Motive

 

Beethoven bemerkt zur Kadenz des Es-Dur-Konzertes: Non si fa una Cadenza, ma s'attacca subito il seguente; Schönberg verwendet ›frei‹ als verbindliche Vortragsbezeichnung. So bestätigen die Ausnahmen Regeln ihrer Zeit: während Beethoven die Kadenz, letztes Überbleibsel der improvisatorischen Freiheit, dieser entreißt und der subjektiv-kompositorischen Intention unterwirft, wird Freiheit heute in Strenge vom Interpreten gefordert, die Strenge der Interpretation zu dämpfen, welche von der Freiheit der Komposition vorgeschrieben ist.

 

Nichts vermöchte Trauer als Grund ins Inwendige gewandter Musik sichtlicher herauszustellen als Schumanns Vorschrift: ›Im fröhlichen Ton‹. Der Name der Freude dementiert ihre Wirklichkeit, und das ›im‹, das einen fröhlichen Ton als bekannt und vergangen voraussetzt, meldet seine Verlorenheit zugleich und den Vorsatz, ihn zu beschwören.

 

Von Strawinsky ist keine Revolution zu fürchten. Dynamitattentat und Lebensversicherung übernimmt er in eigener und gleicher Regie, auf die gleiche Police; die Sprenglöcher von heute besucht er morgen mit sight seers in der Staatskarosse des ancien régime, und bald baut der blaue Vogel sein friedsames Nest darin.

 

Um die Orgeln ist es traurig bestellt. Die orchestralen mit der schlechten Unendlichkeit der Register und der expressiven Mechanik werden unglaubhaft, und nicht nur Advokaten muffiger Innerlichkeit sind ihre entschlossenen Feinde. Die archaischen aus Buxtehudes Zeit aber bieten wenig Abwechslung mehr. Es werden wohl alle verstummen müssen.

 

Ravels Valse besiegelt den Untergang der Walzer. Ein revenant muß zuvor gestorben sein.

 

Der Bedeutung der Fremdwörter in Operetten wäre nachzugehen. Ursprünglich mochten sie die banale Bürgerlichkeit, die den Phantasiehorizont der Operette markiert, vom Pathos der romantischen Oper abheben, die sich geweihter Sprachformen bedient, niedrigen sich versperrt. Mit der romantischen Oper ging die banale Bürgerlichkeit als geschlossenes Wesen. Die Operette zitiert beide. Das Fremdwort, in den achtziger Jahren Zeichen der ironisch akzentuierten Niederung, über die Kunst erhaben sich fühlt, wird der verspäteten zum einsamen Requisit gebildeter Konversation, die es in der Realität nicht mehr gibt.

 

19271

 

Über die Beziehung des bei Kant und bei Beethoven Gemeinten entscheiden nicht die zuverlässig moralischen Gesinnungen und nicht das längst bereits zerfallene Pathos der schöpferischen Persönlichkeit, von der Kant immerhin einmal sagte, es sei nicht viel Staat mit ihr zu machen, und die vollends von den entfremdeten Konstruktionen des späten Beethoven Lügen gestraft wird. Wohl ist es nur die nachdrückliche Person, die abgelöst vom gesellschaftlichen Grunde so zu formen vermag; der konstruktive Plan indessen drängt die Person aus dem mächtig erkaltenden Werk. Etwas davon aber eignet Beethoven wie Kant und vereint beide auf dem gleichen geschichtlichen Ort. Wie in der Hierarchie des Kantischen Systems die schmale Region der synthetischen Urteile a priori den Umriß der schwindenden Ontologie verkleinert bewahrt, frei nochmals ihn erzeugend, um ihn zu retten; und wie solche Erzeugung im Indifferenzpunkt des Subjektiven und Objektiven gelingt und untergeht – so steigen die Bilder der gesunkenen Formen in Beethovens Werk aus dem Abgrund des verlassenen Menschen auf und erleuchten ihn; sein Pathos ist die Gebärde der Hand, die die Fackel entzündet; sein Gelingen die Tiefe der Schatten, darin die trauernde Gestalt vor dem Ende des Lichtes sich birgt; sein Leiden geschieht in dem steinernen Blick, der das blassende Licht empfängt, wie um es für den Rest der Zeit zu bewahren; seine Freude gleicht dem flackernden Schein auf Wänden, die sich schließen.

 

Die Erklärung neuer Musik durch alte Formmittel könnte hingehen, würden die alten Kategorien als Darstellungsschemata verwandt, die die Fremdheit des Neuen in der Schwierigkeit der Konfigurationen von Bekanntem zum Ausdruck bringen. So mag recht wohl die Tonalität dem späteren Schönberg gegenüber gebraucht werden; doch nicht um zu zeigen, daß eigentlich auch er tonal komponiere – denn welche Musik ließe sich schließlich nicht auf dem Koordinatensystem der Diatonik, welche freilich auch nicht etwa auf dem zwölftönigen eintragen? –, sondern um zu zeigen, daß er nicht tonal komponiert; daß die Projektion auf das tonale Schema die Ereignisse unvergleichlich viel komplizierter erfaßt als die auf ein adäquateres. Die Reduktion auf Darstellungsschemata indessen ist von den üblichen Erklärungsweisen keineswegs erstrebt. Den alten Mitteln vielmehr mißt man natürliche Würde zu. Mit alten Mitteln erklären heißt dann zugleich: die Musik in geschichtsloser Natürlichkeit begründen. Unter der Hand verwandelt sich das Darstellungsschema in einen Wertautomaten, der gut findet, was sich einfügt, und schlecht, was zu viel Umstände macht. Was an neuer Musik Geschichte ist, wird so von ihrer historischen Erfassung gerade eskamotiert. Fast wäre zu glauben, daß alle Erklärung von Musik durch ein statisch-materiales Prinzip, es sei denn in der Aktualität frisch entdeckter Technik, das Beste unterschlägt und das Werk nach rückwärts verfälscht.

 

So viel reden sie jetzt von der serenitas, die Arm in Arm mit der neuen Sachlichkeit anmarschiert komme. Wenn man nur wüßte, warum wir auf einmal alle fröhlich sein sollen. Hat man darum bloß den siechen Tristan verlassen, um seinen schmerzvoll verzogenen Mund zur Grimasse des keep smiling anzuhalten? Und wenn schon der Ausdruck in Musik dubios wurde: warum muß dann dies Ausdruckslose, dessen Intention noch im Dunkel liegt, sogleich zur Fröhlichkeit der hellen Leere sich bequemen? Wäre das Ausdruckslose zu realisieren nicht schwieriger und mehr? Hat man am Ende die serenitas nicht nur dazu eilends erfunden, den Menschen einzureden, Leere sei das Allerheiligste ihrer Gemeinschaft? Soll serenitas sie nicht gar hindern, jener Gemeinschaft allzu ernstlich nachzufragen? Es gibt eine authentische Serenade in diesen Tagen: von Schönberg. Sie ist so fröhlich nicht.

 

Manche Musikkritiker mag man am Genetiv des unbestimmten Artikels vor Autorennamen zureichend erkennen. ›Der Impressionismus eines Debussy‹ – so entwerten sie das Konkrete, das sie nicht verstanden, zum Beispiel eines Typus, den es nicht gibt. Bildung vermittelt zwischen beiden.

 

Zu den niederträchtigsten Phrasen, mit denen sie die Veränderung des musikalischen Bewußtseins zu hintertreiben suchen, rechnet die vom ›richtunggebenden, neue Wege weisenden‹ Werk. Denn allein in seiner Einmaligkeit und Geltung für sich legitimiert ein Gebilde sich geschichtlich; nur was an ihm selber wahr und beständig ist, schlägt in den objektiven Prozeß über; niemals läßt sich das konkrete Werk von der historischen Totalität her konstruieren, sondern in seinen kleinsten Zellen ist die Totalität beschlossen. Indem aber anstelle der Einsicht in jene Konkretion der Bezug auf den präsumtiven historischen Verlauf tritt, entflieht man dem Werk in eine Zukunft, die oft genug als Vergangenheit sich herausstellt; weist das Werk neue Wege, so besteht Hoffnung, daß man sich nicht allzu lange mit ihm selber aufzuhalten braucht, da es ja selber nichts ist als Station am Schienenstrang, der mit Sicherheit in den Hauptbahnhof großer Gemeinplätze einmündet. So hat man besonders Schönberg standhaft zum Pfadfinder und Wegbereiter degradiert, wie wenn er der Händel-Renaissance und dem lateinischen Ödipus zuliebe die Erwartung geschrieben hätte, während doch dergleichen Unternehmungen eher der Furcht entspringen, einmal so real, wahrhaft und für die Dauer komponieren zu müssen wie die Erwartung.

 

An der Schwierigkeit musikalischer Kritik mag teilhaben: daß in der Musik der Typus des Sammlers lange nicht existierte. Nicht anders ließe Musik sich sammeln, als indem man sie in Schränke sperrte; die Kennerschaft dessen, der nicht vom Handwerk ist, bleibt jeweils an den aktuellen Vollzug von Musik gebunden und hat darum selten die konkrete Vertrautheit der Hand, die übers graphische Blatt fährt. Deshalb ist Dilettantismus vorweg am Rande von Musik zu finden und dem Dilettanten der Weg ins Zentrum meist versperrt. Die Dilettanten können ihr keine Kritiker stellen, während oftmals sonst Dilettanten gerade die genuine kritische Distanz schaffen. Daß Musik nicht wie Bild und Buch leibhaft besessen werden konnte, hat sie im Bürgertum bei aller Beliebtheit so esoterisch gemacht.

 

Das Kind, das auf dem Klavier eine Melodie sucht, bietet das Vorbild alles wahren Komponierens. So unsicher und stockend, doch mit genauer Erinnerung sucht der Komponist, was vielleicht stets schon da war und was er nun wiederbringen soll, auf den unterschiedslos schwarzen und weißen Tasten der Klaviatur dessen, woraus zu wählen ist.

 

Eine musikalische Ästhetik des Fortgelassenen wäre zu schreiben. Komponisten finden sich, und selbst ganze Stilgattungen, die sich mehr noch durch das charakterisieren, was in ihnen nicht vorkommt, als durch das, was positiv bei ihnen sich ereignet. Nicht Fülle allein ist das Zeichen kompositorischer Phantasie, sondern ebenso die Gewalt, mit der die kompositorische Intention einen Hohlraum sprengt in all das Mögliche, das sie umgibt. Die Kraft originaler musikalischer Anschauung zeichnet Figuren in den feinen Staub der abgestoßenen Chancen rings, und jene Figuren sind es gerade oft, die als kompositorische Schrift entziffert werden müssen. Von Neueren ist Debussy zumal solch ein Meister des Abgestoßenen.

 

Manchen zeitgenössischen Komponisten wird als besondere Qualität ihr ›Bewegungswille‹ nachgerühmt. In der Maschinenwelt, die man beleidigt, wenn man jene Art Musik mit ihr vergleicht, sind es Massen von Stoff, die bewegt werden, oder Menschen. Der frei waltende musikalische Bewegungswille aber genügt sich selber ideologisch: nichts wird da bewegt, und warum der einzig sichtliche Zweck, der des Kunstwerkes, gerade mit Bewegtheit um ihrer selbst willen herbeigeführt werden soll, bleibt unerfindlich. Daher kann es nicht fehlen, daß in der statischen Struktur der Bewegungsmusik, in der nichts, was erscheint, dem Zwang unterliegt, sich zu verändern, die Bewegung rasch genug als Scheinbewegung sich herausstellt. Sie treten auf der Stelle wie Soldaten beim Drill. Wenn man schon den Abbau der Humanität betreibt, sollte man sich nach gescheiteren Ausreden umschauen.

 

Rührend: woher sie es haben; woher dieser in Deutschland machtvoll erwachte Wille zur neuen Objektivität stammt, der da Individualismus und décadence, Zersetzung und Ästhetentum Schulter an Schulter mit der Jugendbewegung und eingedenk der Kernsprüche von Oberlehrern zu überwinden sich anschickt – wo all die kollektive Gesundheit mit einem Mal herkam. In der Musik jedenfalls haben es ihnen Strawinsky und Cocteau gezeigt, vorgeschobene Exponenten einer Großbourgeoisie, der die Sphäre des Individuell-Besonderen keine Sensation mehr bietet; deren Schick es wohl gar widerstreitet, überhaupt noch Individuum zu sein, und die nun, um der Sensation willen, die Gesetze einer vorhandenen oder lieber noch nicht vorhandenen Kollektivität als Reiz genießt, nicht ganz klar zwar entschieden zwischen Sport und Néothomisme, aber jeglichem Nervenbeton umstandslos geneigt. Dabei hat freilich der Wiederaufbau, der unter derart unglaubwürdigen Auspizien unternommen wird, immerhin einen realen Grund: nur eben nicht in unangreifbaren geistigen Beständen sondern in der ökonomischen Ordnung, die sie darum, wie immer verspielt für sich selber, den anderen als gottgewollte Objektivität und ungebrochene Wirklichkeit einzureden alles Interesse haben. Das gelingt erstaunlich gut: Kleinbürger, die sich keine Psychologie leisten können, werden mit dem Vorwand beliefert, diese zu überwinden, ehe sie nur recht wissen, was sie eigentlich ist. Das ist der Weg von Raymond Radiguet zur Musikantengilde. It is a long way to Tipperary.

 

Eines ist uns die vorige Generation nun doch schuldig geblieben: die musikalische Pornographie. Wie hoch sie immer hinaus wollen, Tristans Ekstasen zwischen Nacht und Tag, die schwierig tönende Seele der Prinzessin Salome und schließlich die kosmischen Deklarationen des Alexander Skrjabin: als eigentliches Ziel ist ihnen immerzu gesetzt die musikalische Abschilderung des vollständigen Beischlafs. Die aber konnte ihnen nicht geraten. Trotz aller achtbaren Ansätze bei Schreker und trotz Skrjabins heroischem Bemühen – der Rausch, den das Orchester rauschte, blieb armselig vor dem leibhaften der Begattung. – Die Unerreichbarkeit der Freude, die einst die musikalische Romantik inaugurierte, besiegelt sie nun; nicht etwa hat sie bloß den idealischen Götterfunken verloren, um den sie zu ringen vorgibt: nein, auch die Freude der Leiber, mit der sie es ernstlich zu tun hat, versagt sich ihr. So ist vor der erotischen Musik des neunzehnten Jahrhunderts die Meinung, sie sei impotent, weiter als bloß psychologisch im Recht, und die Staatsanwälte wußten, warum sie die Musik ignorieren durften.

 

Jede echtbürtige, große Kitschmusik, und die sentimentale mehr noch als die kesse, enthält in sich die Möglichkeit, als Begleitung zu imaginären Katastrophen zu fungieren. Unter dem hellen beglänzten Verdeck dringt tief unten Wasser in den Schiffsraum und droht Untergang; wo der Step am sichersten stampft, will ein Kessel explodieren; noch auf den Bässen von Gern hab ich die Frau'n geküßt liegt wie ein unentrinnbarer Schatten die Schlagseite der versinkenden Titanic. Das berstende Schiff vorm grellroten Abendhimmel, das brennende Haus, das buchstäblich in Flammen gehüllt turmhoch auflodert; die Brücke, die mitten durchreißt und mit der donnernden pazifischen Eisenbahn in den Mississippi stürzt: alle die Bilder gänzlich erfüllter Verzweiflung, die wir aus unserer Kindheit bewahren, aus illustrierten Büchern und der Angst vorm Einschlafen, sie steigen nochmals mahnend auf in der Kitschmusik und erstrahlen als Gestirne des Entsetzens.

 

1928

 

Cavalleria Rusticana: Auswanderer, die von Süditalien nach Argentinien zogen und reich heimkehren, bauen sich zu Hause Villen, weiß wie der Palast der Kirke überm Azur des beständigen Meeres, Tempel, mit Säulenhallen geschmückt, wahllos in die Geschichte der Landschaft eingesprengt, glorreich strahlende Barbarei. Diese Bauten, von Kartoffelwucher bezahlt, sind erträglicher als ihre sanften Geschwister an der ligurischen Küste; die stete Drohung des vulkanischen Bodens, was auf ihm ist zu vernichten, dringt mit Formation und Farbe bis zum Rande der Architektur und rechtfertigt für den Augenblick den Schein, den sie an ausgelebten Formen entzündet. Denn der Schein ist vom Tode grundiert. Für die knappe Frist ihrer Dauer dürfen die Bauten Bilder der Mythologie ausleihen, die der nahe Tod erweckt. Die Vergänglichkeit der Landschaft verewigt die brüchige Glasur, mit der Menschen sie überziehen. So gewinnt die scheinhafte, unsolide und halb dilettantische Musik der Cavalleria Leuchtkraft aus ihrer Todesnähe und ist unter der Antithese von Kitsch und Kultur nicht zu fassen; improvisatorische Insel, darauf die mythischen Leidenschaften, wie sehr auch entstellt, grell über Geschichte sich erheben, um sogleich wieder darin zu versinken. Nicht anders läßt sich begreifen, daß das staubige Gehäuse, klein wie ein Reiseandenken, mit Volkstypen gefüllt, zuweilen noch von wilden Protuberanzen umzuckt wird, wenn einer heftig daran rührt.

 

Chopins Form ist so wenig die der Entwicklung des Ganzen in kleinsten Übergängen wie die der Darstellung des thematisch Einzelnen, das für sich selber bestünde. Sie steht dem dynamischen Drang Wagners so fern wie der Landschaft Schuberts. Gleichwohl trägt sie den Widerspruch in sich, der zwischen der Konkretion der Teile und ihrer abstrakten, subjektiv gesetzten Totalität im neunzehnten Jahrhundert waltet. Er meistert jenen Widerspruch, indem er sich selber gleichsam aus dem kompositorischen Fluß herausnimmt und von außen ihn lenkt. Er bildet nicht selbstherrlich die Form, er läßt sie nicht zerfallen vorm Angriff der Themen. Vielmehr, er geleitet die Themen durch die Zeit. Mehr als im psychologischen Ton mag das aristokratische Wesen seiner Musik in der schwermütigen Ritterlichkeit des Formens seinen Grund haben, mit der Subjektivität darauf verzichtet, ihre Dynamik vollends durchzusetzen. Geschlossenen Auges, einer Braut gleich, wird ungefährdet das objektive Thema durch den dunklen Wald des Selbst, durch den Strom der anrauschenden Gefühle hindurchgeführt. Nirgends schöner als in der As-Dur-Ballade, wo der Einfall, einmal erschienen wie eine Schubert-Melodie, in der unbegrenzten Perspektive von Innerlichkeit über Abgründe der expressiven Harmonik an der Hand des lenkenden Komponisten zum zweiten bestätigten Erscheinen findet. Bei Chopin ist die Paraphrase und wohl gar alle umspielende Virtuosität entsagende Auskunft geschichtlichen Taktes.

 

Was die Musik Debussys, wahrhaft die impressionistische, in der innertechnischen Geschichte bedeute und wie sie sich zur gleichzeitigen Malerei verhalte, wird offenbar, nachdem ihre Aktualität verging. Etwas von ihrem Geheimnis verrät eine merkwürdige Stelle in Maupassants Roman Mont-Oriol, der nach mehr als einer Richtung den Impressionismus erhellt, dem er zugehört. Bei der Beschreibung des kleinen Badeortes heißt es: »Sie kamen zum Park, den an den Baumzweigen aufgehängte Lampions beleuchteten. Das Kasinoorchester spielte eine langsame klassische Arie, die sich anhörte, als ob sie hinkte, so voller Löcher und Pausen war sie. Die gleichen vier Künstler trugen sie vor, müde, fortwährend, morgens und abends, in dieser Einsamkeit nur für das Laub und den Bach spielen und den Eindruck von zwanzig Instrumenten hervorbringen zu müssen.« Die Löcher und Pausen solcher Musik aus dem neunzehnten Jahrhundert haben sich seitdem vergrößert. Musik jedoch, die jene Löcher mit dem dichten und losen Gewebe ihrer Zellen zu verhüllen trachtet, war die Debussys. Sie hat die gleiche Funktion: Laub und Bach, die gänzlich vom Menschen sich schieden, möchte sie über ihre Verlassenheit trösten und nimmt darum ihren schwindenen Reflex in sich auf. Subjektivität erzeugt den leichten Schein der geschrumpften Objekte, um ihn im Bilde zu erretten. Das arme Klavier, in dessen Saitennetz die Objekte sich verfingen, muß als Orchester tönen, damit die Gärten im Regen meinen, zwanzig spielten ihnen vor, während einer um sie trauert.

 

Einmal hörte ich, in der großen Galleria zu Neapel, Kinomusik von außen. Dem Gewirr der Plakate war nicht zu entnehmen, daß sie aus einem Kino komme: es war evident an ihr selber. Nicht nur an der rohen Montage des Potpourris; an dem eigentümlichen Charakter der Begleitung vielmehr, den die Musik auch in den Melodiestimmen annahm und der sich nicht technisch exakt fixieren läßt. So klingt Musik, der etwas fehlt. Da sie aber nicht eigens zum Film geschrieben ward, wendet ihre Interpretation dem Film sich zu; vor ihm werden die Melodien der ausgezehrten Opern so kraftlos, daß sie ihm als Begleitung dienen. Darum können sie nicht dem Zuschauer als Musik erscheinen, sondern bestehen musikalisch nur für den Film: Begleitung ist Musik stets allein ihrer Hauptstimme. Sie kommt zum Film, weil er stumm ist, und schaukelt ihn sacht ins Dunkel der Zuschauer, auch wo sie die Gebärde der Leidenschaft annimmt. Dem Zuschauer gilt sie nicht. Er bemerkt sie erst, wenn der Film ungetröstet fern an ihm vorüberzieht, getrennt durch den Abgrund des bloßen Raumes.

 

Die entschlossene Konkretion der folkloristischen Musiken wird gerecht bestraft durch die abstrakte Ähnlichkeit, die sie allesamt miteinander haben. Vor dem gegenwärtigen Stande des Bewußtseins nähern sich die Gebilde einander an, die ihn verleugnen. Was einmal sie in ihrer Einzigkeit an die Erde binden mochte, bindet sie nun einförmig aneinander. Die Monodie von einst unterdrückt in Ungarn wie in Spanien die seitdem gewonnene harmonische Dimension; die sakrale Wiederholung eines und desselben Motivs wird zum untriftigen Mittel der Formbildung, nachdem die Motive selbst einmal vertauschbar geworden sind; die primitiven Tonarten lassen sich schwer unterscheiden angesichts der rationalen Tonalität der europäischen Musik, als deren nachträgliche Modifikation sie wirken, mochten sie auch älter sein denn jene; ja die Motive selber rücken sonderbar zusammen. So gerät gerade die Musik, die die qualitativen Differenzen des Ursprungs bewahren möchte, unter die Herrschaft des Allgemeinen, das sie als Volkskunst umzirkelt, nachdem ihre Substanz schrumpfte. Konkretion kann heute allein Musik erlangen, die den Bereich der ratio bis zum Ende durchmißt und in ihm bewährt, was an Natur in ihr überlebt.

 

Je spezifischer ein instrumentales Werk den Bedingungen der Instrumente abgewonnen ist, die darin verwandt werden, um so besser ist es in einen ganz anderen Instrumentalklang zu übersetzen, zu ›arrangieren‹; je weniger aber gebunden an sein Ausgangsmaterial, um so problematischer in jedem anderen. Man weiß, wieviel vom Straussischen Freskowesen noch in den Klavierauszügen erhalten bleibt, während Mahler, um der thematischen Deutlichkeit willen weit eher ›instrumentierend‹ als Strauss und nicht wie jener der Klangvorstellung als solcher geneigt, auf dem Klavier oft entstellt sich ausnimmt. Auffällig auch, daß Debussy und Ravel, untrüglich in der instrumentalen peinture, dem französischen Herkommen des Arrangements treu blieben; daß Stücke wie Le tombeau de Couperin pianistisch und orchestral gleiche Vollkommenheit zeigen. Das will sagen: nur die einmal getroffene Konkretion ist fähig zur Verwandlung, die sie der Geschichte zubringt. Nur der vorgestellte und realisierte Klang läßt sich umdenken: von seiner festen Gestalt stößt transponierende Phantasie sicher ab, die an den vagen Möglichkeiten des allgemeinen Klanges niemals sich zu orientieren vermöchte.

 

Nirgends ist der Kampf mit dem Fachmann, den Mechtilde Lichnowsky proklamierte, notwendiger als in Musik. Denn nirgends ist die Macht des Dilettanten größer. Fachmann aber und Dilettant gehören komplementär zueinander. Der Dilettant scheint sich gehoben, sobald er den Fachmann versteht, und erhebt jenen darum. Der Fachmann braucht den Dilettanten, sich zu beweisen, daß er keiner ist. Beide sind die Pole eines mittleren gebildeten Musikwesens, dessen Stunde nun schlug. Darum ist es für den Kritiker notwendig, immanent so weit zu hören, wie es nur angeht, und zugleich radikal von außen. Die Zwölftontechnik zusammenzudenken mit dem Kindergefühl vor der Butterfly im Grammophon: darum müßte musikalische Erkenntnis ernsthaft sich mühen.

 

1929

 

Jene Schlußgruppe aus dem Finale von Mozarts A- über einem Orgelpunkt mit mechanisch abgewandelter Begleitfigur zwischen Tonika und Dominante, mit einer Melodie, die eigentlich nur tickend einen Sekundschritt nach dem anderen mit der Bewegung des voraufgehenden weitertreibt, um ohne Ausweichen plötzlich in kleinste Motivteilchen sich aufzuspalten; jene Schlußgruppe, deren dichtes Getön alle Entwicklung und Dynamik des übrigen Satzes beschließt, als wollte das Gehäuse die Zeit einfangen, die vorher frei verströmte: wie gleicht sie der Uhr, als welche die Philosophen des siebzehnten Jahrhunderts einmal ihre Welt dachten; die am Anfang ein göttlicher Konstrukteur in Bewegung brachte und nun sich selber überließ, auf ihre Mechanik vertrauend. Es ist eine Zaubermechanik: einem unbekannten Zuschauer draußen zeigt sie die Zeit an, während sie selber die Zeit beherrscht, indem sie sie einsperrt: drinnen bleibt alles gleich; die Welt ist ein Traum ihres schlafenden Konstrukteurs. Wenn aber die Uhr der Mozartschen Schlußgruppe, in der Coda, zum dritten Male anhebt: dann ist es, als sei dem Meister das halbvergessene Werk eingefallen, er habe hineingegriffen, seinen Bann von ihm genommen; die Zeit bemächtige sich der Uhr selber und sie spiele sich, versöhnt, ihren Epilog, ehe sie schweigt.

 

Der Affekt der Rührung in Schuberts Musik ist Ergebung, nicht Resignation. Von Resignation werden Menschen gezeichnet vorm Tode gleichwie vom Trotz; beharrt in diesem die Person auf der eigenen Natur, so kapituliert sie in Resignation vor dem übergreifenden Zusammenhang des Natürlichen; ohne Schuld zwar, aber ohne Hoffnung. Schuberts Ergebung jedoch ist nicht naturverfallen; der Tod nicht ihr letztes Wort sondern ihr leisester Übergang: ich bin nicht wild, spricht seine Allegorie des Todes selber; mythisches Bild einer bereits unmythischen Wirklichkeit. Schema solchen Überganges ist das Einschlafen. Von Schubert gilt noch, was Kierkegaard dem Christen wünschte: »Selig, wer sich nicht ärgert, sondern glaubt, – wie man ja ein Kind lehrt, wenn es schlafen soll, gewisse Worte zu sagen, um in Schlaf zu fallen – sagt ›ich glaube an ihn‹, und dann – einschläft; ja, selig ist er, er ist nicht tot, sondern er schläft.« So im Mittelteil des langsamen Satzes vom Es-Dur-Trio; der klingt, nach seiner Entwicklung, ab, um ein Motiv, das letzte, kadenzierende festzuhalten und zu wiederholen, schwächer immerzu. Bis zum völligen Schlaf: wo Musik ihr Recht verliert samt aller menschlichen Sprache. Ein Forte ruft sie zurück.

 

Die Landschaft des Mendelssohnschen Auf Flügeln des Gesanges ist die eines frühen Palmengartens; zur Entstehungszeit des Liedes dürften in Europa die Palmengärten heimisch geworden sein. Eine Landschaft unter Dach und in Glas: Tropen in Gefangenschaft als Miniatur, enger Bezirk der steinernen Stadt, aber mit wahren Palmen und feuchter Wärme; voll jener Exotik des Interieurs, als deren letzter Rest, nach dem Untergang der Zimmerpalmen, die Kakteen übriggeblieben sind; eine Exotik, die schmerzt, weil sie vollends unerreichbar wurde, indem sie allzu nahe kam. Der zu großen Nähe gilt hier die romantische Sehnsucht; nicht der glücklicheren Ferne. Die Nähe aber hat magische Kraft; Töchter mit braunen Augen, die das Lied am Piano üben, werden davon in Gazellen verwandelt, die mit zerbrechlicher Melancholie eine Geliebte begrüßen, welche sie gern selber geworden wären. Darum bleibt das Lied so traurig.

 

Beethoven trifft sich mit Kant tatsächlich in Schiller; aber konkreter als unterm Zeichen eines formalen ethischen Idealismus. In der Ode an die Freude hat Beethoven, mit einem Akzent, das Kantische Postulat der praktischen Vernunft komponiert. Er betont in der Zeile »muß ein lieber Vater wohnen« das ›Muß‹: Gott wird ihm zur bloßen Forderung des autonomen Ichs, die überm gestirnten Himmel noch beschwört, was im Sittengesetz in ihr vollständig doch nicht bewahrt scheint. Solcher Beschwörung aber versagt sich Freude; Freude, die das Ich ohnmächtig wählt, anstatt daß sie als Stern aufginge über ihm.

 

1930

 

Es gibt aus dem neunzehnten Jahrhundert Musik von so unerträglichem Ernst des Ausdrucks, daß sie nichts anderes vermag, als nur Walzer einzuleiten. Beharrte sie so, wie sie ist, dann müßten die, welche sie vernehmen, in eine Verzweiflung geraten, die jeden anderen musikalischen Affekt hinter sich ließe; alle verlorenen Gefühle der großen Tragik müßten sie überwältigen und sie müßten mit Gebärden, die ihnen seit undenklichen Zeiten fremd wurden, ihr Haupt verhüllen. Keine Form ist dieser Musik mehr gegönnt, die ihr Moll umfinge; Akkordschläge und klagende Melodien folgen einander und stehen nur für sich selber, daß der Hörer ihrer nackten Unmittelbarkeit überantwortet ist. Einzig das Übermaß des Schmerzes hilft: mit der Gewißheit, daß es so nun und nimmer weitergehen könne. Das letzte zweigestrichene F der Violinen, Dominante von b-moll, jammervoller Rest der Trauer samt einem winzigen E als Vorschlag, wird im nächsten Moment, stets staccato, stets in Gefolgschaft des E, mit spitzen lustigen Stößen die Walzermelodie antreiben. Heute gedeiht solche Musik fast nur noch in zoologischen Gärten oder bei den Kapellen kleiner Kurplätze; Kinder sind ihre liebsten Freunde. Am besten nimmt sie sich aus geraumer Entfernung aus, wo die seufzende Flöte einzig vom Verhängnis des großen Paukenwirbels grundiert wird.

 

Sehr kurzen musikalischen Stellen, die man außerhalb ihres Zusammenhanges zitiert, haftet häufig der Ausdruck des Banalen an; zumal bei alter Vokalmusik, der die Idee des profilierten thematischen Einzeleinfalles fremd ist; vom Beginn des musikhistorischen Studiums erinnere ich mich noch sehr wohl der höhnischen Verachtung, die mich allemal ergriff, wenn einzelne, vorgeblich expressive Wendungen bei Josquin oder Senfl, aber auch noch bei Schütz vorgeführt wurden. Niemand auch könnte wohl große Partien aus dem Lohengrin im Detail durcharbeiten, ohne daß ihn vor den zahllosen Akkorden in halben Noten, in welchen darin das Gefühl sich dehnt, Platzangst ergriffe, während er sie als solche auf der Bühne kaum bemerkt. Warum? Je weniger das musikalische Phänomen mehr an dem Zusammenhang teilhat, in den konstruktive Phantasie es stellte, um so mehr tritt an ihm das bloße Material hervor; wann immer kompositorische Technik nicht vermochte, es zu meistern, wird es von der Technik widerlegt: der Banalität überführt. Deshalb ist es die strengste Probe auf jegliche Musik, ob ihre kleinsten Bruchstücke sinnvoll, ob sie als solche zitierbar bleiben. Sie werden es nur, wo Natur selber in der technischen Verfahrungsweise laut wird, wie bei Schubert, oder wo die Freiheit des Komponisten sein Material bis hinab zum einzelnen Ton zu ergreifen vermag, wie bei Schönberg. Zwischen solchen Extremen liegt der Bereich des ›Einfalls‹. In der Banalität des Singulären aber enthüllt sich der mythische Schein von Oberflächentotalitäten: die blinde Natur gewinnt Macht darüber.

 

Die im Hellen ihrer Zeit mißtrauisch und feindselig sich mieden, im Geheimen begegnen sie sich: Wagner und Offenbach im roten Salon der gottverlassenen Liebe. An der Stelle nach der Romerzählung, da der Verworfene weiterlebt ohne Hoffnung und zum zweiten Male in die Beleuchtung der Venus eintritt: Zu dir, Frau Venus, kehr ich wieder / in deiner Zauber holde Nacht – wie mahnt nicht die künstliche, wintergartenhafte Transparenz an Offenbach, an den Walzer der Helena, an Hoffmanns Erzählungen; beim Worte Hold die Antezipation der Tonika unter dem Sextakkord der siebenten Stufe, der verminderte Septimakkord, der Triolenschnörkel der Singstimme könnten aus Dapertuttos Spiegelarie zitiert sein, die Giuliettas zweites Opfer gewinnen hilft. Wie dünn ist die Hülle, welche die bedrohliche Schicht von der Oberwelt sondert und die Ordnung darüber eben noch beschützt. Bei Offenbach mengen sich die Sphären im Rausch der Parodie ohne Scheidung und Sieg; bei Wagner bietet das wache Entsetzen eben noch eine Erlösung auf, an die nicht einmal Wolfram recht glaubt, der in der Angst der Begierde zu zittern beginnt. Was aber wäre aus der Oper des neunzehnten Jahrhunderts geworden, hätten Offenbach und Wagner die Unterwelt ihrer Sänger, des Orpheus und des Tannhäuser, ernstlich freigesetzt. Dann erst wäre der Umschlag gewonnen, wenn sie dort Einlaß gefunden hätten. Wäre Elisabeth, mit der Geste, die sie auf der Höhe des zweiten Aktes findet, dem Tannhäuser in den Venusberg gefolgt, er hätte den Landgrafen und seine Sippe endlich verjagt und in den leeren Himmel verbannt.

 

Manchen der vollkommensten Melodien ist es eigentümlich, daß sie wie Zitate klingen: wie Zitate nicht aus anderen musikalischen Werken, sondern aus einer verborgenen musikalischen Sprache, aus der das Ohr bloß Bruchstücke erhascht, die es nicht einmal ganz versteht, die sich aber schlagend und mit der bestimmtesten Autorität geben. Von solcher Autorität sind gelegentlich Einfälle Schuberts; Nebengedanken – nie Hauptthemen – bei Chopin; weniges bei Beethoven. Das drastischeste Beispiel ist eines der geläufigsten zugleich: der Dur-Refrain L'amour est enfant de Bohème aus Carmens Habanera, ein Urzitat, das jeder als Erinnerung vernimmt, der es zum ersten Male hört. In der Tiefe solcher Erinnerung allein ist das Recht des Banalen gelegen. Längst hat unsere einsam produzierte Musik die Beschwörung solcher Zitate vergessen müssen. Die einzigen, die noch etwas davon wissen, ohne es freilich je zu erreichen, sind die Operettenkomponisten. Erzählen ungezählte Schlager im melodisch unplastischen Couplet die Vorgeschichte ihres eigenen Refrains, so wollen sie ihn zitierbar machen, indem er selbst schon als Zitat erscheint; Zitat aus der banalen Sphäre, hinter dessen Banalität eine von Urbildern sich verbirgt. Fast könnte man glauben, hier sei der Grund für die Erfindung des Refrains überhaupt gelegen.

 

Bei allem schuldigen Respekt vor Händel, es wäre an der Zeit, die lächerliche Koppelung zu beseitigen, die immer noch den Namen Bachs an den seinen bindet. Sie stammt aus jenem infamen juste milieu, das so wenig wie an der Wand das Morgengebet ohne das Pendant des Abendgebets einen seiner Großen allein ertragen kann ohne den dazugehörigen Dioskuren. Das treibt seine Klassiker zu Paaren wie Feinde im frischfröhlichen Krieg. Denn die Abzählbarkeit der Künstler, nach dem Rhythmus eins zwei, eins zwei, entbindet von der schwersten Verpflichtung durchs Kunstwerk, der der Einzigkeit eines jeden. Immerhin, von Goethe und Schiller zu reden, dürften selbst Dinosaurier Hemmungen verspüren; aber Musikwissenschaftler scheuen sich nicht, den homophonen Händel neben den polyphonen Bach als Hilfskraft vor den derben Pflug der Stilgeschichte zu spannen. Man braucht die Großheit von Händels Spätwerken und manchen erfüllten Augenblick in den früheren, auch die Reinheit vieles melodisch Einzelnen nicht zu verkennen und wird doch eingestehen müssen, daß beim überwiegenden Teil der Händelschen Produktion, nach sehr konkreten und zuverlässigen Maßstäben der Technik, die musikalische Qualität Aufführungen heute nicht mehr rechtfertigt; während bei Bach selbst in der Fülle der Kantaten kaum eine sich findet, die nicht mit immer frischen Perspektiven die Darbietung lohnte. Hinter der offiziellen, pharisäisch betonten Bewunderung für Händels Ausdrucksgewalt, Einfalt und Objektivität verbirgt sich Ressentiment und Unvermögen, Musik kompositionell zu beurteilen. Wesentlich zu lernen war an Händel die Ökonomie der Mittel. Davon ist in Beethovens mächtige Kahlheit der beste Teil eingegangen. Heute ist bloß noch die hieratische Geste übrig, die nicht mehr frommt.

 

1932

 

Kaum wohl ist der Bedeutung des pastoralen Tons in der Musik Offenbachs gedacht worden; jener arkadischen Landschaft, wie sie im Gedächtnis des Prinzen aber auch im Liede des Schäfers Paris vom Berge Ida lebt und zumal im Holzbläserklang Offenbachs über durchscheinenden Orgelpunkten. Dem Bilde des Schäfers aus dem achtzehnten Jahrhundert steht die Offenbachsche Idylle so fern wie nur das neunzehnte. Nicht spielt mehr die erwachende Kreatur schüchtern die Melodie ihrer Freiheit. Die befreite vielmehr erkennt ihre Freiheit, die bürgerliche, als Schein, und ihre Lust verkehrt sich gleichwie im Lach- und Spiegelkabinett zur höllischen. Die Melodie des Geschöpfes ist phantasmagorisch versetzt: ihr Traum mit Malen des Scheins gezeichnet. Die Schäfer, deren Oboen hier unschuldig ertönen, sind Mädchen in Knabenkleidern. Sie spielen vor den Toren von des Orpheus Unterwelt; ihre süße Herbheit lockt zweideutig ins Reich des Pharao, wo falsch gespielt wird: évohé! que ces déesses / pour enjôler les garçons, /ont de drôles de façons! Den Gefangenen in der Salonlandschaft aber enthüllen Holzbläser und Hirten ihr wahres Wesen mit dem Cancan.

 

Seitdem der Titel Doktor alchimistischen Glanz und humanistische Würde verlor, retten ihn samt vieler Magie einzig noch Operetten. Nicht in ihren Bildern selber: doch als leuchtende Beschriftung, die mit dem faulen Zauber zugleich den Namen des fleißigen Zauberers preisgibt. Da prangen sie nun, die von juridischen und philosophischen Fakultäten Graduierten, die ihre Bildung befähigt, die drei Musketiere nochmals zu kommandieren oder die Pompadour nochmals zu verkaufen. Ihre unanständigen Verse hantieren im Fleisch der Revuegirls, wie weiland die wahren Doctores als düstere Magier die Leiber in der Anatomie zerteilten.

 

Worum es eigentlich im Freischütz geht, verrät weniges genauer als Maxens Satz: »Abends bracht' ich reiche Beute.« Unterm Schicksalsstück liegt als wahre Handlung eine archaische. Der Schicksalszwang, der Max befiehlt, Freikugeln mit Caspar zu gießen, um die Braut zu gewinnen, rührt her aus der Zeit, da der Mann als Jäger der Geliebten Nahrung bringen, wohl gar um Nahrung sie loskaufen mußte. Was aber dem Jäger die Beute verwehrt, ist nicht, wie die Figuren vermeinen und wie es im Sinn der Autoren liegen mochte, Dämonie. Sondern der sehr geheime christliche Einspruch gegen das heidnische Beuterecht, das schuldhaft verstrickt Leben bloß um Lebendiges tauscht. Max singt von der nicht umsonst mit dem Namen der Guten Benannten: »Drohend wohl dem Mörder freute sich Agathes Liebesblick.« Daß aber ihre Freude gerate, muß ihre Drohung sich erfüllen. Das geschieht dialektisch durch die gleichen Mächte, deren altes Recht gebrochen werden soll. Die Naturgötter der Vorzeit, aus einer Welt verbannt, darin die Jäger als Förster domestiziert leben, kehren als Dämonen wieder und trachten, den Menschen zu vernichten, indem sie ihn in den verfallenen Bann des Beuterechts zurückrufen. Es ist darum gutes und nicht böses Omen, wenn bis zum Ende Max kein entscheidender Schuß gelingt, und die Vertagung seines Jägeramtes sagt nichts anderes, als daß mit seinem Schicksal die Naturdämonen versöhnt zugleich und entmächtigt sind. Der Freischütz ist der letzte Jäger; er hat mit der irrenden Kugel in Wahrheit sich freigeschossen von Brautkauf und Blutgesetz. Die Angst aber, die den Zuschauer allemal vorm Chor der Jägerburschen ergreift, ist die vorm Bilde des geschichtslos Mythischen als des Immergleichen. In Kostümen des dreißigjährigen Krieges ähneln sie einander wie die Zwangsfiguren der Wiederholung, die in endloser Folge auf den Verwundeten eindringen.

 

Die Konstruktion der Handlung hat erst Webers Musik ins wahre Licht gerückt. Man hat oft bemerkt, daß das Klarinettengestirn der Ouvertüre, das Thema der Hoffnung, in der Wolfsschlucht aufgeht zu den Worten: »Ha! Furchtbar gähnt der düstre Abgrund!« Aber kein Stern erscheint überm schwarzen Himmel, und Max bringt keine frohe Kunde – es wäre denn die, welche im Abgrund selber gelegen ist: daß die Dämonen, die sich gegen ihn verschworen, ihm ihr Glück zu verweigern oder gewährend ihn zu sich hinabzureißen, sich selbst vernichten, indem sie in der christlichen Welt ihre Ohnmacht erweisen und den Tauschvertrag nicht erfüllen können. Darum verflucht sterbend Caspar mit Gott den Teufel. Maxens Stimme über dem Abgrund ist das bloße Echo von dessen Selbstvernichtung, das auffahrend zur Höhe als Hoffnung laut wird.

 

Den Weg von der archaischen Handlung ins christliche Schicksalsstück, der der Christianisierung der Handlung selber gleichkommt, markiert Kind mit Sprüchen aus der Kindersprache, die Wegweisern im Walde gleich Ursprung und Ziel benennen, verwachsene Tiefe und offenes Feld. Mit ihrer Musik lassen sie für alle Zeit sich zitieren. »Ja, Liebe pflegt mit Kummer / stets Hand in Hand zu gehn.« – »Er war von je ein Bösewicht,/ ihn traf des Himmels Strafgericht«: mit solchen Sprüchen formiert die Oper ein Kartenspiel der Zeitlichkeit und Ewigkeit, und Caspar, der Bube, redet das starke Küchenlatein von Lebkuchenversen: »Ohne dies Trifolium / Gibt's kein wahres Gaudium / Seit dem ersten Übel.« Dessen Gedächtnis Übermacht er den Kindern als Spielzeug in der Sonntagnachmittagsvorstellung.

 

Was immer gegen die Echtheit der Wagnerischen Mythologie mag eingewandt werden, eine Gestalt erscheint darin geradenwegs versprengt aus der Vorwelt: die des Pferdes. »Was ruht dort schlummernd /im schattigen Tann?/ – Ein Roß ist's,/ rastend im tiefen Schlaf« – das klingt, im äußersten Pianissimo, mit dem zitierten Walkürenthema über den abgesunkenen Akkorden, älter als je das Schwert der Helden und das Walhall der Götter; so alt wie bloß Erinnerung selber. Nur einmal noch, beim Erwachen Tristans zur Alten Weise, hat Wagner so vollkommen die Traumschicht bezwungen, die sonst die Posaunen vergebens bereden. Denn das Pferd weiß mehr von Helden als diese selbst. Pferde sind die Überlebenden der Helden: sie erscheinen, als habe ihnen das erste Wort gegolten, damit die Geopferten dem Stummen sich entrangen; das einzige Tier, von dem kein Ekel uns scheidet und darum das einzige, das wir nicht essen mögen, sollen wir nicht ins sprachlose Zeitalter zurückfallen. Darum erscheint es bei Wagner selber als essend und mit dem allerchristlichsten Wort als selig: »Dort seh ich Grane,/ mein selig Roß:/ wie weidet munter,/ der mit mir schlief!/ Mit mir hat ihn Siegfried erweckt.« Das äsende Pferd und der redende Mensch, zusammen machen sie die Figur des Erwachens. Ihr hat Wagner Musik einbeschrieben, die dem Ring des Nibelungen begnadeter entragt.

 

Die maßlose Schwierigkeit, das Formgesetz der Oper zu erfüllen – keine Form, die strengste nicht und nicht die kühnste, ist so hilflos dem Mißlingen ausgesetzt wie diese –, rührt daher, daß es die Durchbrechung seiner selbst verlangt und daß nur die mächtigsten Formen es ertragen, durchbrochen zu werden. Die Oper wiederholt nicht die Aktion der Szene, um sie, wie die Phrase will glauben machen, in eine höhere oder symbolische Sphäre zu erheben; sondern der Ton, der in die Aktion fällt, bekundet, daß der Geschlossenheit ihres Begründungszusammenhanges irgend ihre Grenze sei an Freiheit. Wie das Spiel des Orpheus die Toten aus der Gefangenschaft ihrer Höhle erweckt, so entreißt die Oper ihre Figuren dem Schicksal, indem sie über ihnen singt. »Alle Oper ist Orpheus.« Des zum Zeichen aber muß sie sich selber transzendieren; in ihren eignen musikalischen Begründungszusammenhang die Zäsur legen, die die Form schafft, indem sie sie zerstört. So ist es nicht romantische Ironie, sondern gehört ins Zentrum der Konzeption, daß Mozarts Don Juan innehält, um des Figaro sich zu erinnern, und wenn alle echte Oper, wie immer sublimiert, Elemente der intermittierenden Schauspielmusik nutzt, so folgt sie dem strengsten Sinn ihrer Anlage. Der Einspruch der Fanfare der Kerkerszene ist nicht bloß der dramatische Augenblick, sondern der der Opernform selber. Das gleiche Wissen bewährt der junge Wagner, wenn er durchweg Gesten kompositorisch gleichsam formloser, melodisch unartikulierter Bühnenmusik der Immanenz des Orchesters entgegensetzt, und der späte verleugnet es nicht, sobald er das dichte chromatische Gefüge diatonisch erschüttert. Darum vielleicht hat Brahms, als Meister der unabdingbaren Formimmanenz, die Oper nicht unternommen. Er hätte niemals die zwei Takte zuviel schreiben können, die notwendig sind, daß die Zahl der Operntakte voll sei. Von ihnen gibt das Figaro-Finale, nach dem kurzen Vollzug der Versöhnung im Ensemble, das erhabenste Modell. Alban Berg, der planende Architekt der Oper, hat zugleich als mehr denn ein solcher sich erwiesen, indem er dieser Intention die Treue hielt. Mit der rätselvollen Wiederholung des Crescendo auf dem H nach der Mordszene des Wozzeck, mit dem Zitat von dessen Beginn in Lulu läßt er die Opfer wiederkehren aus dem Schattenreich ihrer Bilder, über die schmale Brücke, die jenseits ihrer Form trägt.

 

›Das bürgerliche Konzert.‹ Ehe man es verstößt, sollte man den Plädoyers lauschen, die davon berichten, wie es so weit kam und von wannen: aus Höhlentiefen wie nur die Gesellschaft selber, der man es zurechnet. Bei E.T.A. Hoffmann wäre nachzulesen; aber auch des großen Wilhelm Hauff Schauernovelle Die Sängerin weiß ein Lied davon zu singen. Wunderkinder scheinen schon in der Stunde ihrer Geburt zum Leiden auserkoren, und die unmenschliche Schönheit ihrer Stimmen verdankt sich einzig der unmenschlichen Behandlung. »Er marterte mich ganze Tage lang und geigte mir die schwersten Sachen von Mozart, Gluck und Spontini ein, die ich dann Sonntag abends mit großem Applaus absang; das arme Schepperl, so hatte man meinen Namen Giuseppa verketzert, wurde eines jener unglücklichen Wunderkinder, denen die Natur ein schönes Talent zu ihrem größten Unglück gegeben hat; der Grausame ließ mich alle Tage singen, er peitschte mich, er gab mir tagelang nichts zu essen.« Der Stiefvater verkauft die also Abgerichtete als ihr erster Impressario an ein Haus musikalischer Freuden, darin die Rouladen des Koloratursoprans über den Spieltisch glänzen, Gold in der Kehle gleich jenem anderen, von dem die Sängerin zuvor berichtet: »es war – mein Kaufpreis«. Vor einem großen erleuchteten Hause hält der Wagen. »Ich wurde am folgenden Abend herrlich gekleidet: man führte mich in den Salon. Die zwölf Mädchen saßen im schönsten Putz an Spieltischen, auf Kanapees, am Flügel ... Der Herr des Hauses führte mich zum Flügel, ich mußte singen; allgemeiner Beifall wurde mit zuteil.« Es ist die Geburtsstunde der Konzertbillette als der wahren Billets doux: »Eines fiel mir jedoch auf: als ich an einem Abend zufällig an der Treppe vorbeiging, sah ich, daß die Herren, die uns besuchten, dem Portier Geld gaben, dafür blaue oder rote Karten bekamen und solche einem Bedienten vor dem Salon wieder übergaben.« Keiner sieht solchen bunten Karten heute mehr an, daß einmal ein Stutzer ›mit zärtlichem Blick‹ eine vorwies. Aber der Vierzehnjährige, der das erste Konzert besuchen darf; der jenes hell erleuchtete Haus durch die Flügeltür betritt, mit roten oder blauen Karten ermächtigt; dem Portier und Bedienter den Weg ins Ersehnte weisen; der der Sängerin ins weite Décolleté lauscht, das mit dem bezahlten Gesang schamloser ihm sich preisgibt als die Balletteusen seiner Morgenträume: er erkennt die fremde Sängerin wieder als die Abgesandte der großen Bordelle. Deren Divertissements bereiteten die öffentlichen Konzerte, und ihr rituales Gedächtnis ist es, das im Glanz der Kronleuchtersekunden weis sich wiederherstellt.

 

1937

 

Schlagzeug: Mahler schreibt gelegentlich vor, die Becken seien auf der großen Trommel zu befestigen, wie es bei Militärkapellen, wohl auch wandernden Musikanten Brauch war. Beide Instrumente werden vom gleichen Spieler bedient. Das sparsame Verfahren zeitigt Armeleuteklang. Der Unabhängigkeit der Instrumente voneinander, ihrer Freiheit zum künstlerischen Zweck ist es so gründlich zuwider wie die mechanisch gezogene Sehnsucht der Harmonika. In der rückständigen Spielweise mischen sich, mit der Lust der Regression, Armut und Kindertraum. Denn das erinnerte Versprechen der Kindheit glänzt aus der spiegelnden Glasscherbe, die man auflas an der Landstraße. Und das Schlagzeug hat beides, die Armut des starren Tons, der kaum dem Geräusch sich entringt, und das Versprechen des Niegewesenen, das an der Spur des Ältesten haftet. Drohend mahnt die große Trommel und sagt dabei: Kinder, heute gibt's was. Diesen Doppelsinn hat sie in die große Musik hineingerettet.

 

Beckenschlag: über der Höhe von Musik öffnet sich ein Füllhorn und läßt Gold hinabströmen, rinnen, rieseln, verschwinden bis hinab in die heimlichsten Falten. Bild des Glücks aus dem neunzehnten Jahrhundert.

 

Kleine Trommel: drei rasche leise Schläge des einen Instruments erwecken das Gefühl einer fernen marschierenden Menge. So wird daran erinnert, daß alle Musik, und die einsamste noch, den Vielen gilt, deren Gestus ihr Laut aufbewahrt.

 

Wirbel des Triangels: eine Frau wird ihres Körpers inne und schüttelt die Locken. Ist's aber bloß ein Triangelschlag, dann fällt ein Strahl auf die Instrumente und läßt Blech und Saiten funkeln, so hell, wie nicht die Sonne es vermag, sondern bloß die Glanzlichter eines Malers, der unberührt blieb vom Geschmack.

 

Xylophon: verblichene Knochen machen die bunteste Musik.

 

Im Zoologischen Garten gab es nicht nur die Tiere, sondern einen Musikpavillon und gelegentlich Schaustellungen exotischer Stämme, von Samoanern und Senegalesen. Bis zu diesen jedoch drang aus dem weit entfernten Pavillon einzig die Kesselpauke. Sei es das Gedächtnis daran, sei es einzig die Verdichtung des Längstvergangenen – heute noch fällt mir zum Paukenschlag der Name des Häuptlings Tamasese ein und zugleich: Pauke werde eigentlich auf den Köpfen von dessen Gefangenen gespielt, oder sie sei der Mörser, darin die Wilden das Menschenfleisch abkochen. Hat das Schlagzeug die Menschenopfer abgelöst, oder befiehlt es sie immer noch? In unsere Musik tönt es als archaische Spur. Es ist die Erbschaft der Gewalt an die Kunst – der Gewalt, die auf dem Grunde all ihrer Ordnung liegt. Während Kunst, als vergeistigte, die Gewalt entmächtigt, übt sie sie immer noch aus. Ungetrennt spielen Freiheit und Herrschaft in ihr ineinander; ihre integrale Form, der Triumph ihrer Autonomie, ist es zugleich, die den Bann legt um die Hörer, keinen ausläßt, alle dem sprachlosen Vollzug unterwirft. Man muß nur den humanen Beethoven von außen, weit genug weg hören, und nichts bleibt übrig davon als der Schrecken vor Tamasese. Vielleicht aber ist Humanität nichts anderes, als daß sie das Bewußtsein des Schreckens wachhält, dessen, was nicht mehr sich gutmachen läßt.

 

1951

 

Aus meiner Kindheit bewahre ich deutlich die Vorstellungen, die den Horizont des Namens Richard Strauss ausmachten, sobald der, grell und sehr neu noch, in meinen Tag fiel, wo ›das Rondo von Schubert‹, ›die Kreutzersonate‹ längst ihren sicheren Ort hatten und sogar die Nocturnes von Chopin, von denen ich doch eigentlich nur aus dem Komponisten-Quartettspiel wußte, das ich besonders liebte und dem allein ich auch die Kenntnis von Spohrs œuvre verdanke. Unter Richard Strauss dachte ich eine Musik, laut, gefährlich, überaus hell und ähnlich der Industrie oder, wie es damals mir sich darstellen mochte, den Fabriken: es war das Kinderbild der Moderne, das der Name entzündete. Mehr noch als die Erzählungen von lärmenden Stücken seiner Komposition, die meine Eltern und meine Tante gehört hatten, mehr selbst als die schmerzliche Weigerung, mir den Inhalt seiner Opern zu berichten, den ich doch noch nicht verstehen könne – jemand hatte mir eingeredet, in Salome handle es sich um einen Kalbskopf, wie man mich auch zu überzeugen suchte, in Othello sei Aufregung wegen eines verlorenen Taschentuches – mehr als all das nährte meine Imagination das Wort Elektra. Dies Wort war tosend und künstlicher, anziehend boshafter Gerüche voll wie ein großes chemisches Werk bei meiner Stadt, dessen Name sehr ähnlich lautete; blinkte kalt und weiß wie Elektrizität, nach der es zu heißen schien; ein elektrisches Räderwerk, das glänzte, Chlor ausströmte, und das man erst betreten durfte als Erwachsener, luminos, mechanisch, ungesund. Als ich dann mit fünfzehn Jahren Straussens Musik kennen zu lernen begann, traf sie kaum mehr die alte Begierde, mit der ich sie gleich einer sonntäglichen Exkursion in den Osthafen erwartet hatte. Jetzt wußte ich von Berlioz, Liszt und Wagner, studierte die Instrumentationslehren; die Beschreibung einer Baßklarinette, eines Englisch-Horns oder gar des verschollenen Serpents schufen mir die gleichen Sensationen wie vormals das verschlossene Rädersystem der unbekannten Elektra, und in Don Juan und Heldenleben, wie sie real erklangen, suchte ich nichts anderes als die Identität jener Instrumente. Viel später erst bemerkte ich, daß die Vorwegnahmen meiner Phantasie eigentlich der Musik Straussens weit angemessener waren als die Verifizierung, die ich danach versucht hatte. So teilt der latente Gehalt eines Kunstwerkes sich vielleicht einzig in der Aura mit, in die man gerät, wenn man es anrührt, ohne es zu kennen, während es im dichten Kern der Gestalt allzusehr sich verkapselte, um uns offenbar zu werden, bevor die Gestalt zerfiel; jene Aura aber formt sich in strahlender Emission, schwebt uns vor als Zeichen des Stoffes, dessen unser Auge wohl in fluidierenden Teilchen, nicht aber in schwerer Masse teilhaft zu werden vermag, erlischt und flammt nochmals endlich auf, wenn wir das Gebilde durchschauen. Kein Werk ist echter in seiner Aura, trügender in seiner Gestalt als das Straussens, und kaum wagt zuviel, wer behaupten wollte, eigentlich kenne es nur der, der es vom Hörensagen anstatt vom Hören kennt. Auf Reisen durch Gegenden, in denen man nie sich aufhielt, deren Städte jedoch geläufig sind, wird man Ähnliches beobachten. Auch wenn man in der Geographie jener Gegenden keineswegs Bescheid weiß, errät man leicht die Folge der Stationen allein nach der Atmosphäre von Nähe oder Ferne zu anderen Orten der gleichen Gegend, die jedem Ortsnamen anhaftet. Fulda: nun muß Erfurt folgen, das im Gewebe der Assoziationen zwischen dem Hessisch-Kasselschen und dem Thüringischen liegt; man wird dann Weimar erwarten, das zwar in der Phantasieregion Thüringen, aber längst nicht so durchaus in einem Lande lokalisiert wird, wo der Dialekt sächsisch ist, wie etwa Halle. Hält man sich in Erfurt und Halle auf, so kann es leicht geschehen, daß jene Differenzen schrumpfen, daß man die Menschen und die Art der Stadt überaus ähnlich findet. Erst wenn man auf der Karte die Figur hergestellt hat, die die Städte miteinander bilden, stellt sich das Bild des Ursprungs wieder her. Es bedarf der genauen Übersicht über die Straussische Region, ja mehr noch: man muß diese Region bereits wieder verlassen haben, um nochmals des chemischen, hochindustriellen und illuminierten Charakters seines Jugendstils inne zu werden, den einmal der Name Elektra anzeigte.

 

1929

 

 
Fußnoten

1 Die Jahreszahlen beziehen sich jeweils auf die Publikation aller vorausgehenden Aphorismen.

 

 
Gesammelte Werke
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