Zur Vorgeschichte der Reihenkomposition

 

Der geläufige Einwand gegen die neuen Formprinzipien, die unter dem Namen Reihenkomposition, Zwölftontechnik, serielle Musik gehen, verdächtigt sie als willkürlich ausgedachte, der Komposition selbst äußerliche Spielregeln, die nur scheinbar organisieren, was konkret in der Musik sich zuträgt, aber es nicht von innen her durchdringen. Musik dieses Typus klaffe auseinander in eine abstrakte, als solche nicht wahrnehmbare Ordnung und ein Chaotisches fürs unmittelbar auffassende Ohr. Unbestreitbar, daß es solche, daß es überhaupt schlechte neue Musik gibt; ebensoviel Schlechtes freilich gab es in der traditionellen, zusammengehalten einzig an der Oberfläche durchs Bezugssystem der Tonalität, ohne daß doch Struktur und Einzelereignis darin wahrhaft eins geworden wären. So wenig das indessen für alle ältere Musik gilt, so wenig trifft jener Vorwurf alle neue. Die heute fraglose Autorität der Werke von Schönberg, Berg und Webern bezeugt sinnvolle Einheit der Formprinzipien und des erscheinenden musikalischen Augenblicks. Sie schließt den Gedanken an die Willkür der Formprinzipien selber aus. Mit Recht hat Eduard Steuermann Schönberg, als dieser einmal von seiner Erfindung der Zwölftontechnik sprach, entgegnet, er habe sie nicht erfunden, sondern gefunden. Was damit der Illusion einer Schöpfung aus dem Nichts mag entzogen worden sein, wird heimgebracht durch den Hinweis darauf, daß die neuen Verfahrungsweisen in der Sache selbst bereitliegen, aus dieser herausgeholt wurden, nicht gewaltsam ihnen aufgeprägt. Übrigens ist die im gewohnten Einwand liegende Unterscheidung von natürlichen und bloß gemachten, willkürlichen Elementen der Musik selbst willkürlich; was an ihr im Namen einer Natur behauptet wird, die durch den intellektiven Eingriff des Komponisten verletzt werde, enthält in Wahrheit in sich bereits das Moment von Rationalisierung; musikalische Natur ist immer schon zweite. Auf allen Stufen ihrer Geschichte stellt sich das Verhältnis von Material und Geist, von Vorgebenem und Eingriff, von zu Formendem und Form erneut her; beides ist stets durcheinander vermittelt. Auch das Reihenprinzip ward der Musik nicht zufällig hinzugefügt, sondern entfaltete sich in ihr geschichtlich, bis es dann freilich, nach Hegels berühmtem Gleichnis, die Keimblätter, unter denen es heranreifte, abwarf und als ein qualitativ Neues sich enthüllte.

Seine Ursprünge sind in der traditionellen Musik, vor allem aber in jener freien Atonalität aufzusuchen, die, als Emanzipation von allen Bezugssystemen, scheinbar jenem Prinzip entgegengesetzt ist. Sie herauszuarbeiten will der neuen Musik keinen Ahnenpaß verschaffen; nicht mit dem Zuspruch, all das sei immer schon dagewesen und gar nicht so schlimm, das Befremdende wegräumen, das zu ihrem Gehalt selbst gehört, und ohne das er verdampft. Wohl jedoch kommt ein solcher Nachweis dem der sachlichen Notwendigkeit zugute. Zeigen läßt sich, daß die neuen Prinzipien nicht, wie auch manche Apologeten es möchten, ersonnen wurden, weil man anders nicht weitergekommen wäre, sondern daß sie zum Selbstbewußtsein bringen, was latent in der Emanzipation der Musik von den Schranken der traditionellen Bezugssysteme schon steckte.

Man pflegt die Zwölftontechnik aus dem Prinzip der Variation abzuleiten: »Die Zwölftontechnik ist aus dem echt dialektischen Prinzip der Variation hervorgegangen.«1 Aber der Begriff der Variation ist dabei noch zu undifferenziert. Er hat in sich eine Dynamik, die mit der Subjektivierungs- sowohl wie der Integrationstendenz innerhalb der Geschichte der neueren Musik sich verschränkt. Die ältere Variation war mehr oder minder Paraphrasierung eines in sich als unveränderlich seiend vorgestellten und bewahrten Themas; noch bei Schubert ist dieser Variationstypus vielfach vertreten. Beethoven hat gegen solche Starrheit, die das Thema dem subjektiven Gestaltungswillen als ein Fremdes, Unberührbares gegenüberläßt, rebelliert. Indem er die einzelnen Variationen oder Variationsgruppen mit charakterisierendem Ausdruck vom ursprünglichen Thema abhob, hat er zugleich von dessen anfänglicher Gestalt immer weiter sich entfernt, es von innen her, strukturell, abgewandelt, anstatt es bloß figurativ zu umkleiden. In den späten Diabelli-Variationen, wo die Charakterisierung jeder einzelnen am weitesten geht, ist der Zusammenhang mit dem Thema vielfach bereits so verborgen wie in der neuen Musik die Reihe im Verlauf der Komposition. Er wirkt nur noch, insofern je ein Element, eine Dimension, fast, nach heutigem Sprachgebrauch: ein Parameter des Themas aufgegriffen und festgehalten, alles andere aber abgewandelt oder neu erfunden wird. All das jedoch hält sich innerhalb bestimmter Grenzen. Auf der einen Seite fügt jede Variation sich zu einer Geschlossenheit und Rundung, die an die Originalgestalt des ebenfalls in sich geschlossenen Themas denken läßt, diese gleichsam respektiert. Andererseits wird das Thema gerade dadurch, daß es jenseits seiner weitgehenden Modifikationen als deren ferner Anlaß stehenbleibt, intakt gelassen. Alle erdenklichen Charaktere sind aus ihm abgeleitet, es selber aber wird durch deren Folge nicht aufgelöst, sein eigener Charakter durch den Zug der Komposition nicht angetastet. Die Entwicklung der Variationstechnik hat nun dadurch auf das Reihenprinzip hingearbeitet, daß sie jene Beethovensche Grenze überschritt.

Wie man weiß, präsentiert die Verfahrungsweise Schönbergs grob sich so, als hätte sie das Wagnerisch-neudeutsche chromatische Material Brahmsisch-klassizistischen Konstruktionsprinzipien unterworfen. Eben diese Vorstellung bedarf, will man den Ursprung des Reihenwesens recht begreifen, gewisser Verfeinerungen: auch in den Konstruktionsprinzipien steckt mehr Neudeutsches, als man bislang wohl gesehen hat. Von Berlioz, mit dem die Beethovenisch-klassizistische Tradition abreißt, wird zum ersten Mal das bis dahin nur desultorisch vorkommende Leitmotiv konsequent angewandt. Es verdankt sich zunächst dem Bedürfnis nach Charakterisierung; zugleich dem, Musik ungehemmter der Vorstellung eines reinen – tendenziell bereits frei assoziierten – Ablaufs anzugleichen, als es die statisch-architektonische Wiederholung einander korrespondierender Formteile früher duldete. Weiterhin erfüllt es jedoch, wie immer auch ungeschickt noch und rudimentär, eine formbildende Funktion. Durch seine Identität soll es zusammenhalten, was chaotisch auseinanderzufallen droht, nachdem die traditionelle Sonatenarchitektur mit den poetischen Programmen nicht mehr vereinbar war. Bei Berlioz, und dann in der neudeutschen Schule bis Strauss, sind die Leitmotive weit unentbehrlichere Bindemittel des Ganzen als jemals Variationsthemen oder Variationsmodelle bei Beethoven. Die Verkürzung des ausführlicheren Themas zu einem knappen Motiv hilft dazu: weil das Thema beweglicher, disponibler wird, kann es an den verschiedensten Stellen auftreten und seine Schuldigkeit tun. Dabei entfernt es sich nun viel weiter von seiner originalen Form als im Wiener Klassizismus; es wird durch die Entwicklung überholt, gebrochen. Daß die idée fixe der ›Phantastischen Symphonie‹, Allegorie der Traumgeliebten, im letzten Satz verzerrt und erniedrigt wird, sagt zugleich etwas Absolut-Musikalisches. Berlioz fühlt noch gleichsam, was er dem traditionellen, statischen Begriff des Themas, auch des Beethovenschen, antut, und wagt dennoch das bei Beethoven Undenkbare – die Idee von Verzerrung und Karikatur deckt, wie vielfach in der Geschichte der Musik, das Hervortreten der neuen Qualität.

Bei Wagner dann ist, unter dem Namen der psychologischen Variation, was bei Berlioz noch schockhaft war, bereits zur unproblematischen, selbstverständlichen und durchgebildeten Kompositionstechnik: zum Stilprinzip geronnen. Dennoch treibt weiter, was Berlioz in die Musik geworfen hatte. In den späten Teilen des Rings, vor allem in der Götterdämmerung, sah Wagner der Aufgabe sich gegenüber, so wie der Ring sich schließt, mit Bekanntem, Vorgegebenem hauszuhalten, also nur ein Minimum neuer Motive hinzuzuerfinden. Mit dem dramatischen Fortgang aber mußten doch die Charaktere sich ändern. Im Siegfried ist Siegfrieds Hornruf eine aus den Naturtönen des Instruments abgeleitete Fanfare. In der Götterdämmerung wird ein schwer gepanzertes, von der eigenen Rüstung fast erdrücktes Thema daraus, das den reifen Helden, zum Unterschied von dem Naturkind, allegorisieren soll. Das Thema wird harmonisiert, umrhythmisiert und einem mächtigen Blechchor überantwortet, so weit weg von jener Fanfare wie vom Mann die Kindheit, in der er kaum mehr sich wiedererkennt. Wie gewaltsam Wagner mit dem Hornruf umspringt, läßt selbst heute noch sich fühlen. Oft wird das einzelne Thema von dem kompositorischen Willen zerschlagen und umgeschmolzen wie Siegmunds Schwert nach Siegfrieds programmatischer Rede in der Schmiedeszene. Was an der neuen Musik gewaltsam dünkt, und was eins ist mit ihrem schockhaften Aspekt, hat demnach selbst seine lange Tradition. Sie beginnt in dem Augenblick, in dem Beethovens Rekonstruktion einer musikalischen Ontologie, die subjektive Rechtfertigung der klassizistischen Formobjektivität, für den Stand des kompositorischen Bewußtseins ihre Verbindlichkeit einbüßte. Man mag die zugleich in ihrer Identität verbindlichen und doch vom Ganzen her gegen ihren eigenen Willen radikal veränderten, zum bloßen Stoff reduzierten Leitmotive als die ersten Reihen ansehen.

Wie die für die neudeutsche Schule eigentlich charakteristischen symphonischen Dichtungen – erweiterte Ouvertüren – waren auch die früheren großen Instrumentalwerke Schönbergs, ›Verklärte Nacht‹, ›Pelléas und Mélisande‹, Erstes Quartett, Erste Kammersymphonie, einsätzig. Die Einsätzigkeit wollte zunächst, als ›symphonisches Gedicht‹, die archaistische, von fern noch an die Suite mahnende Schematik anbefohlener, miteinander wechselnder Typen, musikalischer Charaktermasken durch die Einheit der subjektiven Intention ersetzen. Auch das aber hatte stets seine objektiv-formkonstitutive Seite, die Tendenz zur Integration, zur Vereinheitlichung des musikalischen Gebildes, hier im wörtlichsten und simpelsten Sinn, daß nämlich ein einziger, in sich durchorganisierter Satz anstelle einer Vielheit der musikalischen Substanz nach mehr oder minder unverbundener Sätze trete. Die späteren symphonischen Dichtungen von Strauss waren denn auch bereits große Symphonien in einem Stück. Während Schönberg in der ›Verklärten Nacht‹ und dem ›Pelléas‹ dem programm-musikalischen Impuls der Einsätzigkeit folgte, also den Verlauf der Form dem der Dichtung anschmiegte, wich jener Impuls vom Ersten Streichquartett an dem musikalisch-konstruktiven. Der Zusammenhang von Einsätzigkeit und integralem Komponieren rückt ins Licht, daß Schönberg in seinen letzten Instrumentalwerken, die in so vieler Hinsicht Intentionen der Jugend aufgreifen, im Klavierkonzert, im Streichtrio, in der Violinphantasie auch an die Einsätzigkeit sich erinnert. Auch jüngste Kompositionen verschiedenster Richtung, die mit Programmusik nichts gemein haben – Klaviertrio, Improvisation und Allegro für Violine und Klavier von Steuermann, die ›Zeitmaße‹ und die ›Gruppen‹ von Stockhausen – sind wieder einsätzig. Vom Ersten Streichquartett an hat Schönberg das neudeutsche Ideal der Einsätzigkeit als eines der konstruktiven Vereinheitlichung interpretiert und mit der entfalteten thematischen Arbeit der Linie Beethoven-Brahms, der Idee des kontrastreichen, in sich dialektischen Komponierens zusammengezwungen, das bis dahin der Mehrsätzigkeit reserviert war. Jene großen einsätzigen Kompositionen aus der sogenannten zweiten Periode, das Erste Quartett, die Erste Kammersymphonie, später dann aber auch Klavierkonzert und Trio sind zugleich, wie ›Heldenleben‹ und ›Domestica‹, latent mehrsätzig gegliedert, so wie umgekehrt manche der mehrsätzigen, Zweites Quartett und Zweite Kammersymphonie, als verkappt einsätzig gelten können. Aufgabe war, die großen Hauptteile der einsätzigen Werke, ihre ›Sätze‹, so zu bauen, daß sie doch eines wurden. Sie ließ sich lösen nur durch eine Themenbehandlung, die recht genau dem entsprach, was Berlioz und die Neudeutschen mit dem Leitmotiv vorgenommen hatten. Ins Thema wird eingegriffen bei gleichzeitig festgehaltener Identität. Dadurch nähern sich die Themen im Ersten Quartett weitgehend schon dem Reihenprinzip. Das Modell des Seitensatzes aus dem großen Allegro, mit dem das Erste Quartett anhebt, mahnt durch seine Kürze ans Leitmotiv. Schönbergs untrüglicher Forminstinkt hat es dadurch bereits als eine Art von ›Material‹, als ein reihenhaft zu Verwendendes eingeführt, daß zunächst eine Melodie der ersten Geige erklingt, die wie das eigentliche Thema wirkt, das seinerseits unter dem Schutz dieser Oberstimme, absichtsvoll-unauffällig, exponiert ist. Nach Reihenart wird nun dies Seitensatzthema in der Tat behandelt. Von ihm abgeleitet ist das Thema eines späteren, auf die große Durchführung folgenden Hauptteils, der einem Scherzo entspricht. Allerdings unterscheidet diese Umformung sich wesentlich noch von der späteren Reihentechnik. Erhalten ist Rhythmus und Umriß des Seitensatzthemas; das charakteristische Intervall jedoch, die kleine None, mit der es in seiner ursprünglichen Gestalt schließt, wird im Scherzo nivelliert, zur bloßen Oktav gemildert, während in der Zwölftonkomposition die Intervalle festgehalten, aber die Rhythmen verändert sind. Trotzdem jedoch ist dem Verhältnis der beiden Themengestalten zueinander mit der Reihentechnik gemeinsam, daß hinter beiden etwas wie ein ›subkutanes‹ Material – der Gedanke an die Schenkersche Urlinie, überhaupt an Beethoven drängt sich auf – sich birgt, aus dem dann völlig verschiedene Charaktere derivieren, deren Ton und Ausdrucksgehalt aufeinander keinerlei Rücksicht mehr nehmen; daß also das Variationsprinzip von der Oberfläche abgezogen, zu einem Vorgang der Materialdisposition wird, während die einzelnen soidisant Variationen gegeneinander ganz neue Themen oder Motive repräsentieren. Nicht mehr werden Variationen über Themen komponiert: Komposition wird Variation insgesamt, ohne statisches Thema. Wie weit, nach Reihenart, die Behandlung des Themas dessen Ursprung hinter sich läßt, wie sehr also aus dem Thema Material wird, zeigt sich in dem einem Rondo entsprechenden Schlußteil des Ersten Quartetts, wo jenes Thema einen Nebengedanken konstituiert, der zwar die Konturen, rhythmisch aber nichts und auch nicht das charakteristische Intervall mit dem originalen Seitensatz gemein hat. Er ist jetzt ins unbekümmert Frische, Musizierende umgemodelt, bar jener Spannung, die ihm zunächst eignete und die, durch den Verlauf der Gesamtform, mittlerweile eingelöst, ausgeglichen ist. Solche schon im ersten Satz voll expliziten Verfahrungsweisen brauchten sich nur von tonalen Verhältnissen und Strukturen loszulösen, und Schönberg hatte, gewissermaßen als Essenz seiner Art von thematischer Arbeit, das Reihenprinzip in Händen.

Je unauffälliger eine Gestalt, um so mehr taugt sie dazu, Reihe zu werden. Das Hauptthema des Ersten Quartetts, zum Seitensatz dadurch kontrastierend, daß es als lange Melodie ausgesponnen ist, hat in seinen drei ersten Takten zur Begleitung eine in Sekundschritten ansteigende Baßstimme, die dann, wie meist bei Schönberg, im Sinn des doppelten Kontrapunkts mit der Oberstimme vertauscht wird2. Diesen Kontrapunkt des Cellos benutzt nun Schönberg, ganz nach Art der späteren Reihen, als neues Thema in der Durchführung. Die Intervalle sind festgehalten, die Notenwerte aber verkleinert und umrhythmisiert. Die Identität mit dem Thema kann kaum mehr beim Hören realisiert werden; wohl aber teilt sie sich bereits als Einheitsmoment den sehr komplexen musikalischen Vorgängen mit.

Die Unsichtbarkeit des Einheitsmoments gegenüber der thematischen Arbeit, zentral fürs Reihenprinzip, ist kein spätes Resultat fixierter Technik. Sie weist zurück auf den kompositorischen Prozeß selbst. Schönberg gibt darüber Auskunft in dem Aufsatz über Zwölftontechnik, der nun in dem Band ›Style and Idea‹ publiziert ist. Die Kammersymphonie op. 9 hat im Komplex ihres sogenannten ersten Themas zwei Hauptthemen, ein stürmisch nach oben schreitendes des Cellos und ein – dem traditionellen ›Einsatz‹ entsprechendes – fließendes der Geige in der Gegenrichtung. Schönberg schreibt, er habe sich nach Abschluß des Werkes Sorgen darüber gemacht, daß die beiden keine Beziehung zueinander gehabt hätten. Er wäre sogar im Begriff gewesen, das Fortsetzungsthema wegzustreichen, hätte sich dann aber doch auf seinen ursprünglichen Einfall verlassen und zwanzig Jahre später entdeckt, daß die charakteristischen Ecknoten des zweiten Hauptgedankens die Umkehrung der Hauptintervalle des ersten sind. Mit anderen Worten, was die triviale Ansicht an der Reihentechnik als intellektualistisch verfemt, die Verwendung des nach Bach in Vergessenheit geratenen Prinzips der thematischen Umkehrung, hat sich, unter dem Zwang von Schönbergs Formgefühl, unbewußt durchgesetzt. Nun ist für die Qualität eines Kunstwerks die Art, wie es zustandekommt, gleichgültig, Privatsache des Komponisten: es zählt einzig die Sache selbst, nicht ihre Genese. Der banalen Argumentation gegenüber jedoch, die glaubt, über künstlerische Dinge urteilen zu können, indem sie die Standardfrage ›Ist das bewußt?‹ vorlegt, erteilt immer noch die gebührende Antwort der Beweis, daß, was jene für das Produkt der rechnenden Absicht des Komponisten oder des verruchten Intellektualismus des Deuters hält, bis in den Abgrund des Formsinns hinunterreicht. Auch hinter den beiden grundverschiedenen Hauptgedanken des ersten Themenkomplexes der Kammersymphonie versteckt sich etwas wie eine Reihe. Gerade zu diesem Fall gibt es Analogien bei Beethoven, etwa in der Waldsteinsonate, wo die Linie des Seitensatzes die des Hauptthemas umkehrt. In der traditionellen Musik des neunzehnten Jahrhunderts wurden solche Beziehungen wenig beachtet. Kaum andere als die bedeutendsten Komponisten haben sie kultiviert. Die Tonalität garantierte den Zusammenhang, oder wenigstens dessen Schein, dem einzig das fortgeschrittenste Gehör mißtraute. Je unfähiger jedoch die traditionellen Garanten der Einheit dazu wurden, das Andrängende zu bewältigen, um so mehr mußten die seit dem Mittelalter apokryphen hervorgezogen, ins Zentrum der Konstruktion gerückt werden.

Im Zweiten Quartett ist Schönberg zur Mehrsätzigkeit zurückgekehrt, ohne von der Idee einer auskonstruierten Einheit des Ganzen etwas nachzulassen. Sie wird realisiert, indem der dritte Satz, mit Gesang, eine ungemein verbindliche Variationenfolge, zugleich die Aufgabe einer großen Durchführung des gesamten Werkes übernimmt, während im ersten Satz, kunstvoll-ökonomisch, die Durchführung verhältnismäßig knapp gehalten war. Das Variationsthema des dritten Satzes ist demgemäß als Durchführungsmodell exponiert, das wesentliche Bestandteile der beiden vorhergehenden Sätze aneinanderfügt. Das Kopfmotiv ist das nach Reihenart rhythmisch umgeformte Hauptthema des ersten Satzes; der hinzutretende Kontrapunkt der ersten Geige, sogleich vom Cello imitiert, identisch mit dem Modell des zweiten Hauptthemas aus dem ersten Satz; das mittlere Motiv der Bratsche das getreue, ebenfalls rhythmisch abgewandelte zweite Thema des Scherzos; der Nachsatz des Themas schließlich das zweifach vergrößerte Schlußgruppenmodell des ersten Satzes. Aus diesen thematischen Mosaiksteinen entsteht ein neues Thema, gewissermaßen eine Grundreihe: an ihm fällt als reihenähnlich die nur in den ersten Takten durch zwei knappe Kontrapunkte unterbrochene Einstimmigkeit auf. Die Verarbeitung des außerordentlich dichten Stücks, das die Variationen weniger voneinander abgrenzt als ineinander verwebt, vollzieht sich derart, daß die Teilgestalten, aus denen das Thema gefügt war, einzeln herausgegriffen und fortgesponnen sind. Zu ihnen kommt noch ein Kontrapunkt hinzu, mit dem die Singstimme beginnt und der sich mit dem Themennachsatz bei dessen unmittelbarer Wiederholung überschneidet. Virtuell wie dann in den Zwölftonkompositionen gibt es in dem ganzen Satz kaum eine ›freie‹ Note mehr; buchstäblich eine jede ist thematisch, also entweder unmittelbar Bestandteil einer der Teilgestalten des Themas oder einsichtig daraus gewonnen. Wie wenn auf die unbeschreibliche Anspannung dieses Satzes ein Ausatmen folgte, ist dann der folgende letzte, die ›Entrückung‹, abgesehen von der großen Architektur, weithin thematisch frei, wenngleich mit Reminiszenzen vor allem an den Nachsatz des Variationenthemas. Es ist zugleich das erste Stück Schönbergs in freier Atonalität, ohne Vorzeichen geschrieben, trotz des Fis-Dur-Schlusses.

Die Beziehungen der höchst thematischen großen Kammermusikwerke aus Schönbergs zweiter Phase zur Zwölftontechnik leuchten ein; an ihre Gestaltungsweise hat dann auch Schönberg im Vollbesitz jener neuen Technik, am deutlichsten im ersten Satz des Vierten Quartetts, angeknüpft. Die freie Atonalität indessen scheint zunächst die absolute Antithese solcher Formgesinnung, der Versuch, lediglich dem Triebleben der Klänge, dem inneren Ohr sich zu überlassen. Genauere Betrachtung führt darauf, daß gleichwohl in dieser Phase die einmal gewonnenen Konstruktionsprinzipien weitergebildet sind. Vielleicht werden sie um so wirksamer, führen um so näher ans Reihenprinzip, weil sie nun, da die Überreste der Sonatenform und der herkömmlichen Durchführung beseitigt sind, noch weniger obenauf liegen als in den beiden ersten Quartetten und der Ersten Kammersymphonie. Man darf sich die Werke dieser Phase, der dritten in Schönbergs Entwicklung, insgesamt überhaupt nicht so ›athematisch‹ vorstellen wie das Partiturbild der ›Erwartung‹, des einzigen Stückes von größerem Umfang, auf das jener Begriff einigermaßen paßt. Die Entwicklung des Komponierens nach dem Zweiten Krieg war wesentlich mit der Aufgabe konfrontiert, das von allen Fassadenstrukturen gereinigte Material aus der Phase der freien Atonalität, den Prosacharakter der Musik wiederzugewinnen, den Schönberg zumal während des Beginns der Zwölftonzeit geopfert hatte. Dabei wollten zugleich die freien kompositorischen Ereignisse konstruktiv zusammengefaßt, Freiheit und Gesetzmäßigkeit im Ernst zur Identität erhoben werden. Diese an den verschiedensten Stellen auftauchende Konzeption hatte jedoch ihre Chance nur, weil dem von Alois Hába so genannten »Kompositionsstil der Freiheit« – eben dem der freien Atonalität – jene Formprinzipien unverloren blieben.

Bereits das dritte Werk in freier Atonalität, die Orchesterstücke op. 16, denen nur die bei aller harmonischen Emanzipation dem traditionellen Liedtyp zugehörigen Georgelieder und die relativ einfachen Klavierstücke op. 11 vorausgehen, sind bereits wieder ›thematisch‹. Das fiel Webern schon in seinem Schönbergessay von 1912 auf. Er konstatierte zugleich mit ihrer ungebundenen, prosahaften Anlage: »Die Themen auch dieser Stücke sind ganz kurz gefaßt, werden aber verarbeitet.« In einigen sind sie Grundgestalten schlechtweg, nur nicht mit Rücksicht auf die Vollständigkeit der zwölf Töne, sondern frei erfunden, eher wie Schönberg zu Beginn der Zwölftonphase in den Klavierstücken op. 23 verfuhr. Im op. 16 bedurfte er der thematischen Arbeit, um das komplexe Gefüge eines ungemein polyphonen Orchestersatzes überhaupt zu integrieren, während Lieder und Klavierstücke, ihrer relativ homophonen Struktur wegen, noch ohne die konstruktive Gegenkraft auskamen.

Das erste Stück ist zwar noch recht sinnfällig disponiert, aber, bei den knappen Dimensionen, überreich an Motiven. Auf engstem Raum sind, wie durchweg in der Phase der freien Atonalität, stärkste Kontraste zusammengedrängt. Das vielfältige Material untersteht jedoch straffer Ökonomie. Die Hauptcharaktere bilden keineswegs das letzte, nicht weiter zurückzuverfolgende Material des Stücks. So ist sogleich das erste, wenn man will, das Hauptthema (Takt 1–3, Cello), aus der Wiederholung des dreitönigen Motivs e-f-a gebildet, dessen Rhythmisierung die Identität verbirgt. Dies Motiv kommt denn auch, verkleinert und in der Umkehrung, in dem Kontrapunkt vor, den die tiefen Holzbläser zum Hauptthema spielen. Er enthält zu Beginn ein weiteres, gleichfalls dreitöniges Melisma in sich, d-cis-g, das für die Folge überaus wichtig wird (Takt 1, Kontrabaßklarinette und Kontrafagott). Der vierte Takt, mit dem ein ganz aufgelöster Nachsatz beginnt, scheint ganz neu; in Wahrheit aber ist er aus dem ersten Takt abgeleitet: das cis-d-fis des Horns in Takt 4 ist identisch mit dem Grundmotiv, das es-des-g der Klarinette (ebenfalls Takt 4) nächstverwandt dem Anfang des Kontrapunkts. Aus diesem stammt dann auch das a-gis-d von Horn und dann Klarinette (Takt 5), das den Rest des Nachsatzes bestreitet. Abermals neu scheint das Modell im 4. Takt nach Ziffer 1, aber auch es entspringt im Grundmotiv. Seine höchsten rhythmischen Ecktöne, e in der ersten Oboe, f in den pizzikierten ersten Geigen, as im Piccolo entsprechen der Anfangsgestalt. Der Zweiklang cis-e, dann der Vierklang d-f-cis-e aber gehört einem harmonischen Komplex an, der den ganzen zweiten Teil beherrscht. Vollständig wäre er der in d-moll leitereigne Sechsklang d-f-a-cis-e-g; er erklingt allerdings nie als komplette Harmonie sondern stets nur zerlegt. Verfolgt man die Exposition des Stücks bis ins einzelne, so reduziert sie sich auf diesen Komplex. Melodisch herrschen die beiden Motive e-f-a – das Hauptmotiv – und d-cis-g – der Anfang des ersten Kontrapunkts – vor. Nach Terzen geordnet und gleichzeitig ertönend, ergäben diese beiden Grundgestalten zusammen den sechstönigen Akkord d-f-a-cis-e-g, tatsächlich die harmonische Grundlage des ganzen Stücks. Als demnach Schönberg, vor fünfzig Jahren, die Orchesterstücke schrieb, hat er nicht allein die subtilen Variationsmittel der Zwölftontechnik gehandhabt: rhythmische Veränderung, Vergrößerung, Verkleinerung, Verteilung eines Melos an verschiedene Stimmen, Umkehrung und Krebs. Sondern es ist bereits, in der Unmittelbarkeit eines völlig freien kompositorischen Stils, antezipiert, was später in der Zwölftontechnik am meisten befremdete: Vertikale und Horizontale sind in eins gesetzt, also sukzessive Reihentöne zu simultanen Klängen zusammengeklappt. Was dem abstrakten Kalkül zugeschrieben wird, ist in einem gänzlich ungebundenen, lediglich den Innervationen des Ohrs gehorchenden Kompositionsstil entwickelt worden.

Die eine der beiden Grundgestalten des ersten Orchesterstücks, die Folge von Sekund und Terz, die umgekehrt, rückläufig gebracht, um ihre Achse gedreht werden kann, gleicht der von Mahlers fast genau zur selben Zeit entstandenem Lied von der Erde. Hier gibt sie die Quintessenz der chinesischen Pentatonik, deren kritische Intervalle eben Sekund und Terz sind. Bei Mahler schon wirkt dieses Motiv nicht vordergründig thematisch, soll nicht als solches behalten werden, sondern fungiert als Stilisationsprinzip, als Bindemittel der musikalischen Textur, unaufdringlich anklingend an jenes exotische Tonsystem, das die Wahl der Texte nahelegt: eine Art von Kitt, der den Zusammenhang zwischen sonst vielfach disparaten musikalischen Ereignissen stiftet. Ähnliche Kittmotive, unterschieden von prägnanten Leitmotiven, benutzte schon Wagner; man hat besonders im Tristan auf sie aufmerksam gemacht. Einen wesentlichen Aspekt der Reihentechnik, den Charakter bloßer Vorformung des Materials diesseits der manifesten Komposition, dürften jene Kittmotive aus dem neunzehnten Jahrhundert umschreiben, deren Grenze gegen die spezifischen und doch durch ihre Primitivität manchmal wiederum unspezifischen Leitmotive bei Wagner fließt. Auch dies Gestaltungsmittel ist entdeckt worden, als nach der Kritik der traditionellen Formen und der traditionellen Musiksprache der Zusammenhang dort verstärkt werden mußte, wo früher das Idiom für ihn sorgte, und wo zugleich das Anwachsen der Differenzierung, wie nach dem Grundsatz der gleichzeitigen Soziologie Herbert Spencers, mit anwachsender Integration als ihrem Korrelat zusammenging. Das Latenzprinzip selber wurzelt wohl im Bestreben, die im Kunstwerk steckende Arbeit, den Produktionsprozeß so unsichtbar zu halten wie etwa Fabrikschornsteine in bürgerlichen Wohngegenden des neunzehnten Jahrhunderts. Erst als späte und radikale Konsequenz der neuen Sachlichkeit, vergleichbar den Bauhausprinzipien, möchte das Wie des Zustandekommens musikalischer Ereignisse in den Ereignissen selbst sichtbar werden; erst bei Webern werden Reihen und Reihenrelationen wiederum unmittelbar thematisch.

Eingewandt könnte werden, die Orchesterstücke seien thematisch gearbeitet und darum ihr Zusammenhang mit der Zwölftontechnik nicht erstaunlich – obwohl seinerzeit Schönberg selbst über den Nachweis ihres Reihencharakters frappiert war. Aber höchst unmißverständliche Belege von Reihendenken finden sich auch in solchen Kompositionen des atonalen Schönberg, die mit thematischer Arbeit im üblichen Sinn wenig oder nichts zu tun haben. Die ersten atonalen Klavierstücke op. 11 bildeten, um des extremen Ausdrucks willen, Themen und Themenkomplexe aus extremen Kontrasten. Auf die üblichen, gegenüber den thematischen Zentren gleichsam akzidentellen Vermittlungen wird um der Ausweitung musikalischer Spannungsverhältnisse willen verzichtet. Jene Kontraste definieren – ebenso wie das jähe Abbrechen von Gestalten, sobald ihr Bewegungsimpuls sich erschöpft hat, die Absage an Fortspinnungen herkömmlicher Art – das neue musikalische Idiom. Aber sie haben für Schönbergs Formgefühl, sein überwaches Organ für die objektive Verbindlichkeit noch des scheinbar regellosen expressiven Impulses, von Anfang an ein kompositorisches Problem aufgeworfen. Paradox gesagt: der Verzicht auf Vermittlungen mußte selber noch vermittelt sein, sollte er nicht in pure Zufälligkeit umschlagen, in jenes Sinnlose, welches das kurzatmige Gehör Schönberg nur allzu leicht vorwirft.

Einen Kontrast wie den zwischen dem langsamen Nachsatz des Hauptgedankens im ersten Stück op. 11 und dem daran anschließenden Auflösungsfeld in Zweiunddreißigsteln hat vorher wohl keine abendländische Musik gewagt. Schönberg sichert nun das Stück nachträglich vorm Auseinanderbrechen, indem er jene aufgelöste Zweiunddreißigstelfigur in den Mittelteil hineinzieht, sie doch noch mit der Form auffängt, so daß sie nicht als der bloße Schock draußen bleibt, den sie zuerst bereitet, sondern Bestandstück des Verlaufs wird. Aus ähnlichen Kontrasten kristallisieren sich dann die Sechs kleinen Klavierstücke op. 19. Im vierten, andeutungsweise dreiteiligen, folgt auf einen etwas ritardierenden Mittelteil abermals ein völlig aufgelöstes Feld. Bei den zur Miniatur verkürzten Dimensionen des Stücks jedoch hat die Komposition nicht mehr die Möglichkeit, durch ihren weiteren Verlauf soviel nachzuholen wie das frühere, ausführlichere Klavierstück. Schönberg sieht sich genötigt, ganz Unähnliches, Unverbundenes, Unidentisches durch einen Handstreich zum Gleichen zu machen. Er deduziert darum den Anfang der Martellatofigur des Nachsatzes, streng nach Reihenart, aus den Anfangsnoten des Hauptthemas durch Verkleinerung. Der vollkommene Kontrast des codaartigen Schlusses ist nichts als eine Variation des Anfangs. Zugleich erteilt die Coda den Schock wildester Überraschung.

Um schließlich die Eigenart jener Vorformen der Reihentechnik zu verstehen, die der ›Pierrot Lunaire‹ enthält, eines der letzten Werke, die Schönberg vor der Schaffenspause vollendete, die mit der Zwölftonkomposition endete, muß man sich den Geist der Dreimal Sieben Melodramen vergegenwärtigen. Sie sind ein Werk der Entäußerung. Wie ihr Anlaß, ein Kompositionsauftrag, von außen kam, so ist in ihnen – und ähnlich dann auch in der sehr verwandten Serenade op. 24, die bereits in die Phase der Reihenkomposition gehört – deutlich die Tendenz, aus dem Expressionismus auszubrechen, das Problem der Objektivität durch erneute Konfrontation mit vorgegebenen Formtypen anzugehen. Das Werk zitiert denn auch zum ersten Mal wieder traditionelle Formen: Walzer, Passacaglia, Lied, Kanon, Choralbearbeitung, Fuge. Mit jenem unbestechlichen ontologischen Takt aber, jenem Sinn fürs geschichtsphilosophisch Mögliche und Nichtmögliche, der Schönbergs Rang unter den größten Komponisten bestätigt, hat er dabei niemals, wie die Neoklassizisten, Formkonventionen beschworen. Jene Formen stehen allesamt – wie es die verspielten Jugendstilgedichte nahelegen – unter einer Ironie, die bis in ihr Gefüge reicht. Ihre Objektivität selber wächst gleichsam inmitten der Glaswände des einsamen Subjekts: die Maeterlinckschen ›Herzgewächse‹, die Schönberg kurz vorher vertonte, könnten dem ganzen ›Pierrot‹ zum Motto dienen. Seine Objektivität ist eine im Bereich des objektlosen Innen. Das prägt die Formgesinnung durchaus. Im Glashaus werden die Formen nicht, wie man das so nennt, wiederbelebt, sondern aus der Materialstruktur und dem Kompositionsprozeß erzeugt: so bleiben sie subjekt-eigen. Das Als ob jener Objektivität, ihr spielerischer Charakter teilt sich dem Kompositionsverfahren mit. Es hat selber etwas Uneigentliches, Spielerisches, weitab von der Buchstäblichkeit der expressionistischen Protokolle; die Themen sind kaum mehr solche, sondern eigentümlich geschrumpft, kondensiert. Dies Spielerische manifestiert sich ebenso als Unersättlichkeit in der Verwendung kompositorisch-kombinatorischer Künste. Daß der ›Pierrot‹ sich nicht einfach auf die Objektivität der uneigentlich wiederkehrenden Formtypen verlassen darf; daß sie von innen her, durch die rein immanente Konstruktion gestützt werden müssen, begründet sachlich-kompositorisch die verschwenderisch artifizielle Verfahrungsweise.

Das wegen seiner Künste berühmteste Stück des ›Pierrot‹ ist der ›Mondfleck‹; seine Polyphonie will kaum ganz durchgehört werden. Die aberwitzige Determiniertheit eines jeden Tons dient vielmehr einer poetischen Absicht: symbolisiert das ausweglose Kreisen, dessen Gleichnis das Bild jenes Pierrot bietet, der an einem weißen Mondfleck auf seinem schwarzen Rock vergebens reibt »bis an den frühen Morgen«. Absolut-musikalische Vorgänge aus der Phase der freien Atonalität verbanden sich mit einer pointierten literarischen Absicht, um die Zwölftontechnik zu zeitigen. Der Doppelkanon der zwei Bläser und der zwei Streicher ist die erste streng rückläufig durchgeführte Komposition Schönbergs, die erste ausdrückliche Verwendung des Krebsprinzips. Jener Kanon wird von einer Fuge des Klaviers begleitet. Deren Thema aber und das Kanonhauptthema der Klarinette verhalten sich genau wie zwei rhythmisch völlig verschiedene Erscheinungen derselben Reihe: beide benutzen identische Töne. Das unbeschreiblich polyphone und komplexe Stück ist also insgesamt, sieht man von dem zweiten Kanon, dem von Geige und Cello ab, der wesentlich nur ein Begleitsystem bildet, aus ein und demselben Grundmaterial herausgesponnen; noch keine Zwölftonkomposition bloß darum, weil die Ausgangsreihe auch hier noch nicht an die Zwölfzahl der Töne sich bindet. Je komplexer in sich, je mannigfaltiger die Musik wird, desto mehr wächst am anderen Extrem auch das Bedürfnis ihrer Integration an: je mehr Mannigfaltigkeit, desto mehr Einheit. Diese Proportion verleiht eigentlich allein der Zwölftonmusik ihr Lebensrecht. Sie entstand in dem Augenblick, da, was im ›Mondfleck‹ noch als exzessives Kunststück paradiert, zur unauffälligen und selbstverständlichen Voraussetzung in alles Komponieren einwandert und nun freilich auch kein Begleitsystem mehr draußen duldet. Sagte aber Schönberg vom ›Mondfleck‹ im Scherz, die alte Kontrapunktregel parodierend, er gestattete darin Konsonanzen nur vorbereitet und auf schlechtem Taktteil, so hat er damit bereits eine jener Allergien auf ihre Formel gebracht, aus denen dann die Regeln der Zwölftontechnik folgten.

Der Nachweis, wie tief die Reihentechnik, aus sachlicher Nötigung, in die kompositorische Vorgeschichte, die des neunzehnten Jahrhunderts und die von Schönberg selber, zurückgreift, soll nicht den Umschlag mildern, den trotz allem dann die ersten Reihenkompositionen, Schönbergs op. 23 und 24, markieren. Der Begriff der Dialektik findet insofern auf Schönberg seine genaue Anwendung, als wirklich alles immer schon da und dann doch alles ganz neu ist. Mit der Kodifizierung dessen, was gleichsam blind an Formprinzipien aus dem Komponieren aufstieg, ändert sich das gesamte Klima der Komposition, so wie es schon einmal sich geändert hatte, als Schönberg mit den ersten Klavierstücken die Tonalität drangab, die doch in den Kammermusikwerken der zweiten Phase noch wie eine dünne Hülle umfing, was eigentlich kompositorisch sich zutrug. Kein Zweifel, daß jener Kodifizierung und Rationalisierung, die man dann Zwölftontechnik nannte, vieles von dem zum Opfer fiel, was zuvor an Formprinzipien in der Sache selbst herangereift war. Die endgültige, systematische Gestalt jener Technik ging auf Kosten der Flexibilität der kompositionstechnischen Elemente, denen sie sich verdankte; die lückenlose Stimmigkeit des Zwölftonkomponierens war begleitet vom Schatten einer Verdinglichung, die ihre Vorformen noch nicht ebenso bedrohte. Die Ahnung davon scheint Schönberg nicht fremd gewesen zu sein. Als er in dem später verglichenen Streit mit Thomas Mann diesem vorwarf, daß er als Ratgeber für die Schilderung von Leverkühns Werken nicht ihn selber herangezogen habe, soll er gesagt haben, hätte Mann an ihn sich gewandt, er hätte ihm ungezählte andere Konstruktionsprinzipien als das der Zwölftontechnik für Adrian Leverkühn ausdenken können. Nach der Beschreibung einiger von all den Möglichkeiten durchkonstruierten Komponierens, die in den früheren Werken vorkommen, wird man ihm das gern glauben. Dennoch war es nicht ganz falsch, auf die von Schönberg tatsächlich erarbeitete Technik zu rekurrieren und nicht auf die bloße abstrakte Möglichkeit: ihm wurde damit Recht gegen seinen eigenen Einwand. Gegenüber dem, was bloß möglich gewesen wäre, hat das, was wirklich wurde, stets auch ein Moment der Überlegenheit: auf der Seite des Realisierten waren Kräfte, die es so und nicht anders wollten. Gleichwohl verkörpert die Möglichkeit, als das Vergessene, Unterdrückte, Besiegte immer auch gegenüber dem Wirklichen das Potential des Besseren. Einem seiner selbst mächtigen Geschichtsbewußtsein, auch einem der künstlerischen Formen, obliegt wesentlich die Bewahrung des Vergessenen. Solcher Widerspruch ist zentral nicht nur in der Zwölftontechnik sondern wohl in allem Komponieren heute. Ihn auszutragen, mag der Gedanke an die Vorgeschichte des integralen Komponierens helfen.

 
Fußnoten

 

1 Die Abhandlung über die Vorgeschichte der Reihenkomposition ebenso wie die über die Funktion des Kontrapunkts, die Kriterien der neuen Musik und Musik und Technik hängen aufs engste mit der ›Philosophie der neuen Musik‹ [jetzt: Gesammelte Schriften, Bd. 12, Frankfurt a.M. 1975] zusammen. Dort Angedeutetes ist entfaltet, dialektische Motive sind weitergetrieben. Der ältere Text bleibt vorausgesetzt; auf Einzelhinweise wird verzichtet.

 

2 cf. Die Funktion des Kontrapunkts in der neuen Musik, S. 145ff.

 

 

Alban Berg

Zu Weihnachten 1955, am 24. Dezember, war Berg zwanzig Jahre tot. Seit 1935 verging keine Zeit von Kontinuität und stetiger Erfahrung; die Katastrophen haben sie zersprengt; wer zur Emigration gezwungen war, dem vollends erscheinen lange Jahre aus dem eigenen Leben herausgebrochen, und er wähnt leicht, seine eigentliche Existenz setze bloß fort, was damals zerschlagen ward. Darum ist der Gedanke, Berg sei schon so lange dahin, und man habe an den zu erinnern, dessen Entschwinden man nie ganz einzuräumen vermochte, kaum vollziehbar. Das Gefühl von Schuld befällt den, der, indem er zu Bergs Gedächtnis spricht, sein Siegel darunter setzt, daß er starb. Dies Gefühl hat aber vielleicht nicht nur seinen subjektiven Grund, sondern hängt auch mit dem Leben zusammen, das Berg nach seinem Tod beschieden war, dem seines Werkes. Zehn Jahre lang, bis zum Ende des Krieges, war es aus dem öffentlichen Bewußtsein in Deutschland und bald auch in Österreich getilgt; seit der Uraufführung der Lulu-Symphonie, die Kleiber noch im Reich des Hitler gewagt hatte, war er verfemt als Kulturbolschewist, und es ist dort wohl nichts mehr von ihm erklungen. Obwohl die Rassewut nichts gegen ihn hätte vorbringen können, hat er jegliche Konzession an gesundes Volksempfinden und Barbarei verschmäht. Nach 1945 ist er dann wieder viel gespielt worden, aber unter höchst verändertem Aspekt. Zu seinen Lebzeiten war er ein exponierter Avantgardist und hätte nie als etwas anderes sich gefühlt. Nun findet er sich eingereiht unter diejenigen, die man, mit einem Ausdruck, vor dem ihm gegraust hätte, seit jüngstem Klassiker der Moderne nennt. Jene Art der Rezeption aber, die sein Werk wirklich dem musikalischen Bewußtsein so zugeeignet hätte, wie man unterstellt, um durch seine Meisterschaft die neue Musik zu repräsentieren, war ihm versagt.

Anders als deren übrigen Meistern ist es Berg ergangen. Heute sieht es aus, als entscheide sich, ähnlich wie Wagner in den Meistersingern es gewünscht hatte, das Publikum für Berg gegen die Fachleute. Aber auch damit hat es nicht ganz seine Richtigkeit. Schon zu seinen Lebzeiten hat man Bergs Musik um ihrer Expressivität willen, ihres humanen Tones, wohl auch ihrer sinnlichen Fülle gern gegen seinen Lehrer Schönberg ausgespielt. Gegen solches Lob hat er heftig sich gesträubt, nicht nur aus Loyalität gegen den älteren Freund, sondern auch weil er sich konformistisch mißverstanden und in seinem radikalen Anspruch gekränkt wußte. Nach der Berliner Uraufführung des ›Wozzeck‹ im Dezember 1925 gingen wir bis spät in die Nacht in der Stadt herum, und ich hatte ihn über den Erfolg, den größten seines Lebens, zu trösten: wenn das den Leuten so gefalle, meinte er, so müsse etwas an der Sache nicht stimmen. In der Tat ist jenes Moment, das Berg den Erfolg eintrug, das gleiche, das ihm heute unter Musikern Schwierigkeiten bereitet. Während diejenigen, die vor dreißig Jahren gegen ihn wetterten, verstummt sind, entledigt man sich seiner als eines bereits Vergangenen. Der tiefste Grund dafür ist wohl, daß der Maßstab, den er dem Komponieren stellt, als äußerst unbequem empfunden wird, und daß man seiner Strenge sich entziehen möchte, indem man das Nachlassen des Anspruchs an die Spontaneität der Phantasie mit dem Geist der Zeit sanktioniert. Dabei hat gerade er eine der Neuerungen eingeführt, von denen heute so viel Wesens gemacht wird, die Hereinziehung des rhythmischen Elements in die Konstruktion; unter den Komponisten der Schönbergschule war er derjenige, der am ehesten auf quasi-geometrische Formbildungen sich einließ. Vielleicht ist nicht überflüssig hervorzuheben, daß er schon im ›Wozzeck‹ eine ganze Szene als Variationen über einen Rhythmus aufbaute und in der zwölftönigen ›Lulu‹ dies Verfahren zu einer großen, rückläufigen Form erweiterte, die er »Monorhythmica« nannte. Durchkalkulierte Symmetrieverhältnisse, von den Proportionen der Taktzahl ganzer Sätze bis zu den kleinsten Einheiten der Periodisierung, sind in seinen späteren Werken vielfach angestrebt, vor allem im Kammerkonzert und im Violinkonzert. – Besonders renitent gegen Berg sind in Deutschland jene, die sich der sogenannten Sing- und Spielbewegung einreihten und die kollektive Haltung des Musikanten gleichermaßen wie die Aktualität des siebzehnten Jahrhunderts verfechten. Sie brauchen nur ein paar Takte von Berg zu hören, um automatisch von Tristanischer Spätromantik zu reden, als wäre das Wesentliche an Bergs überaus gefestigter Musik Chromatik und Leitton und als käme nicht vielmehr alles darauf an, was aus solchen Elementen in seiner prüfenden, unendlich fein wägenden Hand geworden ist.

All dem gegenüber muß man versuchen, etwas von dem Falschen und Schiefen der kurrenten Vorstellungen von ihm zurechtzurücken, etwas von dem wiedergutzumachen, was der Weltlauf ihm angetan hat, und einige der Phrasen und Clichés wegzuräumen, die sich heute vor die lebendige Erfahrung seines Werkes schieben. Wie gering die Aussichten sind, daß das gelingt, dessen bin ich mir nur allzu deutlich bewußt. Ich werde nicht erstaunt sein, wenn ich morgen wieder lese und höre, Berg sei ein dekadenter, zerfasernder Spätromantiker, dessen übersteigerter Subjektivismus der jüngeren Generation nichts mehr zu sagen habe, und ich will schon ganz zufrieden sein, wenn diejenigen, die Bergs Musik vernehmen und dann solche Sätze lesen, diese nicht mehr wie bare Münze akzeptieren, und wenn die, welche es nicht lassen können, eine Sekunde lang doch sich fragen, ob die Gefährdung Bergs nicht mehr tauge als die Sicherheit von heutzutage, an die im Grunde ja keiner von denen glaubt, die sie ausposaunen. Um dies Bescheidene zu erreichen, wäre aber nichts falscher, als jene Momente zu verleugnen, die an Bergs Musik, mit Brahms zu reden, jeder Esel hört und über die zu mäkeln ein ebenso billiges wie unversiegliches Vergnügen bildet. Vielmehr wird es auf die Tendenz jener Momente im Kraftfeld von Bergs Musik ankommen; auf das, was er daraus gemacht hat.

Berg ist in der Tat aus Jugendstil und fin de siècle hervorgegangen. Seine Affinität zu Neuromantik und Ästhetizismus hat ihn bis in die fragile physische Existenz hinein geprägt. Man braucht nur die Photographie des Jünglings von 1908 aus Willi Reichs Biographie zu erblicken. Noch der reife Berg hat die physiognomische Ähnlichkeit mit Oscar Wilde bewahrt. Mit Peter Altenberg ist er befreundet gewesen. Ein Wort wie ›Sezession‹ gebrauchte er, als wäre es zeitgenössisch, und selbst zu Schreker, von dessen ›Fernem Klang‹ er in seiner Jugend den Klavierauszug herstellte, gab es Querverbindungen. Ein Element des Schwelgerischen, Luxurierenden ist aus Bergs Musik, zumal ihrem Orchesterklang, nicht wegzudenken: es hat sich zu jenem mit der Konstruktion ganz und gar Verschmolzenen und gleichwohl sinnlich Lockenden, Glanzvollen sublimiert, das der Instrumentation des späten Berg, zumal in der ›Lulu‹, ihre unvergleichliche Aura verleiht. Die Wut, welche dies Element, wie das passioniert Expressive bei Berg insgesamt, heute auslöst, gehorcht, in der psychologischen Sprache gesprochen, die jener Sphäre gebührt, einem Mechanismus der Verdrängung: weil das selbstvergessene, der Realität nicht angepaßte Glück, nach dem jede der ausladenden Gebärden von Bergs Musik greift, in dem reglementierten Zustand unerreichbar dünkt, der den Menschen Glück einzig in der Anpassung zumißt, soll jenes Glück selber entweder kindisch veraltet oder, wie es dem heute herrschenden restaurativen Klima entspricht, der Eigentlichkeit des Seins unwürdig sein. Wer Berg richtig hören will, sollte zunächst einmal nicht bei jedem Takt danach fragen, ob das nicht allzu privat sei, ob es auch die anderen Menschen betreffe, sondern lieber der Sache selber sich überlassen; dann wird er in ihr mehr vom Menschlichen finden als in der Reflexion auf die Wirkung, die sie auf andere Menschen ausübe oder nicht ausübe.

Dies Menschliche aber, ihr expressiver Gehalt, ist dem Wagnerischen, mit dem ihn die groben Ohren verwechseln, genau entgegengesetzt. Das Süchtige, Verfallene von Bergs Musik – das gilt nicht dem eigenen Ich. Es zielt nicht auf narzißtische Selbstglorifizierung. Sondern es ist eine erotische Verfallenheit, welche nichts anderes meint als Schönheit, das Eingedenken der von den Tabus der Kultur unterdrückten und herabgewürdigten Natur. Die beiden großen Opernwerke ›Wozzeck‹ und ›Lulu‹ kennen nichts Heldisches, und in ihnen erhöht nicht der Geist sich selber. Sondern ihre hörige und tödliche Liebe hängt sich an das, was unten ist, ans Verlorene, an den halbirren und zugleich hilflos opferwilligen Soldaten, an seine Geliebte, deren Trieb gegen ihn rebelliert und die er mit sich selber vernichtet; später an Lulu, das Bild aus dem hetärischen Zeitalter im Kostüm von 1890, der die herrschende Männlichkeit verfällt und an deren Untergang sich die Herrschaft brutal wieder herstellt. Der Impuls zur Wahl dieser Texte und die Perspektive, aus der heraus sie komponiert wurden, der der allmenschlichen Sympathie mit dem Unterdrückten, bestimmt aber den Duktus von Bergs Musik noch im reinsten Instrumentalstück. Sein Ton ist der der Großherzigkeit. Mitleid wäre ein schlechtes, herablassendes Wort dafür. Keine Almosen gewährt diese Musik, sondern die ganze Identifikation; vorbehaltlos wirft sie sich selbst weg um des anderen willen, wie es etwa in den höchsten Augenblicken von Bergs Wahlverwandtem, Robert Schumann, laut ward. Schon so früh wie am Beginn der Durchführung der Klaviersonate op. 1, dann an der melancholischen Zärtlichkeit des zweiten Satzes der Lyrischen Suite, oder am rückwärts blickenden, gleichsam sich erinnernden Zitat des Kärntnerliedes kurz vorm Ende des Violinkonzerts, wird man dieses Bergischen Tons inne. Weit überflügelt solche anachronistische Sehnsucht die vorbehaltlose Bereitschaft zum Mit- und Weitermachen, die an so viel anderer zeitgenössischer Musik als Vitalität gerühmt wird. Die innere Zusammensetzung selbst der Wagnerischen Ausdrucksschicht von Todessehnsucht hat bei Berg entscheidend sich verändert. Was bei jenem noch den Weltuntergang, als Erfüllung des Destruktionstriebs, ins Triumphale, in die maßlose Machtphantasie transponiert, ist bei Berg eine Art Abdankung geworden, so als fühlte das lebendige Subjekt etwas von dem Unrecht, das allein dadurch gesetzt ist, daß es lebt, indem es anderem Leben den Platz stiehlt, und das darum lieber sich drangeben möchte als weiter an dem Raub partizipieren. Zu den Lieblingsworten von Berg gehörte jovial, und er hat dabei nicht an kleine Gutmütigkeit und Behaglichkeit gedacht sondern eben an jenen Gestus. Was den Ton seiner Musik von der Wagnerischen und aller neudeutschen im Innersten unterscheidet, ist ein Element von Ergebung, vielleicht ein Stück süddeutsches und österreichisches Erbe, mit viel wehmütiger Skepsis und Ironie vermischt und voll des tiefen Wissens, daß keine Hoffnung sei als die des Laß-fahren-dahin. Wenn schon von Ausdruck die Rede ist, über Ausdruck geurteilt wird, dann kommt es schließlich auch auf das Ausgedrückte an, und das ist bei Berg das Gegenteil privater, subjektiver Beschränkung. Es ist Solidarität mit der Menschheit, konkret geworden als unwiderstehliche Neigung zu dem, was die Menschheit, wie sie ist, von sich ausschließt und was darum bewußtlos für das Bild einer möglichen steht. Süchtigkeit schließt bei ihm das Potential von Freiheit ein.

In diesem Geist hat er zugleich, gegenüber den bereits allenthalben einsetzenden Tendenzen zur Rückbildung, etwas Entscheidendes vom Sinn der Opernform selbst festgehalten. Dabei jedoch haben ihn seine Artistennerven über die bloße musikdramatische Einfühlungstechnik, die Illustration von Vorgängen und Gefühlen durch den Klang, weit hinausgeleitet. Allein dadurch bereits, daß er in gewisser Weise ferngerückte Sujets, eines aus dem Vormärz, eines aus den neunziger Jahren heranholte und eher durch die Musik als schon vergangene errettete, denn bloß seine Musik daran befestigte, ist in seine Opern, die er selbst so nannte, ein distanzierendes Element eingefügt. Dem entspricht das in beiden Werken mit äußerster Konsequenz gehandhabte Konstruktionsprinzip, das der Musik, während sie den Vorgängen folgt, zugleich ein Maß an Selbständigkeit verleiht, wie es etwa den in mimischen Bewegungsimpulsen sich erschöpfenden Bühnenstücken Strawinskys kaum eignet. Bei Berg ist in der Tat das musikdramatische Prinzip, als Umsetzung der Musik in unendlich reiche Spannungsverhältnisse, zu einem der universalen Durchführung geworden. Erst er hat, gegenüber Wagner, das eigentlich dramatische Element der Wiener Klassik, die in sich dialektisch durchbrochene kompositorische Arbeit, wirklich der Oper zugeführt. In seinen Werken, und vielleicht in ihnen allein, zeichnet sich unter der Hülle der Musikdramatik eine Art autonomer Opernmusik ab, die ganz ausschwingt, anstatt in der asketischen Negation von Einfühlung sich zu erschöpfen, und die ihre eigene Autonomie aus ihrem inneren Verhältnis zu den dramatischen Momenten zieht, die sie absorbiert. Dieser Typus Oper erfüllt sich musikalisch, lebt sich aus nach rein musikalischen Gesetzen, indem er nicht beziehungslos neben dem Drama herläuft, sondern ihm in allen Impulsen, Entwicklungen, Kontrasten, Spannungen folgt. Die Musik verliert sich ans Drama weit mehr als je zuvor, und gerade dadurch artikuliert sie sich bis in jede Note hinein und erlangt jene Selbständigkeit, welche sie im tonmalenden Musikdrama älteren Sils einbüßte.

Das unterscheidet das Verhältnis von Bergs Musik zu Wagner und zum Erbe insgesamt von dem der anderen Meister der neuen Musik. Wie seine Kompositionen in sich selber unendlich vermittelt und dem Kontrast abgeneigt sind, so hat auch geschichtlich Berg nicht der Welt seiner Eltern schroff opponiert, dem späten neunzehnten Jahrhundert. Treue stand im Zenit seines moralischen Himmels: das »Sei treu« des Alberich der Götterdämmerung hat er aufs nachdrücklichste zitiert, vielleicht das Mythische, Vorweltliche der Treue selber ahnend und auch, daß sie die Tugend ist, die sich für Götterdämmerungen am besten schickt. Wie er aber den Menschen und der Sache, für die er sich frei und gar nicht so sehr aus Naturzwang entschieden hatte, die Treue hielt, so hielt er auch dem die Treue, woher er selber kam. Wenig könnte ihn besser bezeichnen, als daß er auf der Höhe seiner kompositorischen Reife die Sieben frühen Lieder instrumentierte und herausgab, die diesseits allen dessen liegen, was als Bergischer Stil so spezifisch sich entfaltet hatte. Er scheute nicht, daß er damit noch den dümmsten Ohren Vorwände lieferte zu denunzieren, was er später fügte. Der musikalische Lebensprozeß Bergs bestand nicht darin, das Erbe von sich zu stoßen, sondern er hat dies Erbe aufgezehrt, wie im neunzehnten Jahrhundert Rentiers ihr Kapital aufzehren mochten. Das heißt aber auch, daß er nicht an dies Erbe als Besitz sich klammerte. Durch jenen Prozeß hat er es zugleich vernichtet. Solcher Doppelcharakter macht Bergs Unvergleichliches aus. Die Figur seiner Musik wird der am besten lesen, der in ihr nachforscht, was aus dem Erbe durch das auflösende und die kleinsten Elemente wiederum zur Konstruktion verbindende Kompositionsverfahren geworden ist. Erst heute, da das losgelassene, seines widerstrebenden Musikstoffes ganz entäußerte Konstruieren ins kunstgewerblich Ornamentale oder kunstfremd Stoffliche zurückzuschlagen droht, tritt das Wahrheitsmoment an Bergs schamhaft lächelnder Bedachtsamkeit ganz hervor. Was in seiner Musik nach Kriterien der Stilreinheit und Konsequenzlogik nicht recht zu stimmen scheint, ist der Rest eines Blinden, unerhellt Überkommenen. An ihm aber legitimiert sich das musikalische Verfahren, indem es die musikalische Stoff-und Ausdruckswelt durchdringt, die es unbeirrbar sich vorgibt. Unerschöpflicher qualitativer Reichtum strömt Bergs integralem Komponieren zu aus dem, was er sich nicht als unmodern verbietet. Er ist dieser Spannung sich sehr wohl bewußt gewesen. Wie er es einmal, mit seiner unbeschreiblich stolzen Schüchternheit, auf ein Kompliment als sein ›Kunststück‹ rühmte, noch inmitten der Zwölftontechnik und ihrer Nivellierungstendenz den eigenen Ton sich bewahrt zu haben, so antwortete er auf die kritische Frage, warum er fast stets in seinem Werk tonale Komplexe dulde, gelassen, das sei nun einmal so seine Weise und daran wolle er nichts ändern; übrigens ist seine retrospektive Neigung mit den Jahren nicht geringer geworden, sondern zeigt sich nachdrücklich in den Alwa-Partien der ›Lulu‹ und im gesamten Violinkonzert. Aber nichts vom Erbe ist unverwandelt aus seiner Musik hervorgegangen. An ihm erprobt sich seine kompositorische Kraft, ohne zu ermatten, und regeneriert sich zugleich am Ausdrucksgehalt, den jene Materie in sich birgt. Trotz der pflanzenhaft verschlungenen Dichte ihres Gewebes und komplementär zu jener Dichte, ist Bergs Musik bis in den letzten Ton hinein artikuliert. Keine andere der Gegenwart, auch die des darin naiver dem Drang folgenden Schönberg nicht, ward so planvoll und souverän ausgeformt wie die seine, wohl dank seiner räumlich architektonischen Begabung, in der der Sinn für disponierende Gliederung den für strömende Entwicklung überwog. Das will sagen, es findet sich kein Satz, kein Abschnitt, kein Thema, keine Periode, kein Motiv, keine Note, die nicht noch in den komplexesten Zusammenhängen ihren ganz eindeutigen und unverwechselbaren Formsinn erfüllte. Insofern war er Webern gar nicht so unähnlich, obwohl diesen sein Reduktionsverfahren von manchen architektonischen Aspekten entlastete. Je mehr die Produktion heute jene Dimension des Komponierens, die sprachähnliche, verleugnet, um so exemplarischer werden für sie die Werke Bergs, allen voran die Lyrische Suite für Streichquartett. Seine Fähigkeit zur sinnvoll-musiksprachlichen Durchorganisation, zum eigentlichen Komponieren, bis heute kaum recht erkannt, ist aber gar nichts anderes als seine ins äußerste gesteigerte subjektive Sensibilität und Differenziertheit. Indem Berg jene Reaktionsformen der Subjektivität in Kriterien des Komponierens selber, eine höchst zivilisierte, man möchte sagen, französische Meisterschaft umsetzte, hat gerade sein gescholtener Subjektivismus dem Werk seine Objektivität, die sublime Gediegenheit der Form bereitet, so daß es, wie Mörikes Schale, »selig in ihm selbst« scheint. Die Sensibilität von Bergs Person war vorab schon auf den Umgang mit Dingen gestimmt. Die schonende Liebe und Sorgfalt, die er ihnen angedeihen ließ, entsprang einem Gefühl der Schonung fürs Geschaffene; so, als hätte er selbst an den Dingen etwas von dem reparieren wollen, was den Stoffen widerfährt, welche die Menschen für ihre Zwecke zurichten. Als Vierzigjähriger benutzte er noch seinen ersten Rasierapparat und war stolz darauf, ihn so gepflegt zu haben, daß er aussah wie am ersten Tag. Nicht anders verfuhr die Hand des Komponisten. In seinen Stücken trifft das vorweltlich Traumhafte, Riesige, im Goetheschen Sinn Dumpfe mit dem Allerhellsten, empfindlich Artifiziellen, mit der Schönheit des Formenreichen zusammen. Das ist das Rätselbild von Bergs Musik. Man könnte sie kaum einfacher und genauer charakterisieren, als damit, daß sie ihm selber ähnlich gewesen sei.

Vergleicht man Berg mit denen, die ihm die nächsten waren, mit Schönberg und Webern, und mit der Entwicklung, welche die radikale neue Musik während der letzten zwanzig Jahre genommen hat, so wird man leicht seine Leistung als Herstellung einer rückwärtigen Verbindungslinie auffassen, als Sicherung des Zusammenhangs der musikalischen Neuerungen mit der Tradition. In der Tat liegt die Kontinuität bei ihm mehr obenauf als bei seinen Freunden, obwohl gerade Schönberg bis zum äußersten die Verpflichtungen einlöste, welche die Musik von Bach über den Wiener Klassizismus bis Brahms und Wagner überlieferte. Solcher Konsequenz gegenüber wahrte sich Berg eine gewisse Urbanität auch in der Einbeziehung heterogener Stilelemente, und die innere Breite seines Komponierens hat davon gewonnen. Bedeutete das Vorbild Mahlers seiner Schule überhaupt weit mehr, als an der Fassade zutage kam, so hat Berg manchmal, etwa in Partien des ›Wozzeck‹ und des Violinkonzerts, offen im Mahlerschen Tonfall geredet; seine zwielichtige, gebrochene Beziehung zum Volkslied, in der die Identifikation mit den Opfern musikalisch Gestalt annimmt, wäre undenkbar ohne jenen Mahler, dessen Märsche widerhallen von der Trauer um den Deserteur. Und Bergs wunderliche Unersättlichkeit, der die konstruktiven Ordnungen, die er selber sich auferlegt, zugleich immer auch schwer erträglich blieben, so daß er die Grenzen des Erklingenden nach dem Geräusch hin mit Kopplungen, Sekundklecksen, Parallelverschiebungen erweiterte, stiftete eine Affinität zu Debussy, die gerade in der ›Lulu‹ zur Phantasmagorie des Impressionismus sich steigert. So hätte dessen Orchester leuchten und irisieren müssen, um seinem eigenen Begriff zu genügen, und das freilich war wohl erst möglich, nachdem der Impressionismus geschichtlich hinab war; nachdem seine Idee wie aus der Erinnerung, und erst in vollständiger Verfügung, sich beschwören ließ. Man könnte an Marcel Proust denken, bei dem die Dichtung des ganzen Instrumentariums der französischen Malerei sich bemächtigte in dem Augenblick, da diese gleichwie eine längst vergangene in der Reflexion wiederkehrte. Aber man würde am Kern des Bergischen œuvre, dem stets etwas von Ungeheuerlichkeit beigemischt ist, haargenau vorbeizielen, wenn man um solcher rückwärtigen Verbindungen willen ihn als Nachhut der Moderne hörte. Man würde ihn damit an einem Begriff des Fortschritts messen, der unterdessen weit fragwürdiger ward als in dem vulgären Sinn, der gegen den Fortschritt das alte Wahre, die unverlierbaren Ewigkeitswerte ausspielt. Mit diesen hat Berg nicht paktiert, mit keinem ewigen Vorrat sich verproviantiert; dazu ist der Habitus seiner Musik allzu gründlich mit dem Tode verschworen. Verloren jedoch geht der Musik auf all ihren Stufen etwas durch den Fortschritt selber; die anwachsende Materialbeherrschung, Ausdruck anwachsender Verfügung über die Natur, ist immer zugleich auch ein Stück Gewalttat. Vor ihr schreckte Berg zurück, während er zugleich dem Fortschritt ohne Vorbehalt sich überantwortete. Diese Paradoxie wird befördert von jenem Zug seines musikalischen Naturells, der auf nichts verzichten, in jeder nur erdenklichen Dimension das Gelingen des Werkes sichern wollte; einer Angst vielleicht, verwandt seiner Affinität zum Tode. Es liegt aber in jenem Willen etwas von der Quadratur des Zirkels und von Don Quixoterie: jedes Stück Bergs war seiner Unmöglichkeit abgelistet, ein tour de force. Ein äußerster Preis ist dafür zu zahlen, wenn man im Fortschritt selber das erretten will, was er zerstört. Heroisch hat Berg diesen Preis entrichtet. Falsche Freunde, die ihn gut kannten und schlecht verstanden, hatten bald heraus, daß durch die Schönbergische Schule der frühzeitig schon recht ausgeprägten musikalischen Reaktionsweise Bergs ein Fremdes, Heterogenes beigemengt worden sei und daß Bruchlinien seines Werkes stets davon zeugten. Aber diese Bruchlinien sind die Schrift seiner Wahrheit. Er hat die Brüche – Stilbrüche, auf welche in Stücken wie der Weinarie oder dem Violinkonzert die plumpesten Finger sich legen ließen – riskiert im Widerstand gegen die sich selbst verzehrende Konsequenz ebenso wie gegen das Vertrauen auf das, was einmal war; er hat gleichsam sich selbst der Vergangenheit als Opfer an die Zukunft dargebracht. Wenn heute keine künstlerische Totalität rein aus sich heraus mehr zusammenschießen will; wenn Berg wußte, daß dem ästhetischen Individuum keine runde Objektivation kraft des Eigenen mehr gelingen kann, während jegliche ihm gegenüberstehende, von außen her gesetzte Objektivität ihm fremd und unverbindlich bleibt, so hat er diesen Antagonismus in sein Werk noch hineingenommen. Ja er wurde schlechterdings zu dessen Formprinzip erhoben, als hätte Bergs maßloser Drang nach Sicherheit lieber noch die Auflösung des eigenen Werkes, die Widersprüche von dessen innerer Zusammensetzung mitkomponiert, als der Geschichte sich zu überlassen, die dem verblendeten Anspruch des Werkes dessen Brüche vorhält. Berg hat die äußerste Stimmigkeit des Komponierens verwirklicht, die des Stils aber drangegeben, mehr vertrauend auf die monadologische Kraft des beredten Gebildes, die das Unvereinbare in sich hineinsaugt und zum Ausdruck zwingt, als auf die Reinheit des Idioms, in der der untilgbare Widerspruch bloß sich versteckt. So ist in diese gewählte und noble Musik, als ihr permanentes Ärgernis, ein ihr Fremdes, Äußerliches, zuweilen die Spur des Konventionellen der Musikwaren hineinmontiert und doch gänzlich von ihrem feinen Geäder durchzogen. Erst im letzten Akt der ›Lulu‹, im Kuppelsalon und im Bänkellied, das in die Dachkammer dringt, hätte dies Element seine eigentliche Physiognomie enthüllt, die surrealistische. Das klingt wie Traum, aber nicht wie romantische Träume sind, sondern wie heute geträumte, Wiederkunft des Jüngstvergangenen in einem verfinsterten Innenraum und hoch darüber hinziehend ein Band aus Gold. Dieser Ton hat stets teilgehabt an Bergs vergeistigter Musik. Puristen des Stils dünken sich darüber erhaben und reden von Kitsch, wo es sie schockiert, um vor dem Schock der Elternwelt sich zu schützen und nur ja einer Lockung nicht zu verfallen, die ihnen nicht weniger gilt als Berg, ohne daß sie doch die Kraft hätten, ihr zu folgen und gleichwohl ihrer selbst mächtig zu bleiben. Dieser Kraft aber verdankt Berg etwas von dem, was Wedekind besaß, der Dichter der Lulu. An seiner Büchse der Pandora rühmte Karl Kraus, es werde die Hintertreppenpoesie zur Poesie der Hintertreppe, die nur der offizielle Schwachsinn verdammen könne. Die obersten Kunstwerke schließen die untersten nicht aus, sondern entzünden an den rauchenden Trümmern des Gewesenen die utopische Flamme.

 

Die Instrumentation von Bergs Frühen Liedern

 

Nach den ersten Aufführungen wurde den Liedern allgemein vorgeworfen: sie seien durchaus noch romantisch und für den Autor des ›Wozzeck‹ bestünde kein Anlaß, ein Werk, das er vor zwanzig Jahren schrieb, auszugraben, mit Anspruch zu instrumentieren und an die Öffentlichkeit zu bringen. Die Zeit des Werkes sei das endende neunzehnte Jahrhundert, mit dessen Liquidation man es ja immer noch eiliger hat, als zu glauben wäre, wenn man sich wirklich bereits am anderen Ufer befände; manche wollen wohl gar daraus folgern, auch der ›Wozzeck‹, in dem es ja keine approbiert neue Sachlichkeit gibt und in dem nicht einmal die Fugen klingen wie verstimmtes achtzehntes Jahrhundert, sei eigentlich eine Sache der impressionistischen oder expressionistischen Epoche, wobei der Unterschied von Impressionismus und Expressionismus weit weniger gilt als die beflissene Absicht, ein Stück, dessen Forderung man noch nicht gewachsen ist, in die glorreich überwundene Vergangenheit abzuschieben. Nun will die Instrumentation der Lieder deren unmoderne Außenfläche nicht bemänteln. Aber die Instrumentation bringt nicht etwa Musik von 1907 auf die orchestrale Norm von 1928. Sondern sie deckt auf, was von Anbeginn in der musikalischen Substanz der Lieder über deren Entstehungsjahre hinausdeutete, und wird eben damit zur Kritik von nachwagnerischer Instrumentation. Deren Zeichen wäre der metaphorische, schmückende Charakter; der des Aufgezäumten. Nie ist das romantische Orchester, auch das virtuose von Strauss und Schreker, aus dem musikalischen Material selbst entwickelt, sondern dem, was musikalisch geschieht, als Hülle umgelegt; sie dekoriert es, will ihm eben die Fülle und Schlagkraft erwirken, die nicht mehr darin ist. Allenfalls setzt sich, in den fortgeschritten impressionistischen Fällen, die klangliche Konfiguration selber als musikalische Struktur.

Das Orchester der Frühen Lieder jedoch hat, darin aus ihrer Entstehungszeit allein dem Mahlers vergleichbar, keine andere Intention als die, die Substanz der Lieder klar und faßlich darzustellen. Dabei ist nicht Klarheit und Faßlichkeit im Sinne eines neutralen ›Ausregistrierens‹ der musikalischen Ereignisse gemeint: sondern was immer in den Liedern sich verwirklicht, soll sich gleichermaßen in der Instrumentation verwirklichen. Angestrebt ist Indifferenz von Klang und Komposition gegeneinander; nicht Indifferenz des Klanges selber. Der Klang gleicht der Musik, die er ausspricht; ist so differenziert, so vielfältig gebrochen wie jene. Nur: er gleicht ihr, behauptet nicht sich selbstherrlich an deren Stelle, sondern ist stets und überall einsichtig aus der Beschaffenheit des musikalischen Grundstoffes heraus entwickelt. Und darin freilich modern; nicht Zeichen eines anderen, das er nicht selbst wäre, sondern einzig Konkretion der musikalischen Ereignisse. Diese werden gleichsam versachlicht durch die unvermittelte Weise ihrer Bekundung: denn nichts widerstreitet härter dem romantischen Wesen als unvermittelte Selbstgegebenheit von Musik.

Die reale Instrumentationsweise übt zunächst Kritik am Tuttiklang. Die romantische Instrumentation hatte die Vielfalt der harmonisch-melodischen Brechungen stets wieder in der Einfalt eines ungebrochenen Klanges zu sammeln versucht; zu wenig war die Musik in sich auskonstruiert, als daß sie des konstruktiven Haltes an einem von ihr selbst verschiedenen, homogenen Orchesterton hätte entraten mögen. Das perspektivische Streichertutti will im romantischen Orchester jedes Detail in einer fiktiven Unendlichkeit beschwichtigen. Solche Fiktion ist im Klang von Bergs Liedern getilgt; die musikalische Struktur erlaubt es. Die Einzelereignisse haben ihren Einzelklang ohne Rücksicht auf eine vorgedachte Totalität; resultiert klanglich Totalität, so einzig aus der Tektonik der Musik.

Das bedeutet zunächst durchgehende Entsubstantialisierung des Klanges. Aus der Not des Klaviersatzes wird die Tugend eines gleichsam körperlosen Orchesterstils ohne plüschhafte Schwere und Fülle. Er ist nirgends größer als die Musik, möchte nirgends mehr bedeuten als sie. Das perspektivische Streichertutti ist, wenn schon nicht ganz eliminiert, so wenigstens doch stets und mit größter Phantasie durchbrochen; durch Dämpfer abgeblendet, im Pizzicato erstickt, solistisch aufgeteilt in Partikeln – andererseits nicht etwa durch den statischen Bläserton ersetzt oder auch nur diesem kahl kontrastiert; die Mischfarbe, Mischfarbe auch zwischen Streichern und Bläsern, herrscht vor, so wie die Musik aus der Mischung kleinster Einheiten sich konstituiert, ohne durch Geschlossenheit des Klangbildes je archaische Prätentionen zu erheben, denen die subjektive Dynamik der Lieder widerstreitet.

Solche Mischung ist nicht bloß das Prinzip des simultanen, sondern auch des sukzessiven Klanges. Nicht nur im Moment des Erklingens, auch in der Folge der Klänge sind die Lieder aufgelöst. Hauptmittel der Instrumentation ist der instrumentale Umschlag: der stetige Wechsel der Farben, die in kleinste Einheiten aufgelöst sich aneinanderfügen, ohne je das nachwagnerisch Kompakte des koloristischen Bildes aufkommen zu lassen. Indem die Atome eines sei es selbst im einzelnen romantischen Klanges sich reihen, ändert der Klang insgesamt seinen Charakter. Die Instrumentation der Lieder holt für eine frühere Stufe der kompositorischen Entwicklung gleichsam nach, was für eine spätere der Instrumentationsstil der ›Erwartung‹ definitiv leistete. Wie heute, nachdem die Schranke der Tonalität fiel, ein Komponist, der im Freien steht, die Mittel der Tonalität überlegener zu meistern vermag als einer, der im tonalen Bezirk verblieb, so war es 1928, nachdem Schönberg die Klangfarbenmelodie realisierte, möglich geworden, Musik, die vor der ›Erwartung‹ liegt, weit ›richtiger‹ zu instrumentieren als 1907.

Richtig ist die Instrumentation der Frühen Lieder noch in strengerem Sinn. Man weiß von Bergs Kompositionsweise aus früherer Zeit, zumal von der Klaviersonate, dem Ersten Quartett, aber auch noch dem ›Wozzeck‹ und der Lyrischen Suite, daß ihre Form durch ein differentiales Prinzip gebildet wird: durch die unmerkliche Verwandlung einer Motiveinheit in eine andere. Der Funktionalismus des frühen Berg, der kein musikalisches Ereignis als eigenständig denkt und jegliche Seinsbestimmtheit des Musikalischen durch die Bestimmtheit des Werdens, durch Beziehungen ersetzt; dieser Funktionalismus, wie er sich harmonisch in der Vorherrschaft von leittönig-dominantenhafter Chromatik ausprägt, hat sich in der unmerklichen Motivverwandlung, die das Motiv oft bis zum Einzelton verkleinert, um dann den Motivrest, den bloßen Ton zum Kern des neuen Motivs zu machen, das adäquate Konstruktionsprinzip geschaffen. Dies Konstruktionsprinzip nun wird zum Prinzip der Instrumentation. Es begründet die sukzessive Klangmischung an Stelle der Folge blank kontrastierender und heterogener Klänge. Berg handhabt das Prinzip des instrumentalen Umschlages in den Liedern derart1, daß er die Klänge ständig wechseln läßt, indem er Elemente des vorhergehenden Klanges als ›Rest‹ bewahrt, in den folgenden Klang aufnimmt und damit den neuen ›umschlagenden‹ Klang in unmerklichem Übergang aus dem vorhergehenden entwickelt. Diese funktionelle Instrumentationsweise, die wohl die klangliche Bewegung in stetem Fluß hält, auflockert, aber auch kontinuierlich bindet, ohne doch jemals mit traditioneller Klangsubstanz – wie selbst noch Strauss sie duldete – die Auflösung des Klangbildes zu hemmen, ist vor den Frühen Liedern wohl niemals so folgerecht realisiert worden. Ein Schritt wird nachgeholt, den Schönbergs Instrumentation in der Entwicklung vom nachwagnerischen Tuttiorchester zum ›funktionslosen‹ Klang der ›Erwartung‹ übersprungen hatte. Bei Berg vollzieht sich darum jener Schritt vom herkömmlichen zum befreiten Klang so evident, weil er an einem wesentlich harmonischen Satz geleistet wird, der die Verwandlung von Klängen ineinander natürlicherweise mehr begünstigt als die Disparatheit kontrapunktischer, selbständiger Stimmen. Die Instrumentation der Frühen Lieder blickt auf die Geschichte von Bergs eigener Harmonik zurück und findet dafür nachträglich die bündige instrumentale Formel. Das konnte freilich erst nach dem radikalen Bruch gelingen, nicht in banaler Stetigkeit: erst vom anderen Ufer aus wird der Sinn der harmonischen Evolution im instrumentalen Verfahren ratifiziert.

Dies alles ist zu konkretisieren. Man denke etwa, wie der Anfang des ersten Liedes, mit der Ganztonwirkung, bei Reger im Stil der Romantischen Suite oder selbst bei Debussy ausgefallen wäre: mit vollen tiefen Streichern und Hörnern als Substanz. Bei Berg dagegen ist es ein sehr gedeckter Holzbläserklang, Fagotte, Klarinetten im tiefsten Register, verdoppelt durch Streicherpizzicati, die den dichten Bläserton brechen, ohne ihn irgend aufzufüllen; die Akkordik dazu in gestopften Hörnern, ganz immateriell, aber nicht stimmungshaft verschwebend, sondern treu den musikalischen Begebenheiten. Sogleich dann die charakteristische Technik des instrumentalen Umschlags; der Klang wird nicht in breiten Flächen entwickelt, sondern atomisiert; er wechselt dauernd. Dieser Umschlag hat nicht impressionistische Absicht; nicht werden Farbflecken aneinander gefügt, sondern durch den instrumentalen Wechsel der Wechsel der musikalischen Gestalten herausgearbeitet. Zu Beethovens Zeit und während der romantischen Periode bedurfte es des dauernden Farbenwechsels nicht generell, obwohl er bei Wagner durchs Prinzip der Melodieteilung angebahnt ist; die Formkonstruktion wird wesentlich vom harmonisch-modulatorischen Plan geleistet; innerhalb der Tonalität ist der konstruktive Fortgang weithin faßlich; heute aber, nach dem Erlöschen der formbildenden Kraft der Tonalität, ist die Farbe ebenso wie die Art der thematischen Charaktere selber formbildend geworden, muß also zugleich, wo thematisch Neues erscheint, selber neu sein; wo Identisches bleibt, diese Identität wie immer verhüllt bewahren. So im Takt 5 des ersten Liedes: dort tritt, als sehr unscheinbare Begleitstimme, ein neuer thematischer Charakter ein, die Sechzehntelfigur der ersten Geigen, die von Holzbläsern imitiert wird und schließlich zum eigentlichen Beginn der Bewegung, dem Hauptteil in A-Dur führt. Der neue thematische Charakter färbt die Instrumentation um; die Ganztonakkorde in Achteln, die bislang den Holzbläsern zugehört hatten, kommen – mit der fast unmerklichen Erwärmung der Motivik, welche die dunkle Starre des Beginns tauen läßt – an den wärmeren Hörnerton; die Hörner halten zugleich das Legato der Klarinetten fest, verändern stufenweise, in kleinsten Schritten, den Klang; als ›Rest‹ des variierten Grundklanges werden die Streicherpizzicati beibehalten. Dies ›differentiale‹ Instrumentationsverfahren ist prototypisch für die Instrumentation der Lieder insgesamt. – Weiter: die spezifisch romantische Stelle bei Takt 9 ist ebenfalls ›entmaterialisiert‹, der naheliegende kompakte Klang vermieden. Wohl also gibt es Harfenarpeggien und einen strahlenden Einsatz der ersten Geigen darüber, aber die Akkordik dazu ist aufgelockert, zwischen Streicher und Hörner aufgeteilt, so zwar, daß drei Achtel auf die Hörner entfallen, das vierte die Streicher bringen und das nächste noch verdoppeln, wiederum den Klang zugleich funktionell binden und partikular zerfällen. Dann, bei 11, wieder instrumentaler Umschlag; das romantische ›Blühen‹ hat sich zur Erinnerung des Moments reduziert, bleibt ökonomisch zur Einmaligkeit verhalten, wird von der Immaterialität und traumhaften Verschlossenheit des herrschenden Tones aufgesogen. Der Klang neutralisiert sich durch die Holzbläser, der Streichersatz löst sich gänzlich; Flatterzungen-Flöten und gedämpfte Hörner tragen ihn, er selbst ist so behandelt, daß Takt 11 und 12 nur die tiefen Streicher, Takt 13 und 14 nur die hohen spielen – so wird der satte Streicherchor enteignet, zugleich jedoch im Sinne des funktionellen Klanges, der die Lieder beherrscht, ein kahl kontrastierender Bläserklang vermieden, der der fließenden Verwandlung nicht angemessen wäre. Erst Takt 15 kommt wieder eine Art Tutti zustande, aber jetzt ganz ohne Rundung der Hörner; beim Hörnereinsatz verschwinden sogleich wieder die ersten Geigen, die sich eben in höherer Lage ausspielen durften; bei 19 ist der Klang abermals neutralisiert, über ihn erheben sich bloß die ersten Geigen im Piano. Die Auflösung wird weitergetrieben zu solistischen Mischungen; bei 21 beginnt ein Solohorn über den Streichern, die hier ausnahmsweise ›Hintergrund‹ sind, als solcher aber auch sogleich mit Dämpfer, also neuerlich gebrochen erscheinen. Sehr kunstvoll die Instrumentation bei 24; Flatterzungeneffekt der Flöten, die chromatisch in ihre tiefste Lage absteigen; dazu gedämpfte Solotrompete, Harfenarpeggien, mit Bratschen kombiniert und gedämpft, die akkordische Pedalisierung bei den Hörnern, dafür der Streicherklang ganz geöffnet; die Geigen melodieführend in hoher Lage, die tiefen Streicher als Kontinuo, die Bratschen mit jenen leichten Arpeggien; also ohne akkordische Schwere: Ergebnis eben ein wesentlich solistischer, sehr zart gefärbter Mischklang. Selbst die Harfe, die hier als romantisches Residuum übrig scheint, ist in die Konstruktion eingestellt. Sie tritt als charakteristisches Arpeggien-Instrument nur im Mittelsatz des Liedes auf, den sie grundiert, auch hier übrigens sparsam und luftig verwandt; bindet ihn zur klanglichen Einheit, ohne als Valeur sich aufzudrängen – in Exposition und Schluß, wo der stumpfe, indifferente Naturklang gewollt ist, fallen ihre Arpeggien ganz fort. Der Schluß erinnert sich deutlich an die Instrumentation des Beginns, die er indessen so variiert, wie es konstruktiv notwendig ist nach dem, was unterdessen geschah; die Streicher können nicht mehr so durchaus latent bleiben wie am Anfang, sondern werden im Sinne des Mittelsatzes freigesetzt; während also die Kombination des tiefen Holzbläser- und Pizzicatiklanges reprisenhaft wiederkehrt, dürfen die Geigen sich darüber expressiv ausleben, ist der beredte Streicherton bewahrt; auch am Ende, wo die Musik vollends im Beginn verschwindet. Die Instrumentation schließt die Form durch Wiederherstellung des Grundklanges, ist aber fähig, ihn so abzuwandeln, wie es nach dem geöffneten Mittelteil gefordert ist. Während die Klavierfassung hier einfach bei der Reprise stehen bleibt, hat die Instrumentation die innere Form aufgespürt, den Zwang alles dessen, was musikalisch sich begab, verwirklicht und damit die impressionistische Anlage des ursprünglichen Liedes umgedacht und gehärtet.

Das Prinzip des instrumentalen Umschlages herrscht nicht allein in jedem einzelnen der Lieder, sondern bestimmt auch den Plan ihrer Instrumentation gegeneinander: die großen Einheiten sind nach dem Modell der kleinen gebildet. Jedes der Lieder hat einen völlig anderen Grundklang als die anderen, und diese Grundklänge schichten sich zu einer Art Architektur des Zyklus: volles Orchester nur im ersten und letzten Lied; im zweiten die Streicher solistisch, im sechsten dafür keine Flöten und Oboen; das dritte nur für Streichorchester, das fünfte nur für Bläser und Harfe; das vierte ohne Klarinetten und Trompeten. Diese Disposition ist nicht äußerlich den Liedern aufgeprägt, sondern ergibt sich aus ihrem musikalischen Ton. Das zweite Lied beginnt mit solistischem Mischklang: eine liegende Stimme des Horns, unisono von der Harfe beleuchtet, um den ominösen ›pochenden‹ Hornton der Neudeutschen zu vermeiden, dazu ganz unkörperlich der abwärtsschreitende Baß im Solocello, eine zweite liegende Stimme in der tiefen Flöte, deren Gedeckt-Klang in den Liedern durchweg sehr wichtig ist, schließlich ein getupfter Kontrapunkt der Oboe, erst bei »Abendschein« die fünf Solostreicher als ›Tutti‹; nicht bloß ist der radikal solistische Klang dem immerhin teilweise expansiveren Tuttiklang des ersten Liedes entgegengestellt, sondern so erst der Charakter trüben Scheins herausgebracht, den der Ton des Liedes in sich hat; ähnlich vielleicht war die instrumentale Idee in der Szene vor Mariens Tür, dem Adagio des ›Wozzeck‹. Innertechnisch rechtfertigt sich das Verfahren insofern, als die ganz solistische, lockere Bläserbehandlung durch jedes Streichertutti desavouiert würde. Dabei kommt es zu den subtilsten Kombinationen: zu Beginn des figurierten Mittelteils schlägt wieder der Klang um, auch der solistische Streicherklang. Es erscheinen, im Gegensatz zum ersten Lied, die Streicher hier meist kombiniert, nicht etwa über längere Strecken nur Geige oder Cello, und darum müssen neue Mittel der Differenzierung gefunden werden, während die Bindung des beibehaltenen Klanges der fünf Solostreicher für die Einheit der instrumentalen Konstruktion ausreicht; daher wird im Mittelsatz dieser Klang an den Steg verlegt und entsubstantialisiert, zugleich die Arpeggiensechzehntel der Klarinetten und Fagotte durch Pizzicati der tiefen Streicher gebunden; dann, nach einer dem Bläserton angenäherten Griffbrettepisode, sehr allmählich der ›gewöhnliche‹ Klang des Streicherensembles wieder erreicht. Bei 19 ist abermals alles aufgelöst, es formt sich eine solistische Partie, die auf den Anfang Bezug nimmt, diesen aber gleich der Reprise des ersten Liedes klanglich variiert, nämlich reicher ausführt, so wie unter der Nachwirkung der Sechzehntel des Mittelteils jetzt auch die Komposition selber reicher, in kleinere Werte geteilt ist. Das verdichtet sich zu einer Andeutung des Mittelteils mit den konzertierenden Bläsern und den Streichern am Griffbrett: Horn und Harfe, dazu der reine Quintettklang bleiben allein übrig.

Das dritte Lied verstärkt den Kontrast, indem es die bislang stets benutzten Bläser ganz abstößt und mit den Streichern haushält. Allein auch jene werden nicht etwa in der klanglichen Homogenität aller Adagietti seit Bizet gehandhabt, sondern es bleibt der Klang so differenziert und unkörperlich wie zuvor, nur aus anderem Grundstoff herausmodelliert als bislang. Das geschieht zwingend einfach. Alle Streicher sind geteilt, jeweils die erste Hälfte ohne, die zweite mit Dämpfer; sie werden so verwandt, daß die bewegten Stimmen, die harmonischen Kontrapunkte im Schumann-Brahmsischen Sinne – dem dies Lied am nächsten steht, es erinnert an ›Wie Melodien‹ – den ungedämpften Streichern anvertraut werden, die liegenden Stimmen, also die Pedale des Klaviers, den gedämpften, wodurch gerade der ›Hintergrund‹ der Lieder völlig transparent gerät, während die bewegteren Stimmen derart aufgeteilt sind, daß auch in ihrem Verlauf keine homogene Dichte des Klangs aufkommt. Der Mittelsatz, eine der inspiriertesten Stellen der Lieder, gehört allein der gedämpften Streicherhälfte; die ungedämpften kommen nur als Soli vor, um ganz knappe Imitationen der Singstimme zu bringen; so ist selbst mit dem kargen Vorrat der gewählten Palette der Klang vollends verändert und an den Ursprungsklang doch gebunden. Die Reprise gleicht auch instrumental getreu dem Anfang, erst am Ende werden gedämpfte und ungedämpfte Streicher gleichsinnig geführt und verschmelzen gänzlich.

In ›Traumgekrönt‹, kompositorisch wohl dem reifsten und geformtesten der Lieder, ist wieder eine Art von Tuttiklang zugestanden, allerdings stark reduziert; Klarinetten und Trompeten fehlen. Die hier bereits – ganz nach Art von Schönbergs Kammersymphonie – konstruktive Thematik, die mit reichen Imitationen und Motivverkleinerungen das Lied verklammert, ist aufs subtilste instrumental auseinandergelegt: indem die imitierenden Einsätze durchweg einer frischen Klangfarbenfamilie zugeteilt sind, um sich plastisch abzuheben. Die beiden miteinander eng verwandten Hauptthemen, die im Verhältnis von Varianten stehen und beide verkleinert werden, sind zunächst von Singstimme, Streichern und Harfe exponiert, dann imitieren die Flöten den Schluß des Singstimmen-Hauptthemas, das charakteristische Begleitmotiv erscheint dazu in der Oboe, um im instrumentalen Nachspiel zum ersten Verspaar von Imitationen der gedämpften Posaune und des gedämpften Horns aufgenommen zu werden; den Rest des Hauptthemas intonieren die Holzbläser, während der Klang bereits umgeschlagen ist; der Tuttiklang der Streicher des Beginns ausgelöscht. Erst in der zweiten Strophenhälfte kehrt er wieder, jetzt aber nicht mehr so homogen, sondern von der Verkleinerung des Hauptbegleitmotivs durchbrochen; allein die gedämpften ersten Geigen haben die Hauptmelodie, das Gesangsthema der ersten Strophe, während Singstimme und Horn einen plastisch-melodischen Kontrapunkt formulieren; im Nachsatz das Hauptthema in Posaunen und Harfen, dazu abschließend das verkleinerte Motiv in den Holzbläsern. Die zweite Strophe eine Variation der ersten, die deren Gefüge bestehen läßt, aber in Details kunstvoll ausweicht; das Begleitmotiv des Beginns wird jetzt in die Singstimme verlegt, die wiederholend ein neues Thema daraus entwickelt; das Hauptthema, über dem sehr transparenten Streicherklang, in den Flöten, von einer schönen Imitation der Hörner beantwortet; von 19 an wird die Reprise getreu, nur die Oboe-Imitation aus Takt 5 hat jetzt noch das Solocello, in der knappen Coda schließlich tritt das verkleinerte Hauptgesangsthema in seiner Umkehrung im Horn auf. Gemäß der musikalischen Struktur ist durchweg die Instrumentation mehr auf deutliche thematische Linienführung als auf den Klang als solchen bedacht. Jedoch gerade die Art jener Deutlichkeit, die nirgends zu registrierender Starrheit ausartet, sondern nach den zartesten Regungen der Komposition, der Linie selbst, umschlägt und wechselt, ist von größter Kunst: auch sie vermeidet, nur jetzt mit dem Mittel der Ausinstrumentation der Einzelstimmen, den homogenen Klang und bildet aus der Lineatur neue Mischfarben.

Das folgende, sehr kurze Lied, ›Im Zimmer‹, zeigt wieder extrem kontrastierenden Klang. Hier nun fehlen die Streicher ganz, mit größter Subtilität beschränkt sich das Orchester auf die Bläser, die nicht orgelhaft geschlossen, sondern in feinsten Mischungen so gelockert werden, wie es sonst nur mit Streichern möglich ist. Die Bewegung erst in den Klarinetten – die im vorigen Lied fehlten – mit liegenden Tönen in den Flöten; dann in der Oboe mit Unterstützung des Englisch-Horns, ganz ohne Blech; im bewegteren Teil tritt die Harfe staccato zu Oboe und Englisch-Horn hinzu, erhellt den Klang zugleich mit einem Wirbel des freihängenden Beckens; auf dem Höhepunkt, wo direkt eine Art Streicherwirkung erstrebt wird, ist sie durch kurze Harfenarpeggien, Flatterzungen der Flöten erzielt, dann setzt erstmals das Blech ein, Hörner, Solotrompete und Soloposaune, im gleichen Verhältnis zueinander wie eingangs Klarinetten und Flöten, die Holzbläser kommen allmählich dazu, dabei hebt wiederum die Baßklarinette in Kombination mit der Harfe die Statik des Bläsertons auf. Der hohe Klarinettenklang über Celestastaccati und leisen Beckenschlägen wird vollends durchsichtig, gedämpfte Blechbläser schließen. Auf engstem Raum, in den einfachsten harmonischen Verhältnissen hat das Lied die Fülle an instrumentalen Nuancen.

Im sechsten Lied, der ›Liebesode‹, bleiben Flöten, Oboen und Englisch-Horn fort. Nach den Einleitungstakten wird der Klang, wie es nicht anders zu denken war, einigermaßen ungebrochen; es herrschen die Streichervaleurs vor. Die durchgehend wiederholten Streichereinsätze werden allerdings einmal von den Klarinetten übernommen, der Streichersatz ist kunstvoll in verschiedener Konsistenz gehalten, so, daß er nur an den entscheidenden Stellen sich ganz sammelt, während sonst die Phrasen der ersten Geigen über nach Lage und Fülle dauernd modifiziertem Grundklang sich erheben. Die stets wiederholte Arpeggienfigur bleibt der Harfe als ›Klangdessin‹, die eigentliche Variation des Klanges ist den Holzbläsern vorbehalten, die bald Tremolo, bald leichte Klarinettenpassagen, bald Flatterzungenwirkungen, bald thematisch-melodische Stimmen bringen. Die akkordisch geführten Hörner setzen den Generalbaß aus, die Solotrompete ist der Singstimme zugeordnet, hebt sich aus dem Tuttiklang heraus, bildet die Kadenz.

Erst das letzte Lied verlangt wieder gleich dem ersten volles Orchester. Entsprechend der konstruktiv-thematischen Anlage ist im übrigen die Instrumentationsweise ähnlich der von ›Traumgekrönt‹, nur um der größeren Dimensionen willen mehr auf klangliche Variation bedacht als dort. Die Technik des deutlichen ›Ausinstrumentierens‹ findet sich mit der des kontinuierlichen Umschlags vereint. Die Streicher erscheinen oft akkordisch gesammelt, um sich augenblicklich von anderem Klang abgelöst zu finden; so gleich zu Beginn, wo ihr Anlauf von den Holzbläsern aufgefangen, die Bewegung von Flöten und Klarinetten weitergetragen wird, während der Streicherklang nicht etwa verschwindet, aber sich solistisch mindert. Beim ersten Blecheinsatz sind die Streicher durch Pizzicati beteiligt, dann in arpeggierende Figuren aufgelöst, die ein Holzbläserthema tragen, bei Takt 13 erst wieder erfolgt ein voll-thematischer Einsatz der ersten Geigen. In solchem Geist ist das ganze Lied instrumentiert. Selbst der Tuttiklang des Schlusses wird sofort, nach zwei Takten schon, abgeschnitten. Die Instrumentation des Liedes weist deutlich auf die des linearen, von traditioneller Harmonik vollends emanzipierten Stils und markiert nach der wesentlich vertikalen Haltung der ›Liebesode‹ die Horizontale um so energischer.

Die Einheit von Komposition und Instrumentation in den Liedern darf nicht grob verstanden werden: der Unterschied ihres kompositorischen und instrumentalen Stils ist nicht zu verleugnen, sie verbergen ihn so wenig wie, nach Schönbergs Wort, der dritte Teil der ›Gurrelieder‹. Aber erst auf seiner reifen kompositorischen Stufe war es Berg möglich, die eigentlich kompositorischen Vorgänge jener Lieder adäquat zu fassen. Wären sie zwanzig Jahre früher instrumentiert worden, dann wäre die Instrumentation schmückend geraten. Nur von einem anderen Formniveau aus als dem der Lieder selbst lassen sie, paradox, instrumental wahrhaft sich darstellen; auf ihrem ursprünglichen würde die Instrumentation zum Als ob. Das rechtfertigt die nachträgliche Instrumentation. Zum guten Ende benennt der Klang die Musik mit einem Namen, den sie zuvor, Rumpelstilzchen gleich, verheimlichen wollte. Denn in ihnen liegt jene reine Konstruktion bereit, deren der Klang sich rettend bemächtigt. Er hat nichts hinzugefügt: nur einiges enthüllt; nicht die Lieder aufgefrischt, sondern bewiesen. An der Stimmigkeit der späten Instrumentation erweist sich ihr Authentisches.

 
Fußnoten

 

1 Der Begriff des unmerklichen Übergangs und des – notwendig jähen – Umschlags scheinen einander auszuschließen. Kennt indessen die Psychologie im ›Schwellenwert‹ ein Moment, das inmitten von Kontinuität dem qualitativen Sprung entspricht, so hat die Kompositionspraxis Bergs buchstäblich die Begriffe Umschlag und Übergang zusammengefaßt. Nirgends ist das deutlicher als an einer Stelle des Kammerkonzerts, welche die Bergische Verfahrungsweise fast bis zur Selbstverspottung outriert. Der Einsatz der stürmischen Kadenz nach dem aufs zarteste verklingenden Adagio ist der einzige scharfe Kontrast des ganzen Stücks. Aber Bergs unendliche Sorge um sichernde Vermittlung scheute selbst vor ihm noch zurück: er sollte in die Wagnerische »Kunst des Übergangs« einbezogen werden. Aufgabe war es, äußerstes Pianissimo und äußerstes Fortissimo sowohl schroff einander gegenüberzustellen wie diese Stärkegrade allmählich ineinander zu führen. Ingeniös hat Berg das Unmögliche vollbracht. Während nämlich am Ende des Adagios das Bläserensemble und die Geige unmerklich verklingen, setzt vor diesem Ende ebenso unmerklich bereits das Klavier ein und steigert sich zum Mezzoforte, so daß dann der große Ausbruch des Klaviers in der Kontinuität jener Steigerung verbleibt. Aber sie vollzieht sich gleichsam hinter den Kulissen: das Klavier, im zweiten Satz nicht als Soloinstrument verwandt, tritt noch kaum in Erscheinung, und selbst wo es, in geräuschähnlichen Noten der tiefsten Lage, stärker wird, bleiben im Vorderfeld der Wahrnehmung die Melodien Hauptereignisse, die Stimmen von Piccoloflöte und Geige. So wird tatsächlich sowohl vollständiges Verklingen mit abruptem Fortissimo-Kontrast erzielt, wie umgekehrt dieser für die unbewußte Auffassung schon vorbereitet. Nichts könnte die Einheit von kompositorischen Innervationen und Instrumentationskunst bei Berg eindringlicher charakterisieren.

 

 

Anton von Webern

Solange Anton von Webern lebte und solange nicht der faschistische Terror seine Musik in eine Verborgenheit trieb, nach der sie freilich von sich aus schon zu verlangen schien, war er dem öffentlichen Bewußtsein entweder ein Schreck oder eine Spezialität. Ein Schreck wegen der schockierenden Kürze der meisten seiner Kompositionen, die den Hörer ins Schweigen entließen, ehe er sie nur recht wahrzunehmen vermochte, und wegen ihrer auch qualitativ aphoristischen Faktur; sie versagte ihm jenes Geleit durch sinnfällig ausgesponnene Zusammenhänge, wie Berg und selbst das meiste von Schönberg immerhin es gewähren. Als Spezialität: weil in seinem œuvre ein gleichsam isoliert ausgewählter Aspekt der Musik seines Lehrers Schönberg, der äußerster Konzentration, alles beherrscht, bis ins Extrem des Extremen entwickelt mit einer Hartnäckigkeit, die man gern dem Schülerverhältnis zurechnete. Nachdem dann 1945 eine irre Kugel das Leben des pianissimo-Komponisten brutal zerriß, ist aus seinem esoterischen Ruhm der exoterische geworden, und seine Funktion hat von Grund auf sich geändert. Den man einmal als beschränkt-überradikalen Schüler seines Meisters glaubte abtun zu können, wurde mit einem Mal zum Sohn, der an Stelle der Vaterfigur herrscht: die von Boulez stammende Parole: Schönberg est mort ist nicht zu lösen von der Erhebung des treuesten Jüngers auf den vakanten Thron. Seit Jahren schon neigte man in den westlichen Ländern dazu, Webern, dessen Musik ihrem klanglichen Bild nach weniger tief ins neunzehnte Jahrhundert zurückreicht als die des älteren Schönberg, und deren Geschmack am refus den französischen ansprach, gegen Schönberg auszuspielen; Strawinsky soll ihn geschätzt haben, noch ehe er – offenbar durch Webern beeindruckt – auf Reihenversuche sich einließ. Aber der posthume Ruhm Weberns war mehr technisch-stilistischer und vor allem: musikstrategischer Art, als daß er das spezifisch Kompositorische ergriffen hätte. Er bezog sich insbesondere auf die letzte, unverkennbar mit der Symphonie op. 21 anhebende Phase, in der Webern die von ihm schon vorher meisterlich gehandhabte und seinem eigenen Ton amalgamierte Zwölftontechnik so weiterbildete, daß sie der seriellen Musik eine Art Sanktion erteilte. Von nun an wurde nicht einfach mehr mit der Reihe als mit einem nachgiebigen Stoff komponiert; nicht länger rüstete die Anordnung der Intervalle zwischen den zwölf Tönen lediglich das Material kompositorischer Intentionen zu, sondern es sollten aus ihr selber alle die strukturellen Momente und Bestimmungen herausgeholt werden, welche die Komposition abgeben. Die Integration der musikalischen Ereignisse, die Einheit eines jeglichen Werkes, überbietet, was die Schönbergische Zwölftontechnik und auch die frühere Weberns geleistet hatte; nochmals steigerte Webern in bohrender Versenkung Möglichkeiten, die von Schönberg eröffnet waren, in ihrer Konsequenz über diesen hinaus. Freilich hat dabei – im Gegensatz zu den seriellen Komponisten, die ihn zum Schutzherrn erkoren – Webern niemals völlig auf jene musiksprachlichen Mittel verzichtet, die ihm die Schönbergschule übermittelt hatte und die ihrerseits traditionelle Formelemente sublimiert bewahrten. Über all diesen Fragen jedoch, über den technischen Neuerungen Weberns und ihrer Verwendbarkeit, kam der Gedanke an den Komponisten zu kurz. Wenige Musiker der Gegenwart haben so sehr an sich erfahren müssen, daß das Interesse an der Tendenz, die sie verkörpern, das an den Werken selbst verdrängte, in denen allein jene Tendenz ihre Substanz hat. Das Bild Weberns heute fällt unter das Verdikt des von ihm unvergleichlich komponierten Stefan George aus der ›Schwelle‹ des Siebenten Rings: »Kaum legtet ihr aus eurer hand die kelle / Und saht zufrieden hin nach eurem baun: / War alles werk euch nur zum andren schwelle / Wofür noch nicht ein stein behaun.« So wenig die kompositorische Leistung von technischen Funden sich sondern läßt, so sehr verweisen diese doch auf die Kompositionen, in denen sie entsprangen: auf deren Idee. Was an Musik überlebt, ist am Ende eher die Musik als ihre wie immer auch bewundernswerten Mittel.

Die Idee Weberns aber ist eine von absoluter Lyrik: der Versuch, alle musikalische Stofflichkeit, auch alle objektiven Momente musikalischer Gestalt aufzulösen im reinen Laut des Subjekts, ohne einen Rest, der diesem fremd, hart, unassimiliert gegenüberstünde. Von dieser Idee hat der Komponist Webern nie abgelassen, gleichgültig, ob er auf sie reflektierte oder nicht. Sie zu begreifen bedarf es der Besinnung auf die Stellung des Expressionismus in den künstlerischen Medien. Die lyrische Dichtung, welche ihn früher konzipierte als die Musik, stieß von Anbeginn auf eine Grenze: die des objektiven, in reinen Ausdruck nie vollends übersetzbaren Begriffs, an den die Sprache gebunden ist. Sobald sie den Begriff eliminiert, um Klang und Bild zu werden, verwandelt sie selber sich in eine ärmere, gewissermaßen graue und zweidimensionale Musik. Musik aber stand im Bann ihres architektonischen Wesens, der überlieferten Vorstellung von Form. Sie mochte nicht darauf verzichten, Zeit zu artikulieren; sie wagte nicht, sie ohne Rücksicht zu verkürzen; was als extensive Größe gemeistert werden wollte, um der Intensität willen dranzugeben. Darum hat Musik niemals die Idee von Lyrik vorbehaltlos realisiert, die doch in ihr selbst unabdingbar gegenwärtig ist. Webern – fast möchte man sagen: Webern allein – ist es gelungen.

Die Bedingung dafür lag ebenso in dem Stand des Komponierens, den er vorfand und der ihn bis ins Innerste prägte, wie in seiner individuellen Anlage. Durch Schönbergs freie Atonalität hatte die expressive Möglichkeit von Musik sich ins nie Gedachte erweitert. Äußerungen Weberns aus der Zeit um 1910 dulden keinen Zweifel daran, daß diese Expressivität, die Fähigkeit von Musik, Regungen unterhalb der Schwelle jeglicher anderen Kunst auszudrücken, der zentrale Eindruck war, den er von seinem Lehrer empfing. Solche Erweiterung der Expressivität bezog sich keineswegs nur auf die Extreme, auf den undomestizierten Ausbruch und das kaum vernehmbar Leise, sondern auch auf eine Rätselschicht abgründig fragender Versenkung, in der dann Weberns Musik sich ansiedelte; gewisse Augenblicke des mittleren Schönberg wie der Schluß des ersten und der des zweiten Klavierstücks aus op. 11, auch das zweite Orchesterstück aus op. 16 sind dafür das Modell. Der neue Typus von Expressivität wurde dadurch möglich, daß die zwischen dem Ausdruck und der musikalischen Erscheinung bis dahin geltenden Vermittlungskategorien außer Kraft gesetzt wurden. Unbekümmert um alle ihr vorgesetzte Form wurde Musik unmittelbar zum Ausdruck. Mit dem Fortfall der Tonalität, ihrer akkordischen, modulatorischen, metrischen und formalen Symmetrieverhältnisse aber, mit dem von den Komponisten gespürten Wiederholungsverbot ließ, zunächst jedenfalls, ein zeitlicher Verkürzungsprozeß der Musik nicht sich vermeiden. Die Intensivierung des Ausdrucks fand sich zusammen mit einem Tabu gegen die Extension in der Zeit. Untrennbar war die Not, Zeit zu bewältigen, von der Scheu, durch zeitliche Ausdehnung und Entfaltung die Reinheit des ausdrucksgeladenen Augenblicks einzubüßen. Diese Erfahrung hat über Webern eine Macht gewonnen, deren Zerstörerisches eins war mit dem Ferment seiner Produktivität. Sein ganzes Leben lang hat sein Sensorium, wider seinen Willen, sich gegen die extensive Zeit gesträubt, auch in den konstruktivistischen Werken der Spätphase; Alban Berg, darin ihm ganz und gar konträr, bemerkte schon 1925, daß Webern, als er seine ersten Zwölftonstücke schrieb, durch seine Verfahrungsweise sich um den handgreiflichsten Gewinn brachte, den Schönberg aus der neuen Technik zog: den, wiederum ausgedehnte, Zeit organisierende Stücke, doch ohne die tonalen Darstellungsmittel, zu schreiben. In Hegels Phänomenologie kommt einmal der bestürzende Ausdruck »Furie des Verschwindens« vor: Weberns Werk hat diese in seinen Engel gewandelt. Das Formgesetz seines Komponierens, auf allen seinen Stufen, ist das des Schrumpfens: seine Werke erscheinen gleichsam an ihrem ersten Tag so wie das, was am Ende, durch einen historischen Prozeß, als Gehalt von Musik sonst übrig bleiben mag. In dem mikrologischen Hang, dem Vertrauen darauf, daß die Konkretion eines erfüllten Augenblicks alle bloß abstrakt anbefohlene Entfaltung aufwiegt, hat Webern etwas mit Walter Benjamin gemein. Die Handschriften der beiden, des Philosophen und des fanatisch an sein Material gebundenen Musikers, die sich nicht kannten und kaum viel voneinander wußten, waren einander überaus ähnlich; beide sahen aus wie Post aus einem Zwergenreich, Miniaturformate, die doch stets wie aus einem sehr großen verkleinert wirkten.

Von Weberns Formgesetz ist dabei mit Nachdruck zu reden. Seine entfliehende Musik hat ihre Schwere daran, daß sie die Idee des reinen Ausdrucks nicht isoliert verfolgt, sondern in die musikalische Gestalt selber hineinträgt, diese so durchbildet und artikuliert, daß sie eben dadurch zum reinen Ausdruck fähig wird. Um dies Paradoxon, die Durchkonstruktion um der unmittelbaren Kundgabe willen ist das gesamte œuvre von Webern geordnet. Schon als, vor nun bald vierzig Jahren, die Fünf Sätze für Streichquartett op. 5 erschienen, zeigte sich an ihnen bei aller Übereinstimmung ein überaus prägnanter Unterschied von den Schönbergischen Kleinen Klavierstücken op. 19. Diese waren nur an einigen Stellen motivisch-thematisch gearbeitet. Sie gehörten insgesamt jenem Typus des Athematischen, gleichsam assoziativ Augenblicke Aneinanderreihenden an, wie man ihn später literarisch im Surrealismus automatische Niederschrift nannte. Sein umfangreichster musikalischer Repräsentant ist das Monodram ›Erwartung‹; auch noch das Kammerlied ›Herzgewächse‹ ist von solcher Art. Weberns erste expressionistische Miniaturen jedoch, eben jene Quartettstücke, sind motivisch-thematisch: das erste, ein wenig umfangreichere sogar ein voller, aber gewissermaßen auf seine Grundschichten reduzierter Sonatensatz; die anderen, herausgesponnen aus kurzen, höchst prägnanten Motiven, benutzen vielfach Imitationen und Umkehrungen, in denen die rhythmischen Werte und die Akzentnoten so verschoben sind, daß die motivische Identität gar nicht mehr bewußt wird. Alles ist wie ein Hauch und hat doch sein Notwendiges vermöge jener heimlichen Organisation. Das wird dann der Erreger von allem, was man etwa Weberns Entwicklung nennen kann, obwohl deren Begriff so schief zu seinem Gesamtwerk steht wie zu den einzelnen Stücken in sich. Wie der Laut, durch vollkommene Konstruktion, verbindlich werde; wie umgekehrt die Konstruktion, durch vollkommene Beseelung, dem Subjekt sich versöhne – darum hat Webern unablässig, in seiner Spätphase mit voller theoretischer Einsicht, sich abgemüht: mit der innersten Frage der neuen Musik. Die Insistenz darauf nicht zuletzt verleiht seiner Musik ihren Rang, den des Unbeirrten und Unbestechlichen.

Entwicklungslos setzt Webern ein, mit der Passacaglia op. 1, einem Meisterstück vollster Authentizität, in äußerstem Gegensatz zu seinem Freund Berg, dem es viel schwerer fiel als dem vergrübelten Asketen, und der alles Mögliche hinter sich bringen mußte, ehe er frei über die Mittel und über sich selber verfügte. Die Passacaglia ist, wie die Form es will, ein bis in die letzte Note hinein auskomponiertes, dabei schon unendlich expressives Stück, farbig und doch von ernstestem Ton. Die neudeutsche Schule, der sie durch ihren harmonischen und farblichen Reichtum und ihre leidenschaftlich ausgreifende Melodik zugehört, kennt nichts, was zugleich so schmucklos, effektlos, so gehalten wäre, obwohl es einmal sogar – dies eine Mal in Weberns Leben – üppig rauscht. Wie es selbstverständlich ist, ruft die Passacaglia, besonders am Anfang, von fern das Finale aus der Vierten Symphonie von Brahms herauf. Aber sie ist weit lockerer, Straussisch aufgelöster. Das Material stammt aus der bis zum äußersten erweiterten, harmonisch in selbständigen Stufen des Chromas fortschreitenden Tonalität des Schönberg aus der Zeit des Zweiten Quartetts. Der erste Satz von Schönbergs Zweiter Kammersymphonie gemahnt am meisten an Weberns Erstling.

Der Doppelkanon ›Entflieht auf leichten kähnen‹ op. 2, auf ein Georgegedicht, neigt bei ähnlichem Material schon zur lyrischen Kondensation kraft kunstvoller Kontrapunktik. Zwei Liederhefte folgen, beide abermals nach Gedichten von George. Sie zählen wohl zum Vollkommensten, was der neuen Musik überhaupt beschieden war. Der Zyklus op. 3 umfaßt fünf der berühmtesten Lieder aus dem Siebenten Ring; atonal etwa wie Schönbergs Georgelieder. Von diesen aber hebt er sich ab durch ein Moment des jugendlich Schwungvollen, Schlanken, einen lateinischen Elan, der den Dichter hätte entzücken müssen und der sonst kaum in deutscher oder österreichischer Musik sich auslebt: solche Jugendlyrik gelang bis dahin nur der Dichtung. Besonders das zweite Lied, ›Im windesweben war meine frage nur träumerei‹, trifft hinreißend diesen Charakter. Nicht minder schön der Schluß des letzten, ein süßes Licht aufglänzend über Schründen. Der zweite Zyklus ist statischer, weniger verströmend, dunkler insgesamt, sich vergrabend in den einzelnen Akkord. Er markiert den Eintritt in Weberns Innenraum, den er nun nicht mehr verläßt. Ihn vollzieht mit fast sinnfälliger Symbolik das erste, einleitende Lied. Seine Schauer haben den Jugendstil überdauert. Unvergeßlich der Einfall, mit dem es anhebt.

Mit den Fünf Sätzen für Streichquartett setzt ein, was die zweite Periode Weberns heißen mag: die der äußersten Kontraktion zu Kurzformen. Sie gleichen in nichts dem Genrestück, sind nicht mit dem ominösen Silbergriffel gezeichnet; der Schock, der von ihnen ausgeht, enthebt sie der Sphäre des Still und Fein. Den kulturfrommen Namen Miniatur, aus dem neunzehnten Jahrhundert, desavouieren sie; es fehlt nur ein besserer, sie passen unter keinen etablierten Begriff. Die Intensität, mit der sie sich zum Punkt zusammenziehen, verleiht ihnen zugleich Totalität: der Seufzer wiegt, wie Schönberg es bewunderte, den Roman auf, eine hochgespannte Geigengeste von drei Tönen buchstäblich die Symphonie. Und der Widerstand, dem Webern begegnete, bis er, wie alles was überhaupt an Exponiertem sich denken läßt, neutralisiert, aufs Piedestal verbannt wurde, wird geweckt von der kaum zu ertragenden Spannung zwischen der verlöschend zarten, sich selbst aus der Welt fortwünschenden Erscheinung und dem Pathos des Ganzen, das diesen Wunsch inspiriert, einer Utopie von Unbedingtheit, die nur darum sich bescheidet, weil alles scheinhafte, nach außen gerichtete Mittel, alle Unbescheidenheit ihr noch zu bescheiden ist. Das läßt sich fast mit der Haut fühlen an einer bestimmten Stachligkeit, Unangreifbarkeit der Webernschen Gebilde, einem sensuellen Aspekt seiner kompromißlosen Integrität. Nur wer selbst mit Webernaufführungen beschäftigt war, kann das so recht ermessen. Geht man an seine Musik unbefangen heran wie an andere, um sie einzustudieren oder zu spielen, so zuckt sie vor Ohr und Hand zurück: sie versagt sich der Unmittelbarkeit der Darstellung, muß in einer Aura jener Stille gespielt werden, die sie umgibt und die Schönberg mit dem Satz »Möge ihnen diese Stille klingen« beschwor; sonst straft sie den vorwitzigen Interpreten mit verletztender Absurdität oder flüchtet vollends vor ihm. Die exzeptionelle Schwierigkeit, Webern zu musizieren, gänzlich disproportional zur Einfachheit vieler seiner Stücke, zur Sparsamkeit mit Noten, schreibt von der Aufgabe sich her, jene Distanz zwischen dem Interpreten und dem Werk, die zum Werk selber gehört, in präzise Forderungen der Interpretation umzusetzen. Im Zeitalter angeblich notengetreuer, positivistisch-buchstäblicher Interpretation ist die Reaktionsfähigkeit für solche Imponderabilien, die mit der großen romantischen Musik heranreifte, im Aussterben: Weberns Werke stellen sie durch ihre bloße Existenz wieder her. Die außerordentliche Freiheit, mit der er selbst seine Stücke vortrug und die noch dem spärlichsten Rest von Linien unerwartete Plausibilität verschaffte, gehorchte wohl seiner tiefen Aversion gegens musikalisch Wörtliche. Nur eine zweidimensionale Musikalität wird als willkürlich tadeln, wie Weberns Musik von ihm selber präsentiert wurde. Seine Stachligkeit, als Anspruch des keinem Generellen und keiner Kommunikation fügsamen Jetzt und Hier, des absolut Einmaligen eines jeden einzelnen Gebildes, dürfte auch verbieten, eine größere Folge seiner Werke unmittelbar hintereinander anzuhören, wie fast alle anderen Komponisten es gestatten: jedes Stück will gleichsam, als intensive Totalität, allein auf der Welt sein, unvereinbar mit der Existenz des nächsten. Ein volles Webernprogramm wäre wie ein Einsiedlerkongreß. Die Totalität des Partikularen unterscheidet den Spezialisten Webern nachdrücklich von der Spezialität, von der Manier.

In den Quartettstücken vollzieht der Übergang in seine Domäne sich sichtbar: das vierte ist schon gänzlich Miniatur. Doch spannen sich noch melodische Bögen, vor allem im letzten und im zweiten Stück, bei dem man den Atem anhält; noch sind die Melodien nicht zu Kurzphrasen oder Einzeltönen eingekocht. Webern erklärte, die Quartettstücke op. 5, vermutlich auch die ›Bagatellen‹ op. 9 seien aus einer großen Zahl solcher Gebilde ausgewählt. Angesichts seiner Bedeutung fürs gegenwärtige musikalische Bewußtsein wäre es wohl die dringlichste Verpflichtung, diesem Unveröffentlichten nachzugehen und es zu publizieren. Die Orchesterstücke op. 6 sind eher einfacher als die Quartettstücke, die motivisch-thematische Arbeit tritt zurück, sie verhalten sich vergleichsweise homophon. Am Schluß des ersten Stücks spielt die Harfe sogar die gute alte Ganztonskala glissando: falsch fast in dieser Umgebung. Aber ein wahrhaft ungeheuerliches, auf seine Weise einzigartiges, nochmals etwas ausführlicheres Stück steht darin, ein rudimentärer Trauermarsch, das fernste Echo gewisser Typen von Mahler, dessen authentischester Interpret Webern wohl war. Mit Mahler hat er im Ton des Weltfernen, im Gestus des verlorenen Postens viel gemein, trotz dem Kontrast zwischen den Riesenformaten Mahlers und den minimalen Weberns, zwischen dem dreifachen Fortissimo und dem dreifachen Pianissimo. Dies Pianissimo darf man nicht nehmen, wie es klingt, nicht bloß als Reflex der zartesten Regung der Seele, die es auch ist. Oft, gerade in Weberns Orchesterstücken, aber auch in einzelnen Wendungen der auf diese folgenden Stücke für Geige und Klavier op. 7 und für Cello und Klavier op. 11 ist dies dreifache Pianissimo, das Allerleiseste, der drohende Schatten eines unendlich entfernten und unendlich mächtigen Lärms: so klang, im Jahre 1916, auf einer Waldchaussee bei Frankfurt, der Kanonendonner von Verdun, der bis dahin trug. Hier berührt Webern sich mit Lyrikern wie Heym und Trakl, den Propheten des Krieges von 1914: das fallende Blatt wird zum Boten kommender Katastrophen. Die Behandlung des Schlagzeugs in beiden Zyklen von Orchesterstücken kehrt dies Moment am sinnfälligsten hervor. Der zweite, op. 10, ist gegen den ersten nochmals kontrahiert, für Kammerorchester ohne chorische Streicher; meist zählen die Stücke nur wenige Takte. Die Gewalt ihrer Zartheit konnte erfahren, wer sie 1957 in Kranichstein neben solchen der jungen Generation vernahm, die sie verehrt. Ihre Wirkung übertraf alles andere: sie enthüllten zum ersten Mal einer großen Zuhörerschaft das als subjektivistisch-abseitig Gescholtene als ein Allgemeines.

Die Möglichkeit musikalischer Objektivation hat sich während dieser Phase in die Konsequenz des Subjekts verkapselt: kraft vollkommener Konsequenz schlägt es auch musikalisch in sein Gegenteil um. Der reine Laut, auf den, als seinen Ausdrucksträger, das Subjekt hintendiert, ist befreit von der Gewalt, die formende Subjektivität sonst dem Material antut. Indem das Subjekt selber, ohne alle Vermittlung musikalischer Sprache, tönt, tönt Musik als Natur, subjektiv nicht länger. So wohl wären die Naturlaute zu verstehen, die damals in die Werke Weberns hineinklingen; zumal die Mahlerschen Herdenglocken in einem der Orchesterstücke op. 10. Die ›Bagatellen für Streichquartett‹ op. 9 aber, vielleicht das Schlackenloseste aus dieser Sphäre Weberns, vollenden jenes nur durch Musik Sagbare, den absoluten Ausdruck, von dem Schönberg in seiner Vorrede sprach. Später wurden sie dann wohl zum Modell dessen, was man zeitweise punktuelle Musik nannte. Nie aber dissoziieren sie mechanisch die Töne. Wohl sind auch sie karg gegeneinander getupft, und zuweilen springt aus der Polyphonie jene Einstimmigkeit zweiter Potenz heraus, die dann beim späten Webern und während der ersten Jahre der Darmstädter Schule, nach 1945, herrschte. Doch findet sich auch hier kein Ton, kein Pizzicato, kein Geräusch am Steg, keine Pause, die nicht in den Moments musicaux der ›Bagatellen‹ zugleich eine so genaue und fürs aktiv mitvollziehende Ohr unmißverstehbare Funktion erfüllten wie Formteile oder Phrasen in einem Satz von Beethoven oder Brahms: drei Noten können eine Durchführung, ein Ton eine Coda repräsentieren, ohne daß je das Ohr an ihrem Formsinn zweifeln müßte. Die Cellostücke von 1914 gehen an Radikalismus des Weglassens womöglich noch darüber hinaus; dabei gliedern sich die paar Takte eines jeglichen von ihnen mit einer Prägnanz, die sie zur großen Architektur erhebt. Solche Prägnanz des musikalischen Sinns ist die Frucht einer Reduktion des Erklingenden, die dem Differenziertesten Raum schafft durchs Verschweigen.

Mit den Liedern op. 12 beginnt eine fast unmerkliche Wendung. Insgeheim dehnt sich Weberns Musik; er bewältigt auf seine Weise, was Schönberg im ›Pierrot Lunaire‹ und den Liedern op. 22 erstmals registrierte: daß auf dem reinen Punkt sich nicht beharren läßt, wenn nicht die spirituelle Reduktion von Musik zum physischen Verkümmern werden soll. Die neue Ausbreitung ist bloß angedeutet; das erste und das letzte der Lieder sind durchaus noch aphoristisch kurz, aber atmen doch ein wenig aus, und die beiden mittleren, eines aus der ›Chinesischen Flöte‹, eines aus der ›Gespenstersonate‹ des Strindberg, dem Webern besonders nah sich fühlte, kennen entfaltete Gesangslinien, freilich von einer Subtilität, in der der Prozeß der Auflösung von vorher aufbewahrt ist. All das ist offenbar noch gesteigert in den bisher nur sehr selten gesungenen Kammerliedern op. 13. Die sechs Traklgesänge Weberns op. 14, ebenfalls mit einem Kammerensemble, sind wohl, neben den beiden Chorliedern zu Gedichten aus Goethes ›Chinesisch-Deutschen Jahres- und Tageszeiten‹, op. 19, das Bedeutendste aus dieser Periode, Weberns dritter. Kondensation von Ausdruck und Verfahrungsweise treten zusammen mit einem Expansionsdrang des Ausdrucks, der an den kongenialen Gedichten sich kräftigt: Rückkunft ohne Zurückweichen. Mit dem Ausbruch am Ende des letzten Liedes stürzt das musikalische Innere in sich zusammen. In ihrer vollkommen durchgepflügten, von allen Residuen der traditionellen Musiksprache, jeglicher Vormacht irgendeines Tones befreiten und doch Zeit erfüllenden Faktur klingen die Trakllieder wie Zwölftonmusik. Daß der Schritt zu dieser der kleinste, daß sie kein von außen hinzutretendes Prinzip sei, hat Webern damals bewiesen; seine ersten Zwölftonarbeiten, Kammerlieder ebenfalls, und die letzten in freier Atonalität gehen bruchlos ineinander über. Die zahlreichen Vokalkompositionen dieser Periode, oft kanonisch, meist mit kleinsten Kammerbesetzungen, unter denen die bewegliche und kontrastreiche, für Sprünge besonders geeignete Klarinette bevorzugt wird, hören sich einstweilen noch besonders spröd an wegen der gehäuften großen Intervalle der Singstimmen. Nicht nur ist dem Ohr die Synthesis der disparaten Töne zum Melos schwierig, sondern der Gesang ist in Gefahr, durch die vordringliche Sorge um die jeweils richtige Note ins unfrei Ängstliche und zugleich Schrille zu geraten. Das stört das Bewußtsein der Charaktere und des Sinnes. Die Entfaltung dieser Stücke ist eine Funktion des Fortschritts ihrer Wiedergabe; erst wenn sie ohne Angst und ohne Bravour übermittelt werden, dürfte ihr Gehalt sich recht manifestieren.

Das Streichtrio op. 20, eine der Zwölftonarbeiten jener Jahre, ist die erste Instrumentalkomposition Weberns seit den Cellostücken: wohl die Höhe seines Werkes überhaupt. Es realisiert vollends seine Idee. Die ganze Flexibilität, der ganze Gestaltenreichtum, die ganze Ausdrucksfülle der früheren Werke werden nun erstmals, in zwei knappen Sätzen, darunter einer strikten Sonatenform, in die extensive Zeit eingebracht. Das Trio ist konstruiert bis in die letzte Note und hat doch nichts Konstruiertes: die Gewalt des formenden Geistes und die Gewaltlosigkeit eines Ohrs, das, indem es komponiert, der eigenen Komposition passiv bloß nachhört, gehen ineinander über zur Identität. Unstillbares Mißtrauen gegen Gestaltung als verfügenden Eingriff des Subjekts in sein Material dürfte die Verhaltensweise von Webern definieren, in der er der Versöhnung näher war als Schönberg. Es ist bereits die der motivischen Kleinarbeit in den ersten Miniaturen: sie wollte vor Willkür schützen. Bedürfnis nach Sicherheit, eine Art Vorsicht des kompositorischen Verfahrens, teilte Webern mit seinem Freund Berg. Bei beiden mochte es unterm Druck von Schönbergs Autorität gefördert worden sein, beide aber rückte es auch in Gegensatz zum herrschaftlich-patriarchalischen Habitus von dessen Musik. Die Behutsamkeit, mit der der frühere Webern die neuen Klänge benutzt, als zögerte er, einen von ihnen zu verlassen und damit ins Selbstverständliche von ›Material‹ einzuebnen, ist wohl in derselben Region beheimatet. Das Authentische der Wirkung Weberns schreibt von solcher Gewaltlosigkeit sich her, vom Mangel einer subjektiven Souveränität des Komponierens, die, je zwingender sie schaltet, desto mehr auch etwas blind Befehlendes annimmt und die Möglichkeit hervorkehrt, es könnte alles ebensogut anders sein. Weberns Musik jedoch möchte von Anfang an erscheinen, als wäre sie absolut, an sich, zu akzeptieren als etwas Daseiendes, nichts weiter.

Aber dies Scheinen führt die Versuchung mit sich, als wörtlich sich auszulegen. Darum löst dann das Ideal gewaltlosen Komponierens – und das ist die letzte der Paradoxien Weberns – jene Entwicklung seiner Spätzeit aus, die die Nachfolger bestärkte in der Anstrengung, das musikalische Material total zu beherrschen. Vollkommene Gewaltlosigkeit wird vollkommene Gewalt. Das bahnt sich an mit einer weit deutlicheren Zäsur als der zwischen den letzten freien und den ersten Zwölftonkompositionen Weberns, in der Symphonie op. 21. Von nun an wird – damit die Musik vorbehaltlos, ohne Eingriff dem musikalischen Stoff sich überlasse – nicht mehr mit Zwölftonreihen nach Schönbergischem Muster komponiert, sondern diese sollen virtuell selber komponieren. Folgerecht las man das serielle Programm heraus, mit ihrem Grundmaterial und dem einmal gewählten Formprinzip eine Komposition in ihrem gesamten Verlauf vorweg zu determinieren. Die Reihen Weberns werden nun so disponiert, daß sie in sich selbst in Teilgestalten zerfallen, die untereinander in Beziehungen wie denen stehen, die sonst erst aus der ganzen Reihe abgeleitet sind, wie Krebs, Umkehrung und Umkehrung des Krebses. Das gestattet einen in der Zwölftontechnik nirgends zuvor anzutreffenden Reichtum an Verknüpfendem. Komplizierteste kanonische Bildungen ergeben sich aus der Verwendung der Reihe in verschiedenen, untereinander verwandten, zuweilen sich überschneidenden Teilgestalten von selbst: Weberns lebenslanger Hang zur Kanonik verschwistert sich mit dem mikrologischen. Unleugbar schrieb er auch in dieser Phase sehr Bedeutendes, vor allem wo er der lyrischen Idee treu blieb und Texten expressiv folgte; so die drei Lieder op. 23 aus ›Viae inviae‹ von Hildegard Jone. Die Lyrik dieser Autorin liegt allem Vokalen seiner Spätzeit zugrunde; er betrachtete sie als Fortsetzung des alten Goethe; sicherlich überschätzte er sie weit. Auch unter den Instrumentalwerken jener Phase ist vieles authentisch, wie das Sonatenmodell des ersten Satzes aus dem Kammerkonzert op. 24 oder der sublimierte Ländler aus dem Saxophonquartett op. 22. Nach Werken wie den Traklliedern oder dem Streichtrio aber wird man die Empfindung eines Nachlassens kaum los. Die Fülle der ins Material zurückverschobenen Relationen, die nun gewissermaßen unverarbeitet, als ein Stück zweiter Natur, nackt obenaufliegen, scheint auf Kosten der Fülle des eigentlichen Komponierten zu gehen. Harmonisierung und Polyphonie werden dem klanglichen Phänomen nach immer ärmer, auch die rhythmischen Gestalten kahler, unplastischer, monoton fast aus starren Notenwerten gefügt. Wer nicht wüßte, was an Kompositionsvorgängen und Modifikationen in diesen Stücken sich abspielt, schöpfte den Verdacht des Mechanischen; etwa schon in einer Variation der Symphonie, wo vor lauter Reihenbeziehungen schließlich dieselbe Gruppe bloß noch herumgewürfelt wird, oder dann bei dem ebenfalls sonderbar wiederholsamen, auf der Stelle tretenden Anfang des Streichquartetts op. 28. Im ersten Satz der Klaviervariationen op. 27, einer rechteckig geschnittenen dreiteiligen Liedform, terminieren die Reihenwunder im blassen Nachbild eines Brahmsischen Intermezzos. Die Angst, durchs Komponieren den Tönen etwas anzutun, führt zu einem Verlöschen, das dem spannungsgeladenen der früheren Stücke in nichts mehr gleicht: kaum etwas geschieht nun mehr, kaum länger dringen Intentionen durch, sondern der Komponist faltet vor seinen Tönen und ihren Grundrelationen anbetend die Hände. Durch totale Versachlichung droht Weberns Musik die Dimension einzubüßen, in der sie lebte.

Gerade auf das Streichquartett op. 28 hat er die größten Stücke gehalten. Nicht weniger erwartete er davon, als daß es den Bruch der abendländischen Musikentwicklung überbrücke, den von Objektivität und Subjekt, der ihm in den historischen Typen der Fuge und der Sonate kodifiziert dünkte. Webern gegenüber ziemt Geduld. Vermessen wäre es, über das Quartett und die nächstverwandten Klaviervariationen selbstgewiß zu urteilen. Nichts schwieriger in Musik als solche Simplizität: das Urteil darüber, ob sie das letzte Erreichbare sei oder die fatale Wiederkehr eines Vorkünstlerischen. Webern kann trotz allem Recht gehabt haben, das Verständnis kann hinter ihm herhinken. Aber es wäre seiner unwürdig, ignorierte nur seinen emphatischen Anspruch, wenn man verschwiege, daß die letzten Werke gegenüber der Freiheit des Notwendigen in den früheren den Verdacht eines Entfremdeten, eines Fetischismus des Materials erregen, vergleichbar allenfalls dem Spätwerk von Kandinsky und auch von Klee. Was jemand an Klee einmal das Knistern nannte und was von Webern bis zum op. 20 ausging, läßt sich bis heute jedenfalls an den Spätwerken kaum wahrnehmen. Denkbar, daß in ihrer Buchstäblichkeit und Notengläubigkeit, die von den früheren Stenogrammen so sehr absticht, ein naiv Bäurisches in Webern durchschlug; etwas von der Sturheit des Adepten der Naturheilverfahren; daß er der unmäßigen Sublimierung, die sein œuvre von sich verlangt, nicht ganz gewachsen war und, wie ein Zusammenbrechender, auf ein Stadium diesseits des Sublimierungsprozesses regredierte. Sein Spezialistentum, sowohl als unreflektiert handwerkliche Befangenheit in Musik wie auch in der Überforderung seines Ingeniums um eines Einzigen willen, stimmte wohl dazu, daß er als Ganzer mit sich als einem Partikularen nicht Schritt hielt; Primitivität wäre die immanente Rache eines bis zum Differential sich verjüngenden Geistigen, das zuviel abwehrte und draußen ließ, um gegen das andrängende Draußen wahrhaft sich noch behaupten zu können. Mit Ermattung mag er die zeitlose Frühe seiner Vollkommenheit bezahlt haben. Mitspielen dürfte auch die persönliche Isolierung, in die Webern, nach Bergs Tod und dann nach der Okkupation Österreichs durch Hitler, geraten sein muß. Daß er an niemandem mehr produktiv sich rieb, verstärkte gewiß die Verführung mathematisierender Spekulationen, die dem Einsamen das Trugbild kosmischen Wesens vorgaukelten. Ganz zuletzt, in den Orchestervariationen op. 30 und in der Zweiten Kantate, empfand er offenbar aufs neue das Bedürfnis nach Erweiterung. Im kompositorischen Geäder sind die Variationen zwar kaum reicher als die nach op. 21 geschriebenen Stücke, dafür aber vielfältig gebrochen in den Farben. Die Kantate jedoch ist in allen Dimensionen merklich komplexer, ohne Scheu vor vieltöniger Akkordik, melodisch von einer über alle rhythmischen Schemata hinausschwingenden Freiheit, wie sie Webern zuvor nicht kannte; wohl das unmittelbare Vorbild der Melodiebehandlung bei Boulez. Auffällig der bunte Wechsel der Setzweise, von homophon begleiteten Gesängen bis zum Äußersten an Kanonik. Webern hatte seit der Symphonie keine solche Fülle im Simultanen wie in den Kontrasten sich mehr gestattet. Der Durchbruch der Zweiten Kantate kritisiert produktiv, was ihr vorausging.

 

Die Erinnerung an Klee stellt bei Webern nicht umsonst sich ein. Sie hilft, die Idee absoluter Lyrik, die ihn geleitet, zu konkretisieren. Seine Affinität zu dem Maler reicht tiefer als die bloße Analogie zwischen Verfahrensarten, die in der mittleren Periode beider alles Pastose und Voluminöse fahren lassen und bloße Lineatur zurückbehalten. Verwandt sind sie in der Lineatur selber, einem absonderlich Graphischen, einer zugleich bestimmten und rätselvollen Ausdrucksschrift. Ihr Name ist Gekritzel; ihn wählte Kafka bettlerstolz für seine Prosa. Beide auch, Klee und Webern, befahren ein imaginäres Zwischenreich zwischen Farbe und Zeichnung. Beider Gebilde sind getönt, nicht farbig. Nie setzt sich das Kolorit als selbständig, nie behauptet es überhaupt sich nachdrücklich als handfeste Kompositionsschicht, nie auch ist es Klangdessin. Es bannt die Spirits des Gekritzels, wie Kinderzeichnungen vom Glück angefärbten Papiers sich nähren. In dies Zwischenreich emigriert das œuvre beider aus den etablierten Gattungen ihrer Medien. Unlokalisierbar stiften sie einen zerbrechlich jenseitigen, nicht existenten Typus; von Schönbergs Werken hat der ›Pierrot‹ ein solches Niemandsland der Kunst gestreift. In die Konstruktion fällt schon seit den Orchesterstücken op. 6 das Verhältnis der instrumentalen Werte zueinander: es bringt, bei der genauesten sinnlichen Anschauung, ein Übersinnliches, nicht nur Entkörperlichtes sondern fast des leibhaftigen Klangs Lediges hervor. Dabei aber ähnelt Webern auch darin Klee, daß er dem Begriff des Abstrakten sich weigert. Weder entspricht der Expressive dem, was das Wort meint, wenn von abstrakter Malerei die Rede ist, noch dem, was man an einer Musik gern als abstrakt rügt: ganz sinnlich realisiert er die Idee der Entsinnlichung. Das musikalische Minimum Weberns wird bereitet von einem Ausdrucksbedürfnis, das nichts zuläßt, was eigenmächtige Erscheinung wäre anstatt Ausdrucksträger; das wächst dem Ausdruck selbst zu, dem des Verstummens. An ihm haftet schließlich das Verständnis. Der absolute Laut der Seele, mit dem sie ihrer selbst innewird als bloßer Natur, ist seiner Musik Gleichnis für den Augenblick des Todes. Sie stellt ihn vor nach jener Überlieferung, welche die Seele, flüchtig und ephemer, aus dem Körper wie einen Falter entflattern läßt. Sie ist Grablegende. Weberns Ausdruck ist die Obsession mit der Nachahmung des Geräusches eines Körperlosen. Das absolut Vergängliche, der tonlose Flügelschlag gleichsam, wird dieser Musik zum schwächsten, doch beharrlichen Siegel der Hoffnung. Verschwinden, Vergängnis selber, die in nichts Seiendes mehr sich festmacht, ja nicht einmal mehr sich selber vergegenständlicht, wird ihr zur Zuflucht der schutzlos preisgegebenen Ewigkeit. Hat Webern viel geistliche Texte komponiert, so ist sein œuvre geistlich insgesamt wie kaum eines seit Bach, aber zugleich die unbestechliche Absage an etablierte Bindung, an eine geistliche Positivität, die objektiv, nach seiner Innervation, indem sie es sagt, zerstört, was sie sagt und worum es einzig ihm geht. In Zeilen wie der aus dem Marienlied aus op. 12 »Gib auch den Verstorbenen die ewige Ruh'«, der Traklschen »Strahlender Arme Erbarmen umfängt ein brechendes Herz«, den unbeschreiblich komponierten letzten Worten der Gesänge op. 23 »Und, ewig Schlafende, auch euch erwartet Tag« hat sein Bewußtsein danach getastet. Genauer aber denn die Texte dessen, der es nur durch Musik sagte, je zu sagen vermocht hätten: als Beschädigtes sagt es Kafka in dem Prosastück über Odradek, jenes Wesen, nach dem auch Klee ein Bild hätte taufen können: »Natürlich stellt man an ihn keine schwierigen Fragen, sondern behandelt ihn – schon seine Winzigkeit verführt dazu – wie ein Kind. ›Wie heißt du denn?‹ fragt man ihn. ›Odradek‹, sagt er. ›Und wo wohnst du?‹ ›Unbestimmter Wohnsitz‹, sagt er und lacht; es ist aber nur ein Lachen, wie man es ohne Lungen hervorbringen kann. Es klingt etwa so, wie das Rascheln in gefallenen Blättern. Damit ist die Unterhaltung meist zu Ende.«

 
Gesammelte Werke
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