Noten zur Literatur I

 

Jutta Burger gewidmet

 

 

Der Essay als Form

Bestimmt, Erleuchtetes zu sehen, nicht das Licht.

Goethe, Pandora

 

Daß der Essay in Deutschland als Mischprodukt verrufen ist; daß es an überzeugender Tradition der Form gebricht; daß man ihrem nachdrücklichen Anspruch nur intermittierend genügte, wurde oft genug festgestellt und gerügt. »Die Form des Essays hat bis jetzt noch immer nicht den Weg des Selbständigwerdens zurückgelegt, den ihre Schwester, die Dichtung, schon längst durchlaufen hat: den der Entwicklung aus einer primitiven, undifferenzierten Einheit mit Wissenschaft, Moral und Kunst.«1 Aber weder das Unbehagen an diesem Zustand noch das an der Gesinnung, die darauf reagiert, indem sie Kunst als Reservat von Irrationalität einhegt, Erkenntnis der organisierten Wissenschaft gleichsetzt und was jener Antithese nicht sich fügt als unrein ausscheiden möchte, hat am landesüblichen Vorurteil etwas geändert. Noch heute reicht das Lob des écrivain hin, den, dem man es spendet, akademisch draußen zu halten. Trotz aller belasteten Einsicht, die Simmel und der junge Lukács, Kassner und Benjamin dem Essay, der Spekulation über spezifische, kulturell bereits vorgeformte Gegenstände 2 anvertraut haben, duldet die Zunft als Philosophie nur, was sich mit der Würde des Allgemeinen, Bleibenden, heutzutage womöglich Ursprünglichen bekleidet und mit dem besonderen geistigen Gebilde nur insoweit sich einläßt, wie daran die allgemeinen Kategorien zu exemplifizieren sind; wie wenigstens das Besondere auf jene durchsichtig wird. Die Hartnäckigkeit, mit der dies Schema überlebt, wäre so rätselhaft wie seine affektive Besetztheit, speisten es nicht Motive, die stärker sind als die peinliche Erinnerung daran, was einer Kultur an Kultiviertheit mangelt, die historisch den homme de lettres kaum kennt. In Deutschland reizt der Essay zur Abwehr, weil er an die Freiheit des Geistes mahnt, die, seit dem Mißlingen einer seit Leibnizischen Tagen nur lauen Aufklärung, bis heute, auch unter den Bedingungen formaler Freiheit, nicht recht sich entfaltete, sondern stets bereit war, die Unterordnung unter irgendwelche Instanzen als ihr eigentliches Anliegen zu verkünden. Der Essay aber läßt sich sein Ressort nicht vorschreiben. Anstatt wissenschaftlich etwas zu leisten oder künstlerisch etwas zu schaffen, spiegelt noch seine Anstrengung die Muße des Kindlichen wider, der ohne Skrupel sich entflammt an dem, was andere schon getan haben. Er reflektiert das Geliebte und Gehaßte, anstatt den Geist nach dem Modell unbegrenzter Arbeitsmoral als Schöpfung aus dem Nichts vorzustellen. Glück und Spiel sind ihm wesentlich. Er fängt nicht mit Adam und Eva an sondern mit dem, worüber er reden will; er sagt, was ihm daran aufgeht, bricht ab, wo er selber am Ende sich fühlt und nicht dort, wo kein Rest mehr bliebe: so rangiert er unter den Allotria. Weder sind seine Begriffe von einem Ersten her konstruiert noch runden sie sich zu einem Letzten. Seine Interpretationen sind nicht philologisch erhärtet und besonnen, sondern prinzipiell Überinterpretationen, nach dem automatisierten Verdikt jenes wachsamen Verstandes, der sich als Büttel an die Dummheit gegen den Geist verdingt. Die Anstrengung des Subjekts, zu durchdringen, was als Objektivität hinter der Fassade sich versteckt, wird als müßig gebrandmarkt: aus Angst vor Negativität überhaupt. Alles sei viel einfacher. Dem, der deutet, anstatt hinzunehmen und einzuordnen, wird der gelbe Fleck dessen angeheftet, der kraftlos, mit fehlgeleiteter Intelligenz spintisiere und hineinlege, wo es nichts auszulegen gibt. Tatsachenmensch oder Luftmensch, das ist die Alternative. Hat man aber einmal sich terrorisieren lassen vom Verbot, mehr zu meinen als an Ort und Stelle gemeint war, so willfahrt man bereits der falschen Intention, wie sie Menschen und Dinge von sich selber hegen. Verstehen ist dann nichts als das Herausschälen dessen, was der Autor jeweils habe sagen wollen, oder allenfalls der einzelmenschlichen psychologischen Regungen, die das Phänomen indiziert. Aber wie kaum sich ausmachen läßt, was einer sich da und dort gedacht, was er gefühlt hat, so wäre durch derlei Einsichten nichts Wesentliches zu gewinnen. Die Regungen der Autoren erlöschen in dem objektiven Gehalt, den sie ergreifen. Die objektive Fülle von Bedeutungen jedoch, die in jedem geistigen Phänomen verkapselt sind, verlangt vom Empfangenden, um sich zu enthüllen, eben jene Spontaneität subjektiver Phantasie, die im Namen objektiver Disziplin geahndet wird. Nichts läßt sich herausinterpretieren, was nicht zugleich hineininterpretiert wäre. Kriterien dafür sind die Vereinbarkeit der Interpretation mit dem Text und mit sich selber, und ihre Kraft, die Elemente des Gegenstandes mitsammen zum Sprechen zu bringen. Durch diese ähnelt der Essay einer ästhetischen Selbständigkeit, die leicht als der Kunst bloß entlehnt angeklagt wird, von der er gleichwohl durch sein Medium, die Begriffe, sich unterscheidet und durch seinen Anspruch auf Wahrheit bar des ästhetischen Scheins. Das hat Lukács verkannt, als er in dem Brief an Leo Popper, der die ›Seele und die Formen‹ einleitet, den Essay eine Kunstform nannte3. Nicht überlegen aber ist dem die positivistische Maxime, was über Kunst geschrieben würde, dürfe selbst in nichts künstlerische Darstellung, also Autonomie der Form beanspruchen. Die positivistische Gesamttendenz, die jeden möglichen Gegenstand als einen von Forschung starr dem Subjekt entgegensetzt, bleibt wie in allen anderen Momenten so auch in diesem bei der bloßen Trennung von Form und Inhalt stehen: wie denn überhaupt von Ästhetischem unästhetisch, bar aller Ähnlichkeit mit der Sache kaum sich reden ließe, ohne daß man der Banausie verfiele und a priori von jener Sache abglitte. Der Inhalt, einmal nach dem Urbild des Protokollsatzes fixiert, soll nach positivistischem Brauch gegen seine Darstellung indifferent, diese konventionell, nicht von der Sache gefordert sein, und jede Regung des Ausdrucks in der Darstellung gefährdet für den Instinkt des wissenschaftlichen Purismus eine Objektivität, die nach Abzug des Subjekts herausspränge, und damit die Gediegenheit der Sache, die um so besser sich bewähre, je weniger sie sich auf die Unterstützung durch die Form verläßt, obwohl doch diese ihre Norm selber genau daran hat, die Sache rein und ohne Zutat zu geben. In der Allergie gegen die Formen als bloße Akzidenzien nähert sich der szientifische Geist dem stur dogmatischen. Das unverantwortlich geschluderte Wort wähnt, die Verantwortlichkeit in der Sache zu belegen, und die Reflexion über Geistiges wird zum Privileg des Geistlosen.

All diese Ausgeburten der Rancune sind nicht nur die Unwahrheit. Verschmäht es der Essay, kulturelle Gebilde zuvor abzuleiten aus einem ihnen Zugrundeliegenden, so embrouilliert er sich allzu beflissen mit dem Kulturbetrieb von Prominenz, Erfolg und Prestige marktmäßiger Erzeugnisse. Die Romanbiographien und was an verwandter Prämissen-Schriftstellerei an diese sich anhängt, sind keine bloße Ausartung sondern die permanente Versuchung einer Form, deren Verdacht gegen die falsche Tiefe durch nichts gefeit ist vor dem Umschlag in versierte Oberflächlichkeit. Schon in Sainte-Beuve, von dem die Gattung des jüngeren Essays wohl sich herleitet, zeichnet das sich ab und hat mit Produkten wie den Schattenrissen von Herbert Eulenberg, dem deutschen Urbild einer Flut kultureller Schundliteratur, bis zu den Filmen über Rembrandt, Toulouse-Lautrec und die Heilige Schrift die Neutralisierung geistiger Gebilde zu Gütern weiterbefördert, die ohnehin das, was im Ostbereich schmählich das Erbe heißt, in der jüngeren Geistesgeschichte unwiderstehlich ergreift. Am sinnfälligsten vielleicht ist der Prozeß bei Stefan Zweig, dem in seiner Jugend einige differenzierte Essays gelangen und der schließlich in seinem Balzacbuch herunterkam auf die Psychologie des schöpferischen Menschen. Solches Schrifttum kritisiert nicht die abstrakten Grundbegriffe, begriffslosen Daten, eingeschliffenen Clichés, sondern setzt allesamt implizit, aber desto einverstandener voraus. Der Abhub verstehender Psychologie wird fusioniert mit gängigen Kategorien aus der Weltanschauung des Bildungsphilisters, wie der Persönlichkeit und dem Irrationalen. Dergleichen Essays verwechseln sich selber mit jenem Feuilleton, mit dem die Feinde der Form diese verwechseln. Losgerissen von der Disziplin akademischer Unfreiheit, wird geistige Freiheit selber unfrei, willfahrt dem gesellschaftlich präformierten Bedürfnis der Kundenschaft. Das Unverantwortliche, an sich Moment jeglicher Wahrheit, die sich nicht in der Verantwortung gegenüber dem Bestehenden verbraucht, verantwortet sich dann vor den Bedürfnissen des etablierten Bewußtseins; die schlechten Essays sind nicht weniger konformistisch als die schlechten Dissertationen. Verantwortung aber respektiert nicht nur Autoritäten und Gremien sondern auch die Sache.

Daran jedoch, daß der schlechte Essay von Personen erzählt, anstatt die Sache aufzuschließen, ist die Form nicht unschuldig. Die Trennung von Wissenschaft und Kunst ist irreversibel. Bloß die Naivetät des Literaturfabrikanten nimmt von ihr keine Notiz, der sich wenigstens für ein Organisationsgenie hält und gute Kunstwerke zu schlechten verschrottet. Mit der Vergegenständlichung der Welt im Verlauf fortschreitender Entmythologisierung haben Wissenschaft und Kunst sich geschieden; ein Bewußtsein, dem Anschauung und Begriff, Bild und Zeichen eins wären, ist, wenn anders es je existierte, mit keinem Zauberschlag wiederherstellbar, und seine Restitution fiele zurück ins Chaotische. Nur als Vollendung des vermittelnden Prozesses wäre solches Bewußtsein zu denken, als Utopie, wie sie die idealistischen Philosophen seit Kant mit dem Namen der intellektuellen Anschauung bedachten, die versagte, wann immer aktuelle Erkenntnis auf sie sich berief. Wo Philosophie durch Anleihe bei der Dichtung das vergegenständlichende Denken und seine Geschichte, nach gewohnter Terminologie die Antithese von Subjekt und Objekt, meint abschaffen zu können und gar hofft, es spreche in einer aus Parmenides und Jungnickel montierten Poesie Sein selber, nähert sie eben damit sich dem ausgelaugten Kulturgeschwätz. Sie weigert sich mit als Urtümlichkeit zurechtgestutzter Bauernschläue, die Verpflichtung des begrifflichen Denkens zu honorieren, die sie doch unterschrieben hat, sobald sie Begriffe in Satz und Urteil verwandte, während ihr ästhetisches Element eines aus zweiter Hand, verdünnte Bildungsreminiszenz an Hölderlin oder den Expressionismus bleibt oder womöglich an den Jugendstil, weil kein Denken so schrankenlos und blind der Sprache sich anvertrauen kann, wie die Idee urtümlichen Sagens es vorgaukelt. Der Gewalttat, die dabei Bild und Begriff wechselseitig aneinander verüben, entspringt der Jargon der Eigentlichkeit, in dem Worte vor Ergriffenheit tremolieren, während sie verschweigen, worüber sie ergriffen sind. Die ambitiöse Transzendenz der Sprache über den Sinn hinaus mündet in eine Sinnleere, welche vom Positivismus spielend dingfest gemacht werden kann, dem man sich überlegen meint und dem man doch eben durch jene Sinnleere in die Hände arbeitet, die er kritisiert und die man mit seinen Spielmarken teilt. Unterm Bann solcher Entwicklungen nähert Sprache, wo sie in Wissenschaften überhaupt noch sich zu regen wagt, dem Kunstgewerbe sich an, und der Forscher bewährt, negativ, am ehesten ästhetische Treue, der gegen Sprache überhaupt sich sträubt und, anstatt das Wort zur bloßen Umschreibung seiner Zahlen zu erniedrigen, die Tabelle vorzieht, welche die Verdinglichung des Bewußtseins ohne Rückhalt einbekennt und damit für sie etwas wie Form findet ohne apologetische Anleihe bei der Kunst. Wohl war diese in die vorherrschende Tendenz der Aufklärung von je so verflochten, daß sie seit der Antike in ihrer Technik wissenschaftliche Funde verwertete. Aber die Quantität schlägt um in die Qualität. Wird Technik im Kunstwerk verabsolutiert; wird Konstruktion total und tilgt sie ihr Motivierendes und Entgegengesetztes, den Ausdruck; prätendiert also Kunst, unmittelbar Wissenschaft, richtig nach deren Maß zu sein, so sanktioniert sie die vorkünstlerische Stoffhuberei, sinnfremd wie nur das Seyn aus philosophischen Seminaren, und verbrüdert sich mit der Verdinglichung, gegen die wie immer auch stumm und selber dinghaft Einspruch zu erheben bis zum heutigen Tag die Funktion des Funktionslosen, der Kunst, war.

Aber wie Kunst und Wissenschaft in Geschichte sich schieden, so ist ihr Gegensatz auch nicht zu hypostasieren. Der Abscheu vor der anachronistischen Vermischung heiligt nicht eine nach Sparten organisierte Kultur. In all ihrer Notwendigkeit beglaubigen jene Sparten institutionell doch auch den Verzicht auf die ganze Wahrheit. Die Ideale des Reinlichen und Säuberlichen, die dem Betrieb einer veritabeln, auf Ewigkeitswerte geeichten Philosophie, einer hieb- und stichfesten, lückenlos durchorganisierten Wissenschaft und einer begriffslos anschaulichen Kunst gemein sind, tragen die Spur repressiver Ordnung. Dem Geist wird eine Zuständigkeitsbescheinigung abverlangt, damit er nicht mit den kulturell bestätigten Grenzlinien die offizielle Kultur selber überschreite. Vorausgesetzt wird dabei, daß alle Erkenntnis potentiell in Wissenschaft sich umsetzen lasse. Die Erkenntnistheorien, welche das vorwissenschaftliche vom wissenschaftlichen Bewußtsein unterschieden, haben denn auch durchweg den Unterschied lediglich graduell aufgefaßt. Daß es aber bei der bloßen Versicherung jener Umsetzbarkeit blieb, ohne daß je im Ernst lebendiges Bewußtsein in wissenschaftliches verwandelt worden wäre, verweist auf das Prekäre des Übergangs selber, eine qualitative Differenz. Die einfachste Besinnung aufs Bewußtseinsleben könnte darüber belehren, wie wenig Erkenntnisse, die keineswegs unverbindliche Ahnungen sind, allesamt vom szientifischen Netz sich einfangen lassen. Das Werk Marcel Prousts, dem es so wenig wie Bergson am wissenschaftlichpositivistischen Element mangelt, ist ein einziger Versuch, notwendige und zwingende Erkenntnisse über Menschen und soziale Zusammenhänge auszusprechen, die nicht ohne weiteres von der Wissenschaft eingeholt werden können, während doch ihr Anspruch auf Objektivität weder gemindert noch der vagen Plausibilität ausgeliefert würde. Das Maß solcher Objektivität ist nicht die Verifizierung behaupteter Thesen durch ihre wiederholende Prüfung, sondern die in Hoffnung und Desillusion zusammengehaltene einzelmenschliche Erfahrung. Sie verleiht ihren Beobachtungen erinnernd durch Bestätigung oder Widerlegung Relief. Aber ihre individuell zusammengeschlossene Einheit, in der doch das Ganze erscheint, wäre nicht aufzuteilen und wieder zu ordnen unter die getrennten Personen und Apparaturen etwa von Psychologie und Soziologie. Proust hat, unter dem Druck des szientifischen Geistes und seiner auch dem Künstler latent allgegenwärtigen Desiderate, getrachtet, in einer selbst den Wissenschaften nachgebildeten Technik, einer Art von Versuchsanordnung, sei's zu retten, sei's wiederherzustellen, was in den Tagen des bürgerlichen Individualismus, da das individuelle Bewußtsein noch sich selbst vertraute und nicht vorweg unter organisatorischer Zensur sich ängstigte, als Erkenntnisse eines erfahrenen Mannes vom Typ jenes ausgestorbenen homme de lettres galt, den Proust als höchster Fall des Dilettanten nochmals beschwört. Keinem jedoch wäre es beigekommen, die Mitteilungen eines Erfahrenen, weil sie nur die seinen sind und nicht ohne weiteres wissenschaftlich sich generalisieren lassen, als unbeträchtlich, zufällig und irrational abzutun. Was aber von seinen Funden durch die wissenschaftlichen Maschen schlüpft, entgeht ganz gewiß der Wissenschaft selber. Als Geisteswissenschaft versagt sie, was sie dem Geist verspricht: dessen Gebilde von innen aufzuschließen. Der junge Schriftsteller, der auf Hochschulen lernen will, was ein Kunstwerk, was Sprachgestalt, was ästhetische Qualität, ja auch ästhetische Technik sei, wird meist bloß desultorisch etwas davon vernehmen, allenfalls Auskünfte erhalten, die von der jeweils zirkulierenden Philosophie fertig bezogen und dem Gehalt der in Rede stehenden Gebilde mehr oder minder willkürlich aufgeklatscht sind. Wendet er sich aber an die philosophische Ästhetik, so werden ihm Sätze eines Abstraktionsniveaus aufgedrängt, die weder mit den Gebilden, die er verstehen will, vermittelt sind, noch in Wahrheit eins mit dem Gehalt, nach dem er tastet. Für all das aber ist nicht die Arbeitsteilung des kosmos noetikos nach Kunst und Wissenschaft allein verantwortlich; nicht sind deren Demarkationslinien durch guten Willen und übergreifende Planung zu beseitigen. Sondern der unwiderruflich nach dem Muster von Naturbeherrschung und materieller Produktion gemodelte Geist begibt sich der Erinnerung an jenes überwundene Stadium, die ein zukünftiges verspricht, der Transzendenz gegenüber den verhärteten Produktionsverhältnissen, und das lähmt sein spezialistisches Verfahren gerade seinen spezifischen Gegenständen gegenüber.

