I

Frankfurter Opern- und Konzertkritiken

 

FEBRUAR 1922

Kammermusik im Verein für Theater- und Musikkultur, Dritter Kammermusikabend: Arnold Schönbergs »Pierrot lunaire«. Das Erstaunliche war nicht die Technik. Wir wissen, daß Schönbergs Können einzig ist. Er wechselt hier zwischen sichtbar straff organisierten Formen und thematisch ungreifbaren Gebilden, deren Notwendigkeit im visuellen Verlauf des Musikgeschehens kaum mehr abzulesen ist. Die »Kreuze«, die Peripetie des »Pierrot«, vertreten, satztechnisch an das dritte der Klavierstücke op. 11 anknüpfend, den zweiten Typus rein und zwingend; die Passacaglia und der krebsgängige Doppelkanon des »Mondfleck« zeigen strenge, von außen gesetzte Formen ganz durchseelt. Im festgefügten Zusammenhang wahrt sich jedes Stück eigene Klangfarbe und eigenes technisches Gesetz: in der »Roten Messe« etwa gewinnt Schönberg aus einem obstinaten, harmonisch konzipierten Motiv einen Rhythmus, der sich thematisch verdichtet und horizontal auswirkt; ein anderes Melodram, »Heimweh«, wird von einigen konstanten Akkordbildungen durchzogen, die, Zeichen gleichsam unverrückbarer Gefühlsbedeutungen, die ganze Form beherrschen. Doch dies alles ist hier nicht wesentlich gemeint.

Schönberg hat es nicht leicht, zu beginnen. Hineingeboren in eine heillose Zeit, findet er jene Schichten, aus denen bei Beethoven noch das Gebilde dumpf und notwendig hervorquoll, im eigenen Bewußtsein vor. Was einst formale Voraussetzung des Schaffens war, ist ihm materialer Inhalt geworden, und so singt er denn im Pierrot geradezu von der Heimatlosigkeit unserer Seele. Nicht daß er Weltanschauung komponierte und den Wotan des zweiten Walküreaktes mit alterierten Quartenakkorden neu aufzäumte. Er meint mit seiner Musik nirgends eine starre und deutbare Begriffswelt. Und es ist ihm gegeben, den allgemeinsten Vorwurf durch alle Not und Sehnsucht, durch alle Laune und allen Widersinn des eigenen Herzens hindurchzuzwingen zur einmaligen Form. Schon in der Wahl der Texte, die in einem peripherischen Fall das zentralste Problem verbergen, erweist sich das. Die Gedichte von Giraud (ihr Ort ist, seltsam genug, zwischen Verlaine und Morgenstern gelegen) verschweigen zwar zu wenig, und manchmal scheint es, als ob Schönberg sich an Wort und Geschehnis hänge und ›darstelle‹, daß die Unentwegten ihn einen dekadenten Impressionisten heißen können. Doch ist hier eine tiefe Absicht und Ironie im Spiele: wenn er etwa am Schluß des »Dandy« mit ganzem stimmunghaft-sinnlichem Zauber seine Welt vom phantastischen Mondstrahl überglänzen läßt, so kichert seine Musik: dies ist es ja gar nicht; hört nur besser hin, ob ihr das Andere halten könnt! Im Gedicht »Der Mondfleck« (dem seinerseits wieder die Musik eine höhere Stufe im Bau des Ganzen zuordnet) ist dies seltsame Spiel von vordergründlichem Geschehen und seelischer Tiefe ausgesprochen, der lächerliche Pierrot reibt verzweifelt an dem Mondfleck, der doch gar keine räumliche Wirklichkeit hat und dennoch, bezogen auf die vom Symbol des Mondes beherrschte Innerlichkeit Pierrots, wirklicher ist als alles Umweltliche. Da hier alles in die tragisch isolierte Innerlichkeit hinübergreift, ist es nicht anders, wenn Schönberg ›Stimmung‹ komponiert, als wenn er strenge Formen schreibt. Beides ist ihm nur Maske vor einem diesseits unauflöslichen Rest des Irrationalen.

Der Weg, den Pierrot durchmißt, ist eben noch in Begriffen nachzuzeichnen, obzwar man dabei alles cum grano salis nehmen muß. Der erste Teil ist Pierrot, entfaltet den Fremden in der fremden Welt; er wird bezeichnet durch die unsagbar einsame Flötenmelodie zum »Kranken Mond«. Der zweite gilt dem Kampf; da aber die Welt des Pierrot ihren Ort nur noch im Ich hat, wird es ein Kampf mit Dämonen, ein nur innerlicher Kampf, dessen gegenständliche Bezugspunkte erst sekundär bedingt sind. Eine Vision von der Apokalypse macht den Anfang, und alles bleibt Qual des seelischen Erstickungstodes im leeren Raum; hoffnungslos zischt ein Gebet, Pierrot opfert sein Herz, wird enthauptet vom Monde und der Galgendirne anvermählt; in den »Kreuzen« dröhnt nur noch ein nackter Mensch seinen Schmerz durch die Nacht. Die Gedichte, manchmal hier sentimental mit der Schaffensqual des Künstlers kokettierend, treten aus der Musik unerkennbar, maßlos gehärtet und überhöht hervor. – Der dritte Teil sucht die Lösung, die ganz Ahnung und vielleicht doch noch romantisches Wagnis ist. Dies Bergamo der Gedichte jedenfalls ist ein Irgendwo, dahin sich die Seele mit dem holden Lächeln des Wahnsinns flüchtet. Doch vermag die Musik, einen Schimmer wahrer Heimat zu gestalten, wen die Schauder der Stelle

»da vergißt Pierrot die Trauermienen«

überwehten, wird sie nie vergessen. Es wird dann keck, seltsam heiter und fremd, noch einmal brechen im »Mondfleck« alle Tiefen auf, noch einmal glänzt in der Barkarole der Grüne Horizont, und mit einem süßen und gefährlichen Epilog sind wir wieder allein.

Ob von der Kunst aus das ungeheure Wagnis glücken kann, das im »Pierrot« unternommen wurde, ist eine Frage, deren Erörterung weit über den hier gegebenen Anlaß hinausführen müßte. Notwendig aber scheint es, zu bekennen, daß dies Werk an Weite, Tiefe und Strenge von keinem Zeitgenossen erreicht wird.

Es ist eine schöne Pflicht, den mutigen Künstlern zu danken, die unter Dr. Reinhold Mertens eindringlicher und den schwierigen Stoff sicher beherrschender Führung mit einer in allen Stücken vortrefflichen Aufführung sich unerwarteten und spontanen Beifall erkämpften und das Werk auf lebhaftes Verlangen unmittelbar wiederholten. Die Leistung des Sprechers Karl Giebel ist um so höher zu werten, als er um der Sache willen eine seiner baritonalen Art sicher nicht angeborene Aufgabe mit Können und Stil durchführte. Adolf Rebners Geige gab jubelnd und schluchzend alle Abschattungen eines an Zwischenstufen reichen Gefühls, Paul Ludwig spielte die Serenade und den ganzen Cellopart mit sicherem Verzicht auf hier unangebrachte Tonmalerei und fand warmen Ausdruck; die Herren Meyer (Klavier), Naumann (Flöte) und Liebhold (Klarinette) setzten sich mit klarer Technik und ehrlicher Begeisterung ein. – Zu wünschen wäre baldige Wiederholung in breitestem Rahmen.

 

Vierter Kammermusikabend. In Mozarts selten gespieltem, wunderherrlichem F-Dur-Quartett und Beethovens großem C-Dur-Werk 59,3 hörte man zum erstenmal Herrn Gröll, der anstelle von Paul Hindemith die Bratsche übernommen hat. Er ordnete sich dem Klangkörper des Rebner-Quartetts gut ein; ob er über besondere Persönlichkeitswerte verfügt, läßt sich nach dieser ersten Leistung noch nicht erkennen. – Die Aufführung der Violinsonate e-moll op. 9 von Egon Kornauth rechtfertigt sich insofern, als das zum ersten Male zur Diskussion gestellte Werk als typisch für das Musikfühlen und -machen einer jedenfalls numerisch recht erheblichen Anzahl zeitgenössischer Komponisten angesehen werden darf. Es handelt sich um jene wohl durch Josef Marr am stärksten in die Breite wirkende Richtung, die sich durch Aufnahme jungfranzösischer harmonischer und koloristischer Momente eine Belebung des trägen Flusses der nachwagnerischen Musik erhofft. Kornauth gibt sich gemäßigt, schreibt Dissonanzen auf Grund der entfernteren Obertonbeziehungen, ohne bis zu Ganztonbildungen zu schreiten. Ihren Antrieb gewinnt seine Sonate nicht aus einer innerlich verwurzelten Formkonzeption, auch nicht aus thematischen Keimzellen, sondern aus dem verabsolutierten Klang. Klangeinfälle ohne Bewegungskern werden in gleichsam fertige und der Ausweitung unfähige Formen hineingestellt, zu Klängen werden Melodien hinzukontrapunktiert, die nicht gehört, sondern geschrieben sind; es nützt dieser polyphonen Füllweise nicht, daß sie durch heftig synkopierte Rhythmen eine jenseits der Konzeption gelegene und darum unglaubhafte Aufregung zu schaffen sich bemüht. Diese ganze Musik ist auf den einmaligen, wirkungslosen Augenblick gestellt, und so kann es nicht ausbleiben, daß sie auch in ihrer Wirkung am Augenblick haften bleibt und nicht, wie notwendige Musik, in ihrer Form die Zeit bewältigt, sondern in der Zeit in ein bloßes Nebeneinander bedeutungsloser, ganz nur sinnlicher Erscheinungen zerfällt. Der erste Satz ist, wenn auch ungeschickt gebaut und von einem schlimmen zweiten Thema kompromittiert, doch noch ernst gewollt; schließlich aber wird unter Beihilfe von Puccini und Strauss fast unbedenklich der Salon erreicht, in dem ja immerhin solcher Elan und nervische Reiz Geltung haben mag. – Es gehört schon der sichere Takt Debussys dazu, auf geistig also umgrenztem Gebiet etwas wie Kunst wachsen zu lassen; Kornauths Impressionismus aber ist Kunstgewerbe und selbst als solches fragwürdig. – Die Herren Rebner und Malata nahmen die mannigfachen violinistischen und klavieristischen Impulse des Stückes lebendig auf und erspielten ihm lauten Beifall.

 

MAI 1922

 

Drei Operneinakter von Paul Hindemith. Über die musikalische Art Hindemiths und seiner Opern wurde an dieser Stelle bereits vor der Frankfurter Aufführung der drei Bühnenwerke prinzipiell geredet*. Es bleibt hinzuzufügen, daß die Aufführung die nach Partitur und Auszug gewonnenen Eindrücke durchaus bestätigte. Eine starke Begabung hat sich ihren Raum erobert und füllt ihn mit sicherem Können aus, stets seine Grenzen weiterrückend; sie besitzt genug menschlichen Fundus, um eine reich entfaltete technische Faktur als notwendig zu rechtfertigen. Das Orchester klingt, wie zu erwarten stand, überzeugend; während in dem der Übergangszeit entstammenden Werk »Mörder, Hoffnung der Frauen« manchmal noch das Kolorit eigenwertig neben dem Melodisch-Thematischen herläuft, manches noch ›instrumentiert‹ erscheint, herrscht in »Sancta Susanna« eine strenge und schöne Sachlichkeit, die, ohne doch je zur Abstraktion zu verblassen, stets die Farbe aus dem thematischen Geschehnis herausholt. – Das Nusch-Nuschi-Orchester aber, bunt wie ein Gelächter, entläßt kugelnd und quäkend und klecksend aus seinem Strom die hundert wuchernden skurrilen Einfälle, die freilich stets wieder ihre Konsequenzen hervortreiben; manchmal nur verschließt sich sein Klang zu einer jünglingshaft schmalen Lyrik von knospender Herbheit und süßer Bitternis.

Die Premiere zählte zu den erfreulichsten, die der Frankfurter Oper in den letzten Jahren beschieden waren. Ihr Gelingen ist vor allen anderen dem Dirigenten des Abends zu danken, Dr. Ludwig Rottenberg, der mit hingebender Einfühlung und lebendigem Schwung die Werke ins tönende Dasein stellte. Mit der fadendünnen, schwebend leichten Wiedergabe der drei Tanzstücke des »Nusch-Nuschi« gelang ihm eine Kabinettsleistung. Aus der Zahl der Darsteller seien hervorgehoben: Jessyka Köttrik, die in der Kokoschka-Oper die Frau mit heißem Atem erfüllte und in der entscheidenden Szene zu echter Größe steigerte, Emma Holl, der die Susanna gesanglich sehr lag, und die Herren Schramm und v. Schenck, die die Buffopartien des »Nusch-Nuschi« mit allen guten Traditionen der Commedia dell' arte auspolsterten. Mit größeren Aufgaben waren noch beteiligt die Damen Spiegel, Bößnicker, Jokl und Franz, die Herren vom Scheidt, der den Mann in »Mörder, Hoffnung der Frauen« kraftvoll gab, und Giebel, ungemein echt und packend als Knecht in »Susanna«. – Die Regie (Dr. Lert), unterstützt durch die stilgerechten Bühnenbilder von Sievert, bewährte sich durchweg, die Kokoschka-Oper kam in pantomimischer Plastik heraus (deutlicher, als seinerzeit die Aufführung des Wortdramas im Neuen Theater), Bleis Marionettenspiel hatte Farbe und Tempo; in »Susanna« freilich könnte die frühlingsnächtige Schwüle weniger aufdringlich und geräuschvoll über die Bretter weben. – An der verfänglichsten Stelle hatte man dem Nusch-Nuschi die Fangzähne ausgebrochen und auch in den anderen Opern das anstößige Tier, so oft es sich gar zu deutlich regte, mit Höschen kostümiert, einmal sogar mit blitzlichternen. Trotzdem sah sich der Bühnenvolksbund zu einem Protest veranlaßt, dessen sachliche Berechtigung indessen bei der künstlerisch-reinlichen Haltung der Musik und der Mäßigung der Regie schlechterdings nicht einzusehen ist.

 
Fußnoten

 

* Vgl. Theodor Wiesengrund-Adorno, Paul Hindemith, in: Neue Blätter für Kunst und Literatur, Jg. 4 (1921/22), S. 103ff. (Nr. 7); jetzt GS 17, s. S. 212ff.

 

SEPTEMBER 1922

 

Bartók-Aufführungen in Frankfurt. Im zehnten Kammerkonzert hatte der Verein für Theater- und Musikkultur nach Reinhold Mertens unvergeßlicher Direktion des Pierrot lunaire wohl seinen ergebnisvollsten Abend. Die pianistische Mitwirkung Béla Bartóks bot den Anlaß zur Aufführung einer geschlossenen Folge von Werken aus den verschiedensten Stilperioden des außerordentlichen Musikers. Die Einheit des Programms vermittelte einen nachhaltigen und plastischen Eindruck. – Den Hauptakzent des Abends trug die Sonate für Klavier und Violine, die hier zum ersten Male erklang. Das Stück entstammt Bartóks letzter Schaffenszeit und weist mit selbstherrlicher Deutlichkeit alle Merkmale rücksichtslos persönlicher Konsequenz auf. So mag es wohl den Freunden musikantischen Behagens und unerschütterter Spielsicherheit abstoßend begegnen und mit dem Stigma subjektiver Willkür behaftet scheinen. Die aber willens sind, dem Drang des inneren Ohres sein Recht zu geben vor der Gewöhnung des äußeren, werden nicht allein übergeordnete Formgesetze aufspüren, an denen sich jedes technische Wagstück erst bewähren muß, – sondern schon im Sinnlich-Gegenwärtigen des Klanges flutet ihnen ein runder, fremder Wohllaut entgegen, dessen Wölbung wohl als bunte Brücke zu dem fest verwahrten Wesen jener Musik führen kann; ein Wohllaut, mag sein, ähnlich dem einer fremden Sprache, der man den Sinn zutraut, auch wenn man ihn nicht begreift oder nur aus den Gebärden abliest. – Die Aufbauelemente der Sonate sind dem Zweiten Quartett abgewonnen, dem sie auch dem geistigen Vorwurf nach zunächst liegt. Stets wieder umkreist Bartók den gleichen Problembezirk: doch erst in dieser Sonate hat er sich ihm so weit aufgetan, daß er einzudringen vermag, nicht mehr gehemmt vom gar zu eigensüchtig wuchernden Handwerk, und ihn mit der gereiften Kraft seiner Seele beherrscht. Nichts Fremdes liegt hier mehr zwischen seiner Musik und ihm selbst, sein Klang hat ihn ganz aufgesogen und bebt vor innerer Spannung. Mit intensiver Direktheit beginnt der erste Satz: aus tieferer Not noch als im Quartett wird der Themendualismus abgeschliffen. Hereingezogen in den Wirbel schmerzlich durchwühlter Leidenschaft, findet die kühn erdachte Form erst ihr menschliches Gewicht. Der langsame Satz steht in der Mitte, auch er vertraut und neu zugleich. Abermals ist das landschaftlich verwurzelte Erlebnis der Ferne gestaltet. Jedoch mit dem Verrinnen der räumlichen Grenze verrinnt nicht mehr zugleich das Gebilde. Das ist bezwingend einfach gefügt. Irgendwoher singt die Geige ihre verlassene Melodie, spät erst vom Klavier grundiert mit dissonant schimmernden Dreiklängen. Nochmals hebt die Geige an, das Klavier folgt, die Musik wird nahe. Ein Motiv bleibt im Vordergrunde bestehen, weitet sich zum Mittelteil, drängt sich trübe und eng zusammen. Dann zieht es vorüber und entschwindet im Anbeginn. – Der letzte Satz steigert verwegen den dritten Bartókschen Formtyp. Er gibt sich homophon und hat das ungarische Kolorit, aber das jagende Spiel wird zum Graus, das Rondo capriccioso zum Totentanz. Die prachtvolle Dürre des Klangs entzündet sich unter hämmernden Rhythmen zu rauchender Glut. – Man gerät kaum in die falsche Tonart, wenn man dies Werk als beste zeitgenössische Kammersonate bezeichnet, hoffend, es möge vorbildhaft beitragen zur Erneuerung jener Form, vor deren eiserner Forderung eine ganze Epoche des Musikfühlens alt werden, ganze Musikergenerationen erstarren konnten, und deren Sinn dennoch weit hinausweist über die Zeit, die sie schuf.

Durch die Interpretation der Sonate, deren Violinpart Adolf Rebner mit hingebendem Bemühen versah, lernte man Bartók als Pianisten von höchstem Range kennen, der mit strengem Ernst und souveräner Technik die maßlosen Schwierigkeiten des eigenen Werkes meisterte. Dem entsprach auch Bartóks solistische Leistung. Erdnaher Trieb und kulturreife, schon vereinsamte Bewußtheit, deren Polarität den Urimpuls seiner Werke auslöst, charakterisieren auch sein Spiel, in dem jähe Kraft und peinliche Akribie sich paaren, sich selbst aufheben in bärbeißig-elegantem Humor, sich vereinen schließlich im rasenden Sturm der Synkopen. Der improvisatorische Einschlag bleibt erhalten in unwägbar feinen Schwankungen von Tempo und Dynamik; nie zersprengt ein grobes Rubato die Linie. Schlicht, als ob es sich von selbst verstünde, spielt Bartók die differenzierteste Musik.

An den Schluß hatte man das Erste Quartett (op. 7) gestellt. Als das Stück vor ein paar Jahren in Frankfurt zuerst erklang, wirkte es stark und warb dem Komponisten seine Hörer. Es ist merklich verblaßt seitdem. Das hat seinen Grund nicht nur in den heute vielerorten auffallenden Momenten fremden Einflusses, die sich durch die frühere Entwicklungsstufe Bartóks hinreichend erklären, sondern auch in seiner Art selbst. Seine Begabung ist nicht ausgebreitet und reich an Möglichkeiten der originären Schau, sie wird werthaft bloß in der Entfaltung weniger Grunderlebnisse, in deren Konzentration sie ihre Entwicklung durchmacht. Jeder extensive Zug geht ihr ab, und so darf es denn nicht wundernehmen, daß da, wo sie nach Ausgedehntheit und geräumiger Fülle strebt, das kompositorisch Erarbeitete das lebendig Gezeugte überwiegt, der Kern der Persönlichkeit nur mehr im Episodenbeiwerk sich auftut. Zwar ist nichts unwahr und geklebt, zähe Energie hat viel aphoristisch Gehörtes, Einzelnes zusammengeschweißt und mannigfache Aufgaben in Streichersatz, Rhythmik und Periodisierung sicher erfaßt. Aber nach der schmerzlich-innigen Einleitung klafft eine sichtliche Leere auf, volkhafte Naturklänge drängen sich lückenbüßerisch ein, und der langgestreckte Organismus scheint konstruktiv gewonnen, nicht blutvoll hochgewachsen. Bartók selbst hat heute ein zu hohes Maß aufgestellt, als daß man dies Stück noch gelten lassen könnte. – Das Rebner-Quartett unterzog sich seiner Sache mit viel Geschick; für Herrn Ludwig sprang als Cellist Herr Frank ein und erfreute wieder mit seinen prächtigen Pizzikatoschlägen.

 

Mehr noch als das Quartett mußte die Uraufführung von Bartóks Bühnenwerken an der Frankfurter Oper enttäuschen. Das an dieser Stelle früher Gesagte* ist in wesentlichen Stücken zu berichtigen: denn Bühnen- und Orchesterwirkung wichen erstaunlich vom Eindruck des Notenbildes ab.

Seltsam: »Herzog Blaubarts Burg« klingt auf dem Klavier besser als in den Instrumenten. Die herben Konturen der Harmonik verschwimmen in dem Grau des von Holzbläsern stets getrübten Klanges zu fast konventioneller Einförmigkeit. Allzu beharrlich lagert der Schatten von Debussys Pelléas-Orchester über dem Kolorit. Was dem Franzosen recht ist, braucht dem Ungarn noch nicht billig zu sein, und die allseitige Versiertheit der Partitur entpuppt sich bald als schlechtes Europäertum. Es galt, eine Ballade zu komponieren, doch es blieb bei Absicht und Disposition. Das Werk ist tektonisch untadelig angelegt und zeigt im harmonischen Gerüst trotz mancher naiv-psychologisierenden Wendung Kraft und Ernst. Aber der balladeske Bogen bröckelt zwischen wenigen starken Pfeilern. Bartók bewältigte nur die Stellen, die in den engen Umkreis seiner stereotypen Fragestellungen fielen: den Schrecken also des grauenvollen Durchbruchs und das Zerfließen ins Unbestimmte. Was darüber hinaus in der pseudomystischen und doch wieder überdeutlichen Handlung an formfordernden Motivkeimen angelegt war, blieb unbeachtet oder wurde mitverarbeitet in einem Kompositionsapparat, der nicht nur technisch, sondern auch seelisch überlastet ist mit dem erstarrten Stoff einer müden Zeit. Dieser Stoff wurde nicht in der Glut einer großen Konzeption umgeschmolzen: denn Bartók begegnete dem Vorwurf nur mit der Peripherie seines Wesens, hob willkürlich ihm Gemäßes heraus, ohne das Ganze zentral zu berühren. So stellt sich das Werk als zwar geradegerichtete, aber gar bläßliche, in fremdes Erdreich versetzte Nachblüte des Seelenimpressionismus dar, die nur selten ein Wind bewegt, daß man ihr überhaupt das Pflanzentum glaubt.

Anders liegen die Dinge im »Holzgeschnitzten Prinzen«. Im Tänzerischen ist Bartók heimischer als in der zwielichtigen Atmosphäre der Filmballade. Die Musik ist unmittelbarer hier und auch innerlich reicher als im »Blaubart«. Aber sie wird problematisch durch das Auftreffen Bartóks auf die Bühne, die Fülle fordert und das Widerspiel bunter Kontraste, wenn sie nicht die Musik zum sekundären Stimmungsfaktor, zur Begleitung degradieren soll. Gerade hier, wo die dünne, gezierte Kindlichkeit des Buches so gar keinen Ansatzpunkt für tiefere symphonische Bewegtheit bietet, wäre sinnliche Bewegtheit und rauschendes Spiel vonnöten. Daran muß Bartók scheitern. Gar zu beschwert schreitet schon die Einleitung daher, und der Widerspruch zwischen der hübschen Belanglosigkeit des szenischen Geschehens und der bohrenden Eingeschlossenheit der Musik fällt auf jene zurück und läßt sie pathetischgeschwollen erscheinen. Wo aber Bartók der Bühne Rechnung trägt, entgleitet er sich selber und versandet in tonmalerischen Spielereien nachstraussischer Art – abermals ein Opfer schlechten Europäertums. Es wäre zu wünschen, daß er die starken Partien des Werkes (wie den prächtigen Tanz des Holzprinzen) nach dem Vorbilde Busonis zu einer Konzertsuite vereinigte. Dann erst könnte man ihrer froh werden. Aber auch dann reichte das Ganze kaum über die Grenze des Subjektiv-Reizvollen, Gelegentlichen heraus. Der Kompromiß mit dem Theater hat Bartóks Format unnatürlich verengt.

Über den Aufführungen waltete kein guter Stern, wie sich denn auch der Beifall in den Schranken der bloßen Achtung hielt. Zwar Eugen Szenkar verfügte mit der ihm eigenen Großzügigkeit über die Partituren und füllte mit seinem Temperament viele Risse der Musik aus. Aber weder Frau Gentner-Fischer noch Herr vom Scheidt schienen an ihren Rollen im »Blaubart« recht innerlich beteiligt, sie merkbar indisponiert, er fast erdrückt von der griesgrämigen Einförmigkeit der Stimmung. – Die Aufführung des »Holzgeschnitzten Prinzen« nährte sich von der staubigsten Ballett-Tradition und wirkte zumal in der süßlich aufgeputzten Szene des Baches kaum erträglich. Die Notwendigkeit einer Ballettreform wurde wieder einmal deutlich; kommt sie nicht bald, so bleibt es unerfindlich, wie man etwa die Wiedergabe einer Pantomime von Strawinsky leisten will.

 

Man tut der Bedeutung Bartóks keinen Abtrag, wenn man seine Grenzen erkennt. Er bleibt uns der Meister einer ganz intensiv ins Klangliche sich umprägenden Innerlichkeit der Kammermusik, die durch den tiefen Naturzwang, der ihre bewußte Durchformung hervortreibt, weit hinausreicht über jene gegenstandslose Subjektshypertrophie, die auch im Musikalischen dem Ende entgegenwelkt. Die Möglichkeit bühnenmäßiger Ausdehnung bleibt ihm versagt, denn er zielt nicht auf Totalität ab, sondern auf die Erfüllung einer streng bemessenen Sonderaufgabe. Je näher aber er dieser Erfüllung rückt, um so voller tönt seine Musik auch als Echo der objektiven Welt.

 

Zeitgenössische Kammermusik, Erster und zweiter Abend im Verein für Theater- und Musikkultur. Die hier geplanten Einführungen können sich nicht damit begnügen, Einführungen zu sein. Wenn irgendwo, dann ist in musikalischen Dingen einfühlendes, standloses Sichversenken fragwürdig: da hier am wenigsten eindeutig gegebene Stofflichkeit zum konkreten Maßstab für die menschliche Fundierung wertfreier Darstellung dienen kann. Solche Einfühlung ergibt niemals mehr als bloß Stilanalyse, trifft nicht das Was, sondern nur das Wie der Gegenstände. So wird hier bewußt darauf verzichtet, Wesen und Wert zu trennen. – Es versteht sich, daß damit nicht eine Kritik der Programme gemeint ist. Die Werke, die der Verein zur Diskussion stellt, sind der Diskussion wert. Doch eben darum dürfen sie auch diskutiert werden.

Der erste Abend bringt Pfitzners C-Dur-Quintett op. 23, das schwergepanzert daherkommt als entscheidende Äußerung eines Prominenten. Der Stil von Brahmsens Klavierquintett hat vorbildlich gewirkt: aus der schroffen Gegeneinanderstellung des Streicher- und Klavierklangs soll etwas wie symphonische Spannung herausgeholt werden. Gleich der erste, umfängliche Satz läßt ein Vorwalten geradliniger symphonischer Überschneidungen gegenüber kammermusikhaft verschlungener Polyphonie erkennen. Man weiß, wie hoch der Ästhetiker Pfitzner den musikalischen Einfall bewertet, der ihm nicht allein den sinnlichen Keim, sondern den willensmäßig-unbewußten Ausgangsgrund schlechthin aller Musik bedeutet, dem gegenüber er jede ideenmäßige Bindung – nicht nur die gegenständlich-programmatische – als literarisch und musikfremd verwirft. Dies an Schopenhauer orientierte Theorem stimmt schlecht zu Pfitzners tatsächlicher Musikübung: denn sein Klavierquintett stellt sich zuvorderst als Formkonzeption dar. Diese Formkonzeption aber ist geboren nicht aus dem Blut eines das sinnliche Abbild erzwingenden Grunderlebnisses, sondern in der Retorte hartnäckiger Abstraktionen gezeugt. Ironisch führt sich Pfitzners Ästhetik selbst ad absurdum: die Ideenlosigkeit der Form, der das menschliche Wozu abgeht, läßt den mühselig aufgetürmten Formbau ins Formalistisch-Epigonale umkippen. Sie auch trägt, und das ist aufschlußreich, die Schuld, daß dem Plan des Ganzen die korrelate Sondererfüllung im unmittelbar Gegenwärtigen fehlt; Pfitznerisch gesprochen: an der Einfallsarmut des Stückes. Eingebaut in ein grobknochiges, prinzipienstarres Schema, vermag kein Einfall in sinnenhafter Fülle aufzublühen. Gleich die erste Themengruppe verliert sich in unplastischer Weitschweifigkeit, die zweite bleibt völlig substanzlos, in der Durchführung scheint es manchmal mit Entscheidung und Gefühlszusammenhängen ernst zu werden, aber die bombastische, unmotiviert übersteigerte Reprise verpufft in billigem Triumph. Das Intermezzo, verschämt sprießend im Riesenschatten von Mahlers Siebenter, ist eigener in der Gebarung, doch um die matte Thematik viel zu weit gebauscht. Am meisten gewollt und auch vollbracht ist im Adagio: hier ringt sich etwas von der abseitigen, verdunkelten, herbstmüden Lyrik durch, die stets wieder zu Pfitzners frühen Liedern zieht. Zagend, mit scheuem Nachdruck reiht sich Fragment an Fragment, nicht frei zwar von Vorbildern und in ganz nur äußerem Zusammenhang gebunden, aber rein und echt. Danach macht es sich die Rondofröhlichkeit des Schlußsatzes, wie ähnlich oft bei Schumann nur ersehnt, nicht nach der Überwindung gefunden, mit ihrer romantischen Auchbejahung gar zu leicht. So scheitert Pfitzners groß gedachter Monumentalisierungsversuch an dem Mangel inneren Schwerpunktes. Ohne zu festem Stand ausbalanciert zu sein, schwankt schattenhaft die ihres Seins entleerte Musik vorbei, gespenstische Nachhut der Altromantik. Wie Pfitzner mit seiner unbeirrten Selbstsicherheit das ›symphonische Prinzip‹ als ›Kitt‹ abtut, so hat es ihn verworfen und ist wahrhaft zum Kitt geworden zwischen den fragmentarischen Äußerungen einer Subjektivität, die sich um so weiter selbst verlor, je lauter sie sich proklamiert.

Auch bei dem Spanier Philipp Jarnach, dessen Streichquintett op. 10 am zweiten Abend erklingen soll, schlägt das Formproblem in die Problematik der Formgebung um. Aber die Bedingungen sind hier ganz anderer Art: Jarnach ist jünger nicht nur an Jahren, sondern auch an produktivem Vermögen, fraglos einer der Ernstesten, Verantwortungsvollsten seiner Generation, zudem ausnehmend begabt für straffes Maß und zuchtvolle Bändigung. Wie seinem Lehrer Busoni weist auch ihm die Idee der ›neuen Klassizität‹ die Richtung, die Überwindung der schlechten Individualität ist auch ihm bewußtes Ziel. Abseits von den ähnlich Strebenden sucht seine feingliedrige, ästhetisch gespitzte Art zur objektiven Bewährung zu kommen in der Begegnung mit vergangenen Stilepochen, die noch nicht auch im Kunstschaffen vom Riß zwischen Ich und Welt durchschnitten werden. An Bach und seine Zeit knüpft er an, die Vorstellung des Orgelklanges, der von keiner Dynamik durchbrochen in typisch gesetzten Kontrasten hinströmt, liegt seiner Musik letztlich zugrunde: mühelos könnte man sich etwa das »Präambulum« des Quintetts auf die Orgel übertragen denken. Da aber Jarnach doch ganz und gar der Gegenwart angehört, überweht von Schauern der Sehnsucht, grundlosen lyrischen Erschütterungen preisgegeben, einer, der Rilke musikalisch zu fassen sucht, muß er stets neuen Wein in alte Schläuche gießen. Nichts von der sachlichen Dämonie des Organisten lebt in ihm, ein seltsamer Zwiespalt zittert durch sein Werk, das als Folge einiger sehr breit angelegter Variationen über ein schmerzlich-gedehntes Thema sich gibt. Da findet sich eine Giga, eine Aria voll archaisierender Sanglichkeit, aber in der Harmonik stellen sich tausend Widerstände auf, Begleitformeln verdichten sich zu selbständigen Linien, überall dringt ein starkbetontes Espressivo durch. Dann scheinen die Formen wie Masken zu fallen, der Stilwillen scheint sich in artistischen Spielereien zu verlieren, die Strenge der Fassade scheint zu verschwimmen im Abendlicht der romantischen Ironie. – Man kann keine Kathedralen bauen, wenn keine Gemeinde sie begehrt, – auch wenn man selber an Gott glaubt. Man kann nicht zur Objektivität kommen, indem man seine Subjektivität in fremde, an andere metaphysische, ästhetische, soziologische Voraussetzungen geheftete Formen bannt. Sonst zerreißt sie die Form und feiert Selbstvergottung. Nur vom Ich aus und seiner weiterwirkenden Entscheidung läßt sich über das Ich hinauswachsen, kein objektives Gehäuse faßt uns, wir müssen uns unser Haus selbst bauen. – Trotz dieser prinzipiellen Einsicht ist Jarnachs Formbejahung als Gesinnung in der anarchisch zersplitterten Zeit und Kunst zu begrüßen; Kraft und Konsequenz seiner Anlage, gestützt von reger Klangphantasie und außerordentlichem technischem Können lassen hoffen, daß er die seinem komplizierten, aber stark umrissenen Wesen gemäße Form finden wird.

 
Fußnoten

 

* Vgl. Theodor Wiesengrund-Adorno, Béla Bartók, in: Neue Blätter für Kunst und Literatur, Jg. 4 (1921/22), S. 126ff. (Nr. 8); jetzt GS 18, s. S. 278.

 

Kammermusikwoche in Frankfurt am Main

 

Zur gleichen Zeit, da die wirtschaftliche und politische Lage des deutschen Reiches bis zum Unerträglichen sich erschwert, bringt eine deutsche Stadt, nahe der besetzten Zone gelegen und selbst stets mit Besetzung bedroht, unter tausend Hemmungen eine künstlerische Veranstaltung zustande, die Beachtung auch jenseits der Grenzen des eigenen Landes erheischt. Man hatte in Frankfurt am Main für den Sommer 1923 ein Musikfest geplant, das in Oper und Konzertsaal unter Aufgebot der größten Mittel die anspruchsvollsten Werke der zeitgenössischen Literatur und der Vergangenheit darbieten sollte; die Not der Zeit zwang dazu, die Absicht zurückzustellen und, da man die Veranstaltung nicht ganz aufgeben wollte, mit wesentlich bescheideneren Mitteln hauszuhalten; aber es darf heute gesagt werden, daß die Beschränkung des äußeren Aufwandes dem künstlerischen Gesamtergebnis nicht schadete, sondern vielmehr förderlich war. Denn alles, was die sachliche Aufmerksamkeit hätte mindern können: der gesellschaftliche Prunk, die Zahlenkraft des selbstherrlichen modernen Orchesters, der Kult der Dirigiervirtuosen blieb ausgeschlossen. Hermann Scherchen, der sich als Leiter der Berliner »Anbruch«-Konzerte einen Namen machte und jetzt als Kapellmeister der Frankfurter Museumsgesellschaft tätig ist, hatte die Leitung der Frankfurter Musikwoche in Händen; ihm ist es zu danken, daß das Fest zustandekam und sich auf ernsthaft künstlerischen Diskussionsstoff beschränkte, ohne an die grob genießerische Musikauffassung eines großen Publikumteils irgend Konzessionen zu machen, ihm auch, daß sich die Programme nicht auf deutsche Autoren zu beschränken brauchten, sondern führende fremdländische Komponisten mit berücksichtigen konnten. Freilich machte sich hier die Spannung der politischen Situation doch recht fühlbar: denn die junge französische Musik, die starke Antriebe auch für Deutschland abgibt und in ihrer Sinnenhaftigkeit und formerischen Sicherheit ein gutes Korrektiv aller aus dem tragischen Wissen und der tiefen Ungeduld entspringenden deutschen Musik bedeutet – , diese junge französische Musik, in der nicht weniger Wissen ist, die aber nicht radikal auf die Loslösung des Einzelnen drängt, sondern in ihrem Wissen sich im Überkommenen und Mittleren bescheidet, blieb ausgeschlossen. Das ist als das bedauerlichste Negativum der Veranstaltung zu buchen, allerdings nicht als Schuld der Veranstalter, sondern als bedingt durch die unseligen Verkettungen zwischen den europäischen Staatengliedern.

Es versteht sich, daß in sieben Kammerkonzerten, deren Programme oft überreich bestellt sind, nicht durchweg Werke von fragloser Bedeutung und schöpferischer Eigenkraft geboten werden können. »Neue Musik« hatte man die sieben Konzerte zusammenfassend betitelt und damit die Absicht ausgesprochen, Stücke herauszustellen, die in irgendeiner Weise vom Altgewohnten und Vertrauten, von Wagners Tonsprache zumal, losdrängen und nach eigener Form streben. Damit ist nicht eben viel Gemeinsames ausgesagt, und wenn man ein gemeinsames Stilmerkmal angeben wollte, wie etwa die ›Atonalität‹, soll heißen die Lockerung der Beziehung der Harmonien auf einen tonartlichen Zusammenhang, so müßte man rasch entdecken, daß diese angeblich so umstürzlerische und neutönerische ›Atonalität‹ bei jedem einzelnen Autor eine andere Bedeutung hat, bei keinem aber wohl als liebloser Bruch mit dem Vergangenen zu deuten ist. Da also ›neue Musik‹ sicherlich eine Verschwörung darstellt und auch in keinem anderen Sinne als Ausdruck eines gemeinsamen Musikfühlens genommen werden darf, so hat man es schließlich hier wie bei jeder musikalischen Veranstaltung mit den Werken Einzelner zu tun, von denen manche Experimente sein mögen, manche ohne viel Besinnen auf der Zeit schwimmen, manche anregende und aufregende Gewalt in sich haben, einige vielleicht einmal übrigbleiben. Der Wert einer Musikwoche wie der Frankfurter kann nicht darin ruhen, in strenger kritischer Sicht vollbürtige Arbeiten zu bringen (deren gibt es so wenige, daß sie schwerlich eine Woche füllen), sondern vielmehr darin, allseitig über die Kräfte zu unterrichten, die sich um die innere Mehrung des musikalischen Gutes ernstlich mühen.

Von Komponisten mit großem, weithin anerkanntem Namen waren vertreten: die Österreicher Schönberg und Schreker, der Russe Strawinsky, der Ungar Bartók, der Deutsch-Italiener Busoni, der Engländer Delius, endlich als jüngster der Reichsdeutsche Hindemith, der in fast beispiellos kurzer Zeit Erfolg über Erfolg errang. Man hörte nur von dreien dieser Komponisten wirklich repräsentative Werke: von Schönberg, Strawinsky und Hindemith. Für Schönberg zeugte außer dem ungemein schwierigen, kaum ganz rein wiederzugebenden a capella-Chor »Friede auf Erden« (op. 13) der Liederzyklus nach 15 Gedichten aus Stefan Georges »Buch der hängenden Gärten« (op. 15). Von allem Gebotenen schienen mir diese Lieder in ihrer dunklen, einsamen und gebändigten Glut, in ihrer unerbittlich strengen Formgebung, in ihrem weit noch über die Gedichte hinausweisenden menschlichen Ernst das reinste und reifste. Der tiefen Fremdheit, die alte Liebe durchschneidet, dem furchtbaren Auseinanderweisen ist hier erschütternder, ganz musikeigener Ausdruck geworden. – Strawinskys »Histoire du soldat«, nach Worten von C.F. Ramuz, eine artistisch erklügelte Vermengung von Tanzspiel, szenischem Dialog und musikalischer Untermalung, darf vielleicht als charakteristisch für die heutige Situation dieses talentmäßig überreichen, aber seelisch armen und leeren Künstlers genommen werden, der sich zum umfassenden Ausdruck seiner Zeit auszuweisen und ins Dämonische zu steigern vermag, um schließlich stets wieder im Parodistischen zu enden, das keineswegs über seinen privaten Fall hinauslangt. Bei aller Überlegenheit der Faktur, bei allen stark musikalischen Ansätzen bleibt dies vom Pariser Infantilismus gespeiste Bühnenwerk am Ende kaum mehr, als eine Atelier-Angelegenheit. Man wünscht dem gefährlichsten Könner der heutigen Musik die rücksichtsloseste Selbsterkenntnis seiner Grenzen, damit er Fruchtbares zu schaffen vermag. – Hindemith ist Strawinsky in seiner jeden romantischen Gefühlsausdruck verneinenden Weise, in der unaufhaltsam stampfenden Rhythmik, oft auch in seiner wilden und schnöden Ironie verbunden; auch er geht auf grausame Entzauberung aus; aber das alles steht bei ihm viel ungebrochener und primitiver, entwächst eher dem dumpf getriebenen Naturell als der Absicht des Zivilisationsmenschen; und weicht oft auch dem scheuen, unter der Maske der Gleichgültigkeit verborgenen Durchbrechen des Seelisch-Ursprünglichen. Hindemith ist gefährdet: vom Erfolg, der Leichtigkeit des Produzierens, von einer gar zu unbeschwerten Aktualität und Anpassungsfähigkeit. Aber er ist zugleich ein Kerl, und es ist Hoffnung, daß er mit sich fertig werde. Die »Kammersuite für 5 Bläser« (op. 24,2) hat eine glückliche, gute, wohl auch innerlich erst errungene Leichtigkeit und verfügt mit schöner Selbstverständlichkeit über die klanglichen Mittel; die »Marienlieder« nach Rilke sind um Formprobleme entstanden und bewältigen die überlangen Gedichte in straffen, nirgends schildernden Organismen, sind aber ihrem poetischen Gegenstand nach Hindemith zu fremd, als daß man an ihre übertechnische Notwendigkeit glauben möchte. Doch stellt sie ihre zuchtvolle Formkraft immer noch über die meisten Werke der Musikwoche.

Kurz nur ist von den aufgeführten Stücken jener anderen Prominenten zu reden: Die Lieder von Schreker wirken ziemlich theatralisch; Bartóks bekannte Suite op. 14 ist stark, plastisch und gedrungen, vermag aber doch nicht die bohrende und kreisende Intensität dieses hartnäckig auf seinen Kern drängenden Komponisten ganz zu übermitteln; Delius' Chöre »Auf dem Wasser zu singen«, ohne Worte gesetzt, haben Klangreiz, künden aber nichts Neues. Busonis »Fantasia contrapunttistica« endlich, unter Benutzung Bachischen Gutes, zur Verherrlichung Bachs geschrieben, ist bei aller Kontrapunktik doch ganz im Bereich des Impressionismus zu Hause; die Polyphonie wirkt weit eher als dichter Klangschleier, denn als greifbares Übereinander der melodischen Linien und bleibt romantisch-willkürlich. –

Eine Sonderstellung nimmt der Deutsche Rudi Stephan ein, der zu Beginn des Weltkrieges fiel. Seine Musik weist deutlich noch auf die Wagnerzeit, sie hat das Schicksalspathos in sich, die Verherrlichung von Leben und Tod, vieles in ihr wirkt heute hohl und vergangen, auch ist ihm nicht die freie Verfügung über die Mittel gegeben, und die »Musik für sieben Saiteninstrumente« zeigt in ihrer Besetzung (Streichquintett, Klavier und Harfe) wenig glückliche Klang-Kombination. Trotzdem aber steckt in der Art, mit der dieser Mensch sich um die Formung seiner Gebilde gemüht hat, ein so brennender Ernst und eine so starke Eigenart der Anlage, daß man seinen Verlust bitter betrauert.

Aus der großen Zahl junger oder zumindest nicht allgemein bekannter Autoren sind es vier vornehmlich, deren Namen haften. Der dreiundzwanzigjährige Tscheche Ernst Krenek, Schüler von Schreker, tritt schon seit zwei Jahren mehr und mehr hervor und zählt zu den begabtesten seiner Generation; seinen unheimlich schnell produzierten Werken eignet eine dumpfe, unbewußte Getriebenheit, die sich rücksichtslos in weiten, ununterbrochenen Rhythmenbögen, einer seltsam trübe schimmernden Apathie, zuweilen aber einem erschreckend großen symphonischen Zusammenballen von Klang und Rhythmus ausprägt. Das selbständig Thematische, der Ausgleich im Klangbild tritt demgegenüber vorerst noch ganz zurück, aber sein »Concerto grosso« (ebenso wie seine II. Symphonie) überwältigt durch ungebärdige Kraft, die ihren Sinn, ihre Beziehung auf einen geistigen Kern freilich noch erst gewinnen muß. – Der Spanier Philipp Jarnach entstammt dem Busonischen Bildungskreis und bewies mit Kammermusikwerken eine phantasiekräftige, ernste und wieder verträumte Anlage, der allerdings eine romantisch-intellektuelle Sehnsucht nach der überindividuellen, tektonisch bestimmten Orgelwelt Johann Sebastian Bachs in ähnlicher Weise gefährlich sein mag wie Busoni selber. Seine hier aufgeführte Solosonate für Violine zeigt weniger von dieser Gefahr als etwa sein Streichquintett op. 10 und ist ungemein diszipliniert im knappen Aufbau, dafür aber nicht so reich wie die Kammermusikwerke, zuweilen fast dürftig. – Die Lieder des jungen Italieners Mario Castelnuovo-Tedesco zählten zum Glücklichsten der Musikwoche: ungebrochen musikfreudig und doch differenziert und geformt, eine reife Kulturblüte und zugleich ganz natürlich, scheinen sie völlig diesseits der Probleme erwachsen, die die nördliche Musik belasten. Was verschlüge es, ihnen Mangel an Tiefe vorzuwerfen? Fast möchte man den Autor um diesen Mangel beneiden, wie deutlich man auch seine Grenze weiß. – Der Deutsche Wilhelm Petersen zog mit zwei Symphonien die Aufmerksamkeit auf sich; die in Frankfurt uraufgeführte Klavier-Violinsonate ist ein gemäßigtes, in der Art der Themenbildung und der Chromatik an Max Reger gemahnendes Stück mit durchgehendem Thema, das der Gefahr der harmonischen Verzärtelung in durchdringender Auseinandersetzung mit dem Problem der Sonate wirksam begegnet. Daß diese reife und gestaltete Sonate (wie überhaupt kein Werk des abseits schaffenden Autors) trotz vielfacher Hinweise noch keinen Verleger fand, sei zur Charakteristik der derzeitigen äußeren Lage der deutschen Musik erwähnt.

Die besprochenen Werke stellen das wesentliche Ergebnis der Kammermusikwoche dar. Es wäre von anderen noch etwa zu erwähnen ein Streichtrio von Friedrich Hoff, ein sprödes, jedoch ungemein ehrliches und stark gefühltes Stück, das Dokument eines reifen Menschen, der es sich schwer macht und mühsam vom Bekenntnis zur Form hinüberfindet, eines, auf den zu merken ist; dann ein begabtes, aber noch ganz unfertiges Quartett von Kurt Weill. Um die Interpretation setzte sich außer Scherchen das auch in Dänemark bekannte Amar-Quartett (mit Hindemith an der Bratsche); der vorzügliche Pianist Eduard Erdmann, die Geigerin Alma Moodie, Kapellmeister Merten, Hans Lange, Alfred Höhn, die Wiener Sängerin Winternitz-Dorda und mancher andere ein. Man schied in dem Bewußtsein, daß trotz der drückenden äußeren Bedingungen und der durch kein Programm zu überdeckenden Kulturkrise in der Musik Kräfte am Werke sind, die um neuen Aufbau ringen.

 

1923

 

 

AUGUST 1923

Es geht nicht an, von neuer Musik mit der gleichen unverzagten Selbstgefälligkeit zu reden, mit der man zur Blütezeit des literarischen und bildnerischen Expressionismus von neuer Dichtung, neuer Malerei sprach. Die Neuheit der künstlerischen Mitteilungsweise besagt nichts über den Wert des Mitgeteilten, und der Sammelname ›neue Musik‹ enthält in Wahrheit wenig mehr Bezeichnendes, als daß die darunter befaßten Werke jungen Datums sind: denn der Glaube an den unentwegten künstlerischen Fortschritt mag heute selbst denen geschwunden sein, die sich im Kampfe gegen eine erstarrte Kunstübung mit einigem Recht als Fortschrittbringer fühlen durften, wie wohl auch keine Proklamation etwas daran ändern kann, daß sich unmöglich ein einiges Kunstwollen aufspüren läßt in einer Zeit, deren Bindungen so tief und so breit aufgelockert sind wie der unseren. So vermag gewiß eine Veranstaltung, die über die zeitgenössische Produktion unterrichten will, es nicht, von sich aus in der Wahl der Werke Einheit der künstlerischen Linie und ihrer Wesensbedingungen zu bekunden. Da Hermann Scherchen, dem Anregung, Durchsetzung und Leitung der Frankfurter Kammermusikwoche zu danken ist, von Anbeginn nicht darauf aus war, sein musikalisches Glaubensbekenntnis zu bieten, sondern vielmehr als kluger Kapellmeister mit der eigenen Stellungnahme zurückhielt und seine Leidenschaft durchaus an die Wiedergabe der zuweilen unversöhnlich auseinanderweisenden Stücke wandte, so blieb zum mindesten der Anschein einer Gemeinsamkeit vermieden, die es doch nicht gibt, und man fand dafür einzelne, deren Werke über die Vereinzelung des Urhebers hinausreichten, ohne daß hier danach geforscht werden soll, ob in ihnen die Keime einer objektiven Musikgestaltung angelegt sind, wie weit diese Keime Lebensrecht haben. Unter Verzicht auf alle solche Prophetie sei nur dem Werte der einzelnen Werke nachgefragt, die in kurzer Übersicht besprochen werden. Eines zuvor: das Stilmerkmal, das den meisten Arbeiten zuzukommen scheint, die Atonalität oder besser: der Verzicht auf durchgehends tonartlichen Bezug der harmonischen Abfolge, ist ein schwanker, willkürlich herausgehobener Begriff, dem bei Schönberg und Hindemith, bei Bartók und Jarnach, bei Krenek und Strawinsky eine jeweils verschiedene musikalische Wirklichkeit entspricht und der darum auch technisch wie stilkritisch stets wechselnden Sinn hat; nimmer läßt sich vom Blickpunkt der Atonalität aus eine Wesensdeutung der Musik gewinnen, da das Wesen doch das Verhältnis zur Tonart prägt, nicht umgekehrt; es kann überhaupt nicht von den Mitteln und vom Stil aus Kritik geübt werden, sondern Stilkritik ergibt sich nur im Zusammenhang mit der Kritik am Wesen.

Mit jäher Gewalt setzte das erste Konzert ein. Ernst Kreneks Concerto grosso zeugt wiederum von des Komponisten dunkler, unbewußt getriebener Begabung, die kantig Linien übereinander schichtet, ohne einmal ihren Aufruhr klangselig zu beschwichtigen. Wilde selbstherrliche Rhythmik spannt sich in den Ecksätzen, die Lyrik des Adagios rinnt trüb und apathisch in herber Demut; der Mangel jeglicher Gefühlsgeste entspringt nicht der Armut, sondern der keuschen Verhaltenheit einer sicher beheimateten Seele. Es bleibt ihm, dem zwangsläufig Schaffenden, das geistige Wozu noch erst zu gewinnen, an seiner Kraft ist kein Zweifel. – Die Coplas-Lieder von Mario Castelnuovo-Tedesco klangen in ihrer südlichen Sinnenhaftigkeit gar fremd herein, geben aber in ihren Grenzen Ungewöhnliches; freilich scheint hier die romanische Klangfreude schon sich selber zum Stilprinzip geworden. – Herbert Windts anspruchsvoll aufgemachte angebliche Kammersinfonie »Andante religioso«, aus sechs Orchestergesängen nach verblasenen Gedichten von Hans Schwarz zusammengefügt, mag mit ihrem Orchestergeschick, ihrem Hörner- und Harfenprunk in einer Schulaufführung der Schrekerschen Meisterklasse recht gut stehen; ihre ahnungslose Nachahmerfreude und illustrative Äußerlichkeit wirkte hier teils erheiternd, teils – wo der Name Gottes mit Operngetue verflittert wird – peinlich.

Der zweite Abend ließ die junge Berliner Musik hervortreten. Eduard Erdmann gab eine verwegene Nachimprovisation von Bartóks allbekannter Suite op. 14 und spielte drei lustige Kabarettstücklein von Tiessen mit seinem tollen Charme; überzeugte aber mit seiner Sonate für Violine allein auch diesmal nicht von seiner schöpferischen Berufung: das Stück ist aus Einfallsfragmenten zusammengesetzt, die schon eigenes Gesicht haben, aber ganz nur von außen unter die Sonatenform gebracht sind, die doch der Struktur solcher zerflatternden Thematik völlig entgegen ist: so bleibt es bei loser Unterhaltung. Jarnachs Violinsolosonate hat ungleich mehr Gewicht, kommt straff diszipliniert, ernst auch im Innerlichen; gemessen an dem, was man von Jarnach nach seiner Kammermusik fordern sollte, bleibt sie trotzdem zu unentfaltet, im ersten Satze sogar unplastisch. Zum Beschluß hörte man Busonis Fantasia contrappuntistica und mochte staunen über die Romantik dieser romantikfeindlichen Musik, in der ein ganz abgelöster, im Ästhetischen sich genügender Mensch eine quasi religiöse Objektivität spielt, die seiner komödiantisch bunten Seele unwiederbringlich verloren ging. Da nun vollends dieser romantische Widerspruch in die Musik selbst nicht zeugend hereinschlug, sondern als abstraktes Programm frei darüber schwebt, so ergibt sich schließlich als musikalische Leistung nur mehr eine lose Klangverschleierung der Bachischen Tektonik, wichtig bloß in der Gesinnung und der Doppeldeutigkeit ihrer geistigen Lage. – Die hauptstädtischen Gäste Frieda Kwast-Hodapp, Alma Moodie, James Kwast, Eduard Erdmann fanden viel Beifall.

Am dritten Abend war ein Gewinn die Bekanntschaft mit der Klavier-Violinsonate von Wilhelm Petersen. Trotz hundertfältiger harmonischer Brechungen entstammt das Stück dem tonalen Bereiche, die flächige Themenbildung, die schillernde Chromatik weist auf Reger, manches Klangmoment auf Debussy, aber die überkommenen Stilelemente sind um die Mitte einer eigenen, lyrisch eingesponnenen und breit ausströmenden Seele angeschossen, die sich in der durchdringenden Auseinandersetzung mit dem Formproblem der Sonate selber erhärtet. Man möchte dem Stück recht bald einen Verleger wünschen. – Danach gab es Lieder: von Schreker bedenklichen Abfall vom Opernschaffen, schmale Proben von Rottenbergs dornenumhegter Lyrik, endlich Gesänge des Finnen Yrjö Kilpinen, die sich auf recht internationale Weise national gebärden. – Die Sonate für Cello und Klavier von Alexander Jemnitz tritt schrullig-märtyrerhaft auf; sie ist hartnäckig gegen die Instrumente geschrieben, thematisch undicht, zerfetzt und wieder weichlich; man brauchte ihr nicht weiter nachzuhängen, merkte man nicht, daß alle offene Willkür durch irgendein hinter der Musik verstecktes, absonderliches System bestimmt wird. So wenig darum das sachliche Ergebnis sich hebt, müßte man doch diese Hintergründe, seien sie nun im Musikalischen oder Außermusikalischen gelegen, kennen, um rechte Kritik zu bieten. – Von den Solisten des Abends seien Alfred Hoehn (Klavier) und Hans Lange (Geige) hervorgehoben; in der Begleitung der Gesänge erwies Kapellmeister Reinhold Merten erneut seine ganz überragende Musikalität. – Hindemiths Bläserquintett op. 24,2 leitete den dritten Abend ein. Wer jedes Werk des Komponisten als in sich ruhendes, persönlich vollbefrachtetes Dokument nimmt, verkennt darüber das Spezifische seiner nicht bekennerischen, sondern auf überpersonale Sachlichkeit ausgerichteten Haltung, die ein Werk durch das andere korrigiert, wo es not ist, ohne jedes einzelne anders als technisch-musikalisch zum besonderen Problem zu machen, und die in ihrer Ganzheit so fest gegründet steht, daß sie es wagen darf, im beglückend leichten Spiel sich zu lösen, ohne darum spielerisch zu werden; die heitere und unpathetische Bläsersuite zeigt etwas von dem ernst und wirklich geworden, was in Busonis gewichtiger Attitüde Spaß bleibt. – Igor Strawinskys »Histoire du soldat«, als Mittelstück der ganzen Veranstaltung geboten, mußte enttäuschen. Das umfängliche Werk ist als Mischform zwischen musikalischer Pantomime, szenischem Dialog und melodramatisch grundierter Vorlesung ausgedacht. Die Worte von C.F. Ramuz geben, vielfach an Märchenmotive anklingend, die Geschichte des Soldaten, der dem Teufel um ein Reichtum bringendes Buch Geige und Seele verschachert, dem Reichtum entsagt, den Teufel überlistet, die Königstochter sich erfiedelt und schließlich am Kreuzweg doch noch vom Gottseibeiuns hinabgeholt wird. Der ganz unnaive Dichter greift den Stoff mit allerlei symbolistischen Absichten auf, für die er aber auch schon nicht mehr naiv genug ist, und da er es einmal nicht vermag, den einfältigen Vorwurf mit der Vielfalt seiner Seele auszufüllen, so wird ihm die Einfalt zur Parodie der Vielfalt, und die Parodie verfälscht er wieder mit einem kokett-infantilen Sentimentalismus. Was aus diesem unreinen Erzeugnis seine musikalische Form vielleicht hätte finden können: die irrsinnige Verzweiflung der Leere, die aus ihrem hoffnungslosen Kompliziertsein keinen Ausweg weiß als das Primitive, und die es doch zugleich aus ihrer Verkomplizierung heraus belachen muß – das hat bei Strawinsky keine Form gefunden. Wohl schaltet auch hier seine ursprüngliche Klangphantasie, es stampft seine Rhythmenwucht, noch der Witz zeigt sein erstaunliches Können; aber das Orchester bleibt stets unter der Zweckrichtung der Parodie, ohne daß auch nur offenbar würde, was eigentlich parodiert werden soll, bis man entdeckt, daß die Musik sich nur über ihr eigenes Dasein lustig macht und damit das eigene Dasein preisgibt. Strawinskys Parodie hatte einen Sinn, als er in besessener Übersteigerung der Mittel den Impressionismus auflöste und der Musik neues Eigenrecht ertanzte; nun aber zeigt es sich, daß es ihm an Wesenhaftigkeit gebricht, um aus dem Negativen herauszutreten, und wäre es auch nur aus dem Negativen der artistischen Polemik ins Negative des menschlichen Sichverhaltens; in ganz undämonischer Leere läuft die Parodie weiter, die alten Formen sind zerbrochen, die formlose Seele labt sich an den Ruinen. Vive Strawinsky, vive Dada! – er hat das Dach eingerissen, nun rinnt ihm der Regen auf die Glatze. Dreimal wird es Musik: bei der zerbrochenen Abenteuerlichkeit des Beginns, in der fliegenden Szene der Prinzessin, im rasenden Knattern des Endes. Sonst aber bleibt es bei Pariser Künstlerfest, Zigarettendunst und Bürgerschreck; als trister Bohèmeulk mag es passieren, ernst genommen ist's musikalische Zivilisationsliteratur. – Daran vermochten die Dekorationen von Auberjonois, Richard Weicherts Regie, Scherchens vorzügliche musikalische Leitung nichts zu ändern; auch nicht Hindemiths phantastisches Geigenspiel.

Am fünften Abend hörte man ein Streichtrio von Friedrich Hoff, neun kurze, liedähnliche Sätze, spröd in der Linienführung, zuweilen ungeschickt und nicht ausgewogen in der Formgebung, ganz noch im Zusammenhang mit der Romantik gebunden, so reif aber im Gefühl, so mühsam in der Innerlichkeit, so schwermütig im Lächeln, daß man mehr findet als eine literarische Kuriosität; auf diesen Eigenbrödler ist zu merken. – Die Marienlieder von Hindemith, das Hauptwerk des Konzerts, sind voll von wirklicher, geräumiger, schwingend bewegter Musik; die Hindemith Vielschreiberei vorwerfen, sind widerlegt von der Formkraft, die weitverzweigte, in entlegenen Metaphern sich verlierende Gedichte in Bögen sammelt, deren Freiheit niemals ins Episodenhafte und Schildernde entgleitet. Meisterlich sind diese Lieder; trotzdem aber will es mir scheinen, als habe die Begegnung mit Rilkes Lyrik, ihrer ersehnten, nur nicht geglaubten Gläubigkeit, ihren aus allen Bildungsbereichen gesammelten ästhetischen Religionssurrogaten in Hindemiths Welt einen fremden Klang gebracht. Doch ist ihm Rilke wohl keine Gefahr, und wenn ich ihn recht verstehe, so hat ihn am »Marienleben« weit eher die musikhafte Unkörperlichkeit der Phantasiegesichte als des Dichters eigene Seelenart gereizt. – Frau Lauer-Kottlar und Frau Lübbecke-Job setzten sich nach besten Kräften ein.

Kurt Weills Streichquartett wirkt als Begabungsprobe. Die Themen sind oft gut geschnitten, die harmonische Erfindung scheint originell, für Geist und Stil waren offenbar Busoni und Jarnach Anreger und halfen zu gedrängtem Aufbau. Doch gebricht es noch an der vollen Beherrschung der Mittel, das Stück ist viel kontrapunktischer gehört, als es herauskommt, der Schlußteil zerfällt. Über den Umfang der Begabung läßt sich noch nichts ausmachen. – Drei Klavierstücke von Stefan Wolpe (op. 5a) sind modernistisch frisierte, dürftige, auch technisch mißratene Machwerke, die wohl den Tiefenpunkt der Musikwoche bezeichnen. – Rudi Stephans »Musik für sieben Saiteninstrumente« steht zwar an Spannkraft und Konzentration weit hinter der »Musik für Orchester« zurück, führt manches nachwagnerische und jungfranzösische Gut unverarbeitet noch mit sich, ist aber so voll sprengenden und bildenden Dranges, daß man darüber vergißt, wie fragwürdig uns schließlich das Pathos auch dieser Musik wurde. Es ist das Wie, die unerbittliche Leidenschaft des Formens, die heute daran mitreißt, nicht das Was, jene Schicksals- und Lebensverherrlichung, die sich hohl überschreit; doch selbst als Torso erhebt sich das Werk zuweilen mit ursprünglicher, gebärdeloser Gewalt. – Es vergeht vor Schönbergs George-Liedern, die gehämmert und schreckhaft groß in alle andere gebotene Musik hineinragten, auch die Gedichte weit unter sich im Schatten lassend, um die sie entstanden. Von ihrer Art und ihrem Sinn im Zusammenhang eines gedrängten Berichtes zu reden, geziemt sich nicht; und ich gestehe mich außerstande, heute schon distanziert dazu Stellung zu nehmen. So sei nur von der Aufführung gesprochen, die in manchem Stück mit Eduard Erdmanns Klavierbegleitung die unheimlichen Schächte der Lieder durchleuchtete, während die gesangliche Leistung der Frau Winternitz-Dorda zu unsicher in der Intonation, zu beengt in der Anlage war, als daß sie das Werk ausgeschöpft hätte. – Die Kammermusikwerke des sechsten Konzerts gab das Amar-Quartett, unterstützt von heimischen Kräften, in trefflicher Interpretation; um die Klavierstücke mühte sich vergebens Herr Malata.

Versöhnlich war der letzte Abend gestimmt und brachte zwei Stücke, die die neuen Akkorde als Farbreiz gelten lassen, ohne aus dem Klang konstruktive Antriebe zu gewinnen. Ernst Tochs Kammersymphonie »Die chinesische Flöte« ermangelt zwar jeder symphonischen Kontur, ist aber bescheiden angelegt und will nicht mehr, als sie vermag; man könnte sich an der Selbstbeschränkung des orchestralen Parts, der klugen Behandlung der Singstimme freuen, wenn nicht die Wahl der Texte gewaltsam den Vergleich mit Mahlers »Lied von der Erde« aufdrängte. Und da muß doch gesagt sein: nur eine Musik, die die ganze Schwere der Existenz in sich hat und bewährt, darf es wagen, zögernd und scheu die Entsagung auszusprechen und sich mit dem Lächeln der Ironie zu verhüllen. Wer aber, wie Toch, das Allerschwerste zum Allerleichtesten macht, Entsagung als bloßen Stimmungsfaktor aufnimmt und als auch eine exotische Impression zu Becken und Tamtam stellt, verrät, daß er nichts von den Gewichten weiß, und begibt sich des Rechtes, selber ernstlich gewogen zu werden. Toch, an dessen subjektiver Ehrlichkeit kein Zweifel ist, hätte nicht nur nach dem Recht zu den Mitteln, sondern nach dem Recht des ganzen Zweckes fragen sollen. – Bernhard Sekles hat diese Frage so streng getan, wie sie sich irgend tun läßt, und steht gut in seinen Grenzen; aber er hat diese Grenzen aus dem eigenen Fleisch so schmerzhaft herausgeschnitten, daß manches Mal seine schüchterne und spöttische Seele nicht in seine Gebilde eingeht, sondern ungebunden bleibt, während seine Musik kunstgewerblich-artistisch scheint, wo sie erfüllt sein könnte. So steht es auch um die fünfzehn Kammerstücke für Bratsche, Cello, Flöte, Klarinette und Schlagzeug; es sind das Miniaturen, deren Klangspielerei nur durch ein Übermaß an Selbstprüfung sich ergab; ihr Fehler liegt auf der rechten Seite. – Es folgten zwei Chöre von Delius, Schönbergs »Friede auf Erden«, warm und reich in seiner Linienhaftigkeit, beschloß die Woche als vielfaches Sinnbild; Scherchen und der Chor hatten an beide Werke viel Mühe gewandt, doch scheint die Aufgabe zu ungewohnt, als daß sie sich im ersten Anlauf bewältigen ließe.

Die Oper brachte zur Musikwoche neben anderem eine nicht eben glückliche Darbietung der »Ariadne«, den »Schatzgräber« mit Frau Schreker als Els, eine befriedigende Aufführung der »Widerspenstigen«, endlich Sekles' »Scheherazade« mit schönem Erfolg.

– Einzelne sind es, die die neue Musik vertreten, es gibt keine neue Musik, die nicht auf einzelne zurückdeutete, und darin ist sie der alten nicht so gar unähnlich. Es läßt sich das Ergebnis treffend nur mit Namen bezeichnen: Schönberg, dann Hindemith, Krenek, Petersen haften am tiefsten. Zu bedauern bleibt, daß Jarnach unzulänglich vertreten war, daß Webern und Hába ganz fortfielen, daß der politischen Lage wegen wesentliche fremdländische Autoren nicht aufgenommen werden konnten. Das beste Gelingen aber der Veranstaltung lag darin, daß sie ernstlich die Kräfte aufrief, die heute zur Umkehr und Erneuung auch im Musikalischen drängen.

 

FEBRUAR 1924

 

»Jenufa« von Leos Janácek. Wie einst die veristische Cavalleria, unternimmt es die zwanzig Jahre alte Oper des Tschechen, in die Mitte des szenischen und musikalischen Geschehens die Volkheit zu rücken, jene romantisch erschaute Volkheit, die unproblematisch geschlossen in sich gründet, in der Wort und Ton ungeschieden beieinander ruhen, konkret auf das gleiche gerichtet. Wenn diese Volkheit selber schon unwirklich ist, sobald sie sich abschließend dem schweifenden Wunsche darbietet, ist sie doppelt unwirklich als ästhetisches Substrat, da sie in Wahrheit doch das Kunstwerk aus sich entlassen müßte, nicht in ihm erzeugt werden kann. Während Leoncavallo und Mascagni in der drastischen Äußerlichkeit der musikalischen Gebärde und des sinnfälligen Bühnenspiels die Unwirklichkeit ihres Gegenstandes ironisch selbst enthüllen, vertieft Janáceks radikale Konsequenz die Fragwürdigkeit seiner Absicht. Das zeigt sich exemplarisch am Verhältnis von Wort und Ton. Das musikalische Hauptgewicht wird in die Singstimme gehoben, die, gestützt auf eigens ersonnene Stilkonstruktionen, nicht auf die Intention, sondern auf den Klang der Worte bezogen ist, um in sinnlicher Verschmelzung die Einheit von Wort und Ton zu bewähren. Dies aber gelingt nur scheinhaft: denn im Gefüge der psychologisch entwickelten Handlung kommt den Worten und Sätzen sehr wohl eine Eigenbedeutung zu, deren der Komponist nicht anders habhaft wird als durch Aufnahme nationaler Formelemente, die Dichtung und Musik umgreifen sollen. Die gleiche Volkheit also, deren Homogenität die Einheit von Wortklang und Musik ursprünglich zu garantieren hätte, wird nachträglich eingeführt, um Wortbedeutung und Musik aneinanderzuschweißen. Damit verengt sich die Musik nach dem Maße der Abstraktionen, die ihre Mittel aus der realen Volksmusik herauslösten, und ist belohnt nur durch ihre vage Annäherung an den literarischen Stoffbereich. Die Bedeutungsinhalte der Dichtung bleiben ungebunden, die Musik redet Dialekt. – Dieser grundsätzlichen Einsicht zum Trotz beweist »Jenufa« eine Reinlichkeit der seelischen Artung, eine lyrische Echtheit in der Partikel, wie sie in der zeitgenössischen Oper selten zu finden ist; fast durchweg hält sich die asketisch schlicht gefügte Musik von schlechtem Pathos und Sentimentalität frei, Wagners Einfluß ist ganz gemieden. Und im romantisch erdachten Gebilde bricht zuweilen etwas von echtem Volkstum durch; »Jenufa« hat Wendungen, deren tschechisches Eigenwesen ungefälschtes Erbe ist, Wendungen voll stummer, ergebener Apathie. – Die Erstaufführung an der Frankfurter Oper (unter Ludwig Rottenberg) konnte befriedigen. Frau Lauer-Kottlar bot gesanglich und darstellerisch eine außerordentliche Leistung.

 

Wenig ist vom Frankfurter Konzertleben zu berichten, wenig Gutes zumal. Während Deutschland ausländischen Künstlern längst nicht mehr die Aussicht auf billige Lebenshaltung bietet, scheinen den Deutschen die materiellen Erfolgsmöglichkeiten noch nicht hinreichend gesichert, als daß sie Konzertfahrten wagen möchten. So blieb denn in Frankfurt die öffentliche Musikübung wesentlich auf die einheimischen Kräfte beschränkt. Und die Zusammenfassung dessen, was äußerlich geschah, hat keineswegs innerlich belebend gewirkt. Die Orchesterkonzerte der Museumsgesellschaft, des repräsentativen Konzertinstituts, stehen im zweiten Winter unter der Leitung Hermann Scherchens, der sich im letzten Jahr für seine frischen Programme mit ernster Sachlichkeit einsetzen konnte. Seinem Antrieb scheinen sich nunmehr im reaktionär bestimmten Vorstand Hemmungen entgegengestellt zu haben, vor denen er kapitulieren mußte. Kaum daß er bislang Neues brachte. Als Ersatz grub er vergessene und halbvergessene Stücke aller Art aus und förderte dabei wirklich zuweilen so Schönes zutage wie Beethovens C-Dur-Konzert (von Edwin Fischer vorzüglich gespielt), Schuberts frühe D-Dur-Symphonie mit einem köstlichen langsamen Sätzchen und einem Finale, das lose über den aufdämmernden Abgrund der C-Dur-Symphonie hingespielt ist, oder Schumanns blindes, hoffnungslos einsames Cellokonzert, dem freilich der Frankfurter Cellist Schuyer geistig nicht gewachsen war. (Beiläufig gesagt: seit Draesekes giftigem Wort, Schumann habe als Genie begonnen und als Talent aufgehört, frißt sich die Behauptung vom Nachlassen seiner produktiven Kraft stets weiter, auch Pfitzner, der sich auf seine Wahlverwandtschaft mit Schumann soviel zugute hält, trägt sie vor. Es wäre doch danach zu fragen, ob nicht die kreisende Rückläufigkeit der Form, die man ihm grob als Formlosigkeit vorwirft, ob nicht die vergleitende Unabgehobenheit der Melodiebildung, hinter der man Schwäche der Erfindung wittert, ob nicht alle die zwischen Ungeschick und Schablone umirrenden Schwankungen seines Spätstils in sinnvollem Zusammenhang stehen mit seinem Gesamtwesen, mit seiner tragisch abgelösten Innerlichkeit. Nur auf das Problem sei hier gewiesen.) Sonst suchte Scherchen das Orchester herauszustellen, er gab Liszts längst überfällige Dantesinfonie und Strauss, viel Strauss, etwas hastig den »Don Juan«, die fast nicht erträgliche »Alpensinfonie« mit Diskretion, endlich den unverwüstlichen »Don Quixote« in trefflicher Aufführung. An gewichtigen symphonischen Werken hörte man außer Mozart (Es-Dur) und Schubert (C-Dur) von Bruckner die Sechste, die öfter gespielt werden sollte, da der erste Satz wenigstens zu dem Phantasiestärksten und Beherrschtesten rechnet, was von Bruckner kam. Dafür geriet allerdings das Finale trotz seines plastischen Themas ganz brüchig, aber durch grausame Striche disponiert es sich gewiß nicht besser, sondern wird zum unverständlichen Torso, wie denn überhaupt Mangel an innerer Form mit Korrekturen der äußeren sich nicht beheben läßt. Bleibt, als einzige Novität, Pfitzners Klavierkonzert, das Walter Gieseking bekannt machte. Das Werk führt die Linie weiter, an der bereits das Klavierquintett und die Violinsonate angesetzt waren, jene Linie, die die liedhaft dem einzelnen zugeordnete kammermusikalische Form stufenweise zur symphonischen Objektivität emporleiten möchte. Die verbissene Strenge, mit der Pfitzner sein zerfließendes Gefühl zu sammeln strebt, ist willig anzuerkennen. Dennoch offenbart auch das neue, in der Faktur merklich gereifte Stück die Unangemessenheit des von Pfitzner in Wahrheit Gemeinten an die von außen herangebrachte Form. Nichts in ihm drängt über die verlorene, herbstlich verwehende Individualität hinaus, und sein symphonischer Formwille entwächst einzig der jähen Furcht, daß die in sich selber eingeschlossene Individualität im Leeren versinke. Darum ist Pfitzners Musik am wirklichsten, wo sie am unwirklichsten sich gibt, im zersetzten Gefühl, im lyrischen Fragment. Das bezeugt der trübe Beginn der Durchführung und das Ende des ersten Satzes, der wie ein Licht ausgeht. Überall aber, wo das symphonische Prinzip durchdringt, entsinkt die Musik ins matt Eklektische oder gewaltsam Aufgeplusterte, die Steigerung des ersten Satzes wird meistersingerisch hochgeführt, das Scherzo wiegt sich in anachronistischer Romantik, die ausgreifende Lustigkeit des Rondos ist erzwungen. Das kurze Adagio steht ganz unentfaltet und verrät am Ende mit seinem Posaunenchoral die drohende Leere. Es bleibt nicht mehr als die betroffene Achtung vor einem Künstler auf verlorenem Posten. Gieseking, von dem man Debussy und Ravel gewohnt ist, wurde Pfitzner durchaus gerecht und mäßigte mit Bedacht. – Von dem neu aufgebauten Symphonieorchester, das dem Bremer Generalmusikdirektor Ernst Wendel untersteht, ist hier noch nicht zu reden. Auch Wendel wagte nicht viel Neues: »Brigg fair« von Delius und die Cellorhapsodie »Schelomo« des Amerikaners Ernest Bloch, etwas wie ein atonales Kol Nidre, gerissen gemacht und ganz hohl. – In der Kammermusik ist es traurig um Frankfurt bestellt: das Amar-Quartett sucht seinen jungen Ruhm anderwärts zu festigen, das Lange-Quartett hat seinen Führer nach Amerika verloren, das Rebner-Quartett, das in den Kammermusikabenden des »Vereins für Theater- und Musikkultur« jahrelang für zeitgenössische Autoren warb, büßte durch das Ausscheiden von Hindemith und Frank viel Initiative ein und scheint in Auflösung begriffen, seitdem Rebner in der Oper Lange vertritt. Klingler war in Frankfurt und brachte (mit dem Berliner Komponisten Robert Kahn am Klavier) an drei Abenden Brahms. Er hat in den letzten Jahren eine ihn gefährdende Entwicklung durchgemacht und sein heißes Geigertemperament an Willkür und Aufdringlichkeit ausgeliefert; seine starken Momente entschädigen nicht für die geringe Zucht. Ihm wäre zu wünschen, daß er für längere Zeit dem Musikbetrieb entzogen würde, um in Ruhe musikalisch wie technisch an sich zu arbeiten. Das Quartett, dem ohnehin von je die Übermacht des Führers nicht günstig war, ist durch dessen Umwandlung mitbetroffen. – Solisten waren selten, Pauer sammelte in vier Beethoven-Abenden seinen alten Hörerkreis, d'Albert kam und gab den Leuten, die gewerbsmäßig falsche Noten zählen, in Fülle das Ihre, den anderen aber seine Appassionata.

 

MAI 1924

 

Man kam zur Auseinandersetzung mit zwei Orchesterwerken aus Regers reifer Zeit. Das Symphonieorchester spielte unter Wendel die Hiller-Variationen, Scherchen brachte im Museum die Romantische Suite. Obwohl Wendels Direktion allzu merkbar der äußeren Dynamik der Fuge nachging, zeichneten sich die Stücke deutlich ab, zugleich trat ihre Problematik sichtbar hervor. Allgemein entbehren die Variationensätze Regers des formzeugenden Kernes. Die Abwandlung des gleichen thematischen Stoffes geschieht nicht, um seinen verborgenen Sinn dialektisch aufzugraben, nicht auch, ihn im Wechsel der musikalischen Konfigurationen bestätigend zu wahren. Das Eigensein des Themas hat sich seiner Stellung innerhalb der Gesamtform nach in bloße harmonische Funktionen aufgelöst und vermag darum nicht Gegenstand des Variierens zu werden; Zufall herrscht über die Zuordnung der harmonischen Funktionen, und lose Willkür regelt das Nacheinander der Teile. – Regers geistiger Gesamtverfassung ist die ungebrochene Variationenform nicht mehr möglich, in seiner tiefsten Schicht weiß er das selber; anstatt sie aber preiszugeben und sich bei dem zu bescheiden, was ihm wirklich ist, leiht er der auch seelisch funktionalisierten Musik den Anschein, Spiel zu sein wie die Musik vergangener Epochen. Spiel jedoch ist gestattet nur in der Spannung bestätigter Formen; setzt der Künstler sich selber die Formen, so beschwört er in Wahrheit nur deren Schatten, indem er sie aus der Spannung herausbricht und ihrer starren Forderung sich unterwirft. Die romantische Schein-Objektivität dieses Verfahrens offenbart sich drastisch, wo die Themenwahl so blind sich vollzog wie in den Hillervariationen. Die Fuge vollends, vom schweren Orchester in die Breite getrieben, wird zum hohlen Prunkstück, das vor leisem Druck zusammenstürzt. Nicht besser steht es um die Romantische Suite, deren Romantik ebenso irreal ist wie die Sachlichkeit der Fuge. Keine Sehnsucht der einsamen Seele singt sich darin aus, sondern die Instrumente gebärden sich sehnsüchtig, um einen Vorwand zu haben, harmonische und farbliche Reizungen auszustrahlen, die sich Selbstzweck sind. Die grobe Gewalttätigkeit, die Brunnen, Monde und Elfen kontrapunktisch zu Paaren treibt, enthüllt ohne Erbarmen, wie haltlos all der Klang im Leeren umschwingt. – Beide Male ist Reger in eine Sphäre zurückgesunken, die er in seinen besten Kammermusiken durchbrochen haben mag; und es ist nicht wohl anzunehmen, daß er zufällig stets wieder entsunken sei. – In einem Volkskonzert des Symphonieorchesters führte Eduard Zuckmayer eine Musik für Violine und Orchester von Rudi Stephan auf, die doch gegen die posthume Verherrlichung des Autors recht bedenklich stimmte. Stephans ernste Begabung steht außer Frage; aber sie gründet menschlich durchaus noch in jener Zeit, die das Leben zum Maße des Lebens erhob und auch den Tod, wo er ihr begegnete, in Leben aufzulösen trachtete, indem sie ihn als Sieg universalen Lebens über individuelles begriff, ohne ihn konkret zu erfahren und an seiner Erfahrung ins Bedingte zu finden. Auch Stephan, der jung Gestorbene, hat diese Erfahrung als Künstler nicht gemacht, und die Dunkelheit seiner Akkorde liegt bloß als innerästhetischer Hintergrund vor dem scheinhaften Glanz des gefeierten immanenten Lebens. Seine Musik bleibt durchweg Darstellung psychologischer Zusammenhänge; aus der psychologischen Bedeutungssphäre bestimmen sich ihre Mittel. Es entspringt lediglich geringer Konsequenz der Gestaltung, wenn Stephan – technisch wenig durchgebildet – seine wesentlich auf den sensuellen Nervenreflex abgestellte Harmonik einem gruppenweise gegliederten, chorischen Orchester zumißt; soll in diesem bequemen (nur freilich nicht zum Ziele gelangenden) Sprung aus dem Subjektivismus, der zudem nicht frei geschieht, sondern unter dem Zwange handwerklichen Unvermögens, – soll in diesem zur Nachahmung allzu bequemen Sprung der Ansatz zu neuer symphonischer Wirklichkeit behauptet werden, so ist zu widersprechen. – Zuckmayers unzulängliche Direktion blieb Stephan alles schuldig, worauf er rechtmäßigen Anspruch hätte. Daß die Verantwortung für das völlige Mißlingen jenes Konzertes nicht bei dem Orchesterkörper zu suchen ist, zeigte Ernst Wendel mit einem slawischen und einem Strauss-Abend. Die pädagogischen Fähigkeiten Wendels sind kaum hoch genug anzuschlagen; in wenig Monaten hat er sich aus einem wahllos zusammengefügten Spielverband ein Medium gebildet, das jede Absicht des Dirigenten mühelos widerspiegelt; seit Mengelberg hörte man in Frankfurt selten mehr so präzise Interpretationen, wie etwa die der ersten Teile des »Heldenleben«. Wie weit allerdings Wendels geistiger Umfang reicht, ist dann erst zu prüfen, wenn er einmal von der stofflichen Bemühung um Klang und Rhythmik entlastet sein wird, die heute noch vorwaltet; an Mahlers Vierter wurde man erstmals seiner Grenzen inne. Während Wendels Programme sich bislang im Herkömmlichen hielten, brachte Scherchen Schönberg und Strawinsky; beide indessen mit uneigentlichen Bekundungen ihrer Art. Schönbergs Orchesterlieder op. 8 (vor dem Ersten Quartett geschrieben) sind ganz in der Sphäre Wagners gebunden und lassen sich daran genügen, die Textintention zu durchdringen; vergebens ballt sich die Tristan-Erotik in verkrampftem Schrei, vergebens müht sich die Leidenschaft, ihr eigenes Bereich zu sprengen, vergebens entzündet Schönberg die Flamme seiner Melodik, die schon sengt: das Gebot der romantischen Ausdrucks-Musik behält die Herrschaft. Einzig das grausam knappe Wunderhornlied »Sehnsucht« beleuchtet Schönbergs Weg. – Die Pulcinella-Suite von Strawinsky dankt ihre musikalische Materie nicht dem schnöden Russen, sondern dem alten Italiener Pergolesi. Dennoch sind die Tanzstücke mehr als nur Instrumentationen, wie sie andererseits trotz der bedenklichen Kapriolen von Trompete und Baß mehr sind als dreiste Kostümwitze. Gewiß hat Strawinsky dem Meister des Stabat Mater in wenig ehrfürchtiger Weise sich genähert, und sein Plan war nicht eben, verschollenen Besitz der vergeßlichen Zeit zurückzugewinnen; aber wenn er die barocke gravitas Pergolesis in seine pantomimische Mechanik transformiert, die Kadenzen aufzupft und die Metrik verrenkt, so verbirgt sich in solchem Tun spöttisch ein wenig Liebe zum Versunkenen. Da das Werk als Zweckmusik ohne viel Anspruch sich gibt und mit ganz überlegener Komponiervirtuosität gemacht ist, nimmt man es gerne hin als Kunstgewerbe vom höchsten Rang. – Mit der Pergolesi-Bearbeitung rückt Strawinsky in Straussens Nachbarschaft, dessen Couperin-Suite freilich viel harmloseren Ursprungs ist als die »Pulcinella«. Der Vergleich gerät nicht zum Vorteil des Deutschen: denn während Strauss zum sicheren Behagen einer befriedigten Gesellschaft das entschwundene Spiel an die Wand zaubert, als ob es wirklich wäre, entlarvt Strawinskys Spiel die eigene Unwirklichkeit und läßt die kahle Wand allein übrig. Indessen wiegt das Straussische Opus nicht so schwer, als daß man die eingangs wider Reger erhobenen Vorwürfe ernstlich dagegen kehren möchte. Scherchens Direktion der »Pulcinella« erheischt besondere Anerkennung. Die Couperin-Suite sollte man nur mit erlesenen Solisten wagen. – Der Versuch, Bruckners rudimentäre Zweite Symphonie zu erwecken, förderte schönes Einzelne zutage, kein Ganzes.

Pfitzners romantische Kantate gelangte spät erst nach Frankfurt; sie wurde im Cäcilienverein unter Stefan Temesvary aufgeführt. Es bezeichnet sinnbildlich die traurige Situation, in die Pfitzner heute gebannt ist, daß er, um eine große vokale Form zu konstituieren, eine Folge von Liedern zusammenschweißt, ohne seine Lieder als das genaue Gegenbild einer solchen Form zu erkennen, die Seelenlyrik eines Individuums, das ohne Halt und Ziel sich in sich selber verliert. Keiner ist weniger ermächtigt, im Auftrage der Gemeinschaft und durch ihren Mund zu reden, als Pfitzner; dies aber muß er gerade wollen, weil er als einzelner aus der Kraft seines ausgerichteten Wesens nicht mehr reden kann. Keine Kritik vermöchte den abgelösten Individualismus schlagender ad absurdum zu führen, als er in Pfitzners Kantate sich selbst ad absurdum geführt hat; nur die Anmaßung dieses Individualismus, die deutsche Seele zu repräsentieren, ist mit aller Schärfe zurückzuweisen. Nicht einmal die Seele Pfitzners klingt hier mehr aufrichtig: längst hat er sie an seine verzweifelte Ideologie ausgeliefert und begraben im tauben Lärm des stumpfen Orchesters. – Die generelle Einsicht durchgehends zu bestätigen, bedürfte es einer detaillierten Analyse, auf die in dieser Überschau Verzicht zu leisten ist. Daß wieder und wieder Echtes und Tiefes aus Pfitzners verschütteter Innerlichkeit aufsteigt, läßt seinen Zusammenbruch erst in der ganzen Schwere begreifen. Die Wiedergabe blieb – von den Solistinnen Bruhn und Kindermann abgesehen – unter dem erträglichen Mittelmaß und entriet so sehr der Initiative, daß die gesprächige Schwermut unvermerkt in Langeweile sich wandelte.

Aus der Zahl der kammermusikalischen Veranstaltungen ist ein Abend des Amar-Quartetts zu erwähnen, der das im vergangenen Winter in Frankfurt uraufgeführte Streichquartett op. 16 von Philipp Jarnach brachte. Isoliert betrachtet, scheinen die beiden sehr ausgedehnten Sätze vielerorten zu splittern und in dunkelsinniger Aphoristik zu verlaufen. Allein sie sind im Zusammenhang von Jarnachs bisheriger Entwicklung zu werten, dessen Gefahr darin liegt, daß er allzu leicht und früh zur Form finden könnte, die dann nicht seine Form wäre, sondern eine romantisch gefälschte aus anderer Zeit. Dieser Gefahr ist in dem neuen Quartett radikal begegnet, und ob auch die feste Kontur darüber entzweisprang, hat doch das Stück soviel Phantasie in Melodik, Harmonik und Klang und bei aller Auflockerung soviel Zug zur stetigen Sammlung, wie wenig Musik aus unseren Tagen. Im ersten Satz zumal ist das Sonatenproblem originär angefaßt. Man wünscht sich recht bald die Partitur und begrüßt das Quartett als Versprechen einer verantwortlichen Begabung. – Als erfreulich ist weiterhin ein Konzert des jungen Lenzewski-Quartetts zu verzeichnen. Die vier Musiker (Gustav Lenzewski, Fritz Emmel, Ottmar Gerster, Mischa Schneider) stimmen gut zusammen, von der Bratsche geht die tragende Kraft aus, der Cellist hat besondere tonliche Kultur und zupackendes Temperament, auch die Geiger halten gutes Niveau. Wenn sich das Quartett in ernster Arbeit zusammenschließt, ist es wohl berufen, den Mangel eines in Frankfurt bodenständigen Kammerensembles von künstlerischem Rang zu beheben. Das Programm bewährte gepflegten Geschmack: es enthielt Debussys Quartett, das man als letztes Denkmal gefestigter und durchwirkter Tradition mit Neid anhört. Bartóks viel zu wenig bekanntes op. 17, dies reife Werk des Durchbruchs, mit dem der Ungar in sein Zentrum stieß, endlich das neue Quartett op. 31 von Sekles, das soeben bei Schott erschien, aber wohl kaum außerhalb von Frankfurt erklungen ist. In fünf kurzen Sätzen kommt es mit allen Prätentionen entschiedener Selbstbeschränkung: das Präludium umspielt ein viertöniges Motiv in hundert lyrischen Abschattungen, ein grotesker Trauermarsch stolpert über das eigene Pathos, und wehmütig spielen die Schlußteile mit Menuett, Scherzo und Rondo. Sekles' ironische Artistik empfängt in engen Dimensionen das Erbe Mahlers und läßt es fruchten: im Bewußtsein ihrer Grenze ist sie tief genug.

 

Mussorgskij ist mit der Komposition der »Chowantschtschina« fast zu Ende gekommen, und doch blieb das Werk Fragment, ungeschlossen in der Gliederung des handlungsmäßigen und musikalischen Ganzen, skizzenhaft andeutend oft im Einzelnen. Man kann darin die Willkür einer biographischen Sonderfügung erblicken, die der von drängenden Keimen berstenden Kunst Mussorgskijs mit Krankheit und Tod die Reife zerschlug; allein gedenkt man des »Boris Godunow«, der seine definitive Fassung gefunden hat, so wird man die Fragmenthaftigkeit der »Chowantschtschina« in tieferem Zusammenhang mit der Art und Lage des Autors begreifen müssen. Es ist nämlich zu fragen, ob Mussorgskij gegenüber die Forderung des in sich geschlossenen Werkes zu Recht bestehe. Jene Forderung ergibt sich, wo der Einzelne von seiner Welt in solcher Weise sich geschieden hat, daß ihre Totalität und Wirklichkeit ihm zum Problem wird; dann bloß wird die Form zum paradoxen Gebot, will abbildlich die Versöhnung vorwegnehmen; in einer geschlossen gründenden Welt jedoch mag das Gebilde des Künstlers allseitig geöffnet sein, ohne ins Wesenlose zu zerrinnen. Nun ist gewiß nicht zu sagen, daß Mussorgskij im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert in seinem goldenen Zeitalter gelebt habe, wie romantische Russophilie es etwa behauptet, und allgemein ist gegen den Begriff volksmäßiger Gebundenheit, wenn er mehr als ein kritischer Grenzbegriff sein möchte, wache Skepsis am Ort. Aber der Träger von Mussorgskijs Musik ist nicht der Einzelne. Unentwirrbar vieldeutig liegt Mussorgskijs Situation. Sie weiß von der Sünde und Verzweiflung, ohne sie in Gesetz und Ordnung aufzuheben; sie ist nicht der Rettung sicher, sondern erfährt den Menschen als blinden Gegenstand des Gerichts, sie kennt nicht das Gefüge der Gemeinschaft und nicht die einsame Verantwortung der Person, sie ist unmittelbar zum Unbedingten, aber dessen Kraft durchherrscht nicht das Bedingte; und zu alledem kreuzt sie sich mit geistigen Tendenzen aus dem Westen, die ihre eigene Intention in krauser Überdeckung verhüllen und ihr dennoch ganz fremd sind. Diese Überdeckungen aufzuspüren, verlohnt sich: wenn Mussorgskij mit fanatischer Inbrunst um die Wahrhaftigkeit des psychologischen Ausdrucks ringt, so ist damit die alle vermittelnde Form zersprengende Verwirklichung des Unmittelbaren gemeint, also ein Wagners immanent-psychologischer Musik hart Entgegengesetztes; wenn sein Text mit schlechtem Opernpomp eine langatmige, halb unverständliche Staatsaktion entrollt, geschieht es, um die über Menschliches eifernd hinauslangende Musik würdig im Gegenständlichen zu stützen, das sie unter sich läßt, und die Politik gilt als Gleichnis des Gerichts, freilich in isolierter Stofflichkeit beharrend und bar aller Gleichnisgewalt; wenn schließlich ein Buffo-Schreiber und andere episodische Figuranten und das singende Volk selber eingesetzt werden, so soll nicht der Kontrastzwang des heroischen Opernstils sein Genügen haben, sondern die elementarische Fülle des Unteren überflutet ohne Halten die brüchigen Dämme der Form. Den Kern der »Chowantschtschina« bildet – wie auch Calvocoressi in seinem flachen Buche es bemerkt – die Musik der Sektierer; nicht in dem Sinne allerdings, daß Mussorgskij in objektivierender Distanz die Altgläubigen hätte ›darstellen‹ wollen, sondern so vielmehr, daß er, selber der Art nach ein ganzer Sektierer, in der Wahlverwandtschaft mit einem für sich zufälligen Stoff sich zu seiner eigentlichen Musik entzündete. Dabei zeigt sich ein seltsames Symbol. Mussorgskij schrieb den Schlußchor, die Selbstverbrennung der Sektierer, nicht mehr selbst: dieser Chor konnte nicht geschrieben werden, ohne die Grenzen des Ästhetischen zu tilgen, die Opfer und Erlösung konkret nicht mehr umschließen. Rimskij-Korsakow, dessen Instrumentation im übrigen sich erfreulich bescheidet und nur in den persischen Tänzen peinlich bemerkbar wird, hat den Schlußchor doch geschrieben und nicht mehr zuwege gebracht als ein geschmackloses Opernfinale. – Von den Sektiererszenen abgesehen, konzentriert sich die Musik in den Volkschören des ersten und vierten Aktes: das fahle Licht der Erwartung und die Wucht des Gerichts brechen hier unverstellt herein. Dazwischen liegt über große Strecken pochend verströmende Lyrik – Lyrik nicht nur in liedhafter Rundung, sondern stärker noch die fragmentarische Lyrik der aus ihrer Innerlichkeit mühsam aufsingenden Menschen.

Wenn auch ein Gebilde der angedeuteten Struktur kaum nach dem Maße von geschlossener Einheit zu bemessen ist, so schließt dieser Verzicht doch bereits eine Einschränkung des Wertes in sich. Die Kategorie des Einzelnen ist für die Kunst des Westens zu bestimmend, als daß wir uns lösen könnten in einem Werk, das diese Kategorie wesentlich nicht enthält. Die Größe Mussorgskijs zugestanden, klingt stets seine Musik wie von einem anderen Planeten zu uns hinüber, fern wie ein Rätsel, dem Bewußtsein wohl zu enträtseln, doch nicht verwandt unserer ganzen Existenz. Es kommt hinzu, daß eine Musik, die so radikal auf den Augenblick gestellt ist wie die »Chowantschtschina«, punkthaft denn auch vom Augenblick lebt, erhellt für Sekunden, aber ohne Kontinuität, grau und öd in langen Partien. Dies zu betonen wird notwendig angesichts der Versuchung, die von Mussorgskij auf die subjektivistisch verstrickte Musik unserer Tage ausgehen muß und die ihr unmöglich zum Besseren helfen kann.

Ob die »Chowantschtschina« auf der Bühne zu bewältigen ist, läßt sich bezweifeln; die deutsche Uraufführung in Frankfurt jedenfalls, verdienstlich als Beginnen, langte nicht zu. Die Frankfurter Oper sucht ehrlich, die Zeit des Interregnums in leidlicher Haltung zu überdauern; indessen wirkt der Mangel autoritärer Leitung, längst fühlbar in der Zerfahrenheit des Repertoires, allmählich auch auf die Qualität der Darbietungen. Die Direktion von Wolfgang Martin war zuverlässig und geschickt (zum Teil erschreckend geschickt); die Kraft des Durchschlags blieb ihr versagt. Die solistischen Leistungen hafteten in mattem Durchschnitt; nur Frau Spiegel, als Sektiererin Marfa die tragende Gestalt des Werkes, gab mit der dunklen Wärme ihres Alt lebendige Musik her. – Die Bühnenbilder von Ludwig Sievert bewährten sich wie stets.

 

DEZEMBER 1924

 

Rückblick. Seit Jahren schon schleppt sich das Frankfurter Musikleben mit Krisen dahin, und jede neue Lösung wird zum Provisorium, sobald sie Konflikte bringt mit dem nun einmal Bestehenden, der wahren Macht hier, der sich fügen muß, wer bleiben will. Während man über Personen debattiert, läßt man die Sachen laufen, wie sie mögen: die Repertoire-Aufführungen der Oper (ich geriet unlängst noch in die »Zauberflöte«) waren nachgerade unter das Niveau einer mittleren Provinzbühne gesunken, im Museum ließ man Scherchen nicht genügend Autorität, sein Programm auch nur im Umriß durchzuführen, und die polemisch betonten Triumphe Wendels mit dem Symphonieorchester reizen allmählich doch zum Widerspruch auf. Wenn mit Beginn der neuen Spielzeit die Zügel sich in einer Hand vereinigt finden: wenn Clemens Krauss die Gesamtleitung der Oper und die Direktion der Museumskonzerte übernimmt, so mag man nach all den peinlichen Erfahrungen das Habemus Papam mehr wünschend als hoffend aussprechen und skeptisch abwarten, ob Krauss der Mann ist, Ordnung zu schaffen in einer Musikstadt, die Furtwängler nicht halten konnte und Walter nicht gewinnen wollte. Scherchens staubumwirbelter Abgang jedenfalls ist kein gutes Omen für die neue Ära, von der es noch fraglich scheint, ob sie sich überhaupt zur Ära auswachse. Der Referent, der den Saisonbeginn versäumte, wird bald eingehend über Krauss und seine Arbeit zu berichten haben: heute begnügt er sich, einiges nachzutragen, was ihm wichtig scheint oder bezeichnend.

Die letzte größere Aufgabe, an die die Oper sich wagte, war Schrekers »Irrelohe«. Vom Werke selbst ist nicht mehr zu sagen, als daß darin der kleinste Rest ursprünglicher Musikanschauung zur Routine abgeschliffen wurde, daß unbedenklicher denn je der ölige Orchesterklang durch das bequeme Bett nachwagnerischer Triebekstasen hingleitet, ohne daß irgend Seelisches ihm sich entgegenstellte. Technisch ist die Partitur sauberer gemacht als vieles Frühere: sie verzichtet auf die bequemen Orgelpunktspannungen und zeigt Ansätze polyphoner Entfaltung. – Die Aufführung mißlang; weniger durch die Schuld Rottenbergs als durch die unzulängliche Besetzung der Hauptpartien und die planlose Inszenierung, die zwischen derbem Illusionstheater und aufdringlicher Quasi-Symbolik schwankte, wie Schrekers desorientiertes Gebilde es möchte. Frau Spiegels Stimme adelte Schaustück und Interpretation. – Während Schreker mit der Opera seria im süßen Kitsch heimisch wird, fühlt der süße Kitsch sich unwohl bei sich selber und möchte Oper tragieren: Zeichen der Verrückung aller Haftpunkte musikalischen Formens, wenn anders man es ein Formprinzip heißen will, daß leichte und ernste Musik hoffnungslos auseinandergetreten sind, seitdem Musik allein im einzelnen Menschen gründet, während ihr zwischenmenschlicher Sinn aus der geordneten Gemeinschaft herausbrach und zum Diener unbestätigter Konvention wurde. Lehárs »Frasquita« also hat es mit der Carmen zu tun; aber da ihr Opernanspruch anachronistisch einem längst verblichenen Verismo nachhinkt oder gar als echter Kitsch die Kunst von vorgestern verzerrt, wird er lächerlich und die Operette langweilig dazu. Man gab sie schlecht genug.

Aus Scherchens Zeit ist noch zu erwähnen eine Aufführung von Mussorgskijs »Nacht auf dem kahlen Berge«, einem wildwüchsigen, nackten Stück, das sicherlich größere Wirkung getan hätte, wäre es von Rimskij-Korsakow wieder wirksam instrumentiert worden, da es im pompösen Orchesterkleid ungeschickt sich ausnimmt, während es in spröderem Klang schreckhaft dastände.

Ernst Wendel holte sich seine Haupterfolge mit Bruckners Achter und Beethovens Neunter. Wie dankbar man immer dem gründlichen Orchestererzieher und erfahrenen Dirigenten für den Aufbau seiner Montagskonzerte sein muß – hinter dem frenetischen Beifall seines Publikums birgt sich doch viel Bequemlichkeit und das Behagen, hier der Mühe um Fremdes und Problematisches in Programm und Darbietung ledig zu sein.

Wendel läßt sich von der Tradition tragen, und es gibt keine tragfähige Dirigiertradition mehr heute; wo sie etwa im Handwerk noch geblieben, fehlt ihr der menschliche Ausweis, und auch im Handwerk vermag sie freischwebend sich nicht zu bewahren. Die Aufführung der Neunten war sachlich und kontrolliert, man freute sich zu hören, wie klug Wendel etwa in der Coda des ersten Satzes der Versuchung billiger Nibelungendämonie auswich. Aber es fehlt ihm die Kraft des Beginnens, die Sicherheit, ein in jahrzehntelanger Musikübung fixiertes Werk von seiner und der eigenen Wurzel aus neu zu hören, der Mut auch, irrend über sich hinauszugreifen: kurz, all das, was an Furtwängler stets wieder zwingt mit ganzer Gewalt. Es ist nicht die Schuld der Dirigenten, daß kein anderes, geborgenes, umfangenes Dirigieren mehr gelingen mag, wohl aber bezeichnet es die Tragik der Situation, der jetzt der reproduzierende wie der produzierende Künstler sich gegenüberfindet. Bei aller ernsten Absicht bleibt Wendel letztlich verhaftet in kapellmeisterlicher Routine.

Von kammermusikalischen Veranstaltungen ist zu erinnern an einen Abend des Amarquartetts mit Erstaufführungen von Krenek, Webern und Hindemith. Kreneks op. 20 zeigt Spuren hastiger Arbeit, macht es sich innerlich gar zu leicht – und dadurch nicht schwerer, daß seine komponier-maschinelle Leere aus objektiv gerichteter, voll bewußter Tendenz kommt. Es wäre an der Zeit, daß die gefahrvolle Leichtigkeit von Kreneks Begabung ihm unter den Händen zerbräche. Immerhin bezeugen der wühlend intensive langsame Teil und der lodernde Schluß seine außerordentliche Anlage. – Der mechanistischen Pseudoobjektivität von Kreneks kontrapunktischen Bauten radikal entgegengesetzt sind Anton Weberns Fünf Sätze für Streichquartett op. 5, die Schönbergs Subjektivismus zu Ende denken und damit gerade entwerten. Denn die Ichbezogenheit von Schönbergs Werken deutet in lebendiger Spannung über das bloße Ich hinaus und hält sich mit zögernder Ironie an der Grenze der Formen. Webern aber durchschneidet jene Bindung und verabsolutiert das Ich, das damit seine personhafte Geltung verliert und sich atomisiert, ohne um solches Opfer mehr Realität einzutauschen, als Kreneks leer ablaufendes Bewegungsspiel hat. Weberns Musik endet bei der psychologischen Partikel und spiegelt allenfalls die Zuständlichkeit einer abgelösten Seele wider; den ganzen Menschen bewährt sie nicht. Tief bezeichnend ist die Rationalisierung der technischen Mittel in den durchweg mit winzigen Motivteilchen haushaltenden Stücken: da ihnen ein jenseits des Musikalischen gelegener Haftpunkt abgeht, möchten sie isoliert im Musikalischen sich formen, das selbst wieder vom psychologischen Ausdruckszwang zersetzt ist und darum das abstrakte Kalkül zu Hilfe holt. Im Miniaturumfang des zweiten und dritten Satzes langt Weberns Kraft trotzdem zu. – Bei aller Sympathie für den überaus selbstkritischen und fanatisch konsequenten Autor bleibt schließlich das Bewußtsein zurück, daß seine Expressionen einer zu innerst bereits abgelebten Kunst angehören, daß ihre Unerbittlichkeit das Private mit dem Persönlichen verwechselt. – Den Beschluß machte Hindemiths op. 32, das zumal mit dem zügigen ersten Satz und dem glitzernden Marsch durchdrang und sicherlich zu den besten Werken des Komponisten zählt; besonders anzuerkennen, daß hier nicht mehr mit dem allzeit rettenden Rhythmus jeder Problemknoten entzweigehauen wird, sondern daß Hindemith der Harmonik und Stimmführung besonnen folgt, wohin sie sich wenden will.

 

FEBRUAR 1925

 

Clemens Krauss beherrscht als Operndirektor und Leiter der Museumskonzerte das Frankfurter Musikleben. Doch sein Joch ist sanft und das Frankfurter Musikleben kaum lebendiger als es war, zumal mit der Ausschaltung Scherchens das kräftigste Ferment wegfiel, das bislang in die geruhige Betriebsamkeit hineinwirkte. Gewiß leistet Krauss an der Oper gute Arbeit, fegt verstaubte Repertoireaufführungen aus, sucht in sorgsamen Neueinstudierungen Muster aufzustellen, die sich im Bühnenalltag bewähren möchten, formt wohl auch am Ensemble, soweit dies von Zufall und Gewöhnung nur gekittete Gebilde sich eben formen läßt – aber ist es damit genug? Man soll gewiß nicht fordern, daß Krauss die Kräfte des Instituts an neue Aufgaben wendet, ehe er recht über diese Kräfte verfügt. Allein wenn schon die reorganisatorische Absicht zur Bescheidenheit zwingt, warum dann diese Bescheidenheit durchbrechen mit einem Müheaufwand, der sich nicht verlohnt? Muß es denn gerade die »Frau ohne Schatten«, das »Intermezzo« sein, die die Kontinuität eingreifender Reform hemmen, die Energie der Oper und des Dirigenten aufsaugen? Heute mißtraut man der Ökonomie und wartet, was sie morgen vielleicht fruchte. – Die einzige Uraufführung der Saison ist Krauss kaum zur Last zu legen. Man gab ein amerikanisches Spektakel, für das ein hierzulande noch nicht kommanditierter Komponierunternehmer namens Simon Bucharoff firmiert; um die algerische Tänzerin Sakahra geht es darin erschrecklich zu, erschrecklicher noch in der Musik als im Text; denn im Buch wird bloß der alte Scarpia mit einigen Abscheulichkeiten übertrumpft, während die Musik nicht nur den toten Puccini, sondern auch den lebenden d'Albert beschwört und zitiert und den lächerlichen Verismus noch, dem sie nachläuft, verhöhnt durch die lächerlichere Attitüde der Grand opéra, die sie annimmt, weil sie nicht weiß, wann sie existiert oder nicht existiert. Tief also, wenn man will, als ungewollt clownische Selbstauflösung des Opernscheins, der seine eigene Unwirklichkeit überlebt hat; zu ungewollt tief indessen, als daß man es dem Amerikaner anrechnen dürfte. Krauss lehnte die Verantwortung für die amerikanische Algerierin ab und sein Institut brachte die indiskrete Oper recht diskret zur Welt; der Diskretion hätte es nicht mehr erst bedurft, da der Embryo bereits tot war. Das Ganze eine peinliche Angelegenheit. – Den »Figaro« studierte Krauss selber ein; ich hörte auch den »Rosenkavalier«, mit dem hinreißend wienerischen Richard Mayr als Ochs unter ihm, alles war ein wenig zu derb und effektsicher angefaßt, Krauss läßt das Orchester nicht ausspielen, sondern forciert den Klang um der rhythmischen Schlagkraft willen, aber der eine Walzer, in den das gesamte Werk sich wandelte, lebte durchaus.

 

Clemens Krauss' Konzertleistungen: eine Domestica, gruppiert um die paar Stichflammen und ohne rechte Liebe für den lockeren Kontrapunkt; ein »Lied von der Erde«, das mit Luftpausen und Orchestergebärden als Musikdrama daherkam und die Einsamkeit des Gesanges vergaß; eine Siebente Beethovens, die über den Abgrund weghastete und sich als Apotheose des Tanzes fühlte, ehe sie das Reich der Schwere durchmessen mochte, über dem allein solcher Tanz lösend sich ereignet.

Zwei Uraufführungen von Belang: Hindemiths Klavierkonzert op. 36, auch »Kammermusik Nr. 2« geheißen, Kreneks 3. Symphonie. Schien es in den »Marienliedern«, im Quartett op. 32, als wolle Hindemith kontrollierter und belasteter schreiben, so muß das neue Stück enttäuschen; zwar chromatische Sequenzen gibt es nicht mehr, zwar die metrischen Bögen sind freier gefaßt; doch stets wieder stampft die Maschinenrhythmik blank und widerstandslos daher, walzt alle technischen Probleme glatt unter sich, jede melodische Gestalt, jede vielstimmige Entfaltung. Es spielt nun merklich ein romantischer Bach herein, romantisch, weil hier Kunst, objektiver Stützen bar, eine Objektivität anruft, die ihr selbst längst entglitt und die am Ende auch jene Vergangenheit nicht besaß, zu der sie flüchtet. Das Klavier spielt zweistimmige Inventionen, durchweg kanonischer Führung, das Orchester rattert zugleich, und wo nicht schnöder Witz bekennt, das sei nur klassizistischer Maskenball, langweilt man sich gar: im billigen ersten Satz und im ehrlich trockenen Finale, das grob ist wie von Milhaud. Spezifischer der trübe langsame Teil, der an die »junge Magd« erinnert mit seiner Phantastik der Enge, freilich verläuft. Nur im »Kleinen Potpourri« pfeift, trotz der Strawinsky-Trompete, etwas von der Unsterblichkeit des Schusterjungen. – Kreneks ›Dritte‹ wirkt wie ein kammermusikhaftes Nachspiel zu der (1923 in Kassel gehörten) 2. Symphonie, ein bißchen ermüdet, mit Durchblicken ins Harmlose, der großen Spannungen völlig entratend. Auch Krenek macht es sich zu leicht, läßt die Entleertheit seiner Klangkonstruktionen, die mit Bedacht personale Gehalte meiden, zum Surrogat werden für die Objektivität des Spiels, die nur aus der Fülle gleichgerichteter Menschen wird. Bald genug schlägt die Problematik der Seelenhaltung in technische Unzulänglichkeit um; eine wahllose Harmonik reiht Dreiklänge an vielstimmige Akkorde im Zeichen des ›Spiels‹, das alles erlaubt; die Polyphonie entwickelt sich imitatorisch und kombinatorisch, obwohl doch das thematisch Einzelne zu entwertet ist, um solche Verarbeitung zu tragen; und der Satz, über lange Strecken wohl nur real dreistimmig, wird bedenkenlos hinkomponiert, wo er selbst anders möchte oder verstummen. Bei Krenek besteht, mehr noch als bei dem unkomplizierteren und balancierteren Hindemith, dessen Intentionen überhaupt nicht ins Dunkel-Problematische hineinreichen, Gefahr, daß ihm der Dämon entweiche und einzig ein blindes Komponiertalent übrig lasse. Ein Dämon ist trotzdem in ihm und sprengt zuweilen das allzufrühe Gefüge.

Sonst hörte man viel Fremdländisches, von Respighi ein hoffnungslos archaisierendes Violinkonzert und die »Fontane di Roma«, die gut klingen, aber schließlich auch von einem Neudeutschen sein könnten, ein dürftiges Programmstück von de Falla, die ziemlich unausgewachsene Klavierphantasie von Debussy, von Erdmann ganz reif interpretiert, viel Strawinsky, auch das Concertino für Quartett, zwingend knapp gedrängt und ledig der Bindungen tänzerischen Gebrauchs, endlich Ravel, die Valse arg grob unter Ernst Wendel, die Orchesterstücke nach der Klaviersuite »Le Tombeau de Couperin«, ein Fest später Sammlung und köstlichen Maßes, recht subtil unter Krauss. Kurios von Ravel ein paar Mallarmé-Lieder; da er die eigenen Bindungen abwirft und eine wühlend erotische Chromatik ansetzt, gerät er in die Nähe des jungen Schönberg – während der Wiener eine Serenade wagt. Von ihm führte man achtbar die Gurrelieder auf. Wäre es nicht besser jene Serenade gewesen?

 

MÄRZ 1925

 

Man hoffte, in Tschaikowskys »Pique Dame« dem Repertoire ein Zugstück zu gewinnen, aber seltsam, der Reißer riß nicht, das Publikum blieb fremd und kühl, ließ sich nicht ein mit den bereitwilligen Melodien, ward nicht gefaßt von der szenischen Spannung, obwohl doch alles in der Oper dem groben Theatergeschmack entgegenkommt: das Buch, gemischt aus rohem Verismo und verblichener Romantik, die Musik, die effektsicher stets den kürzesten und bequemsten Weg zu den Ohren nimmt und sogar der bescheidensten kontrapunktischen Bildungen enträt, zu denen Tschaikowsky in seinen Symphonien sich bisweilen verpflichtet meinte. Warum also versagte das Werk? Es ist zum guten Teil eine soziologische Frage, der man sich gegenüberfindet; scheint es doch, als enthalte jene Oper, obschon einzig dem Amüsement dienstbar, Elemente in sich, die auf eine homogene Gesellschaft als Garantien ihres objektiven Bestandes weisen, und wäre es nur die sinkende Schattenwelt des zweiten Kaiserreichs. Die Oper glaubt an Offiziere und Gräfinnen, an kerzenhelle Feste und adeligen Spieltisch, oder tut doch so, als glaube sie daran; das erleuchtete Proszenium, das an die Bühne stößt, ist ein Stück ihrer selbst, und die Ariette verhallt traurig, wenn kein junges Mädchen im Wagen sie nachsingt. Nun der Oper Echo schwand, sperrt sie sich zu; die ausgeschliffenen Formen, die sie einmal melancholisch bestätigen mochten, bannen den Effekt, der allein noch übrig ist, und ersticken ihn, und selbst wo musikalisch etwas Unmittelbares sich regt, in dem Bilde, da Hermann ins Schlafzimmer der Gräfin dringt, um ihr das Geheimnis der Karten abzuzwingen, dann in seiner Fiebervision – selbst in diesen besten Partien dämpft welker Hauch den grellen Augenblick. Vielleicht, daß ein Künstler wie Tairoff das Werk retten könnte, indem er es als gespenstisches Nachspiel der Grand opéra anlegte, den geheimen Sinn seiner Situation aufs Theater höbe, den Verismo deutend zerbräche. Die phantasievolle und kultivierte Regie Wallersteins, unterstützt von Sieverts Bildern, ging über die Voraussetzungen des Gebildes nicht hinaus und gab es damit schließlich preis. Die musikalische Leitung Rottenbergs schleppte ein wenig; gut war der Hermann John Gläsers, der sich oftmals fast italienisch anhörte, die Gräfin Magda Spiegels. In dem eingeschobenen Schäferspiel, das nicht ohne Geschmack zum achtzehnten Jahrhundert sich hinübertastet, fiel die kleine, aber wohlgebildete Stimme von Adele Kern auf.

 

Clemens Krauss brachte im Museum Regers selten gehörte Ballettsuite op. 130 lebendig und ungemein sorgsam. Es lohnte sich sehr, das Stück kennen zu lernen; harmonisch der Romantischen Suite verwandt, will sagen: mit mehr vertikaler Phantasie, bewußterer Akzentuierung des Einzelakkords im ganzen als jene polyphonen Sätze, da Reger das Sein der Klänge eilfertig funktionell auflöst und die Probleme der Vielstimmigkeit sich verbilligt – ist es wie die Romantische Suite krause Antwort auf Debussys klaren Ruf, hat indessen vor der Romantischen Selbstbescheidung voraus und bleibt lockeres Spiel, wo jene theatralisch rauscht: knapp fixiert, und eines von Regers reifsten Werken trotz der lose konventionellen Fassung, die ihm besser ansteht, als er es Wort haben möchte; von Strauss nicht so gar fern. – In den Montagskonzerten des Symphonieorchesters gab es eine Programmusik von Hermann Wetzler; die sechs Sätze nennen sich Visionen und bemühen gleich vergeblich Dante, Michelangelo und ein großes Orchester. Sie sind lehrreich als Exempel dafür, wie wenig heute Können fruchtet, das aus Tradition und handwerklicher Tüchtigkeit stammt, wie wenig es Können ist; Wetzler verfügt gewandt, virtuos und peinlich gewandt über die instrumentalen Farben, die er fertig vorfindet, und wendet sie daran, Strauss zu banalisieren, Mahlers Ironie unterhaltsam zu verflachen oder Schreker nachzuahmen. Bedenklicher freilich als solche genügsamen Freuden verspäteten Neudeutschtums stimmt der Adagioteil, der sich beethovenisch gebärdet und eine fatale Tiefe aufbietet. Ernst Wendels Direktion verhalf dem Erzeugnis zu dem Erfolg, der als oberstes Formprinzip der Partitur einkalkuliert scheint.

 

APRIL 1925

 

Vielleicht ist es Absicht, vielleicht will man die große Oper wieder erwecken, meint, nun das Musikdrama tot, sei die Stunde, das vergangene Spiel neu zu beleben, gleichgültig, ob es sonst in der Welt die Stunde zum Spiel. Man war nicht glücklich bislang: erst gab es mit »Sakarah« die saftige Parodie, dann mit »Pique Dame« den matten Epilog; nun studierte man die »Frau ohne Schatten« sozusagen neu ein (ich mußte sie versäumen), als romantische Beschwörung; endlich kam man in den »Hugenotten« zur Sache selbst. Von der blieb freilich wenig übrig, da der Rotstift in alle Finales hineinfuhr, den letzten Akt mit grotesker Umbiegung des szenischen Verlaufs ganz exstirpierte und auch sonst seine blutigen Opfer erheischte. Man sagt, es sei der Rotstift Mahlers gewesen – aber der ist schließlich auch nicht kanonisch, zumal wenn es um Meyerbeer geht, den er sicherlich gern ganz weggestrichen hätte. Nun ist in den Hugenotten wirklich der große Opernschein, Schein in doppeltem Sinn, Glanz und Lüge. Doch von ihm war nichts da und man hätte besser die Staatsaktion unterlassen, anstatt ihre Möglichkeiten zu ersticken. Man fand es nicht nötig, die Einstudierung dem Regisseur Wallerstein zuzuweisen, und behalf sich dilettantisch; musikalisch gab es Chöre, die eher für Vierteltöne als fürs pompöse Unisono Begabung zeigten; einen Marcel, der sein Piff-paff molto moderato plauschen ließ, dafür aber im Auftreten sich humoristisch anließ; und vieles andere Schreckliche, aus dem sich nur die Valentine der Frau Sutter-Kottlar und der Raoul des Herrn Gläser heraushob. – Man feierte sehr die Königin von Maria Gerhart aus Wien, die heute als große Vertreterin des Koloraturfachs gilt und gute Stakkatos macht, im übrigen aber tremolierend in hoher Lage recht unkontrolliert sich bewegt und mit der neutralen Terz trillert, vielleicht indessen tatsächlich in der Zeit der Destruktion alles Ziergesanges ein Star ist. – Kurz, die Erweckung der großen Oper blieb recht fragwürdig. Darum nur, weil die Kräfte fehlten? Oder, weil es doch nicht die Stunde ist?

 

Während zu Beginn des Konzertwinters die Novitäten hageldick über den Hörer hereinprasselten, ist es gegen Saisonende recht still geworden; kaum daß eine Sängerin ein paar Lieder von Debussy oder Roussel bringt. Man hält sich zum Behagen des Publikums ans Bewährte: Frage nur, wie man sich selber dabei bewährt. Es ist von zwei Neunten Symphonien zu reden, der Beethovenschen unter Clemens Krauss, der Brucknerschen unter Ernst Wendel. Krauss' Leistung bezeichnete sich durch Maß: es gab kein extravagantes Tempo, die Ritardandi im ersten Satz fingen nicht, wie üblich, vier Takte zu früh an, den Schluß des Satzes dirigierte er streng aus; das Scherzo spannte sich metrisch deutlich und rollte technisch einwandfrei ab. Auch das Finale war straff rhythmisiert; nur im alternierenden Andante des Adagios gestattete sich Krauss besondere Langsamkeit. Der Geschmack hätte kaum etwas wider diese Neunte einzuwenden; ja sie ist Krauss als Leistung der Selbstdisziplin hoch anzurechnen. Problematisch bleibt sie gleichwohl. Denn gerade an der Neunten hat die Sphäre musikalischen Geschmackes ihre sehr bestimmten Grenzen. Wie das Werk den innerästhetischen Raum durchstößt und das Unmittelbare unmittelbar anspricht, so ist Durchbruch auch von der Interpretation gefordert: nicht durch das Mittel billiger Temperamentshäufung, gewiß, aber durch die Macht ursprünglicher Anschauung, die jedem Augenblick Gegenwart erzwingt. Es ist gut, wenn man das Ende des ersten Satzes a tempo spielen läßt, aber dies a tempo muß mehr als ein Ritardando sein, nicht weniger. Es ist gut, wenn man die Trioreminiszenz zum Schluß des Scherzos wirklich Presto nimmt; aber dies Presto muß grell aus dem Abgrund aufscheinen, wie es Furtwängler vermochte, darf nicht als harmloses Stretto abklingen. Es ist gut, wenn der Chor prägnant akzentuiert wird; aber die Akzente dürfen nicht den Gesang zerstampfen, dessen emporflutende Freiheit hier zuoberst gilt. Das Adagio war innerlich die crux der Aufführung; plötzlich, im 12/8-Teil, fand man sich von der Musik verlassen; freilich, wem gelingt heute Beethovens schwierigster Symphoniesatz? Selbst Furtwängler bannte ihn nur, indem er ihn Brucknerisch anfaßte. – Krauss hütete sich vor seinem Temperament, mied den Effekt und die Geste; aber es ward seinem ernsten Verzicht der formverzehrende Funke nicht geschenkt, der stets doch das eine Licht ist im Dunkel der Neunten Symphonie. – Wendels Wiedergabe des letzten Bruckner war merkwürdig genug: er dachte an Brahms, überbrückte die Zäsuren, verkürzte – ohne Strich! – die Dimensionen und zog dem ungebärdigen Nacken einen Stehkragen an, der vielleicht eng war, aber dem Gesicht keinen schlechten Rahmen machte. Ein glatter Bruckner kam heraus, ein bürgerlicher sogar; aber einer, der sich zusammenschloß. Besonders erfreulich, wie instinktsicher Wendel sich davor bewahrte, sakral eine Symphonie zu zelebrieren. – Das Stück allerdings ließ wieder Zweifel zurück: zu tiefe Zweifel, als daß ihnen gelegentliche Kritik nachgehen dürfte. – Einmal war Kleiber in Frankfurt, zu einem Mozart-Abend mit dem außerordentlich tüchtigen Orchester des Hochschen Konservatoriums, in dem es unter Sekles' Führung heute frische Initiative gibt. Kleibers Mozart, die Kleine Nachtmusik zumal, stimmte ungetrübt dankbar: ein Können zeigte sich von so klar bewußter und zugleich instinktsicherer Schärfe der Konturen, daß man von Können nicht wohl mehr sprechen mag.

 

Strawinsky und Ravel, die meistgespielten zeitgenössischen Autoren der westlichen Länder, werden allmählich in Deutschland bekannter; gerne nimmt man Anlaß, die Formeln zu revidieren, in denen das Urteil über die beiden Männer erstarrt lag, solange die Anschauung ihres Wesens auf wenige Werke sich beschränkte. Strawinsky freilich bietet selber die Formeln dar, die man eifernd wider ihn kehrt; er, der nicht minder durch den theoretischen Überbau seiner Musik denn durch seine Gebilde wirkt, er, lebendiges Symbol der Loskehr vom musikalischen Psychologismus, der Ernüchterung nach der Zeit jenes sinnenfarbigen Abglanzes, der ungedenk ist, wessen er Abglanz sein könnte; er, der die schöne Welkheit der traditionsumhegten französischen Klangwelt niederstampfte, vernichtete, was sie barg, ihre Grenzen sprengte. All diese Tendenzen jedoch machen ihn nicht aus; er selbst ist ein gutes Stück dessen, wogegen er sich wandte, und seine Wurzeln liegen tiefer als sein ästhetisches Programm es eingesteht, sein gesamtmenschliches Volumen reicht weiter als der Umfang seiner polemischen Attitüden. Man hat sich gewöhnt, Strawinskys Musik allein aus dem Tanz herzuleiten, seine Entwicklung bloß in dem Entleerungsprozeß zu sehen, der die dekorative Fülle scheinhafter Spielballette opferte, um mit der elementarischen Gewalt entfesselter Rhythmik die negative Wahrheit einer maschinellen Dämonie hervorzupressen, bis es keines tänzerischen Anlasses mehr bedurfte und aller Bande ledig der Komponist in das dunkle Zwischenreich drang, wo die tödliche Gesetzmäßigkeit präziser Klangmechanik selbstherrlich waltet, während in dem Hohlraum, den sie schafft, aber nicht füllt, Fetzen der Seele umgetrieben werden, die keinen Haftpunkt finden. In Wahrheit ist ihm die Seele nicht so völlig zersetzt und darum die neue Objektivität, der mechanische Bewegungszwang nicht durchaus tragischer Ernst. Da er seinem lyrischen Ursprung verbunden blieb, mochte ihn wohl sein Maschinendienst als gefahrvolles Spiel locken, das seine Situation auf die Spitze treibt, sobald indessen der Existenz Gefahr droht, in Spaß umschlägt, der ihm leicht fällt, da solcher Maschinendienst, gemessen an seienden Formen, ohnehin Spaß ist. Mag man nach den beiden Liedern aus der frühen Oper »Die Nachtigall« (Irene Eden sang sie nicht einwandfrei), die noch ein wenig unprofiliert klingen, wenn auch thematisch das eine zu dem reifen »Chant du rossignol« in Beziehung steht, – mag man nach diesen Liedern an Strawinskys lyrischem Vermögen zweifeln, die drei japanischen Gesänge, die in die Periode des »Sacre du printemps« fallen, tun es überzeugend dar: drei ganz kurze Stücke, impressionistisch gemeint, gewiß, aber so entschieden bereits auf das Musikeigene reduziert, daß all ihr Farbreiz (kein Orchester schimmert freier als die paar Instrumente) zum losen Mantel wird um den liedhaft personalen Kern. Marga Freund faßte unter Scherchen die belastete Leichtigkeit musikalisch überlegen an; das Zufallspublikum erzwang sofortige Wiederholung. – Vom anderen Strawinsky gab es – etwas spät – das »Feuerwerk«, das schon ein wenig verblichen ist und unter Clemens Krauss' merkwürdig bedächtiger Direktion kaum flüchtigen Eindruck machte, dann unter Scherchen die hier bereits besprochene Pulcinella-Suite, deren preziöser Abgrund drohender noch als ehedem und anmutiger sich auftat. – Bleibt, als entscheidendes Zeugnis, das Concertino für Streichquartett (1920), von Amar, Kaspar, den Brüdern Hindemith wahlverwandt geboten. Der knappe Satz zeigt Strawinsky in aller rhythmischen Energie vom Ballett emanzipiert, freilich auch sein lyrisches Selbst ganz verkapselt, ist zerstörerisch durchaus, kaum noch Musik, sondern ein aus der vergehenden Zeit ausgesparter Hohlraum, in dem flüsternd noch das Echo fremder Seelen verhallt, während seine Stummheit sie überdröhnt. Man hätte Anlaß genug zur Entrüstung, nur eben kein Recht: und sollte fragen, ob das Nichts, das vollendet sich darstellt und als Nichts, nicht näher beim Sinne wohne, als was sich kärglich in den Resten des Sinnes hält, die schon zerbröckeln. Jedenfalls scheint mir Strawinsky positiv am tiefsten, wo seine Kurve zutiefst ins Negative sich hinabneigt; tiefer als in der ›positiven‹ Wendung des Klavierkonzerts, die kaum über den klassizistischen Ulk weiterführen wird. Überflüssig zu betonen, daß Strawinskys außerordentliche Fähigkeit zur sinnlichen Realisierung im Concertino wie stets die Brücke schlägt zum Ohr des Hörers und die Idee der nihilistischen Abstraktheit noch konkretisiert, gleichsam die Allegorie unterweltlicher Wesenheiten findet.

Zwischen dem heimatlosen Russen und Ravel ist kein Gemeinsames, die Entwicklung der beiden hat genau die umgekehrten Vorzeichen: Strawinsky drang vom lyrischen Ausgang zum wie immer gebrochenen Objektivismus; Ravel hat eine wie immer unstabile Objektivität drangegeben und ringt um personalen Ausdruck. Die Nötigung ist ihm nicht zu bestreiten; doch zu fragen, ob sie ihm zum Glück gereichte. Hört man die vier Orchesterstücke nach der Klaviersuite »Le Tombeau de Couperin«, so wünscht man, der Autor möchte nach ihnen nichts mehr schreiben, sondern wie Rossini sich freuen an dem, was ihm geriet: so sehr sind sie gutes Ende und schwindender Nachklang, traurig in den Formen, die sie belächeln; so groß verzichten sie darauf, des Unmittelbaren teilhaft zu werden, verbleiben im Mittelbaren, dessen Bedingtheit sie wissen. Auch die »Valse«, Huldigung an Johann Strauß, Huldigung der anderen an die erste Heiterkeit, scheint spät gelungen; nur sollte sie Ernst Wendel, den man als Brahmsinterpreten zu schätzen hat, nicht dirigieren; während Krauss die Suite zart und tänzerisch sicher spielen ließ. – Aus Ravels jüngster Zeit dann sang Frau Freund drei Mallarmé-Lieder, die brüchig sind und, um alle technische Erfahrung reicher, wie jene deutsche Neuromantik von 1905 sich gebärden, die zerschlagen ward. Es ist nicht zu denken, daß ein Künstler wie Ravel, der letzte gültige Repräsentant durchwirkter Tradition, ungestraft die Tradition sprenge; muß er es, wird er zur tragischen Grenzfigur.

Sonst brachte die romanische Musik, die aufgeführt wurde, nicht viel Gewinn: die Klavierphantasie von Debussy, noch recht uneigen, trug Bewunderung einzig dem Interpreten Erdmann ein, der gewiß eine der stärksten Potenzen unter den jungen Pianisten ist. Von Ottorino Respighis Concerto Gregoriano – Schmuller versah den Solopart – wurde eine bereitwillig-respektvolle Zuhörerschaft seriös gelangweilt; im sechzehnten Jahrhundert, das unfreiwillig parodiert ist, wäre man wohl weniger tolerant gewesen. Des gleichen Komponisten Programmsymphonie »Fontane di Roma« bewies, daß er auch anders kann: das harmlos neudeutsche, kaum von Debussy angefärbte Stück ist hübsch instrumentiert. Gieseking spielte vortrefflich die »Nächte in spanischen Gärten« von Manuel de Falla: versierten Edelkitsch, der im Kino am Ort wäre. An demselben Abend ließ Gieseking eine entzückend unsolide Sonatine von Casella springen; schade bloß, daß der dritte Satz der Kabarettnummer versagt.

Das Ereignis des Konzertwinters sollte Kreneks Dritte Symphonie sein, deren sich Scherchen mit dem Symphonieorchester annahm. Sie enttäuschte zumal in den Ecksätzen: der erste baut sich über einem billigen Orgelpunkt auf und zerflattert nach allen Seiten, ohne daß den Zäsuren die innere Dynamik Sinn zuwiese; das Finale läuft behaglich leer und schmückt sich mit jener fatalen ›Musizierfreude‹, die beginnt, wenn die Musik das Beginnen verlernt hat. Im Adagio stehen wieder Augenblicke, die Geheimnis haben in ihrer vielstrahligen, dunkel-leuchtenden Harmonik. Das Ganze aber scheint so unkontrolliert, technisch unkontrolliert, und zugleich so wenig spontan, so matt und schlaff hingesetzt, daß trotz aller Begabung Einspruch gefordert ist. Gerade von Krenek, dem dumpfen und triebstarken, muß heute Selbstkritik und Verantwortlichkeit verlangt werden. Leicht könnte man, übt er sie nicht, glauben, seine wohlerhaltene Naivetät wolle die Unfähigkeit zum bewußten Gestalten verbergen. – Auch Hindemiths jüngste Arbeiten sind fragwürdigen Wertes. Er selbst brachte das Streichtrio op. 34. Der erste Satz neigt sich als »Toccata« der neuen Klassizität, die man an den Straßenecken proklamiert: ein Virtuosenstück, das den Trioklang zu erstaunlicher Fülle ausweitet, doch das Virtuosenstück eines Ingenieurs, der das perpetuum mobile schuf. Die objektive Art des langsamen Teiles dann, offen bachisch in Themenbildung und Periodisierung, ist weder neu noch real und kommt im Effekt etwa darauf hinaus, daß man eine alte Triosonate vernimmt, deren Generalbaßstimme nicht ausgesetzt ward. Das pizzikierte Intermezzo ist ein hübsches Genrestück; kraß dagegen schlägt das Finale vorbei, eine Doppelfuge, die die beiden Themen nach Regerschem Rezept exponiert und in ihrer nachträglichen Kombination ein bequemes Steigerungsmittel hat. Die Unmöglichkeit, heute solche Fugen zu schreiben, tritt technisch überall zutage: schon das mit Sequenzen überladene Thema will nicht tragen, und die harmonische Deutung des substanzlosen Materials vollzieht sich in purer Zufälligkeit; kurz, den sinnhaften Formpostulaten der Fuge wird nirgends mehr als äußerlich entsprochen. An Hindemiths programmatischem Amerikanertum erweist sich Hans Sachsens Lehre »Ihr stellt die Regel selbst und folgt ihr dann« als romantischer Trug: der selbstgestellten Regel, die als Regel sich fixiert, kann keiner folgen, da sie unbestätigt auftritt und zu starr darum. Verwandte Kritik gilt auch für Hindemiths Klavierkonzert op. 36, wo spielerische zweistimmige Inventionen, die wiederum nach Bach auslugen, sich von stampfendem Maschinenunisono begleiten lassen; die knappe sichere Diktion darf nicht als Verdienst rechnen, wo so wenig ausgesagt wird, was schwer zu sagen wäre. Es ist bezeichnend für den heutigen Hindemith, daß ihm Nebensätze, Intermezzi, Genreeinlagen am rundesten werden, daß die Gelegenheit ihn stützt (im Klavierkonzert gibt es ein »kleines Potpourri«), während er des Finales nicht recht Herr wird: der Schlußsatz des op. 36 ist ein ganz blasses, schematisches Stück, in dem er Formproblemen überhaupt nicht nachfragt; selbst instrumental bleibt es farblos. Das Adagio hat spezifischen Charakter, trüben Gleichmut, ist aber in der Dreiteiligkeit seiner Anlage unausgewogen. – Allen Einwänden zum Trotz scheut man sich, über Hindemiths Situation Prinzipielles auszusprechen: denn so labil ist er mit seiner Musik verknüpft, daß Treffer und Nieten, Gespanntes und Wahlloses dauernd wechseln. Daß allerdings Stetigkeit ihm mangelt, ist gerade der gewichtigste Einwand wider ihn.

 
Gesammelte Werke
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