Einleitung in die Musiksoziologie

Zwölf theoretische Vorlesungen

 

Den Mitarbeitern

des Frankfurter Instituts für Sozialforschung

 

Zur Neuausgabe 1968

 

Der Charakter einer Lehrschrift, den auch die neue Ausgabe der ›Einleitung in die Musiksoziologie‹ in Rowohlts Enzyklopädie* bewahren möchte, hält den Autor davon ab, den Text eingreifend zu verändern. Daß die Vorlesungen nicht derart durchformuliert sind wie andere seiner Arbeiten, mag ihrer Verbreitung günstig sein. Da das Buch nicht nur in die Musiksoziologie sondern in die soziologische Konzeption der Frankfurter Schule einleiten soll, rechnet es mit Lesern, die vor anspruchsvolleren Texten zurückschrecken. Darum hat sich der Autor auf die Verbesserung von Druckfehlern und Irrtümern und auf wenige Zusätze, freilich an zentraler Stelle, beschränkt. Ganz neu sind lediglich die Seiten 422ff., ›Musiksoziologie‹. Sie möchten, fragmentarisch, etwas vom Fragmentarischen des Buches korrigieren.

Allgemein neigt er dazu, nicht sowohl zu sagen, was und wie er etwas tue, als es zu tun. Das ist die Konsequenz einer Theorie, welche die akzeptierte Trennung von Methode und Sache nicht sich zu eigen macht und der abstrakten Methodologie mißtraut. Doch hat sich während der letzten Jahre der musiksoziologische Methodenstreit nicht beruhigt. Vielleicht ist es darum dem Autor gestattet, auf einen Aufsatz zu verweisen, der seine Position in jenem Streit einigermaßen umreißt. Er trägt den Titel ›Thesen zur Kunstsoziologie‹ und steht jetzt in dem kleinen Buch ›Ohne Leitbild‹.

Während manche Soziologen das Verfahren der ›Einleitung‹ metaphysisch, philosophisch oder wenigstens nicht-soziologisch schalten, hat ein Musikkritiker in seiner überaus freundlichen Rezension dem Autor attestiert, eigentlich stünde nichts in dem Buch, was nicht jeder Musiker mehr oder minder vag bereits wisse. Nichts könnte dem Autor lieber sein, als daß seinen vorgeblich wilden Spekulationen bestätigt wurde, sie verhülfen einzig einem vorbewußten Wissen zur Sprache. Die Spannung zwischen diesem Motiv und dem des ungegängelten Gedankens auszutragen, ist die Absicht des Buches.

 

Januar 1968

 
Fußnoten

 

* Die Ausgabe, der der vorliegende Text folgt, erschien 1968 als Band 292/293 der Reihe »Rowohlts deutsche Enzyklopädie« im Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg. (Anm. d. Hrsg.).

 

Vorrede

 

Die Vorlesungen wurden, mit anschließenden Besprechungen, im Wintersemester 1961/62 an der Frankfurter Universität gehalten; große Teile daraus hat der Norddeutsche Rundfunk gesendet.

Für die Gestalt der Publikation ist vielleicht die Vorgeschichte nicht gleichgültig. 1958 folgte der Autor einer Einladung der Schweizer Monatshefte, einen Aufsatz ›Ideen zur Musiksoziologie‹ beizusteuern; er hat ihn später in die ›Klangfiguren‹ aufgenommen. Er entwickelte Prinzipien musiksoziologischer Arbeit, ohne sie von den inhaltlichen Fragen zu trennen; eben das bleibt spezifisch für die Methode. Jener Aufsatz ist stets noch fürs musiksoziologische Verfahren des Autors programmatisch verbindlich.

Unmittelbar nach dem Erscheinen des Aufsatzes regte der Musiksoziologe Alphons Silbermann freundlich an, ihn zu einem Buch zu erweitern. Das war damals nicht möglich, ebensowohl anderer Aufgaben wie der Maxime wegen, knapp Entwickeltes nicht nachträglich auszubreiten. Doch setzte die Idee sich fest und wurde zur Absicht, ganz unabhängig von jenem Text musiksoziologische Erwägungen und Befunde ausführlicher darzustellen. Dazu half abermals ein Anstoß von außen: die Einladung, 1961 zwei Kurzvorträge musiksoziologischen Inhalts für die Funk-Universität des RIAS zu halten. Sie wurden zum Kern der ersten beiden Vorlesungen. In ihnen verwertet sind amerikanische Arbeiten aus der Zeit, da der Autor den musikalischen Teil des Princeton Radio Research Project leitete. Die Typologie musikalischen Hörens war schon 1939 entworfen, und der Autor hatte sich stetig mit ihr weiterbeschäftigt. Viele der Überlegungen zur leichten Musik aus dem zweiten Vortrag sind in der Abhandlung ›On Popular Music‹ niedergelegt (Studies in Philosophy and Social Science, Vol. IX, No 1, p. 17ff.); das gesamte Heft, in dem sie stand, war der Soziologie der Massenmedien gewidmet. Die Fragestellungen der beiden Vorlesungen entfalteten sich unwillkürlich zur Konzeption des Ganzen. Überschneidungen freilich – sowohl zwischen den Vorträgen wie zwischen ihnen und anderen Veröffentlichungen des Autors – ließen bei der komplexen Entstehung des Bandes trotz besten Willens nicht gänzlich sich vermeiden.

Den Vorlesungscharakter wollte der Autor um keinen Preis antasten; das Buch enthält, gegenüber dem tatsächlich Gesprochenen, nur geringfügige Retouchen und Ergänzungen. An Ausweichungen, selbst Gedankensprüngen ist so viel stehen geblieben, wie beim freien Vortrag statthaft dünkt. Wer einmal erfahren hat, wie inkompatibel ein autonomer Text und die an Zuhörer gerichtete Rede sind, wird nicht die Differenzen vertuschen und das kommunikative Wort nachträglich zur rücksichtslos adäquaten Prägung zu nötigen trachten. Je offener der Unterschied hervortritt, desto weniger werden falsche Prätentionen erhoben. Insofern ist das Buch den ›Soziologischen Exkursen‹ aus der Schriftenreihe des Instituts für Sozialforschung verwandt. Dem Titel Einleitung mag man auch die Wendung geben, es solle nicht nur ins Sachgebiet, sondern in jenes soziologische Denken eingeleitet werden, dem ebenso die ›Exkurse‹ dienen.

Widerstanden hat der Autor der Versuchung, durch Materialien, Belege und Verweise aufzufüllen, was wesentlich spontane Überlegung war, in der all das nur soweit Eingang fand, wie es der Erfahrung des Autors unmittelbar sich vergegenwärtigte. Systematik ist nicht angestrebt; vielmehr sind die Reflexionen um Nervenpunkte zentriert. Zwar dürften von den aktuellen Fragen der Musiksoziologie wenige vernachlässigt sein; doch ist, was dabei etwa resultierte, mit szientifischer Vollständigkeit nicht zu verwechseln; allein schon darum nicht, weil der Autor auf seine Gegenstände einen Grundsatz Freuds übertrug: »Es kommt überhaupt nicht so häufig vor, daß die Psychoanalyse etwas bestreitet, was von anderer Seite behauptet wird; sie fügt in der Regel nur etwas Neues hinzu, und gelegentlich trifft es sich freilich, daß dies bisher Übersehene und nun neu Dazugekommene gerade das Wesentliche ist.« Die Absicht, mit bestehenden musiksoziologischen Darstellungen zu konkurrieren, waltet auch dort nicht, wo deren Intentionen seinen eigenen widersprechen. Selbstverständlich sein sollte beim gesamten Ansatz, daß alle Aspekte der gegenwärtigen Situation, mit denen das Buch sich befaßt, ohne historische Dimension nicht verstanden werden können. Der Begriff des Bürgerlichen datiert gerade in den geistigen Bereichen sehr weit zurück hinter die volle politische Emanzipation des Bürgertums. Kategorien, die man erst der im engeren Sinn bürgerlichen Gesellschaft zuschreibt, sind bereits dort zu vermuten, oder ihr Ursprung ist dort aufzusuchen, wo es bürgerlichen Geist und bürgerliche Formen gab, ehe die Totalität der Gesellschaft ihnen gehorchte. Dem Begriff des Bürgerlichen selbst scheint immanent, daß Phänomene, die man für unverwechselbare des eigenen Zeitalters hält, längst da waren; plus ça change, plus c'est la même chose.

