Klangfiguren

Musikalische Schriften I

 

Ideen zur Musiksoziologie

Eine Vorstellung von Musiksoziologie zu geben, bedeutete nach verbreiteter wissenschaftlicher Gepflogenheit, ihr Gebiet abzustecken, es nach Feldern einzuteilen, Probleme, Theorien, bezeichnende Forschungsergebnisse zu referieren und womöglich zu systematisieren. Man behandelte sie dann als eine Bindestrichsoziologie unter all den anderen. Sie gliederte sich nach Sektoren, die allenfalls in einem Gehäuse sich nebeneinander unterbringen, auf ein ›frame of reference‹ sich beziehen ließen. Aber der Inbegriff der Gesellschaft, wie er nicht nur jedes sogenannte Teilgebiet unter sich befaßt, sondern in jedem auch als ganzer erscheint, ist weder ein bloßes Feld mehr oder minder verbundener Tatsachen noch eine oberste logische Klasse, zu der man durch fortschreitende Generalisierung gelangte. Sondern er ist in sich selbst ein Prozeß, ein sich und seine Teilmomente Produzierendes, zur Totalität im Hegelschen Sinn Zusammenhängendes. Nur solche Erkenntnisse werden ihm irgend gerecht, die, in der kritischen Reflexion jenes Prozesses, die Totale wie die Teilmomente treffen. Darum scheint es fruchtbarer, Modelle musiksoziologischer Erkenntnis vor Augen zu stellen, als eine Übersicht über das Gebiet und seine Methoden zu entwerfen. Sie erschöpfte nur allzu leicht sich in der Wichtigtuerei eines Wissenschaftsbetriebs, der daraus, daß er kein Licht aufsteckt, auch noch die Tugend unbestechlicher Objektivität macht. Auf die Trennung von Methode und Sache sei verzichtet; die Methode bearbeitet nicht als ein Festes, Invariantes die Sache, sondern richtet sich stets auch nach dieser und legitimiert sich durch das, was sie daran aufleuchten läßt. Die einzelnen Forschungsfelder werden nicht als säuberlich koordinierte oder subordinierte abgehandelt, sondern in ihr dynamisches Verhältnis gerückt. Selbst die plausible Scheidung der Sphären Produktion, Reproduktion und Konsum ist ihrerseits gesellschaftliches Produkt, von der Soziologie weniger zu akzeptieren als abzuleiten.

Musiksoziologie solcher Intention hat ein gedoppeltes Verhältnis zu ihrer Sache: von innen und von außen. Was der Musik an sich als gesellschaftlicher Sinn innewohnt und welche Stellung und Funktion in der Gesellschaft sie einnimmt, ist nicht identisch. Beides braucht nicht einmal zu harmonieren, ja widerspricht heute sich wesentlich. Große, integre Musik, einst richtiges Bewußtsein, kann zur Ideologie werden, zu gesellschaftlich notwendigem Schein. Noch die authentischesten Kompositionen von Beethoven, wahrhaft, nach Hegels Wort, Entfaltung der Wahrheit, sind im Musikbetrieb zu Kulturgütern erniedrigt worden und beliefern die Konsumenten, außer mit Prestige, mit Emotionen, die sie selbst nicht enthalten; und dagegen ist ihr eigenes Wesen nicht indifferent. Widersprüche wie der zwischen dem gesellschaftlichen Gehalt der Werke und dem Wirkungszusammenhang, in den sie geraten, prägen den gegenwärtigen Zustand von Musik. Sie findet sich, als Zone objektiven Geistes, in der Gesellschaft, fungiert in ihr, spielt ihre Rolle nicht nur im Leben der Menschen, sondern, als Ware, auch im ökonomischen Prozeß. Zugleich ist sie gesellschaftlich in sich selbst. Gesellschaft hat sich in ihrem Sinn und dessen Kategorien sedimentiert, und ihn muß Musiksoziologie entziffern. Sie ist damit verwiesen auf das eigentliche Verständnis von Musik bis in die kleinsten technischen Zellen hinein. Nur dann gelangt sie über die fatal äußerliche Zuordnung geistiger Gebilde und gesellschaftlicher Verhältnisse hinaus, wenn sie in der autonomen Gestalt der Gebilde, als ihres ästhetischen Gehalts, eines Gesellschaftlichen innewird. Was an soziologischen Begriffen an die Musik herangetragen wird, ohne in musikalischen Begründungszusammenhängen sich auszuweisen, bleibt unverbindlich. Der gesellschaftliche Sinn musikalischer Phänomene ist untrennbar von ihrer Wahrheit oder Unwahrheit, ihrem Gelingen oder Mißlingen, ihrer Widersprüchlichkeit oder Stimmigkeit. Die gesellschaftliche Theorie der Musik involviert deren Kritik.

 

Daher handelt Musiksoziologie von Musik als Ideologie, aber nicht nur als Ideologie. Dazu wird Musik erst als objektiv unwahre oder als Widerspruch ihrer eigenen Bestimmung zu ihrer Funktion. Ihre prinzipiell unbegriffliche Beschaffenheit – sie verkündet weder unmittelbar Lehren noch läßt sie sich eindeutig auf Thesen vereidigen – legt die Ansicht nahe, sie habe mit Ideologie nichts zu schaffen. Dagegen genüge der Hinweis darauf, daß Musik, von verwaltenden Instanzen oder politischen Mächten, nach deren Sprachgebrauch, als gemeinschaftsbildende Macht eingesetzt, in einer verdinglichten und entfremdeten Gesellschaft den trügenden Schein von Unmittelbarkeit hervorzubringen vermag. So wurde sie unterm Faschismus, wird sie heute überhaupt in totalitären Ländern gehandhabt, und auch in nichttotalitären, als ›Volks- und Jugendmusikbewegung‹, mit ihrem Kultus von ›Bindungen‹, von Kollektivität als solcher, vom Erfaßtwerden durch emsiges Tun. Die rationalisierte und gleichwohl stets noch irrationale Welt bedarf zu ihrer Verhüllung der Pflege des Unbewußten. Um so wachsamer muß Musiksoziologie sich hüten vor der Gleichsetzung des gesellschaftlichen Rechts von Musik mit ihrer Funktion, mit Wirkung und Popularität im Bestehenden. Sie darf sich durch die eigene Definition nicht auf die Seite von Musik als einer gesellschaftlichen Macht drängen lassen. Ihre kritische Orientierung wird desto notwendiger, je mehr musikalische Aktivitäten des verschiedensten Typus unerhellten Tendenzen und Bedürfnissen – meist solchen der Beherrschung – zugute kommen.

Aber Musik ist Ideologie nicht bloß als unmittelbares Herrschaftsmittel, sondern auch als Erscheinung falschen Bewußtseins, als Verflachung und Harmonisierung von Gegensätzen. So wie Romane vom Typus Gustav Freytags der Ideologie zurechnen, so auch viele Musik der sogenannten hochliberalen Ära – darunter sehr berühmte wie die von Tschaikowsky –, welche etwa die symphonische Form verwendet, ohne die von deren eigener Idee gesetzten Konflikte durch den kompositorischen Verlauf auszutragen, und sich damit begnügt, sie wirksam, gleichsam flächig, dekorativ zu präsentieren, nach einer Schablone wie der von guten und bösen Figuren in konventionellen Romanen. Das Verhältnis von Ganzem und Teil wird dabei überhaupt nicht als eines des wechselseitigen, antagonistischen sich Produzierens verstanden. Eben auf dem Verzicht auf seine Gestaltung und der Nivellierung der Widersprüche zu bloßen Bestandteilen einer verdinglichten Form, die von ihren Kontrasten ›ausgefüllt‹ wird, beruht die Wirksamkeit solcher Stücke, die Möglichkeit, sie bequem zu hören; eine Popularität, die das zur sinnlichen Bestimmung herabsetzt, was seine Rechtfertigung als geistige allein empfinge.

Überall hier ist das wahrhafte musiksoziologische Problem das der Vermittlung. Angesichts des begriffslosen Wesens der Musik, das es verwehrt, solche Einsichten zu jener Art von Evidenz zu bringen, welche etwa in der traditionellen Dichtung der stoffliche Gehalt zu erlauben scheint, drohen Behauptungen wie die des immanent ideologischen Charakters einer Musik zur bloßen Analogie sich zu reduzieren. Dagegen hilft nur die ausgeführte technische und physiognomische Analyse, welche noch formale Momente als solche des im Zusammenhang konstituierten musikalischen Sinnes, oder seiner Absenz, benennt und von ihm auf Gesellschaftliches schließt. Formale Konstituentien von Musik, am Ende ihre Logik, sind gesellschaftlich zum Sprechen zu bringen. Wie das zu üben oder zu erlernen sei, läßt sich kaum abstrakt formulieren. Versuche dazu entziehen sich der Willkür allenfalls durch innere Kohärenz und die Kraft, die einzelnen Momente aufzuhellen. Gerade die entscheidenden Aufgaben einer Musiksoziologie, die der gesellschaftlichen Dechiffrierung von Musik selbst, verweigern sich jener positivistisch handgreiflichen Verifizierbarkeit, wie sie sich auf Daten über musikalische Konsumgewohnheiten oder auf die Beschreibung musikalischer Organisationen stützt, ohne die Sache selbst, die Musik, aufzusprengen. Bedingung einer produktiven Musiksoziologie ist das Verstehen der Sprache von Musik, weit über das hinaus, worüber der bloß soziologische Kategorien auf Musik Anwendende verfügt, auch über das, was die offizielle und erstarrte musikalische Bildung der Konservatorien oder die akademische Musikwissenschaft kommuniziert. Die Zukunft der Musiksoziologie wird wesentlich von der Verfeinerung und Reflexion der musikalischanalytischen Methoden selber und ihrer Beziehung auf den geistigen Gehalt abhängen, der nur vermöge technischer Kategorien in der Kunst sich verwirklicht.

In der Gesellschaft insgesamt übt Musik allein schon durch ihre Existenz weitgehend ablenkende Funktion aus; das, womit etwa das offizielle Musikleben seine Konsumenten beschäftigt, die Frage, ob Herr X das G-Dur-Konzert von Beethoven besser spiele als Herr Y, oder ob die Stimme des jugendlichen Tenors allzu strapaziert sei, hat mit dem Gehalt und Sinn von Musik kaum etwas zu tun, wirkt aber dafür mit am kulturellen Schleier, der Befassung mit zur Bildung entwürdigtem Geist, welcher Ungezählte daran verhindert, Wesentlicheres auch nur zu sehen. Die Neutralisierung der Musik zum Objekt von Kulturbetrieb und Kulturgeschwätz wäre selbst ein würdiger Gegenstand der Musiksoziologie, wofern diese nicht ihrerseits jener Neutralisierung zu Willen ist. Trachtet man der Neutralisierung dadurch abzuhelfen, daß man die Musik, wie das so heißt, wieder ins Leben zurückruft, ohne daß die Abhängigkeit ihres Schicksals vom gesamtgesellschaftlichen Prozeß durchschaut wäre, so betreibt man erst recht Ideologie. Zu ihr schickt Musik insgesamt wohl sich in besonderem Maß, weil ihre Begriffslosigkeit weithin den Hörern erlaubt, bei ihr als Fühlende sich zu fühlen, zu assoziieren, sich das zu denken, was sie gerade mögen. Sie fungiert als Wunscherfüllung und Ersatzbefriedigung und läßt sich nicht einmal, wie der Film, recht dabei ertappen. Vom Dösen, der Beförderung eines Zustandes, der rationale und kritische Verhaltungsweisen vorweg ausschließt, reicht diese Funktion bis zum Kultus der Leidenschaft als solcher, jenem weltanschaulichen Irrationalismus, der seit dem neunzehnten Jahrhundert mit repressiven und gewalttätigen Tendenzen der Gesellschaft so innig sich verband. Musik trägt, vielfach im Gegensatz zu ihrer eigenen Gestalt und ihrem eigenen Sinn, zur ›Ideologie des Unbewußten‹ bei. Sie tröstet, als ›Herzenswärmer‹, ohnmächtig und scheinhaft ebensowohl über die fortschreitende rationale Erkaltung der Welt, wie sie andererseits – so bei Wagner – die perennierende Irrationalität des Gesamtzustandes womöglich rechtfertigt.

Max Weber, Autor des bislang umfassendsten und anspruchsvollsten Entwurfs einer Musiksoziologie – er findet sich jetzt als Anhang abgedruckt in der Neuausgabe von ›Wirtschaft und Gesellschaft‹ –, hat die Kategorie der Rationalisierung als die musiksoziologisch entscheidende hervorgehoben und damit dem herrschenden Irrationalismus in der Ansicht von der Musik entgegengearbeitet, ohne daß im übrigen seine reich belegte These an der bürgerlichen Musikreligion viel geändert hätte. Fraglos ist die Geschichte der Musik eine fortschreitender Rationalisierung. Sie hatte Stufen wie die Guidonische Reform, die Einführung der Mensuralnotation, die Erfindung des Generalbasses, der temperierten Stimmung, schließlich die seit Bach unaufhaltsame, heute zum Extrem gediehene Tendenz zur integralen musikalischen Konstruktion. Doch bezeichnet die Rationalisierung – unablösbar vom geschichtlichen Prozeß der Verbürgerlichung der Musik – nur einen ihrer gesellschaftlichen Aspekte, so wie Rationalität selber, Aufklärung, nur ein Moment in der Geschichte der stets noch irrationalen, ›naturwüchsigen‹ Gesellschaft abgibt. Innerhalb der Gesamtentwicklung, an der sie in fortschreitender Rationalität teilhatte, war Musik doch immer zugleich auch die Stimme dessen, was auf der Bahn jener Rationalität zurückblieb oder ihr zum Opfer fiel. Das nennt nicht nur den zentralen gesellschaftlichen Widerspruch von Musik selbst, sondern auch die Spannung, aus der musikalische Produktivität bislang lebte. Durch ihr pures Material ist Musik die Kunst, in der die vorrationalen, mimetischen Impulse unabdingbar sich behaupten und zugleich in Konstellation treten mit den Zügen fortschreitender Natur- und Materialbeherrschung. Dem dankt sie jene Transzendenz über den Betrieb bloßer Selbsterhaltung, die Schopenhauer dazu veranlaßte, sie in der Hierarchie der Künste als unmittelbare Objektivation des Willens am höchsten zu stellen. Wenn irgendwo, dann reicht sie in der Tat dadurch über die bloße Wiederholung dessen, was ohnehin geschieht, hinaus. Zugleich aber wird sie eben dadurch auch tauglich zur stetigen Reproduktion der Dummheit. Wodurch sie mehr ist als Ideologie, ist ihrem ideologischen Unwesen am nächsten. Als gehegte irrationale Sonderzone inmitten der rationalisierten Welt wird sie zum schlechterdings Negativen, so wie es die gegenwärtige Kulturindustrie rational plant, produziert, verwaltet. Die bis zum äußersten kalkulierte Irrationalität ihrer Wirkung, welche die Menschen bei der Stange halten will, parodiert jenen Einspruch gegen die Vorherrschaft des klassifikatorischen Begriffs, dessen Musik einzig dort mächtig ist, wo sie selbst, wie die großen Komponisten seit Monteverdi, der Disziplin von Rationalität sich unterwirft. Nur kraft solcher Rationalität geht sie über diese hinaus.

In Phänomenen wie der gesellschaftlich manipulierten Irrationalität von Musik drückt sich der sozial weit umfassendere Tatbestand des Vorrangs der Produktion aus. Musiksoziologische Untersuchungen, welche die Schwierigkeiten der Produktionsanalyse umgehen möchten, indem sie an die Sphären der Distribution und des Konsums sich halten, bewegen sich damit bereits innerhalb jenes Marktmechanismus, sanktionieren jenen Primat des Warencharakters in der Musik, den aufzuhellen der Musiksoziologie sich geziemte. Empirische Untersuchungen, die von Hörerreaktionen als dem letzten und fest gegebenen wissenschaftlichen Material ausgehen, werden unwahr, weil sie diese Reaktionen nicht als das begreifen, wozu sie wesentlich zumindest geworden sind, als Funktionen der Produktion. Dabei ist mittlerweile, im Gesamtbereich der konsumierten Musik, ein nach dem Muster industrieller Verfahren organisierter und gesteuerter Produktionsprozeß an Stelle dessen getreten, was vom Begriff künstlerischer Produktion gemeint ward. Überdies sind die Schwierigkeiten, der sozialen Wirkungen von Musik sich zu versichern, kaum geringer als die, welche die Einsicht in ihren immanenten sozialen Gehalt bereitet. Denn was ermittelt werden kann, sind die Meinungen Befragter über die Musik und über ihr eigenes Verhältnis zu ihr. Diese Meinungen aber, durch soziale Mechanismen wie Selektion des Dargebotenen und Propaganda präformiert, bleiben unmaßgeblich für die Sache selbst. Was Befragte über ihre Beziehung zu Musik meinen, zumal wie sie es verbalisieren, reicht nicht einmal an das heran, was subjektiv – individuell und sozialpsychologisch – sich zuträgt. Äußern sie etwa, sie liebten an einer Musik besonders die Melodie oder den Rhythmus, so verbinden sie mit solchen Worten kaum eine sachgerechte Vorstellung und substituieren für die Begriffe deren vag-konventionellen Gehalt, für Rhythmus also die Wechselwirkung von starrer Zählzeit und synkopischen Abweichungen, für Melodie die nach achttaktigen Perioden gegliederte, leicht auffaßbare Oberstimme. Introspektion ist bei der Erfahrung von Musik für den, welcher nicht ihrer spezifischen Disziplin sich unterzog und überdies zur Selbstbetrachtung exzeptionell befähigt und geschult ist, äußerst problematisch. Handfeste experimentelle Methoden jedoch, welche jener Problematik durch Zählen und Messen zu entrinnen hoffen, führen nicht weiter. Ob der Pulsschlag eines Musikhörenden sich beschleunigt, und ähnliches, bleibt gegenüber dem spezifischen Verhältnis zu gehörter Musik ganz abstrakt. Sucht man von Apparaten wie dem von Frank Stanton im Rahmen des Princeton Radio Research Project entwickelten Program Analyzer abzulesen, auf welche Stellen einer Musik positiv oder negativ angesprochen wird, so setzt ein solches Verfahren eben jenen Typus eines zugleich atomistischen und dinghaften Hörens, das Registrieren von Musik als einer Summe sensueller Reize voraus, das seinerseits erst zu erforschen wäre. Die Primitivität von dergleichen Versuchsanordnungen versäumt die Komplexität des Ansprechens auch auf primitivste musikalische Gebilde; die Exaktheit der Methode wird zum Fetisch, der über die Irrelevanz dessen betrügt, was mit ihr sich eruieren läßt. Damit soll den musiksoziologischen Laboratoriumstechniken keineswegs jeglicher Erkenntniswert abgesprochen werden: in mancher Hinsicht sind sie ihren Opfern auf den Leib geschrieben. Für die quantitative Einschätzung gesellschaftlicher Verhaltungsweisen zur Musik mögen sie nützlich sein; selbst dann aber nur, wofern die soziologische Analyse sie mit dem Sinn dessen konfrontiert, worauf reagiert wird, und die objektiven gesellschaftlichen Bedingungen solcher Wirkungen studiert.