Im Verhältnis zur wissenschaftlichen Prozedur und ihrer philosophischen Grundlegung als Methode zieht der Essay, der Idee nach, die volle Konsequenz aus der Kritik am System. Selbst die empiristischen Lehren, welche der unabschließbaren, nicht antezipierbaren Erfahrung den Vorrang vor der festen begrifflichen Ordnung zumessen, bleiben insofern systematisch, als sie mehr oder minder konstant vorgestellte Bedingungen von Erkenntnis erörtern und diese in möglichst bruchlosem Zusammenhang entwickeln. Empirismus nicht weniger als Rationalismus war seit Bacon – selbst einem Essayisten – »Methode«. Der Zweifel an deren unbedingtem Recht ward in der Verfahrensweise des Denkens selber fast nur vom Essay realisiert. Er trägt dem Bewußtsein der Nichtidentität Rechnung, ohne es auch nur auszusprechen; radikal im Nichtradikalismus, in der Enthaltung von aller Reduktion auf ein Prinzip, im Akzentuieren des Partiellen gegenüber der Totale, im Stückhaften. »Vielleicht hat der große Sieur de Montaigne etwas Ähnliches empfunden, als er seinen Schriften die wunderbar schöne und treffende Bezeichnung ›Essais‹ gab. Denn eine hochmütige Courtoisie ist die einfache Bescheidenheit dieses Wortes. Der Essayist winkt den eigenen, stolzen Hoffnungen, die manchmal dem Letzten nahe gekommen zu sein wähnen, ab – es sind ja nur Erklärungen der Gedichte anderer, die er bieten kann und bestenfalls die der eigenen Begriffe. Aber ironisch fügt er sich in diese Kleinheit ein, in die ewige Kleinheit der tiefsten Gedankenarbeit dem Leben gegenüber und mit ironischer Bescheidenheit unterstreicht er sie noch.«4 Der Essay pariert nicht der Spielregel organisierter Wissenschaft und Theorie, es sei, nach dem Satz des Spinoza, die Ordnung der Dinge die gleiche wie die der Ideen. Weil die lückenlose Ordnung der Begriffe nicht eins ist mit dem Seienden, zielt er nicht auf geschlossenen, deduktiven oder induktiven Aufbau. Er revoltiert zumal gegen die seit Platon eingewurzelte Doktrin, das Wechselnde, Ephemere sei der Philosophie unwürdig; gegen jenes alte Unrecht am Vergänglichen, wodurch es im Begriff nochmals verdammt wird. Er schreckt zurück vor dem Gewaltsamen des Dogmas: dem Resultat der Abstraktion, dem gegenüber dem darunter befaßten Individuellen zeitlich invarianten Begriff, gebühre ontologische Dignität. Der Trug, der ordo idearum wäre der ordo rerum, gründet in der Unterstellung eines Vermittelten als unmittelbar. So wenig ein bloß Faktisches ohne den Begriff gedacht werden kann, weil es denken immer schon es begreifen heißt, so wenig ist noch der reinste Begriff zu denken ohne allen Bezug auf Faktizität. Selbst die vermeintlich von Raum und Zeit befreiten Gebilde der Phantasie verweisen, wie immer auch abgeleitet, auf individuelles Dasein. Darum läßt sich der Essay von dem depravierten Tiefsinn nicht einschüchtern, Wahrheit und Geschichte stünden unvereinbar einander gegenüber. Hat Wahrheit in der Tat einen Zeitkern, so wird der volle geschichtliche Gehalt zu ihrem integralen Moment; das Aposteriori wird konkret zum Apriori, wie Fichte und seine Nachfolger nur generell es forderten. Die Beziehung auf Erfahrung – und ihr verleiht der Essay soviel Substanz wie die herkömmliche Theorie den bloßen Kategorien – ist die auf die ganze Geschichte; die bloß individuelle Erfahrung, mit welcher das Bewußtsein als mit dem ihr nächsten anhebt, ist selber vermittelt durch die übergreifende der historischen Menschheit; daß stattdessen diese mittelbar und das je Eigene das Unmittelbare sei, bloße Selbsttäuschung der individualistischen Gesellschaft und Ideologie. Die Geringschätzung des geschichtlich Produzierten als eines Gegenstandes der Theorie wird daher vom Essay revidiert. Die Unterscheidung einer ersten von einer bloßen Kulturphilosophie, welche jene voraussetze und auf ihr weiterbaue, mit der das Tabu über den Essay theoretisch sich rationalisiert, ist nicht zu retten. Eine Verfahrensweise des Geistes verliert ihre Autorität, welche die Scheidung von Zeitlichem und Zeitlosem als Kanon ehrt. Höhere Abstraktionsniveaus investieren den Gedanken weder mit höherer Weihe noch mit metaphysischem Gehalt; eher verflüchtigt sich dieser mit dem Fortgang der Abstraktion, und etwas davon möchte der Essay wiedergutmachen. Der geläufige Einwand gegen ihn, er sei stückhaft und zufällig, postuliert selber die Gegebenheit von Totalität, damit aber Identität von Subjekt und Objekt, und gebärdet sich, als wäre man des Ganzen mächtig. Der Essay aber will nicht das Ewige im Vergänglichen aufsuchen und abdestillieren, sondern eher das Vergängliche verewigen. Seine Schwäche zeugt von der Nichtidentität selber, die er auszudrücken hat; vom Überschuß der Intention über die Sache und damit jener Utopie, welche in der Gliederung der Welt nach Ewigem und Vergänglichem abgewehrt ist. Im emphatischen Essay entledigt sich der Gedanke der traditionellen Idee von der Wahrheit.

Damit suspendiert er zugleich den traditionellen Begriff von Methode. Der Gedanke hat seine Tiefe danach, wie tief er in die Sache dringt, nicht danach, wie tief er sie auf ein anderes zurückführt. Das wendet der Essay polemisch, indem er behandelt, was nach den Spielregeln für abgeleitet gilt, ohne dessen endgültige Ableitung selber zu verfolgen. In Freiheit denkt er zusammen, was sich zusammenfindet in dem frei gewählten Gegenstand. Nicht kapriziert er sich auf ein Jenseits der Vermittlungen – und das sind die geschichtlichen, in denen die ganze Gesellschaft sedimentiert ist – sondern sucht die Wahrheitsgehalte als selber geschichtliche. Er fragt nach keiner Urgegebenheit, zum Tort der vergesellschafteten Gesellschaft, die, eben weil sie nichts duldet, was von ihr nicht geprägt ward, am letzten dulden kann, was an ihre eigene Allgegenwart erinnert, und notwendig als ideologisches Komplement jene Natur herbeizitiert, von der ihre Praxis nichts übrig läßt. Der Essay kündigt wortlos die Illusion, der Gedanke vermöchte aus dem, was thesei, Kultur ist, ausbrechen in das, was physei, von Natur sei. Gebannt vom Fixierten, eingestandenermaßen Abgeleiteten, von Gebilden, ehrt er die Natur, indem er bestätigt, daß sie den Menschen nicht mehr ist. Sein Alexandrinismus antwortet darauf, daß noch Flieder und Nachtigall, wo das universale Netz ihnen zu überleben etwa gestattet, durch ihre bloße Existenz glauben machen, das Leben lebte noch. Er verläßt die Heerstraße zu den Ursprüngen, die bloß zu dem Abgeleitetesten, dem Sein führt, der verdoppelnden Ideologie dessen, was ohnehin ist, ohne daß doch die Idee von Unmittelbarkeit ganz verschwände, die der Sinn von Vermittlung selbst postuliert. Alle Stufen des Vermittelten sind dem Essay unmittelbar, ehe er zu reflektieren sich anschickt.

Wie er Urgegebenheiten verweigert, so verweigert er die Definition seiner Begriffe. Deren volle Kritik ist von der Philosophie unter den divergentesten Aspekten erreicht worden; bei Kant, bei Hegel, bei Nietzsche. Aber die Wissenschaft hat solche Kritik niemals sich zugeeignet. Während die mit Kant anhebende Bewegung, als eine gegen die scholastischen Residuen im modernen Denken, anstelle der Verbaldefinitionen das Begreifen der Begriffe aus dem Prozeß rückt, in dem sie gezeitigt werden, verharren die Einzelwissenschaften, um der ungestörten Sicherheit ihres Operierens willen, bei der vorkritischen Verpflichtung zu definieren; darin stimmen die Neopositivisten, denen die wissenschaftliche Methode Philosophie heißt, mit der Scholastik überein. Der Essay dafür nimmt den antisystematischen Impuls ins eigene Verfahren auf und führt Begriffe umstandslos, »unmittelbar« so ein, wie er sie empfängt. Präzisiert werden sie erst durch ihr Verhältnis zueinander. Dabei jedoch hat er eine Stütze an den Begriffen selber. Denn es ist bloßer Aberglaube der aufbereitenden Wissenschaft, die Begriffe wären an sich unbestimmt, würden bestimmt erst durch ihre Definition. Der Vorstellung des Begriffs als einer tabula rasa bedarf die Wissenschaft, um ihren Herrschaftsanspruch zu festigen; als den der Macht, welche einzig den Tisch besetzt. In Wahrheit sind alle Begriffe implizit schon konkretisiert durch die Sprache, in der sie stehen. Mit solchen Bedeutungen hebt der Essay an und treibt sie, selbst wesentlich Sprache, weiter; er möchte dieser in ihrem Verhältnis zu den Begriffen helfen, sie reflektierend so nehmen, wie sie bewußtlos in der Sprache schon genannt sind. Das ahnt das Verfahren der Bedeutungsanalyse in der Phänomenologie, nur daß es die Beziehung der Begriffe auf die Sprache zum Fetisch macht. Dazu steht der Essay ebenso skeptisch wie zu ihrer Definition. Er zieht ohne Apologie den Einwand auf sich, man wisse nicht über allem Zweifel, was man unter den Begriffen sich vorzustellen habe. Denn er durchschaut, daß das Verlangen nach strikten Definitionen längst dazu herhält, durch festsetzende Manipulationen der Begriffsbedeutungen das Irritierende und Gefährliche der Sachen wegzuschaffen, die in den Begriffen leben. Dabei jedoch kommt er weder ohne allgemeine Begriffe aus – auch die Sprache, die den Begriff nicht fetischisiert, kann seiner nicht entraten – noch geht er mit ihnen nach Belieben um. Die Darstellung nimmt er darum schwerer als die Methode und Sache sondernden, der Darstellung ihres vergegenständlichten Inhalts gegenüber gleichgültigen Verfahrensweisen. Das Wie des Ausdrucks soll an Präzision erretten, was der Verzicht aufs Umreißen opfert, ohne doch die gemeinte Sache an die Willkür einmal dekretierter Begriffsbedeutungen zu verraten. Darin war Benjamin der unerreichte Meister. Solche Präzision kann jedoch nicht atomistisch bleiben. Weniger nicht, sondern mehr als das definitorische Verfahren urgiert der Essay die Wechselwirkung seiner Begriffe im Prozeß geistiger Erfahrung. In ihr bilden jene kein Kontinuum der Operationen, der Gedanke schreitet nicht einsinnig fort, sondern die Momente verflechten sich teppichhaft. Von der Dichte dieser Verflechtung hängt die Fruchtbarkeit von Gedanken ab. Eigentlich denkt der Denkende gar nicht, sondern macht sich zum Schauplatz geistiger Erfahrung, ohne sie aufzudröseln. Während aus ihr auch dem traditionellen Denken seine Impulse zuwachsen, eliminiert es seiner Form nach die Erinnerung daran. Der Essay aber wählt sie als Vorbild, ohne sie, als reflektierte Form, einfach nachzuahmen; er vermittelt sie durch seine eigene begriffliche Organisation; er verfährt, wenn man will, methodisch unmethodisch.

Wie der Essay die Begriffe sich zueignet, wäre am ehesten vergleichbar dem Verhalten von einem, der in fremdem Land gezwungen ist, dessen Sprache zu sprechen, anstatt schulgerecht aus Elementen sie zusammenzustümpern. Er wird ohne Diktionär lesen. Hat er das gleiche Wort, in stets wechselndem Zusammenhang, dreißigmal erblickt, so hat er seines Sinnes besser sich versichert, als wenn er die aufgezählten Bedeutungen nachgeschlagen hätte, die meist zu eng sind gegenüber dem Wechsel je nach dem Kontext, und zu vag gegenüber den unverwechselbaren Nuancen, die der Kontext in jedem einzelnen Fall stiftet. Wie freilich solches Lernen dem Irrtum exponiert bleibt, so auch der Essay als Form; für seine Affinität zur offenen geistigen Erfahrung hat er mit dem Mangel an jener Sicherheit zu zahlen, welchen die Norm des etablierten Denkens wie den Tod fürchtet. Nicht sowohl vernachlässigt der Essay die zweifelsfreie Gewißheit, als daß er ihr Ideal kündigt. Wahr wird er in seinem Fortgang, der ihn über sich hinaustreibt, nicht in schatzgräberischer Obsession mit Fundamenten. Seine Begriffe empfangen ihr Licht von einem ihm selbst verborgenen terminus ad quem, nicht von einem offenbaren terminus a quo, und darin drückt seine Methode selber die utopische Intention aus. Alle seine Begriffe sind so darzustellen, daß sie einander tragen, daß ein jeglicher sich artikuliert je nach den Konfigurationen mit anderen. In ihm treten diskret gegeneinander abgesetzte Elemente zu einem Lesbaren zusammen; er erstellt kein Gerüst und keinen Bau. Als Konfiguration aber kristallisieren sich die Elemente durch ihre Bewegung. Jene ist ein Kraftfeld, so wie unterm Blick des Essays jedes geistige Gebilde in ein Kraftfeld sich verwandeln muß.

 

Der Essay fordert das Ideal der clara et distincta perceptio und der zweifelsfreien Gewißheit sanft heraus. Insgesamt wäre er zu interpretieren als Einspruch gegen die vier Regeln, die Descartes' Discours de la méthode am Anfang der neueren abendländischen Wissenschaft und ihrer Theorie aufrichtet. Die zweite jener Regeln, die Zerlegung des Objekts in »so viele Teile ... als nur möglich und als erforderlich sein würde, um sie in der besten Weise aufzulösen«5, entwirft jene Elementaranalyse, in deren Zeichen die traditionelle Theorie die begrifflichen Ordnungsschemata und die Struktur des Seins einander gleichsetzt. Der Gegenstand des Essays aber, die Artefakte, versagen sich der Elementaranalyse und sind einzig aus ihrer spezifischen Idee zu konstruieren; nicht umsonst hat darin Kant Kunstwerke und Organismen analog behandelt, obwohl er sie zugleich so unbestechlich wider allen romantischen Obskurantismus unterschied. Ebensowenig ist die Ganzheit als Erstes zu hypostasieren wie das Produkt der Analyse, die Elemente. Beidem gegenüber orientiert sich der Essay an der Idee jener Wechselwirkung, welche streng die Frage nach Elementen so wenig duldet wie die nach dem Elementaren. Weder sind die Momente rein aus dem Ganzen zu entwickeln noch umgekehrt. Es ist Monade, und doch keine; seine Momente, als solche begrifflicher Art, weisen über den spezifischen Gegenstand hinaus, in dem sie sich versammeln. Aber der Essay verfolgt sie nicht dorthin, wo sie sich jenseits des spezifischen Gegenstandes legitimierten: sonst geriete er in schlechte Unendlichkeit. Sondern er rückt dem hic et nunc des Gegenstandes so nah, bis er in die Momente sich dissoziiert, in denen er sein Leben hat, anstatt bloß Gegenstand zu sein.

Die dritte Cartesianische Regel, »der Ordnung nach meine Gedanken zu leiten, also bei den einfachsten und am leichtesten zu erkennenden Gegenständen zu beginnen, um nach und nach sozusagen gradweise bis zur Erkenntnis der zusammengesetztesten aufzusteigen«, widerspricht schroff der Essayform insofern, als diese vom Komplexesten ausgeht, nicht vom Einfachsten, allemal vorweg Gewohnten. Sie läßt sich nicht beirren im Verhalten dessen, der Philosophie zu studieren beginnt und dem dabei ihre Idee irgend schon vor Augen steht. Er wird kaum zuerst die simpelsten Schriftsteller lesen, deren common sense meist dahinplätschert, wo zu verweilen wäre, sondern eher nach den angeblich schwierigen greifen, die dann ihr Licht rückwärts aufs Einfache werfen und es erhellen als eine »Stellung des Gedankens zur Objektivität«. Die Naivetät des Studenten, dem das Schwierige und Formidable gerade gut genug dünkt, ist weiser als die erwachsene Pedanterie, die mit drohendem Finger den Gedanken ermahnt, er solle das Einfache kapieren, ehe er an jenes Komplexe sich wage, das doch allein ihn reizt. Solche Vertagung der Erkenntnis verhindert sie bloß. Dem convenu der Verständlichkeit, der Vorstellung von der Wahrheit als einem Wirkungszusammenhang gegenüber, nötigt der Essay dazu, die Sache mit dem ersten Schritt so vielschichtig zu denken, wie sie ist. Korrektiv jener verstockten Primitivität, die der gängigen ratio allemal sich gesellt. Wenn die Wissenschaft das Schwierige und Komplexe einer antagonistischen und monadologisch aufgespaltenen Realität nach ihrer Sitte fälschend auf vereinfachende Modelle bringt und diese dann nachträglich, durch vorgebliches Material, differenziert, so schüttelt der Essay die Illusion einer einfachen, im Grunde selber logischen Welt ab, die zur Verteidigung des bloß Seienden so gut sich schickt. Seine Differenziertheit ist kein Zusatz sondern sein Medium. Gern rechnet das etablierte Denken sie der bloßen Psychologie der Erkennenden zu und meint dadurch ihr Verpflichtendes abzufertigen. Die wissenschaftlichen Brusttöne gegen Übergescheitheit gelten in Wahrheit nicht der vorwitzig unzuverlässigen Methode, sondern dem Befremdenden an der Sache, das sie erscheinen läßt.

Unverändert kehrt die vierte Cartesianische Regel, man »solle überall so vollzählige Aufzählungen und so allgemeine Übersichten anstellen«, daß man »sicher wäre, nichts auszulassen«, das eigentlich systematische Prinzip, wieder noch in Kants Polemik gegen das »rhapsodistische« Denken des Aristoteles. Sie entspricht dem Vorwurf gegen den Essay, er sei, nach der Rede der Schulmeister, nicht erschöpfend, während jeder Gegenstand, und gewiß der geistige, unendlich viele Aspekte in sich schließt, über deren Auswahl nichts anderes entscheidet als die Intention des Erkennenden. Nur dann wäre die »allgemeine Übersicht« möglich, wenn vorweg feststünde, daß der zu behandelnde Gegenstand in den Begriffen seiner Behandlung aufgeht; daß nichts übrig bleibt, was von diesen her nicht zu antezipieren wäre. Die Regel von der Vollständigkeit der einzelnen Glieder aber prätendiert, im Gefolge jener ersten Annahme, daß der Gegenstand in lückenlosem Deduktionszusammenhang sich darstellen lasse: eine identitätsphilosophische Supposition. Wie in der Forderung von Definition hat die Cartesianische Regel, als denkpraktische Anweisung, das rationalistische Theorem überlebt, auf dem sie beruhte; umfassende Übersicht und Kontinuität der Darstellung wird auch der empirisch offenen Wissenschaft zugemutet. Dadurch verwandelt sich, was bei Descartes als intellektuelles Gewissen über die Notwendigkeit der Erkenntnis wachen will, in Willkür, die eines »frame of reference«, einer Axiomatik, die zur Befriedigung des methodischen Bedürfnisses und um der Plausibilität des Ganzen an den Anfang gestellt werden soll, ohne daß sie selbst ihre Gültigkeit oder Evidenz mehr dartun könnte, oder, in der deutschen Version, eines »Entwurfs«, der mit dem Pathos, aufs Sein selber zu gehen, seine subjektiven Bedingungen bloß unterschlägt. Die Forderung der Kontinuität der Gedankenführung präjudiziert tendenziell schon die Stimmigkeit im Gegenstand, dessen eigene Harmonie. Kontinuierliche Darstellung widerspräche einer antagonistischen Sache, solange sie nicht die Kontinuität zugleich als Diskontinuität bestimmte. Unbewußt und theoriefern meldet im Essay als Form das Bedürfnis sich an, die theoretisch überholten Ansprüche der Vollständigkeit und Kontinuität auch in der konkreten Verfahrungsweise des Geistes zu annullieren. Sträubt er sich ästhetisch gegen die engherzige Methode, die nur ja nichts auslassen will, so gehorcht er einem erkenntniskritischen Motiv. Die romantische Konzeption des Fragments als eines nicht vollständigen sondern durch Selbstreflexion ins Unendliche weiterschreitenden Gebildes verficht dies antiidealistische Motiv inmitten des Idealismus. Auch in der Art des Vortrags darf der Essay nicht so tun, als hätte er den Gegenstand abgeleitet, und von diesem bliebe nichts mehr zu sagen. Seiner Form ist deren eigene Relativierung immanent: er muß so sich fügen, als ob er immer und stets abbrechen könnte. Er denkt in Brüchen, so wie die Realität brüchig ist, und findet seine Einheit durch die Brüche hindurch, nicht indem er sie glättet. Einstimmigkeit der logischen Ordnung täuscht über das antagonistische Wesen dessen, dem sie aufgestülpt ward. Diskontinuität ist dem Essay wesentlich, seine Sache stets ein stillgestellter Konflikt. Während er die Begriffe aufeinander abstimmt vermöge ihrer Funktion im Kräfteparallelogramm der Sachen, scheut er zurück vor dem Obergriff, dem sie gemeinsam unterzuordnen wären; was dieser zu leisten bloß vortäuscht, weiß seine Methode als unlösbar und sucht es gleichwohl zu leisten. Das Wort Versuch, in dem die Utopie des Gedankens, ins Schwarze zu treffen, mit dem Bewußtsein der eigenen Fehlbarkeit und Vorläufigkeit sich vermählt, erteilt, wie meist geschichtlich überdauernde Terminologien, einen Bescheid über die Form, der um so schwerer wiegt, als er nicht programmatisch sondern als Charakteristik der tastenden Intention erfolgt. Der Essay muß an einem ausgewählten oder getroffenen partiellen Zug die Totalität aufleuchten lassen, ohne daß diese als gegenwärtig behauptet würde. Er korrigiert das Zufällige und Vereinzelte seiner Einsichten, indem sie, sei es in seinem eigenen Fortgang, sei es im mosaikhaften Verhältnis zu anderen Essays, sich vervielfachen, bestätigen, einschränken; nicht durch Abstraktion auf die aus ihnen abgezogenen Merkmaleinheiten. »So unterscheidet sich also ein Essay von einer Abhandlung. Essayistisch schreibt, wer experimentierend verfaßt, wer also seinen Gegenstand hin und her wälzt, befragt, betastet, prüft, durchreflektiert, wer von verschiedenen Seiten auf ihn losgeht und in seinem Geistesblick sammelt, was er sieht, und verwortet, was der Gegenstand unter den im Schreiben geschaffenen Bedingungen sehen läßt.«6 Das Unbehagen an dieser Prozedur; das Gefühl, es könne nach Belieben so weiter gehen, hat seine Wahrheit und seine Unwahrheit. Seine Wahrheit, weil der Essay in der Tat nicht schließt und das Unvermögen dazu als Parodie seines eigenen Apriori hervorkehrt; als Schuld wird ihm dann das aufgebürdet, was eigentlich jene Formen verschulden, welche die Spur der Beliebigkeit verwischen. Unwahr aber ist jenes Unbehagen, weil die Konstellation des Essays doch nicht derart beliebig ist, wie es einem philosophischen Subjektivismus dünkt, der den Zwang der Sache in den der begrifflichen Ordnung verlegt. Ihn determiniert die Einheit seines Gegenstandes samt der von Theorie und Erfahrung, die in den Gegenstand eingewandert sind. Seine Offenheit ist keine vage von Gefühl und Stimmung, sondern wird konturiert durch seinen Gehalt. Er sträubt sich gegen die Idee des Hauptwerks, welche selber die von Schöpfung und Totalität widerspiegelt. Seine Form kommt dem kritischen Gedanken nach, daß der Mensch kein Schöpfer, daß nichts Menschliches Schöpfung sei. Weder tritt der Essay selbst, stets bezogen auf schon Geschaffenes, als solche auf, noch begehrt er ein Allumfassendes, dessen Totalität der der Schöpfung gliche. Seine Totalität, die Einheit einer in sich auskonstruierten Form, ist die des nicht Totalen, eine, die auch als Form nicht die These der Identität von Gedanken und Sache behauptet, die sie inhaltlich verwirft. Die Befreiung vom Identitätszwang schenkt dem Essay zuweilen, was dem offiziellen Denken entgleitet, das Moment des Unauslöschlichen, der untilgbaren Farbe. Gewisse Fremdwörter bei Simmel – Cachet, Attitude – verraten diese Intention, ohne daß sie selber theoretisch behandelt würde.

Er ist offener und geschlossener zugleich, als dem traditionellen Denken gefällt. Offener insofern, als er Systematik durch seine Anlage negiert und sich selbst um so besser genügt, je strenger er es damit hält; systematische Residuen in Essays, etwa die Infiltration literarischer Studien mit fertig bezogenen, verbreiteten Philosophemen, durch die sie sich respektabel machen wollen, taugen nicht mehr als psychologische Trivialitäten. Geschlossener aber ist der Essay, weil er an der Form der Darstellung emphatisch arbeitet. Das Bewußtsein der Nichtidentität von Darstellung und Sache nötigt jene zur unbeschränkten Anstrengung. Das allein ist das Kunstähnliche des Essays; sonst ist er vermöge der in ihm vorkommenden Begriffe, die ja selber von draußen nicht nur ihre Bedeutung sondern auch ihren theoretischen Bezug mitbringen, notwendig der Theorie verwandt. Freilich verhält er zu ihr sich so vorsichtig wie zum Begriff. Weder leitet er sich bündig aus ihr ab – der Kardinalfehler aller späteren essayistischen Arbeiten von Lukács – noch ist er Abschlagszahlung auf kommende Synthesen. Unheil droht der geistigen Erfahrung, je angestrengter sie zu Theorie sich verfestigt und gebärdet, als habe sie den Stein der Weisen in Händen. Gleichwohl strebt geistige Erfahrung selbst dem eigenen Sinn nach solcher Objektivierung zu. Diese Antinomie wird vom Essay gespiegelt. Wie er Begriffe und Erfahrungen von draußen absorbiert, so auch Theorien. Nur ist sein Verhältnis zu ihnen nicht das des Standpunkts. Ist die Standpunktlosigkeit des Essays nicht länger naiv und der Prominenz ihrer Gegenstände hörig; nutzt er vielmehr die Beziehung auf seine Gegenstände als Mittel wider den Bann des Anfangs, so verwirklicht er parodisch gleichsam die sonst nur ohnmächtige Polemik des Denkens gegen bloße Standpunktphilosophie. Er zehrt die Theorien auf, die ihm nah sind; seine Tendenz ist stets die zur Liquidation der Meinung, auch der, mit der er selbst anhebt. Er ist, was er von Beginn war, die kritische Form par excellence; und zwar, als immanente Kritik geistiger Gebilde, als Konfrontation dessen, was sie sind, mit ihrem Begriff, Ideologiekritik. »Der Essay ist die Form der kritischen Kategorie unseres Geistes. Denn wer kritisiert, der muß mit Notwendigkeit experimentieren, er muß Bedingungen schaffen, unter denen ein Gegenstand erneut sichtbar wird, noch anders als bei einem Autor, und vor allem muß jetzt die Hinfälligkeit des Gegenstandes erprobt, versucht werden, und eben dies ist ja der Sinn der geringen Variation, die ein Gegenstand durch seinen Kritiker erfährt.«7 Wird dem Essay, weil er keinen außerhalb seiner selbst liegenden Standpunkt einbekennt, Standpunktlosigkeit und Relativismus vorgeworfen, so ist dabei eben jene Vorstellung von der Wahrheit als einem »Fertigen«, einer Hierarchie von Begriffen im Spiel, die Hegel zerstörte, der Standpunkte nicht mochte: darin berührt sich der Essay mit seinem Extrem, der Philosophie des absoluten Wissens. Er möchte den Gedanken von seiner Willkür heilen, indem er sie reflektierend ins eigene Verfahren hineinnimmt, anstatt sie als Unmittelbarkeit zu maskieren.

Jene Philosophie freilich blieb behaftet mit der Inkonsequenz, daß sie zugleich den abstrakten Oberbegriff, das bloße »Resultat«, im Namen des in sich diskontinuierlichen Prozesses kritisierte und doch, nach idealistischer Sitte, von dialektischer Methode redete. Darum ist der Essay dialektischer als die Dialektik dort, wo sie selbst sich vorträgt. Er nimmt die Hegelsche Logik beim Wort: weder darf unmittelbar die Wahrheit der Totalität gegen die Einzelurteile ausgespielt noch die Wahrheit zum Einzelurteil verendlicht werden, sondern der Anspruch der Singularität auf Wahrheit wird buchstäblich genommen bis zur Evidenz ihrer Unwahrheit. Das Gewagte, Vorgreifende, nicht ganz Eingelöste jedes essayistischen Details zieht als Negation andere herbei; die Unwahrheit, in die wissend der Essay sich verstrickt, ist das Element seiner Wahrheit. Unwahres liegt gewiß auch in seiner bloßen Form, der Beziehung auf kulturell Vorgeformtes, Abgeleitetes, als wäre es an sich. Je energischer er aber den Begriff eines Ersten suspendiert und sich weigert, Kultur aus Natur herauszuspinnen, um so gründlicher erkennt er das naturwüchsige Wesen von Kultur selber. Bis zum heutigen Tag perpetuiert sich in ihr der blinde Naturzusammenhang, der Mythos, und darauf gerade reflektiert der Essay: das Verhältnis von Natur und Kultur ist sein eigentliches Thema. Nicht umsonst versenkt er, anstatt sie zu »reduzieren«, sich in Kulturphänomene als in zweite Natur, zweite Unmittelbarkeit, um durch Beharrlichkeit deren Illusion aufzuheben. Er täuscht sich so wenig wie die Ursprungsphilosophie über die Differenz zwischen Kultur und darunter Liegendem. Aber ihm ist Kultur kein zu destruierendes Epiphänomen über dem Sein, sondern das darunter Liegende selbst ist thesei, die falsche Gesellschaft. Darum gilt ihm der Ursprung nicht für mehr als der Überbau. Seine Freiheit in der Wahl der Gegenstände, seine Souveränität gegenüber allen priorities von Faktum oder Theorie verdankt er dem, daß ihm gewissermaßen alle Objekte gleich nah zum Zentrum sind: zu dem Prinzip, das alle verhext. Er glorifiziert nicht die Befassung mit Ursprünglichem als ursprünglicher denn die mit Vermitteltem, weil ihm die Ursprünglichkeit selber Gegenstand der Reflexion, ein Negatives ist. Das entspricht einer Situation, in der Ursprünglichkeit, als Standpunkt des Geistes inmitten der vergesellschafteten Welt, zur Lüge ward. Sie erstreckt sich von der Erhebung historischer Begriffe aus historischen Sprachen zu Urworten bis zum akademischen Unterricht in »creative writing« und zu der gewerbsmäßig betriebenen Primitivität, zu Blockflöten und finger painting, in denen die pädagogische Not sich als metaphysische Tugend geriert. Der Gedanke ist nicht verschont von Baudelaires Rebellion der Dichtung gegen Natur als gesellschaftliches Reservat. Auch die Paradiese des Gedankens sind einzig noch die künstlichen, und in ihnen ergeht sich der Essay. Weil, nach Hegels Diktum, nichts zwischen Himmel und Erde ist, was nicht vermittelt wäre, hält der Gedanke der Idee von Unmittelbarkeit Treue nur durchs Vermittelte hindurch, während er dessen Beute wird, sobald er unvermittelt das Unvermittelte ergreift. Listig macht der Essay sich fest in die Texte, als wären sie schlechterdings da und hätten Autorität. So bekommt er, ohne den Trug des Ersten, einen wie immer auch dubiosen Boden unter die Füße, vergleichbar der einstigen theologischen Exegese von Schriften. Die Tendenz jedoch ist die entgegengesetzte, die kritische: durch Konfrontation der Texte mit ihrem eigenen emphatischen Begriff, mit der Wahrheit, die ein jeder meint, auch wenn er sie nicht meinen will, den Anspruch von Kultur zu erschüttern und sie zum Eingedenken ihrer Unwahrheit zu bewegen, eben jenes ideologischen Scheins, in dem Kultur als naturverfallen sich offenbart. Unterm Blick des Essays wird die zweite Natur ihrer selbst inne als erste.

Bewegt sich die Wahrheit des Essays durch seine Unwahrheit, so ist sie nicht im bloßen Gegensatz zu seinem Unehrlichen und Verfemten aufzusuchen sondern in diesem selber, seiner Mobilität, seinem Mangel an jenem Soliden, dessen Forderung die Wissenschaft von Eigentumsverhältnissen auf den Geist transferierte. Die den Geist glauben gegen Unsolidität verteidigen zu müssen, sind seine Feinde: Geist selber, einmal emanzipiert, ist mobil. Sobald er mehr will als bloß die administrative Wiederholung und Aufbereitung des je schon Seienden, hat er etwas Ungedecktes; die vom Spiel verlassene Wahrheit wäre nur noch Tautologie. Historisch ist denn auch der Essay der Rhetorik verwandt, welcher die wissenschaftliche Gesinnung seit Descartes und Bacon den Garaus machen wollte, bis sie folgerecht im wissenschaftlichen Zeitalter zur Wissenschaft sui generis, der von den Kommunikationen, herabsank. Wohl war Rhetorik stets schon der Gedanke in seiner Anpassung an die kommunikative Sprache. Er zielte auf die unmittelbare: die Ersatzbefriedigung der Hörer. Der Essay nun bewahrt gerade in der Autonomie der Darstellung, durch die er von wissenschaftlicher Mitteilung sich unterscheidet, Spuren des Kommunikativen, deren jene enträt. Die Befriedigungen, welche Rhetorik dem Hörer bereiten will, werden im Essay sublimiert zur Idee des Glücks einer Freiheit dem Gegenstand gegenüber, welche diesem mehr von dem seinen gibt, als wenn er unbarmherzig der Ordnung der Ideen eingegliedert würde. Das szientifische Bewußtsein, gerichtet gegen jegliche anthropomorphistische Vorstellung, war von je mit dem Realitätsprinzip verbündet und glücksfeindlich gleich diesem. Während Glück der Zweck aller Naturbeherrschung sein soll, stellt es dieser zugleich immer als Regression in bloße Natur sich dar. Das zeigt sich bis in die höchsten Philosophien, bis in Kant und Hegel hinein. Die Vernunft, an deren absoluter Idee sie ihr Pathos haben, wird zugleich von ihnen als naseweis und respektlos angeschwärzt, sobald sie Geltendes relativiert. Gegen diesen Hang errettet der Essay ein Moment der Sophistik. Spürbar ist die Glücksfeindschaft des offiziell kritischen Gedankens zumal in Kants transzendentaler Dialektik, welche die Grenze zwischen Verstand und Spekulation verewigen möchte und, nach der charakteristischen Metapher, das »Ausschweifen in intelligible Welten« verhindern. Während die Vernunft, die sich selbst kritisiert, bei Kant mit beiden Füßen fest auf dem Boden stehen, sich selbst begründen soll, dichtet sie sich dem innersten Prinzip nach ab gegen jegliches Neue und gegen die auch von der Existentialontologie beschimpfte Neugier, das Lustprinzip des Gedankens. Was Kant inhaltlich als den Zweck der Vernunft einsieht, die Herstellung der Menschheit, die Utopie, wird von der Form, der Erkenntnistheorie her verwehrt, welche der Vernunft es nicht gestattet, über den Bereich der Erfahrung hinauszugehen, der im Mechanismus von bloßem Material und unveränderlicher Kategorie zu dem zusammenschrumpft, was von je schon war. Gegenstand des Essays jedoch ist das Neue als Neues, nicht ins Alte der bestehenden Formen Zurückübersetzbares. Indem er den Gegenstand gleichsam gewaltlos reflektiert, klagt er stumm darüber, daß die Wahrheit das Glück verriet und mit ihm auch sich selbst; und diese Klage reizt zur Wut auf den Essay. Das Überredende der Kommunikation wird an ihm, analog dem Funktionswechsel mancher Züge in der autonomen Musik, seinem ursprünglichen Zweck entfremdet und zur reinen Bestimmung der Darstellung an sich, dem Bezwingenden ihrer Konstruktion, die nicht die Sache abbilden sondern aus ihren begrifflichen membra disiecta wiederherstellen möchte. Die anstößigen Übergänge der Rhetorik aber, in denen Assoziation, Mehrdeutigkeit der Worte, Nachlassen der logischen Synthesis es dem Hörer leicht machten und den Geschwächten dem Willen des Redners unterjochten, werden im Essay mit dem Wahrheitsgehalt verschmolzen. Seine Übergänge desavouieren die bündige Ableitung zugunsten von Querverbindungen der Elemente, für welche die diskursive Logik keinen Raum hat. Er benutzt Äquivokationen nicht aus Schlamperei, nicht in Unkenntnis ihres szientifischen Verbots, sondern um heimzubringen, wozu die Äquivokationskritik, die bloße Trennung der Bedeutungen selten gelangt: daß überall, wo ein Wort Verschiedenes deckt, das Verschiedene nicht ganz verschieden sei, sondern daß die Einheit des Worts an eine wie sehr auch verborgene in der Sache mahnt, ohne daß freilich diese, nach dem Brauch gegenwärtiger restaurativer Philosophien, mit Sprachverwandtschaften verwechselt werden dürfte. Auch darin streift der Essay die musikalische Logik, die stringente und doch begriffslose Kunst des Übergangs, um der redenden Sprache etwas zuzueignen, was sie unter der Herrschaft der diskursiven Logik einbüßte, die sich doch nicht überspringen, bloß in ihren eigenen Formen überlisten läßt kraft des eindringenden subjektiven Ausdrucks. Denn der Essay befindet sich nicht im einfachen Gegensatz zum diskursiven Verfahren. Er ist nicht unlogisch; gehorcht selber logischen Kriterien insofern, als die Gesamtheit seiner Sätze sich stimmig zusammenfügen muß. Keine bloßen Widersprüche dürfen stehenbleiben, es sei denn, sie würden als solche der Sache begründet. Nur entwickelt er die Gedanken anders als nach der diskursiven Logik. Weder leitet er aus einem Prinzip ab noch folgert er aus kohärenten Einzelbeobachtungen. Er koordiniert die Elemente, anstatt sie zu subordinieren; und erst der Inbegriff seines Gehalts, nicht die Art von dessen Darstellung ist den logischen Kriterien kommensurabel. Ist der Essay, im Vergleich zu den Formen, in denen ein fertiger Inhalt indifferent mitgeteilt wird, vermöge der Spannung zwischen Darstellung und Dargestelltem, dynamischer als das traditionelle Denken, so ist er zugleich, als konstruiertes Nebeneinander, statischer. Darin allein beruht seine Affinität zum Bild, nur daß jene Statik selber eine von gewissermaßen stillgestellten Spannungsverhältnissen ist. Die leise Nachgiebigkeit der Gedankenführung des Essayisten zwingt ihn zu größerer Intensität als der des diskursiven Gedankens, weil der Essay nicht gleich diesem blind, automatisiert verfährt, sondern in jedem Augenblick auf sich selber reflektieren muß. Diese Reflexion freilich erstreckt sich nicht nur auf sein Verhältnis zum etablierten Denken sondern ebenso auch auf das zu Rhetorik und Kommunikation. Sonst wird, was überwissenschaftlich sich dünkt, eitel vorwissenschaftlich.

Die Aktualität des Essays ist die des Anachronistischen. Die Stunde ist ihm ungünstiger als je. Er wird zerrieben zwischen einer organisierten Wissenschaft, in der alle sich anmaßen, alle und alles zu kontrollieren, und die, was nicht auf den Consens zugeschnitten ist, mit dem scheinheiligen Lob des Intuitiven oder Anregenden aussperrt; und einer Philosophie, die mit dem leeren und abstrakten Rest dessen vorlieb nimmt, was der Wissenschaftsbetrieb noch nicht besetzte und was ihr eben dadurch Objekt von Betriebsamkeit zweiten Grades wird. Der Essay jedoch hat es mit dem Blinden an seinen Gegenständen zu tun. Er möchte mit Begriffen aufsprengen, was in Begriffe nicht eingeht oder was durch die Widersprüche, in welche diese sich verwickeln, verrät, das Netz ihrer Objektivität sei bloß subjektive Veranstaltung. Er möchte das Opake polarisieren, die darin latenten Kräfte entbinden. Er bemüht sich um die Konkretion des in Raum und Zeit bestimmten Gehalts; konstruiert das Zusammengewachsensein der Begriffe derart, wie sie als im Gegenstand selbst zusammengewachsen vorgestellt werden. Er entschlüpft dem Diktat der Attribute, welche seit der Definition des Symposions den Ideen zugeschrieben werden, »ewig seiend und weder werdend noch vergehend, weder wechselnd noch abnehmend«; »ein um sich selbst für sich selbst ewig eingestaltiges Sein«; und bleibt doch Idee, indem er vor der Last des Seienden nicht kapituliert, nicht dem sich beugt, was bloß ist. Aber er mißt es nicht an einem Ewigen, sondern eher an einem enthusiastischen Fragment aus Nietzsches Spätzeit: »Gesetzt, wir sagen Ja zu einem einzigen Augenblick, so haben wir damit nicht nur zu uns selbst, sondern zu allem Dasein Ja gesagt. Denn es steht Nichts für sich, weder in uns selbst noch in den Dingen: und wenn nur ein einziges Mal unsere Seele wie eine Saite vor Glück gezittert und getönt hat, so waren alle Ewigkeiten nöthig, um dies eine Geschehen zu bedingen – und alle Ewigkeit war in diesem einzigen Augenblick unseres Jasagens gutgeheißen, erlöst, gerechtfertigt und bejaht.«8 Nur daß der Essay noch solcher Rechtfertigung und Bejahung mißtraut. Für das Glück, das Nietzsche heilig war, weiß er keinen anderen Namen als den negativen. Selbst die höchsten Manifestationen des Geistes, die es ausdrücken, sind immer auch verstrickt in die Schuld, es zu hintertreiben, solange sie bloßer Geist bleiben. Darum ist das innerste Formgesetz des Essays die Ketzerei. An der Sache wird durch Verstoß gegen die Orthodoxie des Gedankens sichtbar, was unsichtbar zu halten insgeheim deren objektiven Zweck ausmacht.

 
Fußnoten

 

1 Georg von Lukács, Die Seele und die Formen, Berlin 1911, S. 29.

 

2 Vgl. Lukács, a.a.O., S. 23: »Der Essay spricht immer von etwas bereits Geformtem, oder bestenfalls von etwas schon einmal Dagewesenem, es gehört also zu seinem Wesen, daß er nicht neue Dinge aus einem leeren Nichts heraushebt, sondern bloß solche, die schon irgendwann lebendig waren, aufs neue ordnet. Und weil er sie nur aufs neue ordnet, nicht aus dem Formlosen etwas Neues formt, ist er auch an sie gebunden, muß er immer ›die Wahrheit‹ über sie aussprechen. Ausdruck für ihr Wesen finden.«

 

3 Vgl. Lukács, a.a.O., S. 5 und passim.

 

4 Lukács, a.a.O., S. 21.

 

5 Descartes, Philosophische Werke, ed. Buchenau, Leipzig 1922, Bd. 1, S. 15.

 

6 Max Bense, Über den Essay und seine Prosa, in: Merkur 1 (1947), S. 418.

 

7 Bense, a.a.O., S. 420.

 

8 Friedrich Nietzsche, Werke, Bd. 10, Leipzig 1906, S. 206 (Der Wille zur Macht II, § 1032).

Über epische Naivetät

 

»Und wie erfreulich das Land herschwimmenden Männern erscheinet, / Welchen Poseidons Macht das rüstige Schiff in der Meerflut / Schmetterte, durch die Gewalt des Orkans und geschwollener Brandung; / ... Freudig anjetzt ersteigen sie Land, dem Verderben entronnen, / So war ihr auch erfreulich der Anblick ihres Gemahls, / Und fest hielt um den Hals sie die Lilienarme geschlungen.«1 Mißt man die Odyssee an diesen Versen, dem Gleichnis für das Glück der wieder vereinten Gatten, nicht als an einer bloß eingeschobenen Metapher sondern als an dem gegen Ende der Erzählung nackt erscheinenden Gehalt, so wäre sie nichts anderes als der Versuch, dem stets erneuten Anschlagen des Meeres auf die Felsenküste nachzuhorchen, geduldig nachzuzeichnen, wie das Wasser die Klippen überflutet, um rauschend von ihnen zurückzuströmen und in tieferer Farbe das Feste leuchten zu lassen. Solches Rauschen ist der Laut der epischen Rede, in dem das Eindeutige und Feste mit dem Vieldeutigen und Verfließenden zusammentrifft, um davon gerade sich zu scheiden. Die gestaltlose Flut des Mythos ist das Immergleiche, das Telos der Erzählung jedoch das Verschiedene, und die mitleidslos strenge Identität, in der der epische Gegenstand festgehalten wird, dient gerade dazu, dessen Nichtidentität mit dem schlecht Identischen, dem unartikulierten Einerlei, seine Verschiedenheit selber, zu vollziehen. Die Epopöe will berichten von etwas Berichtenswertem, von einem, das nicht allem andern gleicht, nicht vertauschbar ist und um seines Namens willen verdient, überliefert zu werden.

Weil jedoch der Erzähler der Welt des Mythos als seinem Stoff zugewandt ist, war sein Beginnen, heute mit Unmöglichkeit geschlagen, stets schon widerspruchsvoll. Denn der Mythos, dem die rationale und kommunikative Rede des Erzählers samt ihrer subsumierenden Logik, welche alles Berichtete gleichmacht, als dem Konkreten nachhängt, dem, was von der nivellierenden Ordnung des Begriffssystems noch verschieden wäre – solcher Mythos ist gerade selber doch von der Wesensart der Immergleichheit, die in der ratio zum Bewußtsein ihrer selbst erwachte. Der Erzähler war von jeher der, welcher der universalen Fungibilität widersteht, aber was er in der Geschichte bis auf den heutigen Tag zu berichten hat, war immer schon das Fungible. Aller Epik wohnt daher ein anachronistisches Element inne: dem homerischen Archaismus jener Anrufung der Muse, die helfen soll, das Ungeheure zu vermelden, ebenso wie den verzweifelten. Anstrengungen des späten Goethe und Stifters, bürgerliche Verhältnisse als urtümliche, dem unaustauschbaren Wort gleichwie einem Namen offene Wirklichkeit zu fingieren. Dieser Widerspruch aber hat sich, seit es große Epik gibt, in der Verhaltensweise des Erzählers niedergeschlagen als das Element epischer Dichtung, das man als Gegenständlichkeit hervorzuheben pflegt. Gegenüber dem aufgeklärten Bewußtseinsstand, dem die erzählende Rede angehört, dem allgemeinbegrifflichen Wesen, erscheint dies gegenständliche Element stets als eines von Dummheit, ein Nichtverstehen, Nichtbescheidwissen, verstockt ans Besondere dort sich Halten, wo es zugleich schon als vom Allgemeinen Aufgelöstes bestimmt ist. Das Epos ahmt den Bann des Mythos nach, um ihn zu erweichen. K. Th. Preuss hat jene Verhaltensweise »Urdummheit« genannt, und Gilbert Murray die der homerisch-olympischen Phase voraufgehende, die erste Stufe der griechischen Religion, eben dadurch charakterisiert2. In der starren Fixierung des epischen Berichts an seinen Gegenstand, welche die Macht von Furcht vor dem brechen soll, welchem das identifizierende Wort ins Auge sieht, wird der Erzähler gleichsam des Gestus von Furcht mächtig. Naivetät ist der Preis, den er dafür zollt, und ihn verbucht die herkömmliche Ansicht als Gewinn. Die traditionelle Lobpreisung solcher erst in der Dialektik der Form entsprungenen Dummheit des Erzählens hat aus ihr eine bewußtseinsfeindliche, restaurative Ideologie gemacht, deren letzter Abhub in den falsch konkreten philosophischen Anthropologien von heutzutage verschachert wird.

Aber die epische Naivetät ist nicht nur Lüge, um die allgemeine Besinnung von der blinden Anschauung des Besonderen fernzuhalten. Wie sie, als antimythologische Anstrengung, aus dem aufklärerischen, gleichsam positivistischen Bestreben hervorgeht, treu und unverstellt was einmal war so festzuhalten, wie es war, und damit den Zauber, den das Gewesene ausübt, den Mythos im eigentlichen Sinn zu sprengen, bleibt ihr in der Beschränkung aufs Einmalige ein Zug eigentümlich, der Beschränkung transzendiert. Denn das Einmalige ist nicht bloß der trotzige Rückstand gegen die umfassende Allgemeinheit des Gedankens, sondern auch dessen innerste Sehnsucht, die logische Form eines Wirklichen, das nicht mehr von der gesellschaftlichen Herrschaft und dem ihr nachgebildeten klassifizierenden Gedanken umfaßt wäre; der Begriff, der sich versöhnt mit seiner Sache. In der epischen Naivetät lebt die Kritik der bürgerlichen Vernunft. Sie hält jene Möglichkeit von Erfahrung fest, welche zerstört wird von der bürgerlichen Vernunft, die sie gerade zu begründen vorgibt. Die Beschränktheit in der Darstellung des einen Gegenstandes ist das Korrektiv der Beschränktheit, die jeglichen Gedanken ereilt, indem er den einen Gegenstand kraft dessen begrifflicher Operation vergißt, ihn überspinnt, anstatt ihn eigentlich zu erkennen. Wie es leicht ist, die homerische Einfalt, die selber schon zugleich das Gegenteil von Einfalt war, sei's zu belächeln, sei's hämisch gegen den analytischen Geist ins Feld zu führen, so wäre es leicht, die Befangenheit von Gottfried Kellers letztem Roman darzutun und der Konzeption des ›Martin Salander‹ vorzuwerfen, daß das auftrumpfende So-schlecht-sind-heute-die-Menschen kleinbürgerliche Unkenntnis der ökonomischen Gründe der Krisen, der gesellschaftlichen Voraussetzungen der Gründerjahre verrate und das Wesentliche verfehle. Aber nur solche Naivetät wiederum erlaubt es, von den unheilschwangeren Anfängen der spätkapitalistischen Ära zu erzählen und der Anamnesis sie zuzueignen, anstatt bloß von ihnen zu berichten und sie kraft des Protokolls, das von Zeit einzig noch als einem Index weiß, mit trugvoller Gegenwärtigkeit ins Nichts dessen hinabzustoßen, woran keine Erinnerung mehr sich zu heften vermag. In solcher Erinnerung an das, was eigentlich schon gar nicht mehr sich erinnern läßt, drückt dann freilich Kellers Beschreibung der beiden betrügerischen Advokaten, die Zwillingsbrüder, Duplikate, sind, soviel von der Wahrheit aus, nämlich gerade von der erinnerungsfeindlichen Fungibilität, wie erst wieder einer Theorie möglich wäre, die noch den Verlust von Erfahrung aus der Erfahrung der Gesellschaft durchsichtig bestimmte. Vermöge der epischen Naivetät übt das erzählende Wort, in dessen Habitus dem Vergangenen gegenüber immer ein Apologetisches, die Rechtfertigung der Begebenheit als einer bemerkenswerten, lebt, Korrektur an sich selber. Die Genauigkeit des beschreibenden Wortes sucht die Unwahrheit aller Rede zu kompensieren. Der Drang Homers, einen Schild wie eine Landschaft zu beschreiben und eine Metapher zur Aktion durchzubilden, bis sie, selbständig geworden, das Gewebe der Erzählung zerreißt – dieser Drang ist der gleiche, der die größten Erzähler des neunzehnten Jahrhunderts, zumindest in Deutschland, Goethe, Stifter und Keller, immer wieder dazu trieb, zu zeichnen und zu malen, anstatt zu schreiben, und die archäologischen Studien Flauberts mag der gleiche Impuls inspiriert haben. Der Versuch, die Darstellung von der reflektierenden Vernunft zu emanzipieren, ist der stets schon verzweifelte Versuch der Sprache, indem ihre bestimmende Intention bis zum äußersten getrieben wird, vom Negativen ihrer Intentionalität, der begrifflichen Manipulation der Gegenstände zu heilen und das Wirkliche rein, unverstört von der Gewalt der Ordnungen hervortreten zu lassen. Die Dummheit und Blindheit des Erzählers – nicht zufällig hat die Überlieferung Homer als Blinden aufgefaßt – drückt bereits Unmöglichkeit und Hoffnungslosigkeit solchen Beginnens aus. Gerade das gegenständliche Element des Epos, das aller Spekulation und Phantasie extrem entgegengesetzte, führt die Erzählung, um ihrer apriorischen Unmöglichkeit willen, an den Rand des Wahnsinns. Die letzten Novellen Stifters geben vom Übergang der gegenständlichen Treue in die manische Obsession die deutlichste Kunde, und keine Erzählung hat je Teil an der Wahrheit gehabt, die nicht in den Abgrund hinabgeblickt hätte, in welchen die Sprache einstürzt, die sich selbst aufheben möchte in Namen und Bild. Die homerische Besonnenheit macht davon keine Ausnahme. Wenn im letzten Gesang der Odyssee, der zweiten Nekyia, die Seele des Freiers Amphimedon der des Agamemnon im Hades von der Rache des Odysseus und seines Sohnes berichtet, kommen die. Verse vor: »Beide, da über der Freier entsetzlichen Mord sie geratschlagt, / Kamen zur prangenden Stadt der Ithaker; nämlich Odysseus / Folgete nach; ihm voraus war Telemachos früher gegangen.«3 Das »Nämlich«4 hält um des Zusammenhangs willen die logische Form sei's der Erklärung, sei's der Affirmation fest, während der Inhalt des Satzes, als rein darstellende Aussage, in einem solchen Zusammenhang mit dem Vorhergehenden gar nicht steht. In dem minimalen Widersinn der fortführenden Partikel stößt der Geist der erzählenden, logischintentionalen Sprache zusammen mit dem Geist der wortlosen Darstellung, dem jene nachhängt, und gerade die logische Form der Fortführung droht den Gedanken, der nicht fortführt, eigentlich Gedanke schon nicht mehr ist, dorthin zu verschlagen, wo Syntax und Stoff sich verlieren und der Stoff seine Übermacht bekräftigt, indem er die syntaktische Form, die ihn zu umfassen strebt, Lügen straft. Das aber ist das epische, das eigentlich antikische Element in Hölderlins Wahnsinn. In dem Gedicht ›An die Hoffnung‹ heißt es: »Im grünen Tale, dort, wo der frische Quell / Vom Berge täglich rauscht und die liebliche / Zeitlose mir am Herbsttag aufblüht, / Dort, in der Stille, du holde, will ich / Dich suchen, oder wenn in der Mitternacht / Das unsichtbare Leben im Haine wallt, / Und über mir die immerfrohen / Blumen, die blühenden Sterne glänzen.«5 Das Oder, und häufig dann Partikeln bei Trakl, gleicht jenem homerischen Nämlich. Während die Sprache, um Sprache überhaupt zu bleiben, in solchen Wendungen urteilend noch Synthesis des Zusammenhangs der Dinge zu sein beansprucht, begibt sie in den Worten, deren Verwendung gerade den Zusammenhang auflöst, sich des Urteils. Die epische Verknüpfung, in der die Führung des Gedankens schließlich erschlafft, wird zur Gnade, die in der Sprache vorm Recht des Urteils ergeht, das sie doch unweigerlich bleibt. Gedankenflucht, die Opfergestalt der Rede, ist die Flucht der Sprache aus ihrem Gefängnis. Wenn bei Homer, wie Thomson besonders hervorhebt, die Metapher gegenüber dem Bedeuteten, der Handlung, Selbständigkeit gewinnt6, so prägt darin die gleiche Feindschaft gegen die Gebundenheit der Sprache im Zusammenhang der Intentionen sich aus. Das sprachlich ausgeführte Bild vergißt an die eigene Bedeutung, um die Sprache selber ins Bild hineinzuziehen, anstatt das Bild durchsichtig zu machen auf den logischen Sinn des Zusammenhanges. In der großen Erzählung kehrt tendenziell das Verhältnis von Bild und Handlung sich um. Davon hat Goethes Technik in den ›Wahlverwandtschaften‹ und den ›Wanderjahren‹, wo bildchenhafte, intermittierende Novellen das Wesen des Dargestellten reflektieren, Zeugnis abgelegt, und Homer-Allegoresen von der Art der berühmten Schellingschen Formel von der Odyssee des Geistes7 haben das Gleiche geahnt. Nicht daß die Epen von allegorischer Absicht diktiert wären. Aber die Gewalt der geschichtlichen Tendenz in Sprache und Sachgehalt ist in ihnen so groß, daß im Lauf des Prozesses zwischen Subjektivität und Mythologie Menschen und Dinge vermöge der Blindheit, mit der das Epos ihrer Darstellung sich überläßt, in bloße Schauplätze sich verwandeln, über denen jene Tendenz sichtbar wird, gerade dort, wo der pragmatische und sprachliche Zusammenhang brüchig sich zeigt. »Es kämpfen keine Individuen, sondern Ideen miteinander«, heißt es in einem Fragment Nietzsches zu ›Homers Wettkampf‹8. Der objektive Umschlag der reinen bedeutungsfernen Darstellung in die Allegorie der Geschichte ist es, der am logischen Zerfall der epischen Sprache wie an der Ablösung der Metapher vom Gang der buchstäblichen Handlung sichtbar wird. Erst durch Sinnverlassenheit ähnelt die epische Rede dem Bilde sich an, einer Figur objektiven Sinnes, die aus der Negation von subjektiv vernünftigem Sinn aufsteigt.

 
Fußnoten

 

1 Homer, Odyssee, XXIII, 210ff. (Voß).

 

2 Vgl. G. Murray, Five Stages of Greek Religion, New York 1925, p. 16; vgl. U.v. Wilamowitz-Möllendorf, Der Glaube der Hellenen, I, S. 9.

 

3 Odyssee, XXIV, 153ff.

 

4 Schröder übersetzt: »und wahrlich Odysseus blieb zurück«. Die wörtliche Übertragung des h als einer Partikel der Bekräftigung und nicht der Explikation ändert nichts am enigmatischen Charakter der Stelle.

 

5 Friedrich Hölderlin, Gesamtausgabe des Insel-Verlags (Text nach Zinkernagel), Leipzig o.J., S. 139. – Zwischen Voß und Hölderlin bestehen literargeschichtliche Zusammenhänge.

 

6 »No, one would deny that ... true similes have been in constant use from the beginnings of human speech ... But, besides these, there are others which, as we have seen, are formally similes, but in reality are disguised identifications or transformations.« (J.A.K. Thomson, Studies in the Odyssey, Oxford 1914, p. 7.) Metaphern sind danach Spuren des historischen Prozesses.

 

7 Vgl. Schelling, Werke, Bd. 2, Leipzig 1907, S. 302 (System des transzendentalen Idealismus). Im übrigen hat Schelling später in der ›Philosophie der Kunst‹ die allegorische Auslegung Homers ausdrücklich verworfen (vgl. a.a.O., Bd. 3, S. 57).

 

8 Nietzsche, Werke, Bd. 9, S. 287.

 

 

Standort des Erzählers im zeitgenössischen Roman

Die Aufgabe, in wenige Minuten einiges über den gegenwärtigen Stand des Romans als Form zusammenzudrängen, zwingt dazu, sei's auch gewaltsam, ein Moment herauszugreifen. Das soll die Stellung des Erzählers sein. Sie wird heute bezeichnet durch eine Paradoxie; es läßt sich nicht mehr erzählen, während die Form des Romans Erzählung verlangt. Der Roman war die spezifische literarische Form des bürgerlichen Zeitalters. An seinem Beginn steht die Erfahrung von der entzauberten Welt im ›Don Quixote‹, und die künstlerische Bewältigung bloßen Daseins ist sein Element geblieben. Der Realismus war ihm immanent; selbst die dem Stoff nach phantastischen Romane haben getrachtet, ihren Inhalt so vorzutragen, daß die Suggestion des Realen davon ausging. Diese Verhaltensweise ist, in einer bis ins neunzehnte Jahrhundert zurückreichenden, heute zum Extrem beschleunigten Entwicklung fragwürdig geworden. Vom Standpunkt des Erzählers her durch den Subjektivismus, der kein unverwandelt Stoffliches mehr duldet und eben damit das epische Gebot der Gegenständlichkeit unterhöhlt. Wer heute noch, wie Stifter etwa, ins Gegenständliche sich versenkte und Wirkung zöge aus der Fülle und Plastik des demütig hingenommenen Angeschauten, wäre gezwungen zum Gestus kunstgewerblicher Imitation. Er machte der Lüge sich schuldig, der Welt mit einer Liebe sich zu überlassen, die voraussetzt, daß die Welt sinnvoll ist, und endete beim unerträglichen Kitsch vom Schlage der Heimatkunst. Nicht geringer sind die Schwierigkeiten von der Sache her. Wie der Malerei von ihren traditionellen Aufgaben vieles entzogen wurde durch die Photographie, so dem Roman durch die Reportage und die Medien der Kulturindustrie, zumal den Film. Der Roman müßte sich auf das konzentrieren, was nicht durch den Bericht abzugelten ist. Nur sind ihm im Gegensatz zur Malerei in der Emanzipation vom Gegenstand Grenzen gesetzt durch die Sprache, die ihn weithin zur Fiktion des Berichtes nötigt: konsequent hat Joyce die Rebellion des Romans gegen den Realismus mit einer gegen die diskursive Sprache verbunden.

Die Abwehr seines Versuchs als abseitig individualistischer Willkür wäre armselig. Zerfallen ist die Identität der Erfahrung, das in sich kontinuierliche und artikulierte Leben, das die Haltung des Erzählers einzig gestattet. Man braucht nur die Unmöglichkeit sich zu vergegenwärtigen, daß irgendeiner, der am Krieg teilnahm, von ihm so erzählte, wie früher einer von seinen Abenteuern erzählen mochte. Mit Recht begegnet die Erzählung, die auftritt, als wäre der Erzähler solcher Erfahrung mächtig, der Ungeduld und Skepsis beim Empfangenden. Vorstellungen wie die, daß einer sich hinsetzt und »ein gutes Buch liest«, sind archaisch. Das liegt nicht bloß an der Dekonzentration der Leser sondern am Mitgeteilten selber und seiner Form. Etwas erzählen heißt ja: etwas Besonderes zu sagen haben, und gerade das wird von der verwalteten Welt, von Standardisierung und Immergleichheit verhindert. Vor jeder inhaltlich ideologischen Aussage ist ideologisch schon der Anspruch des Erzählers, als wäre der Weltlauf wesentlich noch einer der Individuation, als reichte das Individuum mit seinen Regungen und Gefühlen ans Verhängnis noch heran, als vermöchte unmittelbar das Innere des Einzelnen noch etwas: die allverbreitete biographische Schundliteratur ist ein Zersetzungsprodukt der Romanform selber.

Von der Krisis der literarischen Gegenständlichkeit ist die Sphäre der Psychologie, in der gerade jene Produkte sich häuslich, wenngleich mit wenig Glück einrichten, nicht ausgenommen. Auch dem psychologischen Roman werden seine Gegenstände vor der Nase weggeschnappt: mit Recht hat man bemerkt, daß zu einer Zeit, da Journalisten ohne Unterlaß an den psychologischen Errungenschaften Dostojewskys sich berauschten, die Wissenschaft, zumal die Psychoanalyse Freuds, längst jene Funde des Romanciers hinter sich gelassen hatte. Übrigens hat man wohl mit solchem phrasenhaften Lob Dostojewsky verfehlt: soweit es bei ihm überhaupt Psychologie gibt, ist es eine des intelligiblen Charakters, des Wesens, und nicht des empirischen, der Menschen, so wie sie herumlaufen. Und gerade darin ist er fortgeschritten. Nicht nur, daß alles Positive, Greifbare, auch die Faktizität des Inwendigen von Informationen und Wissenschaft beschlagnahmt ist, nötigt den Roman, damit zu brechen und der Darstellung des Wesens oder Unwesens sich zu überantworten, sondern auch, daß, je dichter und lückenloser die Oberfläche des gesellschaftlichen Lebensprozesses sich fügt, um so hermetischer diese als Schleier das Wesen verhüllt. Will der Roman seinem realistischen Erbe treu bleiben und sagen, wie es wirklich ist, so muß er auf einen Realismus verzichten, der, indem er die Fassade reproduziert, nur dieser bei ihrem Täuschungsgeschäfte hilft. Die Verdinglichung aller Beziehungen zwischen den Individuen, die ihre menschlichen Eigenschaften in Schmieröl für den glatten Ablauf der Maschinerie verwandelt, die universale Entfremdung und Selbstentfremdung, fordert beim Wort gerufen zu werden, und dazu ist der Roman qualifiziert wie wenig andere Kunstformen. Von jeher, sicherlich seit dem achtzehnten Jahrhundert, seit Fieldings ›Tom Jones‹, hatte er seinen wahren Gegenstand am Konflikt zwischen den lebendigen Menschen und den versteinerten Verhältnissen. Entfremdung selber wird ihm dabei zum ästhetischen Mittel. Denn je fremder die Menschen, die Einzelnen und die Kollektive, einander geworden sind, desto rätselhafter werden sie einander zugleich, und der Versuch, das Rätsel des äußeren Lebens zu dechiffrieren, der eigentliche Impuls des Romans, geht über in die Bemühung ums Wesen, das gerade in der von Konventionen gesetzten, vertrauten Fremdheit nun seinerseits bestürzend, doppelt fremd erscheint. Das antirealistische Moment des neuen Romans, seine metaphysische Dimension, wird selber gezeitigt von seinem realen Gegenstand, einer Gesellschaft, in der die Menschen voneinander und von sich selber gerissen sind. In der ästhetischen Transzendenz reflektiert sich die Entzauberung der Welt.

All das hat kaum seinen Platz in der bewußten Erwägung des Romanciers, und Grund ist zur Annahme, daß, wo es in jene eindringt, wie etwa in den sehr groß intendierten Romanen Hermann Brochs, es dem Gestalteten nicht zum besten anschlägt. Vielmehr setzen sich die geschichtlichen Veränderungen der Form um in idiosynkratische Empfindlichkeiten der Autoren, und es entscheidet wesentlich über ihren Rang, wie weit sie als Meßinstrumente des Geforderten und Verwehrten fungieren. An Empfindlichkeit gegen die Form des Berichts hat keiner Marcel Proust übertroffen. Sein Werk gehört in die Tradition des realistischen und psychologischen Romans, auf der Linie von dessen subjektivistisch extremer Auflösung, wie sie, ohne alle historische Kontinuität mit dem Franzosen, über Gebilde wie Jacobsens ›Niels Lyhne‹ und Rilkes ›Malte Laurids Brigge‹ führt. Je strenger es mit dem Realismus des Auswendigen, der Geste »so war es« gehalten wird, um so mehr wird jedes Wort zum bloßen Als ob, um so mehr wächst der Widerspruch zwischen seinem Anspruch an und dem, daß es nicht so war. Eben jener immanente Anspruch, den der Autor unabdingbar erhebt: daß er genau wisse, wie es zugegangen sei, will ausgewiesen werden, und die ins Schimärische getriebene Präzision Prousts, die mikrologische Technik, unter der schließlich die Einheit des Lebendigen nach Atomen sich spaltet, ist eine einzige Anstrengung des ästhetischen Sensoriums, diesen Ausweis zu leisten, ohne den Bannkreis der Form zu überschreiten. Mit dem Bericht von einem Unwirklichen einzusetzen etwa, als wäre es wirklich gewesen, hätte er nicht über sich gebracht. Daher beginnt sein zyklisches Werk mit der Erinnerung daran, wie ein Kind einschläft, und das ganze erste Buch ist nichts als eine Entfaltung der Schwierigkeiten beim Einschlafen, wenn dem Knaben seine schöne Mutter nicht den Gute-Nacht-Kuß gegeben hat. Der Erzähler stiftet gleichsam einen Innenraum, der ihm den Fehltritt in die fremde Welt erspart, wie er zutage käme an der Falschheit des Tons, der mit jener vertraut tut. Unmerklich wird die Welt in diesen Innenraum – man hat der Technik den Titel des monologue intérieur verliehen – hineingezogen, und was immer an Äußerem sich abspielt, kommt so vor, wie es auf der ersten Seite vom Augenblick des Einschlafens gesagt wird: als ein Stück Innen, ein Moment des Bewußtseinsstroms, behütet vor der Widerlegung durch die objektive raumzeitliche Ordnung, zu deren Suspension das Proustsche Werk aufgeboten ist. Aus ganz anderen Voraussetzungen und in ganz anderem Geist hat der Roman des deutschen Expressionismus, etwa Gustav Sacks ›Verbummelter Student‹ Verwandtes visiert. Das epische Bestreben, nichts Gegenständliches darzustellen, als was sich ganz und gar füllen läßt, hebt schließlich die epische Grundkategorie der Gegenständlichkeit auf.

Der traditionelle Roman, dessen Idee vielleicht am authentischsten in Flaubert sich verkörpert, ist der Guckkastenbühne des bürgerlichen Theaters zu vergleichen. Diese Technik war eine der Illusion. Der Erzähler lüftet einen Vorhang: der Leser soll Geschehenes mitvollziehen, als wäre er leibhaft zugegen. Die Subjektivität des Erzählers bewährt sich in der Kraft, diese Illusion herzustellen, und – bei Flaubert – in der Reinheit der Sprache, die sie zugleich durch Vergeistigung doch dem empirischen Bereich enthebt, dem sie sich verschreibt. Ein schweres Tabu liegt über der Reflexion: sie wird zur Kardinalsünde gegen die sachliche Reinheit. Mit dem illusionären Charakter des Dargestellten verliert heute auch dies Tabu seine Kraft. Oft ist hervorgehoben worden, daß im neuen Roman, nicht nur bei Proust, sondern ebenso beim Gide der ›Faux-Monnayeurs‹, beim späteren Thomas Mann, in Musils ›Mann ohne Eigenschaften‹ die Reflexion die reine Formimmanenz durchbricht. Aber solche Reflexion hat kaum mehr als den Namen mit der vor-Flaubertschen gemein. Diese war moralisch: Parteinahme für oder gegen Romanfiguren. Die neue ist Parteinahme gegen die Lüge der Darstellung, eigentlich gegen den Erzähler selbst, der als überwacher Kommentator der Vorgänge seinen unvermeidlichen Ansatz zu berichtigen trachtet. Die Verletzung der Form liegt in deren eigenem Sinn. Heute erst läßt Thomas Manns Medium, die enigmatische, auf keinen inhaltlichen Spott reduzierbare Ironie, sich ganz verstehen aus ihrer formbildenden Funktion: der Autor schüttelt mit dem ironischen Gestus, der den eigenen Vortrag zurücknimmt, den Anspruch ab, Wirkliches zu schaffen, dem doch keines selbst seiner Worte entrinnen kann; am sinnfälligsten vielleicht in der Spätphase, im ›Erwählten‹ und in der ›Betrogenen‹, wo der Dichter, spielend mit einem romantischen Motiv, durch den Habitus der Sprache den Guckkastencharakter der Erzählung, die Unwirklichkeit der Illusion einbekennt, und eben damit, nach seinem Wort, dem Kunstwerk jenen Charakter des höheren Jux zurückgibt, den es besaß, ehe es mit der Naivetät der Unnaivetät den Schein allzu ungebrochen als Wahres präsentierte.

Wenn vollends bei Proust der Kommentar derart mit der Handlung verflochten ist, daß die Unterscheidung zwischen beiden schwindet, so greift damit der Erzähler einen Grundbestand im Verhältnis zum Leser an: die ästhetische Distanz. Diese war im traditionellen Roman unverrückbar. Jetzt variiert sie wie Kameraeinstellungen des Films: bald wird der Leser draußen gelassen, bald durch den Kommentar auf die Bühne, hinter die Kulissen, in den Maschinenraum geleitet. Zu den Extremen, an denen mehr über den gegenwärtigen Roman sich lernen läßt als an irgendeinem sogenannten »typischen« mittleren Sachverhalt rechnet das Verfahren Kafkas, die Distanz vollends einzuziehen. Durch Schocks zerschlägt er dem Leser die kontemplative Geborgenheit vorm Gelesenen. Seine Romane, wenn anders sie unter den Begriff überhaupt noch fallen, sind die vorwegnehmende Antwort auf eine Verfassung der Welt, in der die kontemplative Haltung zum blutigen Hohn ward, weil die permanente Drohung der Katastrophe keinem Menschen mehr das unbeteiligte Zuschauen und nicht einmal dessen ästhetisches Nachbild mehr erlaubt. Auch von den minderen Erzählern, die schon kein Wort mehr zu schreiben wagen, das nicht als Tatsachenbericht um Entschuldigung dafür bittet, daß es geboren ist, wird die Distanz eingezogen. Kündigt bei ihnen die Schwäche eines Bewußtseinsstandes sich an, der zu kurzatmig ist, um seine ästhetische Darstellung zu dulden, und der kaum mehr Menschen hervorbringt, die solcher Darstellung fähig wären, so ist in der fortgeschrittensten Produktion, der solche Schwäche nicht fremd bleibt, die Einziehung der Distanz Gebot der Form selber, eines der wirksamsten Mittel, den vordergründigen Zusammenhang zu durchschlagen und das Darunterliegende, die Negativität des Positiven auszudrücken. Nicht daß notwendig wie bei Kafka die Schilderung von Imaginärem die von Realem ablöste. Er eignet sich schlecht zum Muster. Aber die Differenz zwischen Realem und imago wird grundsätzlich kassiert. Es ist den großen Romanciers der Epoche gemeinsam, daß die alte Romanforderung des »So ist es«, bis zu Ende gedacht, eine Flucht geschichtlicher Urbilder auslöst, in Prousts unwillkürlicher Erinnerung wie in den Parabeln Kafkas und in den epischen Kryptogrammen von Joyce. Das dichterische Subjekt, das von den Konventionen gegenständlicher Darstellung sich lossagt, bekennt zugleich die eigene Ohnmacht, die Übermacht der Dingwelt ein, die inmitten des Monologs wiederkehrt. So bereitet sich eine zweite Sprache, vielfach aus dem Abhub der ersten destilliert, eine zerfallene assoziative Dingsprache, wie sie den Monolog nicht bloß des Romanciers, sondern der ungezählten der ersten Sprache Entfremdeten durchwächst, welche die Masse ausmachen. Wenn Lukács in seiner ›Theorie des Romans‹ vor vierzig Jahren die Frage aufwarf, ob die Romane Dostojewskys Bausteine zukünftiger Epen, wo nicht selber bereits solche Epen seien, dann gleichen in der Tat die heutigen Romane, die zählen, jene, in denen die entfesselte Subjektivität aus der eigenen Schwerkraft in ihr Gegenteil übergeht, negativen Epopöen. Sie sind Zeugnisse eines Zustands, in dem das Individuum sich selbst liquidiert und der sich begegnet mit dem vorindividuellen, wie er einmal die sinnerfüllte Welt zu verbürgen schien. Mit aller gegenwärtigen Kunst teilen diese Epopöen die Zweideutigkeit, daß es nicht bei ihnen steht, etwas darüber auszumachen, ob die geschichtliche Tendenz, die sie registrieren, Rückfall in die Barbarei ist oder doch auf die Verwirklichung der Menschheit abzielt, und manche fühlen sich im Barbarischen allzu behaglich. Kein modernes Kunstwerk, das etwas taugte und nicht an der Dissonanz und dem Losgelassenen auch seine Lust hätte. Aber indem solche Kunstwerke gerade das Grauen ohne Kompromiß verkörpern und alles Glück der Betrachtung in die Reinheit solchen Ausdrucks werfen, dienen sie der Freiheit, die von der mittleren Produktion nur verraten wird, weil sie nicht zeugt von dem, was dem Individuum der liberalen Ära widerfuhr. Ihre Produkte sind über der Kontroverse zwischen engagierter Kunst und l'art pour l'art, über der Alternative zwischen der Banausie der Tendenzkunst und der Banausie der genießerischen. Karl Kraus hat einmal den Gedanken formuliert, was immer aus seinen Werken moralisch als leibhafte, nichtästhetische Wirklichkeit spreche, sei ihm lediglich unterm Gesetz der Sprache, also im Namen von l'art pour l'art zuteil geworden. Die Einziehung der ästhetischen Distanz im Roman heute, und damit dessen Kapitulation vor der übermächtigen und nur noch real zu verändernden, nicht im Bilde zu verklärenden Wirklichkeit, wird erheischt von dem, wohin die Form von sich aus möchte.

 

Rede über Lyrik und Gesellschaft

 

Bei der Ankündigung eines Vortrags über Lyrik und Gesellschaft wird viele von Ihnen Unbehagen ergreifen. Sie werden eine soziologische Betrachtung erwarten, wie sie nach Belieben an jeden Gegenstand sich heften kann, so wie man vor fünfzig Jahren Psychologien, vor dreißig Phänomenologien aller erdenklichen Dinge erfand. Sie werden dabei das Mißtrauen hegen, daß die Erörterung der Bedingungen, unter denen Gebilde entstanden, und die ihrer Wirkung, sich vorwitzig an Stelle der Erfahrung von den Gebilden wie sie sind setzen will; daß Zuordnungen und Relationen die Einsicht in Wahrheit oder Unwahrheit des Gegenstandes selber verdrängen. Sie werden argwöhnen, daß ein Intellektueller dessen schuldig werde, was Hegel dem »formellen Verstand« vorwarf, daß er nämlich, indem er das Ganze übersieht, über dem einzelnen Dasein steht, von dem er spricht, das heißt, es gar nicht sieht, sondern es etikettiert. Das Peinliche eines solchen Verfahrens wird Ihnen an der Lyrik besonders fühlbar. Das Zarteste, Zerbrechlichste soll angetastet, mit eben dem Getriebe zusammengebracht werden, von dem unberührt sich zu halten im Ideal zumindest des traditionellen Sinnes von Lyrik liegt. Eine Sphäre des Ausdrucks, die ihr Wesen geradezu daran hat, die Macht der Vergesellschaftung sei's nicht anzuerkennen, sei's, wie bei Baudelaire oder Nietzsche, durchs Pathos der Distanz zu überwinden, soll arrogant durch die Art ihrer Betrachtung zum Gegenteil dessen gemacht werden, als was sie sich selber weiß. Kann, so werden Sie fragen, von Lyrik und Gesellschaft ein anderer reden als ein amusischer Mensch?

Offenbar ist dem Verdacht nur dann zu begegnen, wenn lyrische Gebilde nicht als Demonstrationsobjekte soziologischer Thesen mißbraucht werden, sondern wenn ihre Beziehung auf Gesellschaftliches an ihnen selber etwas Wesentliches, etwas vom Grund ihrer Qualität aufdeckt. Sie soll nicht wegführen vom Kunstwerk, sondern tiefer in es hinein. Daß das aber zu erwarten sei, darauf allerdings führt die einfachste Besinnung. Denn der Gehalt eines Gedichts ist nicht bloß der Ausdruck individueller Regungen und Erfahrungen. Sondern diese werden überhaupt erst dann künstlerisch, wenn sie, gerade vermöge der Spezifikation ihres ästhetischen Geformtseins, Anteil am Allgemeinen gewinnen. Nicht, daß was das lyrische Gedicht ausdrückt, unmittelbar das sein müßte, was alle erleben. Seine Allgemeinheit ist keine volonté de tous, keine der bloßen Kommunikation dessen, was die anderen nur eben nicht kommunizieren können. Sondern die Versenkung ins Individuierte erhebt das lyrische Gedicht dadurch zum Allgemeinen, daß es Unentstelltes, Unerfaßtes, noch nicht Subsumiertes in die Erscheinung setzt und so geistig etwas vorwegnimmt von einem Zustand, in dem kein schlecht Allgemeines, nämlich zutiefst Partikulares mehr das andere, Menschliche fesselte. Von rückhaltloser Individuation erhofft sich das lyrische Gebilde das Allgemeine. Ihr eigentümliches Risiko aber hat Lyrik daran, daß ihr Individuationsprinzip nie die Erzeugung von Verpflichtendem, Authentischem garantiert. Sie hat keine Macht darüber, ob sie nicht in der Zufälligkeit der bloßen abgespaltenen Existenz verharrt.

Jene Allgemeinheit des lyrischen Gehalts jedoch ist wesentlich gesellschaftlich. Nur der versteht, was das Gedicht sagt, wer in dessen Einsamkeit der Menschheit Stimme vernimmt; ja, noch die Einsamkeit des lyrischen Wortes selber ist von der individualistischen und schließlich atomistischen Gesellschaft vorgezeichnet, so wie umgekehrt seine allgemeine Verbindlichkeit von der Dichte seiner Individuation lebt. Daher aber ist das Denken des Kunstwerks berechtigt und verpflichtet, dem gesellschaftlichen Gehalt konkret nachzufragen, nicht bei dem vagen Gefühl eines Allgemeinen und Umfangenden sich zu beruhigen. Solche denkende Bestimmung ist keine kunstfremde und äußerliche Reflexion, sondern wird von jedem sprachlichen Gebilde gefordert. Sein eigenes Material, die Begriffe, erschöpfen sich nicht in der bloßen Anschauung. Um ästhetisch angeschaut werden zu können, wollen sie immer auch gedacht werden, und der Gedanke, einmal vom Gedicht ins Spiel gesetzt, läßt sich nicht auf dessen Geheiß sistieren.

Dieser Gedanke aber, die gesellschaftliche Deutung von Lyrik, wie übrigens von allen Kunstwerken, darf danach nicht unvermittelt auf den sogenannten gesellschaftlichen Standort oder die gesellschaftliche Interessenlage der Werke oder gar ihrer Autoren zielen. Vielmehr hat sie auszumachen, wie das Ganze einer Gesellschaft, als einer in sich widerspruchsvollen Einheit, im Kunstwerk erscheint; worin das Kunstwerk ihr zu Willen bleibt, worin es über sie hinausgeht. Das Verfahren muß, nach der Sprache der Philosophie, immanent sein. Gesellschaftliche Begriffe sollen nicht von außen an die Gebilde herangetragen, sondern geschöpft werden aus der genauen Anschauung von diesen selbst. Der Satz aus Goethes ›Maximen und Reflexionen‹, daß du, was du nicht verstehst, auch nicht besitzest, gilt nicht nur für das ästhetische Verhältnis zu Kunstwerken sondern ebenso für die ästhetische Theorie: nichts, was nicht in den Werken, ihrer eigenen Gestalt ist, legitimiert die Entscheidung darüber, was ihr Gehalt, das Gedichtete selber, gesellschaftlich vorstellt. Das zu bestimmen verlangt freilich Wissen wie vom Inneren der Kunstwerke so auch von der Gesellschaft draußen. Aber verbindlich ist dies Wissen nur, wenn es in dem rein der Sache sich Überlassen sich wiederentdeckt. Wachsamkeit ist geboten zumal dem heute ins Unerträgliche ausgewalzten Ideologiebegriff gegenüber. Denn Ideologie ist Unwahrheit, falsches Bewußtsein, Lüge. Sie offenbart sich im Mißlingen der Kunstwerke, ihrem Falschen in sich und wird getroffen von Kritik. Großen Kunstwerken aber, die an Gestaltung und allein dadurch an tendenzieller Versöhnung tragender Widersprüche des realen Daseins ihr Wesen haben, nachzusagen, sie seien Ideologie, tut nicht bloß ihrem eigenen Wahrheitsgehalt unrecht, sondern verfälscht auch den Ideologiebegriff. Dieser behauptet nicht, aller Geist tauge nur dazu, daß irgendwelche Menschen irgendwelche partikularen Interessen als allgemeine unterschieben, sondern will den bestimmten falschen Geist entlarven und ihn zugleich in seiner Notwendigkeit begreifen. Kunstwerke jedoch haben ihre Größe einzig daran, daß sie sprechen lassen, was die Ideologie verbirgt. Ihr Gelingen selber geht, mögen sie es wollen oder nicht, übers falsche Bewußtsein hinaus.

Lassen Sie mich an Ihr eigenes Mißtrauen anknüpfen. Sie empfinden die Lyrik als ein der Gesellschaft Entgegengesetztes, durchaus Individuelles. Ihr Affekt hält daran fest, daß es so bleiben soll, daß der lyrische Ausdruck, gegenständlicher Schwere entronnen, das Bild eines Lebens beschwöre, das frei sei vom Zwang der herrschenden Praxis, der Nützlichkeit, vom Druck der sturen Selbsterhaltung. Diese Forderung an die Lyrik jedoch, die des jungfräulichen Wortes, ist in sich selbst gesellschaftlich. Sie impliziert den Protest gegen einen gesellschaftlichen Zustand, den jeder Einzelne als sich feindlich, fremd, kalt, bedrückend erfährt, und negativ prägt der Zustand dem Gebilde sich ein: je schwerer er lastet, desto unnachgiebiger widersteht ihm das Gebilde, indem es keinem Heteronomen sich beugt und sich gänzlich nach dem je eigenen Gesetz konstituiert. Sein Abstand vom bloßen Dasein wird zum Maß von dessen Falschem und Schlechtem. Im Protest dagegen spricht das Gedicht den Traum einer Welt aus, in der es anders wäre. Die Idiosynkrasie des lyrischen Geistes gegen die Übergewalt der Dinge ist eine Reaktionsform auf die Verdinglichung der Welt, der Herrschaft von Waren über Menschen, die seit Beginn der Neuzeit sich ausgebreitet, seit der industriellen Revolution zur herrschenden Gewalt des Lebens sich entfaltet hat. Auch Rilkes Dingkult gehört in den Bannkreis solcher Idiosynkrasie als Versuch, noch die fremden Dinge in den subjektiv-reinen Ausdruck hineinzunehmen und aufzulösen, ihre Fremdheit metaphysisch ihnen gutzuschreiben; und die ästhetische Schwäche dieses Dingkults, der geheimnistuerische Gestus, die Vermischung von Religion und Kunstgewerbe, verrät zugleich die reale Gewalt der Verdinglichung, die von keiner lyrischen Aura mehr sich vergolden, in den Sinn einholen läßt.

Man verleiht solcher Einsicht ins gesellschaftliche Wesen von Lyrik nur eine andere Wendung, wenn man sagt, ihr Begriff, so wie er uns unmittelbar, gewissermaßen zweite Natur ist, sei durchaus moderner Art. Analog hat die Landschaftsmalerei und ihre Idee von »Natur« erst in der Moderne autonom sich entwickelt. Ich weiß, daß ich damit übertreibe, daß Sie mir viele Gegenbeispiele entgegenhalten könnten. Das eindringlichste wäre Sappho. Von der chinesischen, japanischen, arabischen Lyrik rede ich nicht, da ich sie nicht im Original lesen kann und den Verdacht hege, daß sie durch die Übersetzung in einen Anpassungsmechanismus gerät, der angemessenes Verständnis überhaupt unmöglich macht. Aber die Bekundungen des uns vertrauten, im spezifischen Sinn lyrischen Geistes aus älterer Zeit leuchten nur versprengt auf, so wie zuweilen Hintergründe alter Malerei die Idee des Landschaftsbildes ahnungsvoll vorwegnehmen. Sie konstituieren nicht die Form. Die großen Dichter der früheren Vergangenheit, die nach literargeschichtlichen Begriffen der Lyrik zurechnen, Pindar etwa und Alkaios, aber auch das Werk Walthers von der Vogelweide in seinem überwiegenden Teil sind unserer primären Vorstellung von Lyrik ungemein fern. Ihnen geht jener Charakter des Unmittelbaren, Entstofflichten ab, den wir zu Recht oder Unrecht uns gewöhnt haben, als Kriterium von Lyrik anzusehen, und über den nur die angestrengte Bildung uns hinausführt.