In der Vorlesung hatte der Autor wenigstens versucht, den Studenten zu zeigen, wie wenig Musiksoziologie in dem sich erschöpft, was er vortrug, indem er die Herren Hans Engel – den Verfasser des historisch akzentuierten Werkes ›Musik und Gesellschaft‹ –, Alphons Silbermann, den Exponenten der empirischen Forschungsrichtung in der Musiksoziologie, und Kurt Blaukopf, der höchst produktive Perspektiven des Zusammenhangs von Akustik und Musiksoziologie eröffnete, zu Gastvorlesungen einlud. Ihnen allen sei auch öffentlich dafür gedankt, daß sie mitwirkten; Alphons Silbermann besonders noch dafür, daß er, von dem eine ›Introduction à une sociologie de la musique‹ vorliegt, generös damit einverstanden sich erklärte, daß der Autor seinem Buch denselben Titel auf deutsch gab. Ein anderer wäre kaum dem gerecht geworden, was er wollte; denn weder ist das Buch eine Musiksoziologie schlechthin noch monographisch.

Das Verhältnis zur empirischen Soziologie wird in den Vorlesungen selbst gelegentlich berührt. Der Autor ist so unbescheiden, zu glauben, daß er der musikalischen Sparte jener Disziplin genug fruchtbare Fragestellungen übermittelt, um sie für längere Zeit sinnvoll zu beschäftigen und den stets wieder geforderten und stets wieder vertagten Zusammenhang von Theorie und fact finding weiterzubringen – nicht ohne daß dabei die allzu abstrakte Polarität von beidem selber sich veränderte. Nicht so unbescheiden ist er, alle theoretisch vielleicht einleuchtenden Sätze, soweit sie empirische Behauptungen implizieren, bereits als geltend zu unterstellen: vieles davon wäre, nach empirischen Spielregeln, Hypothese. Zuweilen – so bei der Typologie – ist einigermaßen evident, wie das Gedachte von Research-Techniken ergriffen werden könnte; in anderen Kapiteln, wie dem über Funktion oder dem über öffentliche Meinung, weniger. Den Prozeß auszuführen, hätte den Aufgabenkreis überschritten, den der Autor sich steckte. Was zu leisten wäre, ist schwierig; es bedürfte der angestrengtesten Überlegung ebenso wie dann eines stufenweisen Verfahrens, in dem die Forschungsinstrumente kritisch berichtigt werden. Mit direkten Fragen sind die theoretisch bestimmten, konstitutiven Schichten etwa der Funktion, der sozialen Differenzierung, der öffentlichen Meinung, auch die unbewußte Dimension der Sozialpsychologie von Dirigent und Orchester nicht zu durchdringen; das verbietet das Verbalisierungsproblem ebenso wie die affektive Besetzung jener Komplexe. Überdies: je differenzierter Sätze aus Forschungsinstrumenten werden, desto bedrohter sind sie im allgemeinen durch Eliminierung wegen mangelnder Trennschärfe, ohne daß damit über Wahrheit oder Unwahrheit der sogenannten Hypothese selbst entschieden wäre. Daß aber auf solche Differenziertheit nicht sich verzichten läßt, wenn nicht die Instrumente von vornherein verfehlen sollen, worauf das Interesse der einschlägigen Forschungen ginge, wird jedem einleuchten, der an die Übersetzungsarbeit im Ernst sich begibt.

Weiter kommen im Geflecht der Überlegungen zahlreiche Sätze vor, deren Evidenz von anderer Art ist, als daß sie durch Erhebungsmethoden dingfest zu machen wäre. Generell finden diese Fragen sich erörtert in der Abhandlung ›Soziologie und empirische Forschung‹, die jetzt in dem Band ›Soziologica II‹ steht*. Empirische Untersuchungen, die Theoreme des Buches verifizieren oder falsifizieren möchten, müßten zumindest an seinem Prinzip festhalten: subjektive Verhaltensweisen zur Musik in Relation zur Sache selbst und ihrem bestimmbaren Gehalt zu begreifen und zu analysieren, anstatt von der Qualität des Objekts abzusehen, es als bloßen Stimulus von Projektionen zu behandeln und sich auf die Feststellung, Messung und Ordnung subjektiver Reaktionen darauf oder auch sedimentierter Verhaltensweisen zu beschränken. Eine Musiksoziologie, in der Musik mehr bedeutet als Zigaretten oder Seife in Markterhebungen, bedarf nicht nur des Bewußtseins von der Gesellschaft und ihrer Struktur, nicht nur auch bloß der informatorischen Kenntnis musikalischer Phänomene, sondern des vollen Verständnisses von Musik selbst in allen Implikationen. Methodologie, welche dies Verständnis, weil es ihr fehlt, als allzu subjektivistisch abwertete, verfiele erst recht dem Subjektivismus, dem Durchschnittswert ermittelter Meinungen.

 

Frankfurt, Juli 1962

Fußnoten

 

* Vgl. jetzt Theodor W. Adorno, GS 8, s. S. 169ff. (Anm. d. Hrsg.).

 

I. Typen musikalischen Verhaltens

 

Wer unbefangen zu sagen hätte, was Musiksoziologie sei, der würde wahrscheinlich zuerst antworten: Erkenntnisse über das Verhältnis zwischen den Musik Hörenden, als vergesellschafteten Einzelwesen, und der Musik selbst. Solche Erkenntnisse bedürften der ausgedehntesten empirischen Forschung. Sie aber ließe nur dann produktiv sich beginnen, erhöbe nur dann sich über die Zusammenstellung unberedter Fakten, wenn die Probleme bereits theoretisch strukturiert sind; wenn man weiß, was relevant ist und worüber man Aufschluß gewinnen will. Dazu mag eine spezifische Fragestellung besser helfen als allgemeinste Betrachtungen über Musik und Gesellschaft. Ich beschäftige mich also zunächst, theoretisch, mit typischen Verhaltensweisen des musikalischen Hörens unter Bedingungen der gegenwärtigen Gesellschaft. Dabei kann von früheren Situationen nicht einfach abgesehen werden; sonst verflösse das heute Charakteristische. Andererseits fehlt es, wie in vielen Sektoren der materialen Soziologie, an vergleichbaren und zuverlässigen Forschungsdaten für die Vergangenheit. Ihre Abwesenheit wird in der wissenschaftlichen Diskussion gern dazu benutzt, Kritik an Bestehendem damit zu entschärfen, daß es ehedem vermutlich auch nicht besser gewesen sei. Je mehr die Forschung auf die Feststellung vorfindlicher Daten ohne Rücksicht auf die Dynamik sich richtet, in die sie verflochten sind, desto apologetischer wird sie; desto mehr neigt sie dazu, den Zustand, der ihr thematisch ist, als ein Letztes hinzunehmen, im doppelten Sinn anzuerkennen. Versichert wird etwa, die Mittel mechanischer Massenproduktion hätten Musik an Ungezählte erst herangetragen, und das Hörniveau hätte deshalb, nach Begriffen statistischer Allgemeinheit, sich gehoben. Heute möchte ich auf diesen Komplex nicht eingehen, an dem wenig Segen ist: die unverdrossene Überzeugung vom kulturellen Fortschritt und die kulturkonservative Jeremiade über die Verflachung sind einander würdig. Materialien zur verantwortlichen Antwort auf das Problem finden sich in der Arbeit von E. Suchman, die unter dem Titel ›Invitation to Music‹ in dem Band ›Radio Research 1941‹ in New York erschienen ist. Ich trage auch keine belasteten Thesen über die Verteilung der Hörtypen vor. Sie sind lediglich als qualitativ bezeichnende Profile gedacht, an denen etwas über musikalisches Hören als einen soziologischen Index, möglicherweise auch über seine Differenzierungen und Determinanten aufleuchtet. Wann immer Aussagen gemacht werden, die quantitativ klingen – das läßt auch in theoretisch-soziologischen Erwägungen kaum ganz sich vermeiden –, sind sie zu überprüfen, nicht als bündige Behauptungen gemeint. Fast überflüssig zu unterstreichen, daß die Hörtypen nicht chemisch rein vorkommen. Der allgemeinen Skepsis der empirischen Wissenschaft gegen Typologien, zumal der Psychologie, setzen sie gewiß sich aus. Was, nach einer solchen Typologie, unvermeidlich als Mischtyp rangiert, ist in Wahrheit kein solcher, sondern Zeugnis dessen, daß das gewählte Stilisationsprinzip dem Material aufgenötigt ist; Ausdruck einer methodischen Schwierigkeit, nicht einer Beschaffenheit der Sache selbst. Dennoch sind die Typen nicht willkürlich ausgedacht. Sie sind Kristallisationspunkte, bestimmt von grundsätzlichen Erwägungen zur Musiksoziologie. Geht man einmal davon aus, daß die gesellschaftliche Problematik und Komplexität auch durch Widersprüche im Verhältnis zwischen musikalischer Produktion und Rezeption, ja in der Struktur des Hörens selbst sich ausdrückt, so wird man kein bruchloses Kontinuum vom voll adäquaten bis zum beziehungslosen oder surrogathaften Hören erwarten dürfen, sondern eher, daß jene Widersprüche und Gegensätze auch in der Beschaffenheit des musikalischen Hörens und in den Hörgewohnheiten sich niederschlagen. Widersprüchlichkeit heißt Diskontinuität. Das sich Widersprechende erscheint gegeneinander abgesetzt. Die Reflexion auf die tragende gesellschaftliche Problematik der Musik ebenso wie ausgebreitete Beobachtungen und deren vielfache Selbstkorrektur haben zu der Typologie geführt. Hat man sie einmal in empirische Kriterien übersetzt und zureichend erprobt, wäre sie freilich abermals zu modifizieren und differenzieren, insbesondere beim Typus des Unterhaltungshörers. Je gröber die Geisteserzeugnisse sind, denen Soziologie nachfragt, desto feiner müssen die Verfahren werden, die der Wirkung solcher Phänomene gerecht werden sollen. Weit schwerer einzusehen, warum ein Schlager beliebt und ein anderer unbeliebt ist, als warum auf Bach mehr angesprochen wird als auf Telemann, auf eine Haydn-Symphonie mehr als auf ein Stück von Stamitz. Absicht der Typologie ist, im Bewußtsein gesellschaftlicher Antagonismen, von der Sache, nämlich der Musik selbst, her die Diskontinuität der Reaktionen auf jene plausibel zu gruppieren.