Indessen ist der Begriff der Produktion weder absolut zu setzen noch mit der gesellschaftlichen Produktion von Gütern ohne weiteres zu identifizieren. Daß in der Musik überhaupt eine besondere Produktionssphäre sich herausgebildet und gegenüber Reproduktion und Konsum verselbständigt hat, ist selbst Folge eines gesellschaftlichen Prozesses, dessen der Verbürgerlichung. Er steht im Zusammenhang mit Kategorien wie der Autonomie des Subjekts einerseits, der Verselbständigung der Ware und ihres Wertes andererseits. Vor allem wurde durch gesellschaftliche Arbeitsteilung die musikalische Produktion von anderen musikalischen Prozessen geschieden. Das erst ermöglichte die große Musik der letzten 350 Jahre – ein Tatbestand, der gerade von naiven gesellschaftlichen Erwägungen übersehen wird, welche jene Verselbständigung der Produktion um des Idols musikalischer Unmittelbarkeit willen revozieren möchten. Produktion in Musik ist nicht in vergleichbarem Sinn ›ursprünglich‹ wie die Produktion von Lebensmitteln für die Selbsterhaltung der Gesellschaft, sondern ein spät Entsprungenes. Sie hat aber geschichtlich einen Primat erlangt, den die aktuelle Musiksoziologie nicht verleugnen darf. Dabei sind in der Produktion Momente wie die Autonomie des Ausdrucksbedürfnisses und zumal die objektive Logik der Sache, der der Komponist folgt, abzuheben von den Gesetzen der Warenproduktion für den Markt, die während der gesamten bürgerlichen Epoche hereinspielen und insgeheim bis in die sublimsten ästhetischen Momente reichen. Die Spannung beider Momente rechnet zum Wesentlichsten innerhalb der musikalischen Produktionssphäre. Sie haben nicht nur einander entgegenwirkt, sondern waren auch insofern durcheinander vermittelt, als jedenfalls über erhebliche Zeiträume gerade die Autonomie des Gebildes im Namen der Reinheit der Kunst und des Rechts der Individualität gesellschaftlich honoriert wurde; noch die Freiheit der Musik von gesellschaftlichen Zwecken hat sich kraft der Gesellschaft gesteigert. Erst heute, da die gesamte musikalische Kultur tendenziell von Verwaltung übernommen wird, scheint jene Freiheit kassiert zu werden, so wie die Entwicklungstendenz der Musik selber wider ihre Freiheit sich kehrt. Bereits der Individualismus der hochbürgerlichen Musik ist nicht à la lettre zu nehmen. Sie ist nicht nach dem Modell des Privateigentums zu konstruieren, als ob große Komponisten sie beliebig derart modelten, wie sie psychologisch nun einmal geartet sind. Wie jedem produktiven Künstler, so ›gehört‹ auch dem Komponisten unvergleichlich viel weniger von seinem Gebilde als die vulgäre, stets noch am Geniebegriff orientierte Ansicht Wort haben will. Je höher geartet ein musikalisches Gebilde, desto mehr verhält sich der Komponist als dessen Vollzugsorgan, als einer, der dem gehorcht, was die Sache von ihm will. Der Spruch Hans Sachsens aus den Meistersingern, der Komponist stelle die Regel sich selbst und folge ihr dann, bezeugt das dämmernde Selbstbewußtsein davon und zugleich den gesellschaftlichen ›Nominalismus‹ der Moderne, der keine substantiell bestätigte künstlerische Ordnung mehr vorgegeben ist. Aber noch die selbstgestellte Regel ist eine solche bloß dem Schein nach. Sie reflektiert in Wahrheit den objektiven Stand des Materials und der Formen. Beide sind in sich gesellschaftlich vermittelt. Der Weg in ihr Inneres ist der einzige zu ihrer gesellschaftlichen Erkenntnis. Die Subjektivität des Komponisten addiert sich nicht zu den objektiven Bedingungen und Desideraten. Sie bewährt sich gerade darin, daß er den eigenen Impuls, der freilich nicht weggedacht werden kann, in jene Objektivität aufhebt. Nicht nur ist er damit an objektive gesellschaftliche Voraussetzungen der Produktion gefesselt, sondern seine eigentliche Leistung, die einer Art logischen Synthesis eigenen Wesens, das Allersubjektivste an ihm, ist schließlich selbst noch gesellschaftlich. Das kompositorische Subjekt ist kein individuelles sondern ein kollektives. Aller Musik, und wäre es die dem Stil nach individualistischeste, eignet unabdingbar ein kollektiver Gehalt: jeder Klang allein schon sagt Wir.

Dieser kollektive Gehalt indessen ist kaum je der einer bestimmten Klasse oder Gruppe. Versuche, Musik auf ihre soziale Zuständigkeit zu fixieren, haben etwas Dogmatisches. Weder Herkunft noch Biographie eines Komponisten noch auch selbst die Wirkung von Musik auf eine besondere Schicht besagen soziologisch etwas Zwingendes. Die gesellschaftliche Gestik der Musik von Chopin ist – in einer Weise, deren konkrete Physiognomik noch zu entwerfen wäre – aristokratisch; ihre Popularität aber rührt gerade von diesem aristokratischen Gestus her. Sie verwandelt gewissermaßen den Bürger, der in ihrer wohllautenden Melancholie sich selbst vernehmen möchte, in den Edelmann. Bürgerlich ist die heute lebendige Musik insgesamt; vorbürgerliche wird nur aus historischer Gesinnung exekutiert, und die Ansprüche des Ostblocks, was dort hergestellt wird, töne aus dem Sozialismus, widerlegen sich am Ertönenden selbst, das durchweg spätromantisch-spießbürgerliche Clichés aufwärmt und sorgsam alles vermeidet, wodurch Musik von konformistischen Konsumbedürfnissen abweicht. Wohl aber reflektiert Musik in sich die Tendenzen und Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft als einer Totalität. Die Idee der dynamischen Einheit, des Ganzen in traditioneller großer Musik war keine andere als die der Gesellschaft selbst. Ungeschieden liegt in ihr die Spiegelung des gesellschaftlichen Treibens – schließlich des Produktionsprozesses – ineinander mit der Utopie eines solidarischen ›Vereins freier Menschen‹. Der aller großen Musik bis heute unlösbare Widerspruch des Allgemeinen und Besonderen jedoch – und der Rang von Musik mißt sich gerade danach, ob sie diesen Widerspruch formend ausdrückt und schließlich ihn doch wiederum hervortreten läßt, anstatt ihn durch Fassadenharmonie zu verstecken – ist kein anderer, als daß real das partikulare Interesse und die Menschheit auseinanderweisen. Musik transzendiert die Gesellschaft, indem sie durch ihre eigene Gestaltung dem zum Laut verhilft und zugleich das Unversöhnliche im vorwegnehmenden Bilde versöhnt. Je tiefer aber sie daran sich verliert, um so mehr entfremdet sie seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, dem Tristan, sich dem Einverständnis mit der bestehenden Gesellschaft. Macht sie sich von sich aus zu einem Begehrten, gesellschaftlich Nützlichen, von dem die Menschen etwas haben, so verrät sie dem eigenen Wahrheitsgehalt nach die Menschen. Ihr Verhältnis zum Gebrauchswert ist, wie das jeglicher Kunst heute, durch und durch dialektisch.

Sind Zurechnungen der musikalischen Produktion zu gesellschaftlichen Einzelinteressen und -tendenzen fragwürdig, so lassen sich doch spezifisch gesellschaftliche Charaktere an traditioneller Musik wahrnehmen. Man wird so wenig den im übrigen etwas forcierten Ton geborgener Gutbürgerlichkeit bei Mendelssohn überhören wie ein fortgeschrittener Großbürgerliches an Richard Strauss, seinen intuitionistischen, der Pedanterie des Systems eingeschliffener musikalischer Logik abholden élan vital, gepaart mit einer gewissen Brutalität, einem Bodensatz des Ordinären, ähnlich der expansionistischen Gesinnung des deutschen industriellen Großbürgertums. Freiheit von Enge und Muff verbindet sich mit imperialistischer Rücksichtslosigkeit. So zwingend indessen derartige physiognomische Beobachtungen sind – und ihr Erkenntniswert dürfte immerhin den gesicherter musikstatistischer Daten übertreffen –, so schwer sind sie nach wie vor den etablierten wissenschaftlichen Spielregeln kommensurabel zu machen. Gerade hier muß Musiksoziologie die Fähigkeit zum immanenten musikalischen Mitvollzug kombinieren mit der Souveränität, das Phänomen von außen her zu verfremden und damit gesellschaftlich durchsichtig zu machen. Physiognomischer Blick für den gesellschaftlichen Ausdruck künstlerischer Formensprachen ist ein notwendiges Moment musiksoziologischer Erkenntnis. Ihr dürfte zum Kanon dienen, daß alle musikalischen Formen, alle musiksprachlichen und -materialen Elemente selber einmal Inhalte waren; daß sie von Gesellschaftlichem zeugen und von dem betrachtend-insistierenden Blick als gesellschaftliche wieder erweckt werden müssen. Er kann dabei sich nicht auf den gesellschaftlichen Ursprung jener Elemente, auf den Zusammenhang mit Lied und Tanz etwa, beschränken, sondern gilt vor allem den Tendenzen, welche diese ursprünglich inhaltlichen, gesellschaftlich-funktionalen Elemente in kompositorisch-formale verwandelt und weitergetrieben haben.

Diese Tendenzen sind komplex. Einmal beziehen sie sich auf die immanent-musikalische, gleichsam autonome Entwicklung, ähnlich wie die Geschichte der Philosophie einen in sich relativ geschlossenen Problemzusammenhang darstellt. Dieser Aspekt der Musiksoziologie deckt sich am ehesten mit ›Geistesgeschichte‹, nur daß er nicht sowohl mit dem subjektiv vom Komponisten Vermeinten ›verstehend‹ sich beschäftigt als mit der technischen Objektivität und ihren Postulaten. Die autonom-musikalische Entwicklung stellt fensterlos, lediglich durch die eigene Konsequenz, wie die Leibnizische Monade das Ganze vor. So drückt die in Forderungen der rein kompositorischen Stimmigkeit sich entfaltende integrale Kompositionsweise die Integrationstendenzen der bürgerlichen Gesellschaft durch den eigenen Verlauf aus, weil ihre latent beherrschenden Kategorien identisch sind mit denen des bürgerlichen Geistes, ohne daß dabei soziale Einwirkungen von außen stets zu postulieren wären. Andererseits jedoch – und das bringt die Musiksoziologie in Gegensatz zur bloßen Geistesgeschichte – verläuft jener immanent-musikalische Motivationszusammenhang, dessen gesellschaftliche Implikationen jeweils zu extrapolieren sind, doch nicht durchaus geschlossen. Musik entfaltet sich nach ihrem eigenen Gesetz, einem insgeheim gesellschaftlichen, und wiederum nicht nur nach diesem, sondern wird selber durch gesellschaftliche Kraftfelder bewegt und abgelenkt. Insofern bildet sie keine bruchlos verstehbare Einheit des Sinnes, kein Kontinuum. Der galante Stil im früheren achtzehnten Jahrhundert, der Bach und den von ihm erreichten Stand musikalischer Materialbeherrschung verdrängte, ist nicht aus der musikalischen Logik zu begründen, sondern vom Konsum her, den Bedürfnissen einer bürgerlichen Kundenschicht. Ebensowenig folgen die Neuerungen von Hector Berlioz aus der Konsequenz von Beethovens Kompositionsproblemen, sondern sind weit eher determiniert von den außerhalb der Musik aufkommenden industriellen Verfahrensarten, einer gegenüber der klassizistischen Kompositionskunst radikal veränderten Vorstellung von Technik. In ihm und den an ihn spezifisch anschließenden Komponisten, Liszt und später Richard Strauss, sind die Errungenschaften des Wiener Klassizismus ähnlich vergessen, wie dieser die Bachischen vergessen hatte. Solche Brüche sind in ebenso hohem Maße Gegenstand von Musiksoziologie wie die in sich einheitlichen Tendenzen, und das Verhältnis beider Momente wäre nicht der letzte unter ihren Gegenständen. Generell dürfte gerade vermöge solcher Brüche, also durch Diskontinuität, nicht unmittelbar, die große gesellschaftliche Gesamttendenz der Musik sich durchsetzen. Damit entfällt eine geradlinige Vorstellung vom musikalischen Fortschritt. Sie kann ohnehin sich bloß auf den Stand der rationalen Materialbeherrschung, nicht auf die musikalische Qualität der Werke an sich beziehen, die zwar mit jenem Stand verwachsen ist, keineswegs aber stets eins mit ihm. Jedoch selbst die Materialbeherrschung steigt in einer Spiralbewegung an, die erst von einer Erkenntnis begriffen ist, die auch dessen gedenkt, was verloren geht oder auf dem Weg liegen bleibt. Einer solchen Konzeption sind überhaupt Antinomien, notwendige Widersprüche die Fermente gesellschaftlicher Erkenntnis. Die Unstimmigkeiten in den technischen Verfahrungsweisen eines Komponisten vom obersten Formniveau wie Richard Wagner bekunden die gesellschaftlich vorgezeichnete Unmöglichkeit dessen, was ihm vorschwebte, eines kultisch die bürgerliche Gesellschaft zusammenfassenden Kunstwerkes, und damit die Unwahrheit des objektiven Gehalts seiner Gebilde selbst: an ihnen läßt sein ideologisches Wesen sich greifen. Die Reduktion großer, gelungener Musik auf Gesellschaft ist so fragwürdig wie die eines jeglichen Wahren; jedes Mißlingen aber, das nicht bloß von der Zufälligkeit des Talents herrührt, sondern in seiner Zwangsläufigkeit einsichtig wird, indiziert Gesellschaftliches. Auch beim Begriff des Talents darf Musiksoziologie nicht wie bei dem einer Naturgegebenheit verharren. Die Epochen und gesellschaftlichen Strukturen bringen tendenziell jene Begabungen hervor, die ihnen selbst, sei's auch kritisch, angemessen sind. Die gegenwärtigen, zum Extrem getriebenen und vom Schatten der Verdinglichung begleiteten musikalischen Integrationsversuche folgen nicht nur aus dem Stand des Materials und den von der Wiener Schule Schönbergs ausgebildeten Verfahrungsweisen, sondern harmonieren zugleich mit der verwalteten Welt, die sie, ohne Bewußtsein davon, gleichsam abbilden und freilich, indem sie sie benennen, auch übersteigen. Maß der gesellschaftlichen Wahrheit von Musik heute ist, daß sie ihrem Gehalt nach, der an ihrer immanenten Konstitution haftet, in Gegensatz tritt zu der Gesellschaft, in der sie entspringt und in der sie steht: daß sie selber, in einem wie immer auch vermittelten Sinn, ›kritisch‹ wird. Zuzeiten, etwa in der Epoche, welche man die des aufsteigenden Bürgertums zu nennen liebt, war das möglich, ohne daß die soziale Kommunikation dadurch abgeschnitten wurde. Die Neunte Symphonie durfte die Einheit dessen verkünden, was die Mode streng geteilt hat, und doch ihr Publikum finden. Unterdessen besteht wohl ein unmittelbares Verhältnis zwischen der gesellschaftlichen Isolierung von Musik und dem Ernst ihres objektiven gesellschaftlichen Gehalts, ohne daß freilich die Isolierung als solche, in der sie sich mit purem Unsinn begegnen kann, jenen gesellschaftlichen Gehalt verbürgte.

