ontologien gegenüber der Einheit des Systems. Nur soll das System selber als deskriptiver Gegenstand, als Tatsache höchster Ordnung dem Subjekt gegenüberstehen; sein Anspruch auf Vollständigkeit aber, auf absolute Immanenz, Unabhängigkeit von jeglichem außer ihm Liegenden, jene Idee, daß es nulla re indiget ad existendum, postuliert das transzendentale Subjekt. Das nach mathematischer Sitte »vorgezeichnete« System fungiert also bei Husserl, der nicht umsonst auf Raum und Geometrie sich bezieht, als Indifferenzbegriff: objektiv sei es die Einheit aller vorfindlichen formalen und materialen Regionen und zugleich subjektiv, insofern diese Einheit aufgesucht wird in der von Subjektivität selber. Im schillernden Begriff der prima philosophia als transzendentaler Phänomenologie aus der Spätzeit hat diese unausdrückliche Konzeption einer Indifferenz von Subjekt und Objekt sich sedimentiert. Phänomenologisch ist die auf Mannigfaltiges der »Phänomene« des Bewußtseins gerichtete Untersuchung, transzendental die Notwendigkeit ihrer Begründung in einer jeglicher Erfahrung vorgeordneten Struktur des Subjekts. Daß beides konvergiere, wird als selbstverständlich auf gut Glück unterstellt. Der Schein solcher Selbstverständlichkeit ist möglich, weil das subjektive Moment, das phänomenologisch reine Ich, und das objektive, der eidetisch reduzierte Begriff, beide gleichermaßen gegen die Faktizität abgedichtet sind und sich selbst genügen: beiden kann von außen nichts zukommen und zustoßen. Diese Reinheit aber wird verbürgt einzig von der transzendentalen. Die Selbstzurücknahme der Phänomenologie ist kein Akt bedächtiger Revision, der es vor den Folgen, etwa den ephemeren Ewigkeiten Schelers, graute. Je mehr Objektivität das Noema, das subjektiv Gemeinte besitzen soll, um so mehr muß das Subjekt von sich aus hinzutun, um dem Objekt seine Einheit zu verleihen. Sie aber erheischt als ihren Inbegriff die des Bewußtseins und damit das System.