Die Typologie ist also bloß idealtypisch zu verstehen; das teilt sie mit allen. Übergänge bleiben ausgeschaltet. Sind die tragenden Erwägungen triftig, so dürften doch immerhin die Typen, oder wenigstens einige von ihnen, plastischer voneinander sich absetzen, als es einer wissenschaftlichen Gesinnung wahrscheinlich dünkt, die ihre Gruppen lediglich instrumentell oder nach begriffsloser Einteilung des empirischen Materials, nicht nach dem Sinn der Phänomene bildet. Möglich sollte es sein, für die einzelnen Typen so handfeste Merkmale anzugeben, daß Recht oder Unrecht ihrer Annahme entschieden, gegebenenfalls die Verteilung festgestellt, auch einiges an sozialen und sozialpsychologischen Korrelationen ausgemacht werden kann. Um jedoch fruchtbar zu werden, müßten derlei empirische Untersuchungen sich orientieren am Verhältnis der Gesellschaft zu den musikalischen Gegenständen. Jene ist der Inbegriff der Hörer oder Nichthörer von Musik, aber objektive strukturelle Beschaffenheiten der Musik determinieren doch wohl die Hörerreaktionen. Der Kanon, der die Konstruktion der Typen leitet, bezieht sich darum nicht, wie bei bloß subjektiv gerichteten empirischen Erhebungen, lediglich auf Geschmack, Vorlieben, Abneigungen und Gewohnheiten der Hörenden. Vielmehr liegt ihm zugrunde die Angemessenheit oder Unangemessenheit des Hörens ans Gehörte. Vorausgesetzt ist, daß Werke ein in sich objektiv Strukturiertes und Sinnvolles sind, das der Analyse sich öffnet und das in verschiedenen Graden der Richtigkeit wahrgenommen und erfahren werden kann. Die Typen wollen, ohne allzu streng daran sich zu binden und ohne Vollständigkeit zu beanspruchen, einen Bereich abstecken, der von der vollen Adäquanz des Hörens, wie sie dem entwickelten Bewußtsein der fortgeschrittensten Berufsmusiker entspricht, bis zu gänzlichem Unverständnis und völliger Indifferenz zum Material reicht, die übrigens keineswegs mit musikalischer Unempfänglichkeit zu verwechseln ist. Doch ist die Anordnung nicht eindimensional; unter verschiedenen Gesichtspunkten mag bald dieser, bald jener Typus näher zur Sache sein. Charakteristische Verhaltensweisen sind wichtiger als die logische Korrektheit der Klassifikation. Über die Signifikanz der sich heraushebenden Typen werden Mutmaßungen ausgesprochen.

Die Schwierigkeit, wissenschaftlich des subjektiven Gehalts musikalischer Erfahrung, über die äußerlichsten Indices hinaus, sich zu versichern, ist nahezu prohibitiv. Das Experiment mag Intensitätsgrade der Reaktion, kaum deren Qualität erreichen. Die buchstäblichen etwa physiologischen und meßbaren Wirkungen, die eine Musik ausübt – man hat sich da sogar mit Beschleunigungen des Pulsschlags abgegeben –, sind keineswegs identisch mit der ästhetischen Erfahrung eines Kunstwerks als Kunstwerk. Musikalische Introspektion ist überaus ungewiß. Vollends die Verbalisierung des musikalisch Erlebten stößt bei den meisten Menschen auf unüberwindliche Hindernisse, soweit sie nicht über die technische Terminologie verfügen; überdies ist der verbale Ausdruck schon vorfiltriert und sein Erkenntniswert für die primären Reaktionen doppelt fraglich. Darum scheint die Differenzierung der musikalischen Erfahrung mit Rücksicht auf die spezifische Beschaffenheit des Gegenstands, an der das Verhalten ablesbar wird, die fruchtbarste Methode, um in jenem Sektor der Musiksoziologie, der die Menschen und nicht die Musik an sich behandelt, über Trivialitäten hinauszugelangen. Die Frage nach den Kriterien der Erkenntnis des Experten, dem man leicht die Kompetenz dafür zuschiebt, unterliegt selbst der gesellschaftlichen wie der innermusikalischen Problematik. Die communis opinio eines Sachverständigengremiums wäre keine zureichende Basis. Die Deutung des musikalischen Gehalts entscheidet sich in der inneren Zusammensetzung der Werke und in eins damit kraft der Theorie, welche mit deren Erfahrung sich verbindet.

Der Experte selbst wäre, als erster Typus, durch gänzlich adäquates Hören zu definieren. Er wäre der voll bewußte Hörer, dem tendenziell nichts entgeht und der zugleich in jedem Augenblick über das Gehörte Rechenschaft sich ablegt. Wer etwa, zum erstenmal mit einem aufgelösten und handfester architektonischer Stützen entratenden Stück wie dem zweiten Satz von Weberns Streichtrio konfrontiert, dessen Formteile zu nennen weiß, der würde, fürs erste, diesem Typus genügen. Während er dem Verlauf auch verwickelter Musik spontan folgt, hört er das Aufeinanderfolgende: vergangene, gegenwärtige und zukünftige Augenblicke so zusammen, daß ein Sinnzusammenhang sich herauskristallisiert. Auch Verwicklungen des Gleichzeitigen, also komplexe Harmonik und Vielstimmigkeit, faßt er distinkt auf. Die voll adäquate Verhaltensweise wäre als strukturelles Hören1 zu bezeichnen. Sein Horizont ist die konkrete musikalische Logik: man versteht, was man in seiner freilich nie buchstäblich-kausalen Notwendigkeit wahrnimmt. Ort dieser Logik ist die Technik; dem, dessen Ohr mitdenkt, sind die einzelnen Elemente des Gehörten meist sogleich als technische gegenwärtig, und in technischen Kategorien enthüllt sich wesentlich der Sinnzusammenhang. Dieser Typus dürfte heute einigermaßen auf den Kreis der Berufsmusiker beschränkt sein, ohne daß alle diese seine Kriterien erfüllten; viele Reproduzierende werden ihnen eher sich widersetzen. Quantitativ kommt der Typ wahrscheinlich kaum in Betracht; er markiert den Grenzwert einer Reihe der von ihm sich entfernenden Typen. Vorsicht ist geboten, das Privileg der Professionellen auf diesen Typus nicht eilfertig aus dem gesellschaftlichen Entfremdungsprozeß zwischen dem objektiven Geist und den Individuen in der bürgerlichen Spätphase zu erklären und damit den Typus selber zu diskreditieren. Seit Äußerungen von Musikern überliefert sind, billigen sie das volle Verständnis ihrer Arbeiten meistens nur ihresgleichen zu. Die zunehmende Kompliziertheit der Kompositionen wird jedoch wohl den Kreis der voll Zuständigen, jedenfalls relativ auf die wachsende Zahl der überhaupt Musik Hörenden, verkleinert haben.