Die soziologische Interpretation von Musik ist um so adäquater möglich, je höher die Musik rangiert. Bei simpler, regressiver, nichtiger wird die Interpretation fragwürdig. Was einem Schlager in der Gunst des Publikums vor einem anderen den Vorzug verschafft, ist mühsamer zu fassen, als etwa die gesellschaftlichen Stellenwerte der Rezeption verschiedener Werke Beethovens voneinander zu differenzieren. Während die insbesondere im Zusammenhang mit dem Radio Research ausgebildeten administrativen Forschungsverfahren, wie sie in Amerika auf die leichte Musik angewandt werden, diese als ein monopolistisch Verwaltetes marktanalytisch genau treffen, ist bis heute das Banalste, in seiner gesellschaftlichen Existenz und Wirkung, das Rätselhafteste. Hierher rechnet die von dem Wiener Theoretiker Erwin Ratz aufgeworfene Frage, wieso eigentlich Musik gemein sein kann, ja, was Banalität ästhetisch und sozial überhaupt sei. Ihre Beantwortung fordert freilich auch die der entgegengesetzten: wie Musik es vermag, jenem Betrieb des bloß Seienden zu eintragen, dem sie doch selbst wiederum die Möglichkeit des eigenen Daseins verdankt. Die heute institutionalisierte und durch Verwaltungskategorien wie die der U-Musik gekennzeichnete Zweiteilung in das Ernste und das Leichte, in Kategorien, die einander starr und unversöhnlich gegenüberstehen, bedarf in ihren verschiedenen Stufen der gesellschaftlichen Interpretation. Sie entspricht jenem seit der Antike etablierten Bruch hoher und niedriger Kunst, der nicht weniger bezeugt als das Mißlingen aller Kultur in der bisherigen Gesellschaft. Am Ende schickt die Kulturindustrie sich an, Musik insgesamt in ihre Regie zu nehmen. Selbst die, welche anders ist, überdauert ökonomisch und damit gesellschaftlich einzig noch im Schutz der Kulturindustrie, der sie opponiert – einer der flagrantesten Widersprüche in der gesellschaftlichen Lage von Musik. Durch die zentralistische Erfassung wird zwar vermutlich die untere Musik – etwa dank der raffinierteren Jazz-Praktiken – auf den Stand der Technik gebracht, ähnlich wie im gegenwärtigen Kino dessen krud barbarische Elemente. Zugleich aber wird Musik von der herrschenden Verwaltung auf jene Warenproduktion nivelliert, die sich hinter dem Willen der Konsumenten versteckt, der freilich, als manipulierter und reproduzierter, mit der Tendenz der Verwaltung konvergiert. Musik gleicht, als Sparte von Freizeitgestaltung, dem sich an, wovon abzuweichen ihren eigenen Sinn ausmacht: das ist ihre soziologische Prognose. Der Widerspruch mit sich selbst, in dem sie sich verfängt, straft die Integration von Produktion, Reproduktion und Konsum Lügen, die sich anbahnt. Die Einheit der gegenwärtigen Musikkultur als eine der Kulturindustrie ist die vollkommene Selbstentfremdung. So wenig toleriert sie mehr etwas, was nicht von ihr gestempelt wäre, daß sie den Konsumenten nicht einmal länger bewußt wird. Erreicht ist die falsche Versöhnung. Was nah wäre, das »Bewußtsein von Nöten«, wird zum unerträglich Fremden. Das Fremdeste aber, das die Maschinerie den Menschen einhämmert und das nichts von ihnen selbst mehr enthält, rückt ihnen auf den Leib und in die Seele als unausweichlich Nächstes.

 

Bürgerliche Oper

 

Gedanken über das Theater heute um die Oper zu zentrieren, rechtfertigt sich gewiß nicht aus deren unmittelbarer Aktualität. Nicht bloß ist die Krise der Form in Deutschland seit dreißig Jahren – also seit der großen Wirtschaftskrise – allgemein bekannt und permanent. Nicht bloß ward Stellung und Funktion der Oper in der gegenwärtigen Gesellschaft fraglich. Sondern darüber hinaus hat die Oper an sich, ohne Rücksicht auf ihre Rezeption, einen Aspekt des Peripheren und Gleichgültigen angenommen, der nur einigermaßen gewaltsam durch Neuerungsversuche bekämpft wird, die kaum zufällig, zumal im musikalischen Medium selber, meist auf halbem Wege stehen bleiben. Von der Oper zu reden, ziemt sich weit eher deshalb, weils sie in mehr als einer Hinsicht einen Prototyp des Theatralischen setzt, und zwar gerade dessen, was heute erschüttert ist. An ihr treten im Zerfall Momente hervor, die zur Grundschicht der Bühne gehören. Sie lassen sich vielleicht am drastischesten am Verhältnis zum Kostüm erfahren. Das Kostüm ist ihr wesentlich: eine Oper ohne Kostüm wäre, im Gegensatz zum Schauspiel, paradox. Sind schon die Gesten der Sänger selbst, die sie oft gleichwie aus dem Fundus mitbringen, ein Stück Kostüm, so ist es vollends ihre Stimme, die der natürliche Mensch, sobald er die Opernbühne betritt, gewissermaßen anlegt. Der amerikanische Ausdruck ›cloak and dagger‹, die Idee der Szene, in der zwei Liebende sich ansingen, während hinter den Säulen rechts und links die Mörder lauern, drückt exzentrisch etwas von der Sache selbst aus, jene Aura der Verstellung, des Mimens, wie sie das Kind ins Theater zieht, nicht weil es ein Kunstwerk sehen, sondern weil es die Lust am Dissimulieren bestätigt finden möchte. Je näher die Oper ihrer eigenen Parodie, um so näher ist sie zugleich ihrem eigensten Element.

Das mag erklären, daß manche der authentischesten Opern, wie der Freischütz, aber auch Zauberflöte und Troubadour, ihr wahres Heimatrecht in der Kindervorstellung haben und den Erwachsenen beschämen, der sich zu gescheit für sie vorkommt, bloß weil er ihre Bildersprache nicht mehr versteht. Spuren dieses Opernelements haften aber an jedem großen Theater, und wo sie wie die letzte Erinnerung an den grünen Wagen der Vergeistigung zum Opfer fielen, entsteht ein Mißverhältnis zum Akt des Theaterspielens selbst, ohne daß doch das Gebot der Vergeistigung durch den Aufruf zur Naivetät zu sistieren wäre. Ein solcher Aufruf war schon die Rede des Direktors aus dem Vorspiel auf dem Theater, und darum unterwirft Goethe sie der Ironie. Der Faust balanciert auf dem schmalen Grat des Naiven und Spirituellen, und spricht das Bewußtsein davon aus. An den mächtigsten und geistigsten Gebilden, die dem Theater vermacht sind, wie dem Hamlet, kann man jenes Opernhaften, eines Zuges von Simone Boccanegra gleichsam, innewerden, und wäre es getilgt, so bliebe wohl der Wahrheitsgehalt des Trauerspiels von Individuation und Entfremdung ohnmächtig.

Die Oper wird beherrscht vom Element des Scheins, wie Benjamins Ästhetik es in Gegensatz zu dem des Spiels gerückt hat. Der Ausdruck Spieloper für eine Sondergattung bezeugt gerade den Primat des Scheins, indem er als Charakteristikum hervorhebt, was sonst zurücktritt. Die Opernkrise ist erreicht, weil die Form ihres Scheins sich nicht entäußern kann, ohne sich selbst preiszugeben, und es doch wollen muß. Die Oper stößt auf die ästhetische Grenze der Versachlichung. Bietet man etwa, gewitzigt durch ungezählte Kulissenwitze, einen Lohengrin, in dem der Schwan durch ein Lichtbündel ersetzt ist, so wird damit die Voraussetzung des Ganzen derart angegriffen, daß es sich erübrigt. Läßt sich das Fabeltier nicht mehr ertragen, so rebelliert man gegen den Phantasiehorizont der Handlung, und der abstrakte Schwan hebt das noch eigens hervor. Mit Recht fühlt sich das Kind ums Beste betrogen, das den Freischütz besucht und die Wolfsschlucht auf Natursymbolik heruntergebracht findet. Unabwendbar droht der versachlichten Oper das Kunstgewerbe, die Stilisierung als Ersatz des zerbröckelten Stils; Modernität, welche in die Sache nicht wirklich eingreift, wird zur bloßen Aufmachung, zum Modernismus; gleichwohl aber sieht sich der Opernregisseur zu allerlei verzweifelten Eingriffen immer wieder gedrängt.

Die Grenzen der Versachlichung zeigen sich aber noch drastischer in der Produktion als in der mise en scène. Als man vor mehr als sechzig Jahren mit der Versachlichung der Oper im Namen des Verismus anfing, hat man in aller Unschuld am ›cloak and dagger‹-Prinzip festgehalten; ›Cavalleria‹ und ›Bajazzo‹ bieten da einiges. Aber auch die neue Musik, in der die Oper sich selbst reflektiert, hat jene Schranke nicht übersprungen. Nicht bloß ist Schönberg als Opernkomponist, der Ästhetik wie dem Verhältnis zum Text nach, im Bereich der Ausdrucksoper und damit der ›musica ficta‹, des Scheins verblieben, sondern auch Alban Berg, doch wohl bis heute der einzige primäre Opernkomponist im neuen Jahrhundert, hat das illusionäre als ein dem empirischen Dasein gegenüber distanziertes Wesen der Oper kunstvoll und mit den subtilsten Fingerspitzen bewahrt. Im ›Wozzeck‹ bereitet die monologische Abgespaltenheit des halb wahnsinnigen Helden ein Medium traumhafter Verschiebung, in dem das Schauspiel des Sonnenuntergangs und die imaginäre Verschwörung der Freimaurer ineinanderspielen; ›Lulu‹ stilisiert sich nach dem Zirkus hin, im Sinne Wedekinds, in dem selber etwas von der Oper, nämlich das Bewußtsein der Stummheit des gesprochenen Wortes lebte, und der Koloratursopran Lulus muß ein Ballett der Stimme aufführen, das jede Identifikation der Vorgänge mit den alltäglichen verhindert und freilich damit die Aufführung eminent erschwert. Übrigens hat Strawinsky, der mit Grund der Oper auswich und sie am Ende durch bloße Stilkopie zu bewältigen unternahm, in seinen produktivsten szenischen Werken, dem ›Renard‹ und der ›Histoire du Soldat‹, ebenfalls, wohl unter dem Einfluß der kubistischen Maler, sich mit dem Zirkus eingelassen, als einer zugleich, nach Wedekinds Ausdruck, »körperlichen«, also dem Banne des Ausdrucks entzogenen und doch von der empirischen Realität ganz abgesetzten Kunst. Gerade wo die Oper um Identifikation mit jener Realität, um die handfeste Darstellung etwa sogenannter sozialer Probleme sich bemüht – wie einmal in Max Brands ›Maschinisten Hopkins‹ – verfällt sie hilflosem und kitschigem Symbolisieren.

Die Schranke der Versachlichung der Oper hat vielleicht am drastischesten dort sich gezeigt, wo ein Todfeind der Romantik wie Brecht, der seinerzeit selbst über Hindemiths konzertanten ›Cardillac‹ urteilte: »Das ist Tannhäuser«, an der Oper sich interessierte. Er hat damals mit Kurt Weill technisch-dramaturgisch die Frage aufgeworfen, ob Musik für die Szene ›kalt‹ zu sein oder die Vorgänge zu ›erwärmen‹ habe, und beide haben sich für das letztere entschieden und in Gebilden wie der ›Dreigroschenoper‹ den Ausdruck, sei es auch als zerfetzten und parodistischen, an seiner Stelle gelassen – vermutlich die wesentliche Bedingung für den breiten Publikumserfolg, einen der letzten, der einem zumindest der Dramaturgie nach avantgardistischen Werk des musikalischen Theaters bis heute zuteil wurde.

Aber man verfehlte das Wesen der Oper ebenso wie das des Romantischen, wenn man sie um jenes Elements willen eine schlechterdings romantische Form nennen wollte. Hat doch ihre Geschichte an all jenen Differenzierungen des Stils teilgehabt, die unter Begriffe wie klassisch und romantisch subsumiert werden. Selbst das Wagnerische Musikdrama, das von der Musikhistorie der Spätromantik zugezählt wird, ist voll antiromantischer Züge, unter denen der technologische vielleicht den Primat einnimmt. Angemessen wäre es, die Oper als die spezifisch bürgerliche Form zu deuten, welche paradox inmitten der entzauberten Welt mit deren Mitteln das magische Element der Kunst zu bewahren trachtet. Die These von der Bürgerlichkeit der Oper klingt provokatorisch aus mehr als einem Grunde. Denn die ästhetische Gesamttendenz des bürgerlichen Zeitalters war ja, seit Prospero den Zauberstab niederlegte, Don Quixote den Wesenheiten in Windmühlen begegnete, die umgekehrte, die desillusionierende. Aber die, wenn man so sagen darf, positivistische Tendenz der bürgerlichen Kunst hat nie rein und unumstritten geherrscht. Wie der ästhetische Zauber selber etwas von Aufklärung in sich enthält, indem er des Anspruchs auf unmittelbare Wahrheit sich begibt und den Schein als Sondersphäre sanktioniert, so hat die bürgerliche Kunst, um als Kunst überhaupt möglich zu sein, die Magie verwandelnd aus sich heraus wiederum hervorgebracht, und die Oper war dazu um so tauglicher, als Musik selbst das bloße Dasein erhöht, auf das sie auftrifft. Aus der Ostentation, dem Urbild allen Opernscheins, sind im Zusammenhang der Verbürgerlichung der Kunst auch andere Gattungen entsprungen, nach jüngeren Theorien sogar der Typus der Kathedrale; Horkheimer hat in der Arbeit ›Egoismus und Freiheitsbewegung‹ die bedeutende Rolle des Prunks für alle bürgerliche Ideologie dargestellt, in dem man vielleicht eine Säkularisierung oder ein Substitut kultisch ritualen Gepränges sehen darf. Die säkulare Ostentation, gleichsam die materielle Darstellung der irrationalen Macht und Größe der Klasse, die zugleich Irrationalität selber mit dem Bann belegte, ist der Oper zumindest von einer frühen Stufe ihrer Entwicklung an bis zu Richard Strauss wesentlich gewesen; das kostümhafte Element der Oper ist von dem ostentativen kaum zu trennen.

Auch historisch hat man Anlaß, die Oper eher dem Bürgertum zuzurechnen als der feudalen oder höfischen Kultur, mit der sie das Convenu zusammenbringt. Allein schon klangliche Fülle und chorische Massen verweisen auf einen unvergleichlich viel weiteren Kreis als den aristokratischen, der das Privileg des Proszeniums behauptete, aber das Parkett, den eigentlichen Zuschauerraum der Oper, den Bürgerlichen überließ. Man könnte wohl fragen, ob es im strengen Sinne eine feudale oder aristokratische Kunst überhaupt je gegeben hat; ob nicht die feudalen als Verächter aller handwerklichen Arbeit sie allzeit von Bürgerlichen herstellen ließen, und ob nicht stets in der Kunst die Hegelsche Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft sich durchsetzte, welche dem, der am Gegenstand arbeitet, auch die Verfügung über diesen zuweist, so daß die im allerhöchsten Auftrag arbeitenden bürgerlichen Künstler mehr ihresgleichen meinten als die Auftraggeber selbst. Die Abbildung feudaler Verhältnisse, wie sie seit homerischen Zeiten die Kunstwerke vollziehen, setzt bereits voraus, daß diese Verhältnisse nicht mehr unmittelbar hingenommen werden, sondern in gewisser Weise sich selbst problematisch geworden sind; und so wenig eigentlich Feudale ›restaurativ‹ zu denken pflegen, sondern immer nur, von Platon bis de Maistre, autonome, rational spekulierende Subjekte, die nach Begründungen für den bereits vergangenen Zustand suchen, so wenig können wohl Feudale, die als Könige und Helden die Stoffe der älteren Kunst bilden, jene Stoffe zugleich selbst distanzierend gestalten; Volker von Alzey ist Hagens Freund, aber er ist nicht Hagen.

Die Ursprünge der Oper jedenfalls haben ein Moment rationaler Setzung und Konstruktion, ja des Abrupten, das mit den Vorstellungen von feudalem Traditionalismus nur äußerst schwer sich vereinen ließe. Ähnlich wie späte technologische Formen von der Art des Films verdankt die Oper sich einem Entschluß, der sich zwar auf historische Korrespondenz, auf die Wiederbelebung der antiken Tragödie beruft, der aber, sieht man von der ganz rudimentären Madrigaloper ab, in keine geschichtliche Kontinuität fällt. Literaten haben, wie vor dreißig Jahren Hanns Gutman einen Aufsatz überschrieb, die Oper erfunden, ein Florentiner Kreis von Kennern, Schriftstellern und asketisch-reformistischen Musikern gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts. Die erste Blüte hat dann die Form in der Republik Venedig, also unter den sozialen Bedingungen entfalteter Bürgerlichkeit gefunden, und die ersten großen Opernkomponisten, Monteverdi, Cavalli, Cesti, gehören dorthin; man wird es kaum zufällig finden, daß die deutsche Opernmode durch Reinhard Keiser in der Hansestadt Hamburg aufkam. Das eigentlich höfische Stadium der Oper, das späte siebzehnte und das achtzehnte Jahrhundert, die Welt der Maestri, Primadonnen und Kastraten, die aus der neapolitanischen Schule sich entwickelte, markiert bereits die absolutistische Spätphase, in der gesamtgesellschaftlich die Emanzipation des Bürgertums so weit fortgeschritten war, daß die Oper kaum von diesem sich abkapselte. Um diese Zeit hat dann auch das Bürgertum im Intermezzo stofflich sich den Einlaß auf die musikalische Bühne erzwungen.

Nicht nur die Plötzlichkeit der Erfindung teilt die Oper mit dem Film, sondern auch viele seiner Funktionen. Genannt sei die Ausstellung des Bildungserbes für Massen; auch die Massenhaftigkeit der Mittel, die im Material der Oper teleologisch angelegt war wie im Film, und die der Oper zumindest seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, wenn nicht früher, Ähnlichkeit mit der modernen Kulturindustrie verlieh. Meyerbeer schon hat Religionskriege und historische Staatsaktionen hergerichtet, personalisiert und sie dabei neutralisiert, indem von der Substanz der Konflikte nichts übrig blieb, und Katholiken und Hugenotten der Bartholomäusnacht nebeneinander bewundert werden wie im Panoptikum. Daraus hat dann der Film, zumal der farbige, seinen Kanon gemacht. Es ist, nebenbei gesagt, erstaunlich, wie früh manche der abscheulichsten Unarten, die man der heutigen Kulturindustrie vorhält, in der Oper sich anmelden, dort, wo der naiv Zurückblickende etwas wie die reine Autonomie der Form erwartet; so ist der Text des Freischütz bereits eine ›adaptation‹, wie man sie in Hollywood herstellt, und der script writer Kind hat den tragischen Schluß der zugrunde liegenden schicksalsromantischen Novelle in ein happy end umgebogen, vermutlich mit Rücksicht auf das Biedermeierpublikum, das schon ängstlich darüber wachte, daß die Helden sich auch heiraten. Selbst der Wagnerianer Humperdinck, gesättigt mit der Diffamierung allen kommerziellen Wesens durch die Bayreuther Gründer, hat die Brüder Grimm konsumfähig gemacht, indem die Eltern von Hänsel und Gretel nicht mehr wie im Märchen die Kinder verstoßen, weil der Respekt vorm treusorgenden Vater im späteren neunzehnten Jahrhundert um keinen Preis mehr verletzt werden darf. Es zeigt sich an solchen Fällen, wie tief die Oper als Konsumgut – auch darin dem Film verwandt – mit Spekulationen aufs Publikum verfilzt ist. Man darf sich darüber nicht als über ein bloß Äußerliches im Gedanken an ästhetische Autonomie einfach hinwegsetzen. Der dramatischen Form ist, ihrem eigenen Sinn nach, das Publikum immanent. Absurd wäre der Gedanke an eine Bühne an sich derart, wie die Idee von Gedichten an sich, von Musik an sich ihr Recht hat.