Historisch war dessen Konzeption bei Husserl gar nicht erst von der Rechtfertigung des noematischen Sinnes als einer identisch sich durchhaltenden Gegenständlichkeit bedingt. Schon zu Beginn der Prolegomena wird »Einheit des Begründungszusammenhanges« verlangt: »Das Reich der Wahrheit ist kein ungeordnetes Chaos, es herrscht in ihm Einheit der Gesetzlichkeit; und so muß auch die Erforschung und Darlegung der Wahrheiten systematisch sein, sie muß deren systematische Zusammenhänge widerspiegeln.«79 Das System wird freilich zunächst, als eine von der Wissenschaft vorgefundene Objektivität, einigermaßen heuristisch, ohne »Leitfaden« gedacht, etwa in Formulierungen vom Typus: »Damit dürften die wesentlichen Formen allgemeiner normativer Sätze erschöpft sein.«80 Aber in der Einheit der logischen Vernunft, welche der der Logik entsprechen soll, ist virtuell bereits das System enthalten, gar nicht so unähnlich dem Verhältnis zwischen der Vollständigkeit der Urteilsformen und der der Kategorien bei Kant. Vollends die entfaltete Lehre von der Korrelation drängt zum System. Ihr Dualismus, das wechselseitige Aufeinanderverwiesensein von Sein und Bewußtsein ist Trug. Schreitet Philosophie überhaupt einmal dazu, nach Rechtstiteln für Sein und Seiendes im Bewußtsein zu fahnden, so ist damit der Prinzipat des Bewußtseins gestiftet, selbst wenn man dem Bewußtsein das Sein als »Gegenpol« zuordnet. Als systematisch ist daher der Satz des zweiten Bandes der Logischen Untersuchungen zu interpretieren: »Was wir nicht denken können, kann nicht sein, was nicht sein kann, können wir nicht denken.«81 Unüberhörbar die Reminiszenz an Hegels Formel. Sie ist das Geständnis einer latenten Ähnlichkeit. Husserl trachtet den Subjekt-Objekt-Dualismus zu versöhnen, nicht, indem er einfach Objektivität auf Subjektivität reduziert, sondern indem er den Gegensatz selbst in ein Umfassenderes – bei Hegel heißt es »Geist« – tendenziell hineinnimmt; und bei beiden konstituiert dies Umfassendere sich doch wieder schließlich subjektiv; beide sind, in aller Anstrengung um die Andersheit, Idealisten. Aber Hegel gegenüber ist Husserls Versuch so schüchtern und schwächlich, daß ihm die ersehnte Versöhnung entgleitet. Die Idee des Systems schrumpft zum Formalen zusammen. Bei Hegel war das System, nach der Formulierung der Enzyklopädie82, die konkrete Totalität, bei Husserl gibt es sich mit den im eidos ego verbundenen reinen Bewußtseinsstrukturen zufrieden. Nur soviel bleibt vom System übrig, daß kein Sein sei, das nicht gedacht werden könne, so daß alles Sein, umfassend und vollständig, an der Einheit des Denkens sich zu messen habe. Die bloß noch registrierte Korrelation von Sein und Denken erweist sich als ohnmächtig: sie erprobt sich an keinem bestimmten Inhalt mehr. Wie nach einer Niederlage zieht Philosophie sich hinter die Gräben ihrer Festung zurück, der Doktrin von den Kategorien des Denkens. Über Husserls idealistischen Charakter entscheidet nicht die Behauptung einer durchgängigen konstitutiven Priorität des Bewußtseins – die findet sich explizit erst in der transzendentalen Spätphase – sondern ihr permanenter Identitätsanspruch. Wann immer solche Identität behauptet wird, ein monistisches Prinzip von Welterklärung, das der bloßen Form nach den Primat des Geistes aufrichtet, der jenes Prinzip diktiert, ist Philosophie idealistisch. Selbst wo als solches Prinzip Sein gegen Bewußtsein ausgespielt wird, meldet sich im Anspruch der Totalität des Prinzips, das alles einschließe, der Vorrang des Geistes an; was in ihm nicht aufgeht, ist unabschließbar und entschlüpft noch dem Prinzip seiner selbst. Idealismus herrscht, auch wenn das ypokeimenon Sein oder Materie oder wie immer genannt wird, vermöge der Idee des ypokeimenon. Totales Begreifen aus einem Prinzip etabliert das totale Recht von Denken. Die theoretische Grenze gegen den Idealismus liegt nicht im Inhalt der Bestimmung ontologischer Substrate oder Urworte, sondern zunächst im Bewußtsein der Irreduktibilität dessen was ist auf einen wie immer auch gearteten Pol der unaufhebbaren Differenz. Dies Bewußtsein muß sich in der konkreten Erfahrung entfalten; bleibt es bei der abstrakten Beteuerung von Polarität stehen, so ist es immer noch dem Idealismus verhaftet. Kein »Entwurf« kann heute mit der dialektischen Methode gemeint sein. Gerade die Husserlsche Wendung zu einem »korrelativen« Seinsbegriff, die dessen spätere Theologisierung vorbereitete, war extrem idealistischen Sinnes, und ihn hat jener Begriff niemals verloren. Denkbestimmungen, zu denen auch das Bewußtsein der Differenz, der »Andersheit« selbst geschlagen wird, sollen durch ein äußerstes Maß an Abstraktion der Faktizität entwunden werden und damit die Andersheit exstirpiert. Husserls ontologischer Zug ist, wie der Hegels, der wahrhaft idealistische. Indem die allerallgemeinsten Bewußtseinsstrukturen ihrer Beziehung auf jeglichen Stoff entäußert werden und diese Beziehung selber einzig noch als formale Charakteristik der Bewußtseinsstruktur wiederkehrt, wird das rein Geistige als An sich installiert und schließlich zum Sein. Gewiß handelt Husserl an einer früheren Stelle der »Ideen« – und zwar ehe es zur epoxh kommt – vom »Fremden«, vom »Anderssein« und davon, wie damit und »mit der ganzen bewußtseinsfremden Welt«83 das Bewußtsein sich verflechten könne. Unmittelbar danach aber unterstellt er ohne weiteres die »reale Einheit der ganzen Welt«. Damit ist das System errichtet und die Vormacht des eben erst ontologisch vom Seienden getrennten Bewußtseins über das Seiende entschieden. Nur wenn der Inbegriff des Seienden ohne Rest in den Denkbestimmungen aufgeht, ist die Rede von einer solchen »realen Einheit der Welt« irgend motiviert. Dem gegenüber bleibt die Rede vom Anderssein bloße methodologische Präambel. Als solche erweist sie sich dann in der phänomenologischen Methode der Reduktion auf das »absolute Bewußtsein«84. Denn absolut ist das Bewußtsein erst, sobald es keine Andersheit mehr duldet, die nicht selbst bewußtseinseigen – also keine Andersheit wäre.

Aber das System, das nicht spekulativ, sondern wissenschaftliche Feststellung von Tatbeständen sein will, schleppt den Widerspruch weiter. Die Legitimation der systematischen Ansprüche der »Ideen« scheitert. An der Einheit des Dingbewußtseins, und nur an ihr, hat Husserl seinen Kanon systematisch gesetzmäßiger Erkenntnis: »In Wesensnotwendigkeit gehört zu einem ›allseitigen‹, kontinuierlich einheitlich sich in sich selbst bestätigenden Erfahrungsbewußtsein vom selben Ding ein vielfältiges System von kontinuierlichen Erscheinungs- und Abschattungsmannigfaltigkeiten, in denen alle in die Wahrnehmung mit dem Charakter der leibhaften Selbstgegebenheit fallenden gegenständlichen Momente sich in bestimmten Kontinuitäten darstellen bzw. abschatten. Jede Bestimmtheit hat ihr Abschattungssystem, und für jede gilt, wie für das ganze Ding, daß sie für das erfassende, Erinnerung und neue Wahrnehmung synthetisch vereinende Bewußtsein als dieselbe dasteht trotz einer Unterbrechung im Ablauf der Kontinuität aktueller Wahrnehmung.«85 Das entspricht, abgesehen von dem unverkennbar psychologischen Abschattungsbegriff, durchaus der Kantischen Ableitung der Dinglichkeit. Aber es fehlt die – als solche nie »gegebene« – Einheit des Bewußtseins, die bei Kant die des Dings ermöglicht und über die, als über ein nicht selber deskriptiv Faßliches, Husserl hinweggleitet. Ohne sie jedoch wäre die Behauptung, die »Abschattungen«, also Erscheinungen des Dings seien durch dessen Identität »kontinuierlich geregelt«86 dogmatisch. Von Dingen an sich darf nach der phänomenologischen Reduktion Husserl diese Identität nicht entlehnen; als unmittelbar Gegebenes kommt solche »Regel«, wie Kant dem Empirismus stringent entgegenhielt, nicht vor; auf ihre Ableitung aber muß Husserl verzichten, solange er nicht das »Prinzip aller Prinzipien« verletzen will. Der bloßen Deskription könnte das »System« ebensogut anders sein; seine Einheit und damit der systematische Anspruch ist zufällig; das aber wäre unvereinbar mit der Idee des Systems selbst. Husserl hat dem in den »Ideen« Rechnung getragen, indem er die Unbestimmtheit des Dingbewußtseins, also dessen unabgeschlossenen, dem Zufall der Erfahrung exponierten Charakter87 in die »Bestimmbarkeit eines fest vorgeschriebenen Stils«88 umdeutete und neukantisch das Ding als System seiner möglichen Erscheinungen zur unendlichen Aufgabe machte. »In dieser Weise in infinitum unvollkommen zu sein, gehört zum unaufhebbaren Wesen der Korrelation ›Ding‹ und Dingwahrnehmung.«89 Genau wo der neukantische Gesetzesbegriff fällig wäre, findet der Terminus »Stil« sich ein, so wie später die relativistische Wissenssoziologie mit Denkstilen hantiert. Es wird in gleichsam ästhetische Kategorien ausgebogen, welche die Einheit des Gegenstandes dem Kriterium ihrer objektiven Verbindlichkeit entziehen und ihr doch die Würde des übergreifend Vorgezeichneten zuerkennen. Sprachliche Narben zeugen von der Inkompatibilität des Systems mit bloßer Vorfindlichkeit.

Fußnoten

 

1 [*] Husserl, Ideen, o. c., S. 43f.; cf. l.c. S. 187, wo dem hinzunehmenden Gegebenen ein Wie seiner Gegebenheit zugeschrieben wird, an welches der Phänomenologe sich zu halten habe.

 

2 [*] cf. Kant, Kritik der reinen Vernunft, ed. Valentiner, Leipzig 1913, S. 182. Die Kantische Bemerkung hat ihre lange Vorgeschichte in der antiken Philosophie. Einer Angabe des Theophrast in »De Sensu« zufolge lehrte bereits der Parmenides die Ähnlichkeit zwischen Wahrnehmendem und Wahrgenommenem, während Heraklit vertreten habe, nur das Unähnliche, Entgegengesetzte könne das Ähnliche erkennen. Platon folgte der eleatischen Tradition. Aristoteles führte selbst die Platonische metexis auf eine Lehre von der Ähnlichkeit zurück: die Pythagoreische, daß die Dinge durch Nachahmung der Zahlen existierten (Metaphysik A, 987 b). Unter den Beweisen für die Unsterblichkeit der Seele im Phaidon fehlt nicht das Argument, der Ähnlichkeit des Leibes mit der Erscheinungs- entspreche eine der Seele mit der Ideenwelt (St. 79). Davon ist nicht weit bis zum Schluß auf die Ähnlichkeit von Subjekt und Objekt als Bedingung der Erkenntnis. Ist Rationalität insgesamt die Entmythologisierung mimetischer Verhaltensweisen (cf. Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung, Amsterdam 1947, S. 38ff. [GS 3, s. S. 42ff.]), so kann es nicht wundernehmen, daß das mimetische Motiv in der Reflexion auf die Erkenntnis sich am Leben erhält; vielleicht nicht bloß als archaisches Rudiment, sondern weil Erkenntnis selber ohne den wie immer auch sublimierten Zusatz von Mimesis nicht konzipiert werden kann: ohne sie wäre der Bruch von Subjekt und Objekt absolut und Erkenntnis unmöglich.

 

3 [*] Husserl ist dem überraschend nahe gekommen in der »Reduktion der transzendentalen Erfahrung auf die Eigenheitssphäre« (Cartesianische Meditationen und Pariser Vorträge, Haag 1950, § 44). »Unter den eigenheitlich gefaßten Körpern dieser Natur finde ich dann in einziger Auszeichnung meinen Leib, nämlich als den einzigen, der nicht bloßer Körper ist, sondern eben Leib, das einzige Objekt innerhalb meiner abstraktiven Weltgeschichte, dem ich erfahrungsgemäß Empfindungsfelder zurechne, obschon in verschiedenen Zugehörigkeitsweisen (Tastempfindungsfeld, Wärme-Kältefeld usw.), das einzige, in dem ich unmittelbar schalte und walte und in Sonderheit walte in jedem seiner Organe –. Ich nehme, mit den Händen kinästhetisch tastend, mit den Augen ebenso sehend usw. wahr und kann jederzeit so wahrnehmen, wobei diese Kinästhesen der Organe im Ich tue verlaufen und meinem Ich kann unterstehen; ferner kann ich diese Kinästhesen ins Spiel setzend stoßen, schieben usw. und dadurch unmittelbar und dann mittelbar leiblich handeln.« (l.c., S. 128.) Daß dem Leib Empfindungsfelder zugerechnet werden, wäre für den Ansatz der Phänomenologie von unabsehbarer Tragweite, wenn aus der Deskription Folgerungen gezogen würden; Zurechnung ist dabei ein vager Ausdruck für die unauflösliche Einheit von Organ und sinnlicher ylh. Das Zugeständnis solcher Einheit liefe aber auf nichts Geringeres hinaus, als daß die Empfindung, nach Husserls Doktrin unmittelbarer irreduktibler Tatbestand des transzendentalen ego, gar nicht isoliert werden kann von den Sinnesorganen. Sie wäre phänomenal verschmolzen mit einem als Tatsache des Bewußtseins nicht Ausdrückbaren: das Constituens wäre so abhängig vom Constitutum wie dieses von jenem. An dieser Stelle muß Husserls Analyse verstummen, wenn sie nicht die gesammte epoxh durch einen in dieser gewonnenen Befund sprengen will.

 

4 [*] Husserl, Logische Untersuchungen, 2. Bd., II. Teil, Halle 1921, S. 121. – Wahrnehmung selber ist schon vorher ausdrücklich als Erfüllung definiert (cf. l.c. S. 116).

 
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