Zur Metakritik der Erkenntnistheorie

Studien über Husserl und die phänomenologischen Antinomien
 

Für Max

 

Vorrede

 

Aus einem umfangreichen Manuskript, entstanden in Oxford während der ersten Emigrationsjahre 1934–37, wurden die Komplexe ausgewählt und durchgearbeitet, deren Tragweite dem Autor über den bloßen Streit der Schulen hinauszureichen schien. Ohne daß die enge Fühlung mit dem Stoff, und damit die Verpflichtung zum eingreifenden Argument einer Methode gegenüber wäre geopfert worden, die hofft, das Argumentieren unter sich zu lassen, soll an einem konkreten Modell die Frage nach Möglichkeit und Wahrheit von Erkenntnistheorie prinzipiell aufgerollt werden. Husserls Philosophie ist Anlaß, nicht Ziel. Darum war sie auch nicht erst geschlossen darzustellen und dann eine sogenannte Auseinandersetzung zu führen. Wie es einem Denken geziemt, das der Idee des Systems nicht sich beugt, wurde versucht, das Gedachte um Brennpunkte zu ordnen. Es resultierten voneinander abgesetzte Einzelstudien, die gleichwohl aufs dichteste miteinander verbunden sind und sich gegenseitig stützen. Überschneidungen waren unvermeidlich.

Die Tendenz des Buches ist sachlich-philosophisch; die Kritik an Husserl meint, durch sein Werk hindurch, den Ansatz, um den er so nachdrücklich sich bemühte und den nach ihm das Philosophieren in Deutschland weit gründlicher sich zueignete, als heute ausgesprochen wird. Trotzdem ist das Buch nicht systematisch im Sinn des traditionellen Gegensatzes zur Geschichte. Fordert es den Begriff des Systems selber heraus, so sucht es im Innern der sachlichen Fragen eines geschichtlichen Kerns habhaft zu werden: auch die Scheidung von systematisch und historisch fällt unter die Kritik, die es übt.

Nirgends jedoch erhebt es philologischen oder hermeneutischen Anspruch; auf Sekundärliteratur wird nicht eingegangen. Viele Texte von Husserl selbst, zumal im Zweiten Band der Logischen Untersuchungen, sind dickichthaft verschlungen, wohl auch mehrdeutig; sollte die Interpretation der einen oder anderen Stelle fehlgreifen, so wäre der Autor der letzte, sie zu verteidigen. Andererseits konnte er programmatische Deklarationen nicht respektieren und mußte an das sich halten, was ihm die Texte selbst zu sagen dünkten. So hat er sich nicht von Husserls Versicherung einschüchtern lassen, die reine Phänomenologie sei keine Erkenntnistheorie, und die Region des reinen Bewußtseins habe nichts zu tun mit dem Begriff des Zusammenhangs des Gegebenen in der Bewußtseinsimmanenz, wie er dem vorhusserlschen Kritizismus vertraut war. Worin Husserl von diesem sich unterscheidet, steht ebenso zur Erörterung, wie ob jene Unterscheidung verbindlich sei.

Die Analyse beschränkt sich auf das von Husserl selbst Veröffentlichte und erteilt dabei den eigentlich phänomenologischen Schriften, auf denen die Restauration der Ontologie aufbaute, den Vorrang vor den späteren, in denen Husserls Phänomenologie sich selbst in einen subtil abgewandelten Neukantianismus zurücknahm. Da indessen die Revision der reinen Phänomenologie nicht bei der Gesinnung ihres Urhebers stand, sondern vom Gegenstand erzwungen ward, so fühlte der Autor sich frei, auf die »Formale und transzendentale Logik« und die »Cartesianischen Meditationen« zu rekurrieren, wann immer der Zug der Erwägungen es verlangte. Ausgeschlossen blieben sämtliche vorphänomenologischen Schriften, zumal die »Philosophie der Arithmetik«, ebenso wie die Nachlaßpublikationen. Nirgends ward Vollständigkeit angestrebt. Die Aufmerksamkeit gilt mehr den ausgeführten Analysen Husserls, an die er selber seine Energie wandte, als dem totalen Gefüge.

Gleichwohl geht die Absicht auf alles andere als auf die bloße Kritik an Details. Anstatt daß über erkenntnistheoretische Einzelfragen gerechtet würde, soll das mikrologische Verfahren stringent dartun, wie jene Fragen über sich selbst und schließlich ihre ganze Sphäre hinaustreiben. Die Motive, welche solche Bewegung auslösen, faßt die Einleitung zusammen. Die Verantwortung für die Triftigkeit des Entwickelten jedoch haben allein die vier Studien selbst zu tragen.

Drei der Kapitel wurden im »Archiv für Philosophie« veröffentlicht, zuerst das letzte, schon 1938 abgeschlossene, unter dem Titel »Zur Philosophie Husserls«, Band 3, Heft 4, dann das erste und zweite, beide 1953 redigiert, Band 5, Heft 2 und Band 6, Heft 1/2. Zumal das Schlußkapitel ist gegenüber dem Vorabdruck wesentlich verändert.

 

Frankfurt, Ostern 1956

 

Einleitung

 

Tnata xrh ton tnaton, oyk atanata ton tnaton pronein.

Epicharmos, Fragm. 20

 

Der Versuch, Husserls reine Phänomenologie im Geist von Dialektik zu erörtern, setzt vorab dem Verdacht der Willkür sich aus. Sein Programm geht auf eine »Seinssphäre absoluter Ursprünge«1, sicher vor jenem »organisierten Widerspruchsgeist«, als welchen Hegel im Gespräch mit Goethe sein Verfahren einmal bezeichnete2. Die von Hegel konzipierte und dann auch gegen ihn gewandte Dialektik ist bei aller Verwandtschaft qualitativ verschieden von den positiven Philosophien, unter die er im Namen des Systems eingereiht wird. Mag auch die Hegelsche Logik gleich der Kantischen am transzendentalen Subjekt »festgemacht«, mag sie vollkommener Idealismus sein, so weist sie doch, wie nach Goethes dialektischem Diktum alles Vollkommene, über sich hinaus. Die Kraft des Unwidersprechlichen, die Hegel wie kein zweiter ausstrahlt und deren Gewalt die spätere bürgerliche Philosophie, auch die Husserlsche, tastend nur und fragmentarisch für sich wieder entdeckte, ist die Kraft des Widerspruchs und kehrt sich gegen sich selber, gegen die Idee des absoluten Wissens. Denken, das aktiv-zusehend in allem Seienden sich wiederfindet, ohne eine Schranke zu dulden, durchbricht als solche Schranke die Nötigung, ein fixiertes Letztes allen seinen Bestimmungen zugrundezulegen, und erschüttert damit noch den Primat des Systems, seinen eigenen Inbegriff. Wohl muß das Hegelsche System die Identität von Subjekt und Objekt voraussetzen und damit jenen Primat des Geistes, den es beweisen will, aber in seiner konkreten Entfaltung widerlegt es die Identität, die es der Totale zuspricht. Das antithetisch Entfaltete jedoch ist nicht, wie man heute wohl möchte, das Gefüge des Seins an sich, sondern die antagonistische Gesellschaft, auf deren Stadien nicht umsonst die Phänomenologie des Geistes, welche als Selbstbewegung des Begriffs auftritt, in all ihren eigenen Stadien sich bezieht. Das Zwangshafte, das die Dialektik mit dem System teilt und das unabtrennbar ist von ihrem Immanenzcharakter, ihrer »Logizität«, wird von ihrem eigenen Identitätsprinzip dem realen Zwang angenähert, dem Denken sich beugt und den es verblendet für den seinen hält: dem des gesellschaftlichen Schuldzusammenhangs. Sein geschlossener Kreis bewirkt den lückenlosen Schein des Natürlichen, schließlich den metaphysischen von Sein. Dialektik aber macht diesen Schein stets wieder zunichte. Demgegenüber hat Husserl noch im Alter im Titel seiner gedrängten Gesamtdarstellung der Phänomenologie jenen Cartesianischen beschworen, der den absoluten Grundlagen der Philosophie gilt. Er möchte die prima philosophia wiederherstellen kraft der Reflexion auf den von jeglicher Spur des bloß Seienden gereinigten Geist. Die metaphysische Konzeption, welche den Anfang des Zeitalters markierte, tritt an dessen Ende, aufs äußerste sublimiert und gewitzigt, dadurch jedoch nur desto unausweichlicher und konsequenter, kahl, nackt, hervor: eine Doktrin des Seins zu entwickeln unter den Bedingungen des Nominalismus, der Zurückführung der Begriffe aufs denkende Subjekt. Diese phänomenologische Konzeption verwirft aber die dialektische Analysis, Hegels Negativität, als bloße Anfechtung. Die Lehre von der Vermitteltheit aller, auch der tragenden Unmittelbarkeit ist mit dem Impuls zur »Reduktion«3 unvereinbar und wird als logischer Widersinn gebrandmarkt. Hegels Skepsis gegen die Wahl eines absolut Ersten als des zweifelsfrei gewissen Ausgangspunktes der Philosophie soll deren Sturz ins Bodenlose gleichkommen – ein Motiv, das dann in den von Husserl ausgehenden Schulen rasch genug gegen alle Arbeit und Anstrengung des Begriffs sich kehrte und dazu herhielt, mitten im Denken den Gedanken zu sistieren. Wer davon sich nicht bange machen läßt, scheint von Anbeginn zu verfehlen, woran er sich mißt, und der fruchtlos transzendenten Kritik zu frönen, welche den leeren Anspruch eines überlegenen »Standpunkts« mit Unverbindlichkeit bezahlt; damit, daß sie in die Kontroverse gar nicht erst eingreift, sondern sie – wie Husserl gesagt hätte: »von oben her« – vorentscheidet.

Aber der methodologische Einwand bleibt allzu formal der Dialektik gegenüber, die auf den Unterschied von Methode und Sache überhaupt nicht sich vereidigen läßt. Ihr Verfahren selber ist die immanente Kritik. Sie opponiert nicht sowohl der Phänomenologie durch einen dieser äußerlichen und fremden Ansatz oder »Entwurf«, als daß sie den phänomenologischen mit seiner eigenen Kraft dorthin treibt, wohin er um keinen Preis möchte, und ihm mit dem Geständnis der eigenen Unwahrheit Wahrheit abnötigt. »Die wahrhafte Widerlegung muß in die Kraft des Gegners eingehen und sich in den Umkreis seiner Stärke stellen; ihn außerhalb seiner selbst angreifen und da Recht zu behalten, wo er nicht ist, fördert die Sache nicht.«4 Dem gegen akademische Convenus gewappneten Bewußtsein ist der Widerspruch in der Idee einer vom geschichtlich irrevokabeln Nominalismus her gewonnenen Ontologie einleuchtend: daß eine aller Subjektivität vorgeordnete und über ihre Kritik erhabene Lehre vom Sein, offen oder verkappt, im Rückgang auf eben jene Subjektivität gefunden werden soll, welche die Lehre vom Sein als dogmatisch aufgelöst hat. Diesen Widerspruch läßt aber der dialektische Gedanke nicht abstrakt stehen, sondern nutzt ihn als Motor der begrifflichen Bewegung bis zur bündigen Entscheidung über das phänomenologisch Behauptete. Nicht ist unterhalb der Konstituentien der reinen Phänomenologie eine Schicht vom Schlage des ursprünglichen Seins als das eigentlich Erste auszugraben und damit der phänomenologische Anspruch womöglich zu überbieten. Vielmehr sind die vorgeblich originären Begriffe, zumal die der Erkenntnistheorie, als welche sie bei Husserl auftreten, allesamt und notwendig in sich vermittelt oder – nach hergebracht wissenschaftlicher Redeweise – »voraussetzungsvoll«. Zur Kritik steht der Begriff des absolut Ersten selber. Kommt etwa zutage, daß die Gegebenheit, von der Erkenntnistheorie handelt, den Mechanismus von Verdinglichung postuliert, während in der Immanenzphilosophie, der jener Terminus angehört, dinghaftes Dasein auf den Zusammenhang von Gegebenem zurückverweist, so folgt daraus nicht umgekehrt der Primat des Dinglichen über die Gegebenheit. Wohl aber, daß das hierarchische Schema von tragendem Ersten und daraus erst Abgeleitetem kein Recht hat. Jeglicher Versuch, einer privilegierten Kategorie dies Recht zuzuspielen, verfängt sich in Antinomien. In der immanenten Methode drückt das derart sich aus, daß die Analyse von Dinglichem ebenso aufs Gegebene stößt wie die des Gegebenen auf Dinghaftes. Das aber ist kein Einwand gegen ein Verfahren, das die Norm von Reduktibilität nicht sich zueignet, sondern nur gegen jene Methode, die dem Kanon solcher Reduktibilität gehorcht. Will die Kritik am Ersten nicht auf die Jagd nach dem Allerersten ausziehen, so darf sie auch nicht gegen die Phänomenologie vertreten, was dieser selbst und manchen ihrer Nachfolger vorschwebt: transzendentes Sein immanenzphilosophisch zu begründen. Es geht um Begriff und Legitimation eben solcher Begründung, nicht um die inhaltlich wie sehr auch immer wechselnde These, was nun der letzte Grund sei. Der philosophische Zwangscharakter ist zu brechen, indem er streng genommen und beim Namen gerufen wird; nicht ein anderer, neuer und noch älterer Bann an seiner Stelle aufzurichten.