Wer allerdings aus allen Hörern Experten machen wollte, verhielte unter den obwaltenden gesellschaftlichen Bedingungen sich inhuman utopistisch. Der Zwang, den die integrale Gestalt des Werks auf den Hörer ausübt, ist unvereinbar nicht nur mit seiner Beschaffenheit, seiner Situation und dem Stand nichtprofessioneller musikalischer Bildung sondern auch mit individueller Freiheit. Das legitimiert, gegenüber dem Typus des Experten-Hörers, den des guten Zuhörers. Auch er hört übers musikalisch Einzelne hinaus; vollzieht spontan Zusammenhänge, urteilt begründet, nicht bloß nach Prestigekategorien oder geschmacklicher Willkür. Aber er ist der technischen und strukturellen Implikationen nicht oder nicht voll sich bewußt. Er versteht Musik etwa so, wie man die eigene Sprache versteht, auch wenn man von ihrer Grammatik und Syntax nichts oder wenig weiß, unbewußt der immanenten musikalischen Logik mächtig. Dieser Typ wird gemeint von der Rede von einem musikalischen Menschen, wofern man dabei überhaupt noch an die Fähigkeit zu unmittelbarem, sinnvollem Mithören sich erinnert und nicht damit sich begnügt, daß einer Musik »möge«. Solche Musikalität bedurfte historisch einer gewissen Homogenität der musikalischen Kultur; darüber hinaus einiger Geschlossenheit des Gesamtzustandes, wenigstens der auf die Kunstwerke reagierenden Gruppen. Etwas dieser Art wird bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein in höfischen und aristokratischen Zirkeln überlebt haben. Noch Chopin hat in einem Brief zwar über die zerstreute Lebensform der großen Gesellschaft sich beklagt, zugleich aber eigentliches Verständnis ihr zugesprochen, während er dem Bürgertum vorwirft, daß es statt dessen nur Sinn für die erstaunliche circensische Leistung – heute würde man sagen: die show – habe. Bei Proust erscheinen Figuren, die diesem Typus zurechnen, in der Sphäre Guermantes, so der Baron Charlus. Zu mutmaßen wäre, daß der gute Hörer, wiederum proportional zur anwachsenden Zahl der Musikhörer überhaupt, mit der unaufhaltsamen Verbürgerlichung der Gesellschaft, dem Sieg des Tausch-und Leistungsprinzips immer seltener wird und zu verschwinden droht. Eine Polarisierung nach den Extremen der Typologie hin kündigt sich an: tendenziell versteht heute einer entweder alles oder nichts. Mitschuldig ist selbstverständlich der Verfall der musikalischen Initiative des Nichtprofessionellen unterm Druck von Massenmedien und mechanischer Reproduktion. Am ehesten dürfte der Amateur dort noch überleben, wo Reste einer aristokratischen Gesellschaft sich erhalten haben wie in Wien. Im kleineren Bürgertum dürfte der Typus schon kaum mehr sich finden, außer bei polemischen Einzelgängern, die bereits zu den Experten hinüberspielen, mit denen im übrigen früher die guten Hörer weit besser sich verstanden, als heute die sogenannten Gebildeten mit der avancierten Produktion.

Soziologisch hat das Erbe dieses Typus ein dritter, der eigentlich bürgerliche angetreten, maßgebend unter den Opern- und Konzertbesuchern. Man mag ihn den Bildungshörer oder Bildungskonsumenten nennen. Er hört viel, unter Umständen unersättlich, ist gut informiert, sammelt Schallplatten. Musik respektiert er als Kulturgut, vielfach als etwas, was man um der eigenen sozialen Geltung willen kennen muß; diese Attitude reicht vom Gefühl ernsthafter Verpflichtung bis zum vulgären Snobismus. Das spontane und unmittelbare Verhältnis zur Musik, die Fähigkeit des strukturellen Mitvollzugs, wird substituiert dadurch, daß man soviel wie nur möglich an Kenntnissen über Musik, zumal über Biographisches und über die Meriten von Interpreten anhortet, über die man stundenlang nichtig sich unterhält. Dieser Typus verfügt nicht selten über ausgebreitete Kenntnis der Literatur, aber derart, daß man die Themen berühmter und immer wiederholter Musikwerke summt, das Vernommene sogleich identifiziert. Die Entfaltung einer Komposition ist gleichgültig, die Hörstruktur atomistisch: der Typus lauert auf bestimmte Momente, vermeintlich schöne Melodien, grandiose Augenblicke. Sein Verhältnis zur Musik hat insgesamt etwas Fetischistisches2. Er konsumiert nach dem Maßstab der öffentlichen Geltung des Konsumierten. Die Freude am Verzehr, an dem, was nach seiner Sprache die Musik ihm gibt, überwiegt die an ihr selbst als einem Kunstwerk, das von ihm fordert. Vor ein oder zwei Generationen pflegte dieser Typus als Wagnerianer sich zu gerieren; heute wird er eher auf Wagner schimpfen. Besucht er das Konzert eines Geigers, so interessiert ihn, was er dessen Ton nennt, wenn nicht gar die Geige; beim Sänger die Stimme; beim Pianisten gelegentlich, wie der Flügel gestimmt ist. Er ist der Mann der Würdigung. Das einzige, worauf dieser Typus primär anspricht, ist die exorbitante, sozusagen meßbare Leistung, also etwa halsbrecherische Virtuosität, ganz im Sinn des show-Ideals Ihm imponiert Technik, das Mittel, als Selbstzweck; insofern ist er gar nicht so weit vom heute verbreiteten Massenhören. Allerdings gebärdet er sich massenfeindlich und elitär. Sein Milieu ist das obere und gehobene Bürgertum, mit Übergängen zum kleinen; seine Ideologie meist wohl reaktionär kulturkonservativ. Stets fast ist er der exponierten neuen Musik feindlich; man beweist sich sein zugleich Werte erhaltendes und diskriminierendes Niveau, indem man gemeinsam gegen das angeblich verrückte Zeug wettert. Konformismus, Konventionalität definieren weithin den Sozialcharakter dieses Typus. Quantitativ wäre auch er, selbst in Ländern großer musikalischer Tradition wie Deutschland und Österreich, immer noch als recht unerheblich einzuschätzen, wenngleich er merklich mehr Repräsentanten unter sich befaßt denn der zweite. Doch handelt es sich um eine Schlüsselgruppe. Sie entscheidet weitgehend über das offizielle Musikleben. Nicht nur rekrutieren sich aus ihr wohl die Stammabonnenten der großen Konzertgesellschaften und der Opernhäuser; nicht nur jene, die zu Feststätten wie Salzburg und Bayreuth pilgern, sondern insbesondere auch die Gremien, welche die Programme und Spielpläne gestalten, vor allem die amerikanischen Komiteedamen der philharmonischen Konzerte. Sie lenken jenen verdinglichten Geschmack, der dem kulturindustriellen zu Unrecht sich superior fühlt. Immer mehr der von diesem Typus verwalteten musikalischen Kulturgüter verwandeln sich in solche des manipulierten Konsums.

