Schönberg: Chöre, op. 27 und op. 28

 

Die Chöre sind ihrer Aufführung voraus. Während Vereinigungen und Dirigenten dabei sind, sich den Anforderungen von »Friede auf Erden« zu akkommodieren, überfällt sie die voll entfaltete Zwölftontechnik mit ganz neuen Problemen, in deren Licht freilich der ältere Chor, wie alles Frühere von Schönberg, mit einem Male völlig aufgehellt und verständlich wird, um die selber jedoch heute noch jener luftleere Raum liegt, in dessen Schutz stets die Werke Schönbergs sich vom Autor ablösen, um sich unter die Musik ihrer Tage zu begeben; der luftleere Raum, der immer wieder der Gewohnheit den Atem verschlägt.

Allein, es wäre zu wünschen, daß, da die Werke es nun einmal nicht nötig haben, sich ihrer Isoliertheit zu begeben, die Musizierenden wenigstens versuchten, die Schicht zu durchstoßen, die zwischen ihnen und deren Aktualität liegt. Die Chöre op. 27 sind ernst. Sie zerfallen in zwei Gruppen. Die beiden ersten sind Spruchkompositionen, nach Texten von Schönberg selbst: Spruchkompositionen, wie sie aus der Einsamkeit des späten Beethoven kamen, Monologe der Erkenntnis, hart, unlyrisch, abgeschieden vom privaten Ich, verschlossen der singenden Unmittelbarkeit, auf Wahrheit allein gerichtet. Die Schwierigkeit, ihrer geistigen Haltung sich zu fügen, den Chor allein als Material von deren Bekundung, nicht als selbstgerecht sinnliches Agens zu nehmen, überwiegt sehr noch die technischen Schwierigkeiten. Es erstaunt nicht, als ersten unter ihnen einen Kanon zu finden, einen Kanon strengster Observanz, dessen Analyse hier gegeben werden mag, Beispiel der äußersten Ökonomie, die die Zwölftontechnik erzielen kann. Das Thema des Kanons ist aus einer Zwölftonreihe gebildet und besteht, als Melodie, aus deren vier Grundgestalten, die es lückenlos in der Reihenfolge: Originalgestalt, Krebs, Umkehrung, Krebsumkehrung exponiert: wobei, wohlverstanden, die Grenzen der Gestalten nicht etwa mit den rhythmischen Zäsuren zusammenfallen, sondern im Gegenteil tief im rhythmischen Fluß verborgen sind. Diese in sich vollständig ökonomische Melodie wird nun in äußerster Strenge kanonisch durchgeführt: der Alt imitiert sie in der Umkehrung, der Tenor in gerader Bewegung, der Baß wieder in der Umkehrung. Die Imitation erfolgt rhythmisch getreu, so daß in dem Kanon eine doppelte Ökonomie waltet: die manifeste der melodisch-rhythmischen Imitation und die latente des Zwölftonmaterials. Den Kanon beschließt eine scheinbar akkordische Coda. Diese Coda jedoch gehört ihrer Zwölftonstruktur nach zum Kanon und ist nicht minder streng als jener. Der Sopran bringt die vollständige Reihe, der Baß ihre vollständige Umkehrung. Alt und Tenor ergänzen sie, und zwar derart, daß der Alt zuerst die zweite Hälfte der Umkehrung – mit deren siebentem Ton beginnend – vorträgt und mit der ersten Hälfte der Umkehrung schließt. Genau analog verfährt der Tenor mit der Reihe selbst; beginnt also mit deren siebentem Ton, setzt nach dem zwölften mit dem ersten fort, holt die ganze erste Hälfte nach und endet auf dem sechsten Ton. Die rhythmischen Verhältnisse sind frei, so daß trotz der beibehaltenen Ökonomie des Materials eine deutliche Schlußwirkung erreicht wird. – Der zweite Chor ist nicht kanonisch; in der Art der Textbehandlung noch spruchmäßiger als der erste. Die Hauptgestalt steht siegelmäßig, teilweise zu Harmonien verschränkt, dem Ganzen voran.

Die zweite Gruppe des op. 27 ist völlig anderer Art. Ihre Gedichte entnimmt sie der »Chinesischen Flöte«, nicht umsonst mag der literarische Vorwurf an das Lied von der Erde erinnern. Die beiden Chöre sind expressiv, wie sehr auch verhalten, doch geöffnet. »Mond und Menschen« transponiert ein Grundgefühl der »Glücklichen Hand« aus dem klagenden Schmerz in die leise Melancholie; der tiefe Kontrast, der das »Dagegen wir« der rhythmischen Ruhe des ersten Teiles entgegenstellt, könnte als Symbol der sprengenden Humanität genommen werden, die in Schönbergs Musik alle naturale Ruhe zerbricht. In der Lockerheit, mit der in dem Chor die Zwölftontechnik gehandhabt wird; als ob sie sich von selbst verstünde; in dem dreimaligen Wechsel flüsternd begleiteter Hauptstimmen – erst in der Klage des Endes finden sich die Stimmen zu gleichem Rechte – in der zugleich transparenten und reichen Rhythmik zählt der Satz zu dem Schönsten von Schönbergs neuen Arbeiten. Um von der Art seiner Chormelodik einen Begriff zu vermitteln, soll ein Thema daraus stehen (zwölftontechnisch ist es der Krebs der Hauptgestalt, fortgesetzt von ihrer Umkehrung).

 

(aus op. 27 No. 3)

 

Theodor W. Adorno: Schönberg. Chöre, op. 27 und op. 28, Gesammelte Schriften, Band 18, S. 356.

Das vierte, umfänglichste Stück der Gruppe ist eine Art Serenade und nimmt auch in der Instrumentalbesetzung (Mandoline, Klarinette, Geige und Violoncell) unmittelbar auf das op. 24 Bezug. Es ist unter Schönbergs Kompositionen insofern singulär, als es auf kontrastierende Charaktere, das sonst entscheidende Mittel der Formbildung verzichtet, undurchbrochen dahinfließt. Die vier Instrumente sind zu einem homogenen Begleitsystem zusammengefaßt, nicht solistisch verwandt und homophon behandelt, so daß sie nur mehr ein Klangdessin bilden; in sich sind sie trotzdem, selbstverständlich, durchkonstruiert. Stimmung und Technik sind am ehesten der Barkarole des Pierrot zu vergleichen. Die helle Anmut von Klang und Linie ist unmittelbar sinnfällig.

Total anders ist die Absicht der drei Satiren, op. 28. Sie sind zwar nicht Gebrauchs-, aber doch Zweckmusik; jedes musikalische Ereignis in ihnen bestimmt sich durch den satirischen Willen. Um Kunststück und Witz ist es darin zu tun; daß dabei immer noch bessere Musik herauskommt als wenn die anderen seriös sich geben, ist nun einmal nicht zu ändern. An Witz und Kunststück findet man für ein ganzes Künstler- oder Heldenleben genug darin: so gleich den Anfang, den tonalen Dreiklang als Glied eines Zwölftonkomplexes, im Kanon, dem lustigen Seitenstück zum ernsten aus op. 27.

Den Strawinsky-Chor darf man auf den Kopf stellen, er fällt sogleich auf die Füße. Das Hauptstück ist die Kantate »Der neue Klassizismus«. Hier kann man das Fugenmachen lernen und das Fürchten. Man tue beides.

 

1928

 

 

Schönberg: Suite für Klavier, drei Bläser und drei Streicher, op. 29, und Drittes Streichquartett, op. 30

Die bestimmende Dialektik der Geschichte von Schönbergs Werken hat einen neuen Umschlagspunkt erreicht. Die konstruktive Durchdringung des vollendet subjektivierten Komponiermaterials, die aus Variationentechnik und kontrapunktischer Empfindlichkeit gegen Stufen- und Tonwiederholungen in der Zwölftonkomposition rational und material geleistet war, hat sich mit den bestehenden Formen gesättigt, die sie durchsichtig machte; alte Suite, Sonate und schließlich in den Chören die strengsten Bildungsweisen des imitatorischen Stiles sind im Stoff der zwölf nur aufeinander bezogenen Töne definitiv ausgeformt. Daran aber ist kein Genügen: alle Freiheit der Phantasiekonstruktion bleibt wach in Schönbergs Musik, durchleuchtet die bestehenden Formen bereits und will schließlich abermals sprengen, was an gesetztem Sein ihr irgend den Weg verlegen möchte; will ihre Form autonom bestimmen. Das ist nicht so zu denken, als ob Schönberg des aufgelösten Stiles in Willkür sich wiederum erinnert und ihn mit Zwölftontechnik erfüllt hätte. Vielmehr ruht die objektive Gewalt der Schönbergschen Dialektik darin gerade, daß die Probleme jedes Werkes von der Verfahrungsart des vorhergehenden derart notwendig gemacht sind, als ob es nur gälte, dort aufgeworfene technische Fragen zu lösen, während der Übergang von der Frage zur Lösung den Übergang in eine neue Sphäre Musik bereits bezeichnet. Die bewegende Kraft des jüngsten Umschlages ist die Frage, wie sich die Zwölftontechnik so handhaben lasse, daß, ohne die Strenge irgend zu mindern, der Ablauf der Reihen und die Reihen selber als kompositorischer Stoff nicht fühlbar werden, sondern hinter den Mitteln der thematisch-kompositorischen Technik verschwinden. Die Reihe soll nicht Themenmaterial mehr bleiben, sie stellt allein noch die virtuelle Thematik dar, die als solche überhaupt nicht manifest wird. Damit ist zugleich eine neue Auflockerung der thematischen Charaktere als solcher gefordert, die in den lockeren Formen ihre getreue Konsequenz findet. Zugleich aber wirkt die Gebundenheit der bisherigen Zwölftonkompositionen weiter. Von der Strenge der Zwölftontechnik ist nichts abgegangen, nur die Möglichkeiten der Reihenteilung, Kombinatorik, Transposition sind derart bereichert, daß die volle Mobilität der früheren Werke wiederhergestellt ist. Die Neigung zu den bestehenden Spielformen, zum rondohaften Wesen vor allem, wirkt weiter; jedoch die Leichtigkeit des Spiels ist wieder die des Pierrot geworden. Zugleich aber und entscheidend erfolgt der Durchbruch in eine völlig fremde konstruktive Phantasieregion.

Wenn das Reihenmaterial sich völlig hinter den thematischen Ereignissen verbirgt, so liegt es nahe, eine durchgehende Zwölftoneinheit zu konstruieren, der leichte Enthüllung nicht droht und die hinter dem Rücken der Musik jene organisiert. Wie dem Bläserquintett und der Klaviersuite liegt der Kammersuite und dem Dritten Quartett jeweils konstantes Zwölftonmaterial zugrunde. In der Kammersuite ist es die Reihe es-g-fis-ais-d-h-c-a-g-gis-e-f-cis. Sie wird im ersten Satz zunächst in einigen Einleitungstakten akkordisch zusammengeklappt, dann ziemlich geschlossen – in der Weise des Bläserquintetts nochmals – als Hauptthema exponiert: die Geige bringt es zu luzider Begleitung als faßliche Melodie. Die Fortsetzung freilich bereits entwickelt die eigentümliche Technik der neuen Werke. Sie zerlegt die Grundreihe in Gruppen von je vier Tönen, die jedoch nicht etwa ihrer Originalgestalt entstammen, sondern abwechselnd aus Krebs, Originalgestalt, Umkehrung usw. entnommen sind. Da zugleich die alternierenden Holzbläsermotive, die so entstehen, nicht etwa mit jenen viertönigen Gruppen zusammenfallen, sondern jene Gruppen oftmals aus den letzten Tönen eines Holzbläsermotivs und den ersten des folgenden zusammengesetzt sind, so bleibt bei vollständiger Determiniertheit aller Ereignisse die Freiheit ihrer Erscheinung völlig gewahrt; niemals wird mechanischer Reihenablauf spürbar. Die komplementäre Begleitung ist nicht etwa frei, sondern durch Vertikalisierung des Reihenmaterials gebildet. Es kann hier dem Zwölftonaufbau des Werkes nicht detailliert nachgegangen werden, nur der Anfang war andeutend zu bezeichnen, um eine Vorstellung von der Faktur und ihrem Sinn zu geben. Der synthetischen Einheit von Spiel und Strenge bleibt der gesamte Satz treu. Die erste Themengruppe wird zunächst gedrängt fortgesetzt, dann unter Bezug auf die Motive des eigentlichen Hauptthemas – will sagen: dessen Rhythmik, denn auf die Reihe ist ja unterschiedslos alles bezogen – weitergeführt, stets in lebhaftem Charakter und mit der leisen Möglichkeit des Übergangs aus der symphonischen Expansion in die lyrische Verschränkung. Eine längere, sehr reich gebaute Überleitung, die an die transponierte Umkehrung der Hauptgestalt anknüpft, mündet in eine rondomäßige Anführung des Hauptthemas und dann unmittelbar in den Seitensatz. Dieser Seitensatz, aus einer Transposition der Originalgestalt und deren Krebs gewonnen, hat, ähnlich wie das dritte Thema aus dem Scherzo des Quintetts, zugleich losen Triocharakter, geht nicht in der Sonatenform auf, wird aber doch nicht als Trio selbständig: seit der Serenade kennt man Schönbergs einzigartige Fähigkeit zu derart schillernder, neu- Formbildung. An den Humor des Trios der Tanzszene mahnt denn auch der zarte Ton dieses Themas über den simplen Bässen; Schönbergs drittes Ländlerthema, gewiß nicht zufällig in seiner ironisch expressiven und rührend verquerten Haltung. Dies Thema, wieder ein Unikum, drängt sich zu einer Schlußgruppe, in die schon wieder das Hauptthema hineinspielt. Dann beginnt eine reguläre Durchführung nach Sonatenart mit vielen imitatorischen Künsten. Aber sie ist trügend wie die fausse reprise der vorklassischen Sonate: kaum kann sie sich entfalten, da geht sie in eine ausführliche, sehr getreue und sehr umgestaltete Wiederholung des Überleitungssatzes der Exposition über. Schließlich kommt es doch zur Durchführung des Hauptthemas; man kann sich denken, daß in ihr nichts gespart ist. Aber es bleibt ihr nicht mehr viel Zeit: die eigentliche Reprise des Hauptthemas, andeutungsweise und sehr verkürzt, gerät dazwischen. Sie leitet ohne Umstände, ohne die bereits repetierte Überleitung, in den Seitensatz, dessen Triocharakter damit noch stärker sich betont. Für die Schlußgruppe stehen ein paar Takte; dann beschließt eine flotte, ganz kurze Coda aus dem Hauptthema den Satz. Er wurde näher behandelt, weil heute allein Formanalyse Schönbergs neue Kompositionsweise deutlich macht. Hatte er im Quintett die Sonate selber dargestellt, so improvisiert er jetzt über die Sonate, lockert sie mit Rondogelenken, mit der Scherzodualität, spielt Fangball mit einer großen Themengruppe und triumphiert in einem der virtuosesten und zugleich mit Charakteren gefülltesten Stücke, die ihm je gerieten. Die Folge hält sich auf der gleichen Höhe. Der zweite Satz ist Schönbergs Auseinandersetzung mit dem Jazz: nicht dessen kunstgewerbliche Assimilation, sondern völlige Verwandlung im kompositorischen Prozeß. Die Synkope weicht einem rhythmischen Reichtum, wie er selbst bei Schönberg noch nicht da war. Den Instrumenten erwachsen erregend neue Aufgaben; wer von Spielmusik redet, kann hier zeigen, ob er zu spielen vermag. Die Form nähert sich dem Rondo. Der dritte Satz ist das Variationenstück über »Ännchen von Tharau«. Das Thema, als unveränderte E-Dur-Melodie, ist in der kunstvollsten Weise auf die vertikal eingesetzte Reihe und ihre Umkehrungs- und Krebsgestalten abgepaßt und wird in der Folge stets als besondere Reihe dem gleichfalls beibehaltenen Reihenmaterial kontrastiert, zugleich aber auch im alten Variationssinn thematisch verarbeitet. Es erscheint ursprünglich in einer bei den Schlüssen irregulären rhythmischen Vergrößerung, die es derart von den Zäsuren unterscheidet, daß der Eindruck einer atonal begleiteten tonalen Melodie ganz vermieden wird, weil nirgends die Kadenzen zusammenfallen. Besonders schön die Coda, die mit allen Motiven spielt. Der ganze Satz erhält sich die Neigung zu Sequenzbildungen und einen leichten Serenadenton. Das Finale ist eine brillante Gigue von knappen Dimensionen, zweiteilig, ein deutlicher Suitencharakter. Vor seinem Ende kommt es zu einer sehr zarten langsamen Episode. – Dem konstruktiven Reichtum der Suite ist der der Instrumentation äquivalent. Kontrast und Zusammenfassung der beiden Triogruppen, zwischen denen das Klavier vermittelt; radikale Ausnützung des Streicherklangs zumal in Flageolettmelodien, besonders aber der kühne, griffige, transparente, oft höchst virtuose Klaviersatz erzielen eine ungeahnte Einheit von Zeichnung und Farbe, der bereits ein neuer Orchesterstil impliziert. Es ist, als wäre die Registrierungskunst des Quintetts mit der schwebenden und dichten Gruppenkoloristik der Serenade multipliziert.

