Versuch über Wagner

 

Für Gretel

 

»Pferde sind die

Überlebenden der Helden«

 

 

Der »Versuch über Wagner« wurde von Herbst 1937 bis Frühjahr 1938 in London und New York geschrieben. Er hängt aufs engste zusammen mit Max Horkheimers 1936 erschienener Studie »Egoismus und Freiheitsbewegung: zur Anthropologie des bürgerlichen Zeitalters« und anderen aus dem Institut für Sozialforschung in jenen Jahren hervorgegangenen Arbeiten. Das Ganze erschien, bei Suhrkamp, erstmals 1952.

Vier Kapitel, das erste, sechste und die beiden letzten, waren bereits 1939 in Heft 1–2 der »Zeitschrift für Sozialforschung« publiziert. Der größte Teil der Auflage wurde während der deutschen Okkupation von Frankreich vernichtet; nur ganz wenige Exemplare haben sich erhalten. Den Wortlaut der bereits gedruckten Kapitel glaubte der Autor im Buch kaum antasten zu dürfen. Mit einigen der unveröffentlichten Kapitel verfuhr er etwas freier; er hat auch manches an späterer Einsicht hineingezogen. Dagegen wurde die seitdem erschienene Wagnerliteratur kaum berücksichtigt. Insbesondere der Briefwechsel mit König Ludwig und die beiden letzten Bände der großen Biographie Ernest Newmans bieten neue und wichtige Materialien zur Kenntnis des Wagnerschen Sozialcharakters. Der Autor meint sich berechtigt, sie als Bestätigung des von ihm Entwickelten aufzufassen.

Die Taschenbuchausgabe* korrigiert Druckfehler; sonst bringt sie nur geringfügige Änderungen. Was der Autor während der letzten Jahre zu Wagner formulierte, hätte sich dem Aufbau nicht eingefügt. Der Aufsatz »Zur Partitur des Parsifal« steht in den »Moments musicaux«; der Vortrag »Wagners Aktualität«, den er bei Gelegenheit der Berliner Festwochen im September 1963 hielt, ist noch ungedruckt.

 

Dezember 1963

Der Verfasser

 
Fußnoten

 

* Die Ausgabe, der der vorliegende Text folgt, erschien als »Versuch über Wagner«, München und Zürich: Droemer Knaur 1964 (Knaur-Taschenbücher. 54.) (Anm. d. Hrsg.)

 

I

 

Die erste zu seinen Lebzeiten aufgeführte Oper von Richard Wagner, Das Liebesverbot, verwendet ein Textbuch, dessen Stoff Shakespeares Maß für Maß entnommen ist, mit der Abweichung, daß, nach Wagners eigenen Worten, »der Heuchler durch die sich rächende Liebe allein zur Strafe gezogen«, nicht aber durch die politische Macht demaskiert wird. Als Einundzwanzigjähriger hat der Komponist, so stellt es dem Reifen sich dar, die Shakespearische Komödie im Phantasiehorizont von »Ardinghello« und dem »Jungen Europa« angeschaut. »Der Grundton meiner Auffassung war gegen die puritanische Heuchelei gerichtet und führte somit zur kühnen Verherrlichung der ›freien Sinnlichkeit‹. Das ernste Shakespearische Sujet gab ich mir Mühe durchaus nur in diesem Sinne zu verstehen, ich sah nur den finsteren, sittenstrengen Statthalter, selbst von furchtbarer leidenschaftlicher Liebe zu der schönen Novize entbrennen«, und er wirft sich vor, in der Feuerbachischen Stimmung jener frühen Produktion das Moment der dramatischen »Gerechtigkeit« übersehen zu haben, das allein die Entwicklung der Gegensätze bei Shakespeare gestatte. Dies Werk ist nach der provinziell verunglückten Premiere sogleich und gründlich vergessen worden und auch im Zeitalter von Wagners Ruhm durch philologischen Eifer nicht mehr zu beleben gewesen. Die Gerechtigkeit des folgenden Werkes hat sich der Heuchelei geneigter gezeigt: Rienzi wurde nicht nur Wagners erster großer Erfolg, der ihm Namen und Stellung einbrachte, sondern füllte bis vor kurzem lärmend die Opernhäuser, obwohl die Meyerbeerische Haltung den musikdramatischen Normen Wagners so gründlich widerspricht wie die Novize von Palermo. Die Eingangsszene verherrlicht nicht länger allerdings die freie Sinnlichkeit. Sie denunziert sie. Eine Rotte junger Adeliger ist dabei, einen Anschlag auf die Tugend der sittenreinen Irene zu verüben. Sie ist die blind ergebene Schwester Rienzis, des letzten römischen Tribunen und ersten bürgerlichen Terroristen. Wie es um dessen »Freiheitsbewegung« bestellt ist, hat Wagner quellentreu, doch mit Zustimmung dargestellt: »Freiheit verkünd' ich Romas Söhnen! Doch würdig, ohne Raserei zeig' jeder, daß er Römer sei; willkommen nennet so den Tag: er rächet Euch und Eure Schmach.« Raserei gibt es danach nur als erlaubte: als moralisch sanktionierte Rache. Wenn aber darum der schwankende Repräsentant der Feudalmacht, Adriano Colonna, Rienzi als »blut'gen Freiheitsknecht« apostrophiert, so verkennt er, daß das Rasereiverbot zunächst seiner eigenen Schicht zugute kommt. Rienzi verbeugt sich vor ihm mit den Worten: »ich kannte stets nur nobel dich, du bist kein Gräuel dem Gerechten«, und eine Regiebemerkung Wagners erklärt bewundernd: »die Friedensboten bestehen aus Jünglingen von den besten römischen Familien, sie sind halb antik in weißseidene Gewänder gekleidet, tragen Kränze im Haar und silberne Stäbe in der Hand.« Die besten Familien gehören einer Volksgemeinschaft an: »Nicht zum Verderben deines Standes ersann mein Geist den kühnen Plan, nur das Gesetz will ich erschaffen, dem Volk wie Edle untertan.« In diese Volksgemeinschaft werden die Unterdrückten dem Titel nach aufgenommen: »Nun denn, Rom mach' ich groß und frei, aus seinem Schlaf weck' ich es auf, und jeden, den im Staub du siehst, mach' ich zum freien Bürger Roms.« Gibt der »Friedensheld« den Feudalen zu verstehen, daß er ihnen nichts Ernsthaftes antun wolle, so beschränkt er dafür die Ansprüche der Unterdrückten auf deren bloßes Bewußtsein: »... zu helfen dem, der niedrig denkt, zu heben, was im Staub versenkt, du wandeltest des Volkes Schmach zu Hoheit, Glanz und Majestät ...« Kurz, die römische Erhebung wendet sich gegen den libertinen Lebensstil, nicht gegen die feindliche Klasse, und mit folgerechter Naivetät wird die tönende Staatsaktion durch die privaten Familienkonflikte Adrianos in Bewegung gebracht. Der Revolutionär Rienzi will von Anbeginn integrieren: wenn er die widerstreitenden Parteiparolen »für Colonna – für Orsini!« vernimmt, so ruft er dem, Prophet der totalitären Ideologie, »für Rom« entgegen. Als erster Diener des großen Ganzen verzichtet der Diktator Rienzi auf den Titel König, so wie nachmals Lohengrin auf die Herzogswürde. Dafür nimmt er freilich Vorschußlorbeeren so gern entgegen, wie er selber sie spendet. Eine Regiebemerkung beschreibt, abermals im Sinne der Kategorien von Egoismus und Freiheitsbewegung1: »Rienzi tritt auf, er erscheint als Tribun in phantastische und pomphafte Gewänder gekleidet.« Fast dämmert ein kritisches Bewußtsein von der wahren Art des Helden als Selbstbesinnung noch im historischen Spektakelstück. Eigenlob und Pomp – Züge der gesamten Wagnerschen Produktion und Existentialien des Faschismus – entspringen der Ahnung von der Unbeständigkeit des bürgerlichen Terrors, von der Todgeweihtheit des Heroismus, der sich selbst proklamiert. Seinen Nachruhm sucht bei Lebzeiten, wer daran zweifelt, daß ihn überlebt, was er geschaffen hat, und in festlichen Aufzügen zelebriert er die eigene Totenfeier. Tod und Vernichtung stehen hinter der Wagnerschen Freiheitskulisse bereit: die historischen Trümmer des Kapitols, die den kostümierten Friedenshelden begraben, sind die Modelle der metaphysischen, die über den entmächtigten Göttern und der schuldhaften Welt des Ringes zusammenschlagen.

Wenn Wagner sich selbst später dahin auslegte, es habe die »Ausgleichung beider Richtungen« seiner Frühzeit, nämlich der entfesselten Sexualität und des asketischen Ideals, »das Werk seines weiteren künstlerischen Entwicklungsgangs« ausgemacht, so geschieht dieser Ausgleich im Namen des Todes. Lust und Tod werden eines: wie Brünnhilde am Ende des dritten Aktes Siegfried dem Geliebten zum »lachenden Tod« sich preisgibt, da sie zum Leben zu erwachen meint, so erfährt Isolde ihren leibhaften Tod als »höchste Lust«. Selbst wo der Gegensatz von Sexualität und Askese unmittelbar thematisch ist, im Tannhäuser, nimmt er die Form solcher Verschränkung im Tode an. Der Impuls gegen die »puritanische Heuchelei« ist noch wach genug. Die Ritter, die den abtrünnigen Tannhäuser gegen seinen Willen in den Kreis ihrer Sitte zurückgezogen haben, wollen aus entrüsteter Tugend diesen erschlagen, weil er »zur äußersten Linken« erfahren hat, was ihre mittlere Oberwelt ihnen zu erfahren verbietet, und die Menge spendet ihnen dazu den »tobenden Beifall« der Rienzi-Volksgemeinschaft, ohne daß diesmal das Werk damit einig ginge. Die heilige Elisabeth ist in gewissem Sinne mit dem trotzigen Hedoniker solidarisch. Das bewährt sie, indem sie gegen die Ordnung stirbt, vor der sie ihn beschützt. Askese und Rebellion verbinden sich wider die Norm. Ritterschaft, Meisterzunft und alle Gestalten der Mitte haben fortan bei Wagner keinen guten Stand: der urzeitliche Ehemann Hunding wird ohne viel Umstände in die Hölle geschickt. Gerade die verächtliche Handbewegung Wotans jedoch, die Hunding gehen heißt, ist wiederum eine terroristische Geste. Solche Diffamierung des Bürgers, der doch in den Meistersingern rasch genug fröhliche Urständ feiert, dient demselben Zweck wie im totalitären Zeitalter. Nicht soll ein veränderter Begriff des Menschen an seine Stelle treten. Es soll von den Verpflichtungen dispensiert werden, die an der Mitte haften. Die Kleinen werden gehängt, die Großen läßt Wagner laufen. So geht es jedenfalls im Ring zu. Wohl scheint Wotan die Rebellion zu verteidigen, aber es geschieht um seines imperialistischen Weltplans willen und in den Kategorien von Handlungsfreiheit: »durch Vertrages Treue-Runen band er dich Bösen mir nicht« und Vertragsbruch: »denn wo kühn Kräfte sich regen, da rath' ich offen zum Krieg«. Seinen aufwieglerischen Schützling läßt der souveräne Gott im Stich und weiß den weltpolitischen Widersprüchen sich nicht anders zu entziehen, als indem er schroff die Diskussion mit der Ratgeberin abbricht und diese grimmig bestraft, als sie seinen ursprünglichen Plan ausführt, um sich am Ende väterlich sentimental von ihr zu verabschieden.

Wagner verlieh, nach Angabe Newmans, seinem Abscheu über die eigene Photographie aus der ersten Pariser Zeit Ausdruck mit dem Satz: »It made me look like a sentimental Marat.«2 Sentimental reflektiert die Tugend den Schrecken, den sie verbreitet. Diese Sentimentalität hat in Wagners Physiognomie einen verhängnisvollen Zug angenommem: den des Mitleid Heischenden. Nicht umsonst ist er, im Gegensatz zu den Pfarrersund Beamtensöhnen der Generation vor ihm, aus einer in Deutschland neuen Bohème dilettierender Halbkünstler hervorgegangen; nicht umsonst ist die Periode seines Aufstiegs jene ökonomisch prekäre, da die Opernproduktion ihre höfische Sekurität nicht mehr und ihren bürgerlichen Rechtsschutz, die geregelten Tantiemeneinnahmen, noch nicht besaß3. In einer Berufswelt, in der ein erfolgreicher Autor wie Lortzing Hungers starb, hat Wagner die Fähigkeit virtuos ausbilden müssen, bürgerliche Ziele zu erreichen durch Preisgabe der eigenen bürgerlichen Würde. Wenige Wochen bereits, nachdem er aus Dresden wegen seiner exponierten Teilnahme am Bakunin-Aufstand geflohen war, bat er Liszt brieflich, ihm von der Großherzogin von Weimar, dem Herzog von Coburg und der Prinzessin von Preußen ein Gehalt zu erwirken4. So wenig Entrüstung über Wagners Charakterlosigkeit ansteht, so tief führt diese in das Werk. Dort wird sie von Siegmund repräsentiert. Er appelliert als friedlos Umirrender ans Mitleid und wendet dieses zum Mittel, Frau und Waffe zu gewinnen. Dabei bedient er sich moralistischer Wendungen: er gibt an, daß er für verfolgte Unschuld, unterdrückte Liebe focht; ein Revolutionär, der den verachteten Bürgern der Mitte konziliant von seinen vergangenen Großtaten erzählt. Entscheidend daran ist nicht das komödiantisch Verlogene der Geste. Nicht daß er sie betrügt, ist sein Vergehen, sondern daß er durch den Appell ans Mitleid die Herrschenden anerkennt und mit ihnen sich identifiziert. Hemmungslosigkeit im Betteln könnte besondere Unabhängigkeit von bürgerlichen Normen suggerieren. Sie hat aber den entgegengesetzten Sinn. Die Macht der Ordnung über den Protestierenden ist ihm bereits so groß, daß es nicht einmal zur wahrhaften Isolierung, nicht einmal zu Widerständen gegen das Ganze mehr kommt: wie es denn auch der Wagnerschen Harmonik, die vom Leitton gleitet, von der Dominante in die Tonika sinkt, an Widerstand gebricht. Es ist die Haltung des schmeichelnden Muttersöhnchens, das sich und anderen einredet, die guten Eltern könnten ihm nichts abschlagen, eben damit sie es nicht tun. Die Erschütterung der ersten Emigrationswochen hat Wagner dicht ans Bewußtsein davon geführt. Am 5. Juni 1849 schreibt der Sechsunddreißigjährige, der den Lohengrin hinter sich hat und schon am Ring arbeitet, an Liszt: »wie ein recht verzogenes Kind der Heimath rufe ich aus: ach, säße ich daheim in einem kleinen Hause am Walde, und dürfte dem Teufel seine große Welt lassen, die ich im besten Falle gar nicht einmal erobern möchte, da mich ihr Besitz noch mehr anekeln würde als ihr bloßer Anblick es schon thut!«5, und im gleichen Brief: »oft blöke ich wie ein Kalb nach dem Stalle und nach dem Euter der nährenden Mutter ... Bei allem Muthe bin ich oft die erbärmlichste Memme! Trotz Deiner großherzigen Anerbietungen sehe ich oft mit einer wahren Todesangst auf das Schmelzen meiner Baarschaft«6. Die Macht des Bürgertums über Wagner ist so vollkommen, daß er als Bürger die Anforderungen der bürgerlichen Anständigkeit nicht mehr erfüllen kann. Durch den Appell ans Mitleid wird der Interessenantagonismus scheinhaft derart aufgehoben, daß der Unterdrückte seine Sache zu der des Unterdrückers macht: schon in den offiziell revolutionären Schriften Wagners spielt der König seine positive Rolle. Der Bettler Wagner vergeht sich gegen die Tabus der bürgerlichen Arbeitsmoral, aber sein Segen frommt den Verfügenden zum Heile. Es indiziert sich bei ihm früh der Funktionswechsel der bürgerlichen Kategorie des Individuums. Seiner Vernichtung im hoffnungslosen Konflikt mit der gesellschaftlichen Instanz sucht es zu entgehen, indem es sich auf deren Seite schlägt und gerade jenen Übergang als die eigentlich individuelle Entwicklung rationalisiert. Der ohnmächtig Bittende wird zum tragischen Lobredner. In einer späteren historischen Phase sind diese Züge zu größter Bedeutung gelangt, als Gewaltherrscher in schwierigen Situationen mit Selbstmord drohten, öffentliche Weinkrämpfe erlitten und ihrer Stimme heulenden Klang verliehen. Eben die Fäulnisstellen des bürgerlichen Charakters, im Sinne von dessen eigener Moral, sind Vorformen von dessen Wandlung im totalitären Zeitalter.