Anzuschließen wäre ein Typus, der ebenfalls nicht von der Relation zur spezifischen Beschaffenheit des Gehörten, sondern von der gegenüber dem Objekt weithin verselbständigten eigenen Mentalität sich bestimmen läßt: der des emotionalen Hörers. Sein Verhältnis zur Musik ist weniger starr und indirekt als das des Kulturkonsumenten, dafür aber in anderem Betracht noch weiter weg vom Vernommenen: es wird ihm wesentlich zur Auslösung sonst verdrängter oder von zivilisatorischen Normen gebändigter Triebregungen, vielfach zu einer Quelle von Irrationalität, die den in den Betrieb rationaler Selbsterhaltung unerbittlich Eingespannten überhaupt noch gestattet, irgend etwas zu fühlen. Häufig genug hat er kaum mehr etwas mit der Gestalt des Gehörten zu tun: die Funktion ist überwiegend jene auslösende. Gehört wird nach dem Satz von den spezifischen Sinnesenergien: man empfindet Licht, wenn einem auf das Auge gehauen wird. Doch mag dieser Typus tatsächlich besonders stark auf sinnfällig emotional getönte Musik, wie Tschaikowsky, ansprechen; zum Weinen ist er leicht zu bringen. Die Übergänge zum Kulturkonsumenten sind fließend: auch in dessen Arsenal fehlt selten die Berufung auf die Gefühlswerte echter Musik. Der emotionale Hörer scheint – vielleicht unterm Bann des musikalischen Kulturrespekts – in Deutschland weniger charakteristisch als in angelsächsischen Ländern, wo der striktere zivilisatorische Druck zum Ausweichen in unkontrollierbar inwendige Gefühlsbereiche nötigt; auch in hinter der technologischen Entwicklung zurückgebliebenen, zumal slawischen Ländern dürfte er noch eine Rolle spielen. Die in der Sowjetunion tolerierte und konfektionierte zeitgenössische Produktion ist auf diesen Typus zugeschnitten; jedenfalls ist sein musikalisches Ich-Ideal dem Cliché des heftig zwischen Aufwallung und Melancholie hin-und herpendelnden Slawen nachgebildet. Wie musikalisch, ist dieser Typ wohl auch dem Gesamthabitus nach naiv, oder pocht wenigstens darauf. Die Unmittelbarkeit seines Reagierens geht zusammen mit einer zuweilen trotzigen Verblendung gegen die Sache, auf die er reagiert. Er will nichts wissen und ist daher von vornherein leicht zu steuern. Die musikalische Kulturindustrie plant ihn ein; in Deutschland und Österreich etwa seit den frühen dreißiger Jahren mit der Gattung des synthetischen Volkslieds. Sozial wäre dieser Typus schwer zu identifizieren. Einige Wärme wäre ihm wohl zu glauben; möglicherweise ist er wirklich weniger verhärtet und selbstzufrieden als der Kulturkonsument, dem gegenüber er nach Begriffen des etablierten Geschmacks tiefer rangiert. Doch mögen diesem Hörtypus gerade auch sture Berufsmenschen, die ominösen tired businessmen zurechnen, die in einem Bereich, der für ihr Leben konsequenzlos bleibt, Kompensation für das suchen, was sie sonst sich versagen müssen. – Der Typus reicht von solchen, die durch Musik, welcher Art auch immer, zu bildhaften Vorstellungen und Assoziationen angeregt werden, bis zu solchen, deren musikalische Erlebnisse dem vagen Tagtraum, dem Dösen sich nähern; zumindest verwandt ist der im engeren Verstande sinnliche Hörer, der den isolierten Klangreiz kulinarisch abschmeckt. Manchmal mögen sie die Musik als Gefäß benutzen, in das sie die eigenen, nach psychoanalytischer Theorie »frei flutenden«, beängstigenden Emotionen ergießen; manchmal durch Identifikation mit der Musik von dieser erst die Emotionen beziehen, die sie an sich vermissen. Solche recht diffizilen Probleme bedürften ebenso der Untersuchung wie die Frage nach Wirklichkeit oder Fiktionscharakter der Höremotionen; wahrscheinlich ist beides keineswegs scharf gesondert. Ob den Differenzierungen der musikalischen Reaktionsweise wiederum Differenzierungen der Gesamtperson, schließlich auch soziologische zuzuordnen sind, steht einstweilen dahin. Zu argwöhnen wäre die Wirkung einer präfabrizierten Ideologie der offiziellen musikalischen Kultur auf den emotionalen Hörer, des Anti-Intellektualismus. Bewußtes Hören wird mit kaltem und äußerlich reflektierendem Verhalten zur Musik verwechselt. Heftig widersteht der emotionale Typus Versuchen, ihn zu strukturellem Hören zu veranlassen – heftiger vielleicht als der Kulturkonsument, der der Bildung zuliebe am Ende auch dazu bereit wäre. In Wahrheit ist auch adäquates Hören nicht denkbar ohne affektive Besetzung. Nur wird hier die Sache selbst besetzt und die psychische Energie absorbiert von der Konzentration auf jene, während dem emotionalen Hörer die Musik Mittel ist zu Zwecken seiner eigenen Triebökonomie. Er entäußert sich nicht an die Sache, die ihn dafür auch mit Gefühl zu belohnen vermag, sondern funktioniert sie um in ein Medium bloßer Projektion.

Zum emotionalen Hörer hat zumindest in Deutschland ein krasser Gegentypus sich herausgebildet, der, anstatt in Musik dem zivilisatorischen Gefühlsverbot, dem mimetischen Tabu, auszuweichen, es sich zueignet und geradezu als Norm der eigenen musikalischen Verhaltensweise erkürt. Sein Ideal ist eines von statisch-musikalischem Hören3. Er verachtet das offizielle Musikleben als ausgelaugt und scheinhaft; aber er treibt nicht darüber hinaus, sondern flüchtet dahinter zurück in Perioden, die er vorm vorherrschenden Warencharakter, der Verdinglichung, geschützt wähnt. Kraft seiner Starrheit zollt er derselben Verdinglichung Tribut, der er opponiert. Man könnte diesen wesentlich reaktiven Typus den des Ressentiment-Hörers taufen. Ihm gehören jene Liebhaber Bachs an, gegen welche ich diesen einmal verteidigt habe; mehr noch diejenigen, die sich auf vor-Bachische Musik kaprizieren. In Deutschland standen bis in jüngste Vergangenheit fast alle Adepten der Jugendbewegung im Bann jener Verhaltensweise. Der Ressentiment-Hörer, im Protest gegen den Musikbetrieb scheinbar nonkonformistisch, sympathisiert dabei meist mit Ordnungen und Kollektiven um ihrer selbst willen, mit allen sozialpsychologischen und politischen Konsequenzen. Dafür zeugen die stur sektenhaften, potentiell wütenden Gesichter, die in sogenannten Bachstunden und Abendmusiken sich konzentrieren. In ihrer Sondersphäre, auch im aktiven Musizieren sind sie geschult, es geht wie am Schnürchen; doch ist alles mit Weltanschauung verkoppelt und verbogen. Die Inadäquanz besteht darin, daß ganze Musiksphären, auf deren Wahrnehmung es ankäme, ausfallen. Das Bewußtsein dieses Typus ist präformiert durch die Zielsetzungen ihrer Bünde, die meist kraß reaktionären Ideologien anhängen, und durch den Historismus. Die Werktreue, die sie dem bürgerlichen Ideal musikalischer showmanship entgegenhalten, wird zum Selbstzweck; es geht ihnen nicht so sehr darum, den Sinn der Werke adäquat darzustellen und zu erfahren, als eifernd darüber zu wachen, daß um kein Tüttelchen von dem abgewichen wird, was sie, anfechtbar genug, für die Aufführungspraxis vergangener Zeiten halten. Tendiert der emotionale Typus zum Kitsch, so der Ressentiment-Hörer zur falschen Strenge, welche die mechanische Unterdrückung der eigenen Regung im Namen von Geborgenheit in der Gemeinschaft betreibt. Einmal nannten sie sich Musikanten; erst unter antiromantisch gewitzigter Verwaltung haben sie den Namen abgelegt. Psychoanalytisch bleibt er ungemein kennzeichnend, Appropriation eben dessen, wogegen es eigentlich geht. Er bezeugt Ambivalenz. Was sie wollen, ist nicht nur das Widerspiel des Musikanten, sondern inspiriert vom heftigsten Affekt gegen dessen imago. Der innerste Impuls des Ressentiment-Hörers dürfte der sein, das uralte zivilisatorische Tabu über den mimetischen Impuls4 in der Kunst selber zu vollstrecken, die aus jenem Impuls lebt. Das nicht von der festen Ordnung Domestizierte, Vagantische, Ungebändigte, dessen letzte, triste Spur die Rubati und Exhibitionen von Solisten sind, wollen sie ausrotten; es soll den Zigeunern, wie vordem in den Konzentrationslagern, nun auch in der Musik an den Kragen gehen, welche die Operetten als Reservatsphäre ihnen zubilligte. Subjektivität, Ausdruck ist dem Ressentiment-Hörer zutiefst eins mit Promiskuität, und den Gedanken an diese kann er nicht ertragen. Dennoch ist – nach der Einsicht Bergsons in den ›Deux sources‹ – die Sehnsucht nach einer offenen Gesellschaft, deren Niederschlag Kunst ist, so stark, daß selbst jener Haß nicht bis zu ihrer Abschaffung sich vorwagt. Der Kompromiß ist der Widersinn einer von Mimesis expurgierten, gewissermaßen keimfreien Kunst. Ihr Ideal ist das Geheimnis des Ressentiment-Hörers. Auffallend wenig ist bei diesem Typus der Sinn für qualitative Differenzen innerhalb der von ihm bevorzugten Literatur entwickelt; die Einheitsideologie hat den Sinn für Nuancen verkümmern lassen. Differenziertheit überhaupt wird puritanisch beargwöhnt. Über die Verbreitung des Ressentiment-Hörers ist schwer etwas auszumachen; gut organisiert und propagandistisch rege, von größtem Einfluß auf die Musikpädagogik, fungiert auch er als Schlüsselgruppe, die der Musischen. Ungewiß jedoch, ob er über die Organisationen hinaus gar zu viele Repräsentanten hat. Das Masochistische einer Verhaltensweise, die sich unablässig etwas verbieten muß, verweist auf kollektiven Zwang als auf ihre notwendige Bedingung. Solcher Zwang als Determinante dieses Hörtypus dürfte, verinnerlicht, auch dort noch walten, wo die reale Hörsituation, wie häufig im Radio, isoliert ist. Derlei Zusammenhänge sind weit komplizierter, als daß sie sich einfach durch Korrelationen etwa zwischen der Zugehörigkeit zu Organisationen und musikalischem Geschmack eruieren ließen.