Daß der Inhalt dessen, was als Erstes behauptet wird, unwesentlicher sei als die Frage nach dem Ersten als solchem; daß etwa der Streit über einen dialektischen oder ontologischen Beginn irrelevant bleibt gegenüber der Kritik der Vorstellung, es sei überhaupt mit einem Urprinzip, dem des Seins oder des Geistes, zu beginnen, impliziert einen emphatischen Gebrauch des Begriffs vom Ersten selber. Nämlich den der Setzung von Identität. In dem als philosophisch Ersten behaupteten Prinzip soll schlechthin alles aufgehen, gleichgültig, ob dies Prinzip Sein heißt oder Denken, Subjekt oder Objekt, Wesen oder Faktizität. Das Erste der Philosophen erhebt totalen Anspruch: es sei unvermittelt, unmittelbar. Damit es dem eigenen Begriff genüge, wären immer erst die Vermittlungen gleichsam als Zutaten des Gedankens zu beseitigen und das Erste als irreduktibles An sich herauszuschälen. Aber ein jegliches Prinzip, auf welches Philosophie als auf ihr Erstes reflektieren kann, muß allgemein sein, wenn es nicht seiner Zufälligkeit überführt werden will. Und ein jegliches allgemeines Prinzip eines Ersten, wäre es auch das der Faktizität im radikalen Empirismus, enthält in sich Abstraktion. Selbst jener Empirismus könnte kein einzelnes jetzt und hier Seiendes, kein Faktum als Erstes reklamieren, sondern einzig das Prinzip von Faktischem überhaupt. Als Begriff ist das Erste und Unmittelbare allemal vermittelt und darum nicht das Erste. Keine Unmittelbarkeit, auch kein Faktisches, in dem der philosophische Gedanke der Vermittlung durch sich selbst zu entrinnen hofft, wird der denkenden Reflexion anders zuteil denn durch den Gedanken. Das hat die vorsokratische Seinsmetaphysik registriert zugleich und verklärt im Parmenideischen Vers, Denken und Sein seien das Gleiche, und damit freilich auch bereits die eigene eleatische Doktrin vom Sein als Absolutum dementiert. Mit dem Prinzip des noein wird zwangvoll jene Reflexion in den Prozeß geworfen, welche die reine Identität des einai zerstören muß und doch an sie gebannt bleibt als an den abstraktesten Begriff, das untilgbare Gegenüber des abstraktesten Gedankens. »Die Kennzeichen, welche man dem ›wahren Sein‹ der Dinge gegeben hat, sind die Kennzeichen des Nicht-Seins, des Nichts, – man hat die ›wahre Welt‹ aus dem Widerspruch zur wirklichen Welt aufgebaut: eine scheinbare Welt in der That, insofern sie bloß eine moralisch-optische Täuschung ist.«5 Seitdem war alle Ontologie idealistisch6: erst ohne es zu wissen, dann auch für sich selber, schließlich gegen den verzweifelten Willen der theoretischen Reflexion, die aus dem selbstgesteckten Bezirk des Geistes als eines An sich ins An sich ausbrechen möchte. Dagegen verblassen die Unterschiede, auf denen die offizielle Geschichte der Philosophie beharrt, selbst der des Psychologischen und Transzendentalen, zur Irrelevanz. In den Cartesianischen Meditationen hat Husserls Redlichkeit das eingeräumt. Wohl läßt er nicht davon ab, selbst rein deskriptive Psychologie sei, trotz der strikten Parallelität beider Disziplinen, keineswegs transzendentale Phänomenologie: »Zwar ist reine Bewußtseinspsychologie eine genaue Parallele zur transzendentalen Bewußtseinsphänomenologie, aber gleichwohl muß beides streng auseinandergehalten werden, während die Vermengung den transzendentalen Psychologismus charakterisiert, der eine echte Philosophie unmöglich macht.«7 Aber es handle sich um Nuancen. Dies Zugeständnis wiegt um so schwerer, als Husserl selber das Kriterium schuldig bleibt, das es erlaubte, das von ihm am Ende urgierte reine Ich, Heimat des Transzendentalen, von der Bewußtseinsimmanenz herkömmlich szientifischen Stils abzuheben. In dieser seien die Bewußtseinsdaten ein Stück »Welt«, Dasein, dort nicht. Auf die Frage aber, was sonst sie seien, erteilt er den Bescheid, »Wirklichkeitsphänomene«8. Von Phänomenen ohne Dasein kann jedoch nicht wohl die Rede sein.

Indem das Erste der Philosophie immer schon alles enthalten soll, beschlagnahmt der Geist, was ihm nicht gleicht, macht es gleich, zum Besitz. Er inventarisiert es; nichts darf durch die Maschen schlüpfen, das Prinzip muß Vollständigkeit verbürgen. Die Zählbarkeit des Befaßten wird zum Axiom. Verfügbarkeit stiftet das Bündnis von Philosophie und Mathematik, das dauert, seitdem Platon das eleatische wie das heraklitische Erbe mit dem der Pythagoräer verschmolz. Seine Spätlehre, der zufolge die Ideen Zahlen seien, ist keine bloße Ausschweifung exotischer Spekulation. Stets fast läßt an den Exzentrizitäten des Gedankens das Zentrale sich ablesen. Durch die Zahlenmetaphysik wird exemplarisch die Hypostasis der Ordnung vollzogen, mit welcher der Geist die beherrschten Dinge so gänzlich überspinnt, bis es scheint, als wäre das Gewebe das Verborgene selber: schon dem Sokrates von Platons mittlerer Periode scheint es »notwendig, zu den Begriffen« seine »Zuflucht zu nehmen und an ihrer Hand das wahre Wesen der Dinge zu erforschen«9. Um so dichter aber wird der Schleier vorm Geist, je dinghafter er als herrschender – wie es in der Zahl geschieht – selbst wird. Im Begriff des Ersten, der in den Urtexten der abendländischen Philosophie waltet und im Seinsbegriff der Aristotelischen Metaphysik thematisch ward, sind Zahl und Zählbarkeit mitgedacht. Das Erste gehört an sich schon in die Zahlenreihe; wo von einem proton die Rede ist, muß ein deyteron sich angeben, muß sich abzählen lassen. Sogar der eleatische Begriff des Einen, das einzig sein soll, wird verständlich nur in seiner Beziehung auf das Viele, das er verneint. Man stößt sich am zweiten Teil des Parmenideischen Gedichts um seiner Inkompatibilität mit der These des Einen willen. Doch ohne die Idee des Vielen wäre die des Einen gar nicht zu bestimmen. In den Zahlen spiegelt sich der Gegensatz des ordnenden und festhaltenden Geistes zu dem, was er sich gegenüber findet. Erst reduziert er es, um es sich gleich zu machen, zum Unbestimmten, das er dann bestimmt als das Viele. Noch zwar nennt er es nicht mit ihm identisch oder auf ihn zurückführbar. Aber es wird ihm bereits ähnlich. Es büßt als Menge von Einheiten seine besonderen Qualitäten ein, bis es sich als abstrakte Wiederholung des abstrakten Zentrums enthüllt. Die Schwierigkeit, den Zahlenbegriff zu definieren, stammt daher, daß sein eigenes Wesen der Mechanismus der Begriffsbildung ist, mit dessen Hilfe er zu definieren wäre. Der Begriff selbst ist Subsumtion und enthält damit ein Zahlenverhältnis. Die Zahlen sind Veranstaltungen, das Nichtidentische unter dem Namen des Vielen dem Subjekt kommensurabel zu machen, dem Vorbild von Einheit. Sie bringen das Mannigfaltige der Erfahrung auf seine Abstraktion. Das Viele vermittelt zwischen dem logischen Bewußtsein als Einheit und dem Chaos, zu dem die Welt wird, sobald jenes dieser sich gegenüberstellt. Ist aber in dem Vielen an sich die Einheit bereits enthalten als das Element, ohne das von Vielem nicht die Rede sein kann, so verlangt umgekehrt das Eine die Idee des Zählens und der Vielheit. Freilich hat der Gedanke der Vielheit noch nicht das dem Subjekt Gegenüberliegende durch Synthesis wiederum zur Einheit gemacht. Die Idee der Einheit der Welt gehört einer späten Stufe an, der identitätsphilosophischen. Die Kontinuität der Zahlenreihe jedoch blieb seit Platon das Modell aller Bruchlosigkeit der Systeme, ihres Anspruchs auf Vollständigkeit. Von ihr leitet sich bereits die Cartesianische, von aller als Wissenschaft auftretenden Philosophie respektierte Regel her, kein Mittelglied dürfe fehlen. Sie schon prägt, in dogmatischer Antizipation des späteren philosophischen Identitätsanspruchs, dem zu Denkenden eine Geschlossenheit auf, von der dahinsteht, ob sie jenem gebühre. Die Identität des Geistes mit sich selber, die nachmalige synthetische Einheit der Apperzeption, wird durchs bloße Verfahren auf die Sache projiziert und zwar desto rücksichtsloser, je sauberer und stringenter es sein möchte. Das ist die Erbsünde der prima philosophia. Um nur ja Kontinuität und Vollständigkeit durchzusetzen, muß sie an dem, worüber sie urteilt, alles wegschneiden, was nicht hineinpaßt. Die Armut philosophischer Systematik, welche die philosophischen Systeme schließlich zum Popanz erniedrigte, ist nicht erst ein Symptom von deren Zerfall, sondern teleologisch gesetzt von dem Verfahren selbst, das da schon bei Platon unwidersprochen verlangt, die Tugend müsse durch Reduktion auf ihr Schema demonstrierbar sein gleich einer geometrischen Figur10.