Jener Sinn der Oper jedoch ist, seit den Experimenten der Florentiner, auch im Verlauf ihrer fortschreitenden Säkularisierung an den Mythos gebunden gewesen. Nur meint dies Verhältnis zum Mythos nicht einfach die Nachahmung mythischer Zusammenhänge durch musikalische – es so aufzufassen war vielleicht Wagners Verhängnis –, sondern in der Oper greift Musik in den blinden ausweglosen Naturzusammenhang des Schicksals, wie die abendländischen Mythen ihn darstellen, verändernd ein, und das Publikum wird als Zeuge, wenn nicht gar als Appellationshof angerufen. Der Eingriff ist in einem der großen griechischen Mythen selber vorgedacht, dem von Orpheus, der die furchtbare Herrschaft des Zyklos, an den er Eurydike verlor, durch Musik erweicht, um dem Schicksal selber erst wieder durch den manisch gebannten Blick auf das Bereich zu verfallen, dem er mit Eurydike entrann. Die erste authentische Oper, Monteverdis ›Orfeo‹, hat eben dies zum Vorwurf sich genommen, die Glucksche Reform ist auf Orpheus als auf den Archetypus der Oper zurückgegangen, und man sagt kaum zuviel mit dem Satz, alle Oper sei Orpheus, den nur eben das Wagnerische Musikdrama verleugnet.

Die Opern, welche die Gattung am reinsten erfüllen, rektifizieren fast stets den Mythos durch Musik, und darum gilt mit größerem Recht noch, als daß die Oper am Mythos teilhabe, daß sie an der Aufklärung als gesellschaftlicher Gesamtbewegung teilhat. Nirgends ist das evidenter als an der Zauberflöte, in der Magie dem Freimaurertum sich vermählt, dergestalt, daß die Naturmächte Feuer und Wasser ohnmächtig werden vor dem Laut der Flöte, in dem der Bann des Immergleichen sich löst. Sarastros Sphäre entragt dem Reich der Mütter und seiner vieldeutigen Verschränkung von Recht und Unrecht. Er kennt die Rache nicht, von der zu erlösen der Mythologe und Aufklärer Nietzsche als seinen obersten Willen erklärte. Aber auch die Fanfare des Fidelio vollzieht ritual fast den Augenblick des Einspruchs, der die ewige Hölle des Kerkers aufsprengt und der Herrschaft von Gewalt ihr Ende bereitet. Diese Verschränkung von Mythos und Aufklärung: die der Gefangenschaft in einem blinden und seiner selbst unbewußten System mit der Idee der Freiheit, welche in dessen Mitte aufgeht, definiert das bürgerliche Wesen der Oper. Von diesem Gesellschaftlichen ist ihre Metaphysik nicht etwa abzuheben. Metaphysik ist überhaupt nicht ein Bereich von Invarianz, dessen man habhaft würde, wenn man durch die vergitterten Fenster des Geschichtlichen hinausblickt; sie ist der sei es auch ohnmächtige Schein des Lichts, der ins Gefängnis selber fällt, um so mächtiger, je tiefer ihre Ideen in Geschichte sich einsenken, um so ideologischer, je abstrakter sie ihr gegenübertritt. Die von Philosophie wenig angekränkelte Oper hat davon mehr sich erhalten als das Drama, das seinen metaphysischen Gehalt mit dem Gehalt an Gedankenstoffen kontaminierte und eben darum jenen, die objektiv mit ihm gemeinte Philosophie, an die Philosopheme verlor, die es bloß selber meint.

Die Einheit des Wahrheitsgehalts mit dem geschichtlichen läßt sich handgreiflich an den Opern demonstrieren, deren Texte, oder, wie sie wohl richtiger heißen, Libretti, seit Wagners Kritik in Verruf gerieten, denen des neunzehnten Jahrhunderts. Man wird das Konventionelle, Spektakulöse und vielfach Törichte jener Büchlein so wenig leugnen dürfen wie ihre Affinität zum Markt, den Warencharakter, der sie in der Tat zu Platzhaltern des noch ungeborenen Kinos machte. Man wird aber ebensowenig verkennen, daß die Libretti, die ja keine Literatur sondern Stimuli der Musik sind, gerade kraft ihrer Hörigkeit ans sich selbst verherrlichende und schon imperialistisch begierige Bürgertum in der Idee der Schicksalsverfallenheit, wie sie der ›Troubadour‹ oder die ›Forza del Destino‹ bis zum Lächerlichen treiben, zugleich das antimythologische, aufklärende Moment enthalten, und zwar genau im Verhältnis zu jener säkularisiert mythischen Schicht. Die Gestalt des Antimythologischen in den Libretti des neunzehnten Jahrhunderts ist aber die Exogamie, so wie umgekehrt, und ganz folgerecht, Wagner, der die Oper dem Mythos als Beute auslieferte, ins Zentrum des Opernrituals den Inzest rückte. Schon in Mozarts ›Entführung‹ ist die – hier freilich nur erst redende – Stimme der Humanität die des exotischen Tyrannen, der das europäische Paar in Gewahrsam hält, um es gleich Thoas befriedet zu entlassen. Seitdem hat in der Oper die Liebe zu dem kein Ende, was fremden Blutes oder sonstwie ›draußen‹ ist. Halévys ›Jüdin‹, Meyerbeers ›Afrikanerin‹, die ›Kameliendame‹ in Verdis Version und die ägyptische Prinzessin Aida, Deslibes' Lakmé, dazu noch der Zug der Zigeuner, kulminierend im ›Troubadour‹ und der ›Carmen‹: alles Fremde oder Verfemte, an denen Leidenschaft entflammt und in Konflikt gerät mit der etablierten Ordnung.

Im Vergleich mit diesem Ritual des versuchten Ausbruchs ist der konventionsfeindliche Wagner weit konventioneller geblieben als die von ihm verachteten Librettisten: mit der Urweisheit Wotans »Alles ist nach seiner Art« hat er die Immanenz der bürgerlichen Gesellschaft bekräftigt und jenen Ausbruch versperrt, ja gerade dort ein biologisches Eintopfgericht propagiert, wo sündige Geschwisterpaare scheinbar das Parkett schockieren. Die Verklärung dessen, was bloß nach seiner Art, was bloß da ist, als eines Mysteriums, jene Metaphysik, die er zu Unrecht den Staatsaktionen der großen Oper so überlegen glaubte, hängt genau damit zusammen, daß bei ihm zum erstenmal das bürgerliche Ingenium den Impuls zum Ausbruch verleugnet und bei dem von ihm selbst als todeswürdig erahnten Zustand resigniert. In das repräsentative Spektakel der Oper hatte im neunzehnten Jahrhundert die bürgerliche Sehnsucht nach der Freiheit sich gerettet wie in den großen Roman, an dessen Komplexion die Oper so vielfach mahnt; erst Wagner, bei dem der Mythos über die Freiheit triumphiert, hat an dieser Stelle mit seinen unrealistischen Musikdramen den Forderungen des resignierten und kalten bürgerlichen Realismus ganz gefügig sich gezeigt. Und erst in der Ära des vollen Imperialismus wird, mit Puccinis ›Butterfly‹, das Exogamiemotiv in das vom verlassenen Mägdelein zurückgebildet, ohne daß es den rasserein vermählten Marineoffizier auch nur noch im Ernst zu seiner Japanerin zöge. Gerade daß die Oper, als bürgerliche Erholungsstätte, auf die gesellschaftlichen Konflikte des neunzehnten Jahrhunderts so wenig sich einließ, hat es ihr erlaubt, die Entwicklungstendenz der bürgerlichen Gesellschaft selbst so kraß zu spiegeln. Es ist das Siegel der Authentizität von Alban Bergs œuvre, daß er in seiner zweiten Oper ›Lulu‹, bloß dem Spieltrieb und dem Opernsinn fürs Kostüm folgend, noch einmal Exogamie und Ausbruch als Opernstoff erkor; unwiderstehlich ist das Mädchen ohne Vater und Mutter, jeder, der in ihren Kreis tritt, möchte mit ihr auf und davon wie Don José mit der Zigeunerin, alle ereilt die Rache des Bestehenden, und schließlich verschlingt Rache das Bild der Schönheit selber, die anders ist und die als untergehende den äußersten Sieg feiert. In der Oper transzendiert der Bürger zum Menschen.

Die Operntexte geben für all das bloß einen Fingerzeig. Entscheidend ist das Verhältnis der Musik zum Text oder vielmehr – denn der Operntext war längst schon das, als was das Filmscript in Hollywood sich einbekennt, ein ›Vehikel‹ – zur Szene und den agierenden Menschen. Der Widerspruch zwischen leibhaftigen Personen, die reden wie im Drama, und dem Medium des Gesangs, dessen sie dabei sich bedienen, ist allbekannt. Immer wieder, in der Florentiner Monodie, der Gluckschen Reform, dem Wagnerischen Sprechgesang, hat man versucht, ihn zu umgehen oder zu mildern und damit die reine, undurchbrochene, undialektische Geschlossenheit der Opernform zu befördern. Aber der Widerspruch durchfurcht die Form selbst viel zu tief, als daß er durch halbe Maßnahmen wie das Rezitativ sich schlichten ließe, das gewiß um der Kontrastbildung willen in der Form sein gutes Recht hat. Besitzt die Oper überhaupt einen Sinn, ist sie mehr als ein bloßes Agglomerat – und das wird man doch bei den großen Phänomenen der Gattung unterstellen dürfen –, so wird man ihn im Widerspruch selber aufzusuchen haben, anstatt ihn im Namen einer allzu lückenlosen ästhetischen Einheit, wie sie als ›symbolisch‹ trüb gedeiht, vergebens wegzuschaffen.

Man wird dabei an die Bestimmung der komplementären Kunstform des Romans erinnert, die Lukács vor vierzig Jahren gab. Jener Schrift zufolge fragt der Roman, inmitten einer entzauberten Welt: wie kann das Leben wesenhaft werden? Die Antwort wird aber auch versucht, wann immer ein Lebendiger auf der Bühne anhebt zu singen. Seine Stimme möchte dem bloßen Leben selber etwas vom Abglanz des Sinns herbeirufen. Wohl liegt darin das spezifisch ideologische Element der Oper, das affirmative. Die Helden der attischen Tragödie, von der die Oper durch einen geschichtsphilosophischen Abgrund geschieden ist, hatten es nicht nötig zu singen: in dem, was dem allgegenwärtigen Mythos durch den tragischen Prozeß widerfuhr, entlud sich unmittelbar der Sinn, die Emanzipation des Subjekts vom bloßen Zusammenhang der Natur, und keinem wäre es beigekommen, die Helden der tragischen Bühne mit den empirischen Menschen zu verwechseln, da doch was an ihnen und durch sie hindurch sich vollzieht, nichts anderes ist als die Darstellung der Geburt des Menschen selber.

Die Oper dagegen, gleichermaßen von Christentum und neuzeitlicher Rationalität geprägt, hat es von Anbeginn mit empirischen Menschen zu tun, und zwar mit solchen, die auf ihr bloßes Naturwesen reduziert sind. Das begründet ihren eigentümlichen Kostümcharakter: Sterbliche sind verkleidet, als wären sie Helden oder Götter, und diese Verkleidung ist bereits von gleicher Art wie daß sie singen. Durch den Gesang werden sie erhoben und verklärt. Spezifisch ideologisch wird der Vorgang, indem solche Verklärung gerade dem alltäglichen Dasein widerfährt; daß das, was bloß ist, sich so präsentiert, als wäre sein bloßes Dasein bereits mehr, als wären die Ordnungen der Gesellschaft, wie die Opernkonvention sie spiegelt, identisch mit solchen des Absoluten, der Ideenwelt. Dies ideologische Urwesen der Oper, das ihr Unwesen ist, läßt an Extremen des Verfalls wie dem komisch bedeutsamen Gehabe mancher Sänger sich wahrnehmen, die ihre Stimme fetischisieren, als wäre sie wahrhaft das göttliche Geschenk, als das die Phrase sie ausgibt. Daß dies Ideologische unerträglich wurde, daß die Präsentation des Sinnlosen als sinnvoll zum Hohn wird in einer Welt, in der das bloße Dasein, der Verblendungszusammenhang, die Menschen zu verschlingen droht, das wohl ist der wahre Grund für jene Idiosynkrasie, die man als Opernkrise beredet.

Aber in diesem Ideologischen erschöpft die Oper sich so wenig wie der ästhetische Schein überhaupt. Dieser ist beides: die Vergoldung des Bestehenden und der Abglanz dessen, was anders wäre; das Surrogat des Glücks, das den Menschen verweigert wird, und das Versprechen des wahren. Während der Gestus des Singens dramatischer Personen darüber betrügt, daß sie, auch als bereits Stilisierte, so wenig Grund zum Singen haben wie eigentlich auch nur die Möglichkeit, tönt darin etwas von der Hoffnung auf Versöhnung mit der Natur: das Singen, Utopie des prosaischen Daseins, ist zugleich auch die Erinnerung an den vorsprachlichen, ungeteilten Zustand der Schöpfung, so wie es an der schönsten Stelle der Ringdichtung Wagners in den Worten des Waldvogels tönt. Der Gesang der Oper ist die Sprache der Leidenschaft: nicht nur die überhöhende Stilisierung des Daseins, sondern auch Ausdruck dessen, daß die Natur im Menschen gegen alle Konvention und Vermittlung sich durchsetzt, Beschwörung der reinen Unmittelbarkeit. Seit es Generalbaß und Oper gibt, gibt es auch die Affektenlehre der Musik, und überall dort ist die Oper bei sich selber, wo sie der Leidenschaft ausatmend sich überläßt. In diesem sich Überlassen an die Natur liegt ihre Wahlverwandtschaft mit dem Mythos wie mit dem neuzeitlichen Nachfahren der Epopöe, dem Roman. Indem aber die gesungene Leidenschaft gleichwie im Echo zurückflutet; indem der Laut des Unmittelbaren, der über die Vermittlungen des verhärteten Lebens sich erhebt, reflektiert wird, wird die Leidenschaft, die den Laut findet, versöhnt und damit das befangene Dasein derer, die in der Oper singen, als wären sie unbefangen. – Darum ist die Oper kein bloßes Abbild des Mythos sondern dessen Rektifizierung im Medium der Musik, das beides ist, Naturelement und dessen Spiegelung durch den Geist hindurch. Der Gesang in der Oper läßt dem seinen Lauf, was als Leidenschaft die Menschen dem Naturzusammenhang einverleibt. In ihm vernehmen die Menschen zugleich sich selbst als das, wogegen ihre Naturbefangenheit sich verstockt, als Natur, und eben damit wird das mythische Element, die Leidenschaft, besänftigt. Ihre Freiheit liegt nicht in dem Geist, der selbstherrlich über die Schöpfung sich erhebt. Sondern er wird als Musik der Natur ähnlich und wirft kraft solcher Ähnlichkeit sein herrschaftliches Wesen von sich.

Diesen Vorgang feiert die Form im Singen von Menschen, die als Menschen eigentlich des Singens sich schämen und schämen müssen. Die Opernform erfüllt sich vielleicht dort am vollkommensten, wo sie selbst den Anspruch auf Seele und Ausdruck opfert und zum künstlichen Naturlaut übergeht; die Koloratur ist keine bloße Form äußerlicher Übertreibung, sondern gerade an ihr als einem Extrem tritt die Idee der Oper am reinsten hervor, und nirgends ist Wagner ihr näher gewesen als eben in der Partie des Waldvogels. Berg war vom Ingenium der Operngattung inspiriert, als er Lulu, die zerstörende Natur, mit der seine Oper versöhnt, als Koloraturpartie setzte, ohne dabei doch im mindesten der Kopie unwiederbringlicher Phasen des Opernwesens sich zu verschreiben.

Daß Berg die Instrumentation des Werkes nicht mehr vollenden konnte, sagt etwas über die Form. Um die Oper steht es prekär seit dem Augenblick, in dem jene hochbürgerliche Gesellschaft nicht mehr existiert, welche die voll entfaltete Oper trug. Die innere Erschütterung der Form und ihr Mangel an Resonanz korrespondieren miteinander, ohne daß die Frage nach Grund und Folge simpel zu entscheiden wäre. Auf so vielen Konventionen beruhte die Oper, daß sie ins Leere tönt, sobald diese Konventionen den Zuhörern nicht mehr durch Tradition verbürgt sind; der Neuling, der nicht schon in seiner Kindheit das Staunen vor der Oper und den Respekt vor ihren Zumutungen gelernt hat, wird sie barbarisch-altklug verachten, während das geistig fortgeschrittene Publikum sich kaum mehr unmittelbar, spontan zu einem beschränkten Vorrat an Werken zu verhalten vermag, der längst in den kleinbürgerlichen Hausschatz hinabsank wie die in ungezählten Reproduktionen vernutzten Bilder Raffaels; die anwachsenden immanenten Schwierigkeiten der Form aber, vor allem jenes Verdrängen innerer Spannung, das an der gesamten gegenwärtigen Kunstübung sich beobachten läßt, haben es bislang verhindert, daß die Oper von der Produktion her neue Aktualität gewann. Sie entspricht in der Tat weitgehend dem Museum, auch was dessen positive Funktion anlangt: dem vom Verstummen Bedrohten zum Überdauern zu verhelfen; was auf der Opernbühne geschieht, ist vollends meist wie ein Museum vergangener Bilder und Gesten, an die ein retrospektives Bedürfnis sich klammert.

Dem entspricht jener Typus des Opernpublikums, der immer wieder das Gleiche hören will und das Ungewohnte feindselig oder, schlimmer noch, passiv interesselos über sich ergehen läßt, weil das Abonnement dazu verurteilt. Die Lage der Oper ist nicht zu beneiden inmitten der verwalteten Menschheit, die, gleichviel unter welchem politischen System, sich nicht mehr um Befreiung, Ausbruch und Versöhnung kümmert, wie sie die Oper des früheren Bürgertums vor Augen stellt, sondern gegen den Laut der Humanität krampfhaft die Ohren verschließt, um es zufrieden, vergnügt und resigniert im Getriebe aushalten zu können. Einmal trug das Bürgertum die Kritik an der Mythologie und zugleich den Gedanken an die endliche Wiederherstellung der Natur; heute ist ihm jene Kritik so fremd geworden wie diese Sehnsucht, und es hat sich mit der eigenen Entfremdung ebenso abgefunden wie mit dem Schein des Unabänderlichen, der es umfängt, der zweiten Mythologie. Solange dieser Stand des Geistes und die verhärteten Verhältnisse andauern, die ihn diktieren, hat die Oper wenig zu erwarten.

Das würde sich vielleicht ändern, wenn es ihr gelänge, des ideologischen, das bloße Dasein verklärenden Wesens sich zu entledigen und jenes andere, das versöhnend Antimythologische hervorzukehren. Aber kann man das eine, das sogenannte Positive haben ohne das andere, das Negative? Alle Versachlichung des Theaters durch Konstruktionsprinzipien hat ihre Grenze an den lebendigen Menschen, auf welche die Szene verwiesen bleibt. Verzichtet es auf den Trug humaner Unmittelbarkeit, auf private Psychologie, so droht ihm das Spruchband, die ins empirische Dasein willkürlich eingelegte überhöhende Intention, die erträglich würde nur, wenn man vom empirischen Dasein all das fortließe, wodurch es wiederum seine Bestimmtheit und Gewalt eigentlich empfängt. Das bloße Durchstreichen dessen, was als romantisch geächtet ward, eine Askese, die dann vielfach auf der Linie des geringsten Widerstandes, des regressiven, simplen Komponierens verläuft, dürfte kaum den Knoten lösen. Jene Strawinsky abgeborgte und durchweg hinter seiner Souveränität zurückbleibende Technik, die Oper zu entzaubern, indem man mit stereotypen rhythmischen Verschiebungen entwicklungslos dürftig motivische Muster aneinanderreiht; die antidramatische Musik zum musikalischen Drama strahlt heute bereits eine Monotonie und Langeweile aus, bei der man einzig darüber staunen muß, daß nicht die Komponisten selbst, Strawinsky eingeschlossen, rebellieren. Soviel läßt sich fordern, daß man im Bemühen um ein unideologisches, scheinloses Komponieren in der Oper zugleich die ganze Differenziertheit und Komplexität des Verfahrens sich erhalte und des Aberglaubens an die Ursprünge sich entschlage.

Man soll mit dem Hammer komponieren, wie Nietzsche mit dem Hammer philosophieren wollte, also indem man kritischen Ohrs das Gebilde abklopft auf hohle Stellen, aber nicht indem man es entzweischlägt und die gezackten Trümmer wegen ihrer Ähnlichkeit mit zerbombten Städten mit Avanciertheit verwechselt. Die stumpfe Schablone musikalischer Mangelwirtschaft, eine Sachlichkeit, die sich von der Anstrengung der Phantasie dispensiert und die Bequemlichkeit sich als Überwinden dessen gutschreibt, was man nicht ist, hat sich heute so eingeschliffen wie nur je die Konvention des Hoftheaters, ohne daß darum doch der auf der Flucht vor dem Film konservierte Zauber der Sondersphäre Theater unangefochten überlebte. Je reicher, vielgestaltiger, kontrastierender, vielschichtiger aber die Konstruktion theatralischer Werke gerät, um so eher werden durch solche artistische und, wenn man will, fensterlose Stimmigkeit die Werke Anteil gewinnen an einem Sinn, den sie nicht länger von sich aus, wie das Cliché es verlangt, zur Aussage bringen wollen. Erst wenn alle Fülle der musikalischen Mittel einem menschenwürdigen Vorwurf gegenüber etwas von jener Spannung zwischen dem musikalischen Medium und dem szenischen erweckte, die dem Theater heute überhaupt abgeht, könnte die Oper aufs neue die Kraft des geschichtlichen Bildes erlangen.

 

Neue Musik, Interpretation, Publikum

 

Wer viel neue Musik hört und zumal Werke, die er genau kennt, wird bei aller Sympathie mit den Interpreten, die sich ans Unbequeme und Undankbare wagen, es sich nicht ausreden lassen, daß sehr zahlreiche Aufführungen unverständlich sind; nicht nur für den Laien, der es nicht anders erwartet und es sich beinahe so wünscht, sondern gerade auch für den, der mit dem Dargebotenen vertraut ist und damit sich identifiziert. Es klingt in der Tat vielfach so, wie der entrüstete Banause es sich vorstellt: chaotisch, häßlich, sinnlos. Alban Bergs makabrer Witz, er könne sich im allgemeinen nach einer Kritik des alten Korngold, des Erzfeinds, ganz gut vorstellen, wie es gewesen sei, hält unbestechlich jene Erfahrung fest. Aber der Glaube an die Unverständlichkeit neuer Musik ist beim Publikum und auch bei vielen Interpreten derart eingeschliffen, daß kaum mehr gefragt wird, ob jene Unverständlichkeit in der Tat bei den Werken liege oder bei der Wiedergabe; die Interpreten selber vermögen oft, unter dem nicht stets ihnen aufgezwungenen Druck ihrer Verpflichtungen, die Qualität der eigenen Leistung kaum mehr streng zu beurteilen. Ich habe es erlebt, daß ein im übrigen ausgezeichneter und in der verantwortlichen Tradition der neuen Musik aufgewachsener Dirigent nach der Aufführung eines freilich besonders schwierigen Werkes auf meinen zweifelnden Blick, sich selbst beschwichtigend, sagte: noch eine Probe, und es wäre gegangen wie eine Haydnsymphonie. Beim nachträglichen Abhören vermochte ich an einer der wichtigsten, imitatorischen Stellen des Werkes das Entscheidende, die Kombination des Themas mit seiner Vergrößerung und seiner Verkleinerung, nicht mehr wahrzunehmen. Wenn aber der Sinn musikalischer Ereignisse von ihrer Erscheinung nicht realisiert wird, verdient kein Zuhörer einen Vorwurf, der das Stück, von dem er ja nichts vernimmt als eben die Erscheinung, sinnlos schilt.

›Es wäre gegangen wie eine Haydnsymphonie‹ – das will sagen, es hätte funktioniert, mit jedem Taktschlag des Dirigenten wäre das Ensemble genau zusammengewesen, nichts wäre in Unordnung geraten. Darstellende Musiker, und vorab Dirigenten, haben allemal eine Doppelaufgabe zu lösen; sie haben den Apparat zu meistern, der den Notentext in Klang übersetzt, und den musikalischen Sinn, den Zusammenhang der Ereignisse aufzudecken. Zeitlich rangiert die erste Aufgabe meist vor der zweiten, obwohl in Wahrheit beides kaum sich trennen ließe. Aber im Zug der heute allerorten herrschenden Tendenz, Mittel an Stelle von Zwecken zu installieren, wohl auch in der Verzweiflung daran, innerhalb des Betriebes es zur zweiten Aufgabe je zu bringen, lernen die Interpreten, sich zu begnügen, wenn es, wie man heute so schön sagt, in Ordnung geht; keine falschen Noten unterlaufen, keine Unpräzisionen begegnen und die klangliche Fassade einigermaßen zusammenhält. Es ist jedoch ein Wahn, daß dadurch, bei neuer Musik, ein gewisses Maß an musikalischem Sinn von selbst sich herstellte. Alles kann den Noten nach, die man nicht zu genau betrachtet, funktionieren und das Resultat gleichwohl absurd sein. Kein Mehr oder Weniger an musikalischem Sinn je nach der Qualität der Aufführung gibt es sondern einen qualitativen Bruch: ist der Sinn nicht ganz und gar realisiert, ist nicht jedes Moment auf ihn bezogen und von ihm geprägt, so ist in kritischen Fällen sogleich alles verloren.

Um das zu konkretisieren: seit Richard Wagner das Prinzip der ›Melodieteilung‹ einführte, also so instrumentierte, daß eine melodische Linie in verschiedene aufeinander folgende Farben zerlegt wird, die ihren Verlauf gewissermaßen modellieren, findet in wirklich differenzierten Kompositionen sich immer seltener undurchbrochene Melodik über lange Strecken. Nicht nur hat das schon vom Wiener Klassizismus entwickelte Verfahren des Springens der Hauptereignisse von einer Stimme in die andere sich radikaler stets durchgesetzt, sondern selbst die einzelnen Melodien haben sich in immer feinere Valeurs aufgelöst. Dadurch aber entsteht für die Darstellung die Aufgabe, die Differenzen, das in der Farbe voneinander Abstechende wieder zusammenzubringen, vor allem auch die Sprünge von einem Instrument oder einer Instrumentengruppe zur anderen zu schließen. In der traditionellen Musik war der ›rote Faden‹ des Verlaufs, dank der Stütze der allbekannten Akkordstufen, einigermaßen einfach zu verfolgen, obwohl schon Mozart und Beethoven darin weit unbequemere Aufgaben stellen, als das naive Ohr sich träumen läßt; heute aber ist der rote Faden schlechterdings zum Problem der Wiedergabe geworden. Beginnt etwa ein lang ausgesponnenes Thema mit Ansätzen des Englisch-Horns, die allmählich ausgreifen und deren höchster Ton von einer Trompete abgenommen wird, so zerbricht die Einheit der melodischen Gestalt ganz und gar, wenn nicht an der kritischen Stelle der Klang von Englisch-Horn und Trompete derart verschmolzen ist, daß man die Trompete, trotz des Unterschieds der Klangfarbe, als die unmittelbare Fortsetzung des Englisch-Horns empfindet; wird das nicht erreicht – und welcher Anstrengung, wie vieler Einzelproben zur Herausarbeitung des roten Fadens bedürfte es, um solche Probleme jedesmal zu lösen –, so kann im vierten Takt eines Themas der Zusammenhang der ganzen Melodie verlorengehen, und der Zuhörer wird in jenes Schwimmen, jenes Gefühl der Zufälligkeit des musikalischen Verlaufs geraten, das er dann der Komposition zur Last schreibt. Komplexe moderne Kompositionen setzen sich aber, ohne Übertreibung gesagt, aus ungezählten Fällen solcher Art zusammen; sie enthalten fast keine Note, die nicht derlei Fragen aufwürfe, und oft bedarf es der angestrengten Versenkung, um auch nur die richtige Lösung sich vorzustellen, geschweige sie klangmateriell zu verwirklichen.

Nicht geringer sind die Nöte, welche die neue Vielstimmigkeit, übrigens auch die wahrhaft polyphonen Stücke Bachs, bereiten. Je mehr selbständige Stimmen gleichzeitig erklingen, um so notwendiger ist es, sie so deutlich voneinander zu unterscheiden, bis sie sich plastisch abheben. Schönberg war der Schwierigkeit, das zu erreichen, sich so sehr bewußt, daß er schon verhältnismäßig früh eigene Bezeichnungen für Haupt- und Nebenstimmen einführte, um deutlich zu machen, was im Vordergrund steht, was ebenfalls wesentlich, aber doch sekundär ist und was wirklich zurücktritt. Aber wenn nicht bereits die Instrumentation ›narrensicher‹ ist, also bereits die Möglichkeiten der Fehlinterpretation vorausberechnet und korrigiert – Mahler war darin der unübertroffene Meister –, so nützen auch solche Bezeichnungen nicht allzuviel. Gerade bei den komplizierten Stellen, um die es sich hier handelt, werden alle Ausführenden, wenn sie nicht der Sache ganz sicher sind, nervös. Nervös musizieren heißt aber immer: zu stark spielen, und trotz aller Vorsichtsmaßnahmen droht stets wieder jener Klangbrei des stumpfen Mezzoforte, in dem das subtilste Stimmengewebe versinkt.

Aber die Schwierigkeiten reichen bis ins Einfachste hinein, in den Vortrag einzelner Melodien durch einzelne Instrumente, wie die Geigen oder eine Klarinette. Immer wieder findet man, daß in neuer Musik solche Melodien nicht atmen, so wie sie es müßten, wenn eine lebendige Stimme sie sänge; von primitiven Fehlern der Phrasierung reicht die Unzulänglichkeit bis zu minimalen Versäumnissen: Unempfindlichkeit gegen Akzente, Mangel an dynamischer Flexibilität, starres Spielen nach den Taktschlägen, ohne ›Ausmusizieren‹, Vergröberungen von Ritardandi. Der Effekt ist vergleichbar der Wirkung, die zu beobachten ist, wenn einer in einer fremden Sprache mit korrekter Aussprache, aber ohne zu verstehen, was die Worte heißen, vorliest: die Hörer werden ihn so wenig verstehen wie er sich selbst. So fein solche Fehler sein mögen – und es sind wohl die gefährlichsten beim Vortrag neuer Musik –, so genau können sie vom wahren Interpreten benannt werden; in der üblichen Praxis aber beschränkt man sich darauf, jene Defekte, oder ihre Abwesenheit, zur Sache der vermeintlich bloßen Naturgabe Musikalität zu machen, und im Schutz des Glaubens an diese wuchert das Sinnwidrige.

Nicht besser ist es mit den Tempi bestellt. Schönberg und Berg pflegten von »Uraufführungstempi« zu sprechen; sie empfahlen, Werke, ehe sie ganz vertraut sind, etwas langsamer zu spielen, um auf diese Weise es dem Hörer zu erleichtern, das Viele aufzufassen, das gleichzeitig und nacheinander geschieht; wohl auch, um dem Dirigenten die akustische Übersicht zu vereinfachen und die Reibungen der Apparatur zu vermindern. Der Aberglaube ans Funktionieren aber, an den Ablauf, und die tiefe Furcht, den Hörer zu verlieren und ihn zu langweilen, sobald nicht die Virtuosität des Tempos ihn zur Aufmerksamkeit verhält, bringt immer wieder Dirigenten dazu, Stücke im vollen Tempo zu nehmen, während die Spieler so wenig wie die Hörer diesem schon gewachsen sind; und in der Hast verwischen sich alle Konturen. Umgekehrt gewähren aber auch die Uraufführungstempi dem musikalischen Sinn keine Sicherheit. Ich hörte ein wiederum sehr schwieriges Werk von einer Gruppe junger, enthusiastischer und um die Sache unendlich besorgter Musiker. Aus Angst, daß irgendeine Note Schaden nehmen könnte, spielten sie so langsam und bedächtig, daß die Beschwingtheit, die in den Ecksätzen den Charakter jenes Stücks wesentlich ausmacht, nicht mehr zu fühlen war, und das Ganze die Hörer so ratlos ließ, als wenn es überhetzt vorgetragen worden wäre: Treulosigkeit durch Treue. Man wird wohl heute von Anbeginn auf die richtigen Tempi ausgehen müssen, aber die Schwierigkeit ist nie, das Tempo als solches zu erreichen, sondern durchzusetzen, daß auch in einem raschen alles, was in der Komposition sich abspielt, deutlich artikuliert ins Phänomen findet, die Mannigfaltigkeit in die Einheit. Wieviele Interpreten aber verstünden heute auch nur, was in der neuen Musik oft genug vorkommt; daß es sehr rasche Melodien gibt, sehr rasch und doch Melodien.

Schließlich vernachlässigen die durchschnittlichen Aufführungen neuer Musik die klangsinnliche Qualität. Gewiß ist es wahr, daß in der fortgeschrittenen Produktion die Farbe nicht mehr Reiz und Selbstzweck ist, sondern funktionell bestimmt wird, als Mittel zur Verwirklichung der musikalischen Struktur im Hörbaren. Aber das bedeutet weder Gleichgültigkeit gegenüber dem Klang noch Unterwerfung unter die stereotype Vorstellung der Hörer, neue Musik klinge scheußlich, und so habe es auch zu sein. Soweit deren authentische Werke sich auch von der spätromantischen Klangschwelgerei entfernen und sowenig sie der Forderung jenes geschleckten Wohllauts sich fügen können, der längst in den musikalischen Untermalungen der Hollywooder Filmtitel zu sich selbst gekommen ist, so wenig brauchen sie doch auf den Klang als die Vermittlung zwischen dem Wesen und dem auswendigen Phänomen zu verzichten. Werden gerade die authentischen Werke getreu und sinngemäß dargestellt, so werden sie auch, in einem höheren Sinn, gut klingen; denn auch der sinnliche Klang ist nichts Isoliertes – dazu macht ihn das atomistische Hören eines auf Saccharin dressierten Publikums –, sondern seine Schönheit selbst hängt ab von der Konstruktion; ist er durchsichtig auf diese hin gestaltet, leuchtet durch jede Farbe der musikalische Sinn durch, so ist der Klang zugleich schön bei sich selber. Hat man einmal von bedeutenden romanischen Interpreten wie Sanzogno die Lulu-Suite von Berg gehört, so weiß man, wie wenig in großer Musik der klingende Zauber aufgeklatschter Effekt, wie sehr er vielmehr die erscheinende Komposition selbst, wie sachlich gerade das Übersachliche ist; Berg hat einmal darauf angespielt, als er das Ideal der musikalischen Sachlichkeit dahin erläuterte, daß auch bei einem sachgerechten Tisch der Leim nicht stinken, die Nägel nicht herausstehen dürften. Die verbreiteten Interpretationen aber, die nicht bis zur Vereinigung des Inwendigen und Auswendigen dringen, lassen es meist bei bloßer Widerborstigkeit sein Bewenden haben und verstärken das Vorurteil. Weil ihnen die Integration des musikalischen Zusammenhangs mißlingt, gerät auch die Klangfassade rissig, und daraus machen sie sich dann auch noch ein hämisches Verdienst.