Verwandt in Technik und manchem Detail, doch fremder wieder dem Spiel das Dritte Quartett. Die zugrunde liegende Zwölftonreihe gliedert sich in zwei Fünfton- und eine Zweitongruppe: g-e-dis-a-c; h-b-cis-gis-d; eis-fis. Die Reihe wird sowohl als Ganzes wie in ihren drei Unterteilen verwertet und ihre Unterteilung führt zu zahllosen Möglichkeiten der Abwechslung, die zumal der erste Satz souverän ausnutzt. Die Form des Werkes ist zweiteilig disponiert. Ein sehr großes, schwer belastetes Eröffnungsstück balanciert drei kürzere und leichtere Teile. Der erste Satz ist ein mächtiges Präludium mit tokkatamäßig durchgeführter Bewegung. Von der Sonate zeigt er allein die Andeutung der Themendualität und der Reprise, in der die Reihenfolge der Themen dann vertauscht zu denken wäre. Aber die Bindung des durchgeführten Motivs ist stärker und fühlbarer als die Sonatendualität. Das durchgeführte Motiv verdiente eine eigene Biographie. Im Charakter hat der Satz die Gewalt völlig konstruktiver Distanziertheit: ein Monument des einsamen Willens. Es folgt ein expressives, fremdes, dunkles Adagio mit einer marschartigen Partie als Mittelstück; dann ein sehr faßliches, leichteres Intermezzo. Das Rondo endlich ist das loseste Stück, das die Zwölftontechnik bislang hervorbrachte; im entlegensten Kunststück selbstverständlich hinmusiziert und von strömendem Fluß, dabei schalkhaft lustig bis zum Übermut. – Unter Verzicht auf alle dem impressionistischen Klang entnommenen Fermente: Dämpfer, Flageolett, col legno, die Schönberg vordem in die Konstruktion hineinzwang, ist mit der durchbrochenen Satzkunst und der Meisterung der Lagen der Einzelinstrumente sowohl wie ihres Miteinander ein völlig originaler, expansiver und zugleich thematisch plastischer Quartettklang erzielt.

Den Werken des heutigen Schönberg gegenüber geziemt sich keine Kritik; mit ihnen ist Wahrheit gesetzt. Die Betrachtung hat sich darauf zu beschränken, in materialer Analyse auf ihren Erkenntnisstand hinzuweisen. Im übrigen stehen für das Werk die Aufführungen ein: für das Quartett die vollkommene und oft gewürdigte von Kolisch, für die Suite die unmittelbar bevorstehende unter Leitung des Komponisten.

 

1928

 

 

Zur Zwölftontechnik

Schönbergs gegenwärtige Verfahrungsweise scheint radikalerem Mißverständnis ausgesetzt als jede seiner früheren. Mochte immer die Destruktion aller vorgegebenen musikalischen Seinsbestände, die sprengende Phantasiekraft in Schönbergs Werken unternahm, sich rechtfertigen durch den Zerfall des musikalischen Materials selber: wollte der gleiche ein selbstherrliches Kalkül daran wenden, dem Material Ordnung von neuem aufzuprägen, es müßte ihn Lügen strafen, so wie es als Material heute beschaffen ist. Denn es bleibt zerfallen wie es zerfiel, keine naturale Bindung, es sei denn die der temperierten Stimmung und der oktavweisen Wiederkehr des gleichen Tones, ist mit ihm mehr gesetzt. Alle Versuche, aus dem Stande des Materials selber einen neuen Ordnungskanon herauszulesen, sind gescheitert; weder hat das Chroma in seinen unterschiedslosen Schritten formsetzendes Recht, noch rhythmische Formeln, deren Wiederholbarkeit melodisch-harmonisch Unwiederholbarem angemessen wäre, noch die harmonische Kadenzfunktion, die gerade zerfiel und sich nicht restituieren läßt. Die Unzulänglichkeit alles musikalischen Objektivismus von heutzutage hat ihren Grund darin, daß er einen Bestand objektiv verpflichtender Materialbestimmungen voraussetzt, die das disqualifizierte Material tatsächlich nicht bietet. Wollte man endlich auf das wenige Regelhafte sich beschränken, das im Material heute allenfalls noch gelegen sein mag, auf die pure Zwölfzahl der Töne also und ihre oktavweise Wiederkehr, um formobjektive Normen zu gewinnen, so wäre das Resultat so äußerlich und schematisch, wie es sich darstellt in jenem anderen Versuch, der neben Schönbergs Verfahren den Namen Zwölftonkomposition trägt und mit jenem verwechselt wird, wohl gar ihm die Priorität streitig macht. Um zu verstehen, worin sich Schönbergs neue Technik von der Mystik des Perpetuum mobile-Erfinders nicht bloß, sondern von jedem blanken Objektivismus unterscheidet, wird man sich freilich nicht darauf beschränken dürfen, Kennzeichen des Materials zu sammeln, das er durchdringt und handhabt. Jene Mühe ist zur Genüge aufgewandt worden, so daß die materialen Kriterien von Schönbergs Zwölftontechnik geläufig sind. Darüber hinaus jedoch fruchtet hier die frei weg am Material orientierte Analyse wenig mehr denn propädeutisch. Ist es doch konstitutiv für alle Musik Schönbergs, daß sie, obzwar enger an die materiale Evolution geknüpft als jede andere, dennoch nie als bloßer Vollzug materialer Notwendigkeiten verstanden werden kann, sondern daß sie ihr Material empfängt in geschichtlicher Dialektik: so ist denn Schönbergs Zwölftontechnik keine natürliche Ordnung der Töne, die jenseits der Geschichte in den Sternen geschrieben stünde; auch keine positive Technik ausrationalisierten Verfahrens gleich dem Kubismus, die die spezifischen Differenzen im Material vergäße. Sondern sie ist der rationale Vollzug eines geschichtlichen Zwanges, den fortgeschrittenstes Bewußtsein unternimmt, seinen Stoff zu reinigen von der Verwesung des zerfallenen Organischen; die Zwölftontechnik gilt nicht geschichtslos, sondern hat ihren ausweisenden Grund in dem Stand des Materials, den Schönberg vorfand und den er herstellte; versucht nun nicht etwa, dies zerfallene Material unversehens in eine Ordnung zu verwandeln, die notwendig leer wäre, sondern tilgt vielmehr den letzten Trug von Ordnung an ihm, um der Freiheit der konstruktiven Phantasie ihren Raum zu schaffen; ist überhaupt kein positives Komponierverfahren, sondern die geschichtlich aktuelle Vorformung des Materials, die vollzogen werden muß; erklärt sich nicht mathematisch, sondern geschichtlich und zielt nicht auf eine mathematisch-formale Musikregion, sondern will die Freiheit des Komponisten möglich machen.

Die geschichtliche Genesis der Zwölftontechnik ist jenseits jeder mathematischen Reflexion einsichtig. Daß sie die Auflösung der Kadenzfunktion voraussetzt, wurde zuletzt in Westphals Buch sehr deutlich formuliert. Erst der ›funktionslose‹ Klang, aus dem das organisch-kadenzhafte Wesen vertrieben ist, in dem das Prinzip des kleinsten Schrittes kein Recht mehr hat, macht die zwölftontechnische Durchdringung des Materials möglich. Allein, es ist damit noch keineswegs die konkrete geschichtliche Dialektik getroffen, die Zwölftontechnik inaugurierte. Sie zu verstehen, gilt es Schönberg eher von der allgemeinen Chromatisierungstendenz des endenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts abzuheben als ihn für deren bloßen Vollstrecker zu nehmen. Die Harmonik des frühen Schönberg charakterisiert sich mehr als durch Chromatik durch ihren Stufenreichtum. Das Prinzip des kleinsten Schrittes, der Verwandlung jeglichen musikalischen Ablaufes in qualitätslose, stets gleichsam nur transponierte Dominanzspannungen im Sinne Regers etwa ist bei Schönberg von Anbeginn negiert. Seine Harmonik zielt allein darauf, den unterschiedslosen Fluß der nachtristanischen Chromatik zu unterbrechen, die Nebenstufen als Widerstände einzuschalten, die Tonart unter Vermeidung der Dominantkadenz auszukonstruieren. Theoretisch legt die Unterscheidung der schwachen und starken Fundamentschritte Zeugnis davon ab und auch der Begriff der Nebendominante, der ja seine Stelle innerhalb der bestimmten Tonart hat und sich damit ebenfalls dem qualitätslosen modulatorischen Fluß entgegenstellt; die »Tonalitätslüsternheit« des jungen Schönberg, die Redlich einmal richtig bemerkte, ist nichts anderes als der Inbegriff jener Widerstände gegen einen musikalischen Funktionalismus, der von Dominante zu Dominante und so von Tonart zu Tonart treibt, ohne qualitative Differenzen zwischen den harmonischen Wertigkeiten einzusetzen. Sein intermittierendes Verfahren und nicht die bloße Chromatik hat schließlich den Zerfall der Tonalität herbeigeführt, indem die gekräftigten Nebenstufen sich selbständig machten und von der Kadenzfunktion völlig lossagten, während das chromatische System wohl die einzelne Tonart, nicht aber die Tonalität als solche angriff. Schönbergs Verfahren ist gleichwohl dialektisch an die Chromatisierung gebunden: er hat die Widerstände der Nebenstufen in ein bereits auschromatisiertes, vom Tristan her präformiertes Material gebracht, nicht etwa in der leitereigenen Harmonik gehandhabt. Schlagworthaft gesagt: er hat das Brahmssche Prinzip des Stufenreichtums von der leitereigenen Harmonik abgelöst und auf die chromatische übertragen; er hat, nach Redlichs Ausdruck, »das Chroma ausgestuft«. Mit der Emanzipation des ausgestuften Chromas von der Tonalität – die eben nur durch ›Ausstufung‹, nicht durch enharmonisch-modulatorische Chromatik möglich war – ist zentral bereits die Zwölftontechnik gefunden. In der Anordnung von vertikal und horizontal gleich selbständigen Stufen bedeutet sie nichts anderes als den Schutz der Stufenfolge vor Verunreinigung durch Reste des chromatisch-kadenzierenden Wesens. Es läßt sich die Tendenz dahin verfolgen von der Empfindlichkeit gegen die Wiederholung des gleichen Tones als Baß eines harmonischen Satzes her, die um so größer wird, je weniger mehr den Stufen durch Tonalität ein sicherer Ort zugewiesen ist, der sie wiederholbar machte. Empfindlichkeit gegen Tonwiederholung, bezogen auf das ausgestufte Chroma, dessen Stufen alle selbständig geworden sind, bedeutet Zwölftontechnik. Sie ist allein die bündige Formel technisch-immanenter Erfahrungen, die die Evolution des Materials durch Bewußtsein mit sich brachte, das sich dem naturalen Zwang der Kadenz entwand. Es muß also die Zwölftontechnik in Wahrheit für das Gegenteil von Mathematik gelten: für freien Vollzug des geschichtlich Notwendigen.

Dagegen wird nun eingewandt: zugegeben selbst, die Bildung von Reihen sei geschichtlich zureichend legitimiert – wie sie ja tatsächlich bereits in den Orchesterstücken, op. 16, sogar schon im Variationensatz des fis-moll-Quartettes sich nachweisen läßt: die Verwendung der Reihen, ihre Umformung durch Umkehrung, Krebs, Krebsumkehrung, die, im Verein mit völliger Umrhythmisierung und freier oktavweiser Versetzung der Einzeltöne, schließlich der Verschränkung horizontaler und vertikaler Reihenarbeit die Beziehung zur Grundreihe phänomenal überhaupt nicht mehr kenntlich mache; diese ausschließend konstruktive Verwendung des Materials sei doch gewiß spekulatives Unternehmen einer ratio, die von sich aus eine Materialordnung diktieren wolle, die nicht aus dem Material selber geschöpft, die also als Ordnung Trug und dem Material gegenüber Vergewaltigung sei. Indessen der Einwand schlägt nicht durch. Jene schwierigen Manipulationen sind nichts anderes als Momente der kompositorischen Technik, die von Schönberg extrem ausgebildet wurden, damit sie schließlich um-und ins Material zurückschlugen. Schönbergs Technik ist, an Brahms anknüpfend, mehr und mehr dann an Beethoven orientiert, Technik der Variation mit den Mitteln motivischer Arbeit. Je geringer in Schönbergs Werk die formbildende Kraft der Tonalität wurde, um so mehr gewann das konstruktiv-variative Verfahren an Macht und breitete sich endlich so über seine Musik aus, daß keine Note mehr kam, die nicht motivisch-variativ bestimmt gewesen wäre. Mag sein, daß der Zwang zur Variation bedingt ist durch den konstitutiven Impuls Schönbergs gegen jegliche Wiederholung. Nach Fortfall der Wiederholungsgarantien durch die Tonalität blieb nur die Möglichkeit, auf alle Wiederholung zu verzichten, unaufhörlich Frisches zu produzieren – die Möglichkeit der »Erwartung« – oder die zweite, die Wiederholung des Gleichen unkenntlich zu machen; die Variation immer radikaler auszuformen, schließlich sie ins Material selbst zurückzuverlegen. Hier ist der dialektische Zug in Schönbergs Werk sehr tief zu verstehen. Der Zerfall jeder vorgegebenen Konstruktionsstruktur macht die autonome motivisch-variative Durchkonstruktion des Gebildes notwendig – soweit nicht ihr verwandter Pol, der Verzicht auf alle thematische Arbeit, wirkt; ein thematisch völlig determinierter und ein thematisch völlig indeterminierter musikalischer Organismus gleichen sich außerordentlich. Zugleich jedoch zwingt die Wiederholungsscheu die motivisch-variativen Zusammenhänge möglichst radikal von der musikalischen Oberfläche wegzuziehen, ins Innere zu verlegen und zu verbergen. Vollständige thematische Auskonstruktion und vollständige Unsichtbarkeit der thematischen Konstruktion: in solchem Widerspruch sammelt sich die bewegende Produktivkraft von Schönbergs Stilbildung. Sie wird fruchtbar, indem sie sich am Reihenmaterial orientiert. Die Beziehungsformen der Zwölftontechnik bedeuten: daß hier, in vollständiger Ökonomie, wie die Reihe sie vorzeichnet, die motivisch-thematische Durchdringung des Stoffes so vollständig vollzogen ist, daß keine Note mehr ›frei‹ bleibt; daß zugleich die motivisch-thematischen Zusammenhänge so gänzlich der Variation unterstellt sind, daß kaum je das gleiche musikalische Ereignis zweimal vorkommt: daß endlich dies alles – und das entscheidet – sich nicht an der kompositorischen Oberfläche abspielt, als Modifikation eines identischen Materials, überhaupt als wesentlicher musikalischer Vorgang kenntlich wird, sondern hinter den Kulissen, das Material organisiert gleichsam, ehe mit dessen eigentlicher Gestaltung nur begonnen wird. Es ist damit schließlich selbst die Freiheit aufgenommen, die als polares Gegenbild der thematischen Arbeit in »Erwartung« und »Glücklicher Hand« waltete: zumindest ideell besteht die Möglichkeit, daß Zwölftonmusik strengster Observanz zugleich jene Freiheit erreiche: daß ihre Organisation geschieht, ehe das Komponieren selbst beginnt, während das eigentliche Komponieren mit dem präformierten Material nun ohne Rücksicht auf kennbare motivisch-thematische Zusammenhänge verfährt, sondern bar aller vorgezeichneten Formcharaktere Neues an Neues fügt und doch insgeheim durch die Reihe und die Beziehungen der Reihenveränderung aufs bündigste vorgezeichnet ist. Schönberg selbst hat allerdings zunächst nicht die neue Technik nach jener Seite entwickelt, sondern mit architektonischer Absicht an Kompositionen gewandt, die eine kennbare Oberflächenstruktur haben und unerhört kunstvolle Wiederholung korrespondierender Formteile zulassen. Es sind in seinen Zwölftonarbeiten, dem Quintett zumal, gleichsam zwei Formkonstruktionen übereinandergeschichtet: eine variativ-zwölftontechnische, latente, und eine rhythmisch-motivische, der klassischen Sonatenkonstruktion angenäherte manifeste. Nachdem einmal die Auskonstruktion der klassischen Formen mit dem rational erhellten Material geglückt, beginnt die manifeste Konstruktionsschicht sich wieder zu lockern, während die zwölftontechnische latente sich bereichert und verdichtet; in der Kammersuite, op. 29, treten Spielcharaktere – wenngleich noch symmetrische – an Stelle der gepanzerten Sonate, und in dem mächtigen ersten Satz des Dritten Quartetts, der äußerlich allein durch ein obstinates rhythmisches Motiv zusammengehalten wird, ist bereits wieder von jeder vorgegebenen Form abstrahiert. Die Entwicklung scheint dahin zu zielen, daß einerseits die Zwölftontechnik in sich so vielfältig ausgebildet wird, daß sie ohne allen vorgedachten Zwang dem musikalischen Impuls des Augenblicks zu folgen vermag; andererseits scheinen die Außenformen, die zwölftontechnisch behandelt werden, um so mehr wieder sich zu erweichen, um so treuer sich den Forderungen des musikalisch Einmaligen und Konkreten zu unterwerfen, je beweglicher die Zwölftontechnik selbst gehandhabt werden kann. Eine Vorstellung davon liefert das Streichtrio von Anton Webern, das, ein schmählich unverstandenes Meisterstück der Neuen Musik, in strengster Zwölftontechnik und strengster Sonatenarchitektur sich zugleich ganz bruchlos an den radikal aufgelösten Stil des früheren Webern anschließt; schlagender Beweis dessen, wie wenig Zwölftontechnik den hemmt, der sie als Stafette der musikalischen Geschichte empfängt.