Die Autorität des Platon ebenso wie das Eingeschliffensein der mathematisierenden Denkgewohnheit als der allein verbindlichen lassen das Bewußtsein des Ungeheuerlichen kaum recht aufkommen, daß eine konkret gesellschaftliche und von Gorgias im gesellschaftlichen Zusammenhang, nämlich dem von Herrschaft11, ausdrücklich lokalisierte Kategorie wie die der Tugend derart auf ihr Skelett als auf ihr Wesen zurückgeführt werden soll. Im Triumph von Mathematik und jeglichem Triumph hallt wie im Bescheid der Orakel etwas von mythischem Hohn wider: wer darauf lauscht, hat das Beste schon vergessen. Tautologie ist Mathematik auch darin, daß ihre Allherrschaft doch nur die ist über das, was sie schon präpariert, sich selbst angebildet hat. Im Menon wird nicht ohne Grund vielleicht – nämlich um über jenes Ungeheuerliche hinwegzuleiten – das Desiderat des Sokrates wie selbstverständlich und daher unbegründet-dogmatisch, auch ohne Opposition ausgesprochen, die Tugend auf ihr Unveränderliches, damit aber Abstraktes und von jenem Zusammenhang Losgelöstes zu bringen. Dies Desiderat, spürbar noch hinter jeder Bedeutungsanalyse der reinen Phänomenologie, ist aber schon das von Methode im prägnanten Sinn, einer Verfahrungsweise des Geistes, die sich überall und stets zuverlässig anwenden läßt, weil sie der Beziehung auf die Sache, den Gegenstand der Erkenntnis sich entäußerte, die Platon noch respektiert wissen wollte12. Solcher Begriff der Methode ist die ihrer eigenen Implikation, des Rekurses aufs selbstherrliche Subjekt, noch nicht bewußte Vorform von Erkenntnistheorie, und diese war kaum je etwas anderes als die Reflexion der Methode. Der Schnitt jedoch, den sie vollzieht, gehört konstitutiv zum Begriff einer proth pilosopia. Wie diese nicht anders als methodisch kann vorgestellt werden, so ist Methode, der geregelte »Weg«, immer gesetzmäßige Folge eines Nachfolgenden aufs Frühere: wo methodisch gedacht wird, ist auch ein Erstes verlangt, damit nicht der Weg abbreche und beim Zufall ende, wider den er ersonnen ward. Vorweg wird das Verfahren so geplant, daß nichts außerhalb seines Stufengangs es stören darf. Daher die Harmlosigkeit alles Methodischen, vom Zweifel des Descartes bis zur respektvollen Destruktion des Tradierten bei Heidegger. Nur der bestimmte, nie der absolute Zweifel ist den Ideologien jemals gefährlich geworden; der absolute fährt sich selbst in die Parade durch das methodische Ziel, was ist aus sich heraus noch einmal hervorzubringen. Dem entspricht in Husserls Erkenntnistheorie die Abgrenzung der epoxh von Sophistik und Skepsis13. Der Zweifel verschiebt bloß das Urteil zur Vorbereitung darauf, die Annahmen vorkritischen Bewußtseins wissenschaftlich zu vindizieren, in geheimer Sympathie mit dem konventionellen Menschenverstand. Zugleich jedoch muß die Methode der unbekannten Sache, um deren Erkenntnis willen sie einzig da ist, stets Gewalt antun, das andere nach sich selbst modeln – der Urwiderspruch in der ursprungsphilosophischen Konstruktion von Widerspruchslosigkeit. Die vor Aberrationen behütete, autarkische und sich selbst unbedingt dünkende Erkenntnis als methodische hat zum telos die rein logische Identität. Damit aber substituiert sie sich als Absolutum für die Sache. Ohne die Gewalttat der Methode wären Gesellschaft und Geist, wären Unterbau und Überbau kaum möglich gewesen, und das verleiht ihr nachträglich die Unwiderstehlichkeit, welche die Metaphysik als transsubjektives Sein zurückspiegelt. Die Ursprungsphilosophie, die als Methode die Idee von Wahrheit überhaupt erst zeitigte, ist jedoch zugleich im Ursprung ein peydos. Nur in Augenblicken des geschichtlichen Hiatus wie dem zwischen der Lockerung des scholastischen Zwangs und dem Beginn des neuen, bürgerlich-szientifischen hat der Gedanke Atem geschöpft; in Montaigne etwa verbindet sich die schüchterne Freiheit des denkenden Subjekts mit Skepsis gegen die Omnipotenz der Methode, nämlich der Wissenschaft14. Gesellschaftlich aber erscheint in der Konstitution von Methode als deren Trennung von der Sache die Trennung geistiger und körperlicher Arbeit. Im Arbeitsprozeß war die Allgemeinheit methodischen Vorgehens Frucht von Spezialisierung. Gerade der zur Sonderfunktion beschränkte Geist verkennt sich, dem eigenen Privileg zuliebe, als Absolutes. Bereits der Bruch im Gedicht des Parmenides ist ein Zeichen der Diskrepanz von Methode und Sache, mag auch ein Begriff von Methode noch fehlen. Die Absurdität der zweierlei Wahrheiten, die unvermittelt nebeneinander auftreten und von denen die eine doch bloßer Schein sein soll, drückt die Absurdität der frühesten Gestalt von »Rationalisierung« flagrant aus. Wahrheit, Sein, Einheit, die obersten eleatischen Worte, sind reine Denkbestimmungen, und Parmenides erkennt sie als solche; damit aber sind sie zugleich, was er und seine Nachfolger noch verschweigen, Anweisungen, wie zu denken sei, »Methode«. Natorps geschichtsfremder Neukantianismus hat diesen Aspekt der alten Philosophie besser getroffen als die allzu ehrfürchtige Versenkung in ihr Archaisches. Wie dem methodischen Verfahren steht den Parmenideischen Urworten die Sache einzig noch als störender Inhalt gegenüber: als bloßer Trug, den er verwirft. Die doxa des Parmenides ist der Überschuß der Sinnenwelt übers Denken, Denken sein wahres Sein. Nicht sowohl fragt authentisch die Vorsokratik durch die Schuld späterer Entweihung verstummte Ursprungsfragen, als daß in ihr und noch in Platon der Bruch, die Entfremdung rein und unverstellt ausgesprochen ward. Das ist ihre Würde, die des Gedankens, der das Unheil noch nicht verschleiert, von dem er zeugt. Die fortschreitende ratio jedoch hat als fortschreitende Vermittlung jenen Bruch immer kunstvoller versteckt, ohne ihn je meistern zu können. Damit hat sie die Unwahrheit des Ursprungs stetig verstärkt. Schon der von Platon gelehrte xorismos dachte gegenüber dem klaffenden, noch von keinem Begriff eingefangenen Widerspruch der Eleaten beide Sphären, sei's auch in ihrem schroffen Gegensatz, zusammen, eine erste Vermittlung vor aller metexis und sein späteres Werk gleich dem gesamten des Aristoteles will mit voller Anstrengung den Graben ausfüllen. Denn während dieser den Ursprungsphilosophien als ihre eigene Bedingung eingezeichnet ist, ist er ihnen zugleich das schlechterdings Unerträgliche. Er mahnt sie an ihre Unmöglichkeit, daran, daß sich ihre Objektivität von subjektiver Willkür herleitet. Ihre Geschlossenheit ist selber der Bruch. Daher die fanatische Intoleranz der Methode, der totalen Willkür, gegen alle Willkür als Abweichung. Ihr Subjektivismus richtet das Gesetz von Objektivität auf. Die Herrschaft des Geistes glaubt nur als grenzenlose sich selber. Als wiedererrungene Einheit jedoch besiegelt sie bloß die Entzweiung; wahrhaft ein Absolutes, Schein der Versöhnung, entbunden von dem, womit zu versöhnen wäre, und in solcher Absolutheit erst recht Bild des ausweglosen Zusammenhangs von Schuld. Gerade die lückenlose Gefügtheit, deren sie doch nicht entraten können, verhängt über die Ursprungsphilosophien ihr Unheil und schafft zugleich die Bedingung zur Freiheit von ihnen. Der Entmythologisierungsprozeß, den der zur zweiten Mythologie sich zusammenschließende Geist durchläuft, enthüllt die Unwahrheit der Idee des Ersten selber. Das Erste muß der Ursprungsphilosophie immer abstrakter werden; je abstrakter aber es wird, desto weniger erklärt es mehr, desto weniger taugt es zur Begründung. Bei vollkommener Konsequenz nähert das Erste unmittelbar dem analytischen Urteil sich an, in das es die Welt verwandeln will, der Tautologie, und sagt am Ende überhaupt nichts mehr. Die Idee des Ersten zehrt in ihrer Entfaltung sich selber auf, und das ist ihre Wahrheit, die ohne Philosophie des Ersten nicht sich hätte gewinnen lassen.

Indem das Subjekt das Prinzip angibt, aus dem ein jegliches Sein hervorgehe, erhöht es sich selber. Darin hat wenig sich geändert, von den marktschreierischen Selbstanpreisungen jener Vorsokratiker, die wie arbeitslos gewordene Medizinmänner herumzogen und deren Unehrlichkeit widerhallt in der Platonischen Wut auf die Sophisten, bis zu Husserl. Seine Schriften sind voll von Bewunderung für die von ihm erschlossenen »ungeheuren Felder«15; in den Cartesianischen Meditationen heißt es: »eine unerhört eigenartige Wissenschaft tritt in unseren Gesichtskreis«16, oder: »Haben wir uns einmal der phänomenologischen Aufgabe der konkreten Bewußtseinsdeskription bemächtigt, so eröffnen sich uns wahre Unendlichkeiten – vor der Phänomenologie – nie erforschter Tatsachen.«17 Den gleichen Ton schlägt Heidegger an in dem Pronunciamento, das Sein sei das »Einzigartigste, was es überhaupt gibt«18. Auftrumpfend bietet von alters her sich der Sprecher der prima philosophia an als der, welcher alles im Sack hat und alles weiß. Er erhebt den Vielen gegenüber, die er durch Verachtung an sich bindet, einen Souveränitätsanspruch, der bei Platon noch als Empfehlung von Philosophenkönigen sich einbekannte. Selbst auf ihrer höchsten Stufe, der Hegelschen Lehre vom absoluten Wissen, ist die prima philosophia davon nicht geheilt. Hegel plaudert nur aus der Schule, was sonst meist die armen Weisen für sich behielten: Philosophie sei selber das wahre Sein; während Platon außerhalb der Utopie sich damit begnügte, den Philosophen günstige Plätze in der Unsterblichkeit zu reservieren19. Der offene oder geheime Pomp und das keineswegs selbstverständliche Bedürfnis nach absoluter geistiger Sekurität – denn warum eigentlich sollte das spielerische Glück des Geistes vom Risiko des Irrtums gemindert werden? – sind der Reflex auf reale Ohnmacht und Unsicherheit, die sich selbst durch Positivität übertäubende Klage dessen, der weder zur realen Reproduktion des Lebens beiträgt noch an dessen realer Beherrschung recht partizipieren darf, sondern einzig als dritte Person den Herrschenden ihr Herrschaftsmittel, den zur Methode versachlichten Geist, verkauft und anpreist. Was sie nicht haben, wollen sie wenigstens in der Fata morgana ihres eigenen Ressorts, des Geistes: Unwiderleglichkeit ersetzt ihnen die Herrschaft, fusioniert mit dem Dienst, den sie tatsächlich leisten, ihrem Beitrag zur Naturbeherrschung. Ihr Subjektivismus, verblendet von Anbeginn, wird aber sogleich von der Strafe für seine Beschränktheit ereilt. Um der Herrschaft willen muß er sich selbst beherrschen und negieren. Damit sie sich nur ja nicht irren, der eigenen Erhöhung zuliebe, erniedrigen sie sich und möchten sich am liebsten durchstreichen. Ihre Subjektivität wenden sie daran, von der Wahrheit das Subjekt zu subtrahieren und Objektivität stellen sie sich als Rest vor. Alle prima philosophia bis zu Heideggers Anspruch der »Destruktion«20 war wesentlich Residualtheorie; Wahrheit soll sein, was übrig bleibt, die Neige, das Allerschalste. Der Inhalt auch von Husserls phänomenologischem Residuum ist ganz dürftig und leer und wird dessen überführt, sobald die Philosophie, wie in den soziologischen Exkursen der Cartesianischen Meditationen21, auch nur den kleinsten Schritt wagt, um aus dem Gefängnis des Residuums ins freie Leben sich zurückzubegeben. Denn philosophia perennis verhält sich zur ungeschmälerten Erfahrung wie der Unitarismus zur Religion und die Kultur zu dem, was ihr neutralisierter Begriff verwaltet. Huxley behält ironisch recht, wenn er seine philosophia perennis als das Gemeinsame der durchmusterten Denker herausklaubt: der dünne Auszug fördert zutage, was dort schon impliziert war, wo man pathetisch zum erstenmal das wahre Sein dem allgemeinen Begriff zusprach. Nur in Freiheit vermöchte der Geist mit dem sich zu erfüllen und zu versöhnen, wovon er sich losriß, und ihr ist ein Element von Unsicherheit gesellt, wenn sie nicht zur bloßen Beteuerung verkommen soll; Freiheit selber ist nie gegeben, stets bedroht. Das absolut Gewisse als solches aber ist immer die Unfreiheit. Die Nötigung ihm nachzuhängen arbeitet gleich allem Zwang an der eigenen Zerstörung: unter der Devise zweifelsfreier Gewißheit wird vom szientifischen Geist jegliche zweifelsfreie Gewißheit abgeschafft. Aber die leitende Idee dessen, was übrigbleibt, läßt davon sich nicht irritieren. Der Absolutist Husserl, der methodisch das »phänomenologische Residuum«22 heraussondern möchte, teilt jene Idee bis in die Terminologie hinein mit wütenden Nominalisten und Relativisten wie Pareto, der die Residuen den Derivaten kontrastiert23. Die traditionelle Theorie24 der divergentesten Richtungen ist sich darin einig, daß nach naturwissenschaftlicher Sitte eliminiert werden soll, was die reine Sache zudeckt: die »störenden Faktoren«. Die jedoch sind ihr stets subjektive Zutat. Die Operation aber führt, je gründlicher sie vollzogen wird, desto zwingender auf den reinen Gedanken und damit eben den Menschen, den sie loszuwerden trachtet. Der Weg zur Befreiung vom Anthropomorphismus, den die Erste Philosophie im Zeichen von Entmythologisierung antritt, mündet in die Apotheose des antropos als zweite Mythologie. Nicht zuletzt weil sie daran gemahnen könnte, hat seit Husserl die stolze Philosophie die Psychologie verfemt. Aus Angst vor ihr opfert Philosophie auf der Suche nach dem Residuum all das, um dessentwillen sie da ist. Was arglose Pfarrer in entlegenen Landgemeinden noch predigen mögen: daß die Ewigkeitswerte ein Sparpfennig seien, davon hat alle prima philosophia etwas und nicht zuletzt die Max Schelers, der so gern die Kleinbürger verachtet hätte. Wenn aber seit der Platonischen Hypostasis der ewigen Ideen von der Metaphysik was zeitlich ist eskamotiert wird und die Residuen des Zeitlichen verdinglicht, so ist das am Ende wohl dem zuzuschreiben, daß Metaphysik unterm Mangel gedieh, unter der steten Furcht, das Wenige zu verlieren. Befangen bildete sie ihre Ewigkeit einem Zeitlichen nach, den Eigentumsverhältnissen, die von Menschen gemacht sind und entfremdet über ihnen walten. Husserls Programm von Philosophie als strenger Wissenschaft, die Idee absoluter Sekurität, ist solchen Schlages. Indem sein Cartesianismus Zäune baut um das, wofür sie den Rechtstitel des Invarianten und Apriorischen zu besitzen glaubt, um das, was nach der französischen Fassung der Cartesianischen Meditationen »m'est spécifiquement propre, à moi ego«25, wird die prima philosophia sich selber zum Besitz. Darüber ignoriert sie die Funktion der Invarianten für die Erkenntnis: ob sie Wesentliches oder Gleichgültiges betreffen. So erwartet Husserl sich eine heilsame Reform der Psychologie von der Ausbildung einer intentionalen, nämlich rein apriorischen, ohne zu erwägen, ob nicht an Fülle der Einsicht die empirische, keineswegs invariante Psychologie weit mehr gewährt als jene, die ohne Furcht sein kann, weil sie nichts riskiert.