Wenn freilich die Differenz traditioneller und neuer Musik in der Tat nicht so unbedingt ist, wie sie von einem nach Sparten aufgeteilten Kulturbetrieb behauptet wird, so gelten alle jene Schwierigkeiten der Darstellung auch für die traditionelle. Auch deren Aufführungen sind heute in den weitaus meisten Fällen in Wahrheit sinnlos; gerade im Umgang mit der neuen Musik läßt sich das, rückwirkend gleichsam, erkennen. Aber bei dem üblichen Repertoire, dem womöglich noch immer mehr zusammenschrumpfenden Vorrat jener Werke, die ohnehin bald jeder sogenannte Musikalische auswendig weiß, merkt man es nicht. Die Qualität des Bekannten, mehr vielleicht noch die ältere tonale Tonsprache, trägt über alle Brüche und Widersprüche bequem hinweg. Ihre mehr oder minder typischen, festgelegten Vokabeln stiften auch dort etwas wie Zusammenhang, wo der eigentliche, die Prägung des Einzelnen durch die Struktur des Ganzen, von der Aufführung gar nicht erreicht wird. Bei der neuen Musik jedoch, die das Innere nach außen kehrt, tendenziell die Struktur zum Phänomen macht und formelhafte Stützen des Verlaufs sich verwehrt, wird das Chaos sogleich offenbar, das in den üblichen Beethoven-Darstellungen dicht unter der glatten Oberfläche der Interpretation west. Wird in neuer Musik der Zusammenhang durch Versäumnisse der skizzierten Art zerstört, so entsteht unmittelbar jener Galimathias, den in Aufführungen traditioneller Musik bloß der bemerkt, der sie bereits verstanden hat; man mag darum sogar die Aufführung traditioneller Musik, und auch ihr Verständnis, schwieriger finden als die neuer; aber erst die neue hat dazu verholfen, daß man dessen innewird und der Idee von wahrer Interpretation sich bewußt.

Bei nicht wenigen Interpreten wird man als Grund der problematischen Aufführungen neuer Musik mangelndes Verständnis annehmen müssen. Die Widersprüche im Verhältnis der produktiven musikalischen Kräfte zur Gesellschaft betreffen auch die Stellung der Interpretation zur Komposition. Die Interpreten sind von ihrer musikalischen Ausbildung beim Verständnis gerade der neuen Werke, die im Ernst zählen, im Stich gelassen. Ihr Beruf verweist sie unmittelbarer als die Komponisten auf den Erfolg und den Kontakt mit einem Publikum, dessen geistigem Stand sie sich unbewußt vielfach anpassen. Darum ist ihre eigene Musikalität, wie hochspezialisiert sie sonst sein mögen, häufig hinter der Entwicklung der Musik selbst zurückgeblieben. Man konnte bei so bedeutenden Interpreten wie Furtwängler oder Casals den unsäglichsten Fehlurteilen über neue Musik im allgemeinen und die Qualität spezifischer Werke begegnen. Dem Wirkungszusammenhang zuliebe klammern sich die selbstgerecht traditionalistischen Interpreten an die fadenscheinige Vorstellung vom Musikanten, der da, in enger Tuchfühlung mit dem Publikum, vom sinnlichen Phänomen sich leiten läßt und nichts dazu gibt als sein Temperament. Was dem sich nicht fügt, sei nichts wert. Man vergißt, daß die Musizierqualitäten wohl Voraussetzung eines jeglichen Musizierens sind, das etwas taugt, doch gerade daran sich bewähren, daß sie im Bewußtsein der kompositorischen Struktur sublimiert und festgehalten werden. Statt dessen kommt es, und man kann dabei getrost bis hinauf zu den berühmtesten Namen greifen, selten zu mehr als einer Kombination von Wohllaut, Brio und bestenfalls rhythmischer Genauigkeit. Wohl ahnen manche, daß etwas nicht stimmt, aber gerade sie projizieren die eigene Unsicherheit auf das, was sie verstehen müßten und nicht verstehen, und schelten es darum intellektuell. Am Interpreten wäre es, die neue Musik wahrhaft vorm Publikum zu vertreten, wenn er nicht zum Museumsdiener verkommen will. Nur allzu leicht jedoch vertritt er das Publikum gegen die neue Musik.

Aber die Fehlinterpretationen beschränken sich keineswegs bloß auf Ignoranten und Widerspenstige. Wesentlicher ist der Betrieb, in den alle eingespannt sind, vor allem der Mangel an Probezeit. Stücke, die man selbst heute noch kaum in weniger als zwanzig Proben anständig darstellen könnte, werden in zwei oder drei durchgepeitscht; es war, bei allen Einwänden sonst, das Verdienst Toscaninis, daß er diesem Brauch ein Ende bereitete, und dem hatte er, trotz seiner musikalischen Grenzen, seine Autorität zu verdanken. Wer nicht über solche Autorität verfügt, muß im allgemeinen sich den ökonomischen Forderungen beugen: der gesellschaftliche Fortschritt, der aus den ausübenden Musikern geschützte Gewerkschaftsmitglieder gemacht hat, bei denen jede Minute kostbar ist, wird zur Hemmung des künstlerischen Fortschritts, indem er jene Ausarbeitung der Werke verhindert, die ebenso der Zeitverschwendung bedarf wie wahrscheinlich große Architektur der Verschwendung des Raums.

Die Folgen von alldem können kaum überschätzt werden: die musikalische Aufführungspraxis, welche die Spannung von Publikum und Werk fruchtbar austragen müßte, vertieft stattdessen den beziehungslosen Bruch zwischen beiden. Der Bruch wird kaum auch nur mehr wahrgenommen, sondern ist bereits zur Ideologie erstarrt. Man läßt sich die Unverständlichkeit gern von unverständlichen Aufführungen bestätigen, während der Fachmann, auf den man die Zuständigkeit abschiebt, den Unsinn, den er zu hören bekommt, in Wahrheit genausowenig verstehen könnte wie der entrüstete alte Abonnent. Sehr im Ernst wäre zu fragen, ob die gehäuften Aufführungen neuer Musik, die an jenen Mängeln kranken, ihr nicht etwa, bei bestem Willen der Beteiligten, mehr schaden als nützen. Nicht umsonst tendieren die Allerverantwortlichsten dazu, Aufführungen ihrer eigenen Werke oder der ihnen anvertrauten eher zu verhindern als zu fördern. Von einer der wichtigsten zeitgenössischen Opern existiert eine Langspielaufnahme, die von vielen Gutwilligen und Interessierten gekauft wurde und deren Dirigent zu den Getreuen der neuen Musik gehört, die aber über weite Strecken die musikalischen Ereignisse unkenntlich macht. Sie ermuntert zum Achselzucken oder zur verlogenen Begeisterung für etwas, wofür man gar nicht begeistert sein kann, weil es mit der Sache, die es vorstellt, nur wenig zu tun hat. Rätselhaft bloß, daß jener Dirigent die Veröffentlichung der Platte erlaubte. Dabei zögert man, dergleichen Einwände auch nur laut auszusprechen, um nicht damit der Trägheit und dem reaktionären Stumpfsinn Vorwände zu liefern, sich der neuen Musik, etwa unter Berufung darauf, daß die herrschenden Bedingungen angemessene Aufführungen ja doch nicht gestatten, zu entziehen und mit gutem Gewissen bei Tschaikowsky zu bleiben, während doch über Innenspannung und Legitimation einer Kunstübung stets nur deren Beziehung zur aktuellen – zur fortgeschrittensten – Produktion entschied. Zögen sich die Interpreten, die überhaupt noch zwischen der neuen Musik und dem Musikleben in seiner Breite vermitteln, ganz zurück, so kämen sie damit nur der Neutralisierung der neuen Kunst in ein Kulturgut für Fachleute zu Hilfe und trügen zu ihrer Vergleichgültigung bei. Wie streng auch die Produktion jeden Schielens auf den Wirkungszusammenhang sich enthalten muß, ihre innere Zusammensetzung ist doch nicht gleichgültig gegen Wirkungslosigkeit. Sie wäre kaum mehr ernst und substantiell, wenn sie resigniert-nachgiebig von vornherein darauf verzichtete, trotz aller Widerstände die zu erreichen, die nicht Spezialisten sind. Sonst würde gerade sie vor der bestehenden Gesellschaft kapitulieren und sich in einer Sparte innerhalb der allgemeinen Arbeitsteilung einrichten, über die Kunst hinausweisen muß, wenn sie nicht ihren eigenen Begriff antasten will.

Unentwegte könnten von einem Kompromiß mit dem Konformismus reden und die Besorgnis um die Interpretation als feigen Gedanken an die Wirkung fortweisen. Solche Reinheit macht es sich allzu leicht. Zunächst ist ein musikalisches Werk nicht nur der Notentext, sondern dieser bedarf des realen Erklingens so sehr wie umgekehrt der Klang der Noten: Gleichgültigkeit gegen d'e Interpretation ist auch eine gegen das zu Interpretierende. Dann aber hat die Umsiedlung neuer Musik in eine vom Publikum vorweg abgesonderte Sphäre – ihr sinnfälligster Ausdruck ist die Institution des Dritten Programms – ihre bedenklichen Seiten. So notwendig solche Segregationen zuweilen sein mögen, um den künstlerischen Fortschritt vor der Wut der kompakten Majorität zu beschützen: Dritte Programme, Kunstkinos und ähnliches, die dem Konflikt ausweichen, die Werke den Experten vorbehalten und kontrollieren, daß nichts passiert, bewirken in der Tat, daß nichts mehr passiert. Das Avancierte und Esoterische der Werke selbst hat allemal auch eine Spitze gegen das Publikum: wird diese abgestumpft, so beginnt die Sache in sich selbst ihre Spannung zu verlieren, und die Tapetenmuster und Rechenexempel, die den ästhetischen Avantgardismus heute drohend verharmlosen, sind nicht zu trennen von dem Verzicht auf eine Dialektik mit dem Publikum, die nicht in der Anpassung, sondern in deren Gegenteil bestehen müßte. Wenn Wagners Sachs in den Meistersingern verlangt, daß die Regeln der Meister sich dem Urteil des Volks zu stellen hätten, so steckt darin gewiß schon etwas von jenem gesunden Volksempfinden, das darauf lauert, den Intellektuellen und anderen Abweichungen an den Kragen zu gehen, aber doch auch die Ahnung, daß die durch die Technik anbefohlene Spezialisierung die Sache gefährdet, der sie zugleich zugute kommt. Weniges vielleicht spricht so sehr für Brecht, wie daß er die Grenze zwischen Integrität und Erfolg, die längst selber vom Betrieb sanktioniert ward, nicht achtete, und daß seine extreme Kunstgesinnung – einer seiner nächsten Freunde nannte sie einmal »barbarischen Futurismus« – gleichwohl in die etablierte Kultur einzugreifen vermochte, ohne sich in einem Reservatbereich zu bescheiden. Die Spaltung von Kunst und Gesellschaft ist gesellschaftlich diktiert, aber auch der gehorcht dem Diktat der Gesellschaft, der sich ihr darum als einem bloßen Fatum beugt. Die neue Malerei hat, durch eine eigene List der Vernunft, nämlich den Marktwert der Werke, in einer ihr feindseligen Gesellschaft sich durchzusetzen vermocht. Für die neue Musik könnte die Interpretation ähnliches erreichen. Denn die wahre Suggestivkraft einer Aufführung ist eins mit der Realisierung des Sinns.

Dazu helfen aber könnte nur das Radio. Vornehmtun gegen die Massenmedien ist läppisch; einzig indem man deren Funktion verändert, nicht durch den Rückzug in die gesellschaftliche Ohnmacht läßt sich das geistige Monopol der Kulturindustrie brechen. So wie allein das Radio heute es vermag, der vom Markt ausgeschlossenen neuen Musik Unterschlupf zu bieten und ihre Partei, welche die der Menschen ist, gegen die Menschen zu ergreifen, so vermöchte es auch das Radio, Aufführungen zu garantieren, in denen diese Sache zu sich selbst kommt. Das Wichtigste wäre, daß man ausreichende Probezeit, ein Vielfaches der heute zur Verfügung stehenden, beistellt. Man weiß, wie schwer es das Radio hat, unablässig Stücke zu finden, mit denen man die Programme füllen kann. Wäre es nicht sinnvoller, einen Teil der Zeit abzuzweigen und für Proben zu verwenden, etwa wie jene mythischen es waren, mit denen Schönberg nach dem ersten Weltkrieg im Wiener Verein für musikalische Privataufführungen seine Erste Kammersymphonie einstudierte, ohne sie je offiziell ›aufzuführen‹? Diese Probezeiten müßten für die Hörer nicht verlorengehen. Vielmehr sollte man die Proben selbst übertragen. Jede Verbesserung in der Darstellung des musikalischen Sinnes durch den Dirigenten hilft zugleich dem Hörer verstehen, worauf es ankommt. Der Ernst und die Strenge, mit der der Interpret den Zusammenhang eines Werkes herausholt, bezeugt dem Hörer zugleich Ernst und Strenge der Komposition und bricht das Vorurteil, sie sei willkürlich und ein Durcheinander, bei dem es nicht darauf ankomme, ob eine Note so oder so laute. Übrigens kann man, an Kurorchestern und ähnlichen unzulänglichen Institutionen, beobachten, wie gerade durch die Brüche und Lücken unfertiger Aufführungen das Innere hindurchschimmert, wie man dabei Werke so kennenlernt wie ein Kind die Puppe, der es den Leib aufschlitzt; diese pädagogische Funktion des Unvollkommenen, Durchlöcherten müßte man zum Verständnis ausnützen, indem man vor den Ohren der Hörer zum Vollkommenen aufsteigt. Bei solcher Arbeit sollte man sich nicht auf das Orchester beschränken, wo ein gewisses Maß an Vergröberung, selbst bei unbeschränkter Zeit und größter Meisterschaft sich nicht vermeiden läßt – gute Orchesterwerke sind in gewissem Sinn bereits so komponiert, daß sie solcher Vergröberung Rechnung tragen –, sondern man sollte vor allem auch Kammermusikwerke minutiös, bis in die letzte Note hinein einstudieren und die Proben übertragen. Vorbedingung dafür wäre, daß die wichtigsten Radiostationen sich höchst qualifizierte Ensembles, am besten Streichquartette, dauernd verpflichteten. Die Praxis wäre keineswegs auf die Moderne zu beschränken; sie käme der traditionellen Musik ebenso zugute.

So könnte es vielleicht gelingen, die Lethargie der Hörermassen gegen die neue Musik zu brechen und den primitivistischen Sekten Einhalt zu gebieten, in die jene abgleiten, die am traditionellen Musikleben kein Genügen mehr haben, ohne doch des Neuen mächtig zu sein. Dazu bedürfte es freilich der Stärkung der Selbständigkeit des Radios gegen den organisierten Druck eben jenes Publikumsgeschmacks, den es verändern muß, wenn es seine Verpflichtungen dem Publikum gegenüber erfüllen will. Denn das Publikum ist stets und auch heute besser als die, welche sich aufs Publikum berufen, um das Menschenwürdige zu verhindern.

 

Die Meisterschaft des Maestro

 

Vor dreißig Jahren gastierte Toscanini mit dem Ensemble der Mailänder Scala in Berlin. Die Wirkung übertraf weit alles zu jener Zeit im Theater noch Gewohnte. Nicht nur wurde Toscaninis Auftreten, begünstigt von der kurzen Periode zwischen Stabilisierung und Wirtschaftskrise, Anlaß dessen, was man im Zeitungsjargon damals wie heute gesellschaftliches Ereignis nannte, eines Akts gespenstisch glanzvoller Repräsentation, dem man das Hektische der gerade noch vergönnten Zeit anfühlen mochte. Auch die Musiker und jene, die an Musik ernsthaft Anteil nahmen, reagierten nachhaltig. Toscaninis Aufführungen, zumal die italienischer Opern, zeigten eine Präzision, mit der nichts im deutschen Musikbereich sich hätte vergleichen lassen; er setzte einen Standard orchestraler Genauigkeit, der seitdem verbindlich blieb und vor allem in Amerika, wo er das Orchester der NBC, einer der größten Rundfunkgesellschaften, als sein Instrument schuf, einen Dirigierstil zeitigte, der drüben mittlerweile bis zur Selbstverständlichkeit eingeschliffen ist. Darüber hinaus beeindruckte Toscanini durch eine Gesinnung der musikalischen Interpretation, die man einigermaßen mit dem Stichwort Sachlichkeit umreißen mag, wie wenig im übrigen auch der Dirigent, seinen Ursprüngen nach durchaus Mann des neunzehnten Jahrhunderts, mit den Tendenzen neuer Sachlichkeit mag verbunden gewesen sein. Eine bestimmte Art von Planmäßigkeit, Klarheit, Luzidität charakterisierte seinen Vortrag trotz dessen Elan und Brio; es fehlte alles Verschwommene, aber auch alle offenbare expressive Eigenwilligkeit des Dirigierenden. Er war so recht der Gegenpapst zu Furtwängler, ein Settembrini der Musik, so wie er denn auch in seinen Überzeugungen, zumal in seiner Intransigenz dem Faschismus gegenüber, unverführbar und mit bewundernswerter Zivilcourage die Partei rationaler Humanität ergriff. Dabei war seine Sachlichkeit frei von Langeweile und asketischer Kargheit. Seine Aufführungen blitzten und funkelten, als wären sie verchromt; lückenlos fügten sich die Rädchen des Spielapparats ineinander, und ihr Abschnurren zauberte den Schein unausweichlicher Notwendigkeit hervor. Jeder Widerstand der Klangmaterie, jede Gefahr des Zufälligen und Unvorhergesehenen dünkte überwunden, und über alles hinweg trug das seiner selbst gewisse Temperament der italienischen Theatertradition. Als idealer Maestro verkörperte er mehr als nur dessen Begriff, ein Ideal von Meisterschaft schlechthin. Er brachte den musikalischen Darstellungsstil gewissermaßen aufs Niveau der Rationalisierung, jenes ›streamlining‹, das wie in den technischen Zweckformen so auch in der Organisation wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Einrichtungen um die Wende der dreißiger Jahre in Europa erstmals sich durchzusetzen begann. Kurz, er fegte nicht nur jene Tradition aus, die Gustav Mahler schon zwanzig Jahre vorher als Schlamperei denunziert hatte, sondern traf auch recht genau den Stil des Augenblicks, der ihn aus einer italienischen Berühmtheit zum Monopolherrn des Orchesterwesens erhob.