Was wir jedoch mit Lyrik meinen, ehe wir den Begriff sei's historisch erweitern, sei's kritisch gegen die individualistische Sphäre wenden, hat, je »reiner« es sich gibt, das Moment des Bruches in sich. Das Ich, das in Lyrik laut wird, ist eines, das sich als dem Kollektiv, der Objektivität entgegengesetztes bestimmt und ausdrückt; mit der Natur, auf die sein Ausdruck sich bezieht, ist es nicht unvermittelt eins. Es hat sie gleichsam verloren und trachtet, sie durch Beseelung, durch Versenkung ins Ich selber, wiederherzustellen. Erst durch Vermenschlichung soll der Natur das Recht abermals zugebracht werden, das menschliche Naturbeherrschung ihr entzog. Selbst lyrische Gebilde, in die kein Rest des konventionellen und gegenständlichen Daseins, keine krude Stofflichkeit mehr hineinragt, die höchsten, die unsere Sprache kennt, verdanken ihre Würde gerade der Kraft, mit der in ihnen das Ich den Schein der Natur, zurücktretend von der Entfremdung, erweckt. Ihre reine Subjektivität, das, was bruchlos und harmonisch an ihnen dünkt, zeugt vom Gegenteil, vom Leiden am subjektfremden Dasein ebenso wie von der Liebe dazu – ja ihre Harmonie ist eigentlich nichts anderes als das Ineinanderstimmen solchen Leidens und solcher Liebe. Noch das »Warte nur, balde / ruhest du auch« hat die Gebärde des Trostes: seine abgründige Schönheit ist nicht zu trennen von dem, was sie verschweigt, der Vorstellung einer Welt, die den Frieden verweigert. Einzig indem der Ton des Gedichtes mit der Trauer darüber mitfühlt, hält er fest, daß doch Friede sei. Fast möchte man das in dem benachbarten Gedicht gleichen Titels stehende »Ach, ich bin des Treibens müde« als Interpretation von ›Wanderers Nachtlied‹ zu Hilfe holen. Freilich, dessen Größe rührt daher, daß es nicht vom Entfremdeten, Störenden redet, daß in ihm selber nicht die Unruhe des Objekts dem Subjekt entgegensteht: vielmehr zittert dessen eigene Unruhe nach. Verhießen wird eine zweite Unmittelbarkeit: das Menschliche, die Sprache selber scheint, als wäre sie noch einmal die Schöpfung, während alles Auswendige im Echo der Seele verklingt. Mehr als Schein aber und zur ganzen Wahrheit wird es, weil, kraft des sprachlichen Ausdrucks der guten Müdigkeit, noch über der Versöhnung der Schatten der Sehnsucht bleibt und selbst der des Todes: dem »Warte nur balde« wird mit dem rätselhaften Lächeln von Trauer das ganze Leben zum kurzen Augenblick vor dem Einschlafen. Der Ton des Friedens bezeugt, daß Frieden nicht gelang, ohne daß doch der Traum zerbräche. Keine Macht hat der Schatten über das Bild des zu sich selbst zurückgekehrten Lebens, aber er verleiht als letzte Erinnerung an dessen Entstelltsein erst dem Traum die schwere Tiefe unter dem schwerelosen Lied. Im Angesicht der ruhenden Natur, von der die Spur des Menschenähnlichen getilgt ist, wird das Subjekt der eigenen Nichtigkeit inne. Unmerklich, lautlos streift Ironie das Tröstende des Gedichts: die Sekunden vor der Seligkeit des Schlafes sind die gleichen, die das kurze Leben vom Tode trennen. Diese erhabene Ironie ist dann nach Goethe zur hämischen herabgesunken. Stets aber war sie bürgerlich: zur Erhöhung des befreiten Subjekts gehört als Schatten dessen Erniedrigung zum Austauschbaren, zum bloßen Sein für anderes hinzu; zur Persönlichkeit das »Was bist du schon?« Seine Authentizität jedoch hat das Nachtlied an seinem Augenblick: der Hintergrund jenes Zerstörenden entrückt es dem Spiel, während das Zerstörende noch keine Gewalt hat über die gewaltlose Macht des Trostes. Man pflegt zu sagen, ein vollkommenes lyrisches Gedicht müsse Totalität oder Universalität besitzen, müsse in seiner Begrenzung das Ganze, in seiner Endlichkeit das Unendliche geben. Soll das mehr sein als ein Gemeinplatz aus jener Ästhetik, die da als Allerweltsmittel den Begriff des Symbolischen zur Hand hat, dann zeigt es an, daß in jedem lyrischen Gedicht das geschichtliche Verhältnis des Subjekts zur Objektivität, des Einzelnen zur Gesellschaft im Medium des subjektiven, auf sich zurückgeworfenen Geistes seinen Niederschlag muß gefunden haben. Er wird um so vollkommener sein, je weniger das Gebilde das Verhältnis von Ich und Gesellschaft thematisch macht, je unwillkürlicher es vielmehr im Gebilde von sich aus sich kristallisiert.

Sie können mir vorwerfen, ich hätte durch diese Bestimmung, aus Angst vorm plumpen Soziologismus, das Verhältnis von Lyrik und Gesellschaft so sublimiert, daß eigentlich nichts davon übrig bleibt; gerade das nicht Gesellschaftliche am lyrischen Gedicht solle nun sein Gesellschaftliches sein. Sie könnten mich an jene Karikatur eines erzreaktionären Abgeordneten von Gustave Doré erinnern, der sein Lob auf das ancien régime steigert zu dem Ausruf: »Und wem, meine Herren, haben wir die Revolution von 1789 zu verdanken, wenn nicht Ludwig XVI.!« Sie könnten das auf meine Auffassung von Lyrik und Gesellschaft anwenden: in ihr spiele die Gesellschaft die Rolle des hingerichteten Königs und die Lyrik die jener, die ihn bekämpften; Lyrik sei aber so wenig aus der Gesellschaft zu erklären wie die Revolution zum Verdienst des Monarchen zu machen, den sie stürzte und ohne dessen Torheiten sie vielleicht zu jenem Zeitpunkt nicht ausgebrochen wäre. Dahin steht, ob der Abgeordnete Dorés wirklich nur ein dumm-zynischer Propagandaredner war, so wie der Zeichner ihn verspottet, und ob nicht an seinem unbeabsichtigten Witz mehr Wahrheit ist als der gesunde Menschenverstand einräumt; Hegels Geschichtsphilosophie hätte manches zur Rettung jenes Abgeordneten beizutragen. Indessen will der Vergleich doch nicht recht stimmen. Lyrik soll nicht aus der Gesellschaft deduziert werden; ihr gesellschaftlicher Gehalt ist gerade das Spontane, das nicht schon folgt aus jeweils bestehenden Verhältnissen. Aber die Philosophie – wiederum die Hegels – kennt den spekulativen Satz, das Individuelle sei durchs Allgemeine vermittelt und umgekehrt. Das will nun heißen, auch der Widerstand gegen den gesellschaftlichen Druck sei nichts absolut Individuelles, sondern in ihm regten, durchs Individuum und seine Spontaneität hindurch, künstlerisch sich die objektiven Kräfte, welche einen beengten und beengenden gesellschaftlichen Zustand über sich hinaus treiben zu einem menschenwürdigen hin; Kräfte also einer Gesamtverfassung, keineswegs bloß der starren Individualität, die der Gesellschaft blind opponiert. Darf in der Tat der lyrische Gehalt als ein vermöge der eigenen Subjektivität objektiver angesprochen werden – und sonst wäre ja das Einfachste, das die Möglichkeit von Lyrik als einer Kunstgattung stiftet: ihre Wirkung auf andere als den monologisierenden Dichter, nicht zu erklären – dann nur, wenn das sich in sich selbst Zurück-, in sich selbst Hineinnehmen des lyrischen Kunstwerks, seine Entfernung von der gesellschaftlichen Oberfläche, über den Kopf des Autors hinweg gesellschaftlich motiviert ist. Das Medium dafür aber ist die Sprache. Die spezifische Paradoxie des lyrischen Gebildes, die in Objektivität umschlagende Subjektivität, ist gebunden an jenen Vorrang der Sprachgestalt in der Lyrik, von dem der Primat der Sprache in der Dichtung überhaupt, bis zur Form von Prosa, herstammt. Denn die Sprache ist selber ein Doppeltes. Sie bildet durch ihre Konfigurationen den subjektiven Regungen gänzlich sich ein; ja wenig fehlt, und man könnte denken, sie zeitigte sie überhaupt erst. Aber sie bleibt doch wiederum das Medium der Begriffe, das, was die unabdingbare Beziehung auf Allgemeines und die Gesellschaft herstellt. Die höchsten lyrischen Gebilde sind darum die, in denen das Subjekt, ohne Rest von bloßem Stoff, in der Sprache tönt, bis die Sprache selber laut wird. Die Selbstvergessenheit des Subjekts, das der Sprache als einem Objektiven sich anheimgibt, und die Unmittelbarkeit und Unwillkürlichkeit seines Ausdrucks sind dasselbe: so vermittelt die Sprache Lyrik und Gesellschaft im Innersten. Darum zeigt Lyrik dort sich am tiefsten gesellschaftlich verbürgt, wo sie nicht der Gesellschaft nach dem Munde redet, wo sie nichts mitteilt, sondern wo das Subjekt, dem der Ausdruck glückt, zum Einstand mit der Sprache selber kommt, dem, wohin diese von sich aus möchte.

Andererseits aber ist die Sprache auch nicht, wie es manchen der heute geläufigen ontologischen Sprachtheorien gefiele, als Stimme des Seins wider das lyrische Subjekt zu verabsolutieren. Das Subjekt, dessen Ausdrucks, gegenüber der bloßen Signifikation objektiver Inhalte, es bedarf, um jene Schicht der sprachlichen Objektivität zu erlangen, ist keine Zutat zu deren eigenem Gehalt, ist ihr nicht äußerlich. Der Augenblick der Selbstvergessenheit, in dem das Subjekt in der Sprache untertaucht, ist nicht dessen Opfer ans Sein. Er ist keiner der Gewalt, auch nicht der Gewalt gegen das Subjekt, sondern einer von Versöhnung: erst dann redet die Sprache selber, wenn sie nicht länger als ein dem Subjekt Fremdes redet sondern als dessen eigene Stimme. Wo das Ich in der Sprache sich vergißt, ist es doch ganz gegenwärtig; sonst verfiele die Sprache, als geweihtes Abrakadabra, ebenso der Verdinglichung wie in der kommunikativen Rede. Das weist aber zurück auf das reale Verhältnis zwischen Einzelnem und Gesellschaft. Nicht bloß ist der Einzelne in sich gesellschaftlich vermittelt, nicht bloß sind seine Inhalte immer zugleich auch gesellschaftlich. Sondern umgekehrt bildet sich und lebt die Gesellschaft auch nur vermöge der Individuen, deren Inbegriff sie ist. Wenn einmal die große Philosophie die freilich heute von der Wissenschaftslogik verschmähte Wahrheit konstruierte, Subjekt und Objekt seien überhaupt keine starren und isolierten Pole, sondern könnten nur aus dem Prozeß bestimmt werden, in dem sie sich aneinander abarbeiten und verändern, dann ist die Lyrik die ästhetische Probe auf jenes dialektische Philosophem. Im lyrischen Gedicht negiert, durch Identifikation mit der Sprache, das Subjekt ebenso seinen bloßen monadologischen Widerspruch zur Gesellschaft, wie sein bloßes Funktionieren innerhalb der vergesellschafteten Gesellschaft. Je mehr aber deren Übergewicht übers Subjekt anwächst, um so prekärer die Situation der Lyrik. Das Werk Baudelaires hat das als erstes registriert, indem es, höchste Konsequenz des europäischen Weltschmerzes, nicht bei den Leiden des Einzelnen sich beschied, sondern die Moderne selbst als das Antilyrische schlechthin zum Vorwurf wählte und kraft der heroisch stilisierten Sprache daraus den dichterischen Funken schlug. Schon bei ihm kündet dabei ein Verzweifeltes sich an, das eben nur auf der Spitze der eigenen Paradoxie balanciert. Als dann der Widerspruch der poetischen Sprache zur kommunikativen ins Extrem sich steigerte, ward alle Lyrik zum va-banque-Spiel; nicht, wie die banausische Meinung es möchte, weil sie unverständlich geworden wäre, sondern weil sie vermöge des reinen zu sich selbst Kommens der Sprache als einer Kunstsprache, durch die Anstrengung zu deren absoluter, von keiner Rücksicht auf Mitteilung geschmälerter Objektivität, zugleich sich entfernt von der Objektivität des Geistes, der lebendigen Sprache, und eine nicht mehr gegenwärtige durch die poetische Veranstaltung surrogiert. Das poetisierende, gehobene, subjektiv gewalttätige Moment schwacher späterer Lyrik ist der Preis, den sie für den Versuch zu zahlen hat, unverschandelt, fleckenlos, objektiv sich am Leben zu erhalten; ihr falscher Glanz das Komplement zur entzauberten Welt, der sie sich entwindet.

All das freilich bedarf der Einschränkung, um nicht mißdeutet zu werden. Es war meine Behauptung, das lyrische Gebilde sei stets auch der subjektive Ausdruck eines gesellschaftlichen Antagonismus. Da aber die objektive Welt, welche Lyrik hervorbringt, an sich die antagonistische ist, so geht der Begriff von Lyrik nicht auf im Ausdruck der Subjektivität, der die Sprache Objektivität schenkt. Nicht bloß verkörpert das lyrische Subjekt, je angemessener es sich kundgibt, um so verbindlicher auch das Ganze. Sondern die dichterische Subjektivität verdankt sich selber dem Privileg: daß es nur den wenigsten Menschen je vom Druck der Lebensnot erlaubt wurde, in Selbstversenkung das Allgemeine zu ergreifen, ja überhaupt als selbständige, des freien Ausdrucks ihrer selbst mächtige Subjekte sich zu entfalten. Die andern jedoch, jene, die nicht nur dem befangenen dichterischen Subjekt fremd gegenüberstehen, als wären sie Objekte, sondern die im buchstäblichsten Verstand zum Objekt der Geschichte erniedrigt wurden, haben das gleiche oder größeres Recht, nach dem Laut zu tasten, in dem Leid und Traum sich vermählen. Dies unveräußerliche Recht ist immer wieder durchgebrochen, wenn auch so unrein, verstümmelt, fragmentarisch, intermittierend, wie es denen nicht anders möglich ist, welche die Last zu tragen haben. Ein kollektiver Unterstrom grundiert alle individuelle Lyrik. Meint diese in der Tat das Ganze und nicht selber bloß ein Stück des Besserhabens, Feinheit und Zartheit dessen, der es sich leisten kann, zart zu sein, dann gehört die Teilhabe an diesem Unterstrom wesentlich zur Substantialität auch der individuellen Lyrik: er wohl macht überhaupt erst die Sprache zu dem Medium, in dem das Subjekt mehr wird als nur Subjekt. Die Beziehung der Romantik zum Volkslied ist dafür nur das sinnfälligste, sicherlich nicht das eindringlichste Beispiel. Denn die Romantik verfolgt programmatisch eine Art Transfusion des Kollektiven ins Individuelle, kraft deren die individuelle Lyrik eher der Illusion allgemeiner Verbindlichkeit technisch nachhing, als daß ihr jene Verbindlichkeit aus sich selbst heraus zugefallen wäre. Oftmals haben statt dessen Dichter, die jegliche Anleihe bei der Kollektivsprache verschmähten, kraft ihrer geschichtlichen Erfahrung an jenem kollektiven Unterstrom teil. Ich nenne Baudelaire, dessen Lyrik nicht bloß dem juste milieu, sondern auch jedem bürgerlichen sozialen Mitgefühl ins Gesicht schlägt und der doch, in Gedichten wie den ›Petites vieilles‹ oder dem von der Dienerin mit großem Herzen aus den ›Tableaux Parisiens‹, den Massen, denen er seine tragisch-hochmütige Maske entgegenkehrte, treuer war als alle Armeleutepoesie. Heute, da die Voraussetzung jenes Begriffs von Lyrik, von dem ich ausgehe, der individuelle Ausdruck, in der Krise des Individuums bis ins Innerste erschüttert scheint, drängt an den verschiedensten Stellen der kollektive Unterstrom der Lyrik nach oben, erst als bloßes Ferment des individuellen Ausdrucks selbst, dann aber doch auch vielleicht als Vorwegnahme eines Zustandes, der über bloße Individualität positiv hinausgeht. Wenn die Übersetzungen nicht trügen, dann ist etwa García Lorca, den die Schergen Francos ermordeten und den kein totalitäres Regime hätte ertragen können, Träger solcher Kraft; und der Name Brechts drängt sich auf als der des Lyrikers, dem sprachliche Integrität zuteil ward, ohne daß er den Preis des Esoterischen hätte entrichten müssen. Ich versage es mir, darüber zu urteilen, ob hier in der Tat das dichterische Individuationsprinzip in einem höheren aufgehoben ward, oder ob der Grund Regression, die Schwächung des Ichs ist. Vielfach dürfte die kollektive Gewalt zeitgenössischer Lyrik den sprachlichen und seelischen Rudimenten eines noch nicht ganz individuierten, eines im weitesten Sinn vorbürgerlichen Zustandes – dem Dialekt – sich verdanken. Die traditionelle Lyrik aber, als die strengste ästhetische Negation der Bürgerlichkeit, ist eben damit bis heute an die bürgerliche Gesellschaft gebunden gewesen.

 

Weil prinzipielle Erwägungen nicht genügen, möchte ich an einigen Gedichten das Verhältnis des dichterischen Subjekts, das allemal für ein weit allgemeineres, kollektives Subjekt einsteht, zu der ihm antithetischen gesellschaftlichen Realität konkretisieren. Dabei werden die stofflichen Elemente, deren kein sprachliches Gebilde, selbst die poésie pure nicht, ganz sich zu entäußern vermag, ebenso der Interpretation bedürfen wie die sogenannten formalen. Besonders wird hervorzuheben sein, wie beide sich durchdringen, denn nur kraft solcher Durchdringung hält eigentlich das lyrische Gedicht in seinen Grenzen den geschichtlichen Stundenschlag fest. Indessen möchte ich nicht solche Gebilde wählen, wie das Goethesche, an dem ich einiges hervorhob, ohne es zu analysieren, sondern Späteres, Verse, denen nicht jene unbedingte Authentizität eignet wie dem ›Nachtlied‹. Wohl haben die beiden, über die ich etwas sagen will, an dem kollektiven Unterstrom Anteil. Ich möchte aber Ihre Aufmerksamkeit vor allem darauf lenken, wie sich in ihnen verschiedene Stufen eines widerspruchsvollen Grundverhältnisses der Gesellschaft im Medium des poetischen Subjekts darstellen. Wiederholen darf ich, daß es sich nicht um die Privatperson des Dichters, nicht um seine Psychologie, nicht um seinen sogenannten gesellschaftlichen Standpunkt handelt, sondern eben um das Gedicht als geschichtsphilosophische Sonnenuhr.

Zunächst möchte ich Ihnen ›Auf einer Wanderung‹ von Mörike vorlesen:

 

In ein freundliches Städtchen tret ich ein,

In den Straßen liegt roter Abendschein.

Aus einem offnen Fenster eben,

Über den reichsten Blumenflor

Hinweg, hört man Goldglockentöne schweben,

Und eine Stimme scheint ein Nachtigallenchor,

Daß die Blüten beben,

Daß die Lüfte leben,

Daß in höherem Rot die Rosen leuchten vor.

Lang hielt ich staunend, lustbeklommen.

Wie ich hinaus vors Tor gekommen,

Ich weiß es wahrlich selber nicht.

Ach hier, wie liegt die Welt so licht!

Der Himmel wogt in purpurnem Gewühle,

Rückwärts die Stadt in goldnem Rauch;

Wie rauscht der Erlenbach, wie rauscht im Grund die Mühle!

Ich bin wie trunken, irrgeführt –

O Muse, du hast mein Herz berührt

Mit einem Liebeshauch!

 

Auf drängt sich das Bild jenes Glücksversprechens, wie es heute noch am rechten Tage von der süddeutschen Kleinstadt dem Gast gewährt wird, aber ohne das leiseste Zugeständnis ans Butzenscheibenhafte, an die Kleinstadtidylle. Das Gedicht gibt das Gefühl der Wärme und Geborgenheit im Engen und ist doch zugleich ein Werk des hohen Stils, nicht von Gemütlichkeit und Behaglichkeit verschandelt, nicht sentimental die Enge gegen die Weite preisend, kein Glück im Winkel. Rudimentäre Fabel und Sprache helfen gleichermaßen, die Utopie der nächsten Nähe und die der äußersten Ferne kunstvoll in eins zu setzen. Die Fabel weiß vom Städtchen einzig als flüchtigem Schauplatz, nicht als von einem des Verweilens. Die Größe des Gefühls, das ans Entzücken über die Mädchenstimme sich schließt, und nicht diese allein, sondern die der ganzen Natur, den Chor vernimmt, offenbart sich erst jenseits des begrenzten Schauplatzes, unter dem offenen purpurn wogenden Himmel, wo goldene Stadt und rauschender Bach zur imago zusammentreten. Dem kommt sprachlich ein unwägbar feines, kaum am Detail fixierbares antikes, odenhaftes Element zu Hilfe. Wie von weit her mahnen die freien Rhythmen an griechische reimlose Strophen, etwa auch das ausbrechende und doch nur mit den diskretesten Mitteln der Wortumstellung bewirkte Pathos der Schlußzeile der ersten Strophe: »Daß in höherem Rot die Rosen leuchten vor.« Entscheidend das eine Wort Muse am Ende. Es ist, als glänzte dies Wort, eines der vergriffensten des deutschen Klassizismus, dadurch, daß es dem genius loci des freundlichen Städtchens verliehen wird, noch einmal, wahrhaft wie im Licht der untergehenden Sonne auf und wäre als schon verschwindendes all der Gewalt der Entzückung mächtig, von der sonst der Anruf der Muse mit Worten der neuzeitlichen Sprache komisch hilflos abgleitet. Die Inspiration des Gedichts bewährt sich kaum in einem seiner Züge so vollkommen wie darin, daß die Wahl des anstößigsten Wortes an der kritischen Stelle, behutsam motiviert durch den latent griechischen Sprachgestus, wie ein musikalischer Abgesang die drängende Dynamik des Ganzen einlöst. Der Lyrik gelingt im knappsten Raum, wonach die deutsche Epik selbst in Konzeptionen wie ›Hermann und Dorothea‹ vergebens griff.

Die gesellschaftliche Deutung solchen Gelingens gilt dem geschichtlichen Erfahrungsstand, der in dem Gedicht sich anzeigt. Der deutsche Klassizismus hatte es unternommen, im Namen der Humanität, der Allgemeinheit des Menschlichen, die subjektive Regung der Zufälligkeit zu entheben, die ihr in einer Gesellschaft droht, in der die Beziehungen zwischen den Menschen nicht mehr unmittelbar, sondern bloß noch durch den Markt vermittelt sind. Er hatte die Objektivierung des Subjektiven angestrebt, so wie Hegel in der Philosophie, und versucht, im Geiste, in der Idee die Widersprüche des realen Lebens der Menschen versöhnend zu überwinden. Das Fortbestehen dieser Widersprüche in der Realität jedoch hatte die geistige Lösung kompromittiert: gegenüber dem von keinem Sinn getragenen, in der Geschäftigkeit konkurrierender Interessen sich abquälenden oder, wie es der künstlerischen Erfahrung sich darstellt, prosaischen Leben; gegenüber einer Welt, in der das Schicksal der einzelnen Menschen nach blinden Gesetzen sich vollzieht, wird Kunst, deren Form sich gibt, als rede sie aus der gelungenen Menschheit, zur Phrase. Der Begriff des Menschen, wie der Klassizismus ihn gewonnen hatte, zog darum in die private, einzelmenschliche Existenz und ihre Bilder sich zurück; nur in ihnen noch schien das Humane geborgen. Notwendig ward auf die Idee der Menschheit als ganzer, sich selbst bestimmender, vom Bürgertum wie in der Politik so in den ästhetischen Formen verzichtet. Das sich Verstocken bei der Beschränktheit des je Eigenen, das selber einem Zwang gehorcht, macht dann Ideale wie die des Behaglichen und Gemütlichen so suspekt. Der Sinn selber wird an die Zufälligkeit des individuellen Glücks gebunden; gleichsam usurpatorisch wird ihm eine Würde zugeschrieben, die es erst zusammen mit dem Glück des Ganzen erlangte. Die gesellschaftliche Kraft im Ingenium Mörikes jedoch besteht darin, daß er beide Erfahrungen, die des klassizistischen hohen Stils und der romantischen privaten Miniatur verband und daß er dabei mit unvergleichlichem Takt der Grenzen beider Möglichkeiten inne ward und sie gegeneinander ausglich. In keiner Regung des Ausdrucks überschreitet er, was zu seinem Augenblick wahrhaft sich füllen ließ. Das vielberufene Organische seiner Produktion ist wohl nichts anderes als jener geschichtsphilosophische Takt, wie ihn kaum ein Dichter deutscher Sprache im selben Maße besaß. Die angeblich krankhaften Züge Mörikes, von denen Psychologen zu berichten wissen, auch das Versiegen seiner Produktion in späteren Jahren sind der negative Aspekt seines zum Extrem gesteigerten Wissens um das, was möglich ist. Die Gedichte des hypochondrischen Cleversulzbacher Pfarrers, den man zu den naiven Künstlern zählt, sind Virtuosenstücke, die kein Meister des l'art pour l'art überbot. Das Hohle und Ideologische des hohen Stils ist ihm so gegenwärtig wie das Mindere, kleinbürgerlich Dumpfe und gegen die Totalität Verblendete des Biedermeiers, in dessen Zeit der größere Teil seiner Lyrik fällt. Es treibt den Geist in ihm, einmal noch Bilder zu bereiten, die weder an den Faltenwurf noch an den Stammtisch sich verraten, weder an die Brusttöne noch ans Schmatzen. Wie auf einem schmalen Grat findet sich in ihm, was eben noch vom hohen Stil, verhallend, als Erinnerung nachlebt, zusammen mit den Zeichen eines unmittelbaren Lebens, die Gewährung verhießen, als sie selber von der historischen Tendenz eigentlich schon gerichtet waren, und beides grüßt den Dichter, auf einer Wanderung, nur noch im Entschwinden. Er hat schon Anteil an der Paradoxie von Lyrik im heraufkommenden Industriezeitalter. So schwebend und zerbrechlich wie erstmals seine Lösungen, sind dann die der großen nachfolgenden Lyriker allesamt gewesen, auch derer, die durch einen Abgrund von ihm getrennt erscheinen, wie jenes Baudelaire, von dem doch Claudel sagte, sein Stil sei eine Mischung aus dem Racines und dem des Journalisten seiner Zeit. In der industriellen Gesellschaft wird die lyrische Idee der sich wiederherstellenden Unmittelbarkeit, wofern sie nicht ohnmächtig romantisch Vergangenes beschwört, immer mehr zu einem jäh Aufblitzenden, in dem das Mögliche die eigene Unmöglichkeit überfliegt.

Das kurze Gedicht von Stefan George, zu dem ich Ihnen nun noch einiges sagen möchte, entstand in einer viel späteren Phase dieser Entwicklung. Es ist eines der berühmten Lieder aus dem ›Siebenten Ring‹, aus einem Zyklus aufs äußerste verdichteter, in aller Leichtigkeit des Rhythmus an Gehalt überschwerer Gebilde, aller Jugendstilornamente ledig. Ihre verwegene Kühnheit hat erst die Vertonung durch den großen Komponisten Anton von Webern dem schmählichen Kulturkonservativismus des Kreises entrissen; bei George klaffen Ideologie und gesellschaftlicher Gehalt weit auseinander. Das Lied lautet:

 

Im windes-weben

War meine frage

Nur träumerei.

Nur lächeln war

Was du gegeben.

Aus nasser nacht

Ein glanz entfacht –

Nun drängt der mai

Nun muss ich gar

Um dein aug und haar

Alle tage

In sehnen leben.

 

Am hohen Stil ist keine Sekunde Zweifel. Das Glück der nahen Dinge, das Mörikes so viel älteres Gedicht noch streift, verfällt dem Verbot. Es wird fortgewiesen von eben jenem Nietzscheschen Pathos der Distanz, als dessen Nachfahren George sich wußte. Zwischen Mörike und ihm liegt abschreckend der Abhub der Romantik; die idyllischen Reste sind ohne Hoffnung veraltet und zu Herzenswärmern verkommen. Während Georges Dichtung, die eines herrischen Einzelnen, die individualistische bürgerliche Gesellschaft und den für sich seienden Einzelnen als Bedingung ihrer Möglichkeit voraussetzt, ergeht über das bürgerliche Element der einverstandenen Form nicht anders als über die bürgerlichen Inhalte ein Bannfluch. Weil aber diese Lyrik aus keiner anderen Gesamtverfassung als der von ihr nicht nur a priori und stillschweigend, sondern auch ausdrücklich verworfenen bürgerlichen reden kann, wird sie zurückgestaut: sie fingiert von sich aus, eigenmächtig, einen feudalen Zustand. Das verbirgt sich gesellschaftlich hinter dem, was das Cliché Georges aristokratische Haltung nennt. Sie ist nicht die Pose, über die der Bürger sich empört, der diese Gedichte nicht abtätscheln kann, sondern wird, so gesellschaftsfeindlich sie sich gebärdet, von der gesellschaftlichen Dialektik gezeitigt, die dem lyrischen Subjekt die Identifikation mit dem Bestehenden und seiner Formenwelt verweigert, während es doch bis ins Innerste dem Bestehenden verschworen ist: von keinem anderen Ort aus kann es reden als dem einer vergangenen, selber herrschaftlichen Gesellschaft. Ihm ist das Ideal des Edlen entlehnt, das die Wahl eines jeden Wortes, Bildes, Klanges in dem Gedichte diktiert; und die Form ist, auf eine kaum dingfest zu machende, gleichsam in die sprachliche Konfiguration hineingetragene Weise, mittelalterlich. Insofern ist das Gedicht, wie George insgesamt, in der Tat neuromantisch. Beschworen aber werden nicht Realien und nicht Töne, sondern eine entsunkene Seelenlage. Die artistisch erzwungene Latenz des Ideals, die Abwesenheit jedes groben Archaismus, hebt das Lied über die verzweifelte Fiktion hinaus, die es doch bietet; mit der Wandschmuck-Poesie der Frau Minne und der Aventuren läßt es so wenig sich verwechseln wie mit dem Requisitenschatz von Lyrik aus der modernen Welt; sein Stilisationsprinzip bewahrt das Gedicht vorm Konformismus. Für die organische Versöhnung widerstreitender Elemente ist ihm so wenig Raum gelassen, wie sie in seiner Epoche real mehr sich schlichten ließen: bewältigt werden sie nur durch Selektion, durchs Fortlassen. Wo nahe Dinge, das, was man gemeinhin konkret unmittelbare Erfahrungen nennt, in Georges Lyrik überhaupt noch Einlaß finden, ist er ihnen verstattet einzig um den Preis von Mythologisierung: keine darf bleiben, was sie ist. So wird, in einer der Landschaften des ›Siebenten Ringes‹, das Kind, das Beeren pflückte, wortlos, wie mit dem Zauberstab, mit magischer Gewalttat, ins Märchenkind verwandelt. Die Harmonie des Liedes ist einem Äußersten an Dissonanz abgezwungen: sie beruht auf dem, was Valéry refus nannte, auf einem unerbittlichen sich Versagen alles dessen, woran die lyrische Konvention die Aura der Dinge zu besitzen wähnt. Das Verfahren behält bloß noch Modelle übrig, die reinen Formideen und Schemata des Lyrischen selber, die, indem sie jegliche Zufälligkeit abwerfen, prall vor Ausdruck noch einmal reden. Inmitten des Wilhelminischen Deutschland darf der hohe Stil, dem jene Lyrik polemisch sich entrang, auf keinerlei Tradition sich berufen, am letzten aufs klassizistische Erbe. Er wird gewonnen, nicht, indem er etwas an rhetorischen Figuren und Rhythmen sich vorgibt, sondern indem er asketisch ausspart, was immer die Distanz von der vom Kommerz geschändeten Sprache mindern könnte. Damit das Subjekt wahrhaft hier der Verdinglichung in Einsamkeit widersteht, darf es nicht einmal mehr versuchen, aufs Eigene wie auf sein Eigentum sich zurückzuziehen; es schrecken die Spuren eines Individualismus, der unterdessen selbst schon im Feuilleton dem Markt sich überantwortete, sondern das Subjekt muß aus sich heraustreten, indem es sich verschweigt. Es muß sich gleichsam zum Gefäß machen für die Idee einer reinen Sprache. Ihrer Errettung gelten die großen Gedichte Georges. Gebildet an den romanischen Sprachen, besonders aber an jener Reduktion der Lyrik aufs Einfachste, durch die Verlaine sie ins Instrument fürs Differenzierteste umschuf, hört das Ohr des deutschen Mallarméschülers die eigene Sprache gleichwie eine fremde. Er überwindet ihre Entfremdung, die durch den Gebrauch, indem er sie übersteigert zur Entfremdung einer eigentlich schon nicht mehr gesprochenen, ja einer imaginären, an der ihm aufgeht, was in ihrer Zusammensetzung möglich wäre, doch nie geriet. Die vier Zeilen »Nun muss ich gar / Um dein aug und haar / Alle tage / In sehnen leben«, die ich zu dem Unwiderstehlichsten zähle, was jemals der deutschen Lyrik beschieden war, sind wie ein Zitat, aber nicht aus einem anderen Dichter, sondern aus dem von der Sprache unwiederbringlich Versäumten: sie müßten dem Minnesang gelungen sein, wenn dieser, wenn eine Tradition der deutschen Sprache, fast möchte man sagen, wenn die deutsche Sprache selber gelungen wäre. Aus solchem Geiste wollte dann Borchardt den Dante übertragen. Subtile Ohren haben an dem elliptischen »gar« sich gestoßen, das wohl an Stelle von »ganz und gar« und einigermaßen um des Reimes willen verwandt ist. Man mag solche Kritik ebenso zugestehen, wie daß das Wort, so wie es in den Vers verschlagen ward, überhaupt keinen rechten Sinn gibt. Aber die großen Kunstwerke sind jene, die an ihren fragwürdigsten Stellen Glück haben; so etwa, wie die oberste Musik nicht rein aufgeht in ihrer Konstruktion, sondern mit ein paar überflüssigen Noten oder Takten über diese hinausschießt, verhält es sich auch mit dem »gar«, einem Goetheschen »Bodensatz des Absurden«, mit dem die Sprache der subjektiven Intention entflieht, die das Wort herbeizog; wahrscheinlich ist es überhaupt erst dies »gar«, das mit der Kraft eines déjà vu den Rang des Gedichtes stiftet: durch das seine Sprachmelodie hinausreicht übers bloße Bedeuten. Im Zeitalter ihres Untergangs ergreift George in der Sprache die Idee, die der Gang der Geschichte ihr verweigerte, und fügt Zeilen zusammen, die klingen, nicht als wären sie von ihm, sondern als wären sie von Anbeginn der Zeiten da gewesen und müßten für immer so sein. Die Donquixoterie dessen aber; die Unmöglichkeit solcher wiederherstellenden Dichtung, die Gefahr des Kunstgewerbes wächst noch dem Gehalt des Gedichts zu: die schimärische Sehnsucht der Sprache nach dem Unmöglichen wird zum Ausdruck der unstillbaren erotischen Sehnsucht des Subjekts, das im anderen seiner selbst sich entledigt. Es bedurfte des Umschlags der ins Maßlose gesteigerten Individualität zur Selbstvernichtung – und was ist der Maximinkult des späten George anderes als die verzweifelt positiv sich auslegende Abdankung von Individualität –, um die Phantasmagorie dessen zu bereiten, wonach die deutsche Sprache in ihren größten Meistern vergebens tastete, das Volkslied. Nur vermöge einer Differenzierung, die so weit gedieh, daß sie die eigene Differenz nicht mehr ertragen kann, nichts mehr, was nicht das von der Schmach der Vereinzelung befreite Allgemeine im Einzelnen wäre, vertritt das lyrische Wort das An-sich-Sein der Sprache wider ihren Dienst im Reich der Zwecke. Damit aber den Gedanken einer freien Menschheit, mag auch die Georgesche Schule ihn mit niedrigem Höhenkultus sich selber verdeckt haben. George hat seine Wahrheit daran, daß seine Lyrik in der Vollendung des Besonderen, in der Sensibilität gegen das Banale ebenso wie schließlich auch gegen das Erlesene, die Mauern der Individualität durchschlägt. Zog ihr Ausdruck sich zusammen in den individuellen, so wie sie ihn ganz mit Substanz und Erfahrung der eigenen Einsamkeit sättigt, dann wird eben diese Rede zur Stimme der Menschen, zwischen denen die Schranke fiel.

 
Gesammelte Werke
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