Noch der späte Wagner zeigt die Konfiguration von Neid, Sentimentalität und Zerstörungsdrang. Der Parteigänger Glasenapp berichtet aus der letzten venezianischen Zeit, er habe »bei Betrachtung der zahlreichen geschlossenen unbekannten Paläste« ausgerufen: »Das ist Eigentum! der Grund alles Verderbens! Proudhon hat die Sache noch viel zu materiell von der äußeren Seite her aufgefaßt; denn die Rücksicht auf den Besitz bedinge bei weitem die meisten Eheschließungen, und dadurch die Degeneration der Rassen.«7 Hier ist das ganze Instrumentarium beisammen: die Einsicht in die Sinnlosigkeit der herrschenden Eigentumsverhältnisse, verkehrt in Wut über die Genußsucht, entpolitisiert durch die Gebärde des »viel zu äußerlich«, vernebelt durch Substitution biologischer für gesellschaftliche Begriffe. Die Person Wagner nimmt in der Bayreuther Epoche diktatoriales Gebaren an. Dafür steht abermals der unverdächtige Glasenapp ein: »Noch ein fernerer Zug wurde uns hervorgehoben, der allerdings nicht erst bloß für diese letzte Lebenszeit seine Geltung hatte. Man habe nichts vor ihm verbergen können; er habe immer alles gewußt. Wenn Frau Wagner ihn mit irgend etwas überraschen wollte, so habe er in der Nacht davon geträumt und es ihr am Morgen gesagt.« Dafür hat der Volksmund den Ausdruck: in die Suppe spucken. Glasenapp fährt fort: »Fremden gegenüber geschah dies Durchschauen oft in völlig dämonischer Weise: er erkannte die schwachen Seiten seines jedesmaligen Gegenüber mit durchdringender Schärfe des Blickes, und so geschah es, daß er, ohne jemand damit kränken zu wollen, gerade die wundesten Punkte desselben berührte.«8 Dieser Neigung ist Wagner insbesondere seinem jüdischen Parsifal-Dirigenten gegenüber gefolgt. Die Freundschaft mit Hermann Levi wird von liberal begeisterten Schriftstellern gern dazu benutzt, den Wagnerschen Antisemitismus als harmlos hinzustellen. Glasenapps Chronik, in der Absicht geschrieben, Wagners Menschenfreundlichkeit und Weitherzigkeit ins Licht zu rücken, erteilt darauf ungewollt Bescheid. Levi verspätete sich danach zum Mittagessen in Wahnfried am 18. Juni 1881 um zehn Minuten. Wagner wies ihn mit den Worten: »Sie kommen zehn Minuten zu spät: Unpünktlichkeit kommt gleich nach Untreue«, zurecht und gab ihm dann noch vor Tisch einen anonymen Brief aus München zu lesen, in welchem Wagner beschworen wurde, den Parsifal nicht von einem Juden dirigieren zu lassen. Bei Tisch verhielt Levi sich schweigend; auf Wagners Frage, warum er so still sei, entgegnete er, seinem eigenen Bericht zufolge, daß er nicht begriffe, warum Wagner den Brief nicht einfach zerrissen hätte. Die ebenfalls von Levi referierte Antwort Wagners lautete: »Das will ich Ihnen sagen, ... hätte ich den Brief niemandem gezeigt, ihn vernichtet, so wäre vielleicht etwas von seinem Inhalt in mir haften geblieben, so aber kann ich Sie versichern, daß auch nicht die leiseste Erinnerung an ihn mir bleiben wird.« Ohne Abschied zu nehmen, fuhr Levi nach Bamberg und bat von dort Wagner dringend, ihn der Direktion des Parsifal zu entheben. Wagner depeschierte zurück: »Freund, Sie sind auf das ernstlichste ersucht, schnell zu uns zurückzukehren; es ist die Hauptsache schön in sichere Ordnung zu bringen.« Levi insistierte auf der Demission und empfing darauf ein Schreiben, das die Sätze enthält: »Lieber bester Freund! Alle Ihre Empfindungen in Ehren, so machen Sie doch sich und uns nichts leicht! Gerade daß Sie so düster in sich blicken, ist es, was uns im Verkehr mit Ihnen etwa beklemmen könnte! Wir sind ganz einstimmig, aller Welt diese Sche ... zu erzählen, und dazu gehört, daß Sie nicht von uns fortlaufen, und vollends Unsinn vermuten lassen. Um Gotteswillen, kehren Sie sogleich um und lernen Sie uns endlich ordentlich kennen! Verlieren Sie nichts von Ihrem Glauben, aber gewinnen Sie auch einen starken Mut dazu! – Vielleicht – gibt's eine große Wendung für Ihr Leben – für alle Fälle aber – sind Sie mein Parsifal-Dirigent.«9 Sadistischer Demütigungsdrang, sentimentale Versöhnlichkeit und über allem der Wille, den Mißhandelten affektiv an sich zu binden, treten in der Kasuistik von Wagners Verhalten zusammen: dämonisch jedenfalls in anderem Sinne als dem von Glasenapp vermeinten. Jedem versöhnenden Wort ist der kränkende Stachel aufs neue beigesellt. Es ist jene Art von Dämonie, deren Wagner selber gedenkt, wenn er in der Autobiographie die Szene berichtet, da er, selber übrigens nicht voll immatrikuliert, mit einer Horde von Studenten an der Plünderung zweier Leipziger Bordelle teilnahm, ohne noch in der späten Rechenschaft die moralistische Hülle ganz abzuwerfen, die jene Säuberungsaktion gedeckt hatte: »Ich glaube nicht, daß die vorgebliche Veranlassung zu diesem Exceß, welche allerdings in einem das Sittlichkeitsgefühl stark verletzenden Vorfalle lag, hierbei auf mich Einfluß übte; vielmehr war es das rein Dämonische solcher Volkswuthanfälle, das mich wie einen Tollen in seinen Strudel mit hineinzog.«10

Wenn Wagner als Opfer Mitleid heischt und dabei zu den Herrschenden überläuft, so ist er geneigt, die anderen Opfer zu verhöhnen. Sein Katz-und-Maus-Spiel mit Levi hat sein Äquivalent im Werk: Wotan wettet mit Mime um dessen Kopf ohne Mimes Zutun und gegen seinen Willen: der Zwerg ist dem Gott ausgeliefert wie der Gast dem Wirt von Wahnfried. Davon hängt nicht weniger ab als die Konstruktion der gesamten Siegfriedhandlung, da Mime nach Siegfrieds Tode trachtet allein, weil Wotan Mimes in der aufgezwungenen Wette verlorenes Haupt an Siegfried verpfändet hat. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: das gilt bei Wagner vorab für die Untermenschen. Alberich, der sich den »Kopf kratzt«, wird von den Naturwesen, die er begehrt, als »schwarzes, schwieliges Schwefelgezwerg« geschmäht. In Nebelheim lachen Wotan und Loge über Mimes Schmerzen. Siegfried quält den Zwerg, weil er ihn »nicht leiden kann«, ohne daß die Aura des Hehren und Edlen ihn verhinderte, an der Ohnmacht die Lust zu büßen. Der Spott über die alte Jungfer Lene ist das Reversbild des Kultus der Reinheit. Ein Opfer ist auch Beckmesser: um bürgerliche Ehre und die reiche Braut zu gewinnen, muß er sich auf die Maskerade der Unbürgerlichkeit, den feudalen Mummenschanz von Ständchen und Preisgesang einlassen, dessen Bild die Bürger so dringend benötigen, wie sie bereit sind, es hämisch zu zerstören. Klingsor, der Alberich des christlichen Kosmos, wird von Kundry mit der Frage: »Bist du keusch?« verlacht, und in seiner Verachtung sind die Gralsritter mit der Höllenrose einig: »an sich legt' er die Frevlerhand, die nun dem Grale zugewandt, verachtungsvoll dess' Hüter von sich stieß«. Titurel verfährt mit dem Büßer, der sich selbst entmannte, nicht anders als der Papst mit Tannhäuser. Aber es gibt beim reifen Wagner keine Instanz mehr, die dessen Spruch aufhöbe.

An ihre Stelle ist der Wagnersche Humor getreten. Seine Bösewichter werden humoristische Figuren als Opfer von Denunziation: die mißratenen Zwerge Alberich und Mime, der geschundene Hagestolz Beckmesser. Wagners Humor springt grausam um. Er zitiert den halb vergessenen des frühen Bürgertums, der einmal das Erbe der Teufelsfratzen antrat, zweideutig zwischen Mitleid und Verdammnis festgebannt. Malvolio und Shylock sind seine szenischen Vorbilder. Nicht bloß wird der arme Teufel verspottet; im Rausch, den das Lachen über ihn entfacht, geht das Gedächtnis an das Unrecht unter, das ihm widerfuhr. Die Suspension des Rechts im Lachen wird erniedrigt zur Sanktionierung des Unrechts. Wenn Wotan die Riesen betrügt, denen im Vertrag Freia versprochen war, so geschieht es mit dem Hinweis auf Scherz: »Wie schlau für Ernst du achtest, was wir zum Scherz nur beschlossen!« Daß es bloßes Spiel sei, hilft stets zur Rationalisierung des Schlimmsten. Auf sie spricht Wagner in den Märchen der deutschen Überlieferung an. Keines steht im näher als das vom Juden im Dorn. »Wie er nun mitten in den Dornen steckte, plagte der Mutwille den guten Knecht, daß er seine Fiedel abnahm und anfing zu geigen. Gleich fing auch der Jude an, die Beine zu heben und in die Höhe zu springen; und je mehr der Knecht strich, desto besser ging der Tanz.« So verfährt Wagners Musik als guter Knecht mit seinen Bösewichtern, und die Komik ihrer Qual gibt nicht bloß dem Lust, der sie verhängt, sondern erstickt auch die Frage nach dem Warum und proklamiert den stummen Vollzug als gebietende Instanz. Diese Komplexion des Wagnerschen Humors hat im persönlichen Umgang Liszt und Nietzsche abgestoßen. Dafür gibt es sein eigenes Zeugnis: »Wagner sagte zur Schwester Nietzsches: ›Ihr Bruder ist gerade wie Liszt, der mag meine Witze auch nicht‹.«11 Als Wagner in einer berüchtigten Szene gegen Nietzsche in Wut ausbrach und Nietzsche schwieg, äußerte Wagner, jener habe ein so feines Benehmen, er werde es gewiß noch weit bringen in der Welt; ihm, Wagner, habe es daran sein Leben lang gemangelt. Der Witz setzt widerspruchslos den ins Unrecht, über den er ergeht, diffamiert die Zartheit als Streberei und verklärt die Roheit als genialische Ursprünglichkeit. Daran aber nicht genug. Das dunkelste Geheimnis des Wagnerschen Humors ist, daß er wie gegen die Opfer so gegen sich selber sich kehrt. Für die zu frühe Suspension des Rechts durch Lachen wird teuer gezahlt: die Uhr schlägt, und die lachende Fratze bleibt stehen. Es ist nicht der heilsame Zynismus dessen, der das Gedächtnis an die verstörte Schöpfung wieder aufruft, indem er den Menschen an seine Tierähnlichkeit jäh gemahnt, sondern der verderbliche, dem die Einheit der Natur darin besteht, daß alles, Mensch und Tier, Opfer und Richter, seinen Untergang wert ist, und der den Untergang des Opfers bleckend legitimiert durch die moralische Vernichtung seiner selbst. Hildebrandt, der der Georgeschen Schule das Mißtrauen gegen den Humor verdankt, hat in Wagners Zynismus der Selbstdenunziation den eigentlichen Grund des Konflikts mit Nietzsche gesehen: »Doch war es damals ein Ausspruch Wagners, der Nietzsche schwer traf. Als nämlich einmal« – während der letzten gemeinsamen Zeit von Wagner und Nietzsche, in Sorrent – »die Rede auf den schwachen Besuch der Bayreuther Spiele gekommen war, hatte Wagner, wie Nietzsches Schwester berichtet, ärgerlich bemerkt: die Deutschen wollen jetzt nichts von heidnischen Göttern und Helden hören, die wollen was Christliches sehen.«12 So wichtig wie die Frage, ob in der Tat die Ausführung des Parsifal mit dem ökonomischen Erfolgsinteresse des Bayreuther Gründers zusammenhing, ist dabei die Geste der Selbstpreisgabe: der schamlos bettelt, ist auch willens, sich des Betruges zu zeihen, und spielt damit Nietzsche die tödliche Waffe fast willentlich in die Hand. Der Autor des Parsifal bekennt sich als Klingsor, und die Parole Erlösung dem Erlöser hat ihren bösen Hintersinn. Freilich bleibt die Frage offen, ob Nietzsche und vollends dessen Georgesche Nachfolge solchen Sieges recht froh werden sollten. Indem Wagner das Glück seines eigenen Traumes verrät – und stets lauert das Werk auf Verrat –, gibt er sekundenweise den Blick auf das Unglück der Welt preis, die jenen Traum braucht: »die wollen was Christliches sehen«.

Der Widerspruch zwischen der Verhöhnung des Opfers und der Selbstdenunziation definiert den Wagnerschen Antisemitismus. Der Gold raffende, unsichtbar-anonyme, ausbeutende Alberich, der achselzuckende, geschwätzige, von Selbstlob und Tücke überfließende Mime, der impotente intellektuelle Kritiker Hanslick-Beckmesser, all die Zurückgewiesenen in Wagners Werk sind Judenkarikaturen. Wie sie den ältesten deutschen Judenhaß aufrühren, so scheint zuweilen die Romantik der Meistersinger im Klang Schmähverse vorwegzunehmen, die erst sechzig Jahre später auf den Straßen gellten: »Edler Täufer, Christs Vorläufer, nimm uns freundlich an, dort am Fluß Jordan.« Wagner hat die antisemitische Gesinnung mit anderen Vertretern des von Marx so genannten deutschen Sozialismus um 1848 gemein. Aber sein Antisemitismus bekennt sich als individuelle Idiosynkrasie, die verstockt aller Verhandlung sich entzieht. Sie stiftet den Wagnerschen Humor. Aversion und Gelächter treten wortfeindlich zusammen. Siegfried sagt zu Mime: »seh' ich dich steh'n, gangeln und geh'n, knicken und nicken, mit den Augen zwicken: beim Genick' möcht' ich den Nicker packen, den Garaus geben dem garst'gen Zwicker!« und kurz danach: »Ich kann dich ja nicht leiden, vergiß das nicht so leicht!« Daran klingt die Beschreibung der jüdischen Sprache im Aufsatz über das Judentum an, die keinen Zweifel läßt, aus welchen Quellen die Unwesen Mime und Alberich geschöpft sind: »Als durchaus fremdartig und unangenehm fällt unserem Ohre zunächst ein zischender, schrillender, summsender und murksender Lautausdruck der jüdischen Sprechweise auf: eine unserer nationalen Sprache gänzlich uneigenthümliche Verwendung und willkürliche Verdrehung der Worte und der Phrasenkonstruktionen giebt diesem Lautausdrucke vollends noch den Charakter eines unerträglich verwirrten Geplappers, bei dessen Anhörung unsere Aufmerksamkeit unwillkürlich mehr bei diesem widerlichen Wie, als bei dem darin enthaltenen Was der jüdischen Rede verweilt«13, die damit als Rede niedergeschlagen wird. Für diesen idiosynkratischen Haß gilt aber Benjamins Definition des Ekels als der Angst, vom ekelhaften Objekt als dessengleichen erkannt zu werden. Newman legt besonderes Gewicht auf die später unterdrückte Beschreibung Mimes in der Urfassung des Siegfried: »Mime, the Nibelung, alone. He is small and bent, somewhat deformed and hobbling. His head is abnormally large, his face is a dark ashen colour and wrinkled, his eyes small and piercing, with red rims, his grey beard long and scrubby, his head bald and covered with a red cap ... There must be nothing approaching caricature in all this: his aspect, when he is quiet, must be simply eerie: it is only in moments of extreme excitement that he becomes exteriorily ludicrous, but never too uncouth. His voice is husky and harsh; but this again ought of itself never to provoke the listener to laughter.«14 Die Angst Wagners vor der Karikatur, die doch um des Kontrastes zum seriösen Unterweltsgott Alberich willen dramaturgisch sich empfohlen hätte, weist ebenso wie die Unterdrückung dieser Regieanweisung darauf hin, daß Wagner in der Figurine des Mime seiner selbst mit Schrecken inneward. Seine eigene physische Erscheinung, unverhältnismäßig klein, mit zu großem Kopf und vorspringendem Kinn, hat das Abnorme gestreift und ist erst durch den Ruhm vorm Lachen geschützt gewesen. Seine hemmungslose Suada, die seiner ersten Frau auffiel, ließe aus den Prosaschriften selbst dann sich rekonstruieren, wenn sie nicht ebenso tradiert wäre wie die überlebhafte Gestik. Er verfolgt die Opfer bis zur biologischen Fatalität hinab, weil er sich selber als einen erfuhr, der dem Bild des Zwergen knapp entronnen war. Daß aber alle Gerüchte über Wagners eigene jüdische Deszendenz nach Newmans Beweisführung auf den gleichen Nietzsche zurückdatieren, der dem Wagnerschen Antisemitismus den Weg vertrat, erklärt sich eben damit. Nietzsche kannte das Geheimnis der Wagnerschen Idiosynkrasie und brach dessen Bann, indem er es aussprach. Die Schicht des Idiosynkratischen als des Allerindividuellsten jedoch ist bei Wagner zugleich die des gesellschaftlich Allgemeinsten. Die Undurchsichtigkeit des blinden Nicht-leiden-Könnens gründet in der Undurchsichtigkeit des gesellschaftlichen Prozesses. Dieser hat dem Geächteten die Male aufgeprägt, vor denen der Ekel sich abwendet. Gesellschaftliche Zusammenhänge erscheinen danach dem, der zu den wahren Schuldigen überläuft, als Werk geheimnisvoller Verschwörungen. Zum Ekel vorm Juden gehört dessen Imagination als Weltmacht. In dem Aufsatz »Aufklärung über das Judentum in der Musik« hat Wagner alle Widerstände gegen sein Werk auf erfundene jüdische Konspirationen zurückgeführt; während er von dem angeblich Hauptschuldigen in jenen Intrigen, Meyerbeer, so lange aktiv gefördert worden war, bis er ihn selber öffentlich attackierte. Zwischen Idiosynkrasie und Verschwörungswahn knüpft sich die Rassentheorie. Der Bürger Wagner hat sie nicht erst von dem depossedierten Feudalen Gobineau zu lernen brauchen, mit dem er im Alter befreundet war. Schon im Siegfried heißt es: »Alles ist nach seiner Art: an ihr wirst du nichts ändern. Ich laß' dir die Stätte, stelle dich fest: versuch's mit Mime, dem Bruder, der Art ja versieh'st du dich besser. Was anders ist, – das lerne nun auch!« Dem gehorcht die Ringdichtung: Alberich raubt den Ring und flucht der Liebe, weil die Rheintöchter ihm sich nicht geben: die Dialektik von Trieb und Herrschaft ist auf eine Differenz der »Art« anstatt auf die gesellschaftliche Bewegung reduziert. Der absolute Unterschied der Arten wird im Ring zum Grund der Lebensnot, wie sehr auch diese als geschichtliche sich entfalten mag. Bilden im gesellschaftlichen Lebensprozeß die »versteinerten Verhältnisse« eine zweite Natur, so schaut Wagner fasziniert diese als erste an. Sein Antisemitismus spricht sich von Anbeginn – 1850 – in Naturkategorien: denen der Unmittelbarkeit und des Volkes aus und bringt dieses bereits in Gegensatz zum »Liberalismus«: »Als wir für Emanzipation der Juden stritten, waren wir aber doch eigentlich mehr Kämpfer für ein abstraktes Prinzip, als für den konkreten Fall: wie all' unser Liberalismus ein nicht sehr hellsehendes Geistesspiel war, indem wir für die Freiheit des Volkes uns ergingen, ohne Kenntniß dieses Volkes, ja mit Abneigung gegen jede wirkliche Berührung mit ihm, so entsprang auch unser Eifer für die Gleichberechtigung der Juden viel mehr aus der Anregung eines allgemeinen Gedankens, als aus einer realen Sympathie; denn bei allem Reden und Schreiben für Judenemanzipation fühlten wir uns bei wirklicher, thätiger Berührung mit Juden von diesen stets unwillkürlich abgestoßen.«15 Der Wagnersche Antisemitismus versammelt alle Ingredienzien des späteren in sich. Der Haß führt so weit, daß die Nachricht vom Tode von vierhundert Juden beim Wiener Ringtheaterbrand, Glasenapp zufolge, ihn zu Witzen inspirierte16. Selbst den Gedanken von der Vernichtung der Juden hat er bereits konzipiert. Von seinen ideologischen Nachfahren unterscheidet er sich dabei nur, indem er die Vernichtung der Rettung gleichsetzt. So enthält der Schlußpassus des Aufsatzes über das Judentum, wie immer zweideutig, Sätze, die an eine andere Abhandlung zur Judenfrage anklingen: »Noch einen Juden haben wir zu nennen, der unter uns als Schriftsteller auftrat. Aus seiner Sonderstellung als Jude trat er Erlösung suchend unter uns: er fand sie nicht, und mußte sich bewußt werden, daß er sie nur mit auch unserer Erlösung zu wahrhaften Menschen finden können würde. Gemeinschaftlich mit uns Mensch werden, heißt für den Juden aber zu allernächst so viel als: aufhören, Jude zu sein. Börne hatte dieß erfüllt. Aber gerade Börne lehrt auch, wie diese Erlösung nicht in Behagen und gleichgiltig kalter Bequemlichkeit erreicht werden kann, sondern daß sie, wie uns, Schweiß, Noth, Ängste und Fülle des Leidens und Schmerzens kostet. Nehmt rücksichtslos an diesem, durch Selbstvernichtung wiedergebärenden Erlösungswerke theil, so sind wir einig und ununterschieden! Aber bedenkt, daß nur Eines eure Erlösung von dem auf euch lastenden Fluche sein kann: die Erlösung Ahasver's, – der Untergang!«17 Ungeschieden liegen darin beisammen der Marxsche Gedanke von der gesellschaftlichen Emanzipation der Juden als der Emanzipation der Gesellschaft vom Profitmotiv, für das sie symbolisch einstehen, und der von der Vernichtung der Juden selber. Gerade der letztere jedoch hat bei Wagner seine Grenze nicht an dem verhaßten Volke: »Wenn unsere Kultur zugrunde geht, ist es gar kein Schaden; wenn sie aber durch die Juden zugrunde geht, ist es eine Schmach.«18 Die Verfassung des Daseins, die da den Juden den Untergang wünscht, weiß, daß sie selber nicht zu retten ist. Den eigenen Untergang deutet sie als den der Welt und die Juden als dessen Vollstrecker. Der bürgerliche Nihilismus ist auf seiner Höhe zugleich der Wunsch zur Annihilierung des Bürgers. Im finsteren Bannkreis von Wagners Reaktion sind die Lettern eingezeichnet, die sein Werk seinem Charakter abtrotzte.