Mit der Unterschiebung des Bleibenden als des Wahren wird der Anfang der Wahrheit zum Anfang der Täuschung. Es ist ein Fehlschluß, was dauert, sei wahrer, als was vergeht. Die Ordnung, welche die Welt zum verfügbaren Eigentum ummodelt, wird für die Welt selber ausgegeben. Die Invarianz des Begriffs, die nicht wäre ohne das Absehen von der zeitlichen Bestimmtheit des unter jenem Befaßten, wird verwechselt mit der Unveränderlichkeit des Seins an sich. Das groteske Manöver jenes Adepten der Phänomenologie, der mit dem, was in seinem Jargon Problem der Unsterblichkeit heißt, fertig wird, indem er zwar den Untergang jeder individuellen Seele unerschüttert bestätigt, aber darüber beruhigt, weil ja der reine Begriff einer jeglichen solchen Seele, ihr individuelles eidos unverweslich sei – dieser ohnmächtige Trick bringt durch seine Plumpheit einzig zutage, was in den Höhlentiefen der großen Spekulation sich versteckt. Heraklit, vor dem Hegel und Nietzsche sich neigten26, hat noch das Wesen der Vergängnis gleichgesetzt; seit der ersten authentischen Formulierung der Ideenlehre27 hat man Vergänglichkeit der Erscheinung, dem Reich der doxa dem Schein zugerechnet und das Wesen der Ewigkeit reserviert. Nur Nietzsche hat dagegen aufbegehrt: »Die andere Idiosynkrasie der Philosophen ist nicht weniger gefährlich: sie besteht darin, das Letzte und das Erste zu verwechseln. Sie setzen Das, was am Ende kommt – leider! denn es sollte gar nicht kommen! – die ›höchsten Begriffe‹, das heißt die allgemeinsten, die leersten Begriffe, den letzten Rauch der verdunstenden Realität an den Anfang als Anfang. Es ist dies wieder nur der Ausdruck ihrer Art zu verehren: das Höhere darf nicht aus dem Niederen wachsen, darf überhaupt nicht gewachsen sein ... Moral: Alles, was ersten Ranges ist, muß causa sui sein. Die Herkunft aus etwas Anderem gilt als Einwand, als Werth-Anzweiflung. Alle obersten Werthe sind ersten Ranges, alle höchsten Begriffe, das Seiende, das Unbedingte, das Gute, das Wahre, das Vollkommene – das Alles kann nicht geworden sein, muß folglich causa sui sein. Das Alles aber kann auch nicht einander ungleich, kann nicht mit sich im Widerspruch sein ... Das Letzte, Dünnste, Leerste wird als Erstes gesetzt, als Ursache an sich, als ens realissimum ...«28 Aber was Nietzsche als den Frevel »kranker Spinneweber«29 betrachtet, der um des Lebens willen »gar nicht kommen« hätte sollen, ward mit der Wildheit des Lebens selber begangen, und das Unheil, das er aus jenem proton peydos als einem des Geistes erklärt, stammt aus der realen Herrschaft. Kodifiziert wird der Sieg, indem der Sieger sich als der Bessere aufwirft. Nach geglückter Gewalttat soll der Unterjochte glauben, was überlebt, sei höheren Rechtes, als was unterging. Der Zoll, den das Überlebende dafür zu entrichten hat, daß der Gedanke es zur Wahrheit transfiguriert, ist sein Leben selber; tot muß es sein, damit es zur Ewigkeit geweiht werde: »Sie fragen mich, was Alles Idiosynkrasie bei den Philosophen ist? ... Zum Beispiel ihr Mangel an historischem Sinn, ihr Haß gegen die Vorstellung selbst des Werdens, ihr Ägypticismus. Sie glauben einer Sache eine Ehre anzuthun, wenn sie dieselbe enthistorisieren, sub specie aeterni, – wenn sie aus ihr eine Mumie machen. Alles, was Philosophen seit Jahrtausenden gehandhabt haben, waren Begriffs-Mumien; es kam nichts Wirkliches lebendig aus ihren Händen. Sie tödten, sie stopfen aus, diese Herren Begriffs-Götzendiener, wenn sie anbeten, – sie werden Allem lebensgefährlich, wenn sie anbeten. Der Tod, der Wandel, das Alter ebensogut als Zeugung und Wachsthum sind für sie Einwände, – – Widerlegungen sogar. Was ist, wird nicht; was wird, ist nicht ... Nun glauben sie Alle, mit Verzweiflung sogar, an's Seiende. Da sie aber dessen nicht habhaft werden, suchen sie nach Gründen, weshalb man's ihnen vorenthält.«30 Aber Nietzsche hat, was er durchschaute, zugleich unterschätzt und blieb deswegen bei einem Widerspruch stehen, aus dem die Selbstreflexion des Gedankens erst noch sich herausarbeiten müßte. »Ehemals nahm man die Veränderung, den Wechsel, das Werden überhaupt als Beweis für Scheinbarkeit, ein Zeichen dafür, daß Etwas da sein müsse, das uns irre führe. Heute umgekehrt sehen wir genau so weit, als das Vernunft-Vorurtheil uns zwingt, Einheit, Identität, Dauer, Substanz, Ursache, Dinglichkeit, Sein anzusetzen, uns gewissermaßen verstrickt in den Irrthum, necessitirt zum Irrthum; so sicher wir auf Grund einer strengen Nachrechnung bei uns darüber sind, daß hier der Irrthum ist.«31 Die Metaphysik des Bleibenden zog ihren Erkenntnisgrund aus der Konstanz des Dinges gegenüber seinen Erscheinungen, und die aufgeklärte Kritik, welche Nietzsche resümiert, im Grunde die Humesche, hat die damit vollzogene Hypostasis des Dinges aufgelöst. Aber auch das will nicht bruchlos gelingen. Das Feste dem Chaotischen entgegenzusetzen und Natur zu beherrschen, wäre nie gelungen ohne ein Moment des Festen an dem Beherrschten, das sonst ohne Unterlaß das Subjekt Lügen strafte. Jenes Moment skeptisch ganz abzustreiten und es einzig im Subjekt zu lokalisieren ist nicht minder dessen Hybris, als wenn es die Schemata begrifflicher Ordnung verabsolutiert. Beide Male werden Subjekt und Objekt als bereits geronnene zum ypokeimenon gemacht. Das bloße Chaos, zu dem der reflektierende Geist die Welt der eigenen Allmacht zuliebe entqualifiziert, ist ebenso sein Produkt wie der Kosmos, den er aufrichtet, um ihn zu verehren.

Das Feste, Tragende stellt der philosophische Begriff als das Elementare vor. Es soll – auch daran zweifelte Descartes nicht – einfacher sein als das Getragene. Weil aber das ypokeimenon wahrer sei, als was darüber sich erhebt, werden Primitivität und Wahrheit einander angenähert. Das ist vielleicht die verhängnisvollste Folge der Supposition von Unmittelbarkeit, mit der das Subjekt sich über sich selbst, die Vermittlung, krampfhaft betrügt. Stets waltete in der Ursprungstheorie als Bürgschaft ihrer Affinität zur Herrschaft eine Tendenz zur Regression, Haß gegen das Komplizierte. Fortschritt und Entmythologisierung haben diese Tendenz nicht erhellt und getilgt, sondern womöglich noch krasser hervortreten lassen. Der Feind, das Andere, Nichtidentische ist immer zugleich das von seiner Allgemeinheit Unterschiedene, Differenziertere. Vom Platonischen Fluch über die angeblich verweichlichenden Tonarten bis zu den Heideggerschen Invektiven gegen das »Gerede«, in denen die radikal sich gebärdende Besinnung als kernig offenbar wird, haben sie es diffamiert. Seitdem sie nach dem fragen, was am Anfang war, liegt ihnen die Tat auf den Lippen, die den gordischen Knoten zerhaut; selbst Hegel hat mit dem Motiv der Nichtigkeit des Individuierten jener Tendenz der traditionellen Philosophie pariert. Zu seinem höheren Ruhm beschimpft der reine Begriff das höher entwickelte Einzelne als unrein und Verfall: kein Fortschritt wissenschaftlicher und philosophischer Rationalität ohne solchen Rückschritt. Die totalitären Systeme haben ihn nicht aus dem historischen Nirgendwo angezettelt, sondern brutal vollstreckt, was die Ideologie über Jahrtausende spirituell, als Herrschaft des Geistes vorbereitete. Das Wort elementar deckt aber das szientifisch Einfache ebenso wie das mythisch Ursprüngliche. Die Äquivokation ist so wenig Zufall wie die meisten. Der Faschismus suchte die Ursprungsphilosophie zu verwirklichen. Das Älteste, das was am längsten da ist, sollte unmittelbar, buchstäblich herrschen. Damit rückte das Usurpatorische am Ersten grell ins Licht. Blut und Boden, die faschistisch konkretisierten und in der modernen Industriegesellschaft ganz schimärischen Ursprungsmächte wurden selbst schon in Hitlers Deutschland zum Kinderspott. Die Identität von Ursprünglichkeit und Herrschaft lief darauf hinaus, daß wer die Macht hat, nicht bloß der Erste, sondern auch der Ursprüngliche sein sollte. Als politisches Programm geht die absolute Identität über in die absolute Ideologie, die keiner mehr glaubt.