Das Bild, das sich so von der Zwölftontechnik ergibt, weicht vom herkömmlichen gründlich ab. Sie ist keine neue Komponiertechnik, die es nun den Braven, die sich ihre Reihen sauber zusammenschreiben, leicht gemacht hätte, zu komponieren; ihnen hat sie es noch schwerer gemacht, als es zuvor schon war, indem sie, was vordem Aufgabe der Komposition schien, auf das Material zurückschob. Wovon sonst einer denken mochte, es legitimiere ihn als Komponisten, das genügt jetzt eben, daß er sein Material etwa so ordne, wie es ehmals durch die Tonart geordnet war; nur daß, wohlverstanden, die Zwölftonordnung nicht als abstraktes Apriori über der Komposition schwebt, sondern jede Reihe mit der Komposition aus ihr unauflöslich verklammert ist. Die Zwölftontechnik ist Vorformung des Materials; das Komponieren selber hat sich in nie geahnter Härte vom Prozeß der Vorformung geschieden und der Freiheit überantwortet; darum auch: je weniger man Reihen und Krebse ›merkt‹, um so besser für die Komposition, für die kompositorische Freiheit. Weiter: die Zwölftontechnik ist, nach Ernst Blochs Wort, nicht mathematischen, sondern dialektischen Wesens: in ihr hat Geschichte, allein Geschichte sich niedergeschlagen als bewegender Grund, dem kompositorische Freiheit entwächst. Schließlich: die Rationalität der Zwölftontechnik ist nicht die schlechte und leere des praktikablen Systems. Sondern sie bezeichnet eine geschichtliche Stufe, auf der das Bewußtsein das Naturmaterial in die Gewalt nimmt, seinen dumpfen Zwang tilgt, ordnend benennt und erhellt ganz und gar. Am klaren, transparenten Lichte ihrer Rationalität soll sich von neuem die Phantasie entzünden, die nun in den Höhlen der Vorzeit vollends erlosch.

 

1929

 

 

Schönberg: Variationen für Orchester, op. 31

Es steht nicht an, hier Kritik eines Werkes zu geben, das wahrhaft kennenzulernen Jahre erheischt, darin das Auge beharrlich die Lineatur liest, die um so mehr einem verschlossenen Text gleicht, je klarer und tiefer sie ins Material eingegraben ist; unmöglich auch, in wenigen Worten ein Meisterstück zu bestimmen, das die Dialektik der jüngsten musikalischen Geschichte vollständig in sich trägt, sie zusammenfassend zugleich und ins völlig Unbekannte weitertreibend. Schönbergs Orchestervariationen sind der geometrische Ort aller Intentionen, die seit der Bildung der Zwölftontechnik sein Werk ausmachen; Zwölftonarchitektur und Form, Thematik, Polyphonie und Klangfarbe sind einem Indifferenzpunkt angenähert, aus dessen Tiefe das rätselvoll deutliche Bild der Musik aufsteigt, die wird. Daß dies Werk ein Meisterwerk ist, fordert: daß es immanent, nicht transzendent, gemessen werde. Es verstehen heißt nichts anderes als die kristallinische Struktur erkennen, die es in sich selber hat, bar alles von außen ihm gesetzten Maßes: in strengem Sinne ist das Meisterwerk unvergleichlich, weil es wahrhaft zur Entelechie gedieh. Nur auf Züge dieser unvergleichlichen und jeder transzendenten Norm enthobenen Struktur kann hier verwiesen werden.

In den Orchestervariationen stellt sich rein und materialgerecht als Idee der Zwölftontechnik dar die Konstruktion aus Phantasie. Konstruktiver Plan und Einschlag von Phantasie treten darin nicht mehr auseinander; die Konstruktion schafft Raum für die Freiheit einer Inspiration, die gebunden bliebe, solange nicht aus dem Material die letzten Schlacken des funktionell-kadenzierenden Wesens getilgt wären; Phantasie wiederum erzeugt mit der Produktivkraft ursprünglicher Kombination die konstruktiven Momente des Werkes und schlägt den Funken aus ihnen, indem sie aneinander gerieben werden; es ist, als sei die Gewalt der induktiven Logik jetzt erst in Musik realisiert, die bis heute mythologisch genug von der gegebenen Norm aus das gegebene Material ergriff, ohne einmal wahrhaft ihr Glück zu probieren, so wie hier die Reihen probiert werden, bis sie sich ins helle Gefüge schicken. Zur Freiheit der kombinatorischen Chance vorzudringen, bedurfte freilich die Zwölftontechnik ihrer Geschichte. Ohne die Grenze der einmal gewählten Strenge je zu überschreiten, hat in ihrem Raum die Zwölftontechnik – seit op. 29 – sich multipliziert: das Netz der Zwölftondeterminationen ist weit enger gesponnen als je zuvor, zugleich aber insofern aufgelockert, als sie an der Oberfläche überhaupt nicht mehr kennbar wird, sondern eben durch den Reichtum der eingesetzten Beziehungen völlig fließendes, unmittelbares Musizieren gestattet. Das kommt etwa daran zutage, daß der Zwang zur Tonwiederholung, der bestand, solange das Reihenmaterial beschränkt war, zuweilen also die Reihe ›gestreckt‹ werden mußte, ganz wegfiel; daß Wiederholungen von Tönen allein noch thematischen Sinn haben. Für solche Befreiung in Strenge lassen sich exakte technische Bedingungen nennen. Zunächst: radikaler Gebrauch der Transpositionen des Reihenmaterials; während früher mit ganz wenigen, oft nur einer Transposition der vier Grundgestalten hausgehalten wurde, werden jetzt die zwölf sämtlich gehandhabt, so daß der Komponist stets zwischen 48 Reihenformen wählen kann, die wieder simultan miteinander beliebig kombinierbar sind. Dann: das bereits im Dritten Quartett ausgebildete Mittel der Mehrdeutigkeit von Reihenbeziehungen, die es etwa gestattet, eine Reihe zugleich horizontal, als Linie, und vertikal, als Komplementärtöne zu anderen Stimmen, die aus ganz anderem Reihenmaterial gebildet sind, zu verwenden. Das läßt sich nicht verstehen, ohne daß es am Werk unmittelbar belegt wird. Die zugrunde liegende Reihe heißt b, e, ges, es, f, a, d, cis, g, gis, h, c. Wie die Transpositionen dieser Reihe gebraucht werden, läßt sich bereits an der Einleitung konstatieren; es hat also die Verwendung der Transpositionen keinen durchführungsmäßig-modulatorischen Sinn, sondern das ganze Werke ist unter Verwendung des gesamten Transpositionsmaterials gefügt. Die thematisch absichtsvoll zurückhaltende Einleitung – sie darf sich nicht melodisch entfalten, damit das Hauptthema als solches um so faßlicher wird – exponiert die Reihe sehr allmählich, Ton um Ton hinzufügend in orgelpunkt-ähnlichen Spannungen. Aber so verfährt sie nicht mit der Hauptgestalt allein. Ihr ist nur die obere Klanggruppe entnommen. Im zweiten Takt schon beginnt ein Orgelpunkt g als Baß, dann cis, dann ein h als tieferer Ton des ersten Horneinsatzes, die auf die Grundreihe nicht zu beziehen sind, sondern den Anfang der in die kleine Terz transponierten Umkehrung bilden, die dann endlich im neunten Takt in ihrer ersten Hälfte vollständig erscheint, aber erst in der Hornhauptstimme des 14. Taktes zu Ende geführt wird. Der Zweiteilung der Umkehrung entspricht eine der Grundreihe. Charakteristische Töne und Intervalle, d, cis, g, vor allem der Tritonusschritt, sind beiden gemeinsam und binden beide eng aneinander. So wird einmal jedes schematische Reihenverfahren vermieden; dann die allmähliche Exposition über eine große Strecke ermöglicht, ohne daß die Reihe grob sinnfällig würde; dann durch die Intervallbeziehung der Reihe zu ihrer Umkehrung ein thematischer Zusammenhang hergestellt, der die spezifischen Schritte des Variationenthemas selbst vorbereitet. – Von der Mehrdeutigkeit der Reihenbeziehungen in der Kombinatorik gibt eine Vorstellung der Beginn der vierten (Walzer-)Variation. Die Reihe erscheint gleichzeitig in drei ›Systemen‹. Einmal als Grundreihe mit den Originaltönen im Begleitsystem von Celesta, Harfe und Mandoline, weiter ebenfalls als Grundreihe, aber in die Quart transponiert, aufgeteilt zwischen Solobratsche und Flöte; endlich als in die Sekund transponierte Umkehrung, aufgeteilt zwischen Solocello und Fagott. Diese dreifache Kombination ist nun so gewandt, daß die Grundreihe im Begleitsystem doppeldeutig ist; im Melodiesystem von Flöte und Bratsche sind zwei Töne, der fünfte und elfte, ausgespart, und das Begleitsystem bringt diese beiden Töne komplementär. Es entsprechen also der erste und zweite Ton der untransponierten Grundreihe dem fünften und elften Ton der in die Quart transponierten Grundreihe und beide Beziehungen sind simultan ausgenutzt: die untransponierte Reihe horizontal, die transponierte vertikal, so daß jeder Ton des Begleitsystems zugleich zwei Reihen zugehört. Nach dieser Kombinationsidee ist die gesamte Variation gebildet, in unaufhörlichem Wechsel des verwandten Reihenmaterials; dabei bewahrt sie sich leichten Fluß, graziösen Serenadenton, in den Einzelstimmen, durch die Aufteilung der Reihen, kleine, faßliche Intervallschritte. Man mag daran die Fruchtbarkeit der kombinatorischen Fülle für musikalische Gestalt selber erkennen, die um so schmiegsamer wird, je differenzierter ihre Reihenstruktur ist, je weiter sie sich von der Oberfläche abzieht. – Daß die kombinatorischen Entfesselungskünste des Variationenwerkes ältere Errungenschaften der Zwölftontechnik, oktavweise Versetzung der Töne, harmonische Simultaneität der Reihentöne, Reihenteilung in sich begreifen, versteht sich.

Die musikalische Architektur des Werkes ist überaus geschlossen, kristallinisch durchsichtig, von seltsamer, emotionsloser Statik und Härte: im Geheimnis völliger Erhelltheit. Das vierundzwanzigtaktige Thema ist in vier ungleich lange und gegeneinander asymmetrische ›Verszeilen‹ geteilt: die erste originale Grundreihe, die zweite transponierte Krebsumkehrung, die dritte originaler Krebs, die vierte transponierte Umkehrung; mit der nun ebenfalls transponierten Grundreihe kontrapunktiert. – Die Variationen, deren Taktzahl und Gliederung das Thema vorzeichnet, sind, ohne ineinander überzugehen, selbständige ›Teilganze‹, jeweils in schärfsten Charakteren geprägt, die sich ihre Mittel in durchgeführten rhythmischen Motiven und von Variation zu Variation wechselnder, in jeder einzelnen aber bewahrter Palette suchen. Die Einheit des Ganzen und die eigentliche Variationsarbeit wird durch die Reihenbeziehungen garantiert. Die Totalform resultiert aus dem Wechsel der Charaktere. Es wechselt solistischer und Quasi-Tuttiklang, der, wohlverstanden, sogleich, etwa in der ersten Variation, derart in der Horizontale in kleinste Klangkomplexe aufgeteilt ist, daß jede Kompaktheit vermieden wird. Die Variationen steigern sich nach den Extremen; hat die erste vorbereitenden Charakter, bleibt der Adagioton der zweiten im Holzbläserton gebunden, so gibt sich die dritte frischer, mit einem ganz kurzen Tutti. Die vierte ist der Walzer; die fünfte bringt den vorläufigen Höhepunkt und breitet sich, bei größter orchestraler Ökonomie, aus, die sechste moderiert sich als solistisches Vierachtelandante; die siebente ist das eigentliche Adagio, ganz aufgelöst, Beschwörung der substanzlosen Klänge aus Erwartung und Glücklicher Hand, Widerspiel alles Orchestertuttis und wahres Zentrum des Werkes; die achte dann wilder Ausbruch im Presto mit dem Höhepunkt des dreifachen Forte. In diesen beiden Variationen blitzt der Schönbergsche Dämon gewaltig durch die Schichten der Kristalle, in denen er zuvor gebannt leuchtete, und das Gebirge beginnt zu erglühen – großartiges Schauspiel: erst im Gestein hat der Funke des Menschen seinen wahren Ort. Die neunte Variation, ganz durchsichtig, variiert unmittelbar die achte als deren Nachhall und leitet zum Finale. Unübertrefflich die Lösung von dessen Formproblem. Es bewahrt sich zunächst den Charakter der Variation, indem es sich aus kürzeren, scharf abgesetzten Abschnitten komponiert und erst allmählich in völlig ausschwingende Bewegung kommt, kurz vorm Ende nochmals durch eine farbliche Reminiszenz an die siebente Variation gehemmt. Prestoschluß.

Ein Wort noch vom Orchester. Man spricht, seit Paul Bekker die Formel fand und zumal seit Schönbergs Bach-Bearbeitungen, von seiner Kunst der Instrumentation als der der Registrierung. Mit Recht. Aber man muß sich klar darüber bleiben, was Registrierung bei Schönberg bedeutet. Sie hat nichts mit der archaischen gemein; in Schönbergs eigenen Werken nichts mit der Vorstellung des Orgelklanges und seiner substantiellen Starrheit. Vielmehr, der Klang der Variationen, als solcher genommen, ist so aufgelöst und gebrochen wie nur je; aus kleinsten Klangeinheiten gefügt; dem dynamischen Rausch der Neudeutschen so fern wie dem dichten neoklassischen Streicherton. Registrierung heißt hier: daß der Klang niemals eigenwertig bleibt, sondern aus der Forderung der Linie resultiert, der Einzellinie in sich sowohl wie der Valenz der Linien gegeneinander. Darum sind die Variationen in strengster, auch bei Schönberg nie zuvor realisierter Präzision ›ausinstrumentiert‹; äußerste Deutlichkeit ist angestrebt bei fast völliger Vermeidung von Verdoppelungen; trotzdem findet sich nie blanker, homogener Klang, da die Linien ständig in Farben der verschiedensten Klangfamilien ausgeführt und in sich selbst unablässig schattiert sind. Darum auch ist der solistische Streicherklang in den Kombinationen dem irgend doch ans amorph strömende Wagnersche Wesen gebundenen Streichertutti vorgezogen; wo Tutti erstrebt wird, ist es wesentlich rhythmisch schlagendes, nicht flüssiges Tutti. Der Deutlichkeit dient im reichen, aber äußerst sparsam eingesetzten Apparat zumal die Verwendung der weiten Lagen, die jeder Stimme Raum lassen, durchzukommen. Das Orchester gleicht einer sorgsam nach der Konstruktion disponierten Palette: Füllstimmen fehlen gänzlich, selbst die akkordische Polyphonie, die in op. 15, 17, 18 gelegentlich vorkam, ist beseitigt; homogene Akkorde kommen überhaupt nicht vor; nur an den wichtigsten Schnittpunkten der Form treffen die Stimmen in Akkorden zusammen oder in den Schlägen der achten Variation – es hat die Zwölftontechnik selbst die Koloristik in die Gewalt genommen und als Vollendung der Polyphonie die letzten Residuen homophoner Setzweise aus dem orchestralen Bilde getilgt. Nur das Thema ist, um seiner Deutlichkeit willen, ganz homogen instrumentiert und wird vom Celloklang getragen; ist dafür freilich melodisch aus ganz kurzen Phrasen geformt, nicht dem Gang der Variationen zu widersprechen.