 

II

 

Es lohnte den Versuch, die Haufen von Abfall, Schutt und Unrat zu betrachten, auf denen die Werke bedeutender Künstler sich zu erheben scheinen, und denen sie, knapp Entrinnende, etwas von ihrem Habitus doch verdanken. Zu Schubert gehört der Wirtshausspieler, zu Chopin der schwer dingfest zu machende Typus des »Salons«, zu Schumann der Öldruck, zu Brahms der Musikprofessor: in der dichtesten Nachbarschaft der Parodie hat ihre Produktivkraft sich behauptet, und ihre Größe liegt in dem kleinen Abstand, den sie von jenen Modellen halten, aus denen ihnen zugleich kollektive Energien zuwachsen. Ein Modell solcher Art ist für Wagner nicht ebenso leicht zu finden. Aber der Chor der Entrüstung, der Thomas Mann antwortete, als er im Zusammenhang mit Wagners Namen den des Dilettanten nannte, zeigt an, daß er einen Nervenpunkt traf. »Sein Verhältnis zu den Einzelkünsten, aus denen er sein ›Gesamtkunstwerk‹ schuf, ist des Nachdenkens wert; es liegt etwas eigentümlich Dilettantisches darin, wie denn Nietzsche in seiner wagnerfrommen ›Vierten Unzeitgemäßen Betrachtung‹ über Wagners Kindheit und Jugend sagt: ›Seine Jugend ist die eines vielseitigen Dilettanten, aus dem nichts Rechtes werden will. Ihn schränkte keine strenge erb- und familienhafte Kunstübung ein. Die Malerei, die Dichtkunst, die Schauspielerei, die Musik kamen ihm so nahe als die gelehrtenhafte Erziehung und Zukunft; wer oberflächlich hinblickte, möchte meinen, er sei zum Dilettantisieren geboren.‹ – Tatsächlich und nicht nur oberflächlich, sondern mit Leidenschaft und Bewunderung hingeblickt, kann man sagen, auf die Gefahr hin, mißverstanden zu werden, daß Wagners Kunst ein mit höchster Willenskraft und Intelligenz monumentalisierter und ins Geniehafte getriebener Dilettantismus ist. Die Vereinigungsidee der Künste selbst hat etwas Dilettantisches und wäre ohne die mit höchster Kraft vollzogene Unterwerfung ihrer aller unter sein ungeheures Ausdrucksgenie im Dilettantischen steckengeblieben. Es ist etwas Zweifelhaftes um seine Beziehung zu den Künsten; so unsinnig es klingt, haftet ihr etwas Amusisches an.«1 Grobe Ungeschicklichkeiten im Satz und in der Akkordverbindung werden tatsächlich erst seit dem Lohengrin getilgt; Fehlleistungen der Modulatorik, des harmonischen Gleichgewichts lassen noch in den Meistersingern sich beobachten. Nicht nur fiel es Wagner schwer, den Standard des »guten Musikers« zu erreichen – die urbildlichen Zellen seines Werkes entraten der primären Beziehung zu ihrem Material. Leubald und die Feen, Liebesverbot und Rienzi sind vom Schlage jener Stücke, von denen Gymnasiasten in Wachstuchhefte den Titel, das Personenverzeichnis und die Überschrift »Erster Akt« zu schreiben pflegen. Wird eingewandt, derlei Anfänge seien, zumal bei Dramatikern, allgemein, so ist zu entgegnen, daß Wagner das Kolossalformat solcher Produkte so gut wie die Kostümträume der Liebhabertheater sein Leben lang festhielt: wie er denn schon in frühesten Jahren Entwürfe, von denen die anderen nur die Überschriften ausgeführt hätten, tatsächlich vollendete. Treue zum Kindertraum und Infantilität verwirren sich in seinem oeuvre. Vom ersten Tag an ist er der Autor seiner sämtlichen Werke gewesen, und liest man seine minuziösen Aufzeichnungen über die Lektüre aus der Bayreuther Zeit, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als habe für ihn bis zum Ende alle Lust des Lesens an den Einbanddeckeln goldener Klassiker gehaftet. Noch seine kühnste Meisterschaft hat es nicht vermocht, das Grundverhalten des Amateurs zu brechen: enthusiastischen Respekt. Seine Entwicklungsbahn ist die enthusiastische Flucht vorm Dilettantismus der Enthusiasten in die Transzendenz jenseits der Rampe, so wie er die Welt der Opfer flieht, zu der er gehört; stets wahrt er sich etwas von der naseweisen Gelehrigkeit dessen, der Approbiertes nachahmt. Dabei nimmt er die Gestalt des dem Orchester befehlenden Kapellmeisters an. – »Nicht Kaiser und nicht König, aber so dastehn und dirigieren – «2: das gibt eine seiner entscheidenden Kindheitserfahrungen wieder. Der Kapellmeister vermag als Fachmann, was der Liebhaber im Publikum sich wünscht, und hält dessen sekundäre Begeisterung fest in der eigenen angedrehten Erregtheit. Er ist »nicht Kaiser und nicht König«, sondern einer aus der Masse der Bürger, aber mit der vollkommensten sinnbildlichen Herrschergewalt über jene. Zurückgewichen vorm prosaischen Alltag, bis ihm der Bühnenprospekt selber Einhalt gebietet, hat er doch für keinen Augenblick den Zusammenhang mit den nicht Eingeweihten durchschnitten, denen er zu imponieren wünscht. Untrennbar sind die dilettantischen Züge in Wagner von denen seines Konformismus, des entschlossenen Einverständnisses mit dem Publikum. Als Kapellmeister inthronisiert, vermag er es, eben dies Einverständnis unterm Schein eigenwilliger Opposition durchzusetzen und die Macht der Ohnmacht ästhetisch zu statuieren. Er hat nicht bloß den bürgerlichen Beruf des Kapellmeisters ergriffen, sondern die erste Kapellmeistermusik großen Stils geschrieben. Damit soll weder der armselige Vorwurf der Unoriginalität wiederholt, noch eine bloß orchestrale Gewandtheit unbillig hervorgehoben sein, über die Wagners Instrumentationskunst mächtig hinausragt. Vielmehr ist seine Musik konzipiert in der Gestik des Schlagens und von der Schlagvorstellung beherrscht. In dieser Gestik werden die gesellschaftlichen Impulse Wagners zu technischen. Steht in seiner Zeit der Komponist der Hörerschaft bereits lyrisch entfremdet gegenüber, so tendiert Wagners Musik dahin, diese Entfremdung zu verkleistern, indem sie ins Werk als Element von dessen »Wirkung« das Publikum einbegreift. Anwalt der Wirkung, ist der Kapellmeister Anwalt des Publikums im Werk. Als Schlagender aber verleiht der Komponierdirigent dem Publikumsanspruch terroristischen Nachdruck. Die demokratische Rücksicht auf den Hörer wandelt sich ins Einverständnis mit den Mächten der Disziplin: in Hörers Namen wird zum Schweigen gebracht, was nach anderem Maße fühlt als die Zählzeit. Der Entfremdung vom Publikum ist bei ihm von Anbeginn die Kalkulation des Publikumseffektes verschworen; erst eine Hörerschaft, deren gesellschaftliches und ästhetisches Apriori von dem des Künstlers so abgespalten ist wie unterm Hochkapitalismus, wird, verdinglicht, zum Kalkulationsobjekt der künstlerischen Behandlung.

Unter den Funktionen des Leitmotivs findet sich denn neben den ästhetischen eine warenhafte, der Reklame ähnliche: die Musik ist, wie später in der Massenkultur allgemein, aufs Behaltenwerden angelegt, vorweg für Vergeßliche gedacht, und wenn man die Fähigkeit musikalischen Verstehens in weitem Maße der Kraft der Erinnerung und des Vorblicks gleichsetzt, so hat an dieser Stelle die alte antiwagnerische Parole, er schriebe für Unmusikalische, neben ihrem reaktionären Element auch ihr kritisches Recht. Die Berliozsche idée fixe, das unmittelbare Muster des Leitmotivs, dient in der Symphonie fantastique als Zeichen einer Obsession, wie sie später unter dem Namen spleen ins Zentrum des Baudelaireschen Werkes tritt. Man kommt von ihr nicht mehr los. Vor ihrer irrationalen Übermacht, dem Siegel des Unverwechselbaren, streicht das Subjekt die Segel. Nach dem Programm von Berlioz erscheint die idée fixe dem von Opium Berauschten. Sie ist die auswendige Projektion eines insgeheim selbst Subjektiven und dabei Ichfremden, an die als an seine Chimäre das Ich sich verliert. Diesem Ursprung bleibt das Wagnersche Leitmotiv verhaftet. Er bedingt die Absenz eigentlicher Motivkonstruktion zugunsten eines gleichsam assoziativen Verlaufs. Was die Psychologie hundert Jahre später Ichschwäche taufte, damit rechnet bereits die Wagnersche Verfahrungsweise. Die aufschlußreiche Bemerkung Steuermanns, Wagners Musik sei, im Vergleich zum Wiener Klassizismus, auf ein Zuhören aus weiterer Distanz angelegt, so wie die impressionistischen Bilder aus größerem Abstand gesehen werden möchten als die vorangehende Malerei, trifft vielleicht den gleichen Sachverhalt. Aus größerer Distanz Hören heißt auch soviel wie: nicht so genau Hinhören. Das Publikum der vielstündigen Monstrewerke wird, nicht ohne Hinblick auf die Ermüdung des Bürgers in seiner freien Zeit, als dekonzentriert vorgestellt, und während es sich mit dem Strom treiben läßt, hämmert sich ihm die Musik, als ihr eigener Impresario, durch Tosen und ungezählte Wiederholungen ein. Das vermag sie kraft ihrer Konzeption aus dem Hörwinkel des Kapellmeisters. Noch im siebzehnten Jahrhundert haben die Dirigenten den Takt mit Stäben gestampft: Schlagzeugwirkung und Dirigieren weisen gemeinsam auf barbarische Ursprünge zurück, und der Gedanke des dirigentenlosen Orchesters entbehrt nicht des kritischen Erfahrungsgrundes. Bei Wagner gilt der ungebrochene Primat des Dirigenten in der Komposition. Alfred Lorenz, der die Frage der Wagnerschen Form als einer der ersten ernsthaft in Angriff genommen hat, kommt unwillentlich diesem Tatbestand außerordentlich nahe: »Hierbei sei es gestattet, an dieser Stelle eine persönliche Bemerkung einzufügen. Die Erkenntnis der hier dargelegten Zusammenhänge wurde mir erleichtert durch meine praktische Tätigkeit am Dirigentenpult. Dem Künstler, der sich bei der Leitung des Orchesters freimacht von dem häuslichen Partiturstudium des Gelehrten, drängt sich unwillkürlich die Erkenntnis des hier behandelten Problems der Form eines Kunstwerkes in ihrem Zusammenhange mit dem, was sie zum Ausdruck bringen soll, auf: Zuerst rein künstlerisch, gefühlsmäßig durch den musikalisch atmenden Schwung des Kunstwerkes selbst; dann verstandesmäßig infolge der Notwendigkeit der restlosen Beherrschung der Partitur durch das Gedächtnis.«3 Danach wäre der Schlüssel der Wagnerschen Form darin aufzusuchen, daß der Dirigent das Werk auswendig kennen muß: die Formanalyse wird zu seiner Gedächtnisstütze. Das Werk Wagners aber gibt in der Tat Anlaß zur Vermutung, daß der analysierende und reproduzierende Dirigent in der Gegenrichtung den gleichen Weg zurücklegt, den Wagners eigenes Produktionsverfahren genommen hat. Die Riesenkartons seiner Opern werden durch die Schlagvorstellung aufgeteilt. Die ganze Musik scheint erst durchtaktiert, dann ausgefüllt; und über weite Strecken, zumal in den Anfängen des eigentlich musikdramatischen Stils, bleibt die Taktiervorstellung gewissermaßen abstrakt stehen. Der gesamte Lohengrin ist mit Ausnahme einer winzigen Partie in gerader Taktart geschrieben, als erlaubte die Gleichheit der Zählzeiten mit einem Blick ganze Szenen zu überschauen, etwa wie man arithmetische Brüche durch »Kürzen« sich vereinfacht. Die Überschaubarkeit der durchtaktierten Kompositionsskizze veranlaßt Lorenz zu der erstaunlichen Bemerkung: »Wenn man ein großes Werk mit allen seinen Einzelheiten vollständig auswendig beherrscht so kommen manchmal Augenblicke vor, wo das Zeitbewußtsein plötzlich weg ist und das ganze Werk, ich möchte sagen ›räumlich‹ alles in höchster Genauigkeit zusammen, im Bewußtsein gleichzeitig vorhanden ist.«4 Im Sinn solcher Verräumlichung und Vergegenwärtigung sind die Wagnerschen Formen auch vom Komponisten aus gesehen Gedächtnisstützen. Freilich schießt die Beobachtung von Lorenz weit über Wagner hinaus und fände erst an Beethoven ihren Gegenstand. Die Wagnersche Zeitbeherrschung durchs Taktieren ist als Gegensatz zur symphonischen abstrakt, nämlich bloß eben die Vorstellung der durch die Taktierschläge und ihre Projektion auf die »Großperioden« artikulierten Zeit. Auf das, was in ihr geschieht, nimmt der taktierende Komponist keine Rücksicht. Ist für den Reproduzierenden die periodenmäßige Formanalyse ein Mittel, das konkrete musikalische Kontinuum ordnend aufzuteilen, so hilft dem Komponisten die Taktiervorstellung trügerisch dazu, die leere Zeit, mit der er beginnt, in die Gewalt zu nehmen, während doch das Maß, dem er die Zeit unterwirft, gerade nicht aus dem musikalischen Inhalt stammt, sondern aus der dinglichen Zeitordnung selber. So ist die von Lorenz bei Wagner vermutete Verräumlichung der Zeitextension bloßer Trug: nur bei unselbständigen, unprofilierten Teilinhalten läßt die totale Herrschaft der Taktiervorstellung bruchlos sich durchhalten, und die viel monierte melodische Schwäche Wagners hat ihren Grund nicht in einem simpeln Mangel an »Einfall«, sondern in der taktierenden Gestik, die sein Werk beherrscht.