Damit ist auf den historischen Stellenwert seiner Leistung verwiesen. Sie fällt zusammen mit einer kritischen Selbstbesinnung der Musik, welche empfindlich ward gegen die Verzerrungen der Werke durch die spätromantische Darstellungsweise. Der Abscheu gegen den faszinationswilligen Gestus der sogenannten großen Persönlichkeit, der gerade damals von der Musik in die Politik abwanderte – freilich auch schon die beginnende Allergie gegen den Ausdruck –, verband sich mit einer ästhetischen Verantwortung, die am Bewußtsein der Konstruktion großer Musik sich bildete und ein dem musikalischen Sinn adäquates Musizieren höher stellte als eines der willkürlichen Projektion subjektiver Regungen auf die Notentexte. Bestrebungen solcher neuen Interpretation waren an den verschiedensten Stellen herangereift, mit größter Entschiedenheit in Wien, wo unmittelbar nach dem Ende des Ersten Krieges Schönberg um strukturelle Wiedergabe sich bemühte, aber auch im Umkreis Strawinskys und ebenso beim jungen Hindemith, im Sinne einer Stilgesinnung von maschinenhafter impassibilité und Ausdrucksfeindschaft. Der viel ältere Toscanini schien, rein aus der Arbeit an seinem Material, dem Orchester, heraus, zu ähnlichen Ergebnissen zu kommen. Ihnen lieh er nicht bloß die Autorität seines Namens, sondern übersetzte sie obendrein in die Praxis des offiziellen Musiklebens, das damals den von der Kompositionsseite her verfochtenen Innovationen gegenüber womöglich noch spröder sich zeigte als heute. Den materiellen Reichtum der größten musikalischen Institutionen, zumal die Möglichkeit unbeschränkten Probierens, führte seine Energie der Reform des Orchesterspiels zu. Als Dirigiervirtuose physisch federnder Akkuratesse rückte er fanatisch dem Dirigiervirtuosentum selber zuleibe und bestätigte den jungen Musikern etwas von dem, was ihnen vorschwebte, während er die Älteren und das kulturkonservative Publikum überzeugte durch Dienst an einer Tradition, die er unerbittlich von Entstellungen reinigte. Es resultierten Idealaufführungen, wie sie seit den großen Bayreuther Tagen wohl nur Mahler gelungen waren. Wer immer dem herrschenden musikalischen Unwesen opponierte, mußte die schneidende Schärfe von Toscaninis Intention begrüßen, an ihm lernen, viele der damals noch ganz ungewohnten raschen Tempi, die Toscanini zuweilen unbekümmert ums Herkommen wählte, übernehmen.

Aber so unentbehrlich die Leistung Toscaninis war, so sehr veränderten sich die Fragestellungen, in denen sie entsprang, mit fortschreitender Differenzierung. Längst hat sich in der Sphäre der Produktion, des Komponierens, der Preis frischfröhlicher Versachlichung und blanken Funktionierens erwiesen, und wie in allem hängt auch darin die Reproduktion von der Produktion ab. Nicht etwa, als wäre der seit Toscanini suspekte romantische Gestus wieder zu erwecken; als könnte noch einmal ein Dirigent die ersten Noten der Fünften Symphonie langsamer als den Rest vortragen, um damit die Würde des Schicksals ohrenfällig zu demonstrieren. Wohl aber bedeutet die Forderung sachlichen Musizierens, daß in der Tat die ganze Sache, mit all ihrer Verzweigtheit, ihrem Reichtum an Formen, ihrem latenten Wesen im Sinnlichen sich darstelle, anstatt daß ein in sich geschlossener, ungestörter Oberflächenverlauf darüber hinwegtrüge und es dem Hörer überließe, unter der Fassade aufzuspüren, was in der Musik eigentlich sich zuträgt, während ihn die übermächtige Fassade gerade daran verhindert. Die Gefahr des Musizierens sind nicht mehr Espressivo und Rubato, sondern das bloße Funktionieren nach dem Modell von Organisation und Verwaltung; Prozeduren, die, bei aller Versachlichung, der Sache nicht ihr Recht widerfahren lassen, sondern sie zentralisierend an die Kandare nehmen und schließlich brechen. Solche Fragen sind aber keine von bloßer Stilmode und wechselnder künstlerischer Gesinnung, sondern haben zum Schauplatz die Werke selbst. Was heute gegen Toscanini zu bedenken wäre, ist, ob seine Sachlichkeit sachlich genug war; ob sein geflissentlicher Dienst am Werk dem Werk dient oder schließlich doch nur der Ostentation einer sich selbst genügenden Apparatur von Materialbeherrschung. Die individuellen Grenzen des Musikers Toscanini mögen sich dabei als solche der musikalisch-geschichtlichen Tendenz erweisen, für die sein Name einsteht. Unterdessen aber ist er in die Zahl jener grand old men aufgerückt, deren Vaterautorität innerhalb der anonymen Hierarchie der verwalteten Welt eine Art Ersatzfunktion – die der ›Personalisierung‹ – übernommen hat, an welche das ohnmächtige Bewußtsein Ungezählter verzweifelt sich klammert. Man glaubt nach Belieben an Toscanini, um nur an irgend etwas zu glauben, und dieser Glaube freilich ist Symptom eines geistigen Standes, der es zur Autonomie des Urteils in künstlerischen Dingen so wenig mehr kommen läßt wie anderwärts. Zweifel an Toscanini wirken blasphemisch, während blasphemisch vielmehr die Bereitschaft ist, ihn zum Gott zu küren. So wenig sachliche Erwägungen über den Propheten musikalischer Sachlichkeit an solcher Reverenz etwas ändern werden, so lassen sie doch vielleicht Licht fallen auf das Phänomen autoritärer und autoritätsgebundener Gesinnung heute, die auch der Kunst sich bemächtigt.

Mir sind allerdings Zweifel an Toscanini, in rein musikalischen Zusammenhängen, aufgestiegen, ehe derlei Perspektiven sich absehen ließen. Ich erinnere mich an die Radioübertragung einer Aufführung der Siebenten Symphonie von Beethoven aus Salzburg, die ich im Sommer 1934 in Madonna di Campiglio in einem Kreis andächtig lauschender Hotelgäste vernahm. Herausgelöst aus dem suggestiven Wirkungszusammenhang des Opern- oder Konzertsaales, klang alles unvergleichlich viel blasser; einerseits leidend unter einem Mangel an Innenspannung – so als wäre mit der ersten Note die Musik bereits vorentschieden wie eine Grammophonplatte, anstatt zu entstehen; als gliche die Interpretation selber bereits ihrer mechanischen Übertragung – dann wieder, im Allegretto, altmodisch und den unzweideutigen Beethovenschen Anweisungen nicht entsprechend. Spätere Aufführungen in New York, bei denen ich zugegen war, haben mir das bestätigt; vollends jedoch ein Abend, an dem ich mit einem überaus zuständigen Freund zu Hause, nun wiederum bei einer Radioübertragung, Toscaninis Tempi der Neunten Symphonie mit den Beethovenschen metronomisch konfrontierte. Heute liegt ein beträchtlicher Vorrat von Toscaniniaufführungen auf Langspielplatten vor, die es erlauben, das Ganze und die Details sorgsam und beliebig oft abzuhören und zu versuchen, den Gesamteindruck in einigermaßen genaue Befunde zu übersetzen.

Stets fiel Toscaninis absonderliche Programmpolitik auf: seine Abneigung gegen avancierte zeitgenössische Musik ebenso wie sein mangelnder Sinn für kompositorisches Niveau. Unbefangen stellte er Werke drittrangiger italienischer Kameraden vor, und noch eine der jetzt im Umlauf befindlichen Langspielplatten enthält einen Kitschwalzer aus Großvaters Zeiten, ›Les patineurs‹, mit dem Vermerk, es handele sich um eine Lieblingskomposition Toscaninis. Da zu ihrer Rettung auch der ausgepichteste Snobismus kaum sich versucht fühlen könnte, hat man mit dessen Gegenteil zu rechnen, mit Naivetät. Nun ist der Geschmack von Interpreten, in den der Gedanke an die Wirkung leicht eingeht, oft unsicher, und man mag sich darauf berufen, der emphatische Unterschied der Niveaus, der hohen und der niederen Musik, sei spezifisch deutsch und den romanischen Ländern fremd. Dort gebe es ja auch kein Wort für Kitsch. Bis vor kurzem jedenfalls habe man dort zwischen der geselligen Funktion der Kunst und der autonomen nicht so rigoros getrennt, Kunst überhaupt nicht so verbissen ernst genommen wie wir. Aber nachdem einmal Toscanini sich zum Ritter der großen Musik aufwarf, hatte er stillschweigend einen Kontrakt unterzeichnet, ihre Differenz von den Waren anzuerkennen: sonst schlüge sein Bemühen um authentische Darstellung selber in tierischen Ernst um. Vollends scheint die Beziehungslosigkeit zur aktuellen Produktion unvereinbar mit seinem reproduktiven Ideal. Denn die Reproduktion hat ihre Kraft und Idee stets am fortgeschrittensten Stand des Komponierens, und alle entscheidend neuen interpretativen Intentionen werden von dorther gespeist. Die Versachlichungstendenz, für die Toscanini einstand, verliert an Substantialität, wenn sie nicht sich mißt am Konstruktionsprinzip des Komponierten selber, wie es in der gegenwärtigen Epoche hervortritt. Tatsächlich ist die Quelle seiner Art der Versachlichung von der kompositorischen höchst verschieden. Seine Empfindlichkeit gegen Zufall und Zutat ist die des Bändigers: nichts darf danebengehen. Sein Perfektionsideal ist gewonnen in der engsten Fühlung mit der Apparatur des Orchesters. Sie wird souverän gemeistert; als Instrument für die Komposition sie zu prägen, war sekundär; an erster Stelle steht der Wille, daß es klappe, ineinander sich füge, sauber, ungestört auch vom Dirigenten sich fortbewege wie nie zuvor. Diese Vereidigung auf den Apparat als Selbstzweck involviert in Toscaninis Reproduktionsweise ein Moment, das später dann verhängnisvoll auch im Komponieren hervortrat, die Vorherrschaft von Mitteln über den Zweck, den Fetischismus. Musik wird unter dem Blickstrahl Toscaninis verdinglicht zum Fertigfabrikat. Mit den technischen Spannungen möglichen Mißlingens werden auch die unter der Oberfläche latenten der Komposition selbst beseitigt. Alles erscheint bis zur letzten Note so klar und distinkt, als könne man es keimfrei verpackt, aber getrost nach Hause tragen: an Stelle des interpretierten Werkes tritt sein Abguß in einer Kunststoffmasse. Die Einheit, die Toscanini gerät und von der zunächst so viel Suggestionskraft ausgeht, ignoriert den Widerstand in der Sache. Sie rollt mechanisch streifenhaft ab: am deutlichsten vielleicht am Anfang des ersten Satzes der Vierten Symphonie von Brahms, wo die figurierte und variierte Wiederholung des Hauptthemas bis zum Beginn der ersten Steigerung ungegliedert durchtaktiert ist. Erhöht wird der Eindruck des Mechanischen durch die starren Eins-Akzente bei jener Wiederholung. Die Einheit in der Wiedergabe wie in der Komposition hochartikulierter Musik trägt nur dort, wo sie der Mannigfaltigkeit einander widerstreitender Regungen abgerungen ist, Prozeß und Resultat zugleich; bei Toscanini aber ist sie a priori, prästabiliert, es fehlt ihr gleichsam das Leiden, an dem sie erst zur Einheit würde. Wohl sind die Tempi, gegenüber den zerdehnten romantischen, vielfach – keineswegs immer – rasch und modern. Aber mit den neuen Tempi allein ist's nicht getan, sondern es entscheidet, was in ihnen geschieht: ob in ihnen die Fülle des Artikulierten und Differenzierten nach Hause gebracht wird. Das aber ist Toscanini versagt. Wohl spielt er etwa den Seitensatz aus dem ersten Satz der Ersten Symphonie von Beethoven rascher und unsentimentaler, als es die schlechte Tradition je duldete, aber insbesondere nach der Moll-Wendung gehen Artikulation und Akzentuierung gänzlich verloren, und frischfröhliches Weitermachen wird zum Preis einer Behendigkeit, die wahrhaft keine Hexerei ist. Schlecht undurchbrochen schnurrt ein Stück wie das Scherzo aus Mendelssohns Sommernachtstraum-Musik ab. Vieles ist dabei bewundernswert: die Virtuosität der Bläser, das Aneinanderrücken synkopierter Akzente, durch die sie einen eigenen neuen Rhythmus bilden, eine Atemlosigkeit, die man an dieser Musik vorher nicht gewahrte. Aber sie hat allen Schmelz eingebüßt. Eine so kluge wie unbestechliche Musikerin romanischer Provenienz, der ich die Platte, noch in der Zeit vor Hitler, schenkte, meinte: sehr großartig, aber doch so, als hätten die italienischen Geißen den deutschen Wald abgefressen.

Als Ersatz nun für den Mangel an Plastik und Gliederung in solchem Abschnurren fungiert bei Toscanini eine bestimmte Art von unerwartetem Subjektivismus. Entweder der italienische Theaterkapellmeister putscht das Orchester auf und überträgt applausfreudige Verdische Stretten etwas wahllos auf die Symphonik. Oder er gehorcht, mit drastischem Mangel an Geschmack, einer primitiven Klangfreude, weidet sich an sogenannten schönen Stellen, kostet sie sinnlich aus, ganz gleich, was dem Formzusammenhang dabei widerfährt, auf den dies Musizieren sonst so erpicht sich zeigt. Damit kommt der strenge Meister den kulinarischen Bedürfnissen der Schlagerhörer entgegen. Der erste Satz aus Brahmsens Vierter Symphonie ist überaus gestaltenreich. In einer achttaktigen, ungemein kantablen Stelle in H-Dur kontrastiert ein Bläservordersatz und ein Streichernachsatz; der Streichernachsatz klingt natürlich üppiger als der kühler instrumentierte Bläservordersatz. Toscanini aber stürzt sich so beglückt auf die Streicher, daß der Nachsatz nicht länger als Halbthema, als die Antwort zu vernehmen ist, die er in der Brahmsischen Formkonstruktion darstellt. Sondern er wird durch den übertrieben aufgetragenen und süßen Ton zur Hauptsache, setzt gleichsam die Exposition des Themas zur Nebensache herab und bringt dadurch die Form außer Balance. Subtilere Formkategorien sind diesem Musizieren fremd. An jenes Brahmsische Thema fügt sich eine Stelle an, die, ähnlich wie schon manche Entwicklungen bei Schubert, verblaßt, gewissermaßen eindämmert. Davon ist bei Toscanini nichts zu spüren, sondern alles wird wie an einem Faden weitergezogen, erklingt auf gleicher Ebene, er kennt keinen Unterschied verschiedener Grade von Präsenz.

Vor allem aber: die Suprematie der Kontrolle verwehrt es Toscanini, der Musik dorthin zu folgen, wo sie gerade nicht an der Kandare gehalten werden will. Er ist unfähig, eine Stelle ›ausspielen‹ zu lassen. Im langsamen Satz der Brahmsischen Vierten Symphonie geht unmittelbar vor dem Ende eine über alle Worte rührende, transzendierende Melodie der Soloklarinette auf. Sie hat ihren Formsinn daran, ein paar Sekunden lang den geschlossenen Verlauf zu suspendieren. Furtwängler, gegen dessen Brahmsische Vierte man alles mögliche einwenden mag, hat das mit höchster Eindringlichkeit gebracht. Bei Toscanini passiert nichts außer dem vorschriftsmäßigen Ritardando. Oder: in der Coda des ersten Satzes der Neunten Symphonie gibt es eine berühmte Stelle, in der das Horn das aus dem Hauptthema entwickelte Durchführungsmodell übernimmt, ein in unvergeßlicher Farbe aus der Totale sich heraushebender Moment. Toscanini musiziert darüber hinweg; nicht einmal das Kolorit des Horns tritt recht hervor; die relative Selbständigkeit, die jede eigentliche musikalische Episode definiert, wird eingeebnet. Ähnlich auch im Meistersingervorspiel, das übrigens Toscanini insgesamt merkwürdig verfehlt. Auf den kurzen, heftig modulierenden Abschnitt, der den Mittelteil einleitet, folgt das Abgesangsthema des Preisliedes, in den Viervierteltakt und nach E-Dur versetzt, in einer großartigen Harmonisierung, deren perspektivische Tiefendimension der Liedmelodie eine ungeahnte, dunkel-warme Wirkung abgewinnt: sie muß einmal gefühlt haben, wer irgend die Meistersinger verstehen will. Auch darüber eilt die Aufführung hinweg, so als wollte sie nur ja nicht sich verlieren, nur um jeden Preis vorwärtskommen, während die Einheit gerade einer an ziselierten Details so reichen Musik wie der der Meistersinger ein solches sich Verlieren erheischt, ja der eigenen Anlage nach dies sich Verlieren und Wiederfinden meint und keine simple Identität von allem mit allem im Vollzug. Die gesamte Aufführung des Meistersingervorspiels aber läßt jenes Zuviel vermissen, jenes Maßlose, Luxurierende, das dem Stück nicht äußerlich ist, sondern seinem Gehalt innewohnt. Technisch schuld daran ist wohl Toscaninis Gewohnheit, Oberstimmenmelodien auf Kosten der – bei Wagner überaus wesentlichen – harmonischen Kontrapunkte kraß in den Vordergrund zu rücken. Mittelstimmen sind ihm unwichtig; nie verschwendet er seine Aufmerksamkeit an anderes als das vordringliche Hauptereignis. Wahre Interpretation von Musik aber verlangt stets ein: Wirf weg, damit du gewinnst, und ihre Paradoxie ist es, dabei doch nicht sich wegwerfen zu dürfen – solche Paradoxie nimmt Toscanini nicht zur Kenntnis.

Er kann nicht verweilen. Hinter seinem souveränen Habitus lauert die Angst, den Hörer auch nur eine Sekunde auszulassen, so daß er der Schau müde werden und flüchten könnte; ein gegenüber der Person verselbständigtes, institutionalisiertes Kassenideal, das sich selber als unbeirrte Kraft der Befeuerung verkennt. Es verhindert jene Dialektik zwischen Ganzem und Teil, die in großer Musik sich zuträgt und in großer Interpretation sich realisieren muß. Ein abstrakter Oberbegriff des Ganzen steht von Anbeginn, fast wie die Zeichnung eines Gemäldes, fest und wird dann gewissermaßen ausgepinselt, mit einem Klangaufwand, dessen momentane sinnliche Pracht übertäubt, daß dem Detail seine eigentlichen Impulse entzogen sind. Toscaninis Musikalität hat etwas Zeitfremdes, Visuelles. Beziehungslos wird die Leerform der Totale durch isolierte Reize fürs atomistische Hören hergerichtet, gar nicht so viel anders als in der Kulturindustrie. Das streamlining der funktionierenden Orchestermaschine und die Atomisierung in bloß sinnliche Einzelheiten sind zwar minutiös ineinandergepaßt, aber die Musik bleibt dennoch in Wahrheit unverbunden; niemals treibt das Einzelne bei ihm von sich aus zum Ganzen. Statt dessen gibt es vorweg eingeteilte Steigerungen, eher mit Rücksicht auf den dynamischen Gesamtumfang disponiert, als aus den motivischen Antrieben entwickelt, und dann Entladungen, in denen imponierendes Klangvolumen die Einlösung der kompositorischen Spannungsverhältnisse ersetzt. Je gespannter die Musik, desto krasser das Mißverhältnis: so am Ende der Durchführung im ersten Satz der Neunten Symphonie und beim Wiedereintritt des Hauptthemas, mit Crescendi der Pauke innerhalb des Fortissimo, die Beethoven nicht verlangt. Vollends in der Missa solemnis, die zuweilen zu derartigen Manipulationen verführt, herrscht eine ungebrochene Monumentalität, die sich von den spirituellen Abgründen des Werkes nichts träumen läßt. Gelegentlich wird der Klang so gesteigert, daß bei extremen dynamischen Kontrasten ein unmittelbar auf das Fortissimo folgendes Pianissimo gar nicht mehr hörbar, sondern von dem vorhergehenden Riesenklang erstickt wird; das Ideal der Deutlichkeit, das zu solchen Extremen verleitet, schlägt in Undeutlichkeit um. Sollte an dem Mißverhältnis der Toningenieur die Schuld tragen, so hätte Toscanini die Platte nicht freigeben dürfen.

Solche Beobachtungen, deren jede einzelne pedantisch dünken mag, eröffnen Einsicht in einen zentralen Sachverhalt des Toscaninischen Musizierens: daß seine Treue und Perfektion sich gegen sich selber kehrt, nicht bloß in dem vagen Sinn, daß sie dem sogenannten Geist der Werke widerspräche, sondern derart, daß sie mit dem Werk in recht handgreifliche Konflikte gerät. So stimmen häufig die Toscaninischen Tempi mit Beethovens Metronomangaben nicht überein. Seine Vorstellung von Strenge ist zwar der Willkür des alten Starkapellmeisters fremd, orientiert sich aber doch viel mehr am klanglich Erscheinenden als an der Sache, die erscheinen soll. Sobald zwischen beiden musikalischen Elementen Schwierigkeiten aufkommen, wie es in hochorganisierter Musik unablässig der Fall ist, verfährt die Toscaninische Sachlichkeit ›realistisch‹, nach den Möglichkeiten und Desideraten der Maschinerie. Die Exposition von Beethovens Neunter enthält einen Abschnitt, wo eine Zweiunddreißigstelgestalt sich, als rhythmisches Auflösungsfeld, über die ganze Textur ausbreitet. Toscanini legt, in unverkennbar polemischer Absicht gegen die romantisierende Gewohnheit, den ganzen Satz rascher an als die Beethovensche Metronomisierung. Gibt man ihm das einmal vor, so würde gerade sein Stil, die unabgesetzte Disposition des gesamten Stückes, die das Bewußtsein von dessen Länge gar nicht erst aufkommen lassen will, ihn dazu verpflichten, das Tempo eisern durchzuhalten; hat er sich einmal entschlossen, Toscanini zu sein, so muß er es auch bleiben. Aber die Zweiunddreißigstelstelle läßt sich in seinem Tempo kaum realisieren, und sogleich opfert er sein Prinzip, paßt sich dem an, was der Apparat erlaubt, gibt im Tempo erheblich nach. Musiker überliefern einen Witz des Pianisten Moritz Rosenthal, der zum ersten Mal Paderewski hörte und, nach seinem Urteil befragt, antwortete: »Ein ausgezeichneter Klavierspieler, gewiß, aber ein Paderewski ist er nicht.« So ermangelte der bewundernswerte Toscanini genau jener Eigenschaften, die ihm zugeschrieben werden und an die der Mythos sich heftet. Sein Perfektionismus ging, wie jegliche Freude am bloßen Funktionieren, mit etwas Regressivem zusammen. Bei schwierigen Stellen läßt er Vorsicht walten; ist es leicht, oder fürchtet er, die Musik entglitte seiner Hand, so rennt er wie im Zirkus.

Man könnte dagegen einwenden, wie Toscanini es mache, wäre es mir nicht recht; taktiere er unverrückbar sein Tempo, so bezichtigte ich ihn des Undifferenzierten; wiche er einmal ab, so würfe ich ihm Willkür vor. Aber einmal müßte die Behandlung der Details sich nach dem von Toscanini selbst gewählten Formgesetz der Darstellung richten: wird sonst das Tempo von ihm unbedingt, bis zur mechanischen Genauigkeit respektiert, dann kann er nicht die Zügel dort schleifen lassen, wo es technisch bequem ist, sondern müßte allerorten Möglichkeiten der Differenzierung innerhalb des festgehaltenen Tempos selber suchen. Der zentrale Einwand gegen ihn jedoch ist schließlich nicht die Wahl falscher Grundtempi und die sklavische Gebundenheit daran, sondern die Unfähigkeit, innerhalb der eigenen Voraussetzungen überhaupt zu artikulieren. Der Sinn jener Zweiunddreißigstelstelle – und an solchen Details läßt sich über den Geschmack sehr wohl streiten, nämlich die Qualität einer Aufführung bündig beurteilen – ist, wie gesagt, gerade der eines Auflösungsfeldes, der gesteigerter Bewegung. Wird die Grundzählzeit hier gebremst, so tritt das Gegenteil dessen ein, was die Gestalt architektonisch im Satz leisten soll: Verlangsamung anstatt Verflüssigung. Die Willfährigkeit der Apparatur gegenüber wendet sich unmittelbar gegen den musikalischen Sinn.

Für einen Dirigenten von Toscaninis Anspruch wäre Beethoven überhaupt das Kriterium, und ihm genügt er nicht. Seine Grundansicht vom ersten Satz der Neunten, ähnlich übrigens auch von dem der Eroika, versäumt den Gegenstand. Der Eifer, den Satz zu entwagnerisieren, läßt ihn das Einfachste vergessen, Beethovens eigene Vorschrift: Allegro, ma non troppo, un poco maestoso. Nichts von der Majestät ist übrig; nichts von dem aus umirrenden Funken sich selbst Produzieren des Hauptthemas; mit der ersten Note ist alles, was erklingt, gleich geprägt, gleich definitiv. Das Verhältnis des Themas, als eines Resultats, zu dem Motiv, aus dem es wächst – dies durch und durch dynamische Verhältnis verkehrt sich in eines des bloßen Nebeneinander, der Koordination. Ein Fertiges wird vor Augen gestellt, nicht entwickelt. Daß die Musik das Abgründige verliert, ihre Atmosphäre, ist nicht mit der seit Nietzsche in Deutschland wohlfeilen Rede von romanischer limpidezza abzufertigen, auch nicht mit der von unbestechlicher Sachtreue, sondern gründet in einem technischen Mangel, einem an Sachlichkeit also: in der Unfähigkeit, die Beziehung der einleitenden Motivfragmente zu dem großen Thema als ein Werden zu entfalten. Man brauchte nicht poetisierend auf Atmosphäre auszugehen, sondern nur dem objektiven kompositorischen Vorgang das Seine zu geben, und die Sache hätte schon von sich aus ihre Atmosphäre.

Journalistischer Eifer hat dem unermüdlich Probierenden, dem Reinhardt-ähnlichen Orchestrarchen, dämonische Besessenheit attestiert. Aber wie heftig auch sein Temperament gewesen sein mag, musikalisch war er ein Dämon ohne Dämonie. Die Tiefendimension, die musikalisch ihren genauen technischen Ort hat in der Beziehung von gegenwärtigen und nichtgegenwärtigen Elementen des Verlaufs, schrumpft ein zugunsten bloßer abstrakter Gegenwärtigkeit. Erreicht Toscanini das Hauptthema der Neunten, ohne es durch einen Prozeß recht erreicht zu haben, so mißrät ihm, wie zur Strafe, dies Hauptthema. Seine melodische Kontur, die der abstürzenden Intervalle, wird unter dem expansiven Klang begraben, der bewirken soll, was von der Darstellung des Motivzusammenhangs hätte geleistet werden müssen. Diese Unkonturiertheit teilt sich dann dem Folgenden mit; so sinkt das aus kurzen alternierenden Einsätzen gefügte, strukturell dem Hauptthema kontrastierende Seitensatzthema durch Toscaninis Sorge ums Zusammenhalten der Phrasen in den Hintergrund. Der Atem der einzelnen Einsätze, damit aber der Charakter des gesamten Themas, wird erstickt, und es büßt jene Plastik ein, die allein es befähigte, lyrisch im Riesenschatten des Hauptthemas am Leben sich zu erhalten. Das ist noch sinnfälliger bei der Wiederkehr des Seitensatzes in der Reprise als in der Exposition.

Zu fragen wäre, ob Toscanini überhaupt sich auf Phrasierung verstand; ob nicht bei ihm die Konzentration der Aufmerksamkeit auf geschlossene Klangoberflächen den Instinkt für jegliches Atmen der Musik hat verkümmern lassen. Bändigend würgt er sie ab, wo sie singen sollte. Und eben diese Verhaltensweise mindert die Deutlichkeit, die doch bei sachlichem Musizieren obenan stehen sollte: durch das ängstlich unabgesetzte Ineinander-Weben der Gestalten werden sie so verschleift, daß sie sich kaum mehr unterscheiden lassen. Wenn später das Hauptthema, in einem kammermusikalisch aufgelösten Orchestersatz, aus dem erst hundert Jahre nach der Neunten kompositorisch die ganzen Konsequenzen gezogen wurden, in der Durchführung piano wiederkehrt, so erweist der exponierten Stelle gegenüber Toscanini sich als ganz hilflos: sie gibt in seiner Interpretation kaum musikalischen Sinn. Das schwebend Vage der Partie erfüllte nur dann seine Bestimmung, wenn das Material, an das sie unverbindlich erinnert, zuvor wahrhaft verbindlich präsentiert worden wäre.

Im Vergleich zu Beethoven straft Toscaninis Wagnerinterpretation oftmals die Vorstellung von dem Südländer Lügen, dem Musik zu nordischer Mythologie fernliegen müßte. Hier triumphiert der Theaterkapellmeister Toscanini über den Musiker: die mise en scène, wie sie dem Wagnerischen Gesamtkunstwerk die Regel vorschreibt, ist auch die seines Dirigierens. Wohl mahnt seine Freude an Wagner-Exzerpten ohne Singstimme fatal an Potpourris, gleichgültig ob Wagner, als taktische Konzession, solchen Exzerpten seinen Segen gab. Aber eine Aufnahme wie die von Siegfrieds Rheinfahrt und der ihr vorausgehenden, fälschlich als Prolog bezeichneten und durch Striche arg verstümmelten Szene hat trotz allem etwas Großartiges: die Einheit von Präzision und Klanginstinkt, Toscaninis Force, stimmt hier mit der Sache recht genau überein. Auch die Wiedergabe des Tristan-Vorspiels kann sich zumindest auf Wagners dezidierte Ansicht über langsame Tempi in der Schrift über das Dirigieren berufen, und die Bereitschaft zum extrem Langsamen wird belohnt durch einen Ausdruck des Süchtigen, unstillbar Sehnenden, den der normale Theater- und Musikbetrieb, das Stück mäßigend und mildernd, nicht kennt.

Wo immer aber Musik wahrhaft transzendiert; wo sie als der Menschheit Stimme spricht, verstummt Toscaninis Interpretation. Kaum wohl ist in Beethovens Symphonien der Ton der Humanität zwingender als im Trio des Allegrettos der Siebenten Symphonie; bei Toscanini aber geht es weiter wie am Fließband: als wagte Musik nicht mehr, die Augen aufzuschlagen; und wenn sie es wirklich nicht mehr darf, so waltet Toscanini allzu bereitwillig seines Amtes als Exekutor der geschichtlichen Tendenz. Oder der Augenblick vorm Trio des Scherzos derselben Symphonie: plötzlich bleibt das Unisono des Orchesters wie ein Zeichen in der Luft hängen, ehe das volksliedhafte Thema ausatmet: bei Toscanini wird daraus ein ausgehaltener, durchtaktierter Ton, ein hastiges Motiv, seine hastige Fortsetzung, nichts sonst. Man braucht nur solche Stellen mit den Wagnerplatten, oder gar mit Toscaniniaufnahmen italienischer Musik zu vergleichen, um splendeur et misère des Maestro zu gewahren.

Jene Siebente Symphonie ist, wie man weiß, von Wagner mit dem Namen der Apotheose des Tanzes bedacht worden. Toscanini selber aber ist die Apotheose, die äußerste Vervollkommnung eines im Grunde vorgeistigen, ja vorkünstlerischen Typus: der Theaterdirigent, der einmal im Kampf mit der Maschine nicht ermüdet und unterliegt, sondern sie sich zu Willen macht, um den Preis, ihr selber dabei ähnlich zu werden. Er entspricht der Platonischen Idee des Regimentskapellmeisters. Das Phänomen Toscanini und seine Wirkung kommt überein mit den herrschenden Tendenzen zur Regression. Wagner beschrieb, mit gutmütigem Hochmut, die älteren deutschen Kapellmeister des neunzehnten Jahrhunderts, die in Wahrheit Taktschläger gewesen seien, ohne die Musik freizusetzen; der alte Wilhelm Heinrich Riehl hat die Profile einiger dieser Männer überliefert. Nun ist es, als schlüge in Toscaninis eleganter Meisterschaft das Dirigieren wiederum auf jenen unfreien, hausbacken vorliberalen Standpunkt zurück; als gelänge der Kritik an der romantischen Interpretation nicht die Verwirklichung einer höheren Gestalt des Musizierens, worin Sinn und Strenge sich paaren, sondern als spaltete sie sich in bloße Strenge und ihr Korrelat: bloßen sensuellen Glanz – auf Kosten der Übersetzung musikalischen Sinns in den Zusammenhang der klingenden Phänomene, dessen, was Hegel allgemein-ästhetisch das sinnliche Scheinen der Idee nannte. Genau darauf: auf die suggestionskräftige Wiederherstellung eines bloß vorsubjektiven Standpunkts durch ein gewaltsames Subjekt, sprechen die Hörer an. Ihnen ist der Maestro beides, Ersatz für Führerpersönlichkeit und Religion, und Ausdruck des Sieges von Technik und Verwaltung über die Musik; bei ihm fühlen sie sich, als nun auch musikalisch Verwaltete, sicher und geborgen. Während sie glauben, durch ihre Begeisterung die eigene Kultiviertheit unter Beweis zu stellen, ähneln sie schon jenen Halbwüchsigen, die ich einmal in Florenz beobachtete, als sie von ihrem Lehrer aus dem Palazzo Pitti getrieben wurden und auf dem Platz davor, nach erledigter Kulturverpflichtung und offensichtlich erleichtert, sich um einen riesigen Cadillac scharten und ihm jene Ehrfurcht zollten, die sie drinnen aufzubringen wahrscheinlich vergebens animiert worden waren. Bei größter subjektiver Integrität, größtem handwerklichen Vermögen bereitet Toscaninis handwerklich beschränkte Anstrengung Unheil. Sie verwandelt Musik in eine durchs bloße Am-Schnürchen-Gehen imponierende Macht, leer im Inneren. Indem er den objektiven Geist der Epoche höchst angemessen verkörpert, und nicht mehr, zeigt er sich dem verschworen, wogegen er, seinem Bewußtsein nach, so tapfer und kompromißlos stand: einer von denen, die durch Kunst die Übermacht des bloß Daseienden über das, was anders wäre, über die utopische Möglichkeit, nochmals ratifizieren. Erzählt wird, ihm habe einmal eine zeitgenössische Partitur vorgelegen. Darin war eine Pizzicato-Note mit einem Crescendo- und Decrescendo-Zeichen versehen. Toscanini habe an den Rand geschrieben: stupido. Als Fachmann wollte er die Dummheit der kompositorischen Phantasie brandmarken, die er darin erblickte, daß von einer gezupften Note, über die, ist sie einmal angerissen, der Musiker keine Macht mehr hat, verlangt wird, sie solle an- und abschwellen. Er hat damit Empirie, Praxis, sture Realität über das Ingenium gestellt, das noch in einer solchen Note Leben erwecken möchte; das dem Dirigenten aufgibt, die angemessenen Mittel zu finden, und das Recht behielte, selbst wenn sie sich nicht finden ließen. Das nannte Toscanini stupido, aber die weltliche Klugheit, die er darin bewährte, ist Dummheit zweiten Grades, technokratische Feindschaft gegen den Geist.

 
Gesammelte Werke
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