Die volle gesellschaftliche Dechiffrierung des Typus steht bis heute noch aus; ihre Richtung ist anzuzeigen. Er rekrutiert sich vielfach aus dem gehobenen Kleinbürgertum, das seinen sozialen Abstieg vor Augen hatte. Die seit Jahrzehnten zunehmende Abhängigkeit der Mitglieder jener Schicht verhindert sie mehr stets daran, sich selbst im Äußeren bestimmende und dadurch erst inwendig sich entfaltende Individuen zu werden. Das hat auch die Erfahrung der großen Musik beeinträchtigt, die durchs Individuum und seine Freiheit, keineswegs erst seit Beethoven, vermittelt ist. Jene Schicht hält aber zugleich, aus alter Angst vor der Proletarisierung inmitten der bürgerlichen Welt, an der Ideologie des sozial Gehobenen fest, des Elitären, der »inneren Werte«5. Ihr Bewußtsein, und ihre Stellung zur Musik, ist die Resultante aus dem Konflikt zwischen sozialer Lage und Ideologie. Er wird so geschlichtet, daß sie die Kollektivität, zu der sie verurteilt sind und in der sie sich zu verlieren fürchten, sich und anderen zugleich als höher denn die Individuation, als seinsverbunden, sinnhaft, human und was noch alles vorspiegeln. Dazu hilft ihnen, daß sie den vorindividuellen Zustand, wie ihn die synthetische Musikantenmusik ebenso wie das meiste aus dem sogenannten Barock suggeriert, anstelle des realen, postindividuellen ihrer eigenen Kollektivierung unterschieben. Sie bilden sich ein, dieser dadurch die Aura des Heilen und Unverdorbenen zu verleihen. Die erzwungene Regression wird, nach der Ideologie der inneren Werte, umgefälscht in etwas Besseres als das, was ihnen versagt ist, formal vergleichbar der faschistischen Manipulation, die das Zwangskollektiv der Atomisierten mit den Insignien naturwüchsig-vorkapitalistischer Volksgemeinschaft bekleidete.

Neuerdings begegnet man in der Zeitschriftenliteratur des Ressentiment-Typus Erörterungen über den Jazz. Während dieser dort lange als zersetzend verdächtig war, zeichnen sich zunehmend Sympathien ab, die mit der Domestizierung des Jazz, die in Amerika längst vollzogen und in Deutschland nur eine Frage der Zeit ist, zusammenhängen mögen. Der Typus des Jazz-Experten und Jazzfans – beides ist unter sich nicht so verschieden, wie die Jazz-Experten sich schmeicheln – ist dem Ressentiment-Hörer verwandt im Habitus der »rezipierten Häresie«, des gesellschaftlich aufgefangenen und harmlos gewordenen Protests gegen die offizielle Kultur, dem Bedürfnis nach musikalischer Spontaneität, die dem vorgezeichnet Immergleichen sich entgegensetzt, und im sektenhaften Charakter. Zumal in Deutschland wird jedes kritische Wort über den Jazz in seiner jeweils als fortgeschritten verehrten Gestalt vom inneren Zirkel als Frevel des Uneingeweihten geahndet. Mit dem Ressentiment-Typus teilt der des Jazz-Hörers auch die Aversion gegen das klassisch-romantische Musikideal; doch ist er vom asketisch-sakralen Gestus frei. Gerade auf Mimetisches tut er sich viel zugute, hat es freilich zu »standard devices« schablonisiert. Auch er versteht zuweilen – nicht immer – seinen Gegenstand adäquat, hat aber teil an der Beschränktheit des Reaktiven. Aus berechtigtem Widerwillen gegen den Kulturschwindel möchte er das ästhetische Verhalten am liebsten durch ein technifiziert-sportliches ersetzen. Sich selbst verkennt er als kühn und avantgardistisch, während noch seine äußersten Exzesse seit mehr als fünfzig Jahren von der ernsten Musik überboten und zur Konsequenz gebracht wurden. Andererseits bleibt der Jazz in entscheidenden Momenten wie der erweitert-impressionistischen Harmonik und der simpel-standardisierten Formgestaltung in engstem Umkreis befangen. Die unbestrittene Vorherrschaft der Zählzeit, der alle synkopischen Künste parieren müssen; die Unfähigkeit, Musik im eigentlichen Sinn dynamisch, als ein frei sich Entwickelndes zu denken, verleiht auch diesem Hörtypus den Charakter des Autoritätsgebundenen. Nur freilich hat er bei ihm eher die Gestalt des im Freudschen Sinn Ödipalen: Aufmucken gegen den Vater, dem die Bereitschaft, vor ihm sich zu ducken, schon innewohnt. Dem gesellschaftlichen Bewußtsein nach ist der Typus vielfach progressiv; er findet sich selbstverständlich am meisten in der Jugend, wird wohl auch vom teenager-Geschäft gezüchtet und ausgebeutet. Schwerlich hält der Protest lange vor; dauern wird bei vielen die Bereitschaft zum Mitmachen. Die Jazz-Hörer sind sich untereinander uneinig, und die Gruppen pflegen ihre besonderen Varietäten. Die technisch voll Sachverständigen schmähen die grölende Gefolgschaft des Elvis Presley als Halbstarke. Ob zwischen den Darbietungen, auf die jene und diese, als Extreme, ansprechen, wirklich Welten liegen, wäre durch musikalische Analyse nachzuprüfen. Auch solche, die sich verzweifelt anstrengen, den nach ihrer Ansicht reinen Jazz vom kommerziell verschandelten abzuheben, können nicht umhin, kommerzielle band leaders in den Bezirk ihrer Verehrung aufzunehmen. An die kommerzielle Musik gekettet ist der Jazzbereich allein schon durch das vorherrschende Ausgangsmaterial, die Schlager. Zur Physiognomik gehört hinzu das dilettantische Unvermögen, über Musikalisches in genauen musikalischen Begriffen Rechenschaft zu geben – ein Unvermögen, das sich vergebens mit der Schwierigkeit rationalisiert, das Geheimnis der Irregularitäten des Jazz dingfest zu machen, nachdem längst die Notation ernster Musik unvergleichlich viel diffizilere Schwankungen fixieren lernte. Die Entfremdung von der sanktionierten musikalischen Kultur schlägt in diesem Typus in ein vorkünstlerisch Barbarisches zurück, das umsonst als Aufbruch von Urgefühlen sich affichiert. Auch dieser Typus ist, selbst wenn man die dazu zählt, die den Führern als Mitläufer gelten, numerisch einstweilen bescheiden, aber er dürfte in Deutschland sich ausdehnen, wohl auch mit dem des Ressentiment-Hörers in nicht zu ferner Zeit verschmelzen.