Sie hinterläßt im Werk als Male die auftrumpfend intermittierenden Bühnenmusiken, Tuschs, Signale und Fanfaren. Inmitten des durchkomponierten Stils bleiben sie bei Wagner erhalten und sedimentieren sich zugleich im Stil. Der Kapellmeister erobert die Bühne vom Orchesterraum aus: virtuell könnte der ganze Rienzi als eine einzige Fanfare auf der Bühne geblasen werden. Auf den Signalcharakter der Holländerthematik hat Paul Bekker hingewiesen5. Man vermöchte eine entscheidende Schicht von Wagners Komponieren auf die Praxis der Bühnenmusiken und ihrer Derivate – wie der Orchestergeste nach »Wolfram von Eschenbach, beginne« – zurückzuführen. In der Tat hat der mittlere Wagner eine ganze Form, die Einleitung zur dritten Szene des dritten Aktes von Lohengrin, aus Fanfaren gebildet. Diese Form ist wahrscheinlich noch das Modell zu Siegfrieds Rheinfahrt in der Götterdämmerung: selbst das absolut-musikalische Prinzip des Fugatos hat den Kontakt mit der gestikulierenden Bühnenmusik nicht verloren. Wann immer die abstrakte Schlagvorstellung bei Wagner gegenüber dem musikalischen Inhalt vorwaltet, werden bühnenmusikalische Formeln zitiert; in den Spätwerken machen sie den eigentlichen Widerpart zur Chromatik aus. Mit melodischer Unplastik, in bloßer Umschreibung der Harmonie, hat auch der rezitativische Sprechgesang daran teil. Ein Element des Unsublimierten ist in den hochorganisierten Stil eingesprengt. Wagners musikalisches Bewußtsein unterliegt einer eigentümlichen Rückbildung: es ist, als hätte die Scheu vor der Mimik, die mit der Geschichte der abendländischen Rationalisierung stets stärker wurde und zur Kristallisation einer autonomen, sprachähnlichen Logik der Musik nicht wenig beitrug, über ihn nicht die volle Macht. Sein Komponieren fällt zurück auf ein Vorsprachliches, ohne doch dabei des Sprachähnlichen ganz sich entäußern zu können. Die Wagnersche »Schauspielerei«, das Anstößige seines Verfahrens, wie Paul Bekker sie mit Recht als den Kern des Wagnerschen Kunstwerks schlechthin aufgefaßt hat, gründet in jener Regression. Mängel der technisch-kompositorischen Gestaltung rühren bei ihm durchwegs daher, daß die musikalische Logik, die vom Material seiner Zeit allenthalben vorausgesetzt wird, aufgeweicht ist und durch eine Art von Gestikulieren ersetzt, etwa wie Agitatoren durch Sprachgesten die diskursive Entwicklung der Gedanken ersetzen. Gewiß weist alle Musik auf dies Gestische zurück und bewahrt es in sich. Im Abendland jedoch hat sie es zum Ausdruck vergeistigt und verinnerlicht, während zugleich der musikalische Totalverlauf der logischen Synthesis durch Konstruktion unterliegt; um den Ausgleich beider Elemente bemühte sich die große Musik. Wagner steht dazu quer; seine Musik vollzieht in sich keine Geschichte, darin ähnlich der Gesinnung der Schopenhauerschen Philosophie. Das unbändig gesteigerte Ausdrucksmoment hält es im Innenraum, im Zeitbewußtsein beinahe nicht mehr aus und wird als auswendige Geste losgelassen. Das bewirkt jenes peinliche Gefühl, als zupfe sie den Zuhörer unablässig am Ärmel. Die Kraft des konstruktiven Elements wird aufgezehrt von der veräußerlichten, gleichsam physischen Intensität. Diese Veräußerlichung nun findet sich mit Verdinglichung, dem Warencharakter zusammen, wie denn das späte Unbehagen an der Kultur, ganz im Sinne der Freudschen Theorie, ihren Archaismus hervorruft. Das gestische Element bei Wagner ist nicht, wie es prätendiert, Äußerung des ungespaltenen Menschen, sondern der Reflex, der ein Verdinglichtes, Entfremdetes imitiert. Dergestalt wird die Gestik in den Wirkungszusammenhang, die Beziehung zum Publikum mit einbezogen. Die Wagnerschen Gesten sind immer schon Übertragungen von Verhaltensweisen des imaginierten Publikums, von Volksgemurmel, Beifall, Triumph der Selbstbestätigung, Wogen der Begeisterung, auf die Bühne. Ihre archaische Stummheit, das Sprachlose, bewährt sich dabei als höchst zeitgemäßes Herrschaftsmittel, das dem Publikum um so genauer korrespondiert, je selbstherrlicher es ihm zugleich sich entgegensetzt. Der komponierende Dirigent vertritt und unterdrückt die Forderung des bürgerlichen Individuums, gehört zu werden. Er ist der Sprecher für alle und hält sie zum sprachlosen Gehorsam an. Darum muß er trachten, die Gesten zu beseelen und Seelisches in Gesten zu objektivieren. Beides aber, die entfremdete Äußerlichkeit und die Inwendigkeit, welche als Wagnerscher Ausdruck die Form der konstitutiven Subjektivität zerbricht, lassen sich nicht miteinander versöhnen. Daran hat Wagners Musik ihren innersten Widerspruch gefunden: den technischen nicht weniger als den gesellschaftlichen.

Technisch ist dessen Träger das Motiv. Bühnenmusik und Leitmotiv sind historisch vermittelt durchs Ritornell in jener Gestalt, die es in der älteren Oper bis hinauf zu Weber annahm. Die Orchestereinwürfe während der Rezitative erfüllen gestische Funktion. Sie durchbrechen, gleich den Bühnenmusiken, den Gesang, ja das kompositorische Gewebe, und zeichnen die Gebärden der Figuren auf der Szene nach. Insofern haben sie intermittierenden Charakter. Aber indem sie nicht auf der Bühne, sondern im Orchester erklingen, gehören sie doch wiederum auch dem kompositorischen, nicht nur dem gestischen Zusammenhang an. Mozart und vor allem Weber hat sie mit Ausdruck geladen. So nimmt Wagner sie auf. Bei ihm wird die intermittierende Geste zum tragenden Kompositionsprinzip; Bühnenmusik und Ausdruck in eins, verliert sie den Charakter des Eingeschobenen und breitet übers ganze Werk sich aus, Erbin jenes Kollektiven, Politischen, der Objektivität der »Staatsaktion«, die in der von Wagner gescholtenen Äußerlichkeit der Großen Oper statuiert ward. Wagners Mittel, Beseelung und Objektivität zu vereinen, ist die Sequenz. Sie hält das Schema abstrakter, architektonisch überblickbarer Symmetrieverhältnisse in der Zeit fest und sucht zugleich deren Inhalt durch Steigerung mit subjektiver Dynamik zu versöhnen. Die Wagnersche Geste wird zum »Motiv« im Augenblick, in dem sie sequenzierbar wird. Guido Adler hat mit Recht seine Formkritik daran orientiert. Die Verteidigung durch Lorenz bleibt darum formalistisch, weil er den Sequenzbegriff statischarchitektonisch definiert und demgemäß Wagners Musik von ihm ausnimmt, während die Überblendung von Ausdruck und Geste gerade darin besteht, daß das statische Sequenzprinzip in die dynamisch-funktionelle Harmonik übertragen wird. Wagners Sequenz steht zur symphonischen Beethovens in äußerstem Kontrast. Sie schließt prinzipiell die »durchbrochene« Arbeit des Wiener Klassizismus aus. Gesten können wiederholt und verstärkt, nicht aber eigentlich »entwickelt« werden. Die Wiener Antiphonie hatte alles Gestische zum geistigen Entwicklungsprinzip umgeschmolzen, und Wagner konnte sie nur gewaltsam in den Tanz oder dessen »Apotheose« zurückdeuten, wie denn auch die Ouvertüre der älteren Suite, aus der die Sonatenform entstand, von den folgenden Suitensätzen sich eben dadurch unterschied, daß sie nicht selber als stilisierte Tanzform auftrat. Sonate und Symphonie machen die Zeit kritisch zu ihrem Gegenstand; sie zwingen sie zum Einstand durch den Inhalt, den sie ihr verleihen. Wird jedoch in der Symphonik der Zeitverlauf zum Augenblick, so ist dafür die Geste Wagners eigentlich unwandelbar, zeitfremd. In ihrer ohnmächtigen Wiederholung resigniert Musik eben in der Zeit, die sie in der Symphonik bewältigte.

Die wiederholten Gesten versinken in dem Strömen, aus dem einzig Verwandlung sie erheben könnte: Verwandlung, kraft welcher sie aufhörten, Gesten zu sein. So führt der Versuch, die Form durch Wiederholung ausdrucksgeladener Gesten zu konstituieren, allenthalben ins Ausweglose. Alle Wiederholung von Gesten entzieht sich der Notwendigkeit, musikalische Zeit zu stiften; sie ordnen sich gleichsam im Raum, einem ungeschichtlich-chronometrischen System, und fallen aus dem zeitlichen Kontinuum heraus, zu dem sie sich doch scheinbar zusammenfügen. Vielleicht ist die Langeweile des nicht eingeweihten Hörers in einem Werk aus Wagners reifer Periode nicht nur Zeichen pedestren Bewußtseins, das vor der Prätention des Erhabenen versagt, sondern auch bedingt von der Brüchigkeit der Zeiterfahrung im Musikdrama selber. Die Schwierigkeit verstärkt sich dadurch, daß jenes Ausdrucksmoment, das in der Sequenz von Geste zu Geste führen soll – im berühmtesten Fall, dem des Tristanbeginns, ist es das des »Schmachtens« –, tanzhaft-tongetreue Wiederholung ausschließt und eben die eingreifende Variation verlangt, gegen die sich die gestischen Motivcharaktere sträuben und die durchs Wagnersche Prinzip der »psychologischen Variation« nur auf recht rationalistische, den musikalischen Gestalten gewalttätig aufgezwungene Weise ersetzt wird. Die wiederholte Geste ist zwangshaft; der wiederholte Ausdruck aber tautologisch. Die Wagnerschen Längen, jene Geschwätzigkeit, die mit dem bittenden, überredenden Verhalten der Person zusammenstimmt, trifft man wieder in den Mikrokosmen der Form. Durch Wiederholung und gestische Repräsentation wird der Ausdruck in sich selbst verfälscht. Eingebaut ins Ganze und verdinglicht, degeneriert die mimetische Regung zum bloßen Nachmachen und schließlich zur Lüge. Das Moment der Unwahrhaftigkeit im Wagnerschen Ausdruck läßt sich somit bis in seine kompositorischen Ursprünge hinab verfolgen. Was der Form mißlingt, schlägt den Inhalt. In dem trüben quid pro quo gestischer, expressiver und tektonischer Momente, von dem die Wagnersche Form zehrt, soll etwas wie eine runde, geschlossene, dem Epos abgeborgte Totalität des Inwendigen und Auswendigen erscheinen. Wagners Musik fingiert die Einheit von Innen und Außen, von Subjekt und Objekt, anstatt ihren Bruch zu gestalten. So wird das kompositorische Verfahren selber zum Agens von Ideologie, schon ehe diese literarisch in die Musikdramen hineingetragen wird. Nirgends ist das offenbarer als an jenen Stellen, wo der Ausdruck der Musik glorifizierend den dramatis personae edle Reinheit und Naivetät zuschreibt. Die charakterisierende Absicht, welche den musikalischen Gestus zum Träger von solchem Ausdruck prägt, ein notwendiges Moment von Reflexion, zeigt stets Reinheit und Naivetät, als bewunderte sie sich im Spiegel, und hebt sie damit auf. Das erklärt sich aber keineswegs bloß psychologisch aus dem fragwürdigen »Empfinden« des Komponisten, sondern aus der fatalen Logik der Sache. Um sich als Geste so sinnfällig zu veräußerlichen, wie es Wagners Verfahren fordert, kann der Ausdruck sich nie bei sich selber bescheiden, sondern muß sich pointiert setzen und dann durch seine steigernde Wiederholung noch übertreiben. Das Moment der identischen Wiederholung an sich führt bereits jenes Reflexionsmoment mit sich; die Ausdrucksregung, zum zweiten Male auftretend, wird zum unterstreichenden Kommentar ihrer selbst. Umgekehrt bewirkt die subjektive Furnierung der äußerlichen, bühnenmusikalischen Elemente eben jenes Brimborium, dem Nietzsche so wenig traute wie der Reinheit. Diese wirft sich weg in der Ostentation, der Mummenschanz wird verraten ans Bühnenweihfestspiel.

Wagners Kraft aber bewährt sich im Versuch, den Widerspruch, der sich seiner technischen Erfahrung mit jedem Schritt anzeigen mußte, zu meistern. Gibt es ein »Geheimnis der Form« bei ihm, so ist es das jener verzweifelten, nie eingestandenen, und vollständig abgeblendeten Bemühung. Als solches Formgeheimnis rückt bei Lorenz das Prinzip des »Bar«, der Formorganisation nach dem Schema a-a-b, von zwei gleichen Stollen und einem davon verschiedenen Abgesang, in den Vordergrund. Dies Schema beherrscht archaistisch die Meistersinger und ihre ästhetischen Exkurse. Keineswegs beschränkt sich das Barprinzip bei Wagner auf umgrenzte und herausgehobene Stücke von der Art des Preisliedes, sondern Lorenz verfolgt es durch den Großaufbau der Formen und geht in seinem Überschwang so weit, die ganzen Meistersinger auf Grund einer durchgeführten Parallelisierung der beiden ersten Akte als einen einzigen »riesigen Bar« aufzufassen6. Ebenso läßt er sich in die motivischen Zellen zurückverfolgen. Dort nun kommt der gestische Charakter des Bars zutage. Sein Ursprung ist in den früheren Werken deutlich zu erkennen. Erinnert sei an den Anfang der zweiten Szene des zweiten Tannhäuseraktes, unmittelbar nach dem Nachspiel der Hallenarie. Dort stellt sich, nach einem ausgehaltenen Einleitungsakkord, ein achttaktiger Bar her. Der erste Stollen ist ein schüchtern vorwärts tastendes zweitaktiges Motiv. Es wird, leicht variiert und um einen halben Takt gedehnt, als zweiter Stollen in eine höhere Lage versetzt, ähnlich wie später die erste Sequenz der Wagnerschen Motivmodelle, die freilich im entfalteten musikdramatischen Stil solche Variationen sich selten mehr gestatten und, zumal im Tristan, durchwegs mit der Transposition auf die höhere Stufe sich zufriedengeben. Der Abgesang, abermals um einen halben Takt länger, wird von einer »sehr lebhaften« Sechzehntelfigur bestritten, die hoch über den Anstieg des Stollenmotivs hinausschwingt, dann jedoch über einem Bläserhalt rasch zusammenbricht. Der szenische Sinn der Stelle ist der, daß Tannhäuser der Geliebten scheu-stockend und unbemerkt naht, dann, von Wolfram ermutigt, »ungestüm zu Elisabeths Füßen« stürzt und dort verharrt, bis sie ihn sich erheben heißt. Entscheidend ist die dritte, die Abgesangsgeste. Sie greift weit aus, um zum eigenen Ausgangspunkt zurückzukehren, so wie der Sänger die ausgebreiteten Arme sinken läßt, wenn er Elisabeth erreicht hat und reglos, schweigend in sich gewandt an sie sich schmiegt. Auf dem gehaltenen Terz-Quart-Akkord der fünften Stufe tritt ein Stillstand ein: Modell jenes seltsamen Stillstehens, das trotz aller Dynamik und gerade in ihr Wagners Musik stets wieder determiniert. Die ausgreifende Geste hat sich auf den Körper zurückgenommen. Ihr Einsturz gemahnt an die Woge. Vielleicht ähneln darum Wagners musikalische Gesten dem Tanz sich an, usurpieren die Motivwiederholungen seine Symmetrie, weil bloß als Tanzende Menschen die Woge imitieren können. Mit dem Formgesetz der Woge hat Wagner den Widerspruch von Ausdruck und Geste musikalisch aufzuheben unternommen, längst ehe er es durch die Schopenhauersche Philosophie rationalisierte. Die Entwicklungslosigkeit der Geste und die Unwiederholbarkeit des Ausdrucks will er versöhnen, indem die Geste sich selbst widerruft. Sich selbst und die Zeit. Wenn er diese nicht wie Beethoven beherrscht, so erfüllt er sie auch nicht wie Schubert. Er revoziert sie. Die Ewigkeit der Wagnerschen Musik, gleich der der Ringdichtung, ist die des Nichts-ist-geschehen; die einer Invarianz, die alle Geschichte mit der sprachlosen Natur dementiert. Die Rheintöchter, die zu Beginn mit dem Golde spielen und es am Ende zum Spielen zurückerhalten, sind der letzte Schluß von Wagners Weisheit und Musik. Nichts ändert sich; gerade die individuelle Dynamik stellt den amorphen Urzustand wieder her; die Entfesselung der Kräfte dient selber nur der Invarianz und damit der herrschenden Macht, wider welche sie zu Felde ziehen. Das wird von Wagners Formgesinnung eindringlicher vertreten als je von seinen philosophischen Meinungen. Als ästhetisches Formprinzip aber wird, Schopenhauer entgegen, verklärt und zum tröstlichen Äquilibrium gemacht, was unerträglich ist in der realen gesellschaftlichen Welt, aus der Wagners Werk entflieht.