Werden die Menschen wirklich, wie zuvor die Orchesterstücke, jahrzehntelang dies Werk entbehren wollen?

 

1930

 

 

Schönberg: Von heute auf morgen, op. 32 (I)

Uraufführung in Frankfurt a.M.

Schönbergs erstes heiteres Bühnenwerk hat seinen stürmischen, von Widerspruch weit eher entfachten als gehemmten Erfolg weg und vergebens bemüht sich unentwegt nachträglich die Kritik, wiederum ihm zu beweisen, er sei asozial – das Publikum, bunt genug und fachmännisch nur insoweit, als es jene partiturbewehrten Kritiker durchsetzten, hat eindeutig zu verstehen gegeben, daß es von der Oper getroffen ward. Damit ist freilich nicht etwa Schönberg bei der Gemeinschaftsmusik gelandet, die einer Gemeinschaft zuliebe gemacht wird, welche es nicht gibt, und die es eigentlich darum selber nicht gibt: im op. 32 ist vielmehr wie stets nur bei ihm das Bewußtsein gegenwärtig, daß die soziale Verbindlichkeit von Musik allein an ihrem objektiv-musikalischen Gehalt meßbar ist und nicht an der Rücksicht auf eine imaginäre Hörerschaft, die allein die innerkompositorische Stimmigkeit zu stören vermag. Was Menschen aneinander bindet, verschließt diese Musik als ihr Geheimnis in den tiefsten Zellen, anstatt es den Leuten aufzuschwatzen und leer zu bleiben bei sich selber. Ob sie heute und hier ganz ›verstanden‹ sei, bleibt sekundäre Frage – evident war den Hörern die Macht ihres Geheimnisses und schlug tiefer ein als es den manifesten Bekundungen eines Gemeinschaftswillens gelingen könnte, der nicht an der Kunst, sondern zuvor an der Gesellschaft sich betätigen sollte. Ob eine veränderte, zugleich freie und rational strukturierte Gesellschaft nicht lieber die freie und rationale Musik Schönbergs rezipieren wird als die naturgläubige Dummheit, bleibt abzuwarten. Zudem, was meint die Frage nach der Verständlichkeit tatsächlich? Hofft einer, zu verstehen, indem er beim Hören die Zwölftonreihen mitzählt? Er hoffte vergebens; ist es doch Schönbergs präzise Aufgabe, die Zwölftonbildungen, über die sich alle aufregen, von der Oberfläche abzuziehen, und es bedeutet den dialektischen Angriffspunkt der Inspiration in seiner gegenwärtigen Musik, alle Reihenarbeit unsichtbar zu machen durch die Gegenwart dessen, was jetzt und hier erscheint. In tiefer Ironie nennt er die Zwölftontechnik seine Privatsache; verstehen heißt zunächst nichts anderes als die musikalischen Gestalten, ihre Zuordnung, die melodischen Bögen und deren Simultaneität in akustischer Unmittelbarkeit auffassen. Das ist erschwert nicht durch irgendeine sagenhafte ›Abstraktheit‹, von der beim farbigsten und materialgerechtesten Orchesterklang, der je gesetzt ward, ernsthaft nicht die Rede sein kann, sondern allein durch den Reichtum einer kompositorischen Phantasie, die alle Mittel gleichermaßen durchdringt und auf dem fortgeschrittensten Niveau ihrer geschichtlichen Bewegung handhabt; erleichtert dafür wiederum durch die beispiellose Ökonomie, die diesen Reichtum der Mittel auswägt, ohne je eines durchs andere zu paralysieren; erleichtert weiter durch eine Plastik alles musikalisch Einzelnen, thematisch nicht anders als instrumental oder in dramatischer Gestik, die die Teilganzen aufs schärfste voneinander abhebt und wieder doch aneinander und an den Totalverlauf bindet. Zentral gesehen, nicht willkürlich vorgegebenen Stilnormen unterworfen: die Oper ist so leicht wie jedes große Kunstwerk, das zur Konkretion seiner Gestalt gedieh, und so schwer wie jedes, das als Entelechie sich aus sich entfaltet und Geschichte bildet, anstatt sich historisch zu orientieren.

Wem die Orientierung an der unorientierten, aber richtigen Oper schwer fiel, der konnte sich dafür am Text von Max Blonda schadlos halten. Der macht es leicht genug; war eben der Einwand inhumaner Esoterik zur Hand, so konnte man ihn wirksam mit dem der Banalität kontrapunktieren. Wer solcher erstaunlichen Erkenntnisse fähig ist, sollte nur bedenken, daß sie Schönberg nicht fremd sind. Das dialektische Verhältnis von Wort und Musik, das ich an Schönbergs Liedproduktion herauszustellen versuchte, ist in »Von heute auf morgen« auf die bündige Formel gebracht. Ganz wird es sich erst durchschauen lassen, wenn die Bürgerwelt, die darin der antithetischen Musik überantwortet ist, der Geschichte gehört. Dann wird sich zeigen, daß dies Bürgerzimmer in die Hölle gestellt ward, deren Gelächter aus Wandschränken widerhallt, deren dienende Geister im aufklappbaren Bett miteinander schlafen, deren Licht auf der elektrisch erhellten Estrade fluoresziert, wo die Frau sich zeigt, strahlend ihren Mann zu verführen. Übrig bleibt vor jenem Gelächter nichts als in armen vergriffenen Worten die Liebe jener beiden Menschen, von der Musik gespiegelt im zögernden Laut der Versöhnung. Zwischen der uneigentlichen, unscheinbaren Sphäre des Buches und der gewaltigen Transparenz der Musik liegt als Medium, darin beide kommunizieren, der Traum; nirgends evidenter als bei der Stelle, wo vom Gasmann die Rede ist; der Mann hat ihm aufgemacht, die Frau, in ihrem Märchencape, tut, als verstünde sie nicht, wovon er eigentlich redet, so fern dem unteren Alltag in ihrer Attitüde; aber versteht sie denn wirklich, was mit dem Gasmann ist? Die Musik jedenfalls dementiert es; in ihr gläsernes, nahes, bei seiner Deutlichkeit doch unfaßbares Licht dringt das Wort Gasmann unverständlich wie die Weckuhr ins Traumgespinst des glücklichen Schlafes; so viel wirklicher und echter ist hier bereits der Traum geworden als der Tagesrest, den er verzehrt, und nichts rechtfertigt sich besser, als daß beim guten Ende die Gasrechnung sich bezahlt findet, die als Spuk von weither in die Realität des Traumes drang.

Die Realität des Traumes ist die der Musik. Sie läßt den Traum nicht zerfließen in Ahnung, sie bannt ihn leibhaft ins dichte Gehäuse der Konstruktion; der Traum schlägt sich nieder in purer Formimmanenz; so durchaus, daß kein Atemzug während der Oper bleibt, ihm zu entweichen; von keinem Stück Schönbergs läßt sich weniger vorstellen, daß es bei der Aufführung gestört werde, wie von diesem fremdesten, dessen schimmernde Geschlossenheit keinen Widerspruch je eindringen läßt. Die Geschlossenheit ist zugleich die wahre Schwierigkeit; kein Moment des affektiven Durchbruchs öffnet dem Hörer das Gehäuse, das sich vielmehr mit dem ersten Ton über ihn wölben muß, soll er es bewohnen können. Aber es hat wie Aladins Palast zugleich die Freiheit des Traumes. Im geschlossenen Bau flutet das Licht so lose und ungebunden wie vordem der Strom der »Erwartung«. Die kontrapunktischen Formen, die vorkommen, sind nirgends als Gebilde meßbar, sondern allein der szenischen Situation gemäß: der Kontrast und die Wahlverwandtschaft, gegenwärtig erst zwischen Mann und Frau, dann zwischen dem echten und dem Phantompaar, setzt aus sich selbst die musikalische Idee des Kanons und Doppelkanons und verbirgt sie zugleich im nicht umkehrbaren Zeitverlauf der Szene. Weit geschwungen, dabei sparsam mit den großen Intervallen sind die Bögen der Singstimme; in ihrer Faßlichkeit zahlt sich erstmals die Zwölftontechnik aufführungspraktisch aus; die Wiederkehr der gleichen Intervallverhältnisse erleichtert den Sängern die Intonation und schärft ihr Melodiebewußtsein. Keine Deskription, bloß die Analyse vermag vom Orchester eine Vorstellung zu geben. Es rechnet endgültig mit dem fließenden, funktionellen Wagner-Klang ab, so wie die harmonisch-polyphonische Struktur, die der Klang realisiert, erstmals in vollständigem Sinne ›funktionslos‹ erscheint und die letzten Leittonbeziehungen tilgt; der Bruch mit dem Wagnerschen Funktionalismus, den infinitesimalen Übergängen des Klanges ist aber nicht, wie bei den Neoklassikern, durch die Konzeption eines kahlen, übergangslosen und homogenen Gruppenklanges vollzogen, der den Stand des Materials archaisch verfälschte, sondern in vollständiger Ausinstrumentation aller Linien ein vielfarbig gebrochener, übergangsreicher, solistischer Klang gewonnen, dessen Facetten die Lineatur vollständig wiedergeben, die Freiheit der Melodiegestalten in Farbenfreiheit aufnehmen und doch in der Formimmanenz der Komposition streng verbleiben. Die wuchernden Spannungen sind aus diesem Klang verschwunden; gleichwohl bleibt er keine Sekunde statisch; nur, sein Leben ist nicht das des verzehrenden Triebes, sondern die Bewegung eines geretteten Kaleidoskops, dessen Figuren lesbar werden wie die leuchtend bewegte Schrift der abendlichen Transparente in großen Städten. Die Rede von der Transparenz der Musik gewinnt über der Relation zum Text, auch über der beispiellos durchsichtigen und ausgewogenen Kunst des Satzes ihren buchstäblichen Sinn. Sein Material ist Metall. Akkorde von der schlagenden Präzision zugleich und Resonanz wie hier sind niemals vernommen worden und das Stimmengewebe selber klingt wie aus Metallfäden gewoben, deren Buntheit Reflex einer unbekannten Lichtquelle bedeutet. Kein Zufall, daß Schönberg aus Harfe, Klavier und Zupfinstrumenten ein wahres Farbensystem gebildet hat; kein Zufall auch, daß dies System in Kooperation mit dem Schlagzeug auftritt. Allein dies System wird nicht blank ausgespielt, nein, in die Fülle der Nuancen hereingezogen, ihr zu dienen und sie zu meistern. Das Metall der Oper ist geschmolzen.

Die Frankfurter Oper hat endlich wieder ihr Lebensrecht dargetan. Die Aufführung des schwierigsten Werkes der Literatur ist über jedes Lob erhaben – gemessen nicht etwa an den Normen des Opernbetriebs, sondern an den strengsten des reproduktiven Bewußtseins. Hans Wilhelm Steinberg als Dirigent ist Träger der Aufführung: in außerordentlicher Kenntnis der Partitur, in wahrhaft unerhörter Fähigkeit, sie zu realisieren; so vollkommen, daß sie mit der echten Selbstverständlichkeit des Traumes erklang. Herbert Graf als Regisseur meisterte sie szenisch und vermochte in der Gestik nicht minder als in der Raumgestaltung die volle Durchsichtigkeit des Bühnenvorgangs zur Musik hin durchzusetzen. Frau Gentner-Fischer in der weiblichen Hauptrolle gab musikalisch und gesanglich – beides in Wahrheit nicht zu trennen – gleich Vollkommenes; es ist endlich an der Zeit, daß der Name dieser großen und reifen Sängerin außerhalb ihres lokalen Wirkungsbereiches so genannt wird, wie er es seit Jahren verdiente. Ebenbürtig stand ihr Herr Ziegler zur Seite und das kontrapunktische Paar, von Elisabeth Friedrich und Anton Maria Topitz gegeben.

 

1930

 

 

Schönberg: Von heute auf morgen, op. 32 (II)

Uraufführung in Frankfurt a.M.

Angesichts der Unmöglichkeit, in knappen Worten Vollständiges von dem mächtigen Werk zu sagen, darin Schönberg die strenge Zwölftontechnik zum erstenmal an die Freiheit der Bühne wendet, ist Beschränkung not: es sollen nur die beiden Fragen erörtert sein: ist Schönbergs gegenwärtige Musik wirklich ›abstrakt‹ in einer Weise, die sie von der lebendigen Bühne ausschließt; ist sie ›asozial‹ und als abseitig-artistisches Gewächs einer Camerata hartgesottener Fachleute überantwortet, ohne objektiv-verpflichtende Gehalte der zwischenmenschlichen Realität in sich zu bergen? Die andere: warum wendet sich diese allem Herkommen entrückte Musik an einen Text, der nach Fabel und Sprachform die eigene Banalität geflissentlich herauskehrt?

Die Frage nach der Abstraktheit ist bündig zu verneinen. Wohl hat Schönberg das Naturmaterial mit der Macht wahrhaft freien Bewußtseins in Besitz genommen und an ihm getilgt, was immer daran sein verpflichtendes Recht über uns verlor, ohne sich auf teilhafte Unternehmungen in Melodik, Rhythmik, Koloristik zu beschränken: der kompositorische Geist hat das vorgegebene Material in seiner Breite verändert. Aber diese Veränderung vollzieht sich nicht in ›Abstraktion‹; es wird nichts abgezogen vom Material, vielmehr, die Veränderung des Materials geschieht nach den Forderungen, die das Material selber erhebt, in dichtester Fühlung mit seiner Art, und fast erscheint der Komponist als Vollstrecker eines Zwanges, den der Stand der Sache über ihn ausübt. So ist denn bei völliger Neuheit der musikalischen Diktion in der Oper alles materialgerecht und sinnlich konkret geworden, nichts theoretisch erdacht, keine Sekunde die Inspiration gehemmt um der Zwölftönigkeit willen – ehrlich: wer der unvoreingenommenen Hörer vermöchte etwas von Zwölftontechnik darin zu hören? –; die Singstimme, rechtmäßiger Träger aller Opernaktion, herrscht souverän, in weitgeschwungenen melodischen Bögen, denen kurze Rezitativpartien gegenüberstehen, von denen sich ihre thematischen Gestalten plastisch abheben; die Intervalle, deren Unsanglichkeit man Schönberg vorwarf, sind aufs sparsamste für besondere Ausdruckswirkungen verwandt, die Intonationsschwierigkeiten der gleichwertig eingesetzten Melodieintervalle innerhalb der Oktav werden gerade durch die Reihentechnik korrigiert, die es dem Sänger ermöglicht, identische Intervalle als regelhaft wiederzuerkennen. Die ensemblemäßige Kombination der Singstimmen, in einem Quartettfinale gänzlich ausgenutzt, gehorcht allein der Forderung der unmittelbaren szenischen Situation, selbst in den reichsten doppelkanonischen Bildungen ihren Kontrapunkt aus dem dramatischen ziehend. Das Orchester ist von einem Reichtum der Farbe, einer metallischen Geschlossenheit zugleich, einer Selbstverständlichkeit in der Ausnutzung der einzelnen Instrumente, endlich einer Durchsichtigkeit, die gerade in ihrer sinnlichen Gegenwart alles zurückläßt, was je der romantische Rausch zuwege brachte. All dies schließlich geht in die dramatische Architektur ein oder vielmehr: erzeugt sie aus sich. Nicht psychologisch zwar, doch in der musikalischen Gestik folgt die Musik den leisesten Regungen der Bühne; dramatisch vielfach verschränkt, erhebt sie sich aus loser Aufgelöstheit zu immer festerer Kontur, sammelt sich im Quartett und verklingt in wenigen Takten der beiden Hauptfiguren, deren offene und dennoch klare Perspektive zum größten rechnet, was Schönberg jemals fand. Mit all dem ist zugleich die Frage nach dem sozialen Recht jener Musik beantwortet. Denn was hier der einzelne ohne Rücksicht aufs Vernommenwerden erreicht, gehört nicht ihm bloß: im Zwange des Materials, den er vollstreckt, ist der Zwang der Geschichte enthalten und damit gesellschaftliche Notwendigkeit. Die gute Rationalität dieser Musik, an der Phantasie sich entzündet; die Freiheit ihres Vollzuges, deren Bedingungen rational vorgeformt sind, den blinden Naturzwang zu tilgen und echter Natur zu begegnen, – sie dient den Menschen besser als von außen ideologisch konstruierte Gemeinschaftsmusik, die nicht nur ihren eigenen Stand, sondern auch den ihrer Hörer vergißt, die heute doch keine Gemeinde sind; und sie wird von einer kommenden Gesellschaft vielleicht einmal lieber mitgenommen werden, als die absichtsvoll naturwüchsigen Unternehmungen von heutzutage, die die Menschen nur verdummen wollen, wo es Aufgabe der Musik wäre, als erhellende Produktivkraft weiterzutreiben.