Die Erste Philosophie ist keineswegs bloß Herrschaft gewesen. Sie zielt zunächst auch auf Befreiung vom Naturzusammenhang, und nie hat Rationalität der Erinnerung an Autonomie und ihre Verwirklichung ganz sich entschlagen. Aber sobald sie sich verabsolutierte, ging sie fast stets gegen die gefürchtete Auflösung. Die Ursprungsphilosophie, die aus der eigenen Konsequenz, der Flucht vorm Bedingten, ins Subjekt, die reine Identität, sich wendet, fürchtet zugleich, in die Bedingtheit des bloß Subjektiven sich zu verlieren, das, als isoliertes Moment, eben doch nie die reine Identität erlangt und seinen Makel so gut behält wie sein Gegenüber; dieser Antinomie ist die große Philosophie nicht entronnen. Denken, das sich selbst als Seinsgrund behauptet, ist stets auf dem Sprung, sich als Störungsfaktor des Seins zu verbieten, und auch die idealistische Spekulation hat dies Verbot nur scheinbar durchbrochen: hat gleichsam das Subjekt entsubjektiviert. Der sich selbst verborgene Abstraktionsmechanismus neigt immanent zur gleichen Ontologie, der er entgegenarbeitet. Vermöge dieser Tendenz ist die bedrängte Ursprungsphilosophie aus der subjektiven Reflexion in den Platonismus zurückgeflohen und mußte zugleich sich verzweifelt bemühen, solchen Rückfall mit dem irrevokabeln subjektiv-kritischen Motiv auf den gemeinsamen Nenner zu bringen. Das datiert bis auf Kant zurück. Er hat den Schluß aufs Erste als Unmittelbarkeit widerlegen und gleichwohl das Erste in Gestalt des Constituens bewahren wollen, hat die Frage nach dem Sein liquidiert und doch prima philosophia gelehrt, »Grundlegung« in jedem Betracht. Dagegen hat selbst Hegels heroische Anstrengung nichts vermocht. Noch das Subjekt-Objekt ist verkapptes Subjekt. Solchem transzendentalen Subjektivismus gegenüber steht jedoch nicht, wie die Apologeten der Seinsfrage es wollen, heute diese frei vom Schutt der Jahrtausende als Eigentliches wieder vor Augen. Vielmehr ist ihr absolutes An sich nur die absolute Verblendung gegen die eigene subjektive Vermitteltheit, die der Seinsfrage selber immanent ist. Mit der zugleich dogmatischen und leeren Setzung von Sein meldet die auf die Erkenntnis des Ursprungs abzielende Denkbewegung den eigenen Bankrott an. Sie feiert den Ursprung um den Preis von Erkenntnis. Die Irrationalität, in der die philosophisch verabsolutierte ratio verendet, bekennt die Willkür dessen ein, was aller Willkür entrückt sein möchte; nicht erst in den Reden von Entwürfen, sondern schon bei Husserl, der die phänomenologischen Reduktionen zur Herstellung seiner »Seinssphäre absoluter Ursprünge« dekretiert, wie etwas, was man tun oder lassen kann, im äußersten Gegensatz etwa zum Begriff der »Nötigung« aus der Kantischen Ethik, oder zu Kants Ableitung der Kopernikanischen Wendung insgesamt als einer notwendigen, deren die Vernunft bedarf, um jene Widersprüche zu meistern, in welche sie nicht minder notwendig sich verwickelt. Je totaler heute der ontologische Anspruch, der über alles reflektierende Denken hinaus die Hand nach dem Mythos ausstreckt, um so abhängiger wird er von der bloßen »Einstellung«, die bei Husserl gleichsam als Existential der Erkenntnis fungiert. Während solches Philosophieren, gerade in der Behandlung des sogenannten Konstitutionsproblems, der Mathematik nacheifert, die im Namen strengster Stringenz beliebig verfahren, Mannigfaltigkeiten setzen, variieren kann, erfüllt die Willkür des Absoluten bald ihre politische Funktion. Die Form totaler Philosophie schickt sich insofern zum totalen Staat, als sie die Beliebigkeit der Parolen, in der ihre Notwendigkeit zergeht, mit dem diktatorialen Gebot einspruchsloser Anerkennung verbindet. Autorität und Usurpation werden wiederum unmittelbar eins.

 

Die wissenschaftliche Gestalt der Ursprungsphilosophie war die Erkenntnistheorie. Sie wollte das absolut Erste zum absolut Gewissen erheben durch Reflexion auf das Subjekt, das aus keinem Begriff vom Ersten sich ausscheiden ließe. Aber im Fortgang solcher Reflexion verstärkt sich zugleich der Identitätszwang. Der Gedanke, der nicht mehr, wie Husserl es nennt, »geradehin« vollzogen, sondern auf sich selber zurückgewandt wird, dichtet sich mehr stets ab gegen alles, was in ihm und seinem Bannkreis, in der Immanenz des Subjekts nicht aufginge. Daß aus jener Immanenz die Welt hervorgebracht oder auch nur die Gültigkeit von Urteilen über die Welt verifiziert werden könnte, ist vorweg nicht weniger problematisch als das um die Vermittlung unbekümmerte Urteil, und hat sich denn auch nur sehr allmählich im Fortgang der Reflexion als Prinzip durchgesetzt. Willkür, Komplement des Zwangs, steckt bereits in der Unterstellung, jener Rekurs sei die zureichende Bedingung der Wahrheit, mag er auch durch die wissenschaftliche Besinnung Schritt um Schritt motiviert sein. Dieser Willkür wird die Erkenntnistheorie überführt durch ihren eigenen Prozeß. Die Bestimmung des absolut Ersten in subjektiver Immanenz scheitert, weil diese das nichtidentische Moment niemals ganz in sich aufzulösen vermag, und weil zugleich Subjektivität, das Organ von Reflexion, der Idee eines absolut Ersten als purer Unmittelbarkeit widerstreitet. Während die Idee der Ursprungsphilosophie monistisch auf die reine Identität abzielt, laßt doch die subjektive Immanenz, in der das absolut Erste ungestört bei sich selber sein will, sich auf jene reine Identität mit sich selbst nicht bringen. Was bei Husserl »Urstiftung« der transzendentalen Subjektivität heißt, ist zugleich ein Urpseudos. Darum wird in der erkenntnistheoretischen Analyse die Immanenz selber stets wieder nach subjektiven und objektiven Momenten polarisiert; Emil Lask hat das besonders nachdrücklich dargetan. Husserls noetisch-noematische Struktur ist ebenfalls eine von dualistischer Immanenz, ohne daß er jedoch des damit perpetuierten Widerspruchs gewahr geworden wäre. Die Wiederkunft von Subjekt und Objekt inmitten der Subjektivität, die Doppelheit des Einen, trägt sich in zwei Typen von Erkenntnistheorie zu, deren jeder von der Undurchführbarkeit des anderen zehrt. Grob sind es die von Rationalismus und Empirismus. Feindlich einander ergänzend, unterscheiden sie in ihrer inneren Zusammensetzung und in ihren Folgerungen sich nicht so radikal, wie die traditionelle philosophische Geschichtsschreibung suggeriert. Die Metakritik der Erkenntnistheorie hätte es mit beiden zu tun. Verfocht der Empirismus die Idee des absolut Ersten und der absoluten Identität niemals so bündig wie der Rationalismus und dessen idealistische Erben, und scheint er dadurch weniger verstrickt als diese, so überließ er sich dafür mit weit geringerer Energie dem Prozeß, der durch die Verstrickung hindurch an die Grenze der Immanenzbestimmungen selber geleitet: zu früh und zu widerstandslos kapituliert im Empirismus der Gedanke. Indem seine Demut sich dem bloßen Dasein beugt, verzichtet sie, es zu durchdringen, und läßt das Moment von Freiheit und Spontaneität fahren. Selbst im Bannkreis der Immanenz ergreift folgerechtes, kritisches und sich selbst reflektierendes Denken unvergleichlich viel mehr vom Wesen – vom Lebensprozeß der Gesellschaft – als ein Verfahren, das sich bescheidet, Fakten zu registrieren, und eigentlich die Waffen streckt, ehe es nur recht anhebt. Während der Empirismus, als eine Erkenntnistheorie, im faktisch-psychologischen Bewußtsein die Bedingung aller Erkenntnis aufspürt und zum tragenden Prinzip erklärt, könnte dies Bewußtsein sowohl wie seine Gegebenheiten, nach empiristischen Spielregeln, immer auch anders sein; es widerspricht der Idee des Ersten, welche doch einzig wiederum Bewußtseinsanalyse, auch die empiristische des human understanding, als philosophische Methode motiviert. Der isoliert subjektive Gegenpol inmitten des Bewußtseins aber, »Geist«, der sich der isoliert objektiven Vorfindlichkeit von Seiendem, »Gegebenem« entzieht, entzieht eben damit sich kaum minder der Bestimmung als jene. Seine »Leistung« wie er selber spotten der Analyse, er läßt sich nicht feststellen, wie es doch Erkenntnistheorie als wissenschaftliche Methode verlangen muß, während das Feststellbare selber bereits gebildet ist nach dem Modell jener Faktizität, zu der der Geist den Gegenpol besetzen soll. Der Geist ist aber vom Gegebenen so wenig abzuspalten wie dieses von ihm. Beide sind kein Erstes. Daß beide wesentlich durcheinander vermittelt sind, macht beide zu Urprinzipien gleich untauglich; wollte indessen einer in solchem Vermitteltsein selber das Urprinzip entdecken, so verwechselte er einen Relations- mit einem Substanzbegriff und reklamierte als Ursprung den flatus vocis. Vermitteltheit ist keine positive Aussage über das Sein, sondern eine Anweisung für die Erkenntnis, sich nicht bei solcher Positivität zu beruhigen, eigentlich die Forderung, Dialektik konkret auszutragen. Als allgemeines Prinzip ausgesprochen, liefe sie, ganz wie bei Hegel, immer wieder auf den Geist hinaus; mit ihrem Übergang in Positivität wird sie unwahr. Derlei Aporien zu meistern ist die perennierende Anstrengung der Erkenntnistheorien, und keiner will es gelingen; eine jegliche steht unter dem Fluch des Anaximander, dessen Seinsphilosophie, eine der frühesten, gleichsam das spätere Schicksal aller weissagte. Metakritik der Erkenntnistheorie erheischt die konstruierende Reflexion ihres Zusammenhangs als eines von Schuld und Strafe, von notwendigem Fehler und vergeblicher Korrektur. Mit anwachsender Entmythologisierung wird der philosophische Begriff immer spiritueller und immer mythischer zugleich. Von solcher Not ahnt etwas die Einleitung der Phänomenologie des Geistes, bis heute uneingelöstes Programm. Freilich ist die immanente Kritik der Erkenntnistheorie selber von der Dialektik nicht ausgenommen. Während die Immanenzphilosophie – die Äquivokation logischer und erkenntnistheoretischer Immanenz mahnt an einen zentralen Zusammenhang – nur immanent, also durch Konfrontation mit der eigenen Unwahrheit zu sprengen wäre, ist ihre Immanenz selber die Unwahrheit. Von dieser Unwahrheit muß immanente Kritik transzendent wissen, um nur anzuheben. Dem entspricht die Hegelsche Phänomenologie insofern, als sie gleichzeitig sich passiv der Bewegung des Begriffs überläßt und aktiv diese Bewegung ausführt und dadurch den Gegenstand verändert. Der Begriff der Immanenz setzt der immanenten Kritik die Schranke. Wird eine Behauptung an ihren Voraussetzungen gemessen, so verfährt man immanent, nämlich den formal-logischen Regeln gehorchend, und Denken wird zum Kriterium seiner selbst. Daß aber nicht alles Sein Bewußtsein sei, ist nicht als Denknotwendigkeit in der Analyse des Seinsbegriffs beschlossen, sondern gebietet der Geschlossenheit einer solchen Analyse Einhalt. Das Nichtdenken denken: das ist keine bruchlose Denkkonsequenz, sondern suspendiert den denkerischen Totalitätsanspruch. Immanenz aber, im Sinne jener Äquivokation von Bewußtseins- und logischer Immanenz, ist nichts anderes als solche Totalität. Dialektik negiert beides in einem. Wahr ist die Erkenntnistheorie, insofern sie der Unmöglichkeit des eigenen Ansatzes Rechnung trägt und in jedem ihrer Schritte von dem Ungenügen der Sache selbst sich treiben läßt. Unwahr aber ist sie durch die Prätention, es sei gelungen, und ihren Konstruktionen und aporetischen Begriffen entsprächen jemals schlicht Sachverhalte. Mit anderen Worten: nach dem Maß der Wissenschaftlichkeit, das ihr eigenes ist. Daß aber die Kritik solcher Unwahrheit, selbst gefangen in den Abstraktionen, die sie demontiert, überflüssige Gelehrtensorge sei, ist untriftig, nachdem die materialistische Dialektik, welche die Bewußtseinsphilosophie aus den Angeln heben möchte, zur gleichen Dogmatik degenerierte und jene durchs bloße Dekret abfertigt, ohne daß sie der Logik der Sache je sich gestellt hätte. Ehe das gelingt, wird der Idealismus beliebig auferstehen.