Quantitativ der erheblichste aller Typen ist sicherlich derjenige, der Musik als Unterhaltung hört und nichts weiter. Dächte man lediglich an statistische Kriterien und nicht an das Gewicht einzelner Typen in der Gesellschaft und im Musikleben, und an typische Stellungen zur Sache, so wäre der Unterhaltungstypus der allein relevante. Selbst nach solcher Qualifikation dünkt es fraglich, ob angesichts seiner Präponderanz die Entwicklung einer weit darüber hinausgreifenden Typologie für die Soziologie sich lohnt. Anders stellt es erst sich dar, sobald man Musik nicht bloß als ein Für anderes, als soziale Funktion betrachtet, sondern als ein An sich, und am Ende die gegenwärtige soziale Problematik der Musik gerade mit dem Schein ihrer Sozialisierung zusammenbringt. Der Typus des Unterhaltungshörers ist der, auf den die Kulturindustrie geeicht ist, sei es, daß diese, nach ihrer eigenen Ideologie, ihm sich anpaßt, sei es, daß sie ihn erst schafft oder hervorlockt. Vielleicht ist die isolierte Frage nach der Priorität falsch gestellt: beides ist eine Funktion des Standes der Gesellschaft, in die Produktion und Konsum verflochten sind. Sozial wäre der Typus des Unterhaltungshörers dem viel bemerkten, allerdings durchaus nur aufs subjektive Bewußtsein beziehbaren Phänomen einer nivellierten Einheitsideologie zu korrelieren. Zu untersuchen wäre, ob die unterdessen beobachteten sozialen Differenzen in dieser Ideologie auch an den Unterhaltungshörern sich zeigen. Eine Hypothese wäre, daß die Unterschicht unrationalisiert der Unterhaltung sich überläßt, die obere sie idealistisch als Geist und Kultur zurechtstutzt und danach auswählt. Die höchst verbreitete gehobene Unterhaltungsmusik trüge diesem Kompromiß von Ideologie und tatsächlichem Hören recht genau Rechnung. Der Unterhaltungstypus ist vorbereitet in dem des Kulturkonsumenten durch den Mangel an spezifischer Beziehung zur Sache; Musik ist ihm nicht Sinnzusammenhang sondern Reizquelle. Elemente des emotionalen wie des sportlichen Hörens spielen herein. Doch ist all das plattgewalzt vom Bedürfnis nach Musik als zerstreuendem Komfort. Möglicherweise werden, beim Extrem dieses Typus, nicht einmal mehr die atomistischen Reize goutiert, Musik überhaupt kaum mehr in irgend faßlichem Sinn auch nur genossen. Die Struktur dieser Art des Hörens ähnelt der des Rauchens. Sie wird eher durchs Unbehagen beim Abschalten des Radioapparats definiert als durch den sei's auch noch so bescheidenen Lustgewinn, solange er läuft. Der Umfang der Gruppe derjenigen, die, wie man es oft genannt hat, von Radiomusik sich berieseln lassen, ohne nur recht hinzuhören, ist unbekannt; von ihm her aber fällt Licht auf den Gesamtbereich. Der Vergleich mit Süchtigkeit drängt sich auf. Süchtiges Verhalten hat generell seine soziale Komponente: als eine der möglichen Reaktionsbildungen auf die Atomisierung, die, wie Soziologen bemerkt haben, mit der Verdichtung des gesellschaftlichen Netzes zusammengeht. Der Süchtige findet mit der Situation des sozialen Drucks ebenso wie der seiner Einsamkeit sich ab, indem er diese gewissermaßen als eine Realität eigenen Wesens ausstaffiert: aus dem »Laßt mir meine Ruhe« macht er etwas wie ein illusionäres Privatreich, in dem er glaubt, er selbst sein zu können. Wie es jedoch die Beziehungslosigkeit des extremen Unterhaltungshörers zur Sache erwarten läßt, bleibt sein Innenreich selber ganz leer, abstrakt und unbestimmt. Wo diese Haltung sich radikalisiert, wo künstliche Paradiese sich bilden wie für den Haschischraucher, werden mächtige Tabus verletzt. Die Tendenz zur Süchtigkeit indessen ist den gesellschaftlichen Verfassungen eingeboren und nicht einfach zu unterdrücken. Resultanten des Konflikts sind all die Schemata des Verhaltens, welche das süchtige Bedürfnis abgeschwächt befriedigen, ohne die herrschende Arbeitsmoral und Soziabilität allzusehr zu beeinträchtigen: die zumindest nachsichtige Stellung der Gesellschaft zum Alkoholgenuß, die soziale Approbation des Rauchens. Musiksüchtigkeit einer Zahl von Unterhaltungshörern wäre des gleichen Sinnes. Sie heftet sich an die ohnehin affektiv besetzte Technologie. Der Kompromißcharakter könnte nicht drastischer sich zeigen als im Verhalten dessen, der gleichzeitig das Radio tönen läßt und arbeitet. Die dekonzentrierte Haltung dabei ist historisch vom Unterhaltungshörer längst vorbereitet und wird vom Material solchen Hörens vielfach unterstützt.

Die sehr große Zahl der Unterhaltungshörer rechtfertigt die Annahme, ihr Typus sei von der in der amerikanischen Sozialwissenschaft berüchtigten Art des miscellaneous. Er bringt wahrscheinlich sehr Heterogenes auf einen Nenner. Man könnte sich eine Anordnung vorstellen, die von dem, der nicht arbeiten kann, ohne daß das Radio dudelt, über den, der Zeit totschlägt und Einsamkeit paralysiert durch ein Hören, das ihm die Illusion des bei was auch immer Dabeiseins vermittelt, über die Liebhaber von Potpourris und Operettenmelodien, über die, welche Musik als Mittel der Entspannung werten, bis zu der nicht zu unterschätzenden Gruppe genuin Musikalischer führt, die durch ihren Ausschluß von der Bildung überhaupt und vollends der musikalischen und durch ihre Stellung im Arbeitsprozeß an der genuinen Musik nicht teilhaben und sich mit Stapelware abspeisen lassen. Unter sogenannten Volksmusikern in provinziellen Gegenden wird man solchen Menschen leicht begegnen. Meist jedoch sind die Repräsentanten des Unterhaltungstypus entschlossen passiv und wehren sich heftig gegen die Anstrengung, die Kunstwerke ihnen zumuten; in Wien etwa erhält seit Dezennien das Radio aus dieser Gruppe Briefe, die gegen die Sendung dessen protestieren, was ihnen, mit einem schauerlichen Ausdruck, opus-Musik heißt, und die auf der Bevorzugung der »Chromatischen« – nämlich der Ziehharmonika – bestehen. Rümpft der Kulturkonsument über leichte Musik die Nase, so ist es die Sorge des Unterhaltungshörers, daß man ihn nur ja nicht zu hoch stelle. Er ist ein seiner selbst bewußter low-brow, der aus seiner Durchschnittlichkeit eine Tugend macht. Der musikalischen Kultur zahlt er die Schuld heim, die sie gesellschaftlich auf sich geladen hat, indem sie ihn aus ihrer Erfahrung verscheuchte. Die spezifische Hörweise ist die der Zerstreuung und Dekonzentration, unterbrochen wohl von jähen Augenblicken der Aufmerksamkeit und des Wiedererkennens; diese Hörstruktur wäre möglicherweise sogar dem Laboratoriumsexperiment zugänglich; für ihre Primitivität ist der program analyzer das rechte Instrument. Schwer fällt es, den Unterhaltungshörer einer bestimmten sozialen Gruppe zuzuordnen. Die eigentliche Bildungsschicht wird in Deutschland zumindest der eigenen Ideologie nach von ihm sich distanzieren, ohne daß bewiesen wäre, daß die Mehrheit ihrer Angehörigen tatsächlich so viel anders hört. In Amerika fehlen derlei Hemmungen, auch in Europa werden sie sich lockern. Einige soziale Differenzierungen innerhalb der Unterhaltungshörer sind nach ihrem Lieblingsmaterial zu erwarten. So könnten etwa Jugendliche außerhalb des Jazzkults an den Schlagern sich delektieren, ländliche Bevölkerungsteile an der Volksmusik, mit der man sie überflutet. Das amerikanische Radio Research ist auf den gespenstischen Sachverhalt gestoßen, daß die von der Kulturindustrie hergestellte, synthetische Cowboy- und Hill Billy-Musik besonders beliebt ist in Gegenden, wo wirklich noch Cowboys und Hill Billies wohnen. – Der Unterhaltungshörer wird adäquat nur im Zusammenhang mit den Massenmedien Radio, Film und Fernsehen zu beschreiben sein. Psychologisch ist ihm eigentümlich die Ich-Schwäche: er applaudiert als Gast von Rundfunkveranstaltungen begeistert auf Lichtsignale, die ihn dazu animieren. Kritik an der Sache ist ihm so fremd wie die Anstrengung um ihretwillen. Skeptisch ist er bloß gegen das, was ihn zur Selbstbesinnung nötigt; bereit, sich mit seiner eigenen Einschätzung als Kunden zu solidarisieren; verstockt eingeschworen auf die Fassade der Gesellschaft, wie sie aus den Illustrierten ihm entgegengrinst. Ohne daß dieser Typus politisch profiliert wäre, konformiert er wie musikalisch so wohl auch in der Realität einer jeglichen Herrschaft, die seinen Konsumentenstandard nicht gar zu offensichtlich beeinträchtigt.

Ein Wort schließlich wäre zu sagen über den Typus des musikalisch Gleichgültigen, Unmusikalischen und Antimusikalischen, wenn anders man sie zu einem Typus zusammenstellen darf. Bei ihm handelt es sich nicht, wie das bürgerliche Convenu es möchte, um einen Mangel natürlicher Anlage, sondern um Prozesse während der frühen Kindheit. Die Hypothese sei gewagt, daß damals bei diesem Typus durchweg brutale Autorität Defekte hervorgebracht hat. Kinder besonders strenger Väter scheinen häufig unfähig zu sein, auch nur das Notenlesen zu lernen – übrigens die Voraussetzung menschenwürdiger musikalischer Bildung heute. Dieser Typus geht offenbar mit einer überwertig, man könnte sagen: pathisch-realistischen Gesinnung zusammen; ich habe ihn unter extremen technischen Spezialbegabungen beobachtet. Es würde aber auch nicht überraschen, wenn er, reaktiv, in Gruppen sich fände, die aus der bürgerlichen Kultur durch Bildungsprivileg und ökonomische Lage eximiert sind, gleichsam als Antwort auf die Entmenschlichung und zugleich als deren Bekräftigung. Was amusisch im engeren und weiteren Sinn gesellschaftlich bedeutet, ist noch nicht studiert; viel wäre daraus zu lernen.