Schwerer ist die Frage nach der Textwahl zu beantworten. Daß die Geschichte von dem bürgerlichen Ehepaar, das in einer Abendgesellschaft sich ein wenig verliert und erotischen Phantomen nachjagt, bis die Frau mit einer List den ehelichen Frieden rettet und samt ihrem Mann leibhaft über die ach so mondänen Gespenster der Barwelt triumphiert, so daß das Kind sie rechtmäßig fragen kann, was moderne Menschen seien, – daß diese Geschichte mit Schönberg unmittelbar wenig zu tun hat, der ein moderner Mensch in weit radikalerem Sinne ist, als die bürgerliche Libertinage sich träumen läßt, das mag niemand besser wissen, als der Autor von »Erwartung« und »Glückliche Hand«. Geheime Impulse haben ihn zu dem Text geleitet: zu seiner Banalität der gleiche Drang, alles Schmückende, Metaphorische zu verbannen, dem seine musikalische Evolution so viel verdankt und der seinem Endsinn nach theologisch gegen das Recht von Kunst überhaupt sich kehren mag: als ob der utopische Zug seiner Musik schließlich die Bilder zerschlagen möchte, deren Wirklichkeit zu bereiten. Dazu kommt die Intention, humane Existenz durch die Anfechtung der vollendeten Scheinhaftigkeit hindurch zu geleiten und zu retten; ein Bürgerzimmer wird dem Ansturm der Hölle preisgegeben, damit zwei Menschen aus deren Gelächter übrig bleiben; die vergriffensten Worte sind gerade recht dazu, da sie die Musik in jedem Augenblick traumhaft groß anschaut und im Wolkenspiel ihrer leuchtenden Transparente deutet. Gerade das Widerspiel des alltäglichsten Textes und der unbanalsten aller Musiken erzeugt die echte Konkretion der Oper, die ergreift, was die Stunde ihr bietet, es blitzhaft zu durchdringen. Die Dramaturgie des Buches, seine sinnfälligen Situationen bieten ihr jede Chance zum Einsatz und reflektieren ihre Größe in der szenischen Wirkung. Die Musik verzehrt das Buch und entläßt aus sich evidentes Spiel.

Die Aufführung war schlechterdings nicht zu übertreffen: eine der größten und verbindlichsten Leistungen der gegenwärtigen Musikübung. Vorab Steinberg, als großartig überlegener Dirigent der eigentliche Interpret der Oper; dann Graf, der Regisseur, der der Dialektik von Traum und Alltäglichkeit das bezwingend gegenwärtige Medium gab; dann die Solisten: Frau Gentner-Fischer, eine große Sängerin, die aus der schwersten Aufgabe ihres künstlerischen Lebens ihre reifste Leistung zog; Herr Ziegler, der Mann, ihr ebenbürtig; Fräulein Friedrich und Herr Topitz als Taggespenster entfesselten Lebens gesanglich und darstellerisch gleich vortrefflich. Der Erfolg war schlagend. Ein Publikum, dem man einreden möchte, dies könne es nicht verstehen, zeigte sich aufs stärkste angefaßt und rief nach Schönberg, dem Meister.

 

1930

 

 

Stilgeschichte in Schönbergs Werk

Die Frage nach Schönberg ist heute durchaus anders gestellt als vor zehn Jahren. Galt es damals noch, zu zeigen, nicht das abstrakte Kalkül habe sein Werk erzeugt und nicht die Willkür des Experiments, sondern der unerbittliche Zwang der Intention – so ist heute, da das individuelle Gesetz Schönbergs völlig klar steht, weit eher darauf zu merken, daß es kein bloßes individuelles Gesetz sei, sondern daß es als freier Vollzug des geschichtlich Notwendigen objektiv sich ausweise. Vom Futuristen wagt keiner mehr zu reden angesichts einer technischen Stimmigkeit, die alle jene Musik, die hinter ihrem Stande zurückblieb, der Inkonsequenz überführt. Der Choc aber, der von Schönbergs Musik ausgeht, gleichwie von jeder Kunst, die die erscheinenden Chiffren der wandelnden Transparente von Geschichte mit der Macht des Beginns zu lesen unternimmt; das Unbehagen vor ihrer klaren und aggressiven Exaktheit, der dumpfe Widerstand gegen die Erhellung des Materials, die in ihr sich vollzieht, ist geblieben und sucht sich frische Argumente. Der Widerstand gegen Schönberg rührt nicht, wie man denken könnte, von seiner Schwierigkeit oder Einsamkeit oder Intellektualität, oder wie alle die Phrasen lauten mögen, her. Sondern von dem polemischen Wesen, das ohne alle ausdrückliche literarische Bekundung das bloße Dasein seiner Musik gleich der Prosa des Karl Kraus ausmacht; gleich dieser wahlverwandten Prosa, die richtet, ehe sie ihr erstes Argument ausspricht. Der immanente Anspruch von Schönbergs Musik ist der: es dürfe, nachdem sie einmal existiert, keiner mehr das Material anders handhaben, als es aus ihrer Dialektik hervortritt. Ihre Exklusivität ist nicht die der privaten Geheimlehre, sondern die des Ausschlusses aller zeitgenössischen Intentionen, die vor ihr liegen und die sie aufhebt, indem jene, gemessen an ihr selber, als unvollständig, brüchig, scheinhaft offenbar werden. »Das kann man einfacher«, sagt der Schmied der Glücklichen Hand – im wortlosen Vollzuge seines Hammerschlages widerhallt das Urteil über die Verfahrungsweisen, die neben ihm geübt werden und denen seine Technik den bündigen Bescheid erteilt. Denn alle geschichtlichen Entscheidungen des Schönbergschen Werkes haben zum Schauplatz allein seine Technik. Er hat keinen ›Stilwillen‹, wie man das heute zu nennen beliebt; er sagt nicht, wie Friedrich der Große im Witz: »Soldaten, ich führe euch in den Siebenjährigen Krieg«, sondern die geschichtlichen Antworten seiner Musik sind allemal Lösungen konkretester technischer Fragen. Die Evolution der Mittel ereignet sich am Drang, richtiger zu komponieren: der Forderung des Materials dorthin zu folgen, wohin sie von sich aus treibt, anstatt ihr mit Stilsetzungen in die Parade zu fahren. In dieser Konstellation des Geschichtlichen und Technischen liegt der wahre Angriff seiner Musik: wer ihrem geschichtlichen Spruch sich entzieht, dem bedeutet sie, daß, was immer er unternehme, vor ihr durchschaubar geworden sei als technisch unzureichend. Dem entwächst aller Widerstand; angefangen von dem inferioren, der da meint, Schönberg habe die »Erwartung« nur geschrieben, damit nach ihm die Motoriker nicht bloß Dreiklänge zu verschieben brauchen, was selbst ihnen auf die Dauer zu langweilig würde, sondern Sechsklänge, und habe danach mit einem Rechenschieber ins Privatleben sich zurückgezogen –, bis hinauf zum Pathos derer, die ihn als Märtyrer preisen, der sich aufopferte, damit es danach wieder genau so weitergehen könne wie zuvor. Ihnen allen ist zu entgegnen mit dem Aufweis eben jener Konkretion von Geschichte in Technik, eben jener Transparenz des Technischen zur Geschichte hin. Die Einwände der isolierten subjektiven Willkür wie der abstrakt-programmatischen Musikrevolution, um die sich alle Argumentationen gegen Schönberg bewegen, sind widerlegt durch die reale Dialektik Schönbergs, in der zu produktivem Widerspruch zusammentritt, was naives Naturvertrauen nicht anders als abstrakter Historismus sondern möchte.

Daß Schönberg mit Wagner begonnen habe, ist die verbreitete Meinung, und die gleichen, die den letzten Werken den Vorwurf der schlechten Singularität machen, machen den ersten den der epigonalen Abhängigkeit. Der Vorwurf geht vom Stil, nicht von der Konkretion aus und bleibt darum unverbindlich. Die thematische Gestaltenfülle allein der Gurrelieder, von Pelleas zu schweigen, hat mit der Wagnerschen Sequenztechnik nichts gemein als den akkordischen Umriß, die melodischen Mittelstimmen und allenfalls einiges vom Orchesterklang. In Wahrheit ist seine Musik bereits in ihren neudeutschen Anfängen dialektisch. Sie denkt, mit der rohesten Formel gesagt, Wagner und Brahms zusammen, nicht im Sinne einer ›Synthese‹, deren Hohlheit der junge Schönberg bereits völlig durchschaute, sondern im Sinne wechselfältiger, echt dialektischer Korrektur. Die Kritik an Brahms vollzieht sich als eine an der retrospektiven Gesinnung seiner harmonischen Mittel: der leitereigenen Harmonik, die sich notdürftig durch die Kirchentonalität auffrischt und die nicht nur durch die reichen motivisch-thematischen Beziehungen, sondern bereits durch die weiträumigen Modulationen sich selbst desavouiert. Ihr stellt er das Wagnersche Chroma entgegen und vor allem die qualitativ neuen einzelnen Akkorde, die ihm entspringen; Nebenseptimakkorde, kleine Nonenakkorde, übermäßige Dreiklänge und die Fülle der bei Brahms noch schulgerecht vermiedenen Umkehrungen. Andererseits wird das Brahmsische Stufenbewußtsein, das einzig sinnvolle harmonische Bewegung konstituiert und von Schönberg bis hinauf zur Zwölftontechnik festgehalten ist, zum Korrektiv der neudeutschen Chromatik, die zwar das Akkordmaterial bereichert, die harmonische Totalität in Übereinstimmung mit dem akkordisch Einzelnen gebracht, dafür aber die Dialektik der harmonischen Fortschreitung völlig getilgt, die Widerstände ausgeschaltet, durch die Alleinherrschaft von Leitton und fünfter Stufe einen blanken Funktionalismus statuiert hatte, der sich schließlich zur Formkonstruktion nicht mehr fähig zeigte, sondern die Form dem dramatischen Affekt von außen unterwerfen oder die unterschiedslose Harmonik in der Scheinbewegung der Sequenz weitertreiben mußte. All dies ist bereits in Schönbergs Jugendwerken, ganz gewiß in den Liedern op. 6 überwunden. In seiner chromatischen Harmonik wird zwischen starken und schwachen Fundamentschritten unterschieden; an Stelle des Leittons tritt die Kadenz; aber eine konstruktive Kadenz, die eben die abgenutzte Leittonwirkung vermeidet und durch die Wertigkeit der Akkorde umschreibt. Die Sequenz erscheint nicht als versetzte Wiederholung des gleichen harmonischen Vorganges, sondern variiert ihn im Sinne der harmonischen Konstruktion; das Motiv der Wiederholung insgesamt beginnt zu verschwinden unterm Zwange einer thematischen Variationstechnik, die, aus Brahmsens Sonatenpraxis erzeugt, schließlich deren vorgedachte Symmetrie selber angreift; die Polyphonie emanzipiert sich vom Schema des bereichernden Zusatzes und wird mit der harmonisch-thematischen Konstruktion verklammert; die Formen der Klassik, mit ihren eigenen Prinzipien ernsthaft konfrontiert, beginnen zu erzittern; der harmonische Fortgang aber erhitzt sich über den Widerständen, die die Formkonstruktion ihm setzt, zu einer Glut, der schließlich der sichere Bau der Sonate zum Opfer fällt. In ihrem eigenen Hause wird das Feuer entzündet; nur an ihren Wänden vermag es vollends sich zu erproben. D-moll-Quartett, Kammersymphonie und fis-moll-Quartett sind die Etappen der Katastrophe, die mit der Sonate in ihr sich zuträgt. Im d-moll-Quartett entfaltet sich erstmals autonom die Polyphonie, wird erstmals die Ökonomie der thematischen Konstruktion vollständig; die Tonalität hält ihrem Angriff stand; das Adagio ist ihr schönstes Klagelied. In der Kammersymphonie wird zu ihr selber der Angriff vorgetragen; ihr organologisches Recht wird, mehr noch als von den Valeurs der Quartenakkorde und der Ganztonleiter, die in ein mixolydisches E-Dur einkonstruiert ist, vom kontrapunktischen Selbstbehauptungsrecht der Stimmen gebrochen und sie findet sich darin allein noch in den eisernen Verklammerungen der Konstruktion, verzweifelt von ihr bewahrt, nicht aber ihr tragender Grund. Das fis-moll-Quartett dann, eines der vollkommensten Werke Schönbergs, beschließt in seinen vier Sätzen gleichwie eine Monade Schönbergs produktive Dialektik in sich und führt sie gänzlich durch. Der erste Satz überschaut, verkleinert bereits aus der Distanz, die Formwelt der chromatisch-tonalen Konstruktion, in ihr noch verbleibend; der zweite. Vorblick ins Inferno von »Erwartung« und »Glücklicher Hand«, läßt dessen Dämonen dagegen los; der dritte verschlingt mit der Idee der radikalen Variation vollends die Sonate und geleitet sie durch die dunkelste Schlucht der Trauer ins Freie: durch die Trauer des formverlassenen Menschen. Von drüben antwortet der letzte Satz, »von anderem planeten« historisch-dialektisch nicht anders als expressiv; wie denn dies Werk gleich einer Allegorie Geschichte selber auszusprechen scheint. Es beginnt damit für Schönberg die Zeit der guten Anarchie; eine Zeit, die man verlästert, wenn man ihr nachsagt, was alles an Form in ihr noch vorkomme; da es sich doch von selbst versteht, daß ihre Freiheit nicht die des Dadaisten ist und daß sie, was in Geschichte dauern mag, in sich als ihr Geheimnis behütet; während es zuvor gilt, ihrem Angriff sich zu exponieren und mit ihr vorzustoßen, anstatt ihn allzufrüh abzufangen. Ihre Dialektik hat auch jene Epoche Schönbergs in sich. Zunächst beginnt der Druck sich zu lockern, der die Tonalität zerbrach; alle Dialektik Schönbergs ließe sich ja auch als solche von Strenge und Sprengkraft fassen. Die Klavierstücke verzichten nicht nur auf Tonalität und thematischen Oberflächenzusammenhang, sondern auch auf entfaltete Polyphonie und treiben geschlossenen Auges auf den entbundenen Akkorden dahin, den Rhythmus des Fortganges in ihrem Innern einzig ermessend. Die Georgelieder, mehr noch dem Umkreis des fis-moll-Quartetts zugehörig, bewahren von dort manche thematische und selbst tonale Bindung, vereinfachen sie aber durchdringend kraft jener Kritik des Ornamentalen, die von thematischer Ökonomie und Auflösung der tektonischen Sonatensymmetrie bereits inauguriert war. Die Orchesterstücke op. 16 greifen auf die entwickelte Polyphonie und die thematische Auskonstruktion der Kammersymphonie zurück und ziehen sie ins emanzipierte Material herein. Sie zeigen erstmals thematische Arbeit unabhängig vom Ordnungsprinzip der Tonalität und setzen kraft der Variationstechnik, die sich an den kleinsten thematischen Einheiten betätigt, ein Ordnungsprinzip sich selber; in Grundgestalten, die das Prinzip der späteren Zwölftontechnik vorwegnehmen. Zugleich aber gelangt das letzte, »das obligate Rezitativ«, zu jener durchsichtigen, fluoreszierenden und doch überaus konturierten Haupt- und Nebenstimmen-Polyphonie, die die folgende Gruppe zu oberst charakterisiert.

In ihr ist endlich realisiert, was Hába den »Musikstil der Freiheit« nennt: »Erwartung« und »Glückliche Hand« sind seine Hauptwerke. Man hat sich freilich auch diesen Stil nicht, wie es in der neoklassizistischen Sprache geschieht, als pure ›Destruktion‹ vorzustellen. Paul Bekker wie Hanns Eisler haben auf die Arienform der »Erwartung«, als Rezitativ, Arie und Finale hingewiesen; Bekker hat mit besonderem Tiefblick gesehen, wie in dem Monodram der Ursprung der Oper und der Beschluß ihrer romantischen Periode gegeneinander konvergieren in der Form des Lamentos. Die Entzauberung der Oper, die Tilgung alles dekorativen, auch musikalisch dekorativen Scheins an ihr hat ihren Ursprung hervorgetrieben: die Klage der verlassenen Kreatur, die unter der Kuppel der Töne ihren Trost findet. So waren bereits die Georgelieder um die Idee des Trostes gruppiert; so ist der Text der »Erwartung«, den Schönberg anregte, gefaßt und so erscheint denn auch die Stilform der Oper selbst. Aber nichts wäre falscher, als darin einen konstanten ›Ursinn‹ der Oper zu vermuten, der, einmal gegeben, zu jeder Zeit in wechselnder Gestalt beliebig könnte ergriffen werden. Niemals läßt ein Ursinn aus der geschichtlichen Figur der Werke sich ausabstrahieren, sondern ist einzig in ihrer Geschichtlichkeit beschlossen. So liegt denn nicht die Platonische Idee von Trost und Klage der Oper von Monteverdi bis Schönberg zugrunde, die Arianna und die namenlose Frau variierten. Sondern die Gestirne der Klage und des Trostes gehen auf über der Landschaft der Seele, die einsam zu singen anhebt und der, die ihre Einsamkeit im Gesang beschließt, ohne daß ihre Bahnen vergleichlich wären. Kein archaisches Formgesetz umfängt die »Erwartung«: indem sie ihr eigenes erfüllt, neigen die Bilder zu ihr sich nieder, deren starre Ewigkeit dem klassischen Begehren unerreichbar bliebe. So ist denn nicht, wie gerade ernstere Interpretation leicht genug vermuten könnte, die Psychologie der »Erwartung«, die gleichsam Freudisch-analytische Entfaltung eines affektiven Moments nach der Tiefe seines dynamischen Aufbaus hin, bloße Hülle, darin das unvergängliche Schicksal der Ariadne sich zutrüge, gezeichnet nur von den schmerzlicheren Malen einer götterlosen Wirklichkeit. Sondern der Raum, in dem wahrhaft heute Trauer und Trost sich begegnen, ist allein der psychische Innenraum. Darum ist auch die Reduktion der Form in diesem Innenraum kein Zufall, der durch den Aufweis der ariosen Struktur beliebig korrigierbar wäre. Sondern aus der Zuordnung der disparaten Momente eines aus Unbewußtem stets und stets gespeisten Bewußtseinsverlaufs bildet sich die Form der Oper und ihre Totalkonstruktion ist in dieser Zuordnung – zur Zeit der »Erwartung« sprach Schönberg von einem »Triebleben der Klänge« – gelegen; nicht als gültiges Schema ihr vorgesetzt. Daran haben die Bestimmungen der Opernform der »Erwartung« ihre Grenze. Aus den Partikeln der versprengten Seelenregungen, die die musikalischen Gebärden erschreckend in sich aufnehmen, gerät die Oper; ist nicht deren sinngebendes Apriori. So versteht es sich, daß Schönberg, wenn er später wieder zur Formkonstruktion übergeht, diese Formkonstruktion nicht als Voraussetzung des Ganzen anlegt, sondern aus der Verklammerung jener Partikeln in einer Art von Montage gewinnt, ohne nochmals der funktionellen Zuordnung der harmonischen Komplexe zu bedürfen, die in der »Erwartung« aufgelöst ist; daß er, als ›Reihe,‹ das Regulativ der Formkonstruktion, ihre virtuelle Thematik in die Partikeln bannt. Gegenüber der »Erwartung« bedeutet die »Glückliche Hand« eine erste Wendung zu solcher Konstruktion. Sie greift Tendenzen der Orchesterstücke auf; ist auch schon im Orchesterklang, dem reichsten und vollsten, den Schönberg je konzipiert hat, geschlossener, dem Tutti geneigter als die ganz kammermusikalische, nur für Sekunden zusammengeballte Instrumentation der »Erwartung«. Auch der symbolische Text, der die Idee von Klage und Trost festhält, dessen Symbolik indessen es unternimmt, sie aus dem vegetabilischen Innenraum der Seele herauszuführen und gegenständlich zu objektivieren, mag daran teilhaben. Zwar ist auch die »Glückliche Hand« weithin athematisch gleich der »Erwartung«. Aber sie kennt doch wieder die Idee der Wiederholung und hält an der Norm der völligen Einmaligkeit alles musikalisch Geschehenden nicht mehr fest. Das Motivspiel beim großen Farbencrescendo wird variationsmäßig durchgehalten; die gewaltige Schmiedemusik hat Fugatoumrisse; vor allem aber ist szenisch und musikalisch gleich sinnfällig eine Reprise angedeutet und damit in den größten Zügen eine Außenarchitektur entworfen. Die musikalische Faßlichkeit stützt den symbolischen Expressionismus des Buches, wie, umgekehrt, in der »Erwartung« der einsichtige monodramatische Verlauf der inkommensurablen Musik ihren Weg weist. Nirgends strömt Schönbergs Musik voller und breiter als in der »Glücklichen Hand«; nirgends reißen ihre Strudel tiefer; nirgends haben der naturale Drang und das erhellende Bewußtsein inniger sich durchdrungen als hier.

Dennoch weist sie über sich hinaus. Sie ist der Umschlagepunkt, aus dem Schönbergs Dialektik sich erhebt, in der leibhaften Fühlung mit ihrem Material Geschichte zu vollstrecken. Mit der »Glücklichen Hand« und, wenn man will, auch schon der »Erwartung« wandelt sich die absolute Subjektivität in Objektivität, verbindlicher als dem unvermittelten objektiven Willen jemals es möglich wäre. Die Bilder, welche die niedersteigende Subjektivität in ihrem Innern vorfindet, sind die gleichen, die sie erkennend und aufgehellt endlich in ihre Gewalt nimmt; die Form, in der ihre singulären Momente sich aneinanderschließen, die gleiche, mit der späterhin die Konstruktion ihre Elemente umfaßt. So kommt es zur Zwölftontechnik. Klingt die aufrührerische Subjektivität der Opern ab im verlöschenden Diminuendo der Seelenlaute, in den Kleinen Klavierstücken und den »Herzgewächsen«, so erhebt sich über dem Schweigen, das an dies Pianissimo sich fügt und die Orchesterlieder op. 22 und das Fragment der Jakobsleiter in sich trägt, die jüngste Schicht des Schönbergischen Komponierens. Sie konstruktivistisch heißen, ist so falsch, wie die vorausgehende expressionistisch. Denn Gehalt und Konstruktion stehen bei Schönberg nicht in einer Dualität, die es erlaubte, bald dies, bald jenes zu akzentuieren, sondern sind dialektisch aneinander geschlossen. Die Konstruktion der Zwölftonwerke bringt allein die Konstruktionselemente der vollzogenen musikalischen Bewegung auf die rationale Formel, ohne sich darum dem leeren Gebot einer auswendigen ratio zu unterwerfen; ihr Bewußtseinsstand zeigt in ihren innertechnischen Kriterien sich an. Mit ihr hat die Schönbergische Dialektik nicht ihr Ende. Bewahren die Werke der beginnenden Zwölftontechnik, Klavierstücke op. 23 und Serenade, die Frische der Improvisation im Gehäuse der Form, ans Formspiel des Pierrot anknüpfend, das ihr Form-Ernst wird, so setzt sich in den folgenden Werken neue konstruktive Strenge. Ihre geschichtliche Funktion ist der der drei Kammermusikwerke zu vergleichen, deren Konstruktion die Tonalität durchdrang und brach. Klaviersuite und Bläserquintett sind wie aus Stahl; im Bläserquintett ist die vergangene und durchschaute Sonate wie in unverlöschlicher Schrift gebannt. Ihm entringt sich wiederum, ganz sublimiert jetzt und zum Spiel gedämpft, die produktive Anarchie. Sie verbleibt im Material der Strenge; lernt es aber mit Kammersuite und Drittem Quartett so handhaben, daß der konstruktive Zwang von der kompositorischen Oberfläche ganz abgezogen, ins Innere verlegt wird, und gewinnt in den Variationen op. 31 alle melodische Freiheit zurück, deren sie sich im Kampf um die materiale Objektivation jüngst begeben. Die letzte Station des dialektischen Weges ist einstweilen die Oper »Von heute auf morgen«. In ihr sind Strenge und Freiheit wahrhaft zur Indifferenz gegeneinander gelangt. Aus einer einzigen Zwölftonreihe gebildet, fügt sie sich ohne jeden vorgegebenen Formcharakter dem dramatischen Augenblick wie nur die »Erwartung«. Zugleich wird in ihr offenbar, was als Grund alle Dialektik trug und zusammenschloß: das Bild des realen Menschen.

 

1930

 

 

Arnold Schönberg (II)

Strengstes Maß ist zugleich höchste Freiheit.

George

 

Schönberg hat einmal, vor länger als zwanzig Jahren, formuliert, Kunst solle nicht schmücken, sondern wahr sein. Der Satz klingt, als ästhetisches Programm, so abstrakt, daß er die mannigfaltigsten Gehalte und Stile fassen könnte; klingt selbstverständlich dazu. Auf der steilen Wand seines Werkes aber erscheint er als die Flammenschrift, die verkündet, was im Inneren sich begibt, und die ihre Glut selber aus dem Glutkern des Werkes empfängt. Der jähe Rhythmus, in welchem sie aufgeht und stillsteht; Rhythmus nicht des geruhigen Wachsens, sondern des produktiven Widerspruchs, des Fortgangs im Umschlag, ist der Rhythmus der Schönbergschen Entwicklung selber. Nicht umsonst begegnen bei ihm wieder und wieder jene Allegro-Stücke, stürzend zwischen den Extremen, dem wildesten Ausbruch und dem gedämpften Verstummen, der stürmischsten Bewegung und dem stockenden Einhalten: nicht umsonst heißt das Orchesterstück der reifen Zeit, das diesen Satztyp definitiv ausprägt, Peripetie. Denn Peripetie ist sein Werk in der Geschichte der Musik.

Mitten in der Musik der nachwagnerschen symphonischen Dichtung und des Jugendstiles verlangt der junge Schönberg Wahrheit dort, wo alle Substanz jener Epoche konzentriert scheint: in den Affekten. Er spielt keine romantische Weise von Liebe und Tod, auch nicht in den großen Frühwerken, die poetisch um jenen Gegenstand kreisen, den »Gurreliedern« und »Pelleas und Melisande«. Die Affekte, als solche von wirklichen Menschen, erhitzen sich bis zum Schmelzen; die überkommene, längst ausgeschliffene Tristanchromatik ist zu arm, sie widerzuspiegeln, selbständige Nebenstufen werden ihr zwischengeschaltet, den Dominantendrang zu stauen; der Orchesterapparat, sogar der Mahlers und der Elektra, reicht nicht mehr aus und wird in den »Gurreliedern« ins Monströse gesteigert: damit unbegrenzt, unverhüllt die Affekte laut werden. Das führt schwindelnd rasch in die erste Peripetie: die Affekte sprengen die maßlos geweiteten Mittel und bleiben kahl, allein übrig. Der befreite Ausdruck und die Trümmer der Mittel: damit ist neu zu beginnen.

Dieser Wiederbeginn aber – und daran erweist sich die Gewalt von Schönbergs Produktivkraft – bleibt keiner des Ausdrucks, sondern gerät im Umschlag zum Wiederbeginn von Musik. Als die Mittel noch um den Kern des Ausdrucks zusammenhielten, mochten sie das reichste Leben bezeugen. Jetzt werden ihre Trümmer dem Ausdruck konfrontiert und gleichen plötzlich zerschlagenen Gipsornamenten: Kritik des musikalischen Ornaments vollzieht sich in Schönbergs zweiter Periode, gleichen Sinnes wie zur selben Zeit in Wien Kritik des ornamentalen Wortes und der schmückenden Architektur gedieh. Als Kritik der Sonate wird sie positiv in der Rekonstruktion des reinen musikalischen Gefüges, das keine Floskel duldet, nichts, was nicht stichhält als Ausdruck, und darum musikalisch stichhält bei sich selber. Das ereignet sich auf den Stufen dreier Hauptwerke. Im Ersten Quartett, op. 7, wird bedingungslose Ökonomie der motivischen Arbeit, weit noch über Brahms hinaus, realisiert, bis zur vollkommenen Einheit von ›Thematik‹ und ›Durchführung‹; zugleich das viersätzige Sonatenschema einsätzig verklammert. In der Kammersymphonie, op. 9, sind die mächtigen thematischen Sukzessiv-Komplexe und die reiche Konstruktion des Quartetts simultan gewandt, verkürzt, übereinandergeschichtet durch Polyphonie: die kanonische Durchführungspartie über das ›Modell‹ des Überleitungssatzes ist der Ursprung all dessen, was man später mit dem Wort ›linearer Kontrapunkt‹ bedachte. Aber nicht, wie man es kraft jener Formel mißverstand, harmonisch zufällig: schon in der Kammersymphonie zielt die Vielstimmigkeit auf jene Identität des Simultanen und Sukzessiven, der Melodie und der Harmonie, die schließlich das innerste Gesetz der Zwölftonmusik ausmacht. In ihrem Zeichen werden die Quarten entdeckt: im aufsteigenden Quartenthema und in den übereinandergeschichteten Quartenakkorden. Ähnlich leitet sich die Ganztonharmonik aus den Intervallen des Hauptthemas ab, – Schließlich rekapituliert das Zweite Quartett, op. 10, die gesamte Entwicklung in sich: der erste Satz ist die reine, gereinigte, knappe Sonate, tonal gebunden, doch im Besitz der neuen Akkorde; im Scherzo wird der Sturm der Kammersymphonie zur dämonischen Figur gebändigt; der dritte, Variationen, stellt zu beiden die große Durchführung und ist als Erfüllung und Durchkonstruktion bereits die Katastrophe der Sonate: der letzte macht sich ganz frei, als Form, harmonisch, motivisch; er kennt keine durchgehende Vorzeichnung mehr, nicht mehr den Unterschied von Konsonanz und Dissonanz: das erste Stück der ›Atonalität‹. Das Wort wird viel gelästert, sollte aber nicht aufgegeben werden, da es hart, bestimmt abstößt von dem, was vorging.

Die beiden letzten Sätze des Quartetts bringen zugleich Gesänge nach Dichtungen Georges –, und das ist kein Zufall, auch musikalisch nicht. Sobald die Kritik der Sonate das Material durchdrungen hat, meldet wiederum der Ausdruck sein unverlierbares Recht an, und er ist es zugleich, der nun, in der dritten Phase Schönbergs, der wahrhaft radikalen, bindet, was auseinanderstrebt. Sie mag mit Recht die expressionistische heißen, nicht bloß um der Ausdrucks-Herrschaft willen, sondern ebenso wegen ihrer engen Beziehungen zum literarischen und malerischen Expressionismus, dem Schönberg in der Angstvision »Erwartung«, op. 17, dem Strindbergschen Stück von der »Glücklichen Hand«, op. 18, die spontane, nie zuvor gehörte Musik gefunden hat; die Musik der Asymmetrie, der jagenden Zweiunddreißigstel, des schuldhaft stöhnenden Höllenlautes. Aber vom vergangenen Expressionismus scheidet der Schönbergsche sich durch die Macht seines Formgesetzes. Die Orchesterstücke, op. 16, mit ihren unerbittlich kurzen Themen, wahren die Ökonomie der Arbeit, indem sie, variierend, die Themen als verborgenes Material, als ›Reihen‹ handhaben; die »Erwartung« bildet eine Gesangszene mit einem Finale; die »Glückliche Hand« meißelt hartumrissene, gewissermaßen strophische Abschnitte und erinnert sich, mit einer Wiederholung der Anfangsszene, der dreiteiligen Liedform. Im »Pierrot lunaire«, op. 21, wo die Schrecken schon im Spiel gebannt sind, wird das latente Formgesetz, spielerisch, sichtbar: als Passacaglia, als Spiegelkanon, vollends im Zauberkunststück »Der Mondfleck«: dem krebsgängigen Doppelkanon, den eine dreistimmige Klavierfuge begleitet. An dies ironische Spiel knüpft, nach der großen Schaffenspause, die stilistisch verwandte »Serenade«, op. 24, an. Sie arbeitet aber, wie die vorangehenden Klavierstücke und die unvollendete »Jakobsleiter«, bewußt mit Reihen, und ihr Gesangssatz ist, außer einem Klavierwalzer, die erste strenge Zwölftonkomposition.

Im Namen der Zwölftontechnik steht Schönbergs gegenwärtige, die vierte Phase. Zwölftonmusik heißt nicht: ein Komponierrezept, mit dem Rechenschieber einzulösen. Sondern: Vorformung des Materials, das früher durch Tonalität vorgeformt war, durch Konstruktion; Vorformung, die freilich mit der Formung selber unlöslich verbunden ist. Die Verwandlung der chromatischen Skala in ein Gefüge selbständiger Stufen; die vollkommene Ökonomie der Motivarbeit, die nichts ›frei‹ beläßt und als Variation überall eines aus dem anderen entwickelt; Identität von Melos und Akkord, all dies, in den Umschlägen von Schönbergs Werken selber erzeugt, wird jetzt gewissermaßen aus dem Bilde herausgenommen und trägt sich auf der Palette zu, die dann zum Bilde benutzt wird von exakter Phantasie. Dies Bild ist aber das der großen Formen, die wiederkehren: Schöpfung der zweiten Sonate gleichsam, deren Gesteinsmassen Phantasie in Bewegung bringt, bis ihr Aufprall helle Flammen schlägt. Die ersten Werke des neuen Stils, die Klaviersuite, op. 25, und das Bläserquintett, op. 26, das die Idee der Sonate auskristallisiert, sind die unzugänglichsten, härtesten von allen; geduldig und stumm wartet das Quintett seiner Hörer. In Chören, zumal dem letzten aus op. 27, führt die Souveränität in der Beherrschung des neuen Musikstoffes zu einer ersten Lockerung; die Kammersuite, op. 29, hat nochmals zuweilen den spielenden Ton der Serenade, aber ins Objektive abgerückt. Die folgenden Werke, Drittes Quartett, op. 30, und Orchestervariationen, op. 31, sind die reichsten und kunstvollsten aus Schönbergs Hand – doch so sicher schon in der Haltung, daß man es ihnen nicht mehr anhört. Die Konstruktionsprinzipien übertragen sich auf den Orchesterklang, der zu Metall gerinnt und funkelt in der Heiterkeit der dritten Oper »Von heute auf morgen«. Vorm Bewußtsein ihrer selbst, das Schönbergs letzte Werke aussagen, schwindet alle Frage nach dem Stil: so ist ihre Substanz selber, als Oberfläche, offenbar. Als einziger unter den Lebenden findet er einen ›Spätstil‹, der eben nicht Stil mehr ist, sondern bloß noch karge, erscheinende Wahrheit, tödlich heilsam. Als letzten Männerchor des op. 35 gibt er ein Zwölftonstück: doch einfach wie aus der Vorzeit. Es bewegt sich in Dreiklängen.

 

1934

 

 

Schönberg: Lieder und Klavierstücke

Das Liederheft, op. 6: das ist wohl das Werk, in dem Schönbergs Musik zum Bewußtsein ihrer selbst erwacht. Die Lieder lassen sich von jedem singen, der Strauss oder Reger bewältigen kann; die Begleitung verlangt pianistisch einiges, spricht aber keine unverständliche Sprache. Ein Lied heißt »Traumleben«: dessen Melodie, ein heißer Bogen, dehnt sich, über rechtschaffen ›tonalen‹ Akkorden, in kleinen Nonen, aufwärts und abwärts. Man höre ihnen nach, bis sie nicht mehr ›Sprünge‹ sind, sondern Melodie-Intervalle: und die erste Hauptschwierigkeit beim späteren Schönberg, das melodische Verständnis ist gemeistert: denn diese weiten Intervalle sind dynamisch sinnvoll und bilden die Gestalt. Das Lied schwankt zwischen E-Dur und F-Dur; aber es ist kein impressionistisches Schwanken und In-einander-Klingen, sondern der erniedrigte (»neapolitanische«) Sextakkord der zweiten Stufe, der scheinbare F-Dur-Akkord, ist zu einer neapolitanischen Nebentonart ausgebaut, mit dem E-Dur verklammert; so selbständig geworden, daß er das tonale Gleichgewicht sprengen könnte.

Nicht anders aber wird die Tonart in der späteren Kammersymphonie op. 9 gehandhabt; die Ausbildung aller zwölf Halbtöne zu formbildenden Stufen aber ist das wahre Prinzip der vielgelästerten ›Zwölftontechnik‹: im »Traumleben« schon angelegt. – Oder ein »Mädchenlied«, dessen zackige, ungeahnt plastische Thematik gleicht bereits der des Ersten Quartetts, op. 7, die Begleitung hat den figurativen Streicherreichtum. – Oder das »Ghasel«, nach einem Gedicht Gottfried Kellers: da nimmt Schönberg, schon um die Jahrhundertwende, mitten in F-Dur, Hauptelemente der Fugenform: Thema mit beibehaltenem Kontrapunkt, Vergrößerung und Engführung, ins Lied auf und gibt ein Modell der späteren Verschmelzung lyrisch-melodischer Homophonie (des Liedes wie der Sonate) und kontrapunktischer Selbständigkeit der ›Durchführung‹. – Schließlich und vor allem »Lockung«, das Meisterstück der Gruppe: acht Takte Einleitung bringen nicht eine durchlaufende motivische Entwicklung (wie etwa zur gleichen Zeit Wolf), sondern drei ganz verschiedene, zwar untereinander verwandte, aber hart kontrastierende, voreinander fliehende ›Gestalten‹. Man spiele diese acht Takte so lange, bis man sie, mit den Zäsuren, dem Rhythmuswechsel, der Drängung am Ende, als Einheit, als ein ›Thema‹ hört, und die erheblichste Schwierigkeit fürs Verständnis des reifen Schönberg ist weggenommen: daß diese aufgelöste Musik nicht in ihre Partikeln zerfällt, sondern daß gerade diese, in ihrer Unregelmäßigkeit, zu musikalischen Gedanken zusammenschießen wie lange und kurze Sätze oder Worte aus der Sprache. Dies Lied ist zugleich Vorform jener späteren Angstvisionen, die solange Schönbergs Landschaft durchjagen, bis sie zur kristallinischen Ruhe versteinen. Die Werke aber, die sich im Lichte des op. 6 erhellen, sind die drei evolutionären Kammermusiken: die beiden ersten Quartette und die Kammersymphonie.

Ähnliche Scheinwerferkräfte bergen die fünfzehn George-Lieder, op. 15. Sie sind schon ›atonal‹, also der Struktur der einzelnen, durchwegs ›dissonanten‹ Akkorde nach nicht oder selten mehr auf Stufen von Tonarten zu beziehen; aber geben noch die Umrisse der überlieferten Liedformen, haben wiederkehrende Melodien, gesonderte Strophen und faßliche Oberflächenstruktur. Die Begleitung ist in gewissem Sinne leicht: dem einer musikalischen Sprachkritik nämlich, die alles Ornament, alle Phrase und Konvention wegschneidet und nur den kargen Umriß der Sache hinstellt. Die Melodien sind singbar: gelernt werden muß daran die Unabhängigkeit der Linie von der Begleitharmonie, aus der sie nicht Töne wiederholt, sondern zu der sie als harmoniebildendes Element dazukommt. Schlagend die Prägnanz des Ausdrucks; schlagend auch – wie für den heutigen Hörer bei allen Werken Schönbergs – die Kontinuität in der Fortbildung der großen deutschen Komponier-Tradition, zumal der Wiener Klassik: hier der Schubertischen Winterreise. Die Georgelieder legen die Verständnis-Bresche in die Klavierstücke op. 11 und in die schwierigen Orchesterstücke op. 16 (von denen ein höchst instruktiver Auszug zu zwei Klavieren von Anton von Webern existiert); sie zeigen bereits die freie und höchst gebundene Variationstechnik der späteren ›Reihen‹. Von ihnen ist kein weiter Weg zu den strengen Sinnes ›expressionistischen‹ Werken: dem Monodram »Erwartung«, dem Drama mit Musik »Die glückliche Hand«; dies in der gewaltigen Schmiedemusik, dem Farbencrescendo, den geflüsterten Chören vielleicht das kühnste und inspirierteste aus Schönbergs Hand.

Leicht nochmals die Kleinen Klavierstücke, op. 19, verfliegendes Nachbild der großen Infernomusiken, schemenhaft, blaß, aphoristisch – ängstlich und befreit schon wie Morgenträume; wohl leicht der Schlüssel zu den vorausgehenden dunklen Werken, nach Kenntnis der Georgelieder durchaus zugänglich. Ihre Dämmerungsfarbe weitet sich zum bunten Spiel im Pierrot lunaire, seinem ersten versöhnten Stück, dem verführerischsten zugleich, das er schrieb.

Nach der großen Schaffenspause dann die Zwölftonmusik. In sie mögen einleiten die Klavierstücke op. 23, zumal das erste – eine zart dreistimmige, über eine Reihe gearbeitete Invention, die auch am Klavier Blicke in den Schönbergischen Kontrapunkt gewährt – und das letzte, ein Walzer aus Stahl, der die Zwölftontechnik drastisch und einleuchtend als neues Mittel der Formbildung, anstelle der eingeschmolzenen Tonalität, vorführt. Das geht als Musik ein und ist als Konstruktion durchsichtig. Wer darüber verfügt, dem werden die Rätsel der mächtigen Spätwerke, die folgen, nicht unlösbar sein.

 

1934

 

 

Antwort eines Adepten

An Hans F. Redlich

Lieber Doktor Redlich,

wenn ich mich entschließe, zu Ihren Thesen über Schönberg als den »großen Unzeitgemäßen«* einiges öffentlich anzumerken, so bestimmt mich das Bewußtsein, der fruchtlosen Mühe jener Art von Polemik enthoben zu sein, welche hofft, ihren Gegner überzeugen zu können, ohne daß sie es doch je vermöchte. In Ihrem Falle gilt es nicht zu überzeugen sondern zu erinnern. So gewiß Ihnen gleich jedem Autor das Recht zusteht, Meinungen zu ändern, so wenig werden Sie dies Recht interpretieren wollen als eines, gewonnene Erkenntnisse schlicht zu vergessen. Es will mir aber scheinen, als seien eben manche Ihrer früheren Einsichten recht dazu angetan, Schönbergs Werk in ein anderes Licht zu setzen als jenes tägliche und alltägliche, dem Sie Beistand leisten, als ob es nicht ohnehin alle Fremdheit der Konturen längst weggenommen und einen Konformismus bewirkt hätte, der Ihnen so verdächtig sein sollte wie mir. Es käme bloß darauf an, jene Einsichten – technologische Einsichten im besten und saubersten Sinne des Wortes – zuende zu vollziehen. Nun meinen Sie zwar, bei Schönberg sei »nur die stetige Konsequenz seines kompromißlosen Weges« revolutionär zu nennen, und bekunden damit Zweifel in den Wert der Konsequenz selber. Aber da mir keine Revolution bekannt ist, die eine andere Form hätte als die der Konsequenz; das will sagen: keine, die jemals vom Seienden in seinem geschichtlichen Stande sich emanzipiert hätte; und da mir jegliches andere Verfahren, jegliches vorgeblich radikalere Von-vorn-Anfangen schlecht utopisch dünkt und meist einzig ein Rückfall in Produktionsbedingungen, deren Substanz aus purer Unmittelbarkeit sich nicht wiederherstellen läßt – so muß ich zumindest solange bei der Konsequenz insistieren, bis mir eine Inkonsequenz vor Augen kommt, deren eigener Wahrheitsgehalt als echter sich ausweist.

Lassen Sie mich darum die Fragwürdigkeit des Wortes ›unzeitgemäß‹ nur eben streifen: sein Wahrheitsgehalt reicht gewiß nicht hin, zum Aufgeben der Konsequenz zu zwingen. Zweierlei ist mit der Rede von ›Unzeitgemäß‹ gesetzt: ein vager und unartikulierter Begriff ›der‹ Epoche, der für kontradiktorisch entgegengesetzte Behauptungen Raum läßt; und ein Begriff vom Individuum als eines eben von ›der‹ Epoche grundsätzlich Unabhängigen; eine bloße Abstraktion, die so wenig im Falle Schönbergs wie in dem Mahlers standhält, selber nur unter extrem individualistischen Voraussetzungen gemacht werden kann und, in Ihrer Sprache zu reden, »tiefstes neunzehntes Jahrhundert« ist, womit doch wohl für Sie die Möglichkeit entfallen sollte, den Ausdruck zu gebrauchen. Er stammt, in seiner prägnanten Form, nicht zufällig von Nietzsche. Dort freilich kam er ironisch vor: um Freiheit und Tiefsinn des Künstlers wider den bürgerlichen Zwang der Trägheit und der Koventionen zu verbürgen, die die erste »Unzeitgemäße Betrachtung« im Bildungsphilister David Friedrich Strauss so exemplarisch getroffen hat. Wie bedenklich aber die unvermittelte Unterschiebung aggressiv ironischer Kategorien als ›positiver‹ ist, muß ich Ihnen, dem scharfsinnigen Kritiker Strawinskys, nicht sagen. Vollends aber verliert der Begriff seinen Rechtsgrund, wenn man sich klar macht, welche Drehung der Fronten seit Nietzsches Jugend sich vollzog. Er sah den Bildungphilister als den utilitarischen Fortschrittsgläubigen, die Karikatur des Hegelschen Dialektikers; längst aber haben sich die Bildungsphilister, die freilich Nietzsches Schicksal unangefochten überlebten, seine eigenen Argumente und Werte angeeignet; längst weiß jeder Spießer, daß es sich nicht gehört, an ›Fortschritt‹ zu glauben, und daß man, wofern man diesen leugnet, Aussicht hat, gleichzeitig für einen Kulturträger und einen honetten Mann mit zuverlässiger Gesinnung zu gelten; längst sind die Nietzscheschen Unzeitgemäßen die Zeitgemäßen geworden und die Rede vom Unzeitgemäßen ein leeres Cliché – sollte nicht in solcher Konfusion die Rede von Zeitgemäß und Unzeitgemäß jeder bündigen Verpflichtung entraten und nach Belieben sich verwenden lassen, als bloßes Ornament?

Damit freilich halte ich beim Inhalt Ihrer Thesen selber. Daß Schönberg »tiefstes neunzehntes Jahrhundert« sei, damit ist ja wenig gedient; denn so gut Sie das Stilmoment des ›Ausdrucks‹ und das technische der Chromatik auf die ›Spätromantik‹ jenes Zeitalters zurückführen können, so gut könnte ich die Kritik der musikalischen Sprache, die Schönberg bereits in den Frühwerken zu üben begann (und in welcher ich, beiläufig gesagt, seine tiefste Affinität zu Karl Kraus erblicke); den Kampf gegen das Ornament; sein Programm, Musik solle nicht schmücken sondern wahr sein, als gründlichsten Kampf gegen die ›Spätromantik‹ oder einfach gegen Strauss und Reger erklären: Schönberg ist in der Tat und in jeglichem Sinne der dialektische Komponist.

Aber erlauben Sie mir lieber, dem nachzufragen, womit Sie die These vom tiefsten neunzehnten Jahrhundert inhaltlich zu erfüllen trachten. Es wird zweierlei gesagt: einmal trete dessen »naiver Fortschrittsoptimismus« in Schönberg zutage; dann habe er dessen »künstlerischen Materialismus« als eine »freudige Überschätzung der Materialwirkungen in der Kunst«, zu einer »hedonistischen Klangästhetik feinster Ausgewogenheit« sublimiert – aber doch eben geteilt. Was nun den Fortschrittsoptimismus anlangt, so scheint mir, wie gesagt, heute mehr Ehre darin zu liegen, ihn zu verteidigen als in freudiger Überschätzung der Beweiskraft des jetzigen juste milieu ihn preiszugeben. Immerhin muß man zusehen, was mit Fortschritt gemeint sei. Den Glauben, man komponiere immer besser und besser und habe Beethoven ›überwunden‹, werden Sie ja Schönberg im Ernst nicht zuschreiben wollen; so stellen es sich viel eher die munteren Herren vor, die glauben, Schönberg als ein ›Entwicklungsmoment‹ schleunigst zu überholen, und daß die geschichtlich entscheidenden Werke Schönbergs, etwa vom fis-moll-Quartett bis zum Pierrot, gerade ›optimistischen‹ Geist atmeten, will am letzten einleuchten; gerade dort hat Schönbergs Gewalt ein Unterreich von Angst, Qual und Dämonie aufgesprengt, in welches vor ihm Musik kaum für Sekunden hinableuchtete; wer einmal wahrhaft in die Züge dieser Musik geblickt hat, deren Formobjektivität oftmals nichts anderes scheint als der zur Totenstarre geronnene Ausdruck gefährdeten Seins selber, wie es verstummt in seiner Qual und redet nur durch die Macht der Stummheit – der wird sich scheuen, das Schweigen dieser Musik mit Worten wie »Fortschrittsoptimismus« zu betasten. Von »Fortschrittsglauben« kann bei Schönberg nur in dem einen und sehr genauen Sinn gesprochen werden: daß seine Musik auf fortschreitende Freiheit des Bewußtseins im Verhältnis zu dessen musikalischem Material abzielt: indem es das Material immer vollständiger durchdringt, in Besitz nimmt, seine mythische Fremdheit bannt und aus dem vollkommen durchherrschten Material schließlich selber zurück zu tönen beginnt. Das ist es nun gerade, was Sie »künstlerischen Materialismus« nennen. Aber hier tun Sie den Worten Gewalt an: niemals ist unter »Materialismus«, ohne alle vermittelnde Theorie, die erhellende Durchdringung und Befreiung des Materials zu verstehen; Sie aber verwenden das Wort, in der Sprache der Logik zu reden, äquivok und benutzen die übliche Abneigung gegen den Materialismus – ist es nicht eben die des heutigen Bildungsphilisters? – um den Fortschritt in der Materialbeherrschung zu verfemen. Ich wüßte nicht, welcher anderen Wirkungen Kunst überhaupt mächtig sei als ihrer ›Materialwirkungen‹, da sie doch nur als gestaltetes Material in Erscheinung tritt; insofern es aber, nach dem Worte Cézannes, das Anliegen jedes Künstlers ist, zu »realisieren«, kann die ›Materialwirkung‹ überhaupt nicht und weder freudig noch traurig von ihm überschätzt werden. Wollen sie aber unterstellen, daß Schönberg die Wirkung des ›Materials an sich‹ überschätze, also unabhängig von der Macht der Beherrschung, dann geht Ihr Einwand sachlich fehl. Denn das gerade: die Freude am sinnlichen ›Klang‹, am unmittelbaren ›Musizieren‹, an den instrumentalen Spielweisen als bloßen, verdinglichten Materials ›an sich‹ – das kennzeichnet doch diejenigen Richtungen, die zu Schönberg im schärfsten Widerspruch stehen. Deren Anwälte pflegen Schönberg ›abstrakt‹ zu schelten; Sie nennen ihn dafür einen Hedoniker; und so gewiß ich der Überzeugung bin, daß schließlich die »Rote Messe« des Pierrot schöner klingt als Strawinskys schwarze Messe, so wenig gibt zur Begründung der Begriff des Hedonismus her. Es ist ein moralischer und kein ästhetischer; keine Kunst kann sich zum sinnlichen Wohlgefallen als solchem, durch welches eben sie auf den Menschen im Ursprung bezogen ist, anders denn ›sublimierend‹ verhalten; würden Sie aber wirklich, in beispiellosem und überraschendem Radikalismus die vollkommene Emanzipation von ›Lust‹ fordern, so würden sie notwendig »Offenbarungen aus einer anderen Dimension« verlangen, mit welchen verglichen Schönberg volkstümlich wäre und mit welchen ›die‹ Jugend, auf die Sie sich berufen, am letzten etwas anzufangen wüßte. Sie wären mit einem Male selber der ›Unzeitgemäße‹, dessen Funktion zu übernehmen Sie so wenig Neigung zeigen.

Nun scheinen Sie die Rede vom »Hedoniker«, die zumindest den Vorzug völliger und freudiger Neuheit hat, spezifizieren zu wollen durch den Zusammenhang mit der Chromatik, die, wenn ich richtig ergänze, als Ausdruck der erotischen Lust-Sphäre spezifisch zugehöre und die Musik auf diese beschränke. Aber gerade hier muß ich Sie an jene Ihre Arbeiten erinnern, die Sie selbst zitieren. Haben Sie nicht gerade in dem hervorragenden Aufsatz über Schönbergs Tonalität nachgewiesen, daß er nicht, wie die Phrase behauptet, ohne weiteres aus der Chromatisierungstendenz abgeleitet werden kann, sondern in einer ursprünglichen Spannung zu ihr sich befindet; haben Sie nicht, kühn und richtig, von der »Tonalitätslüsternheit« der früheren Werke gesprochen und demonstriert, daß die Verselbständigung der neuen Akkorde gerade nicht durch das pure Leittonprinzip zu erklären ist, sondern durch die Übertragung des – wenn man will: Brahmsischen – Stufenbewußtseins auf die Chromatik; haben Sie nicht den Terminus vom »ausgestuften Chroma« geprägt? damit aber am harmonischen Ansatzpunkt Schönberg als eine dialektische Gegenkraft zum »tiefsten neunzehnten Jahrhundert«, nämlich Wagner, bestimmt; als eine dialektische, weil er das chromatische Prinzip zugleich verfolgt und durch Widerstände unterbricht, um es endlich ›aufzuheben‹? Und da ich einmal dabei bin, Sie zu erinnern: haben Sie nicht weiter, in dem Aufsatz über die Choralvorspiele, den Zwang gezeigt, der in Schönbergs Instrumentation liegt; einen Zwang, den Sie, in völliger Übereinstimmung mit meinen Intentionen, aus dem Absterben der Orgeln folgerten, und der Sie, eben in der Instrumentationsanalyse, dazu brachte, die Notwendigkeit des Verfahrens, als Widerspiel bloßer individualistischer Freudigkeit, evident zu machen? Widerrufen Sie das – oder meinen Sie, es ließe mit Ihren Thesen sich in Übereinstimmung bringen? Es würde schwer halten.

Zur soziologischen Analyse ist nicht der Ort. Darum zum zweiten Argument nur soviel: die empirische Aufnahme einer Kunst besagt nichts über deren innere gesellschaftliche Struktur, als welche eben bei Schönberg in jener Material-Bewegung liegt, die Sie materialistisch nennen. Denn das ›Material‹ ist kein bloßes Naturmaterial, sondern im eminenten Sinne historisch und in der Auseinandersetzung mit ihm vollzieht sich die Auseinandersetzung des Künstlers mit der Gesellschaft; das Bild der Gesellschaft, das in ihr lebt, mag freilich von der gegenwärtigen gründlich verschieden sein; von einer kommenden aber mag es mehr und genaueres aussagen als jene Produkte, die Sie selber aufgewärmte Romantik aus zweiter Hand nennen, oder auch jene neuklassischen, über deren Unechtheit Sie früher keinen Zweifel ließen. Wichtiger indessen dünkt mir: in Ihren soziologischen Aperçus vermengen Sie Tatsachen- und normative Betrachtung. Daß Schönberg heute nicht verstanden wird, ist zugegeben; daß die Gesamtverfassung, die das Unverständnis produziert, fragwürdig sei, scheint Ihnen offenbar zu sein – wie können sie dann aber den Anspruch jener Gesamtverfassung als Norm aufnehmen und gegen Schönberg wenden, ohne zu fragen, ob nicht der Unzeitgemäße der Zeitgemäße ist, nach dem Maß des Standes der Wahrheit selber, und unzeitgemäß dafür die Zeit? Dem weichen Sie aus durch einen Glauben ans Bestehende, der sich empfiehlt, aber nicht rechtfertigt; ins Dämmer des Begriffs der Zeitgemäßheit selber, das schließlich zu nichts anderem taugt, als den harten Zwang zur Entscheidung in die schwebende Stimmung allgemeiner kulturkritischer Raisonnements verschwimmen zu lassen.

Da bleibt dann auch die captatio benevolentiae, den Künstler Schönberg in die Ethik zu verbannen, hilflos. Wäre er nichts als der »verehrungswürdige Apostel geistiger Freiheit«, mit falschen Inhalten, er gälte uns nicht mehr als der nächstschlechte Monomane – der Widersinn liegt zu offenbar zutage, als daß Sie ihn behaupten und an einer Reverenz festhalten könnten, die mir »blasphemischer« scheint als etwa das Bekenntnis zu Schönbergs Werk, solange dies Werk selbst bei Theoretikern Ihrer Kraft noch so unentschieden registriert wird. Wenn Sie dies Bekenntnis als das bloßer »Adepten« herabsetzen wollen, zu denen ich mich gern und offen zähle, so liegt die Schuld doch zunächst nicht bei diesen, sondern bei jener »ruhig wägenden Forschung«, die zwar Ruhe genug hatte, die Geschichte der Schulchöre, nach ihrer Sprache, ›erschöpfend‹ zu schreiben, nicht aber Gewicht genug, über Schönberg ein anderes Urteil zu sprechen als das aus barer Dummheit oder aus einer Art erschlichener und feiger Souveränität, die über alle Möglichkeiten gleichermaßen, mit offenem Blick, verfügt, um für keine verbindlich zu optieren. Die Adepten aber sind kein esoterischer Klüngel mit Initiationsriten und anderem Schnickschnack der Erwähltheit, sondern bloß ein paar Musiker, die gewisse sachlich gegründete Überzeugungen teilen, in deren Umkreis freilich noch nicht einmal die fortgeschrittensten Wissenschaftler wie Kurth und Schenker, geschweige denn die Beamten der offiziellen Musikhistorie vorgedrungen sind. Es will mir aber scheinen, als sei bei diesen vorgeblich Unfreien, bei Berg, Webern, Krenek, die geistige Freiheit besser aufgehoben als bei denjenigen ihrer objektiven Sachwalter, die die Freiheit ihres Urteils meist dazu benutzen, die Freiheit in der Sache zu verraten. Gewiß haben Sie recht: Freiheit mag die innerste Substanz von Schönbergs Werk ausmachen; aber nicht als abstrakt-moralische, sondern als die konkrete im künstlerischen Vollzug; die Freiheit, unzeitgemäß zu sein, um zu vollbringen, was an der Zeit ist. Vielleicht liegt ein Abgrund zwischen Schönberg und »allem, was Jugend heißt«, nicht aber zwischen dem, was Jugend ist und der rätselhaften Verschränkung von Freiheit und Notwendigkeit eingedenk bleibt, deren Chiffren Schönbergs Werk enthält.

Stets aufrichtig

Ihr Theodor Wiesengrund-Adorno.

 

November 1934

 

 
Fußnoten

* Vgl. Hans F. Redlich, Der große Unzeitgemäße. Gedanken zu Arnold Schönbergs 60. Geburtstag, in: »23« Eine Wiener Musikzeitschrift, Nr. 15/16, 25. Oktober 1934, S. 4-8.

 

Die Musik zur »Glücklichen Hand«

 

Die Komposition von Schönbergs zweitem Bühnenwerk gehört jener Phase an, die man, nach Stilbegriffen, die expressionistische nennen mag und nach musikalischen die der freien Atonalität. Im Text waltet das Pantomimische vor; von den drei solistischen Rollen sind zwei ganz stumm, und auch der Chor wird meist nach dem Prinzip des rhythmischen Sprechgesangs behandelt und singt nur an einzelnen Stellen; die Menschenstimme ist auf den Laut reinen Ausdrucks reduziert. Das Buch gehört in die Sphäre der Traumstücke aus Strindbergs Spätzeit – freilich auch in die Tradition der Künstleroper, die den entsagenden Geist der sinnlichen Erscheinungswelt erliegen läßt, um eben damit ihn zu erhöhen; eine Tradition, in die Gebilde fallen, die der Glücklichen Hand so ganz unähnlich sind wie die Meistersinger und der Pfitznersche Palestrina. Die Musik, durchaus als Monologue intérieur gemeint, geht ganz und gar aufs verdichtete Extrem; berühmt wurden die Übergänge, die in drei, vier Takte lange seelische und formale Entwicklungen zusammendrängen.

Die Zwölfton-Technik ist in dem kurz vor dem Ersten Krieg vollendeten Werk noch nicht angewandt. Aber es ist darum nicht etwa zahmer oder gefälliger als die Zwölfton-Stücke. Im Gegenteil: die völlige Ungebundenheit des Komponierens erlaubt es, womöglich noch komplexer zu setzen, vielschichtiger, gebrochener, auch fremder als nach der späteren Systematisierung des emanzipierten Tonmaterials. An dem unfaßlichen Reichtum von Klangflächen, Kontrapunkten und Farben in diesen 250 Takten läßt sich verstehen, warum Schönberg bald danach zur Bändigung der Überfülle nach neuen Organisationsprinzipien suchte.

Man mag aber ebenso auch daran erkennen, wie wenig die wahrhaft neue Musik im Begriff der Zwölftönigkeit sich erschöpft, mit dem sie heute von der Ignoranz verwechselt wird; ja was mit dem konsequenten Fortschritt zur Durchorganisation des Materials wiederum auch verloren ging. Um die Zeit der Glücklichen Hand, seiner produktivsten und höchsten, hat Schönberg eine Symphonie konzipiert, und keines seiner Stücke kam der Idee des Symphonischen näher als dies »Drama mit Musik«, einer Musik, deren Expansionskraft und schlagende Gewalt Schönberg kaum je wieder erreichte. Wenn der Mann der Handlung an einer Stelle sich dehnt, bis seine Gestalt ins Riesenhafte wächst, dann ist dem der symphonische Gestus der Musik in der Tat angemessen.

Durch seinen expressiven Habitus, durch den in Wahrheit monodramatischen Charakter, durch das von jeder Bindung ans Herkömmliche befreite Material scheint die Glückliche Hand nächstverwandt dem etwas früher komponierten und häufiger aufgeführten Bühnenwerk, der Erwartung. Aber Schönberg hat niemals einen Typus bloß abgewandelt, sondern in jedem seiner Werke einen neuen aufgestellt. Wenn die Zwölftontechnik ein disziplinierendes Element in den »Kompositionsstil der Freiheit« brachte, dann läßt sich, gerade gegenüber der Erwartung, an der Glücklichen Hand entnehmen, wie wenig es dabei um ein bloß äußerliches Stilisationsprinzip sich handelt. Die Erwartung hatte in buntestem Wechsel ohne Unterlaß musikalische Gestalten aneinandergereiht, unter Verzicht auf jegliche Außenarchitektur, wenn man nicht etwa den Schluß als einen ariosen Abgesang sich zurechtlegen will. Gerade daraus war die Gefahr einer gewissen Monotonie des absoluten Wechsels entstanden. Dem wird zum ersten Mal in der Glücklichen Hand begegnet. Nicht nur ist der musikalische Verlauf geschlossener, weniger abrupt und zerklüftet, gefügt aus übereinander gelagerten pastosen Farbflächen und großen melodischen Linien. Sondern jede einzelne Szene ist als Form, im Sinne einer spezifischen und von allen anderen unterschiedenen Idee charakterisiert, wie später in Bergs Wozzeck. Das knappe Ganze aber schließt sich sonatenartig zusammen: mit dem letzten Fünftel tritt eine deutlich erkennbare wenn auch überaus variierte Reprise des ersten Bildes ein.

Dieses erste Bild ist ein polyphoner Flüsterchor mit wechselnd hervortretenden Hauptstimmen des Orchesters über einer Ostinatobewegung und einem liegenden Akkord; die grelle Bühnenmusik an seinem Ende scheint wie die traumhafte Verzerrung eines Mahlerschen Scherzos von der Art der Fischpredigt des Heiligen Antonius, wie denn überhaupt die Glückliche Hand, zum Zeugnis ihrer symphonischen Intention, Mahler näher steht als alles andere von Schönberg; an ihrem Höhepunkt zitiert sie den Hammerschlag der Sechsten Symphonie. Das zweite Bild, in silberiger Farbe, wird beherrscht vom Gesang des Mannes und von reichen, weit ausschwingenden Geigenmelismen. Die Schmiedeszene zu Beginn des dritten ist der symphonische Kern: an ihrer ganz unstilisierten, rein aus dem Einfall erzeugten Monumentalität läßt sich erkennen, welche Kraft zum verbindlich umfassenden Objektiven in dem steckte, den böser Wille und Unverstand heute noch als romantischen Subjektivisten glaubt abtun zu können. Es folgt der Lichtsturm mit dem berühmten Farbencrescendo; zum ersten Mal wieder, und im äußersten Kontrast zur Erwartung, thematisch entwickelt aus einem Motiv, der absteigenden kleinen und aufsteigenden großen Sekunde. Eine tanzartige Episode, eine bis zum Presto gesteigerte Durchführungspartie schließt sich an bis zur Wiederkehr der grellen Bühnenmusik und der Reprise.

Jeder einzelne dieser Abschnitte verläuft in sich undurchbrochen, höchst artikuliert und abgehoben vom folgenden. Auch die Instrumentation kennt, im Gegensatz zur völligen Aufgelöstheit der Klangfarbenmelodien der Erwartung, einheitliche Komplexe und zuweilen selbst homogene Klänge. Mit höchstem Formgefühl aber wird gerade auf das Ostinato-Element in der Reprise verzichtet und statt dessen die Form geschlossen durch einen gesungenen höchst polyphonen Chor, der erst am Ende wieder untertaucht ins Geflüster der ersten Takte. Das Ostinato wird nur am Beginn und am Ende des Schlußbildes noch einmal angedeutet.

Solche Architektur inmitten einer Sprache von Phantasie, die aller Fesseln ledig ward, hilft zugleich dem Hörer, der nicht vorweg entschlossen ist, Ärgernis zu nehmen, sich zurechtzufinden. Meisterlicheres ist der Neuen Musik bis heute nicht gelungen: die Verbindung vollkommener Spontaneität, überströmender Fülle und klarster Prägnanz.

 

1955

 

 
Gesammelte Werke
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