Trotz ihres statisch-beschreibenden, scheinbar der Spekulation sich enthaltenden Tenors verschränkt sich auch die Erkenntnistheorie Husserls zu einem Schuldzusammenhang. Auch ihr System gleicht, moderner gesprochen, einem Kreditsystem. Ihre Begriffe bilden eine Konstellation, in der ein jeglicher die Verpflichtung des andern einlösen soll, obwohl die Darstellung den Prozeß verbirgt, der zwischen ihnen anhängig ist. Ausdrücke Husserls wie Erfüllung – die eines Vertrages –; Evidenz – das Beweisstück –; Urteil – das eines Prozesses – konstruieren ungewollt Erkenntnistheorie analog zu einem universalen Rechtsverhältnis. Am Ende verstärkt sich womöglich noch die Ähnlichkeit durch archaisierende Zutaten aus der Rechtssprache wie Domäne und Stiftung. In der Figur eines niemals erfüllten, darum in sich unendlichen, ausweglos sich wiederholenden Vertrages partizipiert noch die aufgeklärteste Erkenntnistheorie an dem Mythos vom Ersten. Ihre Metakritik präsentiert ihr den Wechsel und zwingt ihr selber die außen, an der Gesellschaft gewonnene Einsicht ab, daß Äquivalenz nicht die Wahrheit, daß der gerechte Tausch nicht die Gerechtigkeit sei. Der reale Lebensprozeß der Gesellschaft ist kein in die Philosophie soziologisch, durch Zuordnung Eingeschmuggeltes, sondern der Kern des logischen Gehalts selber.

Erkenntnistheorie, die Anstrengung, das Identitätsprinzip durch lückenlose Reduktion auf subjektive Immanenz rein durchzuführen, wird gegen ihre Absicht zum Medium der Nichtidentität. Als fortschreitende Entmythologisierung befestigt sie nicht bloß den Bann des von allem Heterogenen gereinigten Begriffs, sondern arbeitet auch daran, den Bann zu brechen. Sie nachvollziehen, ihre innere Geschichte schreiben ist eigentlich bereits das Erwachen. Die einzelnen erkenntnistheoretischen Bestimmungen sind denn auch so wenig absolut falsch – dazu werden sie erst, sobald sie absolut wahr sein wollen – wie sie Sachverhalte treffen: ein jeglicher ist necessitiert von der Forderung der Widerspruchslosigkeit. Zu tilgen ist der Wahn, diese Widerspruchslosigkeit, die Totalität des Bewußtseins sei die Welt, nicht aber die Selbstbesinnung der Erkenntnis. Am letzten obliegt es der Kritik der Erkenntnistheorie, welche die Vermitteltheit der Begriffe zum Kanon hat, unvermittelten Objektivismus zu verkünden: das wäre den zeitgenössischen Ontologien oder den Denkfunktionären des Ostblocks zu überlassen. Die Erkenntnistheorie kritisieren heißt auch: sie festhalten. Sie ist mit ihrem eigenen Absolutheitsanspruch zu konfrontieren, dem Kantischen der Frage, wie Metaphysik als Wissenschaft möglich sei, dem Husserlschen Ideal von Philosophie als strenger Wissenschaft. Die Usurpation der Allgemeinheit, die sie begeht, verpflichtet zugleich, der Allgemeinheit des Gedankens zu genügen, welche die Auflösung des Privilegs impliziert, von dem der philosophische Geist zehrt, wofern er die Allgemeinheit sich selber zuschreibt. Erkenntnis, die am Ideal von Allgemeinheit sich mißt, kann nicht mehr von den Medizinmännern und Weisen monopolisiert werden, die sie betreiben; Weisheit ist so anachronistisch wie, nach Valérys Einsicht, die Tugend. Je konsequenter die Erkenntnistheorie verfährt, desto weniger geht sie auf: so bereitet sie das Ende des Fetischismus der Erkenntnis vor. Der fetischisierte Geist wird sein eigener Feind: selten so eindringlich und prototypisch wie bei Husserl. Kodifiziert die Immanenzphilosophie die obris des Geistes, der alles sein will, so hat gerade sie das Moment der Reflexion, der Vermittlung entdeckt und damit ebenso die Erkenntnis als Arbeit bestimmt wie ihren Träger, das logisch-allgemeine Subjekt, als die Gesellschaft. Ohne das Moment subjektiver Reflexion wäre jeglicher Begriff von Dialektik nichtig; was nicht in sich reflektiert ist, kennt nicht den Widerspruch, und die Perversion des dialektischen Materialismus zur russischen Staatsreligion und positiven Ideologie beruht theoretisch auf der Verleumdung jenes Elements als idealistisch. Neigt die Immanenzphilosophie, mit Grund, dazu, ins Dogma, in Ontologie oder Abbildrealismus zurückzuschlagen, so entwickelt sie zugleich auch das Gegengift. Erst der Idealismus hat die Wirklichkeit, in der die Menschen leben, als eine nicht von ihnen unabhängige und invariante durchsichtig werden lassen. Ihre Gestalt ist menschlich und noch die schlechterdings außermenschliche Natur vermittelt durch Bewußtsein. Das können die Menschen nicht durchstoßen: sie leben im gesellschaftlichen Sein, nicht in Natur. Ideologie aber ist der Idealismus, indem er die Wirklichkeit schlechtweg vermenschlicht, einig mit dem naiven Realismus als dessen reflektierende Rechtfertigung. Gerade dadurch nimmt er, was ist, in »Natur«, wäre es auch die transzendentale, zurück.

Der Immanenzzusammenhang als absolut in sich geschlossener, nichts auslassender ist notwendig immer bereits System, gleichgültig ob er sich ausdrücklich aus der Einheit des Bewußtseins deduziert oder nicht. Nietzsches Mißtrauen gegen die prima philosophia richtete sich denn auch wesentlich gegen die Systematiker: »Ich mißtraue allen Systematikern und gehe ihnen aus dem Weg. Der Wille zum System ist ein Mangel an Rechtschaffenheit.«32 Leitet man, mit neueren Autoren, den Gedanken des Rechtssystems aus dem didaktischen Bedürfnis, dem nach in sich geschlossener und Hörer überzeugender Darstellung ab33, so mag man wohl die philosophischen Systeme auf ein verwandtes Bedürfnis zurückführen; die beiden ersten Systematiker großen Stils waren die ersten Vorsteher organisierter Schulen. Wie das System nichts ausläßt, verhält sich der Lehrer, Redner, Demagoge zu den Hörern. Seine irrationale Autorität wird durch die ratio vermittelt; der Führungsanspruch durch logisch-argumentativen Zwang. Bereits der Platonische Sokrates fertigt seine Interlokutoren durch den keineswegs attisch-eleganten Nachweis ihrer Ignoranz ab: im Panegyrikus des Alkibiades am Ende des Gastmahls hallt das leise Echo des Unbehagens daran nach. Je problematischer die Weisheit, um so unermüdlicher muß sie ihre Stringenz unterstreichen. Und dafür empfiehlt sich die Konsequenzlogik, die den Denkzwang unter Absehen von der Erfahrung des Gegenstandes, also »formal« und damit unwiderstehlich auszuüben erlaubt. Während Platons Philosophie die Rhetoren denunziert, die formal Gegenstände behandeln, von denen sie nichts verstehen, befleißigt er selber in der Methode der Begriffsbestimmung sich eines advokatorischen Formalismus, der den sophistischen einzig durch Folgerichtigkeit überbietet. In dem Wettkampf muß Sokrates gegen die von ihm als Gegner Designierten fast immer recht behalten, obwohl und weil er »nichts weiß«. Nicht zufällig bleibt in der Rede des Agathon, oder gelegentlich im Phaidros, in der Schwebe, ob Platon ein rhetorisches Prunkstück parodiert oder eine Stufe der Wahrheit darstellt oder am Ende beides. Das Bombastische vieler vorsokratischer Sprüche rührt wohl daher, daß das totale Wissen, das sie sich zuschreiben, das Einschließende des Systems, immer zugleich ausschließt: das ist vielleicht das finsterste Geheimnis der Ersten Philosophie. Der emphatische Unterschied von Wesen und Schein, ihr großer Fund, hat zugleich den Aspekt des »Ich weiß und ihr wißt nicht«, wie sehr auch das verhärtete und sich selbst entfremdete Leben jener Unterscheidung als seines Korrektivs bedarf.

Aber gerade der Übereifer, mit dem die Erste Philosophie den Toren ihr Wissen anbietet, zeugt von ihrer Unsicherheit. Der Anspruch des Absoluten, mit dem sie auftritt, ist das Medium seiner eigenen Erschütterung. Das System, das ihn im Namen von Geschlossenheit und Vollständigkeit auf die Formel bringt, stößt auf die Unmöglichkeit, ihm zu genügen. Der Idealismus, der durch Reduktion auf die absolute Einheit des Ich denke überhaupt erst zur allseitig entfalteten Systematik fähig ward, hat nach dem Maß des eigenen Radikalismus die Fragwürdigkeit des von ihm definitiv Auskristallisierten aufgedeckt. In der Antinomienlehre der Kritik der reinen Vernunft hat die prima philosophia das Bewußtsein davon erreicht. Die Suche nach dem schlechthin Ersten, der absoluten Ursache resultiert in einem unendlichen Regreß; Unendliches läßt sich nicht als abschlußhaft gegeben setzen, während doch diese Setzung dem totalen Geist unvermeidlich dünkt. Der Begriff des Gegebenen, letzte Zuflucht des Irreduktibeln im Idealismus, prallt zusammen mit dem des Geistes als der vollkommenen Reduktibilität, mit dem Idealismus selber. Die Antinomie sprengt das System, dessen eigene Idee die jener erreichten Identität ist, welche als antizipierte, als Endlichkeit des Unendlichen, mit sich selbst uneins wird. Der Rekurs auf subjektive Immanenz geschah nur, um wegzuräumen, was in einem Ersten nicht bereits enthalten wäre; sonst büßt die Immanenzphilosophie ihre raison d'être ein. Aber ihr eigener Gang, die Analyse des Bewußtseins fördert zutage, daß es ein derart absolut Erstes unabhängig von seinem Material, von dem, was dem Bewußtsein »zukommt«, nicht enthält. Das ontologisch Erste ist das ontologisch nicht Erste, und damit wankt seine Idee. Kant hilft sich mit dem Unterschied von Form und Inhalt ingeniös und künstlich genug aus der Verlegenheit. In der Bestimmung des Widerspruchs und seiner Notwendigkeit, die eigentlich die Schlichtung verbietet, die Kant selber versuchte, ist gegenüber dem späteren Idealismus auf seiner Seite die unversöhnlichere Wahrheit. Aber als Apologet der prima philosophia hat er doch den Primat der Form weiter verfochten. Die von ihm selbst erreichte reziproke Abhängigkeit von Form und Materie durfte den Ansatz des Systems nicht tangieren. Zum absolut Ersten werden ihm die Formen als Gegebenheit sui generis, für die sich, der zweiten Fassung der transzendentalen Deduktion34 zufolge, »ferner ein Grund« nicht nennen läßt. Das ist das Modell von Husserls späterem Verfahren, transzendentale Strukturen zu beschreiben. Kant sucht freilich das Geheimnis zu enträtseln, die einigermaßen paradoxe Gegebenheit der Formen abzuleiten. Dabei gelangt er zur reinen Identität, dem bloßen Denken selber, dem Subjekt, das, als »reines« von allem Inhalt abgespalten, zum schlechterdings nichtseienden gemacht und gleichwohl hypostasiert wird. Die transzendentale Deduktion mündet in der Vernunft als absolutem Sein, die transzendentale Dialektik kritisiert die Absolutheit von Sein wie von Vernunft; so bleibt in gewisser Weise die Deduktion hinter der Antinomienlehre zurück. Trotzdem setzt diese die Deduktion, den Nachweis des subjektiven Charakters der Kategorie voraus, um vor der »naiven«, unreflektierten Setzung des Unendlichen zu behüten. Durch den Rückzug auf den Formalismus, den Hegel schon und dann wieder die Phänomenologen Kant vorwarfen, hat er dem Nichtidentischen Ehre angetan, hat verschmäht, es in die Identität des Subjekts ohne Rest hineinzuziehen, damit aber die Idee der Wahrheit selber eingeschränkt, die nun mehr sich nicht zutraut, als das Heterogene mit Ordnungsbegriffen zu klassifizieren. Davor hat die restaurative Phänomenologie Husserls sich ängstlich gehütet. Das ist ihr eigentlich vorkritisches Element, das sie zum Schrittmacher der Ontologie qualifizierte, aber auch ihr legitimer Einspruch gegen den Formalismus. Nichts unterscheidet sie und was aus ihr wurde so nachdrücklich vom sonst überaus verwandten Neukantianismus, als daß Husserl, jedenfalls in den für die Folge maßgebenden Schriften, die Frage nach der Infinitesimalität kaum laut werden läßt oder zur Möglichkeit bruchlos beliebiger Variabilität und »entschränkter Horizonte« neutralisiert. Das Unendliche war die paradoxe Gestalt, in der absolutes und in seiner Souveränität auch offenes Denken dessen sich bemächtigt, was in Denken nicht sich erschöpft und dessen Absolutheit blockiert. Seitdem die Menschheit real in geschlossenen Verwaltungssystemen aufzugehen beginnt, verkümmert der Begriff der Unendlichkeit, und der physikalische Satz von der Endlichkeit des Raumes kommt ihr gelegen.

Kant zufolge treten die Antinomien auf, wo Denken über die Möglichkeit von Erfahrung hinausgeht. Aber prima philosophia, das System wird von Erfahrung gefährdet. Daran hat die Kantische Vernunftkritik sich zu Tode gedacht. Keineswegs jedoch koinzidiert darum die Frage nach der prima philosophia mit der Alternative von Realismus und Nominalismus. Alle Ursprungsphilosophien des neueren Zeitalters entstanden unter nominalistischen Auspizien. Ja bereits die Aristotelische Metaphysik, mit der Doppeldeutigkeit ihres Begriffs von oysia, steht auf der Schwelle, und fragen ließe sich, ob nicht eine jede Philosophie des Ersten, indem sie ihr Substrat aus Denken, dem begriffsbildenden Verfahren zu bestimmen trachtet, in solcher Reflexion dem Nominalismus willfahrt, dem sie opponiert. Die Wendung aufs Subjekt macht den Begriff zum Produkt von dessen Denken; das Beharren auf dem reinen An sich, quod nulla re indiget ad existendum, verwandelt es in ein Für anderes. Nominalismus wie Realismus stehen unterm Primat des Ersten. In beiden wird über ante oder post gewürfelt, und jede Rede vom post impliziert ein ante, in der res als dem Prinzip des Seienden nicht weniger als im universale. Gewiß meinte einmal der Nominalismus etwas anderes: Gorgianische Sophistik und Antisthenische Cynik widersprachen wohl wie der fetischisierten Kultur überhaupt so auch der Seinsphilosophie. Aber seit der Fusion mit Wissenschaft und dem Sieg der großen Schulen, auch derer, die aus jenen unzuverlässigen Gruppen entstanden, ward ihr Impuls abgelenkt. Einmal aufs Gegebene und damit ebenso auf die subjektive Immanenz vereidigt wie sein Widerpart, gerät der Nominalismus in die Position dessen, der B sagen muß, weil er A gesagt hat, so ungern er es auch möchte. Als Theorie der Begründung von Wissenschaft wird er unausweichlich zum »extremen Empirismus«35; extremer Empirismus aber widerspricht, wie Husserl wohl gewahrte, dessen eigenem Begriff. Der neuere Empirismus seit Hume, vom logischen Positivismus zu schweigen, hat in der Sorge ums Kriterium absoluter Gewißheit, und insofern ums Fundamentale, die absolutistische Metaphysik womöglich übertrumpft. Umgekehrt war die Resignation gegenüber dem Absoluten, welche die nominalistischen und empiristischen Richtungen verkünden, insgeheim der absolutistischen Metaphysik nie ganz fremd; für Husserl war sie fast selbstverständlich. Die Frage nach dem Ersten selbst ist retrospektiv; Denken, das wie das Platonische sein Absolutes an der Erinnerung hat, erwartet sich eigentlich nichts mehr. Das Lob des Unveränderlichen suggeriert, daß nichts anders sein soll, als es von je schon war. Ein Tabu ergeht über die Zukunft. Es ist rationalisiert im Verlangen aller »Methode«, Unbekanntes aus Bekanntem zu erklären, wie es schon bei Platon am Werk ist, der dabei die Konvenienz, das Einverständnis in der etablierten Sprache stillschweigend als Norm unterstellt. Mit Axiomen wie dem von Vollständigkeit und Lückenlosigkeit setzt Identitätsdenken eigentlich immer schon totale Überschaubarkeit, Bekanntheit voraus. Neues wird filtriert; es gilt bloß als »Material«, als kontingent, als Störenfried gleichsam. Was dem Subjekt heraushelfen könnte aus der Gefangenschaft bei sich, wird negativ betont; ein Gefährliches, zu Bewältigendes, das sogleich wieder ins Gehege des Bekannten zurückzunehmen sei. Darin stimmt der Empirismus mit seinen Gegnern überein und das kettet ihn an die Ursprungsphilosophie.

Die Wendung zur Ontologie, die Husserl zögernd begann und rasch genug widerrief, ward von dem Bruch der großen Systeme bedingt, wie er die Kantische Vernunftkritik so schroff und darum so großartig durchfurcht. Die Ontologien wollen Erste Philosophie sein, die doch des Zwangs und der Unmöglichkeit ledig wäre, aus einem Ersten Prinzip sich selbst und was ist zu deduzieren. Sie möchten vom System den Vorteil haben und die Buße nicht zahlen; die Verbindlichkeit von Ordnung aus dem Geist wiederherstellen, ohne sie aus Denken, der Einheit des Subjekts zu begründen. Der doppelte Anspruch ist der Willkür verhaftet, und darum der Fortschritt der Ontologie übers System so zweideutig wie spätbürgerliche Fortschritte zumeist. Die auferstandene Ontologie regrediert: den Systemzwang schüttelt sie ab, um jenes Ersten schlagartig sich zu bemächtigen, das durch seine universale Vermittlung hindurch fragwürdig ward. Ihr Ausbruch aus der Immanenz opfert Rationalität und Kritik im objektiven Einverständnis mit einer Gesellschaft, die sich aufs Finstere der unmittelbaren Herrschaft zubewegt. Aber die subjektive Willkür des Ausbruchs rächt sich: er mißlingt. Die tautologische Leere der sakrosankten obersten Bestimmungen wird vergebens vertuscht durch Erschleichungen aus Psychologie und Anthropologie, denen die subjektive Herkunft auf der Stirn geschrieben steht. Was am Ende sich Ursprung dünkt, archaisiert bloß, mit jener in der Jugendbewegung eingeübten Allergie gegen das neunzehnte Jahrhundert, die nicht sowohl von Überwindung zeugt als von Unbewältigtem und vom Verrat an der Freiheit. Weil die Frage nach dem unmittelbar Ersten dem Stand des Geistes heute unangemessen ist und sich entschlossen die Augen verbinden muß gegen die Vermittlung, beschwört sie einen veralteten historischen Stand. Ihr zeitlos dem Ontischen Vorgeordnetes ist ein Wechselbalg, das unkenntlich gemachte Vergangene. Schon der Brentanoschüler Husserl, den manche Zeitgenossen als Scholastiker empfanden und in dessen positiv-beschreibender Haltung die Spur des Kritischen fast ganz fehlt, neigte wider Willen zum Altertümlichen. Nach ihm wird die kritische Besinnung vollends, und paradox, stillgestellt um des von der Kritik ererbten Postulats der Verbindlichkeit willen; die Kategorien werden als bloß noch zu registrierende – in der dafür ersonnenen Sprache: zu sagende – Sachverhalte von der Reflexion dispensiert. Die Abdikation des Begriffs und das verzweifelte Bedürfnis nach einem Absenten, Negatives also, wird als positives Apriori erkoren. Wohl ist das Dekret an sich seiender Positivität durch die Vernunft wider das vorgeblich zerstörende Treiben der Vernunft so alt wie die städtisch-bürgerliche Philosophie. Aber die Differenz zwischen deren Tradition und der auferstandenen Metaphysik ist doch eine ums Ganze. Kant hält sich der Rekonstruktion von Wahrheit aus der Immanenz des Bewußtseins heraus versichert, und das »Wie ist möglich« bildet die bestimmende Figur all seiner Fragen, weil ihm die Möglichkeit selbst fraglos ist. Daher nimmt er, wie nach ihm Hegel, die Last auf sich, jene Rekonstruktion allseitig durchzuführen. Husserl verzweifelt daran36. In den transzendentalen Forschungen, die bei ihm das System substituieren, bricht der Gedanke ab. Er hält inne bei singulären Bestimmungen, und die glücklich wiedererrungene Konkretion verdankt sich nicht einem Mehr, sondern einem Weniger der Philosophie. Gedacht wird von Husserls Nachfolgern nur noch, um den Gedanken zu entmächtigen und ein gleichwohl verpflichtendes und darum abstraktes Dogma zu kanonisieren. Wenn der kritische Vollzug der zur Phänomenologie geronnenen Motive deren Löcher aufdeckt, die sie durch den Übergang von einem Begriff zum anderen vergebens stopft, so will in gewissem Sinn die Phänomenologie in ihrer ontologischen Endphase jene Löcher selbst: von ihren unfreiwilligen Irrationalitäten profitiert ihre zuinnerst irrationalistische Absicht. Daher redet sie den Jargon der Eigentlichkeit, der mittlerweile die gesamte deutsche Bildungssprache zum geweihten Kauderwelsch verderbte, theologischer Ton bar des theologischen Inhalts wie eines jeglichen außer der Selbstvergötzung. Er täuscht die leibhafte Gegenwart des Ersten vor, das nicht leibhaft ist und nicht gegenwärtig. Seine Autorität gleicht der der verwalteten Welt, die auf nichts sich stützen kann als aufs Faktum der Verwaltung selber. Die Inthronisierung des vollendet Abstrakten ist gesellschaftlich die der bloßen Organisationsform unter Absehung von ihrem gesellschaftlichen Inhalt, der aus gutem Grund vernachlässigt wird. Verglichen mit den Lehrgebäuden des Aristoteles und des Thomas, welche noch die ganze Schöpfung zu beherbergen hofften, gebärdet sich die Ontologie heute, als befände sie sich in einem Glashaus mit undurchdringlichen, aber durchsichtigen Wänden und erblickte die Wahrheit draußen, wie unergreifbare Fixsterne, Worte, deren Heiligkeit man zu nahe tritt, wenn man nur fragt, was sie bedeuten. Alles Sachhaltige aber, das Leben der Begriffe, wird verachtungsvoll Einzelwissenschaften wie der Geschichte, der Soziologie und der Psychologie zugeworfen, denen solche Emanzipation von der Philosophie ebenfalls nicht zum Segen gereicht. Philosophie soll dann nur noch sein, was mit schlechterdings Gleichgültigem sich beschäftigt, und ihre Würde steigert sich mit der Gleichgültigkeit des obersten Worts, das alles umfaßt und darum nichts. Die neue Ontologie kehrt reumütig zum Beginn der Hegelschen Logik zurück und erlischt in der abstrakten Identität, mit der das gesamte Spiel anhob.

Seit Schelers Buch über die Kantische Ethik wurde der erkenntnistheoretische und systematische Formalismus diffamiert. Ihm gegenüber verhieß man, freilich sogleich belastet mit dem überaus fragwürdigen, vom Tauschverhältnis abgezogenen Wertbegriff, materiales Philosophieren. Nicht länger sollten Instrumente geschliffen werden: sie sollten, wie Hegel es wollte, an Stoffen sich erproben. Aber die phänomenologische Bewegung, die als Erkenntnistheorie begann, hat danach Zug um Zug, wie von allem Seienden so selbst von dessen Oberbegriff, dem Dasein, wiederum sich entfernt, das Husserl ursprünglich ja ausschalten wollte. Ratifiziert wird damit der notwendig formale Charakter von proth pilosopia selber, nicht nur ihrer immanenzphilosophischen Reflexionsform. Wer ein absolut Erstes nennen will, muß eliminieren, wessen immer ein schlechterdings Erstes nicht bedürfte. Ist aber einmal, in der Abwehr des Akzidentellen, die ontologische Differenz als unvermittelt, fest, unverrückbar behauptet, so greift der Purifizierungsprozeß auf das Seiende über. Es könnte, wie Husserl unverblümt aussprach, gemessen am reinen Begriff von Sein ebensogut auch nicht sein. Ignoriert wird, daß umgekehrt auch die Idee des Seins nur im Verhältnis zu Seiendem zu denken wäre. Das wird der auferstandenen Ontologie zum Verhängnis. Vergebens, wenn auch notwendig, projiziert sie das Verhängnis auf die Struktur von Sein an sich. Was heute als Seinsfrage populär ward, enthüllt nicht die apologetisch zitierte Ursprünglichkeit, sondern die Not der Ursprungsphilosophie, durch deren Netz das Ontische gleitet und die seiner gleichwohl nicht entraten kann. Im Haß gegen die Vermittlung muß ihr Seinsbegriff noch das Seiende ontologisieren. Am Ende löst sie aber doch, unter hochtönenden Beteuerungen, jenseits der ontisch-ontologischen Differenz zu sein, diese nach der Seite des bloßen Begriffs auf. Der Antiidealismus kommt zu sich selber in der bloßen Idee, so wie schon Husserls Phänomenologie sich in den transzendentalen Idealismus retrovertierte. Das notwendig falsche Bewußtsein dieser Denkbewegung ist der Prototyp von Ideologie. Dazu schickt sich die Tendenz der Lehre. Verschwimmt Seiendes ununterscheidbar mit Sein in dessen oberster Ausweitung, so läßt Seiendes nach Belieben und historischer Opportunität sich verabsolutieren. Das ist das Schema der ontologischen Überwindung des Formalismus. Gegen sie hat Husserls altmodisches Beharren beim Formalismus das höhere Recht bewährt, und schließlich ist die Ontologie reumütig, aber verschämt zu ihm zurückgekehrt, indem sie ein Ritual des reinen Begriffs ausarbeitete, der leugnet, daß er einer ist. Der Schein der Konkretion war das Fascinosum der Schule. Geistiges soll anschaulich, unmittelbar gewiß sein. Die Begriffe werden sinnlich getönt. Das Metaphorische, Jugendstilhafte, bloß Ornamentale solcher Sprache aber wird bei Husserl selbst daran evident, daß die prätendierte Sinnlichkeit des Gedankens im philosophischen Gefüge keine Konsequenzen hat. Worten aus der freilich nach »Sein und Zeit« publizierten »Logik« wie »Bewährung«,37 »durchherrscht«,38 »Weckung«39 ist eine veranstaltete, entfernt an die Georgeschule mahnende Gewähltheit und Distanziertheit anzumerken: die epoxh changiert ins Esoterische. Husserls Erkenntnistheorie hat einer Ideologie das Instrumentarium beigestellt, mit der ihre szientifische Gesinnung nichts zu tun haben wollte, die aber ihrerseits gerade die Prätention des Verbindlichen an das von Husserl mit dem Gestus wissenschaftlicher Gediegenheit Vorgetragene anschloß. Darum reicht die Kritik an seiner spezialistischen Erkenntnistheorie wesentlich über diese hinaus. Die Aura des Konkreten wächst dem Begriff zu, der nach den Theoremen von der idealen Einheit der Spezies und der Ideation unbefleckt vom Abstrahieren dem Bewußtsein sich darbietet. Dem, was nichts Subjektives in sich enthalte, werden die subjektiv vermittelten Bestimmungen als Qualitäten seines Ansichseins gutgeschrieben und seine Autorität befestigt; die Rückfrage, woher jene Bestimmungen stammen, verhindert. Unterm Tabu gegen die Faktizität sind aber jene konkreten Begriffe zugleich ganz dünn. Sie nähren sich mit ontischen Elementen, die dann durch bloße Etikettierung »rein«, reines Bewußtsein oder rein ontologisch, werden. Der Schein des Konkreten beruht auf der Verdinglichung von Resultaten, nicht unähnlich der positivistischen Sozialwissenschaft, welche die Produkte gesellschaftlicher Prozesse als letzte hinzunehmende Tatsachen verzeichnet. Sein metaphysisches Pathos aber empfängt das Scheinkonkrete gerade von der emphatischen Faktenferne, jenem Geistigen, das im ontologischen wie in allem deutschen Idealismus der Faktizität vorgeordnet wird. Wer daran teilhat, muß nicht mit jenem bloß Seienden die Hände sich beschmutzen, dem doch wieder die charakteristischen Begriffe den substantiellen Klang entlehnen. In dieser Verfahrungsweise vergißt die verspätete proth pilosopia energisch die Kritik der kruden These, das logisch Höhere sei zugleich das metaphysisch Höhere. Nicht minder aber vergißt sie den logischen Prozeß selber. Solche Vergeßlichkeit stiftet das absolute An sich. Weise geworden, versteht die alte Weisheit, am Ende alle Narben ihres Mißlingens als Ehrenmale zu präsentieren. Alles schlägt ihr zum Guten an. Weil die Vermittlungen ins Dunkel gescheucht wurden, können die Bestimmungen, auf die bei der Bildung allgemeiner Begriffe verzichtet werden muß, vom philosophischen Bedürfnis dem Resultat ohne Aufsehen doch wieder hinzugefügt werden. Man braucht nicht zu bemerken, was weggelassen wurde, um zu »Sein überhaupt« zu gelangen; da aber dies Sein alles Erdenkliche in sich einschließt, so läßt es durchs Eingeschlossene unwidersprochen sich auffüllen. Sein wird in den sinnlichsten Metaphern, mit Vorliebe solchen frühgeschichtlicher Verrichtungen, umschrieben, weil aus dem Begriff jegliches Kriterium verschwand, das die Metapher vom Gemeinten abzuheben erlaubte. Die harmlos-szientifische Maxime der Husserlschen Phänomenologie, in deskriptiv getreuen Bedeutungsanalysen das Wesen der Begriffe zu erschauen, als ob jeder einzelne, ohne Rücksicht auf den andern und ihre Konstellation, ein unerschütterlich festes Wesen hätte, ermunterte bereits zur Scheinkonkretion. Ihr gegenüber besitzt noch der obsolete Begriff des Systems seine korrektive Wahrheit als Wissen von der Unmöglichkeit der isolierenden Praxis des Geistes. Diese wurde zur Prärogative, dem Begriff jene Farben anzuhexen, die er geschichtlich im Entfremdungsprozeß verlor. Sie sind aber flüchtige Phantasmagorie, solange der Begriff, der die Wesenheit beschwört, sein eigenes Wesen verleugnet. Husserl hat seine Erwägungen als radikal empfohlen, und seitdem sind allerorten fiktiv-radikale Fragen emporgeschossen. Sie werden sich selber zur Antwort und lassen im übrigen alles bei jenem Alten, das ihnen die Wahrheit sein soll. Der Begriff radikal wurde unter Beistand der Theologie kastriert. Wollte er in den Thesen gegen Feuerbach die Wurzel des Übels treffen, so soll er jetzt seinen Nachdruck nur noch der Frage leihen, hinter die nicht weiter zurückgefragt werden kann, Vorwegnahme der Antwort, die es nicht gibt. Dem Denken, das in der Bestimmung des Ersten die Mannigfaltigkeit der Fakten um ihrer Bedingtheit und Vermitteltheit willen ausklammert, ist keine Auskunft übrig als die von der neuen Ontologie verschwiegene, paradoxe, die Leibniz dem Lockeschen Empirismus erteilt: intellectus ipse. In dieser Paradoxie wie in ihrem abstrakten Gegensatz, der Lehre von der tabula rasa, drückt sich die Unmöglichkeit der Polarisierung von Erkenntnis aus und damit die der Frage nach dem Ersten selber.

Mit dessen Begriff stürzt zugleich der des absolut Neuen, an dem die Phänomenologie partizipierte, ohne eigentlich ein neues Motiv zu bringen, phantasmagorisch auch darin. Erstes und absolut Neues sind komplementär, und der dialektische Gedanke müßte beider sich entäußern. Wer dem Bann der Ursprungsphilosophie den Gehorsam verweigerte, hat seit der Vorrede der Hegelschen Phänomenologie mit der Vermitteltheit des Alten auch die des Neuen erkannt und es als je schon in der älteren Form enthalten bestimmt, als die Nichtidentität seiner Identität. Dialektik ist der Versuch, das Neue des Alten zu sehen anstatt einzig das Alte des Neuen. Wie sie das Neue vermittelt, so bewahrt sie auch das Alte als Vermitteltes; verliefe sie nach dem Schema bloßen Strömens und unterschiedsloser Lebendigkeit, so erniedrigte sie sich zum Abbild des amorphen Naturzusammenhangs, den sie nicht wiederholend sanktionieren, sondern erkennend überschreiten soll. Sie gibt dem Alten das Seine als dem dinghaft Verfestigten, das sie zu bewegen vermag nur, indem sie die Kraft seiner eigenen Schwere entbindet. Sie erreicht die Einsicht, daß der geschlossene Prozeß auch das nicht Eingeschlossene einschließt, und damit eine Grenze von Erkenntnis selber. Sie selbst würde erst von verändernder Praxis überschritten. Vorher aber ist das Neue so sehr im Bann wie das Alte; will dieses die Herrschaft der Autochthonen aufs Göttliche zurückdatieren, so vergötzt jenes den Vorrang der Produktion, in dem nicht minder das Herrschaftsprinzip sich verbirgt, wie denn auf dem Markt des Geistes die Frage, was Neues geboten wäre, synonym mit der nach der Ursprünglichkeit aufgebracht zu werden pflegt. Das Hämische dieser Frage, und damit freilich die Abwertung des Neuen überhaupt, ist urbürgerlich: aus Bekanntem soll nichts Unbekanntes, kein anderes hervorgehen können. Alle Steine des Spiels seien ausgespielt. So spricht die Selbstverachtung des zur Unfreiheit verurteilten und verstümmelten Vaters, der seinem Sohn nicht gönnt, daß er besser und glücklicher werde als die ererbte Schmach, während die Frau in der patriarchalen Gesellschaft dem Sohn gegenüber daran doch nicht ganz partizipiert. Ein Moment des Schuldzusammenhangs bildet das Bewußtsein, er könne nicht durchbrochen werden. Den Identitätssatz durchschauen aber heißt, sich nicht ausreden lassen, daß das Entsprungene den Bann des Ursprungs zu brechen vermöchte. Alle Musik war einmal Dienst, um den Oberen die Langeweile zu kürzen, aber die Letzten Quartette sind keine Tafelmusik; Zärtlichkeit ist der Psychoanalyse zufolge die Reaktionsbildung auf den barbarischen Sadismus, aber sie wurde zum Modell von Humanität. Auch die hinfälligen Begriffe der Erkenntnistheorie weisen über sich hinaus. Bis in ihre obersten Formalismen hinein, und vorab in ihrem Scheitern, sind sie ein Stück bewußtloser Geschichtsschreibung, zu erretten, indem ihnen zum Selbstbewußtsein verholfen wird gegen das, was sie von sich aus meinen. Diese Rettung, Eingedenken des Leidens, das in den Begriffen sich sedimentierte, wartet auf den Augenblick ihres Zerfalls. Er ist die Idee philosophischer Kritik. Sie hat kein Maß als den Zerfall des Scheins. Ist das Zeitalter der Interpretation der Welt vorüber und gilt es sie zu verändern, dann nimmt Philosophie Abschied, und im Abschied halten die Begriffe inne und werden zu Bildern. Möchte Philosophie als wissenschaftliche Semantik die Sprache in Logik übersetzen, so ist ihr als spekulativer noch übrig, die Logik zum Sprechen zu bringen. Nicht die Erste Philosophie ist an der Zeit sondern eine letzte.

 
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