IV

 

Das reaktionäre Moment von Mahlers Musik ist ihr Naives. Von jeher hat dessen Verschränkung mit Unnaivem bei ihm als Widerspruch besonders aufgereizt; die Physiognomik einer Musik, in der allbekannte volkstümliche Wendungen mit Bedeutung geladen werden, während sie umgekehrt keine Zweifel hegt an der Selbstverständlichkeit des hoch getriebenen symphonischen Anspruchs. Unmittelbares und Mittelbares werden verkoppelt, weil die symphonische Form nicht mehr musikalischen Sinn, als zwingenden Zusammenhang sowohl wie als Wahrheitsgehalt, garantiert, und weil die Form ihn suchen muß. Aus einer Art von musikalischem bloßen Dasein, jenem Volkstümlichen, sind die Vermittlungen herauszuholen, durch die es als sinnvoll erst sich rechtfertigt. Damit nähert Mahlers Form geschichtsphilosophisch sich der des Romans. Pedester ist der Musikstoff, sublim der Vortrag. Nicht anders war die Konfiguration von Inhalt und Stil im Roman aller Romane, der Flaubertschen Madame Bovary. Episch ist Mahler Gestus, das naive Paßt auf, jetzt will ich euch einmal etwas vorspielen, wie ihr es noch nie gehört habt. Gleich Romanen erweckt jede seiner Symphonien die Erwartung des Besonderen als Geschenks. Guido Adlers Beobachtung, daß noch keiner, auch kein Gegner, bei Mahler je sich gelangweilt habe, spricht darauf an. Der frühe Mahler freute sich des musikalischen Materials, in dem es hoch hergehen soll; an Scheffelschen Phantasien mochte es dabei nicht mangeln. Seine Spiritualität hatte einen Fond musikalischer Unterwelt. Daß er manchmal »Vortrag ohne alle Parodie« und manchmal »mit Parodie« verlangt, ohne daß die Themen selbst die Entscheidung übers eine oder andere erlaubten, verrät ihre Spannung zum Hochfliegenden mit Worten. Nicht Musik zwar will etwas erzählen, aber der Komponist will Musik machen, wie sonst einer erzählt. Analog zur philosophischen Terminologie wäre der Habitus nominalistisch zu nennen. Die Bewegung des musikalischen Begriffs fängt unten, gewissermaßen mit den Tatsachen von Erfahrung an, um sie in der Einheit ihrer Sukzession zu vermitteln und schließlich aus dem Ganzen den Funken zu schlagen, der über jene Tatsachen hinaus zündet, anstatt daß von oben, von einer Ontologie der Formen her komponiert würde. Insofern arbeitet Mahler entscheidend auf die Abschaffung der Tradition hin. Auf dem Grunde der musikalischen Romanform liegt eine Idiosynkrasie, die längst schon vor Mahler muß gespürt worden sein, die er als erster jedoch nicht verdrängte. Sie haßt vorauszuwissen, wie Musik weitergeht. Das Weiß ich schon beleidigt musikalische Intelligenz, spirituelle Nervosität, die Mahlersche Ungeduld. Hat nach Mahler Musik ihre fixierten Elemente kassiert und zu Spielmarken entwertet, so begehrt er schon innerhalb der herkömmlichen musikalischen Logik wider diese auf. Aber er konstruiert nicht neue Formen, sondern bringt vernachlässigte, mißachtete, ausgeschiedene in Bewegung, die nicht unter die offizielle Formontologie fielen, welche das kompositorische Subjekt von sich aus weder mehr zu füllen vermag, noch anerkennt. Eingesprengte, dinghafte Warencharaktere der Musik sind das notwendige Korrelat zum Mahlerschen Nominalismus, der keine harmonische Synthesis mit vorgedachter Totalität mehr erlaubt. Nur als entzweigesprungene amalgamiert sich die symphonische Objektivität mit den subjektiven Einzelintentionen. Märsche und Ländler bei ihm gleichen der Erbschaft von Abenteuerroman und Kolportage im bürgerlichen Roman. Der Revisionsprozeß der Musik gegen ihre Spaltung in eine obere und untere Sphäre, die beiden ihre Male eingrub, wird von Mahler so betrieben, daß die in Gärung geratene untere Musiksphäre über Stock und Stein hinweg restituieren soll, was die Stimmigkeit der oberen einbüßte. Dem messen die Schichten der Verständlichkeit Mahlers sich an. Er dürfte den Untertitel des Zarathustra beanspruchen, Musik für alle und keinen. Trotz ihres konservativen Materials ist sie eminent modern darin, daß sie kein sinnhaftes Ganzes surrogiert, sondern dem entfremdet Zufälligen sich hinwirft, um darin va banque ihre Chance wahrzunehmen. Hat bis Mahler wahrhaft anachronistisch die Musik sich der Kritik des Geistes an den an sich seienden Ideen und Formen gesperrt und sich benommen, als wölbte über ihr sich der platonische Sternenhimmel, so hat Mahler erstmals musikalisch aus einem Stand des Bewußtseins die musikalische Konsequenz gezogen, das über nichts verfügt als über die notdürftig zusammengebündelte Fülle seiner Einzelregungen und Erfahrungen und die Hoffnung, daß aus ihnen etwas aufgehe, was sie noch nicht sind, ohne daß sie doch verfälscht würden. Daß Mahler vom Beethovenschen Typus intensiver Verschränkung, des Knotens, prinzipiell abgeht, auf dramaturgische Konzentration verzichtet, ist nicht damit zureichend erklärt, daß nach dem Beethovenschen non plus ultra auf diesem Boden nicht mehr fortzuschreiten gewesen wäre. Sondern der Klassizismus Beethovenscher erster Sätze: der Eroica, der Fünften und der Siebenten war für Mahler nicht mehr exemplarisch, weil die Beethovensche Lösung, die bereits subjektiv angegriffenen objektiven Formen aus Subjektivität noch einmal zu erzeugen, mit Wahrheit nicht mehr zu reproduzieren war. Die Differenz des epischen Kompositionsideals vom klassizistischen Typus wird desto sichtbarer, je mehr Mahler diesem sich zu nähern scheint. Das Hauptthema des Finales der Fünften Symphonie orientiert sich ähnlich an Beethoven wie das in der Ersten von Brahms, mit einer huldigenden Reminiszenz an die Hammerklaviersonate1. Aber dies Hauptthema ist eines nur pro forma, beherrscht den Satz nicht, sondern wird von anderen überwuchert, gewissermaßen vor der Tür des Satzinneren gehalten. Denn es meldet eben jenen symphonischen Anspruch älteren Stils an, den eines zu zergliedernden und dramatisch zu entwickelnden Modells, dem die Struktur der Mahlerschen Symphonik unangemessen wurde, weil sie nicht mehr auf die emphatische Bestätigung des musikalischen Immanenzzusammenhangs durch sich selbst zählen kann, deren Pathos den klassizistischen Symphonietypus durchtönt. Schon bei Beethoven drohte die statische Symmetrie der Reprisen den dynamischen Anspruch zu desavouieren. Die nach ihm anwachsende Gefahr akademischer Form gründet im Gehalt. Das Beethovensche Pathos, die Bekräftigung von Sinn im Augenblick der symphonischen Entladung kehrt einen Aspekt des Dekorativen und Illusionären hervor. Beethovens mächtigste symphonische Sätze zelebrieren ein »Das ist es« in der Wiederholung dessen, was ohnehin schon war, präsentieren die bloße wiedererreichte Identität als das Andere, behaupten sie als sinnhaft. Der klassizistische Beethoven verherrlicht was ist, weil es nicht anders sein kann, als es ist, indem er seine Unwiderstehlichkeit vorführt. »Der erste Satz der Eroika, der Pastorale, der Neunten sind im Grunde nur Kommentare dessen, was in ihren ersten Takten geschieht. Die gewaltigsten Steigerungen, die Beethoven geschaffen hat: die Linien vom Anfang der fünften und der siebenten Sinfonie bis zu ihren Abschlüssen entrollen sich mit der niederzwingenden Logik, die die Offenbarung eines in seiner Folgerichtigkeit unabweisbaren Geschehens mit sich bringt. Es trägt in sich die Unerschütterlichkeit der mathematischen Formel und steht vom ersten Augenblick an bis in seine letzten Folgerungen hinein als elementare Tatsache da. Gerade in der unanfechtbaren logischen Gewalt dieser Kunst ruhte die Kraft, ruht heute noch die einzigartige Wirkung der Beethovenschen Sinfonik. Aus ihr ergab sich das grundlegende organische Gesetz, dem Beethoven auch in der Neunten sich nicht zu entziehen vermochte, dieses Gesetz, das zur Konzentration der geistigen Grundideen in den Vordersatz, in den Anfang, in das Thema zwang und den ganzen Organismus als in sich Fertiges aus diesem Anfang hervorspringen ließ.«2 Was ihn, nach dem großartig retrospektiven ersten Satz der Neunten Symphonie, zu den letzten Quartetten bewog, mag nicht durchaus verschieden sein von dem dunklen Drang, der längst vor den Jahren seiner Meisterschaft Mahler motivierte: offensichtlich war er vom letzten Beethoven, vor allem von op. 135 überaus beeindruckt. Deutsche Philosophie und Musik waren seit Kant und Beethoven System. Was darin nicht aufging, sein Korrektiv, flüchtete in die Literatur: den Roman und eine halb apokryphe Tradition des Dramas, bis die Kategorie des Lebens, zur Bildung ausgelaugt und meist schon reaktionär, um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert auch philosophiefähig wurde. Demgegenüber hat Mahlers Musik originär Nietzsches Erkenntnis eingeholt, daß das System und seine lückenlose Einheit, der Schein der Versöhnung, nicht redlich sei. Seine Musik nimmt es auf mit dem extensiven Leben, stürzt sich geschlossenen Auges in die Zeit, ohne doch Leben als Ersatzmetaphysik zu installieren, parallel zur objektiven Tendenz des Romans. Das Potential dazu wuchs ihm aus der vom deutschen Idealismus verschonten, teils vorbürgerlich feudalen, teils josephinisch-skeptischen österreichischen Luft zu, während ihm gleichwohl das symphonisch-integrale Wesen noch gegenwärtig genug war, um ihn vor einer Formgesinnung zu behüten, die dem schwächlich atomistischen Hören Avancen macht. »Er nahm dem Thema als solchem die Beethovensche Bedeutung des konzentrierten Mottos und gab ihm durch üppigere melodische Ausbreitung den Charakter der ihr Wesen erst allmählich enthüllenden Anfangslinie. Diese neue Art organischer Anlage bedingte eine neue Art auch der thematischen Gestaltung. Die thematische Arbeit Beethovenscher Prägung, diese unheimlich großartige Spiegelung schärfster Gedankenzusammendrängung und unbeirrbaren Zielbewußtseins fand keine innere Begründung mehr in dem neuen sinfonischen Stil, der das unablässige Wollen aus einem Mittelpunkt geistigen Schaffens heraus nicht kannte, sondern im Gegenteil zunächst in der Mannigfaltigkeit seiner Erscheinungen die Kräfte sammeln mußte. So fiel die straffe, thematisch organische Technik Beethovens, vielmehr sie wurde zum nebengeordneten Hilfsmittel.«3 Nur hat Bekker unterschätzt, daß Mahler auch die konstruktiven Kräfte des Systems, wie immer er an ihnen irr geworden sein mochte, mobilisierte. Im produktiven Konflikt der kontradiktorischen Elemente hat er seine Stunde. Darum ist es so töricht, ihn als Komponisten zwischen den Zeiten zu begönnern.

Musikalisch fehlte es für seine Anschauungsweise nicht durchaus an Tradition, an einem quasi erzählenden, ausatmenden Unterstrom, der in ihm nach oben drang. Immer wieder paaren sich gerade bei Beethoven mit den symphonischen Konzentraten, die virtuell Zeit einstehen lassen, Werke, deren Dauer ihnen die eines glückvollen, zugleich bewegten und in sich ruhenden Lebens wird. Unter den Symphonien nimmt die Pastorale dies Interesse am unbefangensten wahr; zu den bedeutendsten Sätzen des Typus rechnet der erste des F-Dur-Quartetts op. 59, Nr. 1. Er wird gegen Ende der sogenannten mittleren Periode Beethoven immer wesentlicher; so in den ersten Sätzen des großen B-Dur-Trios op. 97 und der letzten Violinsonate, Stücken oberster Dignität. In Beethoven selber hat Vertrauen auf die extensive Fülle und auf die Möglichkeit, passiv Einheit in der Mannigfaltigkeit zu entdecken, der tragisch-klassizistischen Stilidee einer Musik des handelnden Subjekts die Waage gehalten. Schubert, dem diese Idee bereits verblaßt, wird vom epischen Typus Beethovens um so mehr angezogen. In den Klaviersonaten mißachtet er zuweilen mit Nonchalance die Einheit wie später, aus Dumpfheit, Bruckner in dem, was man als Formlosigkeit bemängelte. Von allen Vorformen der Mahlerschen Gestaltungsweise dürfte der erste Satz der Schubertschen h-moll-Symphonie die wichtigste sein; ihn hat Webern als eine ganz frische Konzeption des Symphonischen überhaupt verehrt. Mahler ward fasziniert von der ungebundenen Anlage unterhalb der üblichen; von der Frage danach, wohin die einzelnen Themen, unabhängig von ihrem abstrakten Stellenwert, wollen; von der Trauer eines Ganzen, das nicht prätendiert, als Ganzes wäre es bereits im Sicheren. Unter diesem Aspekt übrigens mag sich enträtseln, warum Schuberts großartigster Entwurf Fragment blieb, der erste ganz und gar organische, von rationalistischen vérités éternelles gereinigte Satz der Musik. Daraus wird Mahlers ästhetisches Programm. Bei den Österreichern vor ihm ward die Absage an die synthetische Einheit der Apperzeption, die konstitutive Arbeit und Anstrengung des Subjekts bestraft durch häufiges Erlahmen, Erschlaffen der symphonischen Bögen, schließlich durch Einbuße an organisierendem Geist selber, an technischer Legitimation. Das sucht Mahler an der Tradition, die seine eigene ist, zu korrigieren. Der ihm zugeschriebene Ausspruch über Bruckner, seinen Freund: Halb Gott, halb Trottel, ist zumindest gut erfunden; Bauer-Lechner zufolge hat er über Bruckner wie über Schubert4 genug Kritisches gesagt. Was er aber an Bruckner tadelte, war nichts anderes, als daß bei diesem die emanzipierten, verselbständigten Einzelmomente und die tradierten Normen der Architektur auseinanderklafften. Verschleiert Mahlers Musik, vom Trio der Ersten über den Choral der Fünften und den Schluß der Siebenten bis zur Anlage des Finales der Neunten und zum Ton des ersten Satzes der Zehnten, nie seine Dankbarkeit für Bruckner, so trachtet gleichwohl sein epischer Impuls, durch Konstruktion seiner selbst mächtig zu werden, während er, unreflektiert, bei Schubert und Bruckner oftmals verrinnt. Dem Moment von Lässigkeit gesellt sich Aktivität, aber keine feldherrnhaft planende, sondern eine von Schritt zu Schritt sich fortbewegende wie im Marsch. Was immer Bruckners walddunkle Unberührtheit vor Mahlers Gebrochenheit vorauszuhaben scheint – diese ist dem Klobigen an Bruckner überlegen, jener ein wenig verstockten Statik, die kein festeres Fundament hat, als daß in St. Florian Nietzsche noch nicht sich herumsprach. Mahler verhielt sich zu Bruckner wie Kafka zu Robert Walser. Österreichisch aber war noch sein Korrektiv gegen die österreichische Tradition: Mozart, in dem der einheitsstiftende Geist und die unbeschnittene Freiheit der Details sich zusammenfinden. Daher wohl das hommage à Mozart am Anfang der Vierten. Asymmetrie und Unregelmäßigkeit der Einzelgestalten wie der Komplexe, oft auch des Formganzen, sind nicht Zufälle des Mahlerschen Naturells, sondern notwendig aus der epischen Intention. Sie liebt das nicht schon Eingeplante, nicht Veranstaltete, das, dem keine Gewalt widerfährt, und dort, wo sie ihm bereits widerfuhr, die Abweichung. Mahlers Abweichungen sind nie Substitute wie bei Strauss, nie überraschender Ersatz für Erwartetes. Jede Irregularität steht auch spezifisch für sich selbst. Gleichwohl reflektiert Mahler in dem, was wohl musikalische Empirie heißen mag, auf den Sinn des Ganzen, den Bruckner noch autoritätsgläubig von der symphonischen Form als solcher erborgte. Er ist dessen eingedenk, was schließlich noch an der radikalsten, aufgelöstesten Musik seine Wahrheit behält: daß verwandelt, verkappt, unsichtbar objektive Formtypen, Topoi, wiederkehren, wo hartnäckige Empfindlichkeit sie vermeidet. Für solche Wiederkehr sorgen bei ihm die Trümmer, aus denen er seine Architektur schichtet, wie wohl normannische Baumeister in Süditalien mit dorischen Säulen hantierten. Als spröde Stoffmassen ragen sie hinein, Repräsentanten des Moments im Epischen, das auf bloße Subjektivität nicht zu reduzieren ist. Was dinghaft, hart, selbst zufällig dem Subjekt gegenübersteht, soll von der Komposition in die Erfahrung des immanenten Subjekts der Musik eingebracht werden. Dadurch wird die kompositorische Situation, aus der Mahler spricht, prekär. Denn weder ist die Musiksprache schon so entqualifiziert, daß das kompositorische Subjekt rein darüber verfügen könnte, aller vorausgesetzten musiksprachlichen Formen und Elemente ledig; noch sind diese umgekehrt noch so intakt, daß sie von sich aus das Ganze zu organisieren vermöchten. Die Anfälligkeit von Mahlers Musik, die von ihrem ersten Auftreten an bemerkt wurde, folgt daraus, nicht aus der Schwäche dessen, was Ernst Bloch vor einem Menschenalter seine »bloße Talentgabe«5 nannte. Die Gebrochenheit des Mahlerschen Tons ist das Echo jener objektiven Aporie, des Zwiespalts von Gott und Trottel. Beide werden unterm Blick seiner Musik gleich fragwürdig, der Gott zum unvermittelt dogmatischen Gebot der Form, der Trottel zur kontingenten, sinnverlassenen, potentiell albernen Einzelheit, die aus sich keinen stringenten Zusammenhang entläßt.

 

Der Begriff des Epischen begründet gewisse Exzentrizitäten Mahlers, die ihm sonst leicht angekreidet werden könnten. Bei aller kritischen Wachsamkeit gegen Leerlauf und Formelkram wie den der Brucknerschen Sequenzen scheut Mahler nicht – wie Beethoven etwa – vor überzähligen Takten zurück, vor Augenblicken, in denen, nach dem Maß musikalischer Aktion, nichts geschieht, sondern wo die Musik Zustand wird. Noch in der überaus kontrollierten Neunten Symphonie steht, sogleich nach dem Ende der Exposition des ersten Satzes, nicht nur ein voller Takt, in dem der Paukenwirbel des vorhergehenden Schlußakkords ausklingt, sondern die harmonische Rückung durch den Hinzutritt des ges zum b beansprucht einen weiteren für sich, noch ohne motivischen Inhalt, während dieser, das Harfenmotiv der Einleitung, erst im dritten Takt in der Pauke erscheint6. Ein Komponist, der das Verweilen fürchtete, hätte diesen Einsatz bereits gleichzeitig mit dem des ges erfolgen lassen. Raffiniert unbekümmert läßt Mahler in einem Feld mitten aus dem ersten Satz der Vierten Symphonie die Bewegung verebben, um danach frisch fortzufahren7. Anstatt daß der äußere Fluß auf Kosten des Ruhebedürfnisses der thematischen Gestalt emsig angespornt würde, vertraut Mahler auf den inneren; nur die größten Komponisten können derart die Zügel schleifen lassen, ohne daß das Ganze ihnen entglitte. Die Werke des Dirigenten Mahler werden nicht angesteckt vom Gestus des Praktikers, der in der Komposition gewissermaßen mit dem Finger schnalzt und dafür sorgt, daß es Zug um Zug geht, daß nur ja keiner weghöre. Überhaupt ist Mahlers Musik nirgends entstellt durch die Bescheid wissende Erfahrung des Interpreten. Nie wird von den empirisch gegebenen Möglichkeiten her komponiert, nie passen die Symphonien der praktischen Übung sich an. Konzessionslos folgen sie der Imagination; die praktische Erfahrung tritt sekundär, als kritische Instanz hinzu, die darauf achtet, daß das Vorgestellte auch in der Erscheinung sich realisiere; insofern ist Mahler der Gegentyp jener späteren Art von Sachlichkeit, wie Hindemith sie verkörpert. Solche tyrannische Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Wirkungszusammenhang steht der epischen Intention bei; die agogische Bezeichnung »Zeit lassen«, die gelegentlich vorkommt, beschreibt seine Reaktionsweise insgesamt. Wie solche Geduld mit der Ungeduld in Konstellation tritt, rechnet zu seinen Eigenheiten: einem Bewußtsein, das weder die Zeit verleugnet, noch vor ihr kapituliert.

Mahlers episch-musikalische Gesinnung trifft auf eine Gesellschaft, in der Musik so wenig mehr ›erzählen‹ wie aufspielen kann. Der abscheulichen Aura des Wortes Musikant entgeht Mahler, indem sein Formapriori eher dem des Romans als dem des Epos sich anbildet, trotz der Courage zum Verweilen ohne das Gehabe von gelassener Seinsverbundenheit. Er fesselt zuerst dadurch, daß es immer anders weitergeht, als man denkt, spannend im prägnanten Sinn. Erwin Stein hat das in einem verschollenen Aufsatz aus ›Pult und Taktstock‹ vor Dezennien angemerkt. Bekannt ist Mahlers passioniertes Verhältnis zu Dostojewsky8, der um 1890 noch für anderes stand als im Zeitalter Möllers van den Bruck. Bei einem Ausflug mit Schönberg und dessen Schülern soll Mahler diesen einmal weniger Kontrapunktstudium und mehr Dostojewskylektüre empfohlen haben, um von Webern die heroisch schüchterne Antwort zu vernehmen: Entschuldigen Sie, Herr Direktor, aber wir haben den Strindberg. Die wahrscheinlich apokryphe Geschichte belichtet zugleich den Unterschied zwischen der romanhaften Musikgesinnung und der expressionistischen der nächsten, voll emanzipierten Komponistengeneration. An den großen Roman mahnt aber nicht nur, daß Mahlers Musik oft so klingt, als wolle sie etwas erzählen. Romanhaft ist die Kurve, die sie beschreibt, das sich Erheben zu großen Situationen, das Zusammenstürzen in sich9. Gesten werden vollführt wie die der Nastassja des Idioten, welche die Banknoten ins Feuer wirft; oder wie jener bei Balzac, wo der als spanischer Kanonikus vermummte Verbrecher Jacques Collin den jungen Lucien Rubempré vom Selbstmord zurückhält und zur befristeten splendeur befördert; vielleicht auch die Esthers, die für den Geliebten sich aufopfert, ohne zu ahnen, daß unterdessen die Roulette des Lebens beide aus aller Misere gerettet hätte. Wie in Romanen gedeiht bei Mahler Glück am Rand der Katastrophe. Überall wirken bei ihm dessen Bilder offen oder latent als Kraftzentren. Glück ist ihm die Figur des Sinnes im prosaischen Leben, für dessen utopische Erfüllung der unverhoffte und unsichtbare Gewinn des Spielers einsteht. Es bleibt bei Mahler so sehr an sein Gegenteil gekettet wie das des Spielers an Verlust und Ruin. Ohne Vernunft und selbsterhaltende Kontrolle sich genießend und verschwendend tragen die Elevationen im Finale der Sechsten Symphonie teleologisch den Untergang in sich. In unermüdlicher Überforderung, zu keiner Resignation bereit, zeichnet Mahlers Musik ein Elektrokardiogramm, Geschichte des brechenden Herzens. Wo sie sich übernimmt, drückt sie die Möglichkeit der Welt aus, welche die Welt verweigert und für die in der Sprache der Welt die Worte fehlen: dies Allerwahrste ist als ihre Unwahrhaftigkeit anrüchig. Wie in den großen Romanen – so wie musikalisch vorher vielleicht nur im zweiten Akt der Walküre – soll die ephemere Erfüllung alles andere aufwiegen: an keine Gestalt von Ewigkeit glaubt er als an die vergängliche. Gleich der Philosophie, der Hegelschen Phänomenologie, ist Musik bei Mahler das gegenständliche Leben noch einmal, durchs Subjekt hindurch, und seine Wiederkunft im Innenraum verklärt es zum schäumenden Absoluten. So ist die Konkretheit der Romanlektüre von anderer Dimension als die distinkte Wahrnehmung der Geschehnisse. Das Ohr läßt von Musik sich fortschwemmen wie das Auge des Lesers von Seite zu Seite; der stumme Lärm der Worte konvergiert mit dem musikalischen Geheimnis. Aber es löst sich nicht. Die Welt zu schildern, welche epische Musik meint, bleibt dieser verwehrt: sie ist so deutlich wie kryptisch. Die Wesenskategorien der gegenständlichen Realität kann sie zu den Ihren machen nur, wofern sie wider die gegenständliche Unmittelbarkeit sich abblendet; sie entfernte sich von der Welt, wo sie diese symbolisieren oder gar abbilden wollte. Das haben Schopenhauer und die romantische Ästhetik dort erfahren, wo sie dem Schattenhaften und Traumhaften der Musik nachsannen. Nicht sowohl aber malt Musik schattenhafte und traumhafte Zwischenzustände der Seele, als daß sie nach Logik und Erscheinung selber der von Traum und Schatten verwandt ist. Wesenhaft wird sie, als Wirklichkeit sui generis, durch Entwirklichung. Dies Medium, das aller Musik, wird in Mahler gewissermaßen thematisch. Zweimal schreibt er »schattenhaft« als Vortragsbezeichnung, im Scherzo der Siebenten und im ersten Satz der Neunten Symphonie10. Das Gleichnis aus dem optischen Bereich indiziert Auswendigkeit als Komplement des musikalischen Innenraums. Indem alles Musikalische, gesteigert bis zur sinnlichen Gewißheit, jenen Innenraum besetzt, wird nichts als bloßer Stoff verschmäht und ausgeschieden. Im musikalischen Raum gedeiht eine Empirie zweiten Grades, nicht länger, wie die andere, dem Kunstwerk heteronom. Die Innerlichkeit von Musik assimiliert Auswendiges, anstatt Innerliches darzustellen, zu veräußerlichen. Soviel ist wahr an jener psychoanalytischen Theorie, welche Musik als Abwehr der Paranoia interpretiert: sie behütet das Subjekt vor der Überflutung der Realität durch subjektive Projektion. Weder verwechselt sie die Welt, die sie als Ihresgleichen nennt, mit sich, noch sind ihre Kategorien losgelassene des bloßen Subjekts: zugeeignet bleiben sie die der Welt. Wäre diese unmittelbar dem Wesen gleichgesetzt – und nach Schopenhauers Einsicht ist Musik Wesen unmittelbar – so wäre Musik der Wahnsinn. Diesem ist alle große Musik geraubt; in jeglicher steckt Identifikation des Inwendigen mit dem Äußeren, aber er hat über das Resultat keine Macht. Die Trennung von Wesen und Gegenstand sanktioniert Musik als ihre eigene Grenze zum Gegenständlichen: so ergreift sie das Wesen. Daß Mahler, der sein Leben in der Oper zubrachte und dessen symphonische Bewegung der der Oper so vielfach parallel geht, keine Opern schrieb, mag aus der Transfiguration des Gegenständlichen ins inwendige Bilderreich sich erklären. Seine Symphonie ist opera assoluta. Wie die Oper steigt Mahlers romanhafte Symphonik aus Leidenschaft auf und flutet zurück; Partien der Erfüllung wie die seinen kennen Oper und Roman besser als sonst absolute Musik.

Mahlers Beziehung zum Roman als Form läßt sich demonstrieren etwa an seiner Neigung, neue Themen einzuführen oder wenigstens thematische Materialien so zu verkleiden, daß sie im Verlauf der Sätze ganz neu wirken. Nach Ansätzen in den ersten Sätzen der Ersten und Vierten wird diese Tendenz prononciert im zweiten Satz der Fünften, wo nach einem der langsamen Einschübe eine einigermaßen sekundäre Expositionsgestalt11 aufgegriffen und umformuliert12 wird, als beträte helfend, unerwartet eine zuvor nicht beachtete Person die Szene wie bei Balzac und schon im älteren romantischen Roman bei Walter Scott; Proust soll darauf aufmerksam gemacht haben, daß in Musik zuweilen neue Themen das Zentrum eroberten wie bis dahin unbemerkte Nebenfiguren in Romanen. Die Formkategorie des neuen Themas stammt paradox aus der dramatischesten aller Symphonien. Aber gerade der singuläre Fall der Eroica verleiht der Mahlerschen Formintention Relief. Bei Beethoven kommt das neue Thema der mit Grund überdimensionierten Durchführung zu Hilfe, als vermöchte diese der längst vergangenen Exposition schon gar nicht recht mehr sich zu erinnern. Trotzdem überrascht das neue Thema eigentlich gar nicht, sondern tritt ein wie ein Vorbereitetes, Bekanntes; nicht zufällig haben die Analytiker immer wieder versucht, es aus dem Expositionsmaterial abzuleiten. Die klassizistische Idee der Symphonie rechnet mit einer definiten, in sich geschlossenen Mannigfaltigkeit wie die aristotelische Poetik mit den drei Einheiten. Das schlechthin neu erscheinende Thema frevelt an ihrem Ökonomieprinzip, dem der Reduktion aller Ereignisse auf ein Minimum von Setzungen; einem Vollständigkeitsaxiom, das die integrale Musik so sehr sich zu eigen gemacht hat wie die wissenschaftlichen Systeme das Ihre seit Descartes' Discours de la méthode. Unvorgesehene thematische Bestandteile zerstören die Fiktion, Musik sei ein reiner Deduktionszusammenhang, in dem alles, was geschieht, mit eindeutiger Notwendigkeit folgt. Auch darin waren Schönberg und seine Schule dem klassizistischen Ideal des ›Obligaten‹, das heute seine fragwürdigen Momente hervorkehrt, treuer als Mahler. Bei diesem werden selbst Gestalten, die wie in der Fünften tatsächlich aus Vorhergegangenem motivisch entwickelt waren, zu frischen, der Maschinerie des Verlaufs entrückten. Wo die dramatische Symphonie ihre Idee zu ergreifen glaubt in der dem Modell der diskursiven Logik nachgeahmten Unerbittlichkeit ihrer Verklammerung, sucht die Romansymphonik aus jener den Ausweg: möchte ins Freie. Dabei bleiben die Mahlerschen Themen insgesamt wie Romanfiguren kennbar, noch als sich entwickelnde mit sich selbst identischen Wesens. Auch darin differiert er vom klassizistischen Musikideal, wo der Vorrang des Ganzen über die Teile der unbestrittene des Werdens über alles Seiende ist; wo das Ganze virtuell die Themen selber hervorbringt und sie dialektisch durchdringt. Umgekehrt aber ist bei Mahler die thematische Gestalt auch so wenig gleichgültig gegen den symphonischen Verlauf wie Romanfiguren gegen die Zeit, in der sie agieren. Impulse treiben sie an, als gleiche werden sie zu anderen, schrumpfen, erweitern sich, altern wohl gar. Solche sich eingrabende Modifikation eines Festen ist so unklassizistisch wie die Duldung bestimmten musikalischen Einzeldaseins, der unauslöschliche Charakter der thematischen Figuren. Sobald die traditionelle große Musik nicht durchführte und ›arbeitete‹, begnügte sie sich mit konservierter architektonischer Identität; kehrte in ihr Identisches wieder, so war es, abgesehen von der Tonart, identisch und nichts sonst. Die Mahlersche Symphonik jedoch sabotiert diese Alternative. Nichts darin wird von der Dynamik ganz verzehrt, nichts aber bleibt je, was es war. Zeit wandert ein in die Charaktere und verändert sie wie die empirische die Gesichter.

Der dramatisch-klassizistischen Symphonie verkürzt Zeit sich durch Vergeistigung, als hätte sie den feudalen Wunsch, Langeweile zu töten, Zeit totzuschlagen, zum ästhetischen Gesetz verinnerlicht. Der epische Symphonietypus aber kostet die Zeit aus, überläßt sich ihr, möchte die physikalisch meßbare zur lebendigen Dauer konkretisieren. Dauer selber ist ihr die imago von Sinn; vielleicht aus Gegenwehr dagegen, daß Dauer in der Produktionsweise des späten Industrialismus und den diesem angepaßten Bewußtseinsformen kassiert zu werden beginnt. Nicht länger soll über die Zeit mit musikalischem trompe l'oreille betrogen werden; sie soll nicht den Augenblick vortäuschen, der sie nicht ist. Die Antithesis dazu waren schon Schuberts himmlische Längen. Nicht bloß sind die Melodien, von denen dessen Instrumentalsätze zuweilen nicht sich losreißen mögen, so sehr ein An sich, daß der Gedanke an Entwicklung ihnen gegenüber nicht sich ziemte. Sondern Zeit mit Musik ausfüllen, der Vergängnis widerstehen durch das, was zu verweilen sein Recht hat, wird selber zum musikalischen Wunschbild. Auch es hat seine Vorgeschichte; schwer genug fiel es noch der Periode Bachs, der Musik zeitliche Extension zu erringen. – Über die Mahlerschen Längen zu lamentieren ist nicht würdiger als jene Gesinnung, die gekürzte Fassungen von Fielding oder Balzac oder Dostojewsky verhökert. Allerdings stellt ausschweifende zeitliche Extension bei Mahler an die zum Waren-Hören Dressierten kaum geringere Anforderungen als früher die symphonische Verdichtung: wo diese wacheste Konzentration verlangt, verlangt jene die vorbehaltlose Bereitschaft von Geduld. Mahler macht kein Zugeständnis an den Komfort des easy listening ohne Erinnerung und Erwartung. Dauer wird auskomponiert. Mochte es den Zeitgenossen Beethovens vor der gerafften Zeit seiner Symphonien schaudern wie vor den angeblich den Nerven schädlichen ersten Eisenbahnen, so schaudert es denen, die Mahler um fünfzig Jahre überlebten, vor ihm wie den Habitués der Flugzeuge vor einer Seereise. Die Mahlersche Dauer mahnt sie daran, daß sie selber Dauer verloren haben; vielleicht fürchten sie, gar nicht mehr zu leben. Das wehren sie ab mit der Überlegenheit des wichtigen Mannes, der versichert, er habe keine Zeit, und damit seine eigene schmähliche Wahrheit ausplaudert. Aberwitzig, Mahler und Bruckner durch Striche genießbar zu machen, die, nach dem Wort Otto Klemperers, ihre Sätze verlängern und nicht verkürzen. Nichts darin ist entbehrlich; wo etwas fehlt, wird das Ganze zum Chaos. Fast hundert Jahre nach Schubert ist für Mahlers Musik die bloße Länge nicht mehr göttlich. So geduldig sie in die Zeit sich ergießt, so ungeduldig horcht sie darauf, ob der musikalische Inhalt diese auch füllt; die kritische Frage ist das Agens ihrer Form. Kraft rücksichtsloser Durchbildung der Details und ihrer Relationen kündigt sie den Konformismus, mit dem österreichisch gemütlichen den aller zum Konsum verkommenen musikalischen Kultur. Ihrer Dauer wiegen die Augenblicke, die moments musicaux nicht weniger schwer als Schubert, auf den das Wort zurückdatiert. Denn nur vermittelt durch deren Intensität, nicht als vollgestopfte Strecke wird ihr die extensive Zeit zur Fülle.

 

Das Bindeglied zwischen dem romanhaften Wesen und dem Mahlerschen Duktus sind die Lieder. Ihre Funktion für die Mahlersche Symphonik läßt sich nicht, nach dem Muster von Wagners Wesendonkgesängen, unter den gängigen Begriff von Vorstudien subsumieren. Durch ihr eigenes symphonisches Element unterscheiden sie sich von fast jeder anderen musikalischen Lyrik derselben Epoche; die archaistische Textwahl, welche vom psychologisch individuierten Ich geflissentlich sich distanziert, schafft dafür die Bedingung. Richard Specht hat zu den kleinen Partiturausgaben der Mahlerschen Orchesterlieder eine unsägliche Einleitung beigesteuert. Er schreckt nicht vor der Behauptung zurück: »In früheren Jahrhunderten mag man in Marktflecken, unter Soldaten, Hirten, Landleuten so gesungen haben«13, ohne daß ihn an solchem Unsinn die »einzigartige Instrumentation« irremachte: »hier ist eine Delikatesse, eine Vielfalt der Farbentönung erreicht, die erst unserer Zeit, der Zeit nach Wagner und Berlioz, erreichbar geworden ist«14, während doch jene Künste nicht nur die Wiedergabe auf Messen und Märkten ausschließen, die es ohnehin nicht mehr gibt, sondern dem Begriff des Volkslieds ins Gesicht schlagen. Inmitten solcher Kontaminationen jedoch überrascht Specht mit der Bemerkung, es handele sich bei Mahler nicht um subjektive Lyrik. Paul Bekker hat die Einsicht fruchtbar gemacht: »Lied und Monumentaltrieb streben in Mahler zueinander. Das Lied wird aus der Enge subjektiven Gefühlsausdruckes hinaufgehoben in die weithin leuchtende, klingende Sphäre des sinfonischen Stiles. Dieser wiederum bereichert seine nach außen drängende Kraft an der Intimität persönlichsten Empfindens. Dies erscheint paradox, und doch liegt in solcher Vereinigung der Gegensätze eine Erklärung für das seltsame, Innen- und Außenwelt umspannende, Persönlichstes und Fernstes in sein Ausdrucksbereich einbeziehende Wesen Gustav Mahlers. Eine Erklärung für seine äußerlich oft so widerspruchsvolle Kunst, die scheinbar heterogenste Stilelemente wahllos durcheinander würfelt. Eine Erklärung für die Gegensätze in der Beurteilung und Bewertung seines Schaffens.«15 Erst im Lied von der Erde, das sich Symphonie nennt, wird die Idee subjektiver Lyrik, und nicht umstandslos, zu der Mahlers. Darin ist er ein Außenseiter in der Geschichte des deutschen Liedes von Schubert bis Schönberg und Webern; eher auf der Linie Mussorgskys, an dem solche Objektivität gelegentlich konstatiert wurde, oder der Janáceks; vielleicht tastete auch Hugo Wolf an Stellen, welche die übliche Grenze des komponierbaren Texts überschreiten, nach Ähnlichem; gerade in diesem Moment mag Mahler mit dem slawischen Osten, als einem Vorbürgerlichen, noch nicht durchaus Individuierten wesentlich sich berühren. Wem Mahler diese Lieder in den Mund legt, ist ein anderer als das kompositorische Subjekt. Sie singen nicht von sich, sondern erzählen, epische Lyrik, so wie die Kinderlieder, an deren Verhalten wenigstens die früheren der Mahlerschen als gebrochene Wiederkehr von Tanz- und Spielmelodien sich anlehnen. Ihr Strom ist gleichsam Bericht, Ausdruck dessen Kommentar. Solche stilisierte Objektivität bildet das homogene Medium von Mahlers Liedern und Symphonien. Jene entfalten sich in den Symphonien so, wie sie es prinzipiell an sich schon vermocht hätten. Die Totalität der Symphonien ist die der Welt, von der in den Liedern gesungen wird. Die zum Absurden tendierende, durch Montage divergenter Gedichte bewirkte Irrationalität der Wunderhorntexte, die Goethe in seiner Rezension vermerkte16, ist von Mahlers Kompositionsweise vindiziert: sie lädt jenen musikalischen Sinnzusammenhang ein, der so wenig begrifflich ist wie psychologisch. Volkselement und Subjektiv-Kompositorisches verhalten so sich zueinander, daß der Bodensatz des Absurden, Unterschlupf der Musik im Text, von jener nach ihrem eigenen Gesetz organisiert, ›rationalisiert‹ wird. Wie aber Mahlers Liedkompositionen zu den Gedichten stehen, so verfahren seine Symphonien insgesamt mit ihren thematischen Kernen. Das Einheitsmoment von Lyrik und Symphonie ist die Ballade, und Mahler plauderte wohl aus der Schule, wenn er in einem rein instrumentalen Satz, in einem Augenblick atemloser Anspannung, ein älteres Instrumentalstück zitierte, das den Titel Ballade trägt: die Chopinsche in g-moll im zweiten Satz der Fünften Symphonie17. Balladenhaft objektiv sind die Mahlerschen Lieder als Strophenlieder, während subjektive Lyrik den Strophenbau dem des Gedichts und der musikalischen Form opfert. Daher die besondere Schwierigkeit der Interpretation von Mahlers Orchesterliedern. Sie realisieren den strophischen Charakter und wandeln doch die Strophen mit fortschreitender Erzählung ab. Was sie erzählen, ist der musikalische Inhalt selber; ihn tragen sie vor. Daß Musik sich selber vortrage, sich selbst zum Inhalt habe, ohne Erzähltes erzähle, ist keine Tautologie, auch keine Metapher für den Habitus des Erzählenden, der vielem von Mahler fraglos zukommt. Das Verhältnis von Vortrag und Vorgetragenem in Musik seines Typus ist das zwischen den partikularen Momenten und dem Zug. Das Vorgetragene sind die konkreten Einzelgestalten, der musikalische ›Inhalt‹ im engeren Sinn. Der Vortrag aber ist der Strom des Ganzen. Indem jene Einzelmomente auf ihm schwimmen, stellt er sie gewissermaßen dar; die Reflexion der Details durch den Zusammenhang ist desselben Wesens wie die eines Erzählten durch die Erzählung. So vulgär dem Kunstwerk gegenüber die Trennung von Form und Inhalt, so schwächlich ist die abstrakte Versicherung ihrer Identität; nur wo beide Momente auch auseinander gehalten sind, werden sie bestimmbar als eines. Als vermittelte bleiben sie in ihrer Unterschiedenheit erhalten, und eben das erreicht der epische Gestus der sich vortragenden Musik. In ihm nimmt bei Mahler das Rätsel jeglicher Kunst Gestalt an, die den Betrachter, je besser er sie versteht, desto hartnäckiger mit der Frage, was sie sei und solle, quält. Gleich dem Erzähler sagt Mahlers Musik nie zweimal das Gleiche gleich: so greift Subjektivität ein. Durch sie wird das Unvorhersehbare, Kontingente, das sie berichtet, zur Überraschung als Form, dem Prinzip des immer ganz Anderen, das eigentlich erst emphatisch Zeit konstitutiert. Nie dürfen denn auch Mahlers Lieder ohne zeitliche Artikulation wie an einem Band aufgeführt werden – nur die Rewelge bestätigt mit der Vortragsbezeichnung »In einem fort« als Ausnahme die Regel, um eines Marsches willen, den selbst der Tod nicht unterbricht. Jene artifizielle Objektivität der Mahlerschen Lieder, Urbild seiner symphonischen, dürfte erhellen, warum alle, nach den drei ersten Heften, mit Orchesterbegleitung gesetzt sind. Mahler sträubte sich gegen das Klavier als das zu seiner Zeit bereits dinghaft klappernde Instrument subjektiver Lyrik, während das Orchester ein Doppeltes vermag: die kompositorische Vorstellung genau in konkreter Farbe registrieren, und durch das chorische Volumen, das ihm noch im Pianissimo bleibt, eine Art innere Großheit bewirken. Der bloße Klang stellt ein Wir als musikalisches Subjekt vor, wo das Klavierlied des neunzehnten Jahrhunderts in der Wohnung der bürgerlichen Privatperson sich einrichtete. Als Balladen organisieren sich die Mahlerschen Lieder nach dem Formgesetz des Erzählten, ein Zeitkontinuum aus aufeinanderfolgenden, miteinander wesentlich zusammenhängenden und doch abgesetzten Ereignissen. Die strophische, dabei nirgends mechanisch, zeitfremd wiederholende Schichtung musikalischer Felder wird übertragen auf die Symphonik. Während ihre Objektivität sich stützt auf den alten Wiederholungszwang, bricht sie ihn zugleich in der immerwährenden Produktion von Neuem. Aus der Zeitlosigkeit des Immergleichen läßt Mahler historische Zeit entspringen. Er nimmt damit die ursprüngliche antimythologische Tendenz des Epos und vollends dann des Romans18 auf. Am unverhohlensten nähern sich ihm manche von Mahlers ersten Sätzen, die am wenigsten durch die Statik von tanzartigen Schemata behindert sind. Fertig zu werden haben sie mit der Reprise. Entweder verkürzen sie diese so, daß sie gegenüber der Vormacht von Entwicklung kaum mehr zählt, oder modifizieren sie radikal. Im ersten Satz der Dritten Symphonie ist das Sonatenschema wirklich nur noch dünne Hülle über dem inwendigen, ungebundenen Formverlauf. Mahler riskiert darin mehr als jemals wieder, überbietet durch Komplizität mit dem Chaos selbst das Finale der Ersten. Nicht weniger monströs ist die Länge des Satzes als die Disproportionen. Die panische Fülle, die das beherrschende musikalische Subjekt virtuell ausradiert, wirft jeglicher Kritik sich in die Speere. Wie nicht selten kompositorische Innovatoren, scheint Mahler davor erschrocken zu sein; das nächste Werk war die höchst stilisierte, gestraffte Vierte. Auffällig im ersten Satz der Dritten der Verzicht auf alle bewährten Vermittlungskategorien. Ähnlich dem expressionistischen Schönberg werden die Komplexe nicht kunstvoll ineinander übergeführt. Auftrumpfend barbarisch, verbindet Mahler sie eben noch durch den bloßen Schlagzeugrhythmus, ein abstraktes Pochen der Zeit. Verschmäht ist das Glättende, Harmonisierende der vermittelnden Arbeit; Mahler wartet nur mit Brocken auf, nicht mit Brühe. Schon inmitten der Einleitung wird verwegen eine leere Hörkulisse jenseits der musikalischen Bewegung aufgestellt19. Nicht bloß nach Schulregeln scheint später die Überleitung zur Reprise durch bloße Trommeln absurd20. Aber angesichts der genialen Stelle torkeln solche Einwände hilflos wie die Ästhetik des juste milieu. Die Durchführung wird weggefegt, als wäre das kompositorische Subjekt des Eingriffs in seine Musik überdrüssig und ließe sie gewähren, damit sie unbelästigt zu sich selbst komme. Themen üblichen Stils fehlen, wie schon im ersten Satz der Zweiten, wo ein Hauptthema substituiert wird durch ein Rezitativ der Bässe und dessen cantus firmus-ähnliche Gegenstimmen. Im ersten Satz der Dritten aber sind die Komplexe, aus denen er sich fügt, überhaupt nicht mehr tektonisch da, sondern werden vor den Ohren des Hörers; besonders kraß, wo in der Reprise der Marsch nicht einfach eintritt, sondern, als wäre er latent immer weitergespielt worden, allmählich wieder hörbar wird21. Das Kopfthema, das man zunächst mit einem Hauptthema verwechseln könnte, ist nach Bekkers Bemerkung eher ein Sigel denn Material der Verarbeitung. Seine charakteristischen abwärtsschreitenden Sekundintervalle jedoch sind bereits die eines der später wichtigsten Marschmotive22. Die Proportionen des Satzes sind vorweltlich. Die improvisatorische, in zwei Riesenstrophen gebaute Einleitung überschattet die Marschexposition und -reprise, die dem Sonatenschema entsprächen; balanciert wird die Einleitung allenfalls von der ebenso unmäßigen Durchführung. Die literarische Idee des großen Pan hat das Formgefühl erobert; Form selber wird schreckhaft-ungeheuerlich, Objektivation des Chaos; nichts anderes ist die Wahrheit des diesem Satz gegenüber besonders mißbrauchten Naturbegriffs. Immer wieder schallen rhythmisch irreguläre Holzbläserfragmente als Naturstimmen herein; die Kombination von Marsch und Improvisation streift das Zufallsprinzip. Nirgends übt Mahler weniger Zensur am Banalen; da wird »Ich hab mich ergeben mit Herz und mit Hand«, da die Sommernachtstraumouverture von Mendelssohn vernehmbar, und das patriotische Lied vom Feldmarschall aus Schulgesangsbüchern pfeift dazwischen, als hätte es nie den alten Blücher gemeint. Der Satz reckt und dehnt sich nach allen Dimensionen wie ein Riesenkörper. Für Polyphonie hat er nichts übrig. Das Hauptmodell der Durchführung, der b-moll-Einsatz23, wird zwar ein paar Takte lang solo aufgestellt, als sollte er fugiert werden, beißt sich dann aber höchst fugenwidrig auf einer Note fest, und wer auf die wohlerzogene Antwort wartet, wird gefoppt. Ältere idiomatische Elemente wie die Schubertschen Doppelschläge sind potenziert zum antizivilisatorischen Überfall. – Der letzte Satz der Sechsten erbte von diesem die Frage nach der Möglichkeit gleichsam mehrbändiger musikalischer Romane und reagierte mit unerbittlicher Konstruktion. Die Dritte aber dreht dem Gedanken an Ordnung eine Nase und ist dabei doch so prall und dicht komponiert, daß es nirgends erschlafft. Die Organisiertheit des Desorganisierten dankt sie einem singulären Zeitbewußtsein. Erreicht ihr erster Satz eine eigentliche Allegro-Exposition, ist diese nicht einfach, wie der Rhythmus es suggeriert, ein langer Marsch, sondern der Teil verläuft so, als ob das musikalische Subjekt mit einer Kapelle mitzöge, die allerhand Märsche nacheinander spielt. Impuls der Form ist die Vorstellung einer räumlich bewegten Musikquelle24. Wie manche jüngste Musik hat der Satz, seiner inneren Struktur nach, kein festes, sondern ein labiles Bezugssystem. Dabei resultiert kein impressionistisches, raumhaft-unzeitliches Ineinander der Klänge wie in Debussys Feux d'Artifice, mit der Fanfare des 14. Juli, sondern die aneinandergereihten Teilmärsche stiften durch genaue Proportionen artikulierte Geschichte. Einmal wird es durchbruchsähnlich25, ein Marschabgesang schließt sich an26, bis, doch ganz ohne Ausdruck des Katastrophischen, eher als öffnete sich jäh ein neuer Aspekt, die gesamte Marschmusik zusammenbricht27. Die exzessiv vergrößerte Durchführung dann sammelt das antiarchitektonische Wesen der Exposition doch noch in die Architektur ein. Ihr Bau entspricht, wie nicht selten bei Mahler, und wie gelegentlich schon im Wiener Klassizismus, den gröbsten Umrissen nach dem, was vorher bis zur Durchführung geschieht, selbstverständlich ohne plumpe Parallelen. Sie ließe sich als gleichsam erste, aufs äußerste variierte Reprise analysieren, auf die dann eine zweite, die im engeren Sinn, folgt. Durch die angedeutete Wiederholung wird rückwirkend die Exposition zum architektonischen Trakt, während die gänzlich lockere Behandlung der Durchführung, die nirgends zweckrational auf ein Ziel hinsteuert und am Ende sich verläuft28, der antiarchitektonischen Intention treu bleibt. Reprisenähnlich ist zunächst der erste Durchführungsabschnitt als Allegro-Äquivalent der Einleitung29. Er mündet mit einem blassen Nachsatz des Englischhorns30 in die nächste Partie. Diese dann ist ein Analogon zum vagen Vorfeld des ursprünglichen Marsches; ihr teilt sich das Verblassen der Einleitung mit31. Der dritte Teil benutzt Marschbestandteile, aber, in Konsequenz der schwächeren Belichtung, lyrischen Tons, eine deutlich eingeschobene Episode in Ges32. Der vierte Durchführungsteil schließlich setzt, wie manchmal die letzten, entscheidenden Durchführungspartien bei Beethoven, mit jähem Entschluß ein33, so heftig von der Tendenz des Satzes sich losreißend, wie diese vorher die Kontrollen überflutete.

 

V

 

Wie das romangleich von den Schemata emanzipierte Einzelne zur Form sich gestaltet und von sich aus autonome Zusammenhänge inauguriert, wird zum spezifischen Problem der Mahlerschen Technik. Sie soll Mahlers Paradoxie, die Totalität eines nicht Eingefaßten, nicht Überwölbten entfalten, Synthesis von Offenheit und Geschlossenheit. Das visiert schon ein berühmter und naiver Ausspruch des jungen Mahler: eine Symphonie schreiben sei »mit allen Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt aufbauen«1. Zunächst erscheint dabei Technik gegenüber dem Komponierten noch als Auswendiges, im Dienst der Intention Anzuwendendes. Der Titel Symphonie der Tausend, den die Konzertdirektionen von 1910 zu seinem Verdruß der Achten Symphonie anhingen, beutet diesen Aspekt aus. Musik, welche die Welt noch einmal sein will, möchte alles aufbieten, was die Welt für ihren Zweck parat hat, ohne zunächst viel darum sich zu bekümmern, wie Verfügbarkeit und Idee miteinander sich vertragen. Rasch aber wird Mahlers Vorstellung von Technik durch die eigene Logik über jenen Ansatz hinaus getrieben. Als bloßes Aufgebot der orchestralen Mittel und anderer sogenannter Errungenschaften der Zeit bliebe sie dem Komponierten nicht weniger äußerlich als der überlieferte Formenkanon. Weil der kompositorische Komfort mit Mahlers unkomfortablen Absichten schlecht zusammengeht, meistert er denn auch jene Technik nicht so souverän wie Strauss, der Musterkonservatorist als Genius. Mühsam muß er, etwa durch nachträgliches Bachstudium, erwerben, was Komponisten, die von ihrer Kultur so durchdrungen sind wie Debussy, mitbringen. Die vorhandenen Mittel schicken sich nicht zur Mahlerschen Intention aufs nicht Vorhandene. Nicht nur muß er sie lernen, sondern vieles daraus, wie den satten Klang Wagners oder den ohne Hemmung zum Ganzen eilenden Schwung des noch in seinen Exzessen umgänglichen Strauss vermeiden. Er entwirft eine veränderte Idee von Technik selber, die integrale, die des Inbegriffs von kompositorischem Zusammenhang. An ihm partizipieren alle musikalischen Dimensionen als Teilmomente; er läßt keine von ihnen unangefochten. Aus der Gegenwehr gegen die Meisterschaft der anderen, die zur Fertigkeit verkommen war; aus den unverschminkten und provokatorischen Unbeholfenheiten der Ersten und Dritten Symphonie wird Meisterschaft restituiert, die schließlich den technischen Standard der Zeit durch die Identität des Komponierten und der Erscheinung unter sich läßt; im Gedanken an Mahler beanstandete Alban Berg an Strauss denn auch die Technik. Daß jedes Werk Mahlers das vorhergehende kritisiert, macht ihn zum Entwicklungskomponisten schlechthin; wenn bei einem, kann man bei seinem keineswegs umfangreichen oeuvre von Fortschritt reden. Was er besser macht, wird stets zu etwas Anderem; daher die höchst unbrucknerische Buntheit der Folge seiner Symphonien. Zur permanenten Selbstkorrektur mag den Komponisten die Probiertechnik des Dirigenten geschult haben, der gern retuschierte und uminstrumentierte. Auch wo er eigenes Älteres umkreist, wird fortgeschritten. In der ersten Nachtmusik der Siebenten Symphonie fluoreszieren die Wunderhornlieder als schon unwiederbringliche. Die Achte, an der man Analogien zur Zweiten bemerkt hat, klingt nach der kühneren Harmonik der Siebenten über weite Strecken schlicht diatonisch. Strauss soll nach der Münchener Premiere über das viele Es-Dur sich mokiert haben. Aber sie deckt als Keimblatt überraschend vieles aus der Spätphase, bis zu Anklängen an das Stück von der Jugend des Lieds von der Erde. Mahlers harte Entwicklungslinie schreibt schon, wie die wesentlicher Exponenten der neuen Musik, mit dem Fortgang des einzelnen Komponisten von Werk zu Werk musikalische Geschichte. So energisch verfuhr dann Schönberg, während bei Strauss die Bewegung nach der Elektra mit selbstmörderischer Vorsicht gebremst wird, und bei Reger, nachdem einmal die panchromatische Verfahrungsweise etabliert ist, kaum eine stattfindet. Nicht ihnen, nur Mahler ist ein Spätstil jenes höchsten Ranges zuteil geworden, der, nach Alban Bergs Wort, über die Dignität eines Komponisten entscheidet. Schon Bekker ist es nicht entgangen, daß die letzten Stücke dessen, der kaum älter als fünfzig Jahre wurde, Spätwerke im nachdrücklichsten Sinn sind: sie stülpen das unsinnlich Inwendige nach außen. Wieviel Mahlers kritischer Wille aber zu seiner Entwicklung beitrug, läßt schon an der mittleren Zeit sich belegen. Weder vergißt er in der Siebenten Symphonie, was er in der Sechsten vollbrachte, noch wartet er mit einem Aufguß auf: Phantasie konzentriert auf ihre Umrisse eine Lichtquelle, unter der sie nicht wiederzuerkennen sind. Die produktive Gereiztheit des Kapellmeisters dürfte an einzelnem Erstarrenden in der Sechsten, vor allem im Scherzo, sich geärgert haben; mit der ursprünglich publizierten Fassung war er nie ganz zufrieden und hat viel uminstrumentiert; seine letzte Anordnung der Sätze, mit dem Es-Dur-Andante vor dem Finale, sollte man achten, allein schon des Modulationsplans wegen; Es-Dur ist die Paralleltonart des c-moll, mit dem das Finale beginnt, um erst nach langer Vorbereitung für a-moll als endgültige Haupttonart sich zu entscheiden. Ein Gegengift gegen das Starre fand Mahler bei jenem Elan von Richard Strauss, der in den ersten Satz der Siebenten vernehmlich hineintönt, unmittelbar vor der Reprise der Einleitung und dann, vor allem, vor der des Hauptsatzes2. – Die erste auffällige Station von Mahlers Entwicklung war die Vierte Symphonie, die wahrscheinlich eben darum die ›vorhandenen Mittel‹ so sehr beschnitt. Der qualitative Sprung danach ist trotz der unterirdischen Gänge der Vierten zur Fünften unbestritten. Schwerlich stehen, wie eine hilflose Erklärung es will, die mittleren Werke im Gegensatz zu den vorgeblich metaphysischeren früheren fest auf der Erde. Ihre Faktur indessen ist unvergleichlich reicher, auch gestraffter: tatsächlich kennen sie die Welt besser. Was früher entworfen war, soll nun ausgeführt werden; die Elemente der Wunderhornsymphonien werden reflektiert, so etwa die Trompetenfanfare aus dem ersten Satz der Dritten in der Einleitung zum Finale der Sechsten3. Ein sich selbst entäußerter, fern gerückter Mahler bändigt das zu früh Formulierte zur Authentizität; darum mögen die mittleren Symphonien, wesentlich produktive Wiederholung, wo sie sich nicht eingreifend kontrollieren, Schablonenhaftes dulden, wie es in den spontan herausgeschleuderten Jugendwerken nicht begegnet. Erst in der Spätphase gewinnt er retrospektiv zweite Unmittelbarkeit. Durch Selbstreflexion objektiviert sich seine musikalische Intelligenz wie vormals die von Beethoven und Brahms, nicht als subjektive Eigenschaft des Komponisten sondern als eine der Sache selbst, die ihrer inne und damit eben zum Anderen wird. Die Leistungen der Mahlerschen Technik sind die ihren, Sorge um plastische Komposition und damit um Vergegenwärtigung. Sie hat den von der Musikhistorie behend als Romantiker Rubrizierten aus dem romantischen Bannkreis herausgeführt. Ähnlich wie Wagner träumt sein Werk von scheinlosem, ernüchtertem, nicht verklärendem Komponieren. Daran schulte es sich zur bestimmten Negation der musikalischen Ideologie der Periode. Heftig hat Mahler gegen das musikalisch Dumme reagiert, das im neunzehnten Jahrhundert nicht weniger sich breitmachte als im achtzehnten und siebzehnten; ihn ekelte vor der infantilen Wiederholung. Aber ihm schon war auch bewußt, daß das tektonische Element, wie es die Wiederholung primitiv vertritt, wiederum nicht exstirpiert werden kann. Mit diesem Widerspruch hat seine Intelligenz fertigzuwerden. Alles, wodurch die Jugendsymphonien, die Zweite zumal, bestachen, wird demgegenüber gleichgültig.

Die dergestalt fortschreitende Technik Mahlers hat ihre differentia specifica von der anderer Komponisten in der Variante, im Gegensatz zur Variation. Auch er schrieb, im Adagio der Vierten, Variationen; anderes, wie das Finale der Neunten, ist zumindest variationsähnlich. Aber das Variationsprinzip definiert nicht in der Schönbergischen Weise die Zusammensetzung seiner Musik, ihre ›peinture‹. Die Mahlersche Variante ist die technische Formel für das episch-romanhafte Moment der immer ganz anderen und gleichwohl identischen Gestalten. Zu vergleichen wäre irgendeine Beethovensche Variationsfolge mit einem beliebigen Lied Mahlers wie dem nächtlichen der Schildwache. Bei Beethoven werden einzelne Strukturmomente, zuvor die Generalbaßführung der Harmonien, festgehalten; andere, so die Einheiten der Bewegung oder die Lage der motivischen Hauptbestandteile, von Variation zu Variation folgerecht abgeändert. Bei Mahler wiederholt sich, nach der ersten Interpolation der Strophe des Mädchens, das Anfangsthema unangefochten, aber mit einzelnen sinnfälligen Modifikationen wie dem Ersatz der fünften Stufe von B-Dur im ersten Takt durch die fünfte der Paralleltonart g-moll, dann der sechsten Stufe von B-Dur durch einen mehrdeutigen übermäßigen Dreiklang und weiter des Zwischenspieltaktes auf der ersten Stufe von B-Dur durch die erste von G-Dur, jedoch mit treu korrespondierender Fortsetzung bis zur nächsten Differenz drei Takte später. Überall ist die Gesamtstruktur unverkennbar konserviert, überall aber sind in sie Finten eingelegt, harmonische Proportionen wie die von Dur- und Mollklängen gegenüber dem ersten Auftreten umgekehrt und dadurch die Anfangsformulierung des Themas nachträglich revoziert, als wäre sie dem improvisatorischen Belieben anheimgegeben. Durchweg bleibt der allgemeine Umriß der Mahlerschen Themen intakt. Es sind Gestalten, so wie die psychologische Theorie vom Vorrang des Ganzen über die Teile den Terminus verwendet. Inmitten dieser zugleich drastischen und vagen Identität jedoch ist der konkrete musikalische Inhalt, vor allem die Folge der Intervalle, nicht fixiert. Sind in Beethovens thematischer Arbeit gerade die kleinsten Motivzellen der Themen verbindlich für ihre Fortspinnung zu qualitativ verschiedenen Themenkomplexen; ist bei ihm die thematische Großstruktur technisches Resultat, so wandeln stattdessen bei Mahler die musikalischen Mikroorganismen inmitten der unverkennbaren großen Konturen der Hauptgestalten ohne Unterlaß sich ab, am rücksichtslosesten im ersten Satz der Dritten Symphonie. Die Beschaffenheit der Mahlerschen Themen qualifiziert sie besser zur thematischen Arbeit als zur motivischen. Ihre kleinsten Elemente sind unscharf bis zur Irrelevanz, weil die Ganzheiten selber zu wenig feste Größen darstellen, als daß sie in Differentiale aufzuspalten wären. Stattdessen werden umfangreichere Gruppen mit jener Vagheit erinnert, wie sie oft genug das musikalische Gedächtnis an sich erfährt. Das macht es möglich, sie umzunuancieren, umzubeleuchten, schließlich umzucharakterisieren, so daß die Varianten dann doch die Großthemen betreffen und schließlich tektonische Funktion gewinnen, ohne daß die Themen motivisch zergliedert zu werden brauchten. Solche Largesse in der Behandlung des Materials, wiederum dem Beethovenisch-Brahmsischen Ökonomieprinzip konträr, legitimiert technisch die Großflächigkeit von Mahlers epischer Symphonik. Bei ihm wird in Komplexen, Feldern gedacht. Er hat nichts von jener musikalischen Reaktionsform, die um jeden Preis Kontraktion wünscht und die nach ihm zuzeiten Ausschließlichkeit reklamierte. Sein symphonischer Atem verdankt sich nicht der gestauten Beethovenschen Kraft des Weiter, sondern der Großheit eines in die Ferne schauenden Gehörs, dem virtuell überall bereits die entlegensten Analogien und Folgen gegenwärtig sind wie der ihrer selbst mächtigen Erzählung.

In der Mahlerschen Themenkonzeption als der von ›Gestalt‹ mit mobilem motivischen Inhalt bahnt die Praxis der Schönbergischen Zwölftontechnik sich an, die gern stabile rhythmische Muster mit Tönen wechselnder Reihenformen ausfüllt. Weil Mahlers Themen, als relativ stabile, nicht in stetiger Entwicklung verändert werden, exponiert er sie aber auch nicht. Der Begriff des Themas als eines bestimmt Gesetzten und dann sich Modifizierenden ist ihm nicht adäquat. Eher ergeht es dem Kern wie Erzähltem in der mündlichen Überlieferung; bei jeder neuen Wiedergabe wird es ein wenig anders. Das Prinzip der Variante entspringt im variierten Strophenlied, insofern auch dessen Strophen nie eingreifend variiert werden können. Balladenhaft-antipsychologisch, wie Refrains kehren sie formelhaft wieder und sind doch so wenig starr wie homerische Formeln. Was geschah und was geschehen wird, affiziert sie. Sie bleiben auch nicht isoliert, sondern schieben oft sich ineinander. Meist wird an den kritischen Scharnieren, Abkömmlingen der Strophenenden, abgewichen. Das Verhältnis der Abweichungen zueinander, das Maß ihrer Nähe und Entfernung, ihre Proportionen und syntaktischen Beziehungen bilden die konkrete, auf keine allgemeine Regel zu destillierende Logik von Mahlers epischem Komponieren. Stimuliert aber die Technik der Variante den Formverlauf, so ist die Variante zugleich Prototyp seiner Form selber, als eines wie die musikalische Sprache Bleibenden und dennoch in Abweichung von der musikalischen Sprache Werdenden. Auf den festen identischen Kern, den es gleichwohl gibt, läßt nur schwer der Finger sich legen: als entzöge er sich der mensuralen Schrift. Kein Thema ist positiv, eindeutig da, keines wird je ganz fertig, endgültig; sie tauchen auf und unter im Zeitkontinuum, das von ihrer Unverbindlichkeit ebenso wie von der Stringenz der Abweichungen selber wiederum konstituiert wird. Insofern sind die Varianten die Gegenkraft zur Erfüllung. Sie enteignen das Thema seiner Identität; die Erfüllung ist positive Erscheinung dessen, was das Thema noch nicht war. – In manchen Sätzen, die Hauptthemen üblicher Prägung benutzen, ragen sie aus dem tatsächlichen musikalischen Verlauf eigentümlich heraus, so als wäre dieser nicht ihre eigene Geschichte; dem Andantethema der Sechsten Symphonie, einer recht geschlossenen Melodie, hat bereits Paul Bekker attestiert, daß sie während des Stückes gleichsam vergessen zu werden trachte. Stößt man in Mahlers thematischen Kernen auf ein Dinghaftes, Abgeleitetes, dann spottet dies nicht Spontane andererseits der Verdinglichungen der Formenlehre. Daß sie keine freien Setzungen des Subjekts sind und in ihrer Uneigentlichkeit gegen dessen Herrschaftsanspruch sich behaupten, entzieht sie zugleich der kompositorischen Hand, die sie zum Definitiven meißelte. Sie haben keine Wände innerhalb der Form, und ihr Verhältnis schafft jene Perspektive eines Ganzen, welches sonst die liedähnlich gerundeten Themen der nach-Beethovenschen Romantik verdrängen. Bei Themen, die bewahrt, aber nicht fest geronnen sind und die wie aus einer kollektiven Bilderwelt heraufkommen, wäre an Strawinsky zu denken. Aber die Mahlerschen Varianten sind auch keine unregelmäßigen, schief zusammengesetzten, untereinander unverbundenen Kuben. Sie stellen nicht die Zeit still, sondern werden von ihr produziert und produzieren sie in Konsequenz dessen, daß man nicht zweimal in denselben Fluß steigen kann. Die Mahlersche Dauer ist dynamisch. Das Ganz-anders seiner Fortsetzungen bindet keine Maske vor äffende Immergleichheit, sondern schmiegt innig der Zeit sich an, indem es noch in der traditionellen subjektiven Dynamik ein Dinghaftes wittert, den starren Kontrast zwischen dem einmal Gesetzten und dem, was daraus wird. Sein Prinzip ist nicht Gewalt sondern deren Negation. Der Fortgang willfahrt den qualitativen Implikationen der Gestalten. Mahlers Technik der Variante reicht bis ins musikalische Idiom hinunter, das jene Gestalten beseelt. Die Varianten sind der Schauplatz seines Dialekts; die Hochsprache schimmert hindurch, die Worte klingen näher und verschieden. Stets sind die Varianten technische Formeln der Abweichung von dem, was Recht behält, Geschichte schreibt, vom Offiziellen, das obenauf ist. Als Andersheit des Vertrauten dürfte die Variante an Mahler zuerst locken. Bei der »mit Humor« bezeichneten, grellen Passage der Es-Klarinette aus dem Scherzo der zweiten Symphonie4 wäre noch auszumachen, wie der Gang unverzerrt lauten müßte. Später sind die Mahlerschen Varianten nicht länger bequem als Karikaturen eines Regulären lesbar, sondern kompositorisch determiniert. Dafür bietet die Musiksprache Einsatzstellen, die Mahler ererbte; der Tonfall der österreichischen Komponiertradition ist von der Abweichung gesättigt, schon bei Schubert Mozart gegenüber.

Die Variantentechnik mag in einer Erfahrung wurzeln, die wohl jeder Musikalische früh machte und die nur von einem Respekt überwuchert wird, vor dem Mahler der vor der Sache feite: daß Variationen vielfach nach ihrem Thema enttäuschen, daß sie dabei verharren, es seines Wesens berauben, ohne es doch wahrhaft in ein Anderes zu entwickeln. So wird durchweg das Thema in älteren Figuralvariationen verschandelt, aber selbst noch in solchen des Beethovenschen Typus wie einigen aus dem zweiten Satz der Kreutzersonate. Die Mahlersche Variante übt produktive Kritik daran. Ihrem Gesetz zufolge darf die Abweichung nie das Modell nach Intensität und Sinn schwächen. Manchmal übernehmen bei Mahler Motive die Rolle des Jokers aus dem Kartenspiel, dessen ins Ornamentale transponierten Bildern die der Mahlerschen Musik überhaupt ähneln; sie sieht gelegentlich aus wie Kartenkönige. Über die Varianten solcher Jokermotive wird man leicht hinweggleiten, als wären sie Zufall; ein Moment des Zufälligen in ihrem Wechsel wohnt ihrem Sinn selber ebenso inne wie der Zufall den Glücksspielen. Aber der verweilende Blick deckt selbst in ihnen die kompositorische Logik auf. Eines ist addiert aus dem Schluß der ersten und dem Anfang der zweiten Halbphrase des Hauptthemas im Eröffnungssatz der Vierten Symphonie5, des Reichs der Schelle. Begleitet wird es von der Unterdominante. Sein Endglied wird sogleich herausoperiert6, und eine erste Variante folgt unmittelbar darauf7. Noch berührt sie die Unterdominante auf dem guten Taktteil, verläßt sie aber schon mit dem zweiten durch eine Ausweichung nach a-moll, der auskomponierten zweiten Stufe der Grundtonart. Die Harmonik ist gegen die Elementarform des ersten Auftretens intensiviert. Dafür gibt die Melodik nach. Bei identischem Rhythmus wird die charakteristische Aufwärtsbewegung der Sekund in der ersten Hälfte umgekehrt, und in den Sechzehnteln wird der fis-Höhepunkt vermieden: es bleibt, mit einer Tonwiederholung, bei dem e. Gerechtfertigt aber ist dies Decrescendo der Melodie durch die Linie: das vorausgehende Anfangsmotiv nämlich, welches das des Hauptthemas selbst variiert, steigt nicht mehr auf, sondern senkt sich von seinem Höhepunkt, der ersten Note h an, und diese Senkung begreift die Intervallverhältnisse des Jokermotivs ein. In der ersten Variante wirken demnach eine verstärkende und eine abschwächende Tendenz gegeneinander. Die zweite, zwei Takte später, sorgt für deren Ausgleich in entschieden fortschreitender Intensität. Die harmonische Ausweichung wird stärker durch den tonartfremden Baßton b, eine kräftige Nebenstufe. Die Melodie aber, der die unmittelbar vorhergehende Gestalt noch im Ohr liegt, geht wieder in die Höhe, auf f, ohne doch das fis des Anfangs schon wieder zu erreichen. Diese Version wird, damit keine jähe Gewalt geschähe, beim nächsten Auftreten des Motivs wiederholt8, nur durch eine harmonische Alteration minimal verändert. Zwei Takte danach9 wird sie bestätigt: nun harmonisch weiter verstärkt durch nachdrücklichere Ausweichungen von der Grundtonart und eine melodische Version der Sechzehntel, die, über einem verminderten Septimakkord, a berührt, eine Terz höher als die ursprüngliche Gestalt. Gegen Ende der Exposition des Hauptthemas also wirkt das Motiv horizontal und vertikal am frischesten, um dann, in Begleitstimmen, bis zum Eintritt des Überleitungssatzes sich aufzulösen. Was ihm an Abenteuern in der Durchführung widerfährt, würde allenfalls nach deren üblichem Begriff nicht wundernehmen. Allein die spezifisch Mahlersche Variantentechnik setzt in der Reprise sich fort. Die phantasierende Expansion der Themen aus der Durchführung zittert in ihrer Reprisengestalt nach. Wo das Jokermotiv in der Reprise offen wiederkehrt10, ist zwar die Harmonisierung der zweiten Variante mit dem b im Baß benutzt, die gewissermaßen die älteren Gestalten überholte, die Melodie aber schwingt sich eine Septime auf zu d, eine Quart über dem bisherigen Höhepunkt des Motivs, und in seiner harmonisch nur wenig abweichenden Bekräftigung zwei Takte später bis zum hohen f. Die Schwächung, welche in der Exposition die Senkung vom fis auf das damals eine Oktav tiefere e und f bedeutete, wird gleichsam wiedergutgemacht. In der Coda des Satzes schließlich wird das Motiv, melodisch und durch Neuharmonisierung11, sorgfältig vorbereitet, auf seinen absoluten Höhepunkt geleitet, ein a, genau eine Oktav über jenem, welches das Motiv gegen Ende der Exposition des Hauptthemas vorläufig gewonnen hatte. So rational sind die Mahlerschen Irrationalitäten. – Mit seiner Erfahrung wird die Variantentechnik immer präziser. In den Spätwerken konzentriert sie sich oft auf kritische Noten innerhalb eines Themas oder selbst Motivs. Gerade was an einem melodischen Teilganzen auffällt, wird modifiziert. Das Minore-Thema des ersten Satzes der Neunten Symphonie etwa enthält ein nicht leitereigenes gis12, das den dissonanten Charakter des gesamten Komplexes in sich bestimmt; eben dies gis aber oder sein Äquivalent wird dann vielfach durch ein a, also die reine Quint zum Grundton von d-moll ersetzt. Ratz hat in seiner Analyse detailliert die formbildende Funktion gerade des Wechsels der beiden kritischen Töne gezeigt13. Ähnlich wird das über den ganzen Satz ausgestreute chromatische Bindemotiv14 später einer Variante unterworfen, in der der kritische Ganztonschritt zum letzten Motivglied, von e nach fis, zur kleinen Terz e-g sich erweitert. Dadurch begibt, wie der Ton der gesamten Reprise es will, das Motiv sich des Schneidenden, um schließlich mit dem Kern der Schlußgruppe zu verschmelzen15.

 

Traditionellerweise wären die musikalischen Teilkomplexe Resultanten der Spannung zwischen den vorgeordneten Kategorien, zumal der Tonalität, und dem singulären kompositorischen Impuls. Beides war durch einander vermittelt; die Details miterzeugt von tonalen Verhältnissen; die Tonalität bestätigt oder wiederhergestellt von den Einzelimpulsen. Form jedoch, im engeren Sinn der Musiktheorie, also die innerzeitliche große Architektur, war seit langem außerhalb dieses Wechselspiels. Entweder wurde das spezifische Leben der Komposition wohl oder übel nach den vorgegebenen Kategorien zurechtgestutzt, oder die Einzelimpulse verabsolutierten sich und benutzten die Form nur noch als Vehikel. Mahler endlich restituiert die Wechselwirkung. Er überträgt sie auf die Formorganisation im großen. Diese ignoriert nicht die überkommene Architektur. Gelegentlich, wie im ersten Satz der Sechsten Symphonie, hinter deren Exposition ursprünglich Wiederholungszeichen standen, wird ihr gerade von sehr expansiver Musik die Reverenz erwiesen; gefüllt aber ist sie selbst hier mit weithin Unschematischem: ein Choral etwa dient als Überleitungsgruppe. Auch was stringent auf die sonatenhaften Modelle sich beziehen läßt, hat sein individuelles Bewegungsgesetz. So verbot sich im Finale der Sechsten, nach der nicht nur sehr umfangreichen, sondern auch bereits vom symphonischen Zug durchherrschten Einleitung, und der aufgetürmten Durchführung, eine aufdringlich symmetrische Reprise. Soweit das Formgefühl Symmetrien erwartet, sorgt dafür die rondohafte Wiederkehr der Einleitung. Bei stetigen Varianten von strikter modulatorischer Funktion im Fortgang des Ganzen ist sie das relativ statische Element. Andererseits erfordern die übergroßen Komplexe nach dem Brauch der Tonalität, der sie sich verpflichten, einen Ausgleich, die Homöostase der Konstruktion. Ihr zuliebe konzediert Mahler doch eine Art Reprise. Diese aber kümmert sich um das Vorhergehende, indem sie die Reihenfolge der Hauptkomplexe einigermaßen umkehrt. Dem Satz, der unermeßliche Zeiträume durchfährt, glückt die Quadratur des Zirkels: er ist dynamisch und tektonisch in einem, ohne daß das eine Prinzip das andere annullierte. Die Reprise beginnt mit ihrem zweiten Themenkomplex, setzt sich jedoch nicht ab, sondern verschmilzt mit der Einleitung16. Diese schickt sich dazu, weil in ihr schon am Anfang, wie unter Glas, die Hauptmotive des zweiten Themenkomplexes ausgestellt waren. Unterdessen haben all jene Motive sich, nach einem um 1900 gebräuchlichen Wort, ausgelebt. Aus ihrer Präexistenz ist die reale symphonische Existenz geworden. Der zweite Themenkomplex wird dadurch, daß er nun gleichwie im Rahmen der erweiterten Einleitung erscheint, aus der ausdrücklichen, relativ getreuen Reprise draußen gehalten; weder wiedergekäut noch vernachlässigt. Die Reprise kann sich mit dem ersten Themenkomplex begnügen und wird kurz erledigt, wiederum ohne aufzuhalten. Sie wird abermals, ähnlich dem Verfahren der Durchführung des ersten Satzes der Vierten Symphonie, vom Vorhergehenden nicht getrennt, sondern der Musikstrom gleitet unvermerkt in sie hinein17. Hat das Ganze einmal seinen Schwung gewonnen, so werden die Zäsuren kleiner als zuerst: der symphonische Zug desavouiert den symphonischen Formalismus. Lieber mißachtet Mahler die topographische Übersichtlichkeit und verschleift ursprünglich scharfe Konturen, als daß er der Stringenz des inneren Formgefühls zuwiderhandelte. Listig zieht er die Reprise, deren er bedarf, von der Oberfläche der Wahrnehmung ab. Das verleiht ihr im Finale der Sechsten den Ausdruck des schemenhaften Geisterzugs wie in der Rewelge. Die Reprise wird zum revenant; der Charakter legitimiert den Rest an Symmetrie. Nicht hier allein wechseln bei Mahler Partien der nachdrücklichsten, leibhaften Gegenwart der Musik mit derart geisterhaften. Manche Sätze entwickeln sich, um ihre eigene Wirklichkeit zu erringen oder zu verlieren; Musik soll erst als Resultat ihres Vollzuges ganz präsent sein. Das Romansubjekt, das in der Musik die Welt finden möchte, bleibt doch uneins mit dieser. Rettung erhofft es von seinem Übergang zu eben jener Wirklichkeit, vor der es in sich zurückzuckte; durch seine inwendige Bewegung selbst möchte es sie wiederfinden. – Was im zweiten Expositionskomplex des Finales unerwähnt blieb, wird dann flüchtig nachgeholt, auch die Coda ist überaus summarisch. Die Reprise war die Crux der Sonatenform. Sie machte das seit Beethoven Entscheidende, die Dynamik der Durchführung, rückgängig, vergleichbar der Wirkung eines Films auf einen Zuschauer, der nach dem Ende sitzen bleibt und den Anfang noch einmal sieht. Beethoven hat das durch ein tour de force bewältigt, das ihm zur Regel ward: im fruchtbaren Moment des Reprisenbeginns präsentiert er das Resultat der Dynamik, des Werdens, als die Bestätigung und Rechtfertigung des Gewesenen, dessen, was ohnehin war. Das ist seine Komplizität mit der Schuld der großen idealistischen Systeme, mit dem Dialektiker Hegel, bei dem am Ende der Inbegriff der Negationen, und damit der des Werdens selber, auf die Theodizee des Seienden hinausläuft. In der Reprise blieb Musik, als Ritual der bürgerlichen Freiheit, gleich der Gesellschaft, in der sie ist und die in ihr ist, der mythischen Unfreiheit hörig. Den in sich kreisenden Naturzusammenhang manipuliert sie, als wäre das Wiederkehrende kraft seiner bloßen Wiederkehr mehr, als es ist, der metaphysische Sinn selber, die ›Idee‹. Umgekehrt aber behält reprisenlose Musik ein nicht bloß kulinarisch Unbefriedigendes, Disproportionales, Abruptes: so als fehlte ihr etwas, als hätte sie kein Ende. Tatsächlich wird alle neue Musik von der Frage gequält, wie sie schließen könnte, nicht bloß aufhören, nachdem die kadenzierenden Schlußbildungen es nicht mehr leisten, die selbst etwas vom Reprisenwesen in sich haben, das, wenn man will, nur die Kadenzformel aufs Große überträgt. Mahlers Auskunft auf die Alternative aber konvergiert mit der der größten Romane seiner Generation. Wo er formgerecht Vergangenes wiederholt, singt er nicht dessen Lob oder das von Vergängnis selber. Durch die Variante erinnert seine Musik sich von weither des Vergangenen, halb Vergessenen, erhebt Einspruch wider seine absolute Vergeblichkeit und bestimmt es doch als Ephemeres, Unwiederbringliches. Ihre Idee hat sie an solcher errettenden Treue.

Mahlers Kritik der Schemata transformiert die Sonate. Nicht nur in der Sechsten, sondern häufig: auch in der Ersten, Dritten, Vierten, Siebenten sind die eigentlichen Allegro-Expositionen auffallend kurz. Vorbild dafür, komplementär zur Expansion der Durchführung, ist die Eroica. Bei Mahler opponiert solche Kürze dem architektonischen Wesen. Je weniger er statische Entsprechungen anstrebt, desto weniger ausführlich braucht er die Komplexe zu behandeln, die sonst sich entsprachen; was aber nun einmal architektonisch Identität repräsentieren muß, wird durch Kürze unaufdringlich. Im Prinzip permanenter Abwandlung erobert die Durchführung sich die Präponderanz; aber sie fungiert nicht länger als dynamischer Gegensatz zu statischen Grundverhältnissen. Damit verändert sich die Sonate bis ins Innerste. Aus den Expositionen, vordem Strukturen von schwerem eigenen Gewicht, werden Expositionen im bescheidenen Sinn der Vorstellung von dramatis personae, deren musikalische Geschichte dann erzählt wird. Als Mahler in der Neunten Symphonie, wohl dank der Erfahrungen des Lieds von der Erde, die Sonate drangab, hat er bloß offenbart, wozu subkutan sein gesamtes Werk sich anschickt. Sein extensives Zeitbewußtsein verlangt auseinander hervorgehende Abschnitte. Ihre Spannung, die mit Aufstieg und Fall die der älteren Symphonik überbietet, wird durch die Proportionen der Teile erzeugt, nicht durch Zuspitzung. Zur Sonate steht das Mahlersche Gesamtwerk disparat. In der Ersten Symphonie ist die kurze Allegro-Exposition einthematisch, das orthodoxe Gesangsthema fehlt. Allgemein neigt Mahler dazu, die zweiten Themenkomplexe knapp zu formulieren. Nach romantischer Übung holen seine ›Gesangsthemen‹ sich vom Lied die geschlossene Melodie, jeweils ein in sich einigermaßen Fertiges; ihre Formfunktion fürs Werden ist ihre relative Statik. Was aber zunächst einmal nur da ist, kann meist unmittelbar, bündig gesagt werden. Würden die Oberstimmenmelodien der Seitensatzthemen verlängert und ausgekostet, so verdrängten sie die symphonische Totalität. – In der Dritten Symphonie wird die Sonate entmächtigt, indem nach ihren Kriterien Einleitung, Expositionshauptsatz und Durchführung disproportional geraten. Der erste Satz der Vierten freilich ist Sonate, doch archaistisch wie einst schon der erste Satz der Beethovenschen Achten; das zweite Thema wäre für eine eigentliche Sonate ein viel zu selbständiges Instrumentallied; auch die Schlußgruppe ist, bei aller Kürze, weniger eine solche denn ein drittes Thema, weitab vom Vorhergehenden. Nachträglich erst werden die kontrastierenden Gedanken zur vielverzweigten Einheit in der Durchführung, der ersten Mahlerschen, welche die Expositionsbestandteile explikativ entwickelt: mit ihr hebt der Satz wahrhaft als Geschichte an. Nach der orthodoxen Reprise ergänzt die Coda, was jene an ihrem Anfang versäumte. Trotz alldem jedoch weigert auch dieser Satz sich dem Sonatenwesen, nicht nur weil alles in Anführungszeichen komponiert ist; weil die Musik spricht: Es war einmal eine Sonate, sondern auch technisch. Die Expositionskomplexe differieren so sehr, sind auch so energisch getrennt, daß sie von vornherein nicht zu einem Urteilsspruch sich kontrahieren lassen. – Die Fünfte Symphonie findet sich mit der Sonatenidee ab, indem sie gewissermaßen in zwei erste Sätze sich spaltet; der erste wäre dem Geist nach Exposition, der zweite deren Durchführung. Der Expositionssatz ist ein nach Karrees disponierter Trauermarsch, ohne eigentliches freies Durchführungsfeld; der zweite als Sonatenrondo mit eigener Durchführung gebaut; die ausführlichen Interpolationen aus dem ersten Satz beirren das Sonatengefühl. Tendiert die Fünfte zum Sonatengeist, so ist sie desto empfindlicher gegen das Schema. Ihm stellt sich erst der erste Satz der Sechsten Symphonie. Freilich wird auch in ihm der zweite Themenkomplex sehr komprimiert und die vielbeschimpfte Hauptmelodie daraus in der Reprise nur eben angedeutet. Die Anlage des Satzes dürfte durch eine Idee des Tragischen angeregt sein, die Mahlers Weltschmerz von der gängigen Ästhetik akzeptiert, ohne zunächst sie an seiner eigenen Formintention zu messen. Seiner Selbstkritik mochte temporär die höchst originelle, exzentrische Verfahrungsweise der drei ersten Symphonien unverantwortlich lax dünken. An der traditionellen Sonatenform disziplinierte er sich. Indem er ihr zu genügen sich anstrengte, erwarb er sich die Verfügung über durchbrochen thematische Arbeit, das feine Gefädel. Das Metier der reifen Werke half sie vergeistigen. Jene Errungenschaften hat Mahler dann auch festgehalten, als er frei genug war, die erschwerenden Bedingungen, die er seit der Vierten Symphonie sich auferlegt hatte, wieder fahren zu lassen. Darüber hinaus ist das Sonatenskelett im letzten Satz der Sechsten unentbehrlich zur Verklammerung der Dimensionen: die Steigerung der expansiven Kraft darin bedarf komplementär einer des ordnenden Vermögens. Im Bewußtsein der vollen technischen Meisterschaft traut er sich den Beethovenschen Typus zu. Ohnehin war das epische Komponieren nie der bloße Gegensatz zum Dramatischen, sondern auch wie Romane ihm nah im Zug, den Spannungen, den Explosionen. Nun zollt Mahler dem Drama das Seine in einer Sonate, die er paradigmatisch fest baut als Hauptthema, Überleitung, Seitensatz und Schlußgruppe. Tragik weigert sich der nominalistischen Form. Die Totalität, die zum eigenen Ruhm den Untergang des Einzelnen sanktioniert, dem keine Wahl bleibt, als unterzugehen, herrscht unbestritten. Mahlers Emanzipation von der Sonate war durch sie selbst vermittelt. Ihre Idee hat er in den mittleren Symphonien absorbiert, um am Ende so zu gestalten, daß jeder Takt gleich nah zum Mittelpunkt ist.

 

Um die große Form geht es deklariertermaßen im Finale der Sechsten Symphonie, neben dem ersten Satz der Dritten dem längsten Instrumentalstück Mahlers. Die Formidee ist dadurch von der des älteren verschieden, daß die epische Expansion aufs straffeste ihrer selbst mächtig wird: insofern ist der Satz das Zentrum von Mahlers gesamtem oeuvre. Die Polyphonie der Fünften Symphonie wird vertagt; die Zeitdimensionen wären inkompatibel mit der kontrapunktischen Aufmerksamkeit aufs Simultane. An ihre Stelle tritt nicht minder enge sukzessive Verknüpfung durch reichste thematisch-motivische Arbeit. Für sie ist das Material hinter den Kulissen prädisponiert. Zwischen den beiden Hauptkomplexen gibt es, trotz ihrer Mahlerschen Prägnanz, ungezählte Querverbindungen, vor allem durch das Sekundintervall und den punktierten Rhythmus; zu Beginn der Reprise des ersten Themas werden sie kontrapunktiert. Dem emphatischen Grundcharakter gemäß ist der Satz Sonatenfinale, nicht Rondo. Die lange Einleitung dient nicht nur, viermal auf je wechselnden Stufen einsetzend, zur Artikulation des Ganzen, sondern wird später dem Allegro integriert. Sie stellt sogleich dessen Hauptmotive vor, während einige ihrer spezifischen Themen wie der düstere, nicht erhörte Choral18 selber durchgeführt werden. Der Hauptsatz schließt sich nicht, nach dem Herkommen, unmittelbar an die Einleitung an, sondern es wird in ihn durch ein kurzes Allegro moderato hinübermoduliert, von der Anfangstonart c-moll zur Haupttonart a-moll; später erinnert sich Mahler an diese Zwischenversion des ersten Themas in einem der wichtigsten Modelle der Durchführung19. Der erste Komplex der eigentlichen Exposition20 ist ein energischer Marsch. Ihn führt ein nach traditioneller Weise in Achtelbewegung begleiteter, mit dem Einleitungschoral verwandter ›Einsatz‹21 des Blechs fort, der in ein Auflösungsfeld mündet. Der zweite Themenkomplex beginnt mit deutlichem Ruck in D-Dur22; auch er absichtsvoll kurz, in seinem raschen Aufschwung aber wohl das romanähnlichste Gebilde von Mahler überhaupt, wie ein gefährdetes Boot tanzend auf unregelmäßigen Wellen. Ohne im Nachsatz seiner simplen Sequenzen sich zu schämen, ist dies asymmetrische, von durchlaufender Bewegung gereinigte Thema unergründlich durch seinen Ausdruck. Er changiert zwischen leichtsinnigem Glück und hochbrandendem Rausch. Dazu hilft ihm sein Bau. Prosahaft reiht es heterogene Bestandteile, vor allem rhythmisch weit voneinander gelegene Werte aneinander, die gleichwohl kraft ihrer harmonischen Verspannungen ganz ineinander gewachsen sind. Man könnte hier wie übrigens auch anderwärts bei Mahler von Satzdörfern reden im Gegensatz zu den allzu geraden Straßen, welche traditionell als spezifisch symphonisches Gebot verstanden werden. Zugleich gestattet die komplexe Gestalt des Themas, es ebensowohl als Einheit zu verwerten, wie einzelne Bestandteile auszuwählen und fortzuspinnen, vor allem auch all die unterirdischen Beziehungen zwischen seinen Motiven auszunutzen. Verzichtet ist, nach dem drastischen Dualismus von Haupt- und Seitensatz, auf eine ausführlichere Schlußgruppe oder ein drittes Thema. Die Durchführung beginnt, nach der verkürzten und andeutenden Interpolation des Einleitungskomplexes23, abermals mit einem modulatorischen Ruck, schroffer diesmal als zu Beginn des zweiten Themenkomplexes: so mochten große Romanciers wie Jacobsen ganze Perioden im Leben ihrer Helden auslassen und mit jähem Entschluß kritische Phasen ihres Lebens belichten; was Jacobsen ausdrücklich als Prinzip der »schlechten Komposition« sich erkor24, wird auch in Mahlers großem Formexperiment zu dem einer guten. Die Riesendurchführung, wahrhaft hier die eigentliche Symphonie, war derart zu konstruieren, daß sie weder in Mißverhältnisse zum Vorhergehenden gerät, noch in sich selber sich verstrickt. Dafür reicht jene phantasierende Freiheit nicht aus, die das Schema der Durchführung als sein Korrektiv zumißt. Jene Freiheit kommt nur darin zu Ehren, daß die jeweils sehr präzis ihre Modelle durchführenden Hauptpartien gegen ihr Ende durchweg ausschwingen, als lockerte ihr eigener Verlauf den Zwang; solche Parallelität von Auflösungsfeldern vereinheitlicht ebenso die Mannigfaltigkeit der Charaktere, wie sie das Gebändigte doch erweicht; der große Rhythmus der Durchführung wird selber einer von Notwendigkeit und Freiheit. Jede Anspannung wird gewissermaßen belohnt. Auch die Gasse der Freiheit ist kein Naturschutzpark. Gerade dort, wo der Satz durch und durch in Bewegung gerät, gehorcht er rigoroser Konstruktion. Die Durchführung gliedert sich, wie die im ersten Satz der Dritten, scharf nach vier Teilen. Der erste25 ist eine freie Variante des zweiten Themenkomplexes der Exposition. Er kompensiert für dessen Kürze und baut die Brücke zwischen Durchführung und Exposition, als wäre er deren rückläufige Reprise. Die Tendenz zur Rückläufigkeit wirkt nach bis in jene viel spätere, eigentliche Reprise. – Den ersten Durchführungsteil bestreitet wesentlich der passionierte Nachsatz des zweiten Themas26. Der Anfang des zweiten wird kenntlich durch den ersten Hammerschlag27. Im Sinn der krebsgängigen Großkonstruktion – Berg liebte sie später – wird darin das Hauptthema noch ausgespart. Der zweite Sektor hat vielmehr dessen einsatzähnliche Fortsetzung zum Gegenstand und expliziert ihre Verwandtschaft mit der Einleitung ebenso wie die mit dem zweiten Themenkomplex. Am Schluß steigert sie eine Reminiszenz an den Hauptmarsch der Exposition28, an dessen fanfarenhafte Bläserwiederholungen und Trillerketten, zu barbarischer Wildheit, knatternd wie zuvor die Holzklapper29. Die Generalpause30 dabei hat ihr thematisches Vorbild in einer Achtelpause in der Exposition31. Vor der dritten Durchführungspartie32 schafft diese Zäsur Luft in dem sonst überdichten Gewebe, führt die Spannung zu einem Doppelpunkt, gleichsam dem einer Marschintroduktion, so daß die Unterbrechung nur die Erwartung verstärkt, die dann in dem großen Marsch, jener dritten, zentralen Durchführungspartie, eingelöst wird. Treu dem Sonatengeist wird darin der motivische Kern des Hauptthemas verarbeitet, aber als Werdendes, nicht fest Geronnenes. Die Dynamik des kompositorischen Charakters teilt sich der kompositorischen Verfahrungsweise mit; unregelmäßig wird noch die Regel befolgt. Der Zug des jetzt erst widerstandslos sich Entwickelnden läßt die Durchführung auch in der kritischen Partie ihrer Mitte keine Sekunde lang erlahmen. Sein breit verströmendes Ende wäre architektonisch das Äquivalent etwa des Schlusses der ersten Durchführungspartie. – Auf den Anfang der vierten und letzten fällt abermals ein Hammerschlag33. Sie korrespondiert, als eine Art Choralbearbeitung des Fortsetzungsthemas aus dem ersten Expositionskomplex, sichtbar der zweiten. Der große Marsch ist eingelassen zwischen die Betonpfeiler jenes Bläserthemas. Dank seiner Affinität zur Einleitung verbindet es sich ohne Riß mit deren ausführlicher Wiederkehr. Auch die Korrespondenz zwischen zweiter und vierter Durchführungspartie aber ist nicht mechanisch: diese variiert jene gesteigert. Das Brucknersche Potential perspektivischer Durchblicke inmitten der Durchführung kommt hier erst zu sich selber. Konstruktiv wacht die Korrespondenz von zweitem und viertem Abschnitt darüber, daß der große Marsch, indem er zwischen Festes sich einfügt, bei aller Expansionskraft nicht das Ganze überflutet, sondern in der Totalität der Durchführung das relative Gewicht eines Teilganzen behält. – Jene Expansionskraft hat freilich in der Durchführung sich erschöpft. Nach der umgestellten Reprise wird die Einleitung34, bei ihrem letzten Auftreten, nur eben noch gestreift; unverweilt schließt eine Coda im schwarzen Posaunenklang. – Einfall des Finales der Sechsten ist dessen Formidee, nicht die auf jene hin konzipierten Einzelthemen. Den Gehalt des Stückes stiftet seine großartige Formimmanenz. Die unersättlich rauschhafte Steigerung des Gefühls zu leben, zehrt sich selber auf. Die Erhebungen sind die zum Sturz in jene Finsternis, die erst in den letzten Takten den musikalischen Raum ganz erfüllt. Durch rein musikalische Drastik wird, was in dem Satz geschieht, eins mit seiner eigenen Negation.

Der erste Satz der Siebenten gehört in die Nachbarschaft der Ecksätze der Sechsten. Aber die Mahlersche Fähigkeit, Symphonietypen aus sich heraus zu erneuern, rastet auch nicht im Nachklang. Durch Umbeleuchtung wird der ganze Satz zur Variante. Er überträgt die Errungenschaften der vorausgehenden Instrumentalsymphonien auf die Bilderwelt des früheren Mahler; angesichts der vorherrschenden Helldunkel-Wirkungen ist das wohlfeile Epitheton einer romantischen Symphonie entschuldbar. Bei nachdrücklichster Konstruktion ist der Satz sinnlich bunter als alles, was Mahler zuvor schrieb; sein Spätstil hat darauf zurückgegriffen. Das Dur strahlt durch hinzugefügte Noten, als eine Art Über-Dur35 wie in dem berühmten Akkord aus dem Adagio von Bruckners Neunter36. Die Kontraste, auch die des Klangs, vertiefen sich und damit die Perspektive; selbst der Bläserchor wird in sich abgetönter als zuvor, etwa durch die Gegenüberstellung von Tenorhorn und solistischen Posaunen. Unter Ausnutzung der Terzverwandtschaft läßt Mahler erstmals weit voneinander lokalisierte, nach diatonischen Spielregeln unverbundene Akkorde sich folgen37. Überhaupt wird der harmonische Vorrat merklich größer. Horizontale und vertikale Quartenbildungen mögen, mit Eigentümlichkeiten der Themenformulierung, unmittelbar in Schönbergs ein Jahr später entstandene Erste Kammersymphonie hineingewirkt haben. Wie beim jungen Schönberg wird die erweiterte Harmonik konstruktiv. Unverbrauchte Kadenzen stärken das Tonalitätsbewußtsein; vielfach kadenziert der Satz mit der Gebärde von Entschlossenheit38. Mehr noch als in der Sechsten entspricht der erste Teil der Durchführung einer rudimentären Variante der Exposition, komponiert frei die Wiederholungszeichen des Schemas aus. Daran schließt sich ein langer, exterritorialer, mehrfach durchbrochener Episodenteil. Was sich danach wie der Beginn der Zentraldurchführung anhört39, mit Beethovenschem Gestus anbefohlen, bleibt im Bann der hartnäckigen Episodenstellen gleich dem zweiten Satz der Fünften; die eigentlich durchführenden Partien sind äußerst knapp. Mahlers epische Intention experimentiert mit der in der Sechsten Symphonie erworbenen Technik: die Durchführung spaltet sich auf in zwei sonatenfeindliche Elemente, eine Expositionsvariante und ein durch Motivvergrößerung auf die Einleitung zurückgreifendes Episodenfeld, das schließlich in die Reprise jener Einleitung mündet: das qualitativ Andere wird vollends kompositionsimmanent. Die Reprise ist gegenüber der Exposition gesteigert, aber schulgerecht. Aus dem Schatten der Sechsten, in dem der Satz existiert, wird dann das Schattenreich der drei Mittelsätze. Verschwunden ist der tragische Anspruch der Sechsten. Ihn verscheucht wohl weniger jenes ominös Positive, das freilich das Finale ruiniert, als das dämmernde Bewußtsein davon, daß die Kategorie des Tragischen mit dem epischen, in der Zeit offenen Musikideal nicht sich verträgt. Komponieren, das der Totalität mächtig ward, besinnt sich auf deren Gegenteil, den Sinn aus Stücken.

 

Der Mahlersche Nominalismus, die Kritik der Formen durch den spezifischen Impuls, reißt auch den Satztyp in sich hinein, der, Erbschaft aus der Suite, seit Haydn am zähesten sich erhielt, Menuett und Scherzo; allein bei Mendelssohn war er umgedacht. Der Ländler von Mahlers Erster ist traditionell noch durch die Orientierung an Bruckner, nicht nur in der Art der Thematik, sondern auch in den derb verschobenen, dabei in sich jeweils statischen harmonischen Ebenen; im Trio von einem harmonischen Reichtum und einer Finesse40, die vom Stilmodell des Bauerntanzes nicht sich übertölpeln läßt. Die Wienerische Zärtlichkeit jenes Trios kehrt wieder in der zweiten Nachtmusik der Siebenten und, von weit her, im Lied von der Erde; schon werden die Endungen resigniert fallengelassen41. Hat der Walzer aus dem Freischütz, vor allem dessen Aufsplitterung in Fragmente gegen Ende, etwas Mahlersches, so dankt es ihm die Erste durchs Zitat42. – Die Scherzi der Zweiten und Dritten, beide symphonisch uminterpretierte und vergrößerte Lieder, verschmelzen den Scherzotyp mit dem der strophischen Ballade und bringen ihn damit erstmals in Fluß; durch Einschiebung nicht wiederholter und nicht wiederholbarer Felder möchten sie aus dem Einerlei der Tanzdrehung heraus. Präzis zieht das Scherzo der Vierten aus denen der vorausgehenden Symphonien das Fazit. War Mahler jedoch einmal etwas schlackenlos gelungen, so hat er nervös kaum mehr danach sich umgeschaut. Seine Kritik zieht die historisch seltsam widerstandsfähige Form unerbittlich ins Kraftfeld des symphonischen Komponierens. Mit einer Anstrengung, die er selbst43 als außerordentlich muß empfunden haben, konzipiert er in der Fünften das Novum des Durchführungsscherzos. Zwar werden zunächst Scherzoteil und erstes Triopraller freilich mit Charakteren als je zuvor im Schema – deutlich hingestellt, aber mit Verzahnungen versehen, durch die sie ineinandergreifen. Ihr abgezirkeltes Wesen wird dynamisiert, ohne daß der Bauplan sich verdunkelte, ein wahres Meisterstück. In ihm hat die Mahlersche Polyphonie einen ihrer Ursprünge. Weil die Scherzotänze ebenso fest umrissen bleiben wie wechselfältig sich durchdringen müssen, kombiniert er sie simultan, vermischt die Scherzothemen kontrapunktisch. Die Coda geht darin mit vier gleichzeitigen Themen44 am weitesten. Die Künste sind keine Spielerei: sie allein bändigen die extensive Fülle der Tanzgestalten, ohne von ihr etwas nachzulassen. Die Formanlage des Satzes, ohne den übrigens Straussens Rosenkavalier kaum zu denken wäre, ist selber vom Kontrapunkt determiniert. Die sukzessiven Themen heben voneinander schon ähnlich sich ab wie gute Kontrapunkte von einem cantus firmus. Die orchestrale Meisterschaft erweist sich an kleinsten Zügen. Gleich zu Beginn ist die Gegenstimme der Klarinetten und Fagotte so gesetzt, daß sie völlig deutlich wird, nicht matt, schwächlich, wie man beim bloßen Lesen es befürchtet. Die volle Setzweise wirkt über sich hinaus; an einer Stelle führt die pure Zweistimmigkeit von obligatem Horn und ersten Geigen den Reichtum des vollen Orchesters vorher noch mit sich45. Das schlußgruppen- und abgesangähnliche Ende des Scherzo-Hauptteils46 wird, was es ist, durchs Ökonomieprinzip; jene Gruppe kehrt die Hauptlinie um. Erinnerung an ein nie zuvor Gehörtes ist die Pizzicato-Episode47, Urbild des Schattenhaften bei Mahler; der darauf folgende »schüchterne« Oboeneinsatz48 hat sein Unbeschreibliches daran, daß die Stimme wie lebendig unter die Schatten sich wagt. – Schroff kontrastiert zu jenem Scherzo das der Sechsten. Laboriert das der Fünften an der Möglichkeit symphonischer Einheit aus suitenhaft gereihten Tänzen, so fragt das der Sechsten, motivisch und harmonisch mit den Ecksätzen verklammert, wie aus einem Minimum an Ausgangsmaterialien ein Maximum wechselnder Charaktere zu destillieren sei. Scherzo und Trio rücken zusammen; eine Variante des Triothemas, unverhüllt im Duktus, erscheint ganz zu Anfang der ersten Scherzo-Exposition49. Die Regelwidrigkeit verstärkt die Einheit, auf die der Satz es abgesehen hat; stolziert später das »altväterisch« betitelte Trio einher, so gerät es, als hätte man das Gespenst schon geträumt, in unbehagliche Leibnähe zum Scherzoteil. Die Einheit, die nichts ausläßt, soll selbst charakterisieren, jene quälende Insistenz herstellen, die schon das starre, intentioniert stecken bleibende Scherzothema präludiert. Solche Starrheit überträgt sich auf zu viele Themen der gesamten Sechsten, als daß man sie einem Ermüden der melodischen Invention zuschreiben dürfte: sie meint dasselbe Unerbittliche wie die Sonatenstrenge. Das Bedrohliche, durch Masse Erdrückende des Scherzos ist fraglos Wirkung der bei Mahler singulären Verfahrungsweise. Nicht überall freilich ist die angestrengte Ökonomie sicher vor unfreiwilliger Monotonie. Erst der Schluß gewinnt die Authentizität eines Ende schlimm, alles schlimm. – Das Scherzo der Siebenten ist wieder Durchführungsscherzo wie das der Fünften, doch reduziert unter der Notwendigkeit, zwischen die beiden Nachtmusiken ein drittes Charakterstück zu stellen. Das eben nur skizzierte und unterbrochene Trio, rührend sprechend wie kaum etwas anderes von Mahler, wird buchstäblich Opfer der symphonischen Durchführung, roh verzerrt wie einst die Berliozsche idée fixe der Geliebten im wüsten Finale50, um freilich sogleich im Nachsatz seine Schönheit mit gesammelter Würde wieder zu erlangen51.

 

VI

 

Der Antagonismus der Mahlerschen Technik als der von wiederholungsfeindlicher Fülle hier, dicht zusammengewachsener, sich fortbewegender Totalität dort betrifft nicht nur die Form im engeren Sinn der sukzessiven Komplexe, sondern durchzieht alle kompositorischen Dimensionen. Denn eine jegliche nutzt Mahler gleichermaßen zur Realisierung aus; sein Werk ist Vorstufe des integralen Kunstwerks. Sie stützen einander, eine hilft über Schwächen der anderen hinweg. Paul Bekker hat die Trivialität des Hauptthemas des später großartig sich aufschwingenden und erfüllenden Andantes aus der Sechsten Symphonie bemängelt; vielleicht allzu spröde gegen den trübselig innigen Ton der Kindertotenlieder in jener Melodie. Doch mochte ihre ohrenfällige Gesanglichkeit Mahler selbst nicht befriedigen. Er hat darum das zehntaktige Thema metrisch so disponiert, daß sich Ambivalenzen zwischen Phrasenenden und -anfängen ergaben. Die Wiederholung des Anfangsgedankens fällt anstatt auf eins auf drei, also einen relativ schwachen Taktteil; metrische Irregularität ist die Mitgift, welche die volksliedhaften Melodien der symphonischen Prosa einbringen. In dem kunstvollen Scherzo der Vierten verschieben die Schwerpunkte einer Hauptgestalt sich achtelweise1. Mahlers Rhythmik ist ein zartes und bevorzugtes Mittel seiner Variantentechnik. Mit ständigen Vergrößerungen und Verkleinerungen bewahrt er auf agogisch einfachste Weise ein melodisch Identisches ungeschmälert und modifiziert es doch. Die Kindertotenlieder sind besonders reich an derlei Bildungen. Dank solcher Veranstaltungen verlieren Mahlers Themen die Spur des Banalen, die, wer Lust hat, an manchen Intervallfolgen rügen könnte; meist isoliert der Begriff der Banalität bei Mahler rechthaberisch einzelne Dimensionen, blind dagegen, daß bei ihm nur deren Verhältnis zueinander und keine singuläre den Charakter, die ›Originalität‹ definiert. Daß die Mahlersche Verfahrungsweise durch ihre Mehrdimensionalität dem Vorwurf des Banalen entrückt ist, besagt nichts gegen die Existenz banaler Elemente und gegen ihre Funktion in der Konstruktion des Ganzen. Was den banalen Musikstoffen durch kompositorische Künste wie die metrischen widerfährt, ist eben jene Brechung, welche das Banale dem Kunstwerk einfügt, das dabei doch seiner als eines Agens eigenen Wesens, sogar als eines Unmittelbaren im musikalischen Zusammenhang bedarf. Auch die Kategorie des Banalen bei Mahler ist dynamisch: es erscheint, um paralysiert zu werden, ohne in dem kompositorischen Prozeß ohne Rest unterzugehen. Jener ist die disziplinierende Gegenkraft, prägnant Mahlers ›Technik‹. Sorge für die Realisierung konkretisiert sich der Fülle gegenüber im Postulat der Deutlichkeit in allen Schichten. So genau hat der große Dirigent seine Pappenheimer, die Orchester und auch die anderen Kapellmeister, gekannt, daß er allen Unsinn, den sie aus Schlamperei, mangelndem Verständnis, Zeitnot oder unterm Druck der Klangmaterie begehen, voraussah. Die Vortragsbezeichnungen ebenso wie viele Eigentümlichkeiten der Instrumentation in den reifen Werken sind Schutzmaßnahmen gegen die Interpreten. Der kommende Bruch zwischen der Musik selbst und ihrer adäquaten Wiedergabe wird von jener verzeichnet: Mahler hat versucht, narrensicher zu komponieren. Es bestätigt seine Weisheit nicht weniger als die der Fischpredigt, daß genau die Fehler, die er verhindern wollte, immer wieder begegnen; daß etwa die Prominenzen immer wieder dort eilen, wo die Partitur sie davor warnt. Sorge um richtige Wiedergabe ist zu einem Kanon der Komposition geworden. So komponieren, daß die Aufführung es nicht zerstören kann, virtuell also diese bereits abschaffen, heißt zugleich: in sich ganz deutlich, eindeutig komponieren. Weil nichts verschwimmen darf, wird wie bei Berg die romanhafte Fülle prüfender Ökonomie untergeordnet. Maximale Wirkungen erreicht Mahler mit einem Minimum an Mitteln. Schon in seinem exzessivsten Werk, der Dritten, klingt eine Wendung im Menuett, als ginge ein Riesenschauer durch die Musik2, ohne daß doch das Tutti bemüht wäre; es genügt der solistische Klang des Menuettkomplexes. Instrumental ist die Wirkung vorher vermiedenen Details zuzuschreiben wie dem Eintritt der vier Hörner, dem akkordischen Einsatz der Harfe und dem einfachen Forte in den Streichern. Zum ersten Mal gelangen die Geigen ganz in den Vordergrund, so daß die Komposition einen Augenblick lang voll nach außen sich kehrt, während sie bis dahin vegetativ vor sich hin spielte. Den wahren Grund des Effekts aber dürfte, wie den eines jeden, der mehr ist als bloß Effekt, die Komposition selbst enthalten, den sehr hellen Vorhaltsklang a-e-h-d-g und den darauf folgenden kleinen Dominantnonenakkord. Mahlers typische Setzweise, die Dreiteilung in Melodie, Nebenstimmenkomplexe und Baß; der Hang zu einer durch Verdopplungen und Akkordkopplungen überblendeten Dreistimmigkeit, so unähnlich dem üblichen Bild von Orchesterpolyphonie, möchte die sukzessive Fülle durch einfache Präsentation des Gleichzeitigen aufhellen. Von der Fünften Symphonie an wird, vermöge der Technik der motivischen Verknüpfung, dann auch der Satz reicher und dichter.

Die zunehmende Integration des Mahlerschen Kompositionsverfahrens setzt nicht, wie vielfach nach ihm, die Substantialität der einzelnen Dimensionen herab, sondern verleiht ihnen erst recht Relief; rückwirkend kräftigt das Ganze die Momente, die es hervorbrachten. Beim frühen Mahler hatte die Harmonik zwar ihre Eigenheiten, war aber noch kein autonomes Medium. Nur wo andere Elemente, wie Melodik und Metrik, sich spezifizieren, bereichern sie die Harmonik mit dissonanten Brechungen und Stufen. Schon in der Dritten Symphonie gibt es, wie dann im Trauermarsch der Fünften, feurig-flüssige Akkorde, deren Komplexität in sich lebt; so ziemlich früh in der Einleitung3. Eine rezitativische Stimme der Bässe kollidiert mit der eigentlichen Harmonie; wann immer das geschieht, kommen weiterhin in der Dritten unregelmäßige Klänge zustande4. Im Konflikt zwischen liegenden Harmonien und emanzipierten Einzelstimmen wird, wie dann in der neuen Musik, der vertikale Klang durch den Kontrapunkt gezeitigt. Auf das schönste Beispiel der Interdependenz von Melodik und Harmonik beim jungen Mahler hat Alban Berg aufmerksam gemacht, jenen Mittelsatz des Mädchens in ›Der Schildwache Nachtlied‹, wo ein Bogen mit weiten Intervallen und die zwischen Geradtaktigkeit und Ungeradtaktigkeit alternierende Rhythmik sich spiegeln in körperhaft tiefen Akkordfortschreitungen und Klängen wie jenem, der die Noten c-h-dis-fis-d zusammenstoßen läßt5, ohne daß er, aus der Stimmführung deduziert, zum Flecken in der harmonischen Textur würde; nicht minder schön ist die Variante dazu in der Coda, die in völlig veränderten Akkorden den Dissonanzcharakter festhält und am Ende auch mit einer schärfer dissonanten Umschreibung des Dominantseptimakkords von B-Dur – einem d anstelle eines c – ins Weite sich auftut6. Beim reifen Mahler werden solche harmonischen Funde häufiger. Durch Perspektive modellieren sie die Form. So erreichen die Harmonisierungen der zweiten Themen der ersten Sätze der Sechsten und vor allem der Siebenten Tiefenwirkungen, welche die Themen über den bloßen Einfall hinaus als Momente des Gesamtverlaufs bestimmen; dabei wird die Harmonik selbst herzbrechend wie ehedem nur manchmal bei Schubert. Derart harmonisiert Mahler vor allem Eckpunkte, Themenscharniere, wo die Harmonisierung eine dritte Dimension aufreißt, die das zweidimensionale Wesen der Melodieflächen im Vordergrund aufs symphonische Gesamtvolumen bezieht. Die einst verwegenen Klänge solcher Stellen zumal in der Siebenten7 haben mittlerweile sich eingebürgert bis hinunter zu Gebrauchskomponisten von Balletten und zur Unterhaltungsmusik. Bei Mahler aber würzen sie nicht, sondern verdeutlichen, als auskomponierte Stufen, den Sinn, den melodischen erst, dann den Fluß der Form. Solche Zweckmäßigkeit wächst ihrer Schönheit selbst zu und hält sie jung wie die sinnverwandten Fortissimoakkorde auf dem Höhepunkt des letzten Orchesterstücks aus Schönbergs op. 16. Freie und dissonante Harmonisierung veranlaßt in der Siebenten auch die Linie zu großen und dissonierenden Intervallen; unvergleichlich an Bergs Lieblingsstelle aus der zweiten Nachtmusik, einer trübsinnig zärtlichen Passage, welche die Sologeige, die zweiten Geigen und die Solobratsche einander abnehmen8, als ob sie Akkorde entblätterten; derlei Wechselwirkungen von Vertikale und Horizontale sind anachronistisch modern, ohne daß bis heute die Moderne ihresgleichen hätte.

 

Wie Mahlers Harmonik hat sein Kontrapunkt sich an der dichteren symphonischen Textur gekräftigt. Mahler hat ihm erst in der Vierten sein Augenmerk zugewandt, um ihn dann in der Fünften und später als kompositorische Dimension ganz einzubeziehen. Selten freilich kontrapunktiert er durch ganze Sätze hindurch; meist nur Abschnitte, die er eben dadurch charakterisiert. Sein erster Satz von nachhaltigem polyphonen Anspruch, der zweite der Fünften Symphonie, behandelt kontrastierend die langen Einschübe aus dem ersten Satz weiterhin homophon, als ob der Druck des Ineinander gefügter Musik ihr unerträglich würde bis zum Zerreißen. Durchkontrapunktiert ist dafür der folgende Satz, das große Scherzo. Das wirbelnd bewegte Stück, ein zur Symphonie vergrößerter Walzer, hat seine große Zäsur9, den Augenblick der Suspension. Aber das jäh Erscheinende bleibt nicht als solches draußen, sondern entwickelt sich in ein zweites Trio. Während es der Qualität der Andersheit nie ganz sich begibt, gehen seine Themen doch in die symphonische Totale ein; in der Reprise, unmittelbar vor der Coda, wird es dann auch samt der Zäsur verkürzt wiederholt10. Die kontrapunktische Gesamtdisposition des Satzes erzwingt technisch die Immanenz dessen, was in die Musik hineinschlägt; die Einheit der vielstimmigen Durchbildung sträubt sich gegen alles, was ihrem Gesetz nicht unterworfen wäre. Exterritoriales dagegen ist desto möglicher, je loser komponiert wird. Mahler verhält zum Kontrapunkt sich zwiespältig. Er war, sonderbar genug, am Wiener Konservatorium vom Kontrapunktstudium, auf Grund seiner eigenen Kompositionen aus der Lehrzeit, befreit. Nach dem Bericht von Natalie Bauer-Lechner hat er darunter später gelitten: »da ich seltsamerweise von jeher nicht anders denken konnte als polyphon. Hier aber fehlt mir wahrscheinlich heute noch der Kontrapunkt, der reine Satz, welcher da für jeden Schüler, der ihn geübt hat, spielend eingreifen müßte.«11 »Jetzt begreife ich, daß Schubert, wie man erzählt, noch kurz vor seinem Ende Kontrapunkt studieren wollte. Er empfand, wie der ihm fehlte. Und ich kann ihm das nachfühlen, weil mir selbst dieses Können und ein richtiges, hundertfältiges Üben im Kontrapunkt aus der Lernzeit so abgeht. Da setzt nun an dessen Stelle bei mir allerdings der Intellekt ein, aber der Kräfteaufwand, der dazu erfordert wird, ist unverhältnismäßig groß.«12 Die Berufung auf den »Intellekt« zeugt davon, daß er, trotz der These von seinem primär polyphonen Denken, die Kontrapunktik als Vermitteltes erfuhr; das belegt auch die Homophonie der drei ersten Symphonien. Mit Polyphonie meinte er offenbar jenen Hang zum chaotisch-unorganisiert Tönenden, zur regellosen, zufälligen Gleichzeitigkeit der ›Welt‹, deren Echo seine Musik durch ihre künstlerische Organisation hindurch werden will. An Polyphonie liebte er, was der »Schulfuchserei« ins Gesicht schlug, von der Mahlers Schwager Arnold Rosé einmal sprach; ihr war in Mahlers Jugend der Kontrapunkt noch überantwortet. Licht auf diesen Aspekt wirft eine Stelle der Bauer-Lechner, die kaum hätte erfunden werden können: »Als wir nun sonntags darauf mit Mahler denselben Weg gingen und bei dem Feste auf dem Kreuzberg ein noch ärgerer Hexensabbath los war, da sich mit unzähligen Werkeln von Ringelspielen und Schaukeln, Schießbuden und Kasperlntheatern auch Militärmusik und ein Männergesangverein dort etabliert hatten, die alle auf derselben Waldwiese ohne Rücksicht auf einander ein unglaubliches Musizieren vollführten, da rief Mahler: ›Hört ihr's? Das ist Polyphonie und da hab' ich sie her! – Schon in der ersten Kindheit im Iglauer Wald hat mich das so eigen bewegt und sich mir eingeprägt. Denn es ist gleich viel, ob es in solchem Lärme oder im tausendfältigen Vogelsang, im Heulen des Sturmes, im Plätschern der Wellen oder im Knistern des Feuers ertönt. Gerade so, von ganz verschiedenen Seiten her, müssen die Themen kommen und so völlig unterschieden sein in Rhythmik und Melodik (alles andere ist bloß Vielstimmigkeit und verkappte Homophonie): nur daß sie der Künstler zu einem zusammenstimmenden und -klingenden Ganzen ordnet und vereint.‹«13

Kontrapunktik war Mahler die sich selbst entfremdete, dem Subjekt aufgenötigte Gestalt des Musikalischen, im Extrem das bloße ineinander Klingen. Das fugale Wesen galt ihm vorab für komisch, und etwas von solchem Verdacht müßte polyphonisches Denken wachhalten, wenn es nicht hinter Mahler zurückfallen will in Heteronomie. Aber er hat auch, wie alles Entfremdete, das kontrapunktische Wesen absorbiert, gerade insoweit das vielfach Tönende die thematische Einheit übersteigt. Seine Vielfalt ist selber zugleich Organisationsprinzip, nach Mahlers Wort »Ordnung«. Die Verflochtenheit der Stimmen, jenes Integral der Musik, das nichts ausläßt, gewissermaßen den ganzen musikalischen Raum durchflutet und den virtuellen Hörer inhuman aus der Musik vertreibt, wird ihm zunächst zum Gleichnis eines ausweglos erstickenden Funktionszusammenhangs. Anstelle der perpetuum mobile-Sätze der Jugendsymphonien bemüht Mahler sich um die artikulierte Durchbildung auftauchender, gegeneinander gesetzter, wieder verschwindender Stimmen. Ihre Dichte wird unerbittlicher, aber auch, durch den Zuspruch ihrer Logik, weniger sinnlos als die Gleichförmigkeit ununterbrochener Bewegung, in der nichts geschieht. Vorm Gestaltenreichtum solcher Immanenz müßte die bloße Fanfare, als Allegorie des ihr Entrückten, geistig ebenso versagen, wie sie kompositorisch ohnmächtig dagegen blieb. Je enger Technik und Gehalt im Komponierten sich verschwistern, desto weniger grob polarisiert sich die Bilderwelt. Wird Polyphonie von der Vorstellung des Weltlaufs erweckt, so stärkt sie zugleich, als Bedingung der Wahrheit von Musik, ihre Autonomie: »Wo Es ist, soll Ich werden.«

Durch solche Autonomie unterscheidet der Mahlersche sich vom neudeutschen Kontrapunkt seiner Epoche, dem Straussens wie dem Regers: eben durch Deutlichkeit. Füllungen bleiben Füllungen, harmonisch sans phrase; Stimmen, auch Nebenstimmen, sind melodisch durchgebildet; zwitterhafte Füllstimmen schreibt Mahler nicht, auch keine ungefähren, mitschwirrenden Arabesken. Er ist allergisch gegen Scheinkontrapunkte, die in Wahrheit bloß den harmonischen Verlauf duplizieren. Lieber als um der Klangfülle willen Polyphonie vorzutäuschen, nimmt er gelegentliche Dürftigkeit des Satzes in Kauf. Der erste spezifisch Mahlersche Kontrapunkt ist jene spitzige Oboenmelodie, die im dritten Satz der Ersten gegen den Kanon gesetzt ist14: Programm des Mahlerschen Tons. Solche Kontrapunktik ist unmittelbar charakterisierender Absicht. Die ätzenden Charaktere vertragen sich gut mit dem technischen Bedürfnis, zu den quasi-volksliedartigen Melodien solche hinzuzufügen, die überdeutlich, wie Negationen fast, von ihnen sich unterscheiden. Die Definition von Themen als von differierenden wird dann vielfach absolut, ihr selbständiges Wesen; Charakter ist Differenz schlechthin. Dennoch hat Mahler nur selten konstruktiv verbindlichen: mehrfachen Kontrapunkt geschrieben, den Klangraum wirklich durch Polyphonie konstituiert15. Wo er so weit geht, im Scherzo der Fünften, in Komplexen ihres Finales, im ersten Satz der Achten, wird er durch Stilisierungsprinzipien – oft das Fugato – dazu bewogen, allenfalls in der Burleske der Neunten Symphonie kompositorisch unmittelbar. Wie im karikaturistischen ›Lob des hohen Verstandes‹, war offenbar selbst für den späten Mahler der mehrfache Kontrapunkt mit dem Odium des Zopfigen, schulmeisterlich Bornierten behaftet; kaum zufällig ist der durchkontrapunktierte Satz der Neunten ›Burleske‹ überschrieben und »meinen Brüdern in Apoll« gewidmet, als sollte mit denen, die strebend sich bemühen, auch das Fugenwesen als ihre Domäne verspottet werden; das Suspensionsfeld ist homophon. Wie der musikalische Klassizismus, und gewiß die Meistersinger, assoziiert Mahler den Kontrapunkt vielfach noch mit Humor und Spiel; Ernstfall ist ihm das freie, autonome Leben der Form. Aber im Spielen regt sich doch schon das polyphonische Bedürfnis: es möchte auf Konstruktion hinaus. Beim späten Mahler rebelliert der Kontrapunkt. Insgesamt sucht seine Polyphonie nach einer Verfahrungsweise, die prägnant wäre und frei in eins. Sie dürfte er als Entscheidendes der Volksmusik verdanken. Ihm war kontrapunktieren: zu einer Melodie eine zweite hinzuerfinden, die es nicht weniger ist, ohne doch jener gar zu sehr zu ähneln oder sie zu überwuchern. So verfuhr man wohl auf dem Land bei mehrstimmigen Improvisationen über Lieder; Mahler mag der ›Überschlag‹ aus den österreichischen Alpen vor Augen gestanden haben, wie ihn dann Berg in dem Mahler huldigenden Violinkonzert ausdrücklich schrieb; jene zu einer Melodie nach harmonischen Regeln simultan addierte zweite, die deren Schatten und doch in sich selbst melodisch ist; nur entfernen Mahlers freie Kontrapunkte, bei zunehmender Reife, immer weiter sich von der Abhängigkeit des Überschlags von seiner Melodie, auch dort, wo sie in stilisierten Tänzen hinzuerfunden werden16. In der Konzeption solcher Kontrapunkte war Mahlers Phantasie unerschöpflich. Auch kontrapunktisch denkt er in Varianten. Die übereinander gelagerten Stimmen reichern den Satz stetig an, jede Reprise eines Formkomplexes wird durch sie zu einem Anderen, und dennoch der Kern nicht tangiert. So war schon die Cellomelodie im langsamen Satz der Zweiten Symphonie empfunden, übrigens ein doppelter Kontrapunkt zum Hauptthema, dem langen Ländler. Die frühesten überschlagsähnlichen Wendungen bei Mahler, aus dem zweiten Satz der Ersten Symphonie17, sind Brucknerisch; an ihrem Typus überlagernder Polyphonie wurde Mahler allmählich zum Meister des freien Kontrapunkts. Strukturell antwortet jene Technik auf eine Beschränkung: daß durchweg bei Mahler die eigentlich melodischen Stimmen über einer harmonisch fungierenden tiefsten, sei's einem Baß, sei's liegenden Unterstimmen, sich erheben; unter dem bei ihm noch herrschenden Primat der Harmonik können Oben und Unten nicht so unbedenklich vertauscht werden wie dann bei Schönberg. Was ihm durch die tonale Grenze an thematischer Bündigkeit des polyphonen Satzes entgeht, kompensiert er durch dessen Spontaneität. Wie der freie Kontrapunkt vom Überschlag, leitet übrigens wohl auch der vielbemerkte Hang Mahlers zur Baßlosigkeit sich von der Tanzmusik her, dem Alternieren von Tonika und Dominante im Baß anstelle von Fundamentschritten. Mahlers Reaktionsweise funktioniert das in ein eigentümliches in der Luft Hängen der Musik um, auch darin ketzerisch wider die offizielle harmonische Konsequenzlogik. Das Vertikalbewußtsein gibt dem melodisch-monodischen nach: Keim von Linearität. Während Mahlers Stimmen selten den Rahmen der Harmonien sprengen, verhalten sie sich doch, etwa im Vergleich mit Reger, als duldeten sie eben noch das Generalbaßschema, ohne ganz daran zu glauben; mit Lust reiben die Mahlerschen Kontrapunkte sich unbotmäßig an den Harmonien. – In der Sechsten Symphonie verbündet sich der Hang des Kontrapunkts zum Dissonieren mit der Dur-Moll-Polarität. Die Kontrapunkte tendieren zum entgegengesetzten Tongeschlecht als die Begleitharmonien. Das kehrt im Lied von der Erde wieder. Die nach-Wagnerische Idee harmonischer Polyphonie wird von Mahler vielleicht mehr untergraben als selbst in Salome und Elektra, wo tonale Kräfte und polyphonische nebeneinander herspielen, aber sich nicht gar zu sehr behelligen, während Mahlers Gefüge vielfach aus ihrer Spannung resultiert.

 

Weil Instrumentation von den überlieferten Disziplinen der Kompositionslehre nicht gedeckt wird, eignet sie sich bei Mahler besonders zur Wechselwirkung sowohl mit den einzelnen Kompositionsschichten wie mit der Totale. Das Orchester widerstand Mahlers spezifischen kompositorischen Intentionen weniger als etwa Form oder Harmonik. Seine souveräne Freiheit als Instrumentator trug ihm von früh auf, ähnlich wie Bruckner, den Ruf der Meisterschaft ein, nicht ohne den Beiklang jener hämischen Gesinnung, die an Musik das vorgebliche Gewand, die ›Mache‹, von Substanz und Echtheit kategorisch auf den ersten Blick zu scheiden sich anmaßt. Von Mache indessen kann bei Mahlers Instrumentation so wenig die Rede sein wie von jener Meisterschaft, die das Cliché meint. Anstatt daß sein Ohr dem sich anpaßt, was ihm tagein, tagaus das Orchester antut, sinnt es auf Gegenmaßnahmen. Sie sind kein geringfügiges Ingrediens seiner Instrumentationsweise; die oft bizarren Register der Sechsten Symphonie, ihre vielfach paradoxen Kombinationen von Forte und Piano in verschiedenen Instrumenten und Gruppen schaffen einen Klang, der so ist, wie er ist, indem er verhindert, was geschähe, wenn konventioneller gesetzt oder bezeichnet wäre. Nirgends ist Mahlers Musik primär vom Klangsinn inspiriert. Eher war er zu Beginn ungeschickt. Der Mangel an Routine allein schon ist an einem Dirigenten seiner Erfahrenheit bewundernswert. Das strahlende Orchestertutti, das die neudeutsche Schule bis hinab zu ihren minderen Repräsentanten Wagner ablernte, will ihm zu Beginn selten gelingen, wofern er es überhaupt anstrebte. Der runde, voluminöse, geschlossene Klang fehlt auffällig in den Jugendsymphonien, und wo Mahler seiner später bedarf, folgt er wie selbstverständlich, ohne zusätzliche Veranstaltung, aus dem Satz. »Das Orchester Mahlers nimmt nicht Teil an dieser Farbenschwelgerei der neudeutschen Schule. Entscheidend ist bei Mahlers Instrumentation der Kontur. Alles Farbige wird mit fast verächtlicher Härte und Rücksichtslosigkeit behandelt.«18 Was aber bei Mahler, nach Wagnerischen oder Schrekerschen Kriterien, trocken oder unkörperlich instrumentiert wäre, ist sachgerecht nicht durch Askese, sondern als treue Darstellung der Komposition, und insofern seiner Epoche um Dezennien voraus. Auch darin erstellen Not und Tugend ihr quid pro quo. Das Postulat der Deutlichkeit konvergiert, von der erscheinenden Musik her, mit dem Wesen der integralen Komposition. Farbe wird zur Funktion des Komponierten, das sie klarlegt; die Komposition wiederum zur Funktion der Farben, aus denen sie sich modelliert. Die funktionelle Instrumentation aber wird für den Klang selbst produktiv, haucht ihm sein Mahlersches Leben ein. Es wird so instrumentiert, daß jede Hauptstimme unbedingt, unmißverständlich hörbar ist. Das Verhältnis des Essentiellen und Akzidentellen ist ins klangliche Phänomen übersetzt; nichts verwirrt den kompositorischen Sinn. Daher kritisiert Mahler jenes Ideal des Wohllauts, das den Klang dazu verleitet, um die Musik sich zu bauschen und sich aufzuplustern. Überdies bedürfen die Mahlerschen Charaktere jener Mannigfaltigkeit, aus deren Artikulation das Ganze aufsteigt, solcher Farben, die charakteristisch sind wie die melodischen oder auch harmonischen Einzelereignisse, nicht wohltuend an sich. Auch die Mahlersche Farbe wird zur Charakteristik auf Kosten der in sich ausgeglichenen, kantenlosen Sattheit des Klangspiegels. Diese Desiderate terminieren dann in einem in sich stimmigen Instrumentationsverfahren. Der Klang des Lieds von der Erde und der Neunten Symphonie ist nicht weniger ihr Charakter als die anderen kompositorischen Eigentümlichkeiten.

Begleitet wird Mahlers Vermögen charakterisierender Instrumentation von einer Kenntnis der Möglichkeiten des Uncharakteristischen, die er in höchster Reife sich erwarb. Vertraut er im Dreiviertel-Schlußabsatz des Lieds von der Erde einen tiefen C-Dur-Akkord drei Posaunen in weiter Lage an, so fällt der Klang als solcher, trotz seiner hallenden Sonorität, nicht auf, stört nicht das allmählich entschwindende Ganze. Für große Instrumentationskunst ist so wichtig wie die Fähigkeit, Wirkungen zu erreichen, die, sie zu vermeiden oder zu umschreiben, Latenz durchzugestalten. Den extremen Gegensatz dazu bilden die gewissermaßen losgelassenen, aus dem Verband des Chorals sich befreienden Soloposaunen in der Dritten Symphonie. Mahler hat überhaupt die Posaune als solistische Farbe erst entdeckt. In der Dritten oder auch an manchen Stellen im Trauermarsch und im Scherzo der Fünften Symphonie realisiert sie, was ihr Name verheißt und was das Ohr vom mehrstimmigen Posaunensatz vergebens sich erhofft. Befähigt freilich wird sie dazu durch die Musik, die der Riesenstimme in den Mund gelegt ist, jene Zwischengebilde von Rezitativ und Thema, von Melos und Fanfare, in denen improvisatorischer Zufall und Emphase sich verschränken. Verstärkt wird das durch die Rhythmik, die prosahaften, überlangen Pausen19. Dadurch erst, daß diese in der Fortsetzung20 verschwinden, die Melodik sich rafft, wird jener wilde Charakter entfesselt, der in der vorhergehenden ›schweren‹ Episode erst sich sammelte. Solches Instrumentieren war von Anbeginn unkonformistisch. Das Finale der Ersten Symphonie enthält eine monströse Klangwirkung: brüllende Posaunenakkorde unmittelbar vorm Ende des ersten Themenkomplexes, dort, wo dessen zielloser Sturm in momentanen Ausbrüchen explodiert21. Die Stelle, welche die Posaunen durch Trompeten und gestopfte Hörner zum dreifachen Fortissimo potenziert, ähnelt, mit ihren Luftpausen, den statischen Schreckenslauten im Schlußtanz des Opfers von Strawinskys Sacre. Kaum woanders klingt Mahlers Musik so undomestiziert: die Farbe träumt, was erst ein Menschenalter danach ganz komponiert ward. Aber selbst hier wird der Klang von der Musik herbeigerufen, vom Bedürfnis nach Konzentration eines sonst allzu chaotisch, zeitfremd Dahinbrausenden; handgreiflich auch vom dissonanten Zusammenstoß der Achteloberstimme mit den tragenden Harmonien, den die Farbdissonanzen reflektieren. – Mahler hat avancierte Klänge geschrieben, wo man es am wenigsten vermutet. Inmitten des sich selbst beteuernden Es-Dur der Hymne der Achten Symphonie nimmt ein Feld etwas vom letzten Webern vorweg. Das Timbre des ›Infirma‹22 mit den solistischen Blechbläsern23 ist das von Weberns Kantaten; als hätte Mahler in das affirmative und retrospektive Werk eine geheime Botschaft an die Zukunft versenken wollen. Kaum weniger erstaunlich ist ein instrumentaler Augenblick in der an der Oberfläche so unschuldigen Vierten Symphonie, beim Übergang vom ersten zum zweiten Thema ihrer Variationen und an den analogen Punkten später. Unmerkliches Verklingen ist instrumental ausgesetzt24. Ein Bläserakkord auf der Tonika, im Wert einer ganzen Note, führt diminuendo in einen zweiten, auf der Dominante; die Bläser aber halten diesen nur ein Viertel, während er simultan, auf eins, in fast unmerklichem Einsatz von dreifach geteilten Bratschen und Harfenflageoletts identisch übernommen wird; der Farbwechsel wiederholt sich. In ihm zittern die thematischen Vorgänge nach, die in dem Ritardando schon zur Ruhe gekommen sind. Man wird wohl in der unscheinbaren Stelle das Modell des wechselnden Akkords aus Schönbergs op. 16 heraushören dürfen, den Entwurf der späteren Klangfarbenmelodie, der Verwandlung der Farbe in ein konstruktives Element eigenen Rechts. Ihren Ursprung hat die Idee wohl im Lohengrinvorspiel. Klangfarbenwechsel wird bei Mahler nicht nur an Akkorden sondern sogar an einzelnen Tönen vollzogen wie an dem f-Doppelpunkt der Hörner im zweiten Trio des Scherzos der Fünften Symphonie25; Egon Wellesz hat in seinem 1930 publizierten Aufsatz im ›Anbruch‹ die Instrumentation der Stelle instruktiv analysiert26; unleugbar ihre Ähnlichkeit mit dem berühmt gewordenen Farbencrescendo auf dem h vor der nächtlichen Schenkenszene des Wozzeck, zumal dem von Berg so genannten »Innenleben« jenes Tons. – Konstruktives Instrumentieren ist bei Mahler aber auch im großen zu beobachten. Bekker hat darauf aufmerksam gemacht, daß der Durchbruch, die Vision der Blechbläser im zweiten Satz der Fünften Symphonie ihre Gewalt hat nur, weil diese zuvor geschwiegen hatten. Ähnlich wird das Streicher-Adagietto, in Wahrheit ein in sich geschlossenes Einleitungsfeld zum Rondofinale, das denn auch thematisch darauf zurückgreift, formbildend durch seinen Kontrast zum Gesamtklang der Symphonie, in dem die Bläser bis dahin vorherrschten. Klangdispositionen über lange Strecken erzielen Plastizität der Form; in solchem Geist hat dann Alban Berg für manche Wozzeckszenen wie das Adagio auf der Straße oder den Anfang des ersten Akts Teilensembles aus dem großen Orchester herausgegliedert, in den Frühen Liedern das Orchester jedes einzelnen anders besetzt, schließlich in der Lulu manchen Figuren ihre eigenen Orchestergruppen zugeordnet. Im Lied von der Erde variiert, wie bei Berg, die Besetzung ein wenig in jeglichem Stück. Äußerst sparsam sind die Trompeten verwendet, Tuba und Pauken werden nur in einem Stück herangezogen; das Mahlersche Ohr mag gefühlt haben, daß, verglichen mit den wie immer auch bereits eingebürgerten orientalischen Schlaginstrumenten, die Pauke das Stilprinzip des Exotismus würde gefährdet haben, und der Tubaklang war in einer Symphonie für Solostimmen meist wohl zu schwer. Bei einheitlicher instrumentaler Grundfarbe des gesamten Zyklus sind die einzelnen Gesänge koloristisch nochmals gegeneinander differenziert. Der Kammerklang der Kindertotenlieder wird als Teilaspekt des großen Orchesters rezipiert. Beim letzten Mahler dann ist durch Wiederzusammensetzung des zuvor nach dem Geheiß der Verdeutlichung der einzelnen Stimmen auseinandergenommenen Klangs auch das Tutti zusammengepreßt, abgeblendet, analog dem von Schönberg gelegentlich verlangten »gedämpften Forte«. – Mahlers Instrumentationskunst ist ein Kraftfeld, kein Stil. Dem Bedürfnis nach Deutlichkeit und Charakterisierung wirkt das nach Integration entgegen, nach Bindung derart, wie in der Kochkunst Suppen gebunden werden. Die Konfiguration des Deutlichen und Gebundenen wäre an Mahlers Kunst der Verdopplung zumal der Holzbläser zu studieren. Sie verdeutlichen die Stimmen, die sie verstärken, sind aber stets auch koloristischen Sinnes. Die Addition zweier Farben im Einklang ergibt eine dritte, streng dem Charakter des Themas angemessene, zuweilen wie an manchen Stellen der Kindertotenlieder und analogen im ›Einsamen im Herbst‹ einen orgelhaften Interferenzton. Das Unisono der vier Flöten zu Beginn der Durchführung der Vierten ist qualitativ vom Flötenklang verschieden; die sechs Klarinetten der Einleitungsmelodie des ersten Schönbergischen Orchesterlieds op. 22 stammen wohl gar dorther. Führt das Prinzip homogen gebundenen Klanges allein zu schlechten Füllstimmen, so bliebe ohne es die deutlichste Instrumentation abstrakt. Mahler ist der große Instrumentator, weil er aus diesem Wiederspruch sein Verfahren ableitete, so wie auch in seiner Zeichnung die Prägnanz der Einzelheit und der Schwung des Ganzen nicht sich befehden, sondern voneinander leben. Sein Orchester ist spröd gegen die illusionäre Wagnerische Unendlichkeit, zu sinnlich fürs nüchterne Grau; nirgends beeinträchtigt Sachlichkeit bei ihm die Differenziertheit. Aber das Orchester wirft die Schwere des instrumentalen Faltenwurfs ab wie Mahlers Harmonik oftmals die des verkappten vierstimmigen Chorals; am konsequentesten in den Kindertotenliedern und einigen anderen Rückert-Gesängen, Urphänomenen des künftigen Kammerorchesters. Körperlos wird Mahlers Musik, weil sie so klingt, wie sie spezifisch ist. Noch der Klang, von allen Dimensionen der Musik die sinnlichste, wird zum Träger eines Geistigen.

 
Gesammelte Werke
adorno-theodor-w.xml
adorno-theodor-w-0000001-0000001.xml
adorno-theodor-w-0000002-0000023.xml
adorno-theodor-w-0000024-0000024.xml
adorno-theodor-w-0000025-0000025.xml
adorno-theodor-w-0000026-0000028.xml
adorno-theodor-w-0000029-0000037.xml
adorno-theodor-w-0000038-0000124.xml
adorno-theodor-w-0000125-0000130.xml
adorno-theodor-w-0000131-0000147.xml
adorno-theodor-w-0000148-0000148.xml
adorno-theodor-w-0000149-0000151.xml
adorno-theodor-w-0000152-0000187.xml
adorno-theodor-w-0000188-0000271.xml
adorno-theodor-w-0000272-0000342.xml
adorno-theodor-w-0000343-0000382.xml
adorno-theodor-w-0000383-0000457.xml
adorno-theodor-w-0000458-0000515.xml
adorno-theodor-w-0000516-0000553.xml
adorno-theodor-w-0000554-0000632.xml
adorno-theodor-w-0000633-0000638.xml
adorno-theodor-w-0000639-0000646.xml
adorno-theodor-w-0000647-0000647.xml
adorno-theodor-w-0000648-0000652.xml
adorno-theodor-w-0000653-0000701.xml
adorno-theodor-w-0000702-0000755.xml
adorno-theodor-w-0000756-0000803.xml
adorno-theodor-w-0000804-0000844.xml
adorno-theodor-w-0000845-0000888.xml
adorno-theodor-w-0000889-0000927.xml
adorno-theodor-w-0000928-0000971.xml
adorno-theodor-w-0000972-0001004.xml
adorno-theodor-w-0001005-0001039.xml
adorno-theodor-w-0001040-0001079.xml
adorno-theodor-w-0001080-0001084.xml
adorno-theodor-w-0001085-0001086.xml
adorno-theodor-w-0001087-0001088.xml
adorno-theodor-w-0001089-0001092.xml
adorno-theodor-w-0001093-0001104.xml
adorno-theodor-w-0001105-0001175.xml
adorno-theodor-w-0001176-0001244.xml
adorno-theodor-w-0001245-0001315.xml
adorno-theodor-w-0001316-0001400.xml
adorno-theodor-w-0001401-0001476.xml
adorno-theodor-w-0001477-0001576.xml
adorno-theodor-w-0001577-0001577.xml
adorno-theodor-w-0001578-0001641.xml
adorno-theodor-w-0001642-0001643.xml
adorno-theodor-w-0001644-0001645.xml
adorno-theodor-w-0001646-0001653.xml
adorno-theodor-w-0001654-0001751.xml
adorno-theodor-w-0001752-0001795.xml
adorno-theodor-w-0001796-0001894.xml
adorno-theodor-w-0001895-0001955.xml
adorno-theodor-w-0001956-0002055.xml
adorno-theodor-w-0002056-0002146.xml
adorno-theodor-w-0002147-0002177.xml
adorno-theodor-w-0002178-0002178.xml
adorno-theodor-w-0002179-0002179.xml
adorno-theodor-w-0002180-0002246.xml
adorno-theodor-w-0002247-0002326.xml
adorno-theodor-w-0002327-0002385.xml
adorno-theodor-w-0002386-0002485.xml
adorno-theodor-w-0002486-0002583.xml
adorno-theodor-w-0002584-0002587.xml
adorno-theodor-w-0002588-0002666.xml
adorno-theodor-w-0002667-0002717.xml
adorno-theodor-w-0002718-0002817.xml
adorno-theodor-w-0002818-0002822.xml
adorno-theodor-w-0002823-0002823.xml
adorno-theodor-w-0002824-0002824.xml
adorno-theodor-w-0002825-0002828.xml
adorno-theodor-w-0002829-0002919.xml
adorno-theodor-w-0002920-0002981.xml
adorno-theodor-w-0002982-0003041.xml
adorno-theodor-w-0003042-0003120.xml
adorno-theodor-w-0003121-0003162.xml
adorno-theodor-w-0003163-0003163.xml
adorno-theodor-w-0003164-0003198.xml
adorno-theodor-w-0003199-0003298.xml
adorno-theodor-w-0003299-0003311.xml
adorno-theodor-w-0003312-0003410.xml
adorno-theodor-w-0003411-0003414.xml
adorno-theodor-w-0003415-0003499.xml
adorno-theodor-w-0003500-0003518.xml
adorno-theodor-w-0003519-0003519.xml
adorno-theodor-w-0003520-0003524.xml
adorno-theodor-w-0003525-0003526.xml
adorno-theodor-w-0003527-0003626.xml
adorno-theodor-w-0003627-0003720.xml
adorno-theodor-w-0003721-0003726.xml
adorno-theodor-w-0003727-0003727.xml
adorno-theodor-w-0003728-0003811.xml
adorno-theodor-w-0003812-0003911.xml
adorno-theodor-w-0003912-0004007.xml
adorno-theodor-w-0004008-0004013.xml
adorno-theodor-w-0004014-0004113.xml
adorno-theodor-w-0004114-0004196.xml
adorno-theodor-w-0004197-0004241.xml
adorno-theodor-w-0004242-0004341.xml
adorno-theodor-w-0004342-0004371.xml
adorno-theodor-w-0004372-0004465.xml
adorno-theodor-w-0004466-0004540.xml
adorno-theodor-w-0004541-0004611.xml
adorno-theodor-w-0004612-0004626.xml
adorno-theodor-w-0004627-0004715.xml
adorno-theodor-w-0004716-0004735.xml
adorno-theodor-w-0004736-0004742.xml
adorno-theodor-w-0004743-0004743.xml
adorno-theodor-w-0004744-0004744.xml
adorno-theodor-w-0004745-0004762.xml
adorno-theodor-w-0004763-0004800.xml
adorno-theodor-w-0004801-0004877.xml
adorno-theodor-w-0004878-0004890.xml
adorno-theodor-w-0004891-0004941.xml
adorno-theodor-w-0004942-0004983.xml
adorno-theodor-w-0004984-0005035.xml
adorno-theodor-w-0005036-0005068.xml
adorno-theodor-w-0005069-0005108.xml
adorno-theodor-w-0005109-0005145.xml
adorno-theodor-w-0005146-0005158.xml
adorno-theodor-w-0005159-0005218.xml
adorno-theodor-w-0005219-0005250.xml
adorno-theodor-w-0005251-0005347.xml
adorno-theodor-w-0005348-0005375.xml
adorno-theodor-w-0005376-0005376.xml
adorno-theodor-w-0005377-0005409.xml
adorno-theodor-w-0005410-0005444.xml
adorno-theodor-w-0005445-0005452.xml
adorno-theodor-w-0005453-0005471.xml
adorno-theodor-w-0005472-0005517.xml
adorno-theodor-w-0005518-0005528.xml
adorno-theodor-w-0005529-0005543.xml
adorno-theodor-w-0005544-0005571.xml
adorno-theodor-w-0005572-0005608.xml
adorno-theodor-w-0005609-0005635.xml
adorno-theodor-w-0005636-0005643.xml
adorno-theodor-w-0005644-0005698.xml
adorno-theodor-w-0005699-0005709.xml
adorno-theodor-w-0005710-0005724.xml
adorno-theodor-w-0005725-0005757.xml
adorno-theodor-w-0005758-0005787.xml
adorno-theodor-w-0005788-0005788.xml
adorno-theodor-w-0005789-0005789.xml
adorno-theodor-w-0005790-0005838.xml
adorno-theodor-w-0005839-0005923.xml
adorno-theodor-w-0005924-0005975.xml
adorno-theodor-w-0005976-0006025.xml
adorno-theodor-w-0006026-0006026.xml
adorno-theodor-w-0006027-0006086.xml
adorno-theodor-w-0006087-0006092.xml
adorno-theodor-w-0006093-0006129.xml
adorno-theodor-w-0006130-0006169.xml
adorno-theodor-w-0006170-0006176.xml
adorno-theodor-w-0006177-0006185.xml
adorno-theodor-w-0006186-0006204.xml
adorno-theodor-w-0006205-0006212.xml
adorno-theodor-w-0006213-0006217.xml
adorno-theodor-w-0006218-0006309.xml
adorno-theodor-w-0006310-0006335.xml
adorno-theodor-w-0006336-0006344.xml
adorno-theodor-w-0006345-0006444.xml
adorno-theodor-w-0006445-0006449.xml
adorno-theodor-w-0006450-0006511.xml
adorno-theodor-w-0006512-0006552.xml
adorno-theodor-w-0006553-0006571.xml
adorno-theodor-w-0006572-0006615.xml
adorno-theodor-w-0006616-0006653.xml
adorno-theodor-w-0006654-0006654.xml
adorno-theodor-w-0006655-0006655.xml
adorno-theodor-w-0006656-0006661.xml
adorno-theodor-w-0006662-0006670.xml
adorno-theodor-w-0006671-0006676.xml
adorno-theodor-w-0006677-0006681.xml
adorno-theodor-w-0006682-0006697.xml
adorno-theodor-w-0006698-0006716.xml
adorno-theodor-w-0006717-0006727.xml
adorno-theodor-w-0006728-0006738.xml
adorno-theodor-w-0006739-0006750.xml
adorno-theodor-w-0006751-0006783.xml
adorno-theodor-w-0006784-0006790.xml
adorno-theodor-w-0006791-0006817.xml
adorno-theodor-w-0006818-0006848.xml
adorno-theodor-w-0006849-0006849.xml
adorno-theodor-w-0006850-0006855.xml
adorno-theodor-w-0006856-0006873.xml
adorno-theodor-w-0006874-0006878.xml
adorno-theodor-w-0006879-0006884.xml
adorno-theodor-w-0006885-0006896.xml
adorno-theodor-w-0006897-0006933.xml
adorno-theodor-w-0006934-0006977.xml
adorno-theodor-w-0006978-0007003.xml
adorno-theodor-w-0007004-0007045.xml
adorno-theodor-w-0007046-0007107.xml
adorno-theodor-w-0007108-0007152.xml
adorno-theodor-w-0007153-0007177.xml
adorno-theodor-w-0007178-0007215.xml
adorno-theodor-w-0007216-0007224.xml
adorno-theodor-w-0007225-0007225.xml
adorno-theodor-w-0007226-0007288.xml
adorno-theodor-w-0007289-0007311.xml
adorno-theodor-w-0007312-0007317.xml
adorno-theodor-w-0007318-0007346.xml
adorno-theodor-w-0007347-0007354.xml
adorno-theodor-w-0007355-0007385.xml
adorno-theodor-w-0007386-0007386.xml
adorno-theodor-w-0007387-0007387.xml
adorno-theodor-w-0007388-0007421.xml
adorno-theodor-w-0007422-0007447.xml
adorno-theodor-w-0007448-0007490.xml
adorno-theodor-w-0007491-0007533.xml
adorno-theodor-w-0007534-0007577.xml
adorno-theodor-w-0007578-0007603.xml
adorno-theodor-w-0007604-0007629.xml
adorno-theodor-w-0007630-0007679.xml
adorno-theodor-w-0007680-0007702.xml
adorno-theodor-w-0007703-0007782.xml
adorno-theodor-w-0007783-0007808.xml
adorno-theodor-w-0007809-0007870.xml
adorno-theodor-w-0007871-0007871.xml
adorno-theodor-w-0007872-0007889.xml
adorno-theodor-w-0007890-0007901.xml
adorno-theodor-w-0007902-0007922.xml
adorno-theodor-w-0007923-0007930.xml
adorno-theodor-w-0007931-0007936.xml
adorno-theodor-w-0007937-0007947.xml
adorno-theodor-w-0007948-0007962.xml
adorno-theodor-w-0007963-0007973.xml
adorno-theodor-w-0007974-0007989.xml
adorno-theodor-w-0007990-0007996.xml
adorno-theodor-w-0007997-0008013.xml
adorno-theodor-w-0008014-0008049.xml
adorno-theodor-w-0008050-0008056.xml
adorno-theodor-w-0008057-0008094.xml
adorno-theodor-w-0008095-0008108.xml
adorno-theodor-w-0008109-0008145.xml
adorno-theodor-w-0008146-0008232.xml
adorno-theodor-w-0008233-0008313.xml
adorno-theodor-w-0008314-0008381.xml
adorno-theodor-w-0008382-0008385.xml
adorno-theodor-w-0008386-0008401.xml
adorno-theodor-w-0008402-0008419.xml
adorno-theodor-w-0008420-0008457.xml
adorno-theodor-w-0008458-0008467.xml
adorno-theodor-w-0008468-0008485.xml
adorno-theodor-w-0008486-0008515.xml
adorno-theodor-w-0008516-0008544.xml
adorno-theodor-w-0008545-0008563.xml
adorno-theodor-w-0008564-0008625.xml
adorno-theodor-w-0008626-0008707.xml
adorno-theodor-w-0008708-0008732.xml
adorno-theodor-w-0008733-0008762.xml
adorno-theodor-w-0008763-0008789.xml
adorno-theodor-w-0008790-0008806.xml
adorno-theodor-w-0008807-0008807.xml
adorno-theodor-w-0008808-0008907.xml
adorno-theodor-w-0008908-0009001.xml
adorno-theodor-w-0009002-0009049.xml
adorno-theodor-w-0009050-0009145.xml
adorno-theodor-w-0009146-0009205.xml
adorno-theodor-w-0009206-0009255.xml
adorno-theodor-w-0009256-0009326.xml
adorno-theodor-w-0009327-0009396.xml
adorno-theodor-w-0009397-0009469.xml
adorno-theodor-w-0009470-0009534.xml
adorno-theodor-w-0009535-0009612.xml
adorno-theodor-w-0009613-0009613.xml
adorno-theodor-w-0009614-0009647.xml
adorno-theodor-w-0009648-0009661.xml
adorno-theodor-w-0009662-0009683.xml
adorno-theodor-w-0009684-0009716.xml
adorno-theodor-w-0009717-0009736.xml
adorno-theodor-w-0009737-0009762.xml
adorno-theodor-w-0009763-0009776.xml
adorno-theodor-w-0009777-0009789.xml
adorno-theodor-w-0009790-0009806.xml
adorno-theodor-w-0009807-0009807.xml
adorno-theodor-w-0009808-0009812.xml
adorno-theodor-w-0009813-0009825.xml
adorno-theodor-w-0009826-0009829.xml
adorno-theodor-w-0009830-0009841.xml
adorno-theodor-w-0009842-0009853.xml
adorno-theodor-w-0009854-0009859.xml
adorno-theodor-w-0009860-0009865.xml
adorno-theodor-w-0009866-0009875.xml
adorno-theodor-w-0009876-0009886.xml
adorno-theodor-w-0009887-0009893.xml
adorno-theodor-w-0009894-0009897.xml
adorno-theodor-w-0009898-0009905.xml
adorno-theodor-w-0009906-0009911.xml
adorno-theodor-w-0009912-0009924.xml
adorno-theodor-w-0009925-0009931.xml
adorno-theodor-w-0009932-0009941.xml
adorno-theodor-w-0009942-0009952.xml
adorno-theodor-w-0009953-0009957.xml
adorno-theodor-w-0009958-0009981.xml
adorno-theodor-w-0009982-0009982.xml
adorno-theodor-w-0009983-0009986.xml
adorno-theodor-w-0009987-0009991.xml
adorno-theodor-w-0009992-0010030.xml
adorno-theodor-w-0010031-0010109.xml
adorno-theodor-w-0010110-0010189.xml
adorno-theodor-w-0010190-0010289.xml
adorno-theodor-w-0010290-0010316.xml
adorno-theodor-w-0010317-0010321.xml
adorno-theodor-w-0010322-0010324.xml
adorno-theodor-w-0010325-0010332.xml
adorno-theodor-w-0010333-0010334.xml
adorno-theodor-w-0010335-0010335.xml
adorno-theodor-w-0010336-0010434.xml
adorno-theodor-w-0010435-0010528.xml
adorno-theodor-w-0010529-0010573.xml
adorno-theodor-w-0010574-0010672.xml
adorno-theodor-w-0010673-0010769.xml
adorno-theodor-w-0010770-0010864.xml
adorno-theodor-w-0010865-0010865.xml
adorno-theodor-w-0010866-0010868.xml
adorno-theodor-w-0010869-0010885.xml
adorno-theodor-w-0010886-0010941.xml
adorno-theodor-w-0010942-0010953.xml
adorno-theodor-w-0010954-0010966.xml
adorno-theodor-w-0010967-0010972.xml
adorno-theodor-w-0010973-0010980.xml
adorno-theodor-w-0010981-0010995.xml
adorno-theodor-w-0010996-0011008.xml
adorno-theodor-w-0011009-0011017.xml
adorno-theodor-w-0011018-0011041.xml
adorno-theodor-w-0011042-0011052.xml
adorno-theodor-w-0011053-0011078.xml
adorno-theodor-w-0011079-0011097.xml
adorno-theodor-w-0011098-0011111.xml
adorno-theodor-w-0011112-0011146.xml
adorno-theodor-w-0011147-0011149.xml
adorno-theodor-w-0011150-0011152.xml
adorno-theodor-w-0011153-0011184.xml
adorno-theodor-w-0011185-0011192.xml
adorno-theodor-w-0011193-0011193.xml
adorno-theodor-w-0011194-0011195.xml
adorno-theodor-w-0011196-0011202.xml
adorno-theodor-w-0011203-0011265.xml
adorno-theodor-w-0011266-0011292.xml
adorno-theodor-w-0011293-0011365.xml
adorno-theodor-w-0011366-0011401.xml
adorno-theodor-w-0011402-0011429.xml
adorno-theodor-w-0011430-0011470.xml
adorno-theodor-w-0011471-0011551.xml
adorno-theodor-w-0011552-0011640.xml
adorno-theodor-w-0011641-0011740.xml
adorno-theodor-w-0011741-0011816.xml
adorno-theodor-w-0011817-0011915.xml
adorno-theodor-w-0011916-0011935.xml
adorno-theodor-w-0011936-0011937.xml
adorno-theodor-w-0011938-0011938.xml
adorno-theodor-w-0011939-0011939.xml
adorno-theodor-w-0011940-0011943.xml
adorno-theodor-w-0011944-0011947.xml
adorno-theodor-w-0011948-0011976.xml
adorno-theodor-w-0011977-0011995.xml
adorno-theodor-w-0011996-0012017.xml
adorno-theodor-w-0012018-0012040.xml
adorno-theodor-w-0012041-0012080.xml
adorno-theodor-w-0012081-0012119.xml
adorno-theodor-w-0012120-0012152.xml
adorno-theodor-w-0012153-0012183.xml
adorno-theodor-w-0012184-0012187.xml
adorno-theodor-w-0012188-0012196.xml
adorno-theodor-w-0012197-0012198.xml
adorno-theodor-w-0012199-0012204.xml
adorno-theodor-w-0012205-0012248.xml
adorno-theodor-w-0012249-0012329.xml
adorno-theodor-w-0012330-0012417.xml
adorno-theodor-w-0012418-0012478.xml
adorno-theodor-w-0012479-0012531.xml
adorno-theodor-w-0012532-0012587.xml
adorno-theodor-w-0012588-0012589.xml
adorno-theodor-w-0012590-0012593.xml
adorno-theodor-w-0012594-0012596.xml
adorno-theodor-w-0012597-0012597.xml
adorno-theodor-w-0012598-0012696.xml
adorno-theodor-w-0012697-0012796.xml
adorno-theodor-w-0012797-0012871.xml
adorno-theodor-w-0012872-0012970.xml
adorno-theodor-w-0012971-0013005.xml
adorno-theodor-w-0013006-0013006.xml
adorno-theodor-w-0013007-0013015.xml
adorno-theodor-w-0013016-0013016.xml
adorno-theodor-w-0013017-0013059.xml
adorno-theodor-w-0013060-0013083.xml
adorno-theodor-w-0013084-0013101.xml
adorno-theodor-w-0013102-0013122.xml
adorno-theodor-w-0013123-0013123.xml
adorno-theodor-w-0013124-0013169.xml
adorno-theodor-w-0013170-0013198.xml
adorno-theodor-w-0013199-0013221.xml
adorno-theodor-w-0013222-0013268.xml
adorno-theodor-w-0013269-0013338.xml
adorno-theodor-w-0013339-0013406.xml
adorno-theodor-w-0013407-0013489.xml
adorno-theodor-w-0013490-0013526.xml
adorno-theodor-w-0013527-0013599.xml
adorno-theodor-w-0013600-0013660.xml
adorno-theodor-w-0013661-0013702.xml
adorno-theodor-w-0013703-0013720.xml
adorno-theodor-w-0013721-0013721.xml
adorno-theodor-w-0013722-0013816.xml
adorno-theodor-w-0013817-0013911.xml
adorno-theodor-w-0013912-0013974.xml
adorno-theodor-w-0013975-0013975.xml
adorno-theodor-w-0013976-0013978.xml
adorno-theodor-w-0013979-0014014.xml
adorno-theodor-w-0014015-0014029.xml
adorno-theodor-w-0014030-0014039.xml
adorno-theodor-w-0014040-0014049.xml
adorno-theodor-w-0014050-0014116.xml
adorno-theodor-w-0014117-0014125.xml
adorno-theodor-w-0014126-0014192.xml
adorno-theodor-w-0014193-0014201.xml
adorno-theodor-w-0014202-0014211.xml
adorno-theodor-w-0014212-0014217.xml
adorno-theodor-w-0014218-0014224.xml
adorno-theodor-w-0014225-0014235.xml
adorno-theodor-w-0014236-0014251.xml
adorno-theodor-w-0014252-0014282.xml
adorno-theodor-w-0014283-0014289.xml
adorno-theodor-w-0014290-0014290.xml
adorno-theodor-w-0014291-0014365.xml
adorno-theodor-w-0014366-0014366.xml
adorno-theodor-w-0014367-0014419.xml
adorno-theodor-w-0014420-0014436.xml
adorno-theodor-w-0014437-0014454.xml
adorno-theodor-w-0014455-0014465.xml
adorno-theodor-w-0014466-0014472.xml
adorno-theodor-w-0014473-0014482.xml
adorno-theodor-w-0014483-0014499.xml
adorno-theodor-w-0014500-0014508.xml
adorno-theodor-w-0014509-0014523.xml
adorno-theodor-w-0014524-0014572.xml
adorno-theodor-w-0014573-0014668.xml
adorno-theodor-w-0014669-0014768.xml
adorno-theodor-w-0014769-0014868.xml
adorno-theodor-w-0014869-0014964.xml
adorno-theodor-w-0014965-0015062.xml
adorno-theodor-w-0015063-0015162.xml
adorno-theodor-w-0015163-0015212.xml
adorno-theodor-w-0015213-0015213.xml
adorno-theodor-w-0015214-0015227.xml
adorno-theodor-w-0015228-0015238.xml
adorno-theodor-w-0015239-0015244.xml
adorno-theodor-w-0015245-0015253.xml
adorno-theodor-w-0015254-0015256.xml
adorno-theodor-w-0015257-0015264.xml
adorno-theodor-w-0015265-0015268.xml
adorno-theodor-w-0015269-0015275.xml
adorno-theodor-w-0015276-0015303.xml
adorno-theodor-w-0015304-0015336.xml
adorno-theodor-w-0015337-0015342.xml
adorno-theodor-w-0015343-0015347.xml
adorno-theodor-w-0015348-0015367.xml
adorno-theodor-w-0015368-0015375.xml
adorno-theodor-w-0015376-0015383.xml
adorno-theodor-w-0015384-0015424.xml
adorno-theodor-w-0015425-0015437.xml
adorno-theodor-w-0015438-0015441.xml
adorno-theodor-w-0015442-0015444.xml
adorno-theodor-w-0015445-0015463.xml
adorno-theodor-w-0015464-0015508.xml
adorno-theodor-w-0015509-0015509.xml
adorno-theodor-w-0015510-0015522.xml
adorno-theodor-w-0015523-0015608.xml
adorno-theodor-w-0015609-0015623.xml
adorno-theodor-w-0015624-0015625.xml
adorno-theodor-w-0015626-0015627.xml
adorno-theodor-w-0015628-0015634.xml
adorno-theodor-w-0015635-0015642.xml
adorno-theodor-w-0015643-0015651.xml
adorno-theodor-w-0015652-0015666.xml
adorno-theodor-w-0015667-0015670.xml
adorno-theodor-w-0015671-0015676.xml
adorno-theodor-w-0015677-0015684.xml
adorno-theodor-w-0015685-0015698.xml
adorno-theodor-w-0015699-0015701.xml
adorno-theodor-w-0015702-0015705.xml
adorno-theodor-w-0015706-0015708.xml
adorno-theodor-w-0015709-0015713.xml
adorno-theodor-w-0015714-0015717.xml
adorno-theodor-w-0015718-0015718.xml
adorno-theodor-w-0015719-0015817.xml
adorno-theodor-w-0015818-0015902.xml
adorno-theodor-w-0015903-0015996.xml
adorno-theodor-w-0015997-0016096.xml
adorno-theodor-w-0016097-0016193.xml
adorno-theodor-w-0016194-0016202.xml
adorno-theodor-w-0016203-0016245.xml
adorno-theodor-w-0016246-0016343.xml
adorno-theodor-w-0016344-0016365.xml
adorno-theodor-w-0016366-0016465.xml
adorno-theodor-w-0016466-0016523.xml
adorno-theodor-w-0016524-0016524.xml
adorno-theodor-w-0016525-0016536.xml
adorno-theodor-w-0016537-0016546.xml
adorno-theodor-w-0016547-0016551.xml
adorno-theodor-w-0016552-0016561.xml
adorno-theodor-w-0016562-0016573.xml
adorno-theodor-w-0016574-0016578.xml
adorno-theodor-w-0016579-0016581.xml
adorno-theodor-w-0016582-0016585.xml
adorno-theodor-w-0016586-0016588.xml
adorno-theodor-w-0016589-0016597.xml
adorno-theodor-w-0016598-0016605.xml
adorno-theodor-w-0016606-0016627.xml
adorno-theodor-w-0016628-0016629.xml
adorno-theodor-w-0016630-0016665.xml
adorno-theodor-w-0016666-0016672.xml
adorno-theodor-w-0016673-0016680.xml
adorno-theodor-w-0016681-0016689.xml
adorno-theodor-w-0016690-0016697.xml
adorno-theodor-w-0016698-0016704.xml
adorno-theodor-w-0016705-0016715.xml
adorno-theodor-w-0016716-0016732.xml
adorno-theodor-w-0016733-0016738.xml
adorno-theodor-w-0016739-0016746.xml
adorno-theodor-w-0016747-0016794.xml
adorno-theodor-w-0016795-0016813.xml
adorno-theodor-w-0016814-0016818.xml
adorno-theodor-w-0016819-0016851.xml
adorno-theodor-w-0016852-0016919.xml
adorno-theodor-w-0016920-0016970.xml
adorno-theodor-w-0016971-0017001.xml
adorno-theodor-w-0017002-0017006.xml
adorno-theodor-w-0017007-0017007.xml
adorno-theodor-w-0017008-0017008.xml
adorno-theodor-w-0017009-0017065.xml
adorno-theodor-w-0017066-0017160.xml
adorno-theodor-w-0017161-0017196.xml
adorno-theodor-w-0017197-0017225.xml
adorno-theodor-w-0017226-0017234.xml
adorno-theodor-w-0017235-0017249.xml
adorno-theodor-w-0017250-0017285.xml
adorno-theodor-w-0017286-0017325.xml
adorno-theodor-w-0017326-0017331.xml
adorno-theodor-w-0017332-0017333.xml
adorno-theodor-w-0017334-0017339.xml
adorno-theodor-w-0017340-0017344.xml
adorno-theodor-w-0017345-0017349.xml
adorno-theodor-w-0017350-0017352.xml
adorno-theodor-w-0017353-0017364.xml
adorno-theodor-w-0017365-0017367.xml
adorno-theodor-w-0017368-0017370.xml
adorno-theodor-w-0017371-0017373.xml
adorno-theodor-w-0017374-0017377.xml
adorno-theodor-w-0017378-0017390.xml
adorno-theodor-w-0017391-0017393.xml
adorno-theodor-w-0017394-0017395.xml
adorno-theodor-w-0017396-0017402.xml
adorno-theodor-w-0017403-0017405.xml
adorno-theodor-w-0017406-0017407.xml
adorno-theodor-w-0017408-0017410.xml
adorno-theodor-w-0017411-0017413.xml
adorno-theodor-w-0017414-0017425.xml
adorno-theodor-w-0017426-0017436.xml
adorno-theodor-w-0017437-0017445.xml
adorno-theodor-w-0017446-0017449.xml
adorno-theodor-w-0017450-0017545.xml
adorno-theodor-w-0017546-0017615.xml
adorno-theodor-w-0017616-0017705.xml
adorno-theodor-w-0017706-0017706.xml
adorno-theodor-w-0017707-0017709.xml
adorno-theodor-w-0017710-0017738.xml
adorno-theodor-w-0017739-0017757.xml
adorno-theodor-w-0017758-0017778.xml
adorno-theodor-w-0017779-0017799.xml
adorno-theodor-w-0017800-0017802.xml
adorno-theodor-w-0017803-0017813.xml
adorno-theodor-w-0017814-0017816.xml
adorno-theodor-w-0017817-0017822.xml
adorno-theodor-w-0017823-0017841.xml
adorno-theodor-w-0017842-0017855.xml
adorno-theodor-w-0017856-0017858.xml
adorno-theodor-w-0017859-0017862.xml
adorno-theodor-w-0017863-0017864.xml
adorno-theodor-w-0017865-0017869.xml
adorno-theodor-w-0017870-0017872.xml
adorno-theodor-w-0017873-0017875.xml
adorno-theodor-w-0017876-0017879.xml
adorno-theodor-w-0017880-0017888.xml
adorno-theodor-w-0017889-0017899.xml
adorno-theodor-w-0017900-0017903.xml
adorno-theodor-w-0017904-0017906.xml
adorno-theodor-w-0017907-0017907.xml
adorno-theodor-w-0017908-0017912.xml
adorno-theodor-w-0017913-0017913.xml
adorno-theodor-w-0017914-0017915.xml
adorno-theodor-w-0017916-0017918.xml
adorno-theodor-w-0017919-0017921.xml
adorno-theodor-w-0017922-0017933.xml
adorno-theodor-w-0017934-0017936.xml
adorno-theodor-w-0017937-0017940.xml
adorno-theodor-w-0017941-0017946.xml
adorno-theodor-w-0017947-0017950.xml
adorno-theodor-w-0017951-0017952.xml
adorno-theodor-w-0017953-0017957.xml
adorno-theodor-w-0017958-0017959.xml
adorno-theodor-w-0017960-0017963.xml
adorno-theodor-w-0017964-0017966.xml
adorno-theodor-w-0017967-0017973.xml
adorno-theodor-w-0017974-0017975.xml
adorno-theodor-w-0017976-0017993.xml
adorno-theodor-w-0017994-0017997.xml
adorno-theodor-w-0017998-0018001.xml
adorno-theodor-w-0018002-0018021.xml
adorno-theodor-w-0018022-0018022.xml
adorno-theodor-w-0018023-0018028.xml
adorno-theodor-w-0018029-0018090.xml
adorno-theodor-w-0018091-0018162.xml
adorno-theodor-w-0018163-0018181.xml
adorno-theodor-w-0018182-0018189.xml
adorno-theodor-w-0018190-0018206.xml
adorno-theodor-w-0018207-0018210.xml
adorno-theodor-w-0018211-0018216.xml
adorno-theodor-w-0018217-0018224.xml
adorno-theodor-w-0018225-0018233.xml
adorno-theodor-w-0018234-0018234.xml
adorno-theodor-w-0018235-0018268.xml
adorno-theodor-w-0018269-0018285.xml
adorno-theodor-w-0018286-0018302.xml
adorno-theodor-w-0018303-0018340.xml
adorno-theodor-w-0018341-0018342.xml
adorno-theodor-w-0018343-0018377.xml
adorno-theodor-w-0018378-0018420.xml
adorno-theodor-w-image-appendix.xml
adorno-theodor-w-image-appendix-0000000.xml