Fürs ideologische Wesen des »Geheimnisses der Form« liefern die Meistersinger ein erstaunliches Indizium. Die Lieder, die darin von den Angehörigen der Bildungsschicht, also den Antipoden Walther und Beckmesser, gesungen werden, halten sich an die Barform. Sachs aber, der vom »Volk« her das Recht des Einspruchs bewahrt und vertritt, und der doppelsinnig von sich sagt, »nur Gassenhauer dicht' ich zu meisten«, singt ein rein strophisches Lied. Die Meistersinger, das größte Zeugnis des Wagnerschen Bewußtsein von sich selber, weisen die Barform den Vornehmen und der herrschenden Oberschicht zu. Nimmt man aber die Deutung von Lorenz an, die dem ganzen Werk Barform zuschreibt, so behielte die Oberschicht in der Totalität der Meistersinger ebenso recht wie im Ring die Rheintöchter, Allegorien jenes Meeres, in welches der Wagnersche Traum regrediert, gegen den Parvenu Alberich.

Die Einsicht in die Funktion des Bars schließt die Kritik der Wagnerschen Form in sich. Lorenz, der die seit Nietzsche reaktionär nachgebetete Phrase von der Wagnerschen Formlosigkeit nachdrücklich angriff, ist dabei mehr an der Organisation der Großformen als an der »thematischen Arbeit« interessiert. Er rechtfertigt das damit, daß die Motivanalyse durch Wolzogen und die sogenannte Leitfadenliteratur zureichend geleistet worden sei. Aber er hätte sich nicht darüber täuschen sollen, daß eine musikalische Motivanalyse, die die Großform aus den Entwicklungen und Variationen der thematischen Zellen verständlich macht, nichts zu tun hat mit poetisierenden Leitmotivaufzählungen, die zu jeder Textstelle deren musikalisches Ebenbild aufführen. Sein Desinteressement an der Wagnerschen »Kleinarbeit« hat seinen Grund im Gegenstand selbst. Lorenz sagt im zuständigen Kapitel seines ersten Bandes: »Als Hauptmerkmal fällt auf, daß diese Aufstellung« – die Wagnersche Exposition der thematischen Modelle – »immer so erfolgt ..., daß eine öftere Wiederholung uns das Motiv deutlich ins Bewußtsein bringt.«7 Es ist diese Tatsache der sei's tongetreuen, sei's stufenweise versetzten Motivwiederholung im Rahmen der Wagnerschen »Themen«, die Lorenz wegen der Regelhaftigkeit der Ereignisse von der Verpflichtung zu Analysen etwa nach der Art der Bergschen Schönberganalysen dispensiert. Dieser Dispens heißt aber nichts anderes, als daß es in der Kleinform bei Wagner in Wahrheit nichts zu analysieren gibt. Wagner kennt eigentlich nur Motive und Großformen – keine Themen. Die Wiederholung spielt sich als Entwicklung auf, die Versetzung als thematische Arbeit, und umgekehrt wird das lyrisch Unwiederholbare, das Lied, behandelt, als wäre es Tanz. Die Zurücknahme durch die Bargeste aber hat den Sinn, alle ungeschlichteten Widersprüche ins Nichts aufzulösen. Während Wagners Musik unablässig Schein, Erwartung und Anspruch des Neuen erweckt, geschieht in ihr strengsten Sinnes nichts Neues. Diese Erfahrung ist der Wahrheitskern des Vorwurfs der Formlosigkeit. Nur rührt diese nicht vom Chaotischen her, sondern von der falschen Identität. Identisches tritt auf, als wäre es neu und unterschiebt dadurch die abstrakte Zeitfolge der Takte für den inhaltlich-dialektischen Fortgang seiner Musik, ihre innere Geschichtlichkeit. Das Kerngehäuse der Wagnerschen Formkonstruktion ist leer: die Entfaltung in der Zeit, die sie doch beansprucht, uneigentlich. Die von Lorenz entdeckten Großformen der Wagnerschen Musik sind nur von außen aufgestülpt und bleiben am Ende die namenlosen Schemata, als welche sie zu Anfang die abstrakte Taktierzeit artikulieren. Nicht zufällig lassen die Lorenzschen Analysen auf Tabellen sich eintragen, prinzipiell der Zeit so fremd wie die Wagnersche Formorganisation selber. Trotz aller Akribie bleiben sie ohne Gewalt über die wirkliche Musik, graphisches Spiel. Wagners Formen, selbst die paradoxale Barform, die im zeitlichen Fortgang diesen negiert, versagen vor der Zeit. Das mephistophelische »Und ist so gut, als wär' es nicht gewesen« behält das letzte Wort. Daher die Enttäuschung, das Unerfülltbleiben von Erwartungen durch den, der privat so gern Versprechen brach, wie der Formkünstler sie brechen muß. Seine Musik gebärdet sich, als ob ihr keine Stunde schlüge, während sie bloß die Stunden ihrer Dauer verleugnet, indem sie sie zurückführt in den Anfang.

 

III

 

Der unaufhaltsam fortschreitende Prozeß, der doch keine neue Qualität aus sich entläßt und stets wieder ins Alte mündet; die Dynamik der permanenten Regression hat dem Wagnerschen Werk ein Rätselhaftes verliehen, und heute noch bleibt dem Hörer, im Unterschied zu fast jeder anderen Musik, trotz aller Vertrautheit das Gefühl des Unauflöslichen, des blinden Flecks zurück. Wagner verweigert dem Gehör, das ihn begleitet, die feste Bestimmung und läßt es im Zweifel, ob der Formsinn eines jeden Augenblicks richtig aufgefaßt sei. Sachsens »Kann's nicht behalten – doch auch nicht vergessen« – spielt darauf an. Nichts ist eindeutig. Was einmal als das irritierend Moderne an ihm erfahren ward, was man mit Begriffen wie dem des Nervösen und Reizbaren einigermaßen musikfremd benannt hat, gründet in der Zweideutigkeit des musikalischen Sinnes. Ihr entspricht freilich ein zweideutiges Moment in der Ideologie, von der allbekannten Ambivalenz zwischen Sexualität und Askese bis zur Rolle zweideutiger Figuren, Hagens, des »Recken« und Verräters, Kundrys, der Büßerin und Verführerin, selbst der Helden Tristan und Siegfried als der treulos Treuen. Zweideutigkeit ist der romantischen Überlieferung des Komponierens nicht fremd: die zwielichtigen, alterierten Akkorde Schuberts sind solchen Wesens, und Wagner, dessen Werk scheinbar wenig gemein hat mit dem Schubertschen, hat dergleichen Akkorde mit Vorliebe gebraucht. Aber bei ihm zuerst ist Zweideutigkeit zum principium stilisationis erhoben, die Kategorie des Interessanten im Gegensatz zur Konsequenzlogik der musikalischen Sprache vorherrschend geworden. Das hat das fortgeschrittenste Bewußtsein seiner eigenen Epoche, Baudelaire schon, der offenbar nicht einmal die Musik des Tristan kannte, und vollends Nietzsche so sehr erregt. Die im Wechsel sich durchhaltende musikalische Identität als solche ist dabei nicht eigentlich das Novum. Durch Konstruktion vollständiger musikalischer Einheit in der Mannigfaltigkeit hat der Wiener Klassizismus, Beethoven zumal, eben dies Prinzip aufs höchste ausgebildet. Aber es war durchwegs in Übereinstimmung geblieben mit der Logik der festgefügten musikalischen Sprache einer in allen Antagonismen noch zusammengehaltenen Gesellschaft. Die Regung der zufällig-einzelmenschlichen Individualität, welche dieser Logik als irrational sich entzieht und ihr seit der Explosion in Berlioz die Überraschung entgegensetzt, war dem Klassizismus fremd oder ward zumindest in ihm bewältigt durch die Synthesis der Form. Dazu gebricht es der Wagnerschen Kunst an Kraft: bloße Individualität tritt um so selbstherrlicher hervor, je schwächer das Ich gesellschaftlich und damit zugleich als ästhetisches Konstitutionsprinzip ward, je weniger es sich zur Objektivität eines Totalzusammenhangs zu entäußern vermag. Das Ich differenziert sich unendlich, indem es die eigene Schwäche reflektiert und zur Schau stellt, aber vermöge eben dieser Schwäche fällt es zugleich auf die Schicht des Vor-Ichlichen zurück. So zeichnet im Überwiegen des »psychologischen« Moments bei Wagner, des zweideutig Interessanten, ein Geschichtliches sich ab. Die Bruchlinie jedoch, die Wagners Werk markiert, die Ohnmacht im Angesicht der technischen und der diese tragenden gesellschaftlichen Widersprüche, kurz all das, was schon der Sprache seiner Zeitgenossen Dekadenz hieß, ist zugleich die Bahn des künstlerischen Fortschritts.

Paul Bekker hat den Ausdruck als die Grundkategorie Wagners angesehen. Nirgends deutlicher aber als an dieser tritt das Brüchige und zugleich Abgründige hinter der dicht gefügten Oberfläche von Wagners unabgesetztem Kompositionsstil hervor. Wenn die Einheit von Geste und Ausdruck im Leitmotiv nicht gelingen kann, wenn das Motiv, als Ausdrucksträger, stets zugleich am drastisch-gestischen Charakter festhält, so besagt das nicht weniger, als daß die Geste niemals unvermittelt sich selber zu beseelen vermag. Vielmehr stellt sie ein Seelisches vor. Spezifisch für den Wagnerschen Ausdruck ist das intentionale Moment: das Motiv vermittelt als Zeichen eine geronnene Bedeutung. Wagners Musik verhält sich bei aller Emphase und Intensität wie die Schrift zum Wort, und wenig fehlt, daß man vermuten möchte, sie bedürfe der Intensität ihres kompositorischen Vortrags nur, um das zu verstecken. Ihr Ausdruck stellt sich nicht dar, sondern wird dargestellt. Die Beschlagnahme eines aus der vergeistigten Totalität Herausgefallenen, bloß Auswendigen durch Bedeutungen, die es zu repräsentieren hat, und die so gut ausgewechselt werden können wie ihre Repräsentanten, prägt die Wagnerschen Leitmotive als Allegorien. So sind denn auch die allegorischen Künste der Meistersinger, die durchgehenden, gewaltsamen Namensallegorien, schließlich der abstrakte Bedeutungszusammenhang hinter dem ganzen Ring keine bloßen Oberflächenphänomene: gerade solche exzentrischen Züge weisen auf den Kern. Das Leitmotiv reicht hinter Berlioz zurück auf die Programmusik des siebzehnten Jahrhunderts, in der noch keine verbindliche musiksprachliche Logik waltete, und erst unter allegorischem Aspekt wäre dieser Ursprung besser zu verstehen als die kindische Spielerei von Echoeffekten und Ähnlichem. Die orthodoxe Wagnerexegese, der doch gewiß der Allerweltsbegriff des Symbolischen ans Herz gewachsen war, hat gleichwohl den allegorischen Charakter der Leitmotive unwillkürlich hervorgehoben, indem sie jedem seinen starr identifizierenden Namen gab, vergleichbar dem Spruch, der unter dem allegorischen Bilde dessen Bedeutung enträtseln soll. Wenn im Großen Wagners Musik keine Bewegung kennt, indem sie ihren eigenen Zeitverlauf widerruft, dann eignet ihr Starrheit schon im Kleinsten. Die Leitmotive sind Bildchen, und die angebliche psychologische Variation exponiert sie bloß der Umbeleuchtung. Dem Berliozschen Namen der idée fixe halten sie wörtlicher die Treue, als sie sich träumen lassen, und ihre Starrheit ist es, die der psychologischen Dynamik die Grenze setzt, ja oftmals sie Lügen straft. In der Götterdämmerung, wo der dynamische Kompositionsstil auf ein älteres Motivmaterial von größter allegorischer Sprödigkeit angewandt wird, liegt der Widerspruch offen zutage. Während das Leitmotiv gerade der metaphysischen Absicht der Musikdramen dienen soll, wird es, endliches Zeichen vorgeblich unendlicher Ideen, zu deren eigenem Feind: im Schoß der Wagnerschen Spätromantik wächst ein positivistisches Element heran, ganz ähnlich wie Schopenhauers Metaphysik den Kantischen Idealismus positivistisch-naturwissenschaftlich umfunktionierte. Schon zu Wagners Zeit hat das Publikum die Leitmotive krud auf die Personen bezogen, die sie charakterisieren, eben weil sie mit den geistigen Bedeutungen nicht unmittelbar verschmolzen sind, mit denen eins zu sein sie doch vorgeben: die Notwendigkeit der Kommentare war stets schon die Bankrotterklärung von Wagners eigener Ästhetik des unmittelbar Einen. Der Verfall des Leitmotivs ist diesem immanent: er führt über die geschmeidige Illustrationstechnik von Richard Strauss geradeswegs zur Kinomusik, wo das Leitmotiv einzig noch Helden oder Situationen anmeldet, damit sich der Zuschauer rascher zurechtfindet.

Allegorische Starre hat das Motiv gleich einer Krankheit befallen. Die Geste gefriert als Bild des Ausdrucks. Eben das aber gebietet dem bloßen Gleiten Einhalt und entbindet konstruktive Widerstände. Nur in einem artikulierten harmonischen Zusammenhang vermag das Motiv einzustehen, vermag die Technik der fortspinnenden Sequenz selber jenen allegorischen Sinn hervorzubringen, den die Leitmotivik erheischt, und der weithin sein Schema an der Triplizität des Bars besitzt. Das läßt sich noch an scheinbar rein chromatischen Modellen wie dem ungezählte Male analysierten Tristananfang zeigen. Die Notwendigkeit einer den Formsinn erst entfaltenden Artikulation zwingt hier der chromatischen Harmonik und der bloßen Sequenz die Gegentendenzen von gekräftigter Tonalität und Variation ab. In der ersten Sequenz des Eröffnungsmotivs tritt die große Sext anstelle der kleinen des Modells: h-gis für a-f. Diese Abweichung ergibt sich aus der Bezogenheit der ganzen Periode auf ihre virtuelle Grundtonart, die harmonische a-moll-Skala, in der es f, aber gis heißt. Sie wird durch die Auswahl der charakteristischen Ecknoten umschrieben. Solche Umschreibung einer identisch festgehaltenen Tonart noch im Fortgang der chromatischen Modulation hat den Sinn, diese auf ein harmonisches Einheitsmoment zu beziehen und damit zu organisieren. Das aber führt in der Sequenzierung zu konstruktiven Folgerungen: durch die harmonische Einheit wird die mechanische Identität der beiden melodischen Sequenzglieder vermieden. Modell und erste Sequenz weichen in einem entscheidenden Intervall voneinander ab: sie verhalten sich wie ein Thema zu seiner rudimentären Variation. Unvariiert führte die Sequenzgruppe auf den Dominant-Septimakkord von h, durch die Abwandlung aber auf den von C-Dur als der Paralleltonart von a-moll. So wird die Beziehung zur Grundtonart verstärkt. Gerade durch die festgehaltene Einheit der Tonalität a, die sich dem hemmungslos gleichmachenden Weitermodulieren verweigert, wird die Banalität der chromatischen Sequenz beseitigt und jene Selbständigkeit chromatischer Nebenstufen vorgebildet, die dann bei Schönberg der Tonalität so viel gefährlicher wurde als das einfache Chroma. Wagt man einmal den Vergleich der Barform mit dem dialektischen Schema der Triplizität, so entspräche dann hier das dritte Glied der Sequenzgruppe, der »Abgesang«, der Synthesis. Um die tonale Einheit weiter zu garantieren, setzt es nicht eine Sekunde, sondern eine kleine Terz höher ein als die erste Sequenz: abermals also wird ein kritisches Intervall variiert. Dabei hält der Beginn des Abgesangs als Rest des zweiten Sequenzgliedes das Intervall der großen Sext d-h fest, stellt aber durch Einfügung einer zweiten absteigende Sekunden die ursprüngliche melodische Relation zum Ausgangston im Sinn des Modells wieder her. Als Negation der Negation, als Zurücknahme der Abweichung des zweiten Gliedes, bestätigt das dritte die Einheit des Ganzen und bringt sie auch zur harmonischen Auslegung durch die Kadenz auf der Wechseldominante von a-moll. Sie wird in dem anschließenden Forte-Einsatz tatsächlich nach a-moll heimgeholt, indem Wagner dem festgehaltenen Motivrest eis-fis nun die erste Dominante unterlegt, freilich die Tonika wieder durch die Trugfortschreitung zu sechsten Stufe vermeidet: Schulfall dessen, was Schönberg später »umschriebene Tonalität« nannte. Wenn Lorenz gegenüber Kurth die diatonisch-tektonischen Momente Wagners als Gegengewicht der expressiv-chromatischen hervorhebt, so darf das nach solchen Bildungen nicht im Sinne einer teutonisch-ominösen Urgesundheit verstanden werden, die den Exzeß des Tristan nur einmal sich gestattet hätte. Vielmehr zieht Wagner in seinen größten Augenblicken aus dem unversöhnlichen Widerspruch die Produktivkraft, aus dem gestisch-regressiven Moment die fortschreitende Konstruktion. Diese geht über den bloß subjektiven Ausdruck so weit hinaus, wie sie ihn im Hegelschen Doppelsinn aufhebt.

Daraus erhellt aber, daß Fortschritt und Reaktion in der Wagnerschen Musik sich nicht wie die Schafe von den Böcken scheiden lassen, sondern daß beides unauflöslich fast sich verschränkt. Wagner hat, unter der dünnen Hülle des kontinuierlichen Verlaufs, die Komposition in dinghaft aneinandergereihte allegorische Leitmotive zerfällt. Diese entziehen sich den Ansprüchen musikalischer Formtotalität nicht weniger als den ästhetischen der »Symbolik«, kurz, der Überlieferung des deutschen Idealismus. So emphatisch Wagners Musik als Stil durchgebildet ist, so wenig ist dieser Stil dafür System im Sinn der konsequenzlogischen Geschlossenheit, des reinen Immanenzzusammenhangs von Ganzem und Teilen. Das aber gerade hat seinen revolutionären Aspekt. In der Kunst nicht weniger als in der Philosophie trachten die Systeme, die Synthesis des Mannigfaltigen aus sich hervorzubringen. Dabei richten sie in Wahrheit stets an einer vorgegebenen, aber fragwürdig gewordenen Totalität sich aus, deren unmittelbares Daseinsrecht sie bestreiten, um sie vermittelt aus sich selber nochmals zu erzeugen. Damit ist es bei Wagner zu Ende. Seine apologetisch rückwärtsgewandte Stellung zum Bürgertum hat die Kehrseite, daß er den Kosmos der bürgerlichen Formen ungebrochen nicht mehr akzeptiert. Nichts Vorgegebenes wird geduldet, keine »Typen«, von den Gesamtformen angefangen, die den Namen der Oper verschmähen, bis zur Anlage der Motive, die alles an Figuration Gemahnende idiosynkratisch sich verwehren. Gegenüber der Wagnerschen décadence bahnt heute ein Verfall sich an insofern, als eben diese Empfindlichkeit den Musikern abhanden kam, ja sie geradezu nach den Fesseln des Typischen lechzen, die Wagner abzuwerfen trachtete. Wenig bezeichnet den Impuls seiner Verfahrungsart besser als seine Äußerung, er höre zuweilen bei Mozart im Geist das Klappern des Geschirrs zur Tafelmusik. Das gegenwärtige Verhältnis zum musikalischen »Erbe« laboriert vorab daran, daß keiner mehr solche Respektlosigkeit sich zutraut. Die typenfeindliche, mit Typen bloß noch spielende Formbildung Wagners hat nicht bloß die feudalen Restbestände des musikalischen Materials fortgeräumt, sondern darüber hinaus das Material dem Komponisten unvergleichlich viel fügsamer gemacht, als es je zuvor war. Die Maxime dieser Formgesinnung ist im ästhetischen Gespräch der Meistersinger lapidar definiert: »Wie fang ich nach der Regel an? – Ihr stellt sie selbst und folgt ihr dann.« In den gleichen Zusammenhang fällt die Forderung Wagners nach sinngerechter Deklamation. Sie ist antiromantisch und antifeudal: die Idee der musikalischen Prosa wirft ihren Schatten voraus, indem der Zauberbann der Symmetrie gebrochen wird. Die Sprachähnlichkeit der Musik, der sie so viel von ihrem metaphysischen Anspruch verdankt, schlägt um in ein Mittel musikalischer Aufklärung, freilich in Wagners Kompositionsweise noch in Schranken gehalten durch die Vorherrschaft der symmetrischen Periode. Die Forderung des »natürlichen« Deklamierens weist ebenso auf die Wagnersche Typenfeindschaft wie auf das Bedürfnis nach Verschmelzung der Medien; gleich der Konzeption des Leitmotivs aber bereitet auch jene das technische, rationale Kunstwerk vor.

Dessen Beziehung zur Motivtechnik wird nirgends deutlicher als in der Atomisierung des Materials, der Zerlegung in kleinste Motivbestandteile, welche die Integration erlauben soll nach Siegfrieds Programm: »Zu Spreu nun schuf ich die scharfe Pracht, im Tigel brat' ich die Späne.« Diesem Programm ist der Tristan am vollständigsten gefolgt. Es fällt schwer, dabei des Gedankens an die Quantifizierung des industriellen Arbeitsprozesses, seine Zerlegung in kleinste Einheiten sich zu entschlagen, wie denn nicht zufällig ein Akt der materiellen Produktion als Allegorie jenes Prinzips gewählt ist. Das Ganze soll durch Unterteilung in kleinste Einheiten beherrschbar, dem Willen des alles Vorgegebenen ledigen Subjekts fügsam werden. Daß Wagner dies Analogen zur impressionistischen Verfahrungsweise der Malerei entwickelte, ohne sich dessen bewußt zu sein, zeigt nicht weniger die Einheit der Produktivkräfte der Epoche an als die durch Arbeitsteilung bewirkte Abblendung der Einzelbereiche gegeneinander. Wenn im übrigen Wagner aus dem potentiellen Impressionismus der Motivtechnik nicht oder nur in Episoden der Naturstimmung die ganze Konsequenz zog, so erklärt sich das ebenso aus der Spekulation aufs Publikum wie aus der ästhetischen Gesinnung. Gesellschaftlich will die Verschränkung von Alt und Neu, daß zwar immerzu frische Reize geboten, niemals jedoch die eingeschliffenen Hörgewohnheiten brüskiert werden sollen. In Wagners Atmosphäre schwelt schon etwas von der des wütenden Philisters, aus der später der Bann gegen alle »Ismen« erging. Je weiter die Technifizierung des Kunstwerks, die rationale Planung der Verfahrungsweise und damit der Wirkung fortschreitet, um so ängstlicher ist seine Musik darauf bedacht, als spontan, unmittelbar, naturhaft zu erscheinen und den verfügenden Willen zu verstecken. Im Widerspruch mit seiner Praxis verleugnet seine Ideologie das Auflösende, Zersetzende schon ähnlich, wie es dann in der summarischen Abfertigung aller neuen Kunst durch Cosima im Briefwechsel mit dem nationalsozialistischen Chamberlain brutal und primitiv sich aussprach. Wagner war ein Impressionist malgré lui, entsprechend dem zurückgebliebenen Stand der menschlichen und technischen Produktivkräfte und damit auch der ästhetischen Doktrin im Deutschland der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Nicht nur der traditionelle Aberglaube, die Größe der ästhetischen Idee spiegle sich in der Größe der gewählten Gegenstände und der Monumentalität des Kunstwerks, auch eine vorkritische und Wagners eigenem Stand unangemessene Anschauung von der Melodie spielt da herein. Kein Vergleich Wagners mit dem Impressionismus trifft zu, der nicht zugleich daran erinnerte, daß das Credo universaler Symbolik, dem alle seine technischen Errungenschaften unterstehen, zu Puvis de Chavannes gehört und nicht zu Monet. Bei Wagner überwiegt denn auch schon das totalitär-herrschaftliche Moment der Atomisierung; jene Entwertung des Einzelmoments gegenüber der Totalität, die echte, dialektische Wechselwirkungen ausschließt. Nicht sowohl die Nichtigkeit des Einzelnen jedoch schlägt der Wagnerschen Totalität zum Unheil aus, als daß das Atom, das charakterisierende Motiv, eben um der Charakteristik willen stets auftreten muß, als wäre es etwas, und diesen Anspruch nicht durchweg einlöst. So verbinden sich die Themen und Motive zu einer Art Pseudogeschichte. In Wagners Musik wird bereits jene Entwicklungstendenz des spätbürgerlichen Bewußtseins sichtbar, unter deren Zwang das Individuum um so emphatischer sich selbst hervorhebt, je scheinhafter und ohnmächtiger es in der Realität geworden ist. Etwas von solcher Unwahrheit läßt vielen Wagnerschen Motivkernen sich anhören, deren pathetische Gebärde die eigene Substanz überfordert, während manchmal freilich die motivischen Profile ihm unverlierbar gerieten. Wiederum ist die Formkategorie als solche, die Nichtigkeit des Motivs als bloßer Setzung, das Ephemere der Individuation selber Wagner mit dem Wiener Klassizismus gemeinsam. Aber der Sinn des Verfahrens hat sich verkehrt und damit auch sein ästhetisches Recht. Bei Beethoven ist das Einzelne, der »Einfall« kunstvoll-nichtig, wo immer die Idee der Totalität den Vorrang hat; das Motiv wird als ein an sich ganz Abstraktes eingeführt, lediglich als Prinzip des reinen Werdens, und indem daraus das Ganze sich entfaltet, wird das Einzelne, das im Ganzen untergeht, zugleich auch von diesem konkretisiert und bestätigt. Bei Wagner verleugnet das aufgespreizte Einzelne die Nichtigkeit, die ihm doch als vorsprachlichem Gestus eignet. Zur Strafe wird es vom Fortgang, den es nicht aus sich heraus zu stiften vermag, während es ihn unablässig als Modell zu tragen vorgibt, dementiert. Die scheinbar so widerstandslose Totalität, die sich der Ausmerzung des qualitativ Einzelnen verdankt, erweist sich als bloßer Schein, als der zum Absoluten erhobene Widerspruch.

Je triumphaler Wagners Musik sich aufführt, desto weniger kennt sie mehr in sich einen Feind, den sie bezwänge; stets überschrie der bürgerliche Triumph die Lüge der Heldentat. Gerade die Abwesenheit eines dialektischen Stoffes, an dem sie sich bewähren könnten, verdammt die Wagnerschen Totalitäten zur bloßen Dauer. Daß Motive wie das des Schwertes oder das von Siegfrieds Hornruf von keiner Formkunst zu meistern sind, ist evident: der Vorwurf der melodischen Einfallslosigkeit trifft weniger einen Mangel des subjektiven Vermögens als einen objektiven. Immer wieder muß das gestische Verfahren die melodische Folge natürlicher Obertöne sich zunutze machen. An ihnen aber hat die beseelende Kraft eben des Subjekts ihre Grenze, die Allherrschaft sich anmaßt. So zeitigt die stete Rücksicht auf Drastik und Faßlichkeit, die Wagner zu signalähnlichen Motiven greifen läßt, Unplastik und technische Inkonsequenz im Verlauf. Man kann das etwa schon am Lohengrinvorspiel zeigen. Dessen Thema ist, nach vier Einleitungstakten, in einem achttaktigen Satz exponiert. Die erste Hälfte wirkt unartikuliert: die poetische Idee des »Schwebenden« verhindert gleichsam die musikalisch eindeutige Folgerung, während gerade die ästhetische Idee des Vagen technisch der bestimmtesten Darstellung bedürfte. Die Unplastik jener ersten Hälfte rührt nicht nur her vom Verhältnis zur zweiten, deren Formsinn – ob melodische Fortspinnung oder Nachsatz – nicht ganz klar wird. Sondern schon die Melodie des Vordersatzes selber enträt der Faßlichkeit, weil sie sich auf den beiden Noten e und fis festbeißt, ohne daß deren Wiederholung, als thematisch, eindeutig gesetzt wäre. Der Grund dafür ist zunächst harmonischer Art. Der stufenarme Vordersatz verwendet von Nebenstufen nur die sechste, die im Zusammenhang des Satzes unselbständig, bloßes Substitut der ersten bleibt. Die unentschiedene harmonische Relation von erster und sechster Stufe spiegelt sich in der melodischen Unartikuliertheit des e-fis, der Noten, auf welche die Oberstimme immer wieder gleichsam zurückfällt. Die Stufenarmut selber aber wird von der Ökonomie der Stelle erzwungen. Die Nebenstufen, oder deren Äquivalente in modulatorischer Ausweichung, schlicht gesagt, die frischen Töne der Unterstimme, spart Wagner für den Nachsatz auf, der mit dem gleichen Motivmaterial wie der Vordersatz haushalten muß. In ihm nun gewinnt die Melodie, obwohl sie an denselben Noten e und fis wie der Vordersatz haftet, mit einem Mal Plastik durch die harmonische Perspektive, die sie vermöge der Berührung der Tonarten fis-moll, E-Dur, h-moll eröffnet. Das Mittel der harmonischen Perspektive aber, das die Plastik der Melodie herstellt, muß Wagner sparsam verwenden, nicht bloß, weil er stets mit den überlangen Zeitdimensionen zu rechnen hat, sondern auch den Forderungen zuliebe, die aus dem Hörwinkel des Kapellmeisters, dem Gedanken an den Wirkungszusammenhang ergehen; in der Theorie wie im eigenen Verfahren ist paradoxerweise der Chromatiker Wagner eine gewisse Scheu vor der Modulation, außer im Tristan, nie ganz losgeworden. Ohne das Gegengewicht diatonischer Partien von Art des Vordersatzes schüfen Stufenreichtum und chromatische Stimmführung jene Esoterik, die Wagner wie den Tod fürchtete. Ihre Verhöhnung war nicht die letzte unter den polemischen Absichten der Meistersinger, wo dem verkünstelten Meistergesang schon etwas wie das nachmals losgelassene gesunde Volksempfinden kontrastiert wird: die Idee der Selbstzurücknahme reicht bis in die Geschichte von Wagners eigenem Werk hinein, das zu seiner produktiven Mitte, dem Tristan, ein wenig sich verhält wie der Reiter überm Bodensee. Die sozial-konformistische Forderung der Auffaßbarkeit und die artistische der Plastik, die ursprünglich bei Wagner zusammenfielen, treten auseinander. Ihre Antinomie, daß alles zugleich verständlich und apart sein soll, teilt beiden Schichten des Wagnerschen Materials, den diatonischen und den chromatischen Motiven, gleichermaßen sich mit. Die »aparten«, als Reiz empfundenen Halbtonschritte des Tristan heben so wenig voneinander sich ab, wie umgekehrt die urtümelnden Fanfaren als Melos recht eigentlich sich behalten lassen; zumal die letzteren tendieren zum Amorphen, wie es mit voller Konsequenz im Rheingoldvorspiel auskomponiert ward. Der Bruch reicht bis in den Einfall selber hinein. Einfall ist eine junge musikalische Kategorie. Das siebzehnte und frühe achtzehnte Jahrhundert kannte sie so wenig wie das Eigentumsrecht an bestimmten Melodien. Erst als die Spuren, die der monadologisch vereinsamte Komponist im musikalischen Material als Charaktere hinterlassen möchte, gibt es Einfälle. Wagners Werk aber ist darauf aus, die eingezeichneten Charaktere im Naturmaterial untergehen, verschwinden zu lassen. Die Kraft des Einspruchs, welcher die des Einfalls gleichkommt, findet sich bei ihm annulliert, und das entfremdete An-sich-sein eines Materials, dem der Komponist um so ohnmächtiger schließlich gegenübersteht, je mehr er es beherrschen lernt, wird als verzweifelte Auskunft zum Wesen erhoben. Tendenziell löst Wagners Kompositionstechnik sowohl wie seine Texte alles Bestimmte, Namentliche ins Ein und Alles auf, sei es in den »Ur«dreiklang, sei es ins Chroma. Die Wagnersche Typenfeindschaft endet absurd beim Namenlosen, Unspezifischen, Abstrakten derart, daß man etwa bei Max Reger schließlich jedes Thema und jeden Takt aus jedem Werk in jedes andere transponieren könnte, während die innere Brüchigkeit des Motivmaterials bei seinen neudeutschen Nachfolgern Strauss und Pfitzner an den Extremen auftrumpfender Banalität und hilfloser Undeutlichkeit offenbar wird.