Mißdeutungen meines Entwurfs mögen mit der Abwehr des Gesagten sich verbinden. Weder ist es meine Absicht, diejenigen, welche zu den negativ beschriebenen Hörtypen zählen, zu schmähen, noch das Bild der Realität zu verzerren, indem aus der fragwürdigen Verfassung des musikalischen Hörens heute ein Urteil über den Weltzustand abgeleitet würde. Sich geistig so zu gebärden, als wären die Menschen dazu da, richtig zu hören, wäre ein groteskes Echo des Ästhetizismus, so wie freilich umgekehrt die These, die Musik sei für die Menschen da, unter dem Schein der Humanität nur das Denken in Tauschkategorien befördert, das alles Seiende bloß als Mittel für anderes kennt und, indem es die Wahrheit der Sache entwürdigt, die Menschen selber trifft, denen sie nach dem Munde redet. Der herrschende Zustand, den die kritische Typologie visiert, ist nicht die Schuld derer, die so und nicht anders hören, und nicht einmal erst die des Systems der Kulturindustrie, das ihren geistigen Zustand befestigt, um ihn besser ausschlachten zu können, sondern gründet in gesellschaftlichen Tiefenschichten wie der Trennung geistiger und körperlicher Arbeit; der hoher und niedriger Kunst; später der sozialisierten Halbbildung; schließlich darin, daß ein richtiges Bewußtsein in einer falschen Welt nicht möglich ist und daß auch die gesellschaftlichen Reaktionsweisen auf Musik im Bann des falschen Bewußtseins stehen. Den sozialen Differenzierungen innerhalb des Entwurfs kommt kein gar zu großes Gewicht zu. Die Typen, oder viele von ihnen, werden, wie man im Jargon des Social Research so sagt, schräg durch die Gesellschaft schneiden. Denn in den Unzulänglichkeiten eines jeglichen spiegelt das gespaltene Ganze sich wider, ein jeder ist eher Repräsentant einer in sich antagonistischen Totalität als einer besonderen sozialen Spielart. Vollends griffe zu kurz, wer die Typen, und die Vormacht des Unterhaltungshörers, auf den unter den Massen so populären Begriff der Vermassung abziehen wollte. Im Unterhaltungshörer, gleichgültig, was an ihm das alte und was das neue Falsche ist, vereinigen sich nicht die Massen zum Aufstand wider eine Kultur, die ihnen im Angebot erst recht vorenthalten wird. Ihre Bewegung ist Reflexbewegung, das von Freud diagnostizierte Unbehagen in der Kultur, gegen diese gewandt. Darin steckt ebenso das Potential eines Besseren, wie in fast jeglichem der Typen auch, sei's noch so erniedrigt, Sehnsucht und Möglichkeit eines menschenwürdigen Verhaltens zur Musik, zur Kunst schlechthin überdauert. Kurzschlüssig freilich wäre es, solches Verhalten zur Kunst ohne weiteres einem unverstümmelten zur Realität gleichzusetzen. Der antagonistische Zustand des Ganzen drückt darin sich aus, daß auch musikalisch richtige Verhaltensweisen durch ihre Stellung im Ganzen fatale Momente zumindest zeitigen können. Was man tut, ist falsch. Der Experten-Hörer bedarf einer Spezialisierung wie wahrscheinlich nie zuvor, und der proportionale Rückgang des Typus des guten Hörers – falls er sich bewahrheiten sollte – wäre wohl Funktion dieser Spezialisierung. Sie aber wird oft erkauft mit schweren Störungen im Verhältnis zur Realität, mit neurotischen und selbst psychotischen Charakterdeformationen. So wenig diese, nach dem altmodischen Slogan von Genie und Wahnsinn, notwendige Bedingungen von Musikalität bedeutenden Stils sind, so auffällig sind doch der unreglementierten Erfahrung gerade bei sehr hochqualifizierten Musikern solche Defekte. Sicherlich ist es kein Zufall, sondern liegt im Zug der Spezialisierung selbst, daß viele von ihnen, sobald sie mit Fragen jenseits ihres Fachbereichs konfrontiert werden, naiv und borniert sich zeigen bis zur völligen Desorientiertheit und bis zur abwegigen Pseudo-Orientierung. Adäquates musikalisches Bewußtsein involviert nicht einmal unmittelbar adäquates künstlerisches Bewußtsein schlechthin. Die Spezialisierung reicht bis in das Verhältnis zu den verschiedenen Medien hinein; eine Gruppe junger avantgardistischer bildender Künstler gebärdete sich als Jazzfans, ohne daß ihnen die Niveaudifferenz bewußt geworden wäre. In Fällen solcher Desintegration ist freilich zu zweifeln, ob die scheinbar avancierten Intentionen stichhaltig sind. Keinem aus den verängstigten, eingefangenen, überforderten Millionen kann angesichts solcher Komplikationen mit dem Zeigefinger bedeutet werden, er hätte etwas von Musik zu verstehen oder wenigstens für sie sich zu interessieren. Auch die Freiheit, die davon dispensiert, hat ihren menschenwürdigen Aspekt, den eines Zustands, in dem Kultur nicht länger einem aufgebürdet wird. Der kann einmal mehr in der Wahrheit sein, der friedlich in den Himmel schaut, als einer, der richtig der Eroica folgt. Wohl aber nötigt das Versagen vor der Kultur zu Schlüssen über das Versagen der Kultur vor den Menschen und über das, was die Welt aus ihnen gemacht hat. Der Widerspruch zwischen der Freiheit zur Kunst und den düsteren Diagnosen des Gebrauchs solcher Freiheit – dieser Widerspruch ist einer der Realität, nicht erst des Bewußtseins, das sie analysiert, um zu ihrer Veränderung ein Geringes beizutragen.

 
Fußnoten

 

1 Der Begriff ist spezifiziert und entfaltet in: Theodor W. Adorno, Der getreue Korrepetitor. Frankfurt a.M. 1963, S. 39ff. [GS 15, s. S. 188ff.]

 

2 Vgl. Theodor W. Adorno, Dissonanzen. Göttingen 1963, S. 9ff. [GS 14, s. S. 14ff.].

 

3 Vgl. Theodor W. Adorno, Philosophie der neuen Musik. Frankfurt a.M. 1964, S. 182ff. [GS 12, s. S. 179ff.]

 

4 Vgl. Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Amsterdam 1947, S. 212ff. [GS 3, s. S. 204ff.]

 

5 Jürgen Habermas u.a., Student und Politik. Neuwied 1961, S. 171ff.

 

 

II. Leichte Musik

Der Begriff der leichten Musik liegt im Trüben der Selbstverständlichkeit. Daß jedem bekannt sei, was über ihn ergeht, wenn er unbedacht das Radio andreht, scheint von der Besinnung darüber zu befreien, was es ist. Das Phänomen wird zur hinzunehmenden, gleichsam unabänderlichen Gegebenheit, deren hartnäckige Existenz allein schon ihr Recht beweise. Die Aufsplitterung der Musik in zwei Sphären, wie sie längst von den Kulturverwaltungen sanktioniert ist, die eine Abteilung schlechtweg der U-Musik vorbehalten, beklagt man zwar gelegentlich wegen der angeblichen Verflachung des Allgemeingeschmacks oder wegen der Isolierung der oberen Musik von den Hörermassen. Aber der Mangel an Reflexion auf die leichte Musik selbst verhindert auch die Einsicht in das Verhältnis der mittlerweile zu starren Sparten fixierten Bereiche. Beide sind so lange schon getrennt und verflochten wie hohe und niedrige Kunst insgesamt. Diejenigen, welche durch ökonomischen und psychischen Druck von dem zurückgestoßen wurden, was als Kultur sich etabliert hat, und deren Unbehagen an der Zivilisation stets die Roheit des Naturzustands erweitert reproduziert, sind schon in der Antike, spätestens seit dem römischen Mimus mit eigens für sie präparierten Reizen abgespeist worden. Ihre niedrige Kunst war versetzt mit Resten jenes rauschhaft-orgiastischen Wesens, das die hohe im Zeichen fortschreitender Naturbeherrschung und Logizität aus sich ausschied. Umgekehrt hat die hohe Kunst, solange der objektive Geist noch nicht vollends von administrativen Zentren geplant und gesteuert wurde, im Gedächtnis ans Unrecht gegen die vielen, das in seinem eigenen Prinzip enthalten ