Vorbemerkung
Die Publikation der Abhandlung »The Stars Down to Earth« im »Jahrbuch für Amerikastudien«* scheint dem Autor als die einer Amerikastudie im wörtlichsten Sinne gerechtfertigt: die Untersuchung wurde in Amerika, an amerikanischem Material durchgeführt. Sie bildet einen wesentlichen Teil der Arbeit der Hacker-Foundation in Beverly Hills aus der Zeit von 1952 bis 53, als der Autor die wissenschaftliche Leitung jener Foundation innehatte. Nicht bloß ermöglichte die Foundation finanziell die Untersuchung, sondern der Autor ist ihr auch für vielfache wissenschaftliche Hilfe zu Dank verpflichtet. Er gilt in erster Linie Dr. Frederick Hacker, der wesentliche Anregungen, zumal mit Hinsicht auf die Verwandtschaft der psychologischen Funktion der Astrologie mit der des Traums, gab; dann Frau Liesel Seham, die, weit über ihre sekretarialen Pflichten hinaus, bei der Gestaltung des englischen Textes mit unermüdlichem Fleiß und größtem Verständnis half.
Die Hacker-Foundation, die materiell von einer psychiatrischen Klinik getragen wird, setzt sich die wissenschaftliche Bearbeitung psychiatrischer und psychologischer Probleme zur Aufgabe. Ihre wesentlich psychoanalytische Orientierung traf mit sozialpsychologischen Intentionen zusammen, wie sie das Frankfurter Institut für Sozialforschung seit der Publikation des Kollektivwerks über »Autorität und Familie« (1936) verfolgte. Diese Intentionen setzte der Autor fort, als er die von ihm betreuten Arbeiten der Foundation soziologisch akzentuierte. Die Astrologiestudie fällt in mehr als einer Hinsicht in den Zusammenhang des Werkes »The Authoritarian Personality« von T.W. Adorno, Else Frenkel-Brunswik, Daniel J. Levinson und R. Nevitt Sanford, das als erster Band der von Max Horkheimer und S. Flowerman herausgegebenen Serie »Studies in Prejudice« 1950 erschien. Mit Rücksicht auf die theoretischen Erwägungen, die hinter der Studie stehen, darf auf das Kapitel »Kulturindustrie« aus der »Dialektik der Aufklärung« von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno (Amsterdam 1947 [jetzt GS 3, s. S. 141ff.]), und auf die »Thesen gegen den Okkultismus« aus den »Minima Moralia« (Frankfurt 1951 [jetzt GS 4, s. S. 273ff.]) verwiesen werden.
Ihr Spezifisches jedoch hat die Studie darin, daß sie ihre theoretischen Kategorien auf ein höchst konkretes, wenn man will handfestes, Material anwendet. Dabei geht es nicht so sehr um die Dechiffrierung des Okkultismus selber in der zeitgenössischen Gesellschaft, als um die Erhellung der sozialpsychologischen Implikationen einer sehr breiten Schichten zubestimmten Zeitungsspalte. Dem Okkultismus ist sie, wie die Studie darlegt, nur begrenzt zuzurechnen; vielmehr repräsentiert sie sekundären, sozialpsychologisch kalkulierten Aberglauben. Dies Material wird einer »content analysis«, der inhaltlichen Deutung unterworfen, wie sie Massenkommunikationen gegenüber als eigenes Verfahren sich ausgebildet hat. Doch wurde die »content analysis« nicht nach amerikanischer Übung quantitativ vollzogen; nicht die Frequenz einzelner Motive und Formulierungen der astrologischen Spalte gezählt. Sondern es wurde durchaus qualitativ verfahren. Das Skelett der Interpretation stellte eben die Theorie bei. Auch insofern darf die Studie als Beispiel geistiger Wechselwirkung von Amerika und Deutschland gelten: amerikanisches Material wurde mit deutscher Methode behandelt. Allerdings könnten die qualitativ gewonnenen Resultate ihrerseits recht wohl mit orthodox-amerikanischen, quantitativen Techniken weiter verfolgt werden; andererseits ist gerade die astrologische Infektion durchaus internationaler Art, und die meisten der in Amerika herausgearbeiteten Kategorien wären auch auf analoge deutsche Publikationen anzuwenden. Dabei allenfalls hervortretende Differenzen könnten ihrerseits für die vergleichende Kultursoziologie relevant werden. Vorarbeiten in dieser Richtung wurden im Institut für Sozialforschung an der Frankfurter Universität durchgeführt.
Auf Differenzen verschiedener Typen astrologischer Publikationen ist im Text eingegangen; sie finden sich selbstverständlich auch in Deutschland. So wenig ihre soziologische und psychologische Bedeutung zu unterschätzen ist, so wenig dürften doch sogenannte Niveauunterschiede am Wahrheitsgehalt der Sache selbst etwas ändern; viel eher sind sie im kommerziellen Hinblick auf verschiedene Konsumentenschichten geplant. Zudem bieten sie der Kritik gegenüber die willkommene Ausweichmöglichkeit, daß man jeweils auf eine richtige oder tiefe gegenüber einer falschen oder flachen Astrologie sich zurückziehen kann. Die Vorsorge für Hilfshypothesen, mit denen nach Belieben das Fragwürdigste sich verteidigen läßt, gehört selbst zum Wesen von Systemen vom Schlag des astrologischen. Im übrigen zielt die Kritik gar nicht so sehr auf die Astrologie selber als auf ihre soziale Funktion, die »Botschaft«, das »message«, das sie den Konsumenten zukommen läßt und das sich als Sparte dem Betrieb der Kulturindustrie reibungslos integriert.
Sozialpsychologische Untersuchungen in Amerika können Begriffe der Psychoanalyse in ihrer strengen, Freudischen Gestalt ohne weiteres voraussetzen. Da jedoch in Deutschland die vom nationalsozialistischen Regime verfemte Freudische Theorie auch nach dessen Sturz noch nicht zur wahrhaft eindringlichen Erfahrung gelangte und in weitem Maß durch Verwässerungen verdrängt ist, die dogmatisch als Fortschritt über Freud betrachtet werden, so schien es dem Autor angemessen, bei einer Reihe Freudischer Begriffe – und zwar genau denen, die in Deutschland heute noch den gleichen Schock ausüben wie vor dreißig Jahren – auf die wichtigsten Belegstellen zu verweisen. Meist wurde die deutsche Originalausgabe der Gesammelten Werke und nicht die englische Übersetzung zugrunde gelegt.
Institut für Sozialforschung
T.W. Adorno
Juni 1956
Fußnoten
* Der Erstdruck der Arbeit erschien in: Jahrbuch für Amerikastudien. Im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Amerikastudien hrsg. von Walther Fischer. Bd. 2, Heidelberg 1957, S. 19–88. (Anm. d. Hrsg.)