Die Brüchigkeit des Kleinsten wird vom Makrokosmos gespiegelt: von dem, was der Bayreuther Schule unendliche Melodie hieß. Weniger als sonstwo handelt es sich dabei um ein Neues: eher möchte das hochtrabende Prestigewort eine Schwäche verdecken. Unendliche Melodie als den »roten Faden«, den festgefügten sukzessiven Zusammenhang der Hauptstimme, hat es abermals in der Wiener Klassik gegeben; die von einer Gruppe an die andere überspringende Melodie machte dort die Einheit der durchbrochenen Arbeit sinnfällig. Wagner hat einzig, im Gedanken an den »hohen Stil«, der sein ganzes Werk inspiriert und den er dem kleinbürgerlich-musikalischen Glück im Winkel entgegensetzt, gegen das genrehaft Abgesetzte, bequem Überblickbare protestiert, das ihn noch an Brahms ärgerte, als er im Konflikt mit Nietzsche von »Triumph- oder Schicksalsliedchen« sprach. Indem der nach außen möglichst undurchbrochene melodische Verlauf dem Gedächtnis des Zuhörers das Besitzrecht an kleinem musikalischen Eigentum verweigert, spannt es ihn desto unerbittlicher in den Wirkungszusammenhang der Totalität ein. Progressiv bewährt sich die unendliche Melodie gegenüber jenen diskret gegeneinander abgesetzten, unzulänglich verknüpften Perioden, in denen die zur Intimität resignierende Romantik sich zu bewegen liebte, bereit, noch die Sonate dem Liedideal zu unterwerfen. Der teils aus Willen, teils aus Not sich beschränkenden Melodik seiner deutschen Vorgänger, und vollends den Lieblingsopern der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts gegenüber bedeutet Wagners Konzeption ausgreifender melodischer Komplexe Fortschritt in ähnlichem, auch ähnlich suspektem Sinn wie der industrielle Aufschwung der Bismarckschen Ära gegenüber der Welt des Vormärz. An den gelungensten Stellen der Meistersinger, im dritten Akt Siegfried, zuweilen auch in der Walküre, erreicht Wagner in der Tat eine melodische Flexibilität ungekannter Art: als befreite sich die melodische Triebkraft von den Fesseln der kleinen Periode, als schlüge die Gewalt von Drang und Ausdruck über die konventionellen Gliederungen und Symmetrieverhältnisse hinaus. Aber als Komplement der Motivtechnik bleibt auch die unendliche Melodie Schein. Nicht daß es ihr an Artikulation fehlte; selbst Nietzsche hat Wagner noch mit den Ohren des Biedermeier gehört, als er ihn formlos fand. Zunächst jedoch führt gerade die Sorge um das Nichtabreißen des von Beethoven überkommenen »roten Fadens« zu einem Verlust an Differenzierung des melodischen Verlaufs. Trotz allem bleibt dieser bei Wagner wie bei seinen romantischen Vorgängern weit mehr auf die bequem faßliche Vordergrund- und Oberstimme beschränkt, als bei dem an der Kammermusik geschulten Satz des Wiener Klassizismus. Die viel bemerkte instrumentale Melodieteilung nuanciert eher koloristisch das abrollende Melos, als daß sie es durch echt durchbrochene Arbeit in sich selber dialektisch machte, in Spannungen auflöste. Solche Primitivität wird durch die rhythmische verstärkt, deren Wagner selber sich in den Jahren zwischen Lohengrin und Rheingold mit viel kritischer Einsicht erwehrte. Sie ist die Folge der »Unendlichkeit« als der Überdehnung der Zeitdimension. Erst viele Takte gewissermaßen bilden eine Takteinheit, und wie im Venusberg sind für Wagners Musik sieben Jahre gleich einem Tag. Mannigfaltig gerät erst die Großrhythmik. Das Einzelne, stets schon im Hinblick auf sie entworfen und ohne Kraft des Verweilens, treibt aber darum immer wieder zur Monotonie, besonders kraß im Lohengrin. Vielfach, so auch in dem überaus inspirierten zweiten Akt des Tristan, summieren sich die symphonieähnlichen Sätze aus langen Abschnitten, von denen jeder einzelne von einem Hauptmotiv bestritten wird, bis es ganz erschöpft ist. Wird endlich der nächste eingeführt, so ist die Wirkung eher eine der Abwechslung als des Resultats, und in sich sind die Abschnitte, verglichen mit dem einfachsten Mozartschen Stück, erstaunlich arm an Gestalten. Jene Ungeduld der Hauptstimmen, die ohne störende Komplikationen zum Ziel der Großperiode gelangen möchte, verwehrt aber auch, allen neudeutschen Behauptungen zum Trotz, eigentliche Polyphonie. Die einzig strikt kontrapunktischen Stellen sind Themenkombinationen. Sie ziehen, wie die berühmteste von allen im Meistersingervorspiel, ihre höchst literarische Wirkung aus der paradoxen Gleichzeitigkeit von Melodien, die ursprünglich durchaus sukzessiv gedacht und mit Akkordbegleitung empfunden sind; sie bestätigen nur die grundsätzliche Homophonie durch synthetische Apotheose der Motive. Auch die vielberufene Selbständigkeit der orchestralen Mittelstimmen, die noch der frühe Schönberg als Muster erkor, war zumindest bei Wagner selber harmonisch determiniert. Die Mittelstimmen vollziehen die Ineinanderbewegung der Akkorde, umschreiben sie und folgen dabei der Schulregel, im vierstimmigen harmonischen Satz sich möglichst ohne Sprünge, in kleinen Schritten zu bewegen. Darüber hinaus befriedigt die Verselbständigung der Mittelstimmen das expressive Bedürfnis. Sie sollen, so will es der erfahrene Orchesterpraktiker, so weit »sinnvoll« werden, daß sie mit jenem Ausdruck gespielt werden können, der sich zur Wirkung des Ganzen summiert. Unverkennbar hat gerade Wagners harmonische Polyphonie zur Freisetzung der wirklichen entscheidend beigetragen. In Tristan, Götterdämmerung, Parsifal erzittert zuweilen das sichere, von Wagner peinlich respektierte vierstimmigharmonische Schema unterm polyphonischen Gegendruck. Die unendliche Melodie selber aber, stets verwiesen auf den Akkordverlauf und kaum je autonom, gewinnt bei all dem wenig. Der zwangshafte Verzicht auf ganze Schichten kompositorischer Mittel, Komplement eines jeden selbstherrlichen »Stilwillens«, nötigt Wagner zu jenen Wiederholungen, Fortspinnungen und Überdehnungen, die am letzten von einer Motivsubstanz getragen werden, die selber nur im Hinblick auf solche Unendlichkeit entworfen wurde. Das, und nicht die Emanzipation des Melos von kennbaren Einschnitten, trägt die Verantwortung für die Mißverhältnisse, welche den frühen Hörern Wagners als Belege seiner Formlosigkeit galten. Wagners Melos bleibt eben jene Unendlichkeit schuldig, die es verheißt, indem es, anstatt wahrhaft frei und ungebunden sich zu entfalten, immer wieder auf die kleinen Modelle zurückgreift und durch deren Aufreihung die eigene Entwicklung surrogiert. Nur allzu deutlich zeigen sich die melodischen Enden der unendlichen Melodie. Sie sind durch stereotype Trugschlüsse1, wie die Auflösung des Dominant-Septimakkords in den Terz-Quartakkord der Wechseldominante, kaum eben verkleistert. Die prätendierte Unendlichkeit bleibt schlecht als bloße Hülle eines Endlichen, die unendliche Melodie wagt nur darum, immer weiter zu gehen, weil sie sich bei den Sequenzmodellen jeden Abschnitts allzu geborgen, eigentlich als unabänderlich dasselbe weiß.

So ist denn auch die Konzeption der unendlichen Melodie ohne nachhaltigere Wirkung geblieben. Um so intensiver war dafür die eines mit jener eng verknüpften Stilmittels: des Sprechgesangs. Er setzt voraus, daß die traditionelle Gliederung der Melodie nicht länger anerkannt, daß der horizontale Verlauf von der Kontrolle eines regelmäßigen Vers- und Strophenbaus entbunden ist, und dieser Dispens wird auf die musikalische Behandlung des Textes selbst übertragen. Dabei stößt man auf einen gesellschaftlichen Sachverhalt. Bekanntlich wird der Wagnersche Sprechgesang im allgemeinen aus dem Accompagnato-rezitativ hergeleitet, obwohl Wagner von Anfang an gegen seine Vermengung mit dem Rezitativ sich verwahrte. Im Liebesverbot findet sich nun gelegentlich der der Spieloper entlehnte Brauch, die melodische Hauptstimme ins Orchester zu verlegen, während die Singstimme – etwa einen Ton festhaltend – dazu »deklamiert«. Man möchte vermuten, daß Opernkomponisten wie Rossini und Auber gerade solchen Eigentümlichkeiten den Ruf des Geistreichen verdanken. Dabei war wahrscheinlich gemeint, daß die Spieloper, ohne ihr rein musikalisches Gewebe zu opfern, die Wortbedeutungen durchläßt und auf diese Weise etwas vom Stilisierungszwang der großen Oper lockert zugunsten des empirischen Daseins. Wagner hat wohl die deklamatorische Behandlung der Singstimme der von ihm sonst als kalt und oberflächlich beschimpften Manier entlehnt; sich bemüht, Opera buffa und Opera seria zu verschmelzen, wie vordem der Wiener Klassizismus den »galanten« und »gelehrten« Stil. Der Motivgehalt käme aus der romantisch-pathetischen, das Verhältnis von Sprache, Gesang und Orchester aus der Spieloper, und der musikdramatische Stil beruhte auf einer Vereinigung divergierender Operntypen, wie sie schon in der Zauberflöte, im Don Juan, im Fidelio angestrebt war. Die Opera seria aber gehört zum höfisch-feudalen Zeremonial, die buffa, ganz deutlich bei Pergolese, zur bürgerlichen Opposition. Wagner hat beides versöhnt unterm Primat des Bürgertums, das dafür auf eingreifend oppositionelle Regungen verzichtet. Präzis wird das vom Sprechgesang registriert. Das Parlando des Liebesverbots hat in den Spätwerken den ironischen, die Würde der Herrschenden demaskierenden Charakter verloren, um dessentwillen es doch eigentlich geistreich hieß; es ist zum Pathos übergelaufen, und das Gebell der Wagnerschen Sänger ist das Kind solcher mésalliance. Dies verbürgerlichte und damit das Lächerliche streifende Pathos schafft sich zugleich bei Wagner sein sprachliches Mittel in der Alliteration. Sie ist der progressiven Prosatendenz verwandt. Wie die Musik selber sich der Schablonen entäußert, so möchte sie diese auch im Wort nicht mehr dulden. Der bürgerliche Oppositionelle drängt auf Entzauberung der Sprache. Der ohnmächtige Überläufer jedoch sucht der Entzauberten archaistisch neuen Zauber abzugewinnen: die verbürgerlichte Sprache soll tönen, als werde in ihr das Sein selber laut. Der fortschrittliche Wagner hat die gebundene Sprachform so abgewandelt, daß sie den musikalischen Tonfall nicht stört und dem Gedanken wie der Musik sich anschmiegt gleich Prosa; der Reaktionär hat ihr ein magisches Element beigemischt, einen Sprachgestus vollführt, der einen vor der Spaltung in Vers und Prosa liegenden Zustand fingiert.

Wagners Musik nimmt insgesamt eine veränderte Haltung zur Sprache ein. Sie antwortet ihr nicht, sie wandert nicht ein in Wald und Höhle des Wortes wie Schubert. Vielmehr läßt sie die Sprache, als Interpretin ihrer allegorischen Bildchen, der Leitmotive, durch ihr Gitterwerk fremd, dinghaft durchdringen. Dem verdankt Wagner eine Schicht, der nur wenig Beachtung geschenkt wurde: die Fähigkeit, selber Dinghaftes, Prosaisches, Trockenes, Musikfremdes zu bewältigen. In der Charakteristik Beckmessers und Mimes ist die Grenze des Ausdrucks über die poetische Subjektivität hinaus erweitert, ohne doch ins bloße Illustrieren zu verfallen; darin berührt sich Wagner am ehesten mit dem ihm gänzlich unbekannten Mussorgsky. Indem der hohe Stil übers niedrig Alltägliche, im bereits negativ gewandten Sinn Bürgerliche sich ausbreitet, kristallisieren sich ganz neue musikalische Charaktere. Der Fortentwicklung dieses Elements mehr als jedem anderen verdankt Hugo Wolf seinen Ton; in den Straussischen Witzen ging es zugrunde. Der gleiche Wagner, dessen Schwäche die Prägung rein musikalischer Charaktere war, bewährt sich unübertrefflich in der Übersetzung von Ausdruckscharakteren in Musik. Sie schlagen sich dann auch in der Komplexion seiner gesamten musikalischen Sprache nieder. Die Mahnung des Bayreuther Triumphators, »Kinder, schafft Neues«, dürfte eben die Forderung solcher neuer Ausdruckscharaktere angemeldet haben. In der Tat sind sie seit Wagner, den einen Mahler ausgenommen, zugunsten immanent-kompositorischer Formmittel verkümmert, und am Spezialistischen der neuen Musik in ihren höchsten Repräsentanten hat das Absterben jener Fähigkeit gewiß Anteil. Sie aber, die sich stets Zeit zum Ausmalen läßt, ist keineswegs dramatischen Wesens, wie denn überhaupt Wagner Theatraliker eher als Dramatiker war. Die wunderlichen Gattungsbezeichnungen der Werke seit dem Tristan – die Meistersinger rechnen sich überhaupt keiner Gattung zu – lassen darauf schließen, daß Wagner selbst etwas davon ahnte. Fürs Drama scheint er zu ideologisch: er vermag es nicht, den Geist hinter die Sache selbst zurücktreten, einzig aus dieser sprechen zu lassen, sondern fühlt sich als Künstler stets zugleich in der Rolle des Apologeten, der es selber sagen muß. Mit der romantischen Tradition teilt Wagners Musik ein episches Moment: sie neigt sich der Vorwelt, indem sie von dieser berichtet. Manchmal nimmt sie selber die Diktion des berichtenden Wortes an, so etwa, wenn Siegfried im dritten Akt bei der schlafenden Brünnhilde das Fürchten lernt. Die ausgedrückten Gefühle sind nicht, und gewiß nicht in den Spätwerken, die der dramatis personae, sondern die des reflektierenden Autors. Diese Funktion der Musik dient aber der Zurücknahme der Zeit. Die großen Erzählungen Wotans im zweiten Akt der Walküre, Siegfrieds vor seinem Tode lassen sich nicht dramaturgisch begründen. Sie bringen nichts, was in der Handlung nicht selber sich ereignet hätte. Aber sie wenden an entscheidenden Stellen, der von Wotans Verneinung des Willens und der des Unterganges der einen Hoffnung, die Handlung selber ins Vergangene, so wie der Gestus des Bars seinem Formsinn nach sich selber auf den Körper zurücknimmt. Die Wagnerschen Erzählungen gebieten der Handlung Einhalt als dem Lebensprozeß der Gesellschaft. Sie lassen sie stillstehen, um sie ins Reich des Todes, das urbildliche der Wagnerschen Musik, hinabzugeleiten. Wagners Musik ist episch als geleitende. Indem sie jubelnd oder leidend ihre Helden mit sich zieht, antezipiert sie das Verdikt der Gesellschaft. Je mehr sie sich aber den Hörern aufreden will, als ob sie deren eigene Entscheidung wäre, desto mehr muß sie vortäuschen, daß sie mit ihren Figuren unvermittelt eins sei, diesseits der Trennung von Sänger und Held. Daher muß der redende Dichter im Kostüm des »Meisters« mythische Identität mit den eigenen Geschöpfen behaupten, muß seine Figuren als deren Schauspieler musikalisch nachmachen. Das erklärt die Zweideutigkeit seines musikalischen Verhaltens, das die lyrische Reflexion der dramatischen Person und die gestisch-affektive Unmittelbarkeit des Dirigenten miteinander verwirrt. Etwas davon äußert sich in jenem Brief an Liszt, in dem Wagner diesem die Unterbrechung der Arbeit am Ring mit den Worten mitteilt, er habe seinen jungen Siegfried noch unter die Linde geleitet und dort mit viel herzlichen Tränen von ihm Abschied genommen. Die Tränen, die seine Musik über die eigenen Kinder vergießt, gelten aber in Wahrheit dem Weinenden selber. Indem das Publikum von diesem sich ergreifen läßt, soll es den reuigen verlorenen Sohn empfangen. Worin sie sich begegnen, ist nicht die Versöhnung zu gemeinsamem Leben, sondern die tödliche Fügung, der beide gleichermaßen verfallen sind.

 

IV

 

Die tragenden Widersprüche der formalen und melodischen Struktur Wagners – notwendige Bedingung des technisch Brüchigen – bestimmen allgemein sich damit, daß das regressiv Immergleiche sich als Immerneues, das Statische sich als Dynamisches vorträgt, oder daß, umgekehrt, dem eigenen Sinn nach dynamische Kategorien identifiziert werden mit unhistorischen, präsubjektiven Charakteren. Wagners Komponieren ist inkonsistent nicht, weil es unmittelbar als statisch, gar als Sein im Sinne der ontologischen Ideologie von der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts sich gerierte wie etwa Strawinsky. Dieser weiß sich, trotz tiefer Affinität im Element des Vorweltlichen und vielleicht gerade dieser Affinität wegen, als den Antipoden Wagners schlechthin. Strawinsky setzt die Regression in immer neuen Gestalten frei; wie in der faschistischen Ideologie wird in seiner ästhetischen dem Begriff des Fortschritts abgeschworen. Der hundert Jahre Frühere dagegen, der im Liberalismus wurzelt, aber dessen eigene Rückbildung vorweg errät, möchte das regressive Element selber noch als das fortschrittliche, die Statik als Dynamik behaupten, Exponent einer Klasse, die objektiv bereits von der geschichtlichen Tendenz bedroht ist, ohne doch dem eigenen Bewußtsein nach sich als geschichtlich verurteilt zu erfahren, und die statt dessen das absehbare Ende der eigenen Dynamik als metaphysische Katastrophe auf den Seinsgrund projiziert. In der Tat sind die Momente der Rückbildung bei Wagner stets auch solche der Entfesselung produktiver Kräfte. Das Subjekt, das da erstmals in der Musik von der Krise der Gesellschaft erfaßt wird, gewinnt nicht bloß in solcher Schwäche unendlich an konkreter Fülle, Ausdrucksfähigkeit und Nuanciertheit, sondern hat auch, gegenüber dem souverän sich setzenden bürgerlichen Subjekt der aufsteigenden Zeiten, Züge eines sich selbst Loslassens, sich nicht bei sich selber Haltens und Verhärtens, die hinausweisen über die Ordnung, der es angehört.

Nirgends entfalten jene Züge Wagners sich glücklicher als dort, wo der regressive frei ist von der Lüge, dynamisch zu sein; wo gleichsam das gesellschaftliche Subjekt musikalisch der eigenen Rückbildung ins Auge sieht, ihr standhält und ihre Geschichte schreibt, indem es sie unverbogen in seinem Material realisiert. Daher ist das eigentlich produktive Element Wagners eben das, in dem das Subjekt auf Souveränität verzichtet, passiv sich dem Archaischen – dem Triebgrund – überläßt; dem Element, das gerade vermöge seiner Emanzipation den unerfüllbar gewordenen Anspruch preisgibt, den Zeitverlauf als sinnvoll zu gestalten. Dies Element aber ist, in seinen beiden Dimensionen, der harmonischen und der koloristischen, der Klang. Durch ihn scheint Zeit in den Raum festgebannt, und wie er als Harmonie den Raum »füllt«, so ist der Name der Farbe, für den die Musiktheorie keinen anderen kennt, selber der optisch-räumlichen Sphäre entlehnt. Zugleich ist es der bloße Klang, welcher eben jenen unartikulierten Naturzusammenhang vorstellt, in welchen Wagner auflöst. Regrediert jedoch Musik bei Wagner ins zeitfremde Medium des Klanges, so gestattet dafür gerade dessen eigene Zeitferne, es weithin zu entwickeln, ungehemmt von den Tendenzen, die in der Zeitdimension seine Gebilde wieder und wieder paralysieren. Als Ausdruck dringt subjektive Produktivkraft in der harmonischen Schicht am kühnsten vor: Prägungen wie das Schlafmotiv des Ringes gleichen Zauberformeln, fähig, alle späteren harmonischen Funde aus dem Kontinuum der zwölf Töne hervorzulocken. Mehr noch als in der Atomisierungstendenz nimmt in der Harmonik Wagner den Impressionismus vorweg. Die bekannten Belege aus Tristan ließen durch extreme Fälle sich ergänzen: die Walküre entwickelt aus dem übermäßigen Dreiklang schon Ganztonkomplexe; Siegfried gar kennt eine der Wirkung, wenn nicht dem harmonischen Buchstaben nach polytonale, zwischen C-Dur und f-moll schwankende Stelle, vor Mimes Worten »das gab mir deine Mutter«; vor allem aber ist an die auf dem Tritonus-Intervall basierende kurze Szene des Wanderers mit Fafner und an große Teile der Fafners mit Siegfried zu erinnern, wo der Begriff des harmonischen Fortgangs ganz im Sinne Debussys suspendiert ist, und wo statt dessen akkordische Ebenen verschoben werden. Trotzdem wäre es falsch, Wagners harmonische Tendenzen umstandslos auf den Impressionismus zu beziehen. Wenn er, der ja von Renoir porträtiert wurde, den malerischen Impressionismus ablehnte – den gleichen Impressionismus, dessen technische Mittel später Debussy auf die Musik übertrug –, so läßt sich gewiß kaum bezweifeln, wohin die Lobpreisung Tizians auf Kosten der »Kleckser« zielt. Fraglos ist Wagners Neigung im Spiel, in allen Dingen außerhalb seiner engsten fachlichen Zuständigkeit die Partei autoritärer Klassiker zu nehmen gegen die »Modernen«: die Nietzschesche Parole des Unzeitgemäßen hat sich beim Autor des Tristan, dem Idol der Pariser Symbolisten bis zu Mallarmé, in hämische Selbstgerechtigkeit verzerrt. Zugleich aber führen wiederum seine eigenen harmonischen Funde über den Impressionismus zumindest der deutschen Wagnernachfolge hinaus. Hat Richard Strauss die Wagnerischen und die aus ihnen entwickelten Dissonanzen bloß als Reizwerte, tatsächlich klecksartig, in ein hinter Wagner zurückgebliebenes, primitives harmonisches Gefüge eingesetzt, so greifen zuweilen bei dem Älteren die neuen Akkorde den Grundriß selber an. Sie gewinnen konstruktive Kraft. Schon im einzelnen gehen sie als Dissonanzen über die impressionistischen hinaus. Die Walküre bringt bei Wotans großem Ausbruch, vor den Worten »o heilige Schmach«, einen Akkord, der sechs verschiedene Töne (c f as des ces eses) enthält und nicht eigentlich aufgelöst wird; Siegfried gebraucht einen ebenso scharf dissonanten Nonenakkord zu den Worten »und aller Lasten ist das nun mein Lohn«; in den beiden letzten Opern gewinnt der verminderte Septimakkord mit der darüber gelegten kleinen None des Grundtons als fünftöniges Gebilde Selbständigkeit, leitmotivische Bedeutung; besonders kraß, wenn er, wie häufig im Parsifal, anstelle einer Auflösung einstimmig fortgesetzt wird. Wichtiger indessen als das bloße Vorkommen solcher Klänge ist ihre Funktion. Sie wird von der üblichen, an den Begriffen des Leittons, der Chromatik und des harmoniefremden Akzidens ausschließlich orientierten Deutung verfehlt. Ursprünglich war die chromatische Entwicklungstendenz der romantischen Periode fortschrittlich. In der widerstandslosen totalen Leittönigkeit hat sie bei Wagner erstmals etwas Nivellierendes und Stationäres angenommen. Aber auch hier werden Gegenkräfte entbunden: gerade als totale produziert die Chromatik aus sich selbst Widerstände, kräftige Nebenstufen, die keineswegs mehr bloß Tonika und Dominante ersetzen. Dem ist besonders Kurth nicht gerecht geworden. Wohl hat er die Emanzipation der Dissonanz von ihrer Auflösung, den tragenden Tatbestand der Verselbständigung dessen bemerkt1, was früher bloß Akzidens war. Aber er faßt dabei die Dissonanzen als »absolute Klangwirkung«, anstatt zugleich auch als stufenbildende Harmonien und bietet damit die genaue theoretische Parallele der Straussischen Praxis unverbindlicher Dissonanzkleckse2. Nicht umsonst gehört der Begriff der Klangwirkung in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts zum billigsten journalistischen Inventar. Mit diesem möchte Kurth sich gewiß nicht einlassen. Seine Interpretation der Harmonie als »energetisch« und nicht bloß klanglich nimmt sich avanciert aus und hilft zur Einsicht in den prinzipiell dynamischen Charakter der harmonischen Dimension. Kurth hat das harmonische Verhältnis von Dissonanz und Konsonanz als eines von Spannung und Lösung inhaltlich gedeutet. Mit dem Begriff des Spannungszusammenhangs zwischen harmonischen Ereignissen, anstatt deren statischer Registrierung im Generalbaßschema, werden überholte theoretische Restbestände liquidiert, gegen die übrigens bereits der Riemannsche Funktionsbegriff sich kehrte. Aber Kurth zufolge maskieren und umschreiben die Spannungen in Wahrheit bloß das Auflösungsziel, »für« das sie einstehen, und durch das sie determiniert sind. So bringt er den Spannungsbegriff um seine Fruchtbarkeit und hält, allen subjektiv-psychologischen Redeweisen zum Trotz, ja vielleicht gerade um ihretwillen, die Konservatoriumskategorie des »Harmoniefremden« fest. Er übersieht, daß die »Akzidenzien«, etwa der Tristanakkord, in der kompositorischen Gewichtsverteilung zur Hauptsache geworden sind. Die Dissonanzen haben den Lösungen gegenüber in Wagners Stilperiode den Charakter der selbstherrlichen Subjektivität angenommen: sie protestieren wider die regelsetzende gesellschaftliche Instanz. Alle Energie ist bei der Dissonanz; an ihr gemessen werden die einzelnen Lösungen immer dünner, unverbindliches Dekor oder restaurative Beteuerung. Spannung wird zum totalen Prinzip gerade, indem die Negation der Negation, die volle Begleichung der Schuld einer jeglichen Dissonanz, wie in einem riesigen Kreditsystem, unendlich verschoben ist. Indem Kurth daran vorbeisieht; indem er die Dissonanzen unter die Konsonanz beugt, der sie widersprechen und die ihnen nur noch äußerlich gewachsen ist, schmuggelt er gerade im Wohlwollen gegen das »moderne« dynamische Moment der Harmonik ein autoritär-traditionalistisches ein. Wo aber die Dissonanz solcher Interpretation spottet, muß Kurth sie eben zu jener bloßen Klangwirkung degradieren, der seine energetische Kritik des Klangbegriffs widersprach. Nur sehr gelegentlich, bei der Behandlung des Gegensatzes der harmonischen Theorien von Riemann und Sechter3, kommt er einer dialektischen Auffassung der romantischen Harmonik nahe. Sonst bleibt er im undialektischen harmonischen Funktionsdenken befangen.

Wagner hat es freilich mit der berühmten Definition der Musik als Kunst des Übergangs4 selbst befördert, und die Tendenz zur allegorischen Rückkehr ins unartikulierte Naturmaterial gibt ihm in letzter Instanz recht. Der Drang, nichts Geprägtes gelten zu lassen, alles zu verflüssigen, jegliche Grenze zu verwischen, setzt technisch sich um in die Sorge um stetige Vermittlung. Aber Funktionalität, das Vermitteln von Spannung und Lösung, das keinen Überschuß gestattet, nichts was draußen bliebe – diese Verfahrungsart darf nicht zu primitiv verstanden werden, nicht buchstäblich und kurzfristig. Wagners harmonische Praxis erschöpft sich keineswegs im Begriff des Übergangs. Dabei ist nicht an die Diatonik als solche zu denken, wie Lorenz sie billig gegen Kurth ausspielt. Sondern in den weithin diatonischen Meistersingern erlaubt die archaische Stilisierung, recht analog zur Brahmsschen Modalität, jene Kräftigung der Nebenstufen, die den Primat der Dominante einschränkt und zugleich die Tonalität selber bereichert; das Altertümliche wird zum Ferment der Moderne. Die gewichtigste Folge der Gegentendenz, der Verselbständigung des harmonisch Einzelnen aber ist eben die Emanzipation der Dissonanz von den jeweiligen Auflösungen. Sie wird durch die Akzentuierung ins Licht gerückt. Die Akzente liegen in den harmonisch progressiven Partien durchweg auf den Dissonanzen und nicht den Lösungen. Im Parsifal, der alle bloß schmückenden Bestandteile der Musik beginnender Kritik unterwirft, tragen erstmals die Dissonanzen offen zuweilen den Sieg davon, sprengen die Konvention der Lösung und richten an deren Stelle die kahle Monodie auf. Wenn Wagner den Ruf Parsifals »Amfortas! – die Wunde!« an Gewalt über Tristans Verfluchung der Minne stellte, so hat er ins Zentrum seines Werkes acht Takte gerückt, die ihrer gesamten Faktur nach unmittelbar die Schwelle von Atonalität erreichen. Doch eben nur die Schwelle. Wagners Zweideutigkeit bedingt den Janus-Charakter auch seiner Harmonik. Dieser samt der Emanzipation der Dissonanz steigert nicht nur den Ausdruck, sondern erweitert dessen Bereich. Zweideutigkeit selber wird zum Ausdruckselement. Bei Beethoven und bis in die Hochromantik hinein sind die harmonischen Ausdruckswerte fixiert: die Dissonanz steht für das Negative und das Leiden, die Konsonanz für Positivität und Erfüllung. Das ändert sich bei Wagner im Sinn der subjektiven Differenzierung der harmonischen Gefühlsvaleurs. Der charakteristische Akkord etwa, dessen allegorische Beschriftung die Worte: »Lenzes Gebot, die süße Not« bringt und der in den Meistersingern das Moment des erotischen Dranges und damit das Agens schlechthin repräsentiert, kündet vom Leiden an der Unerfülltheit ebenso wie von der Lust, die in der Spannung, dem Unerfüllten selber liegt: er ist süß und Not zugleich. Diese Zwischenschicht des Ausdrucks, recht eigentlich die musikalische Moderne des neunzehnten Jahrhunderts, existierte nicht vor Wagner. Daß Leiden süß sein kann, daß die Gegensätze von Lust und Unlust nicht starr einander gegenüberstehen, sondern vermittelt sind, haben die Komponisten und Zuhörer einzig von ihm gelernt, und diese Erfahrung allein hat es dann der Dissonanz ermöglicht, über die gesamte Musiksprache sich auszubreiten. Und Weniges hat an Wagners Musik so sehr gelockt wie der Genuß der Qual. Während aber die Dissonanz als Ausdrucksträger in den reifen Werken hervorgekehrt wird, bedarf ihr Ausdruckswert selber doch stets des Kontrasts zum Dreiklang; die Akkorde bewähren sich expressiv nicht als absolute, sondern nur in ihrer impliziten Differenz von der Konsonanz, an der sie sich messen, noch wo sie verschwiegen wird. Für die Konzeption des Ganzen bleibt die Vormacht der Tonalität unangefochten, und man faßte den Begriff des harmonischen Fortschritts zu simpel, wenn man ihn bei Wagner umstandslos dort anwendete, wo neuartige akkordische Gebilde erscheinen. So wenig Wagners Musik jemals die Immanenz der bürgerlichen Gesellschaft und ihren Wirkungszusammenhang mit dieser aufkündigt, so wenig hat sie das geltende musikalische Idiom im Ernst verlassen, und ihre Neuerungen werden vorab von diesem absorbiert, mag ihre Konsequenz schließlich auch das System zersetzen. Nur vermittelt durch die Ausweitung des tonalen Raumes, nicht als dessen unmittelbare Suspension haben die Wagnerschen Errungenschaften die musikalische Sprache verändert. Ihr Einfluß auf die Organisation seines eigenen Werkes war, trotz der Lorenzschen Lobreden auf den tonartlichen Plan ganzer Akte und Werke, erstaunlich gering. Der Mangel an eigentlicher thematischer Konstruktion zieht auch die harmonische in Mitleidenschaft. Allenthalben zwar gibt es Riemannsche Funktionen, aber keine »funktionelle Harmonik« im Sinne von Schönbergs Theorie; es wird keine Perspektive der Form durch die Disposition sowohl der Einzelereignisse wie der wechselnden tonalen Ebenen hergestellt. Die Wagnersche Modulationsscheu, dies sonderbar konservative Residuum, das doch wieder mit dem Leittonverfahren der bloßen Rückung so leicht sich verbindet, versagt der Wagnerschen Harmonik ihre beste Möglichkeit, die der formalen Tiefenorganisation, wie sie etwa der an der Oberfläche so viel ungeschicktere Sechterschüler Bruckner konzipiert hat. Entschließt sich Wagner einmal zum eigentlichen Modulieren, wie, um im Meistersingervorspiel aus der Nachbarschaft des allzu beharrlichen C-Dur auszubrechen, so nimmt die Modulatorik, die nie von der Rückung ganz loskommt, etwas eigentümlich Willkürliches, Unbalanciertes an und verliert in ihrer Abruptheit leicht das formale Gleichgewicht mit den langen leitereigenen Partien, die vorausgehen; woraus sie dann freilich wieder Stimulantien der Wirkung zieht. Die Grenzen der Wagnerschen Formgestaltung sind auch die seiner Harmonik.

Untrennbar von den übrigen Elementen seines Komponierens hat die Harmonik insgesamt teil an den Widersprüchen von Wagners Stil. Dabei ist zunächst an die kaum in ihrer Tragweite gesehene Tatsache zu erinnern, daß seine reifen Werke noch in ihrer reichsten orchestralen Gestalt durchwegs auf einem fast schulmäßig innegehaltenen vierstimmigen harmonischen Satz basieren. Sehr häufig hat dieser die Gestalt: melodieführende Oberstimme – festgehaltener, wechselnd gedeuteter Baßton – harmonisch umschreibende oder chromatisch gleitende Mittelstimmen. Der vierstimmige harmonische Satz ist erklärbar aus dem dilettantisch-outsiderhaften Respekt vor dem regulären »Choral« der Harmonielehre, aber vielleicht auch aus der Haltung des taktierenden Komponisten. Der Choral bietet das ausgeführte harmonische Schema der Zählzeiten, worin auf jeden Schlag ein Akkord entfällt. Ein Modell dafür sind die Wandererharmonien des Siegfried. Der metrischen Monotonie entspricht eine harmonische wenigstens insofern, als dies Satzschema kaum abgewandelt wird: die Harmonien und ihr Zusammenhang, nicht aber die harmonische Setzweise sind von Wagners emanzipatorischer Absicht durchdrungen, und oft könnte es scheinen, als wollte durch schulgerechten Satz der schulfeindlichen Akkorde der harmonische Revolutionär die Lehrer versöhnen, denen er entsprang. Der harmonische Satz wird geglättet durch die festgehaltenen Baßnoten: durchwegs gibt es weniger Baßtöne als harmonische Ereignisse. Daraus resultiert eine gewisse Schwerfälligkeit, das charakteristisch Dickflüssige des Verlaufs. Es ist wohl die Erbschaft der dilettantischen Stufenarmut des jungen Wagner, wie in dem Allegro-non-tanto-Vorspiel vor Rienzis »Adriano, du? Ein Colonna?« Der reife Wagner hat aus solcher Not die Tugend der harmonischen Mehrdeutigkeit zu machen gewußt. Das enharmonische Element gewinnt bei ihm durchaus paradoxe Bedeutung. Man kann diese besser von seiner Vorgeschichte als vom entfalteten Verfahren des Tristan ablesen. Es findet sich schon im Holländervorspiel, wo die Modulation von d-moll nach As-Dur herbeigeführt wird durch Umdeutung eines zuvor auf a-moll bezogenen verminderten Septimakkords. Der Lohengrin zeigt es in Elsas Vision voll ausgebildet mit jenen von Wagner als Paradigma zitierten acht Takten, die von As-Dur über Ces-Dur, h-moll, D-Dur, d-moll, F-Dur-moll nach As-Dur zurückmodulieren. Die Pointe ist die Umdeutung des ces in h. Die enharmonische Verwechslung hat dabei die Wirkung des Unerwarteten, des Imprévu im Berliozschen Sinne. Dieser Überraschungseffekt, etwa der des ges nach dem Satz »daß ich für edel, frei und groß dich halte!«, durchbricht im Rienzi noch kraß und unvermittelt das Gefüge. Durch Enharmonik jedoch wird er dann, wie in der Lohengrinstelle, in den Kompositionszusammenhang hineingezogen. Das Neue ist zugleich das Alte: im Neuen erkennt es sich wieder und wird leicht auffaßbar. »Es klang so alt und war doch so neu«: das könnte die Regel der Wagnerschen Enharmonik abgeben und die der Wagnerschen Harmonik insgesamt. Akkorde wie der auf den ersten Schlag des dritten Taktes des Meistersingervorspiels, der Tristanakkord, der Warnungsakkord der Rheintöchter in der Götterdämmerung lassen sich zurückdatieren aufs »Alte«, auf Begriffe wie Durchgang, Alteration, Vorhaltsbildung. Indem sie aber umschlagend das Zentrum des musikalischen Vorgangs einnehmen, gewinnen sie die Gewalt des nie Gewesenen. Ganz verständlich werden sie erst aus dem fortgeschrittensten Material der gegenwärtigen Musik, welche die Stetigkeit des Wagnerschen Übergangs abgeschafft hat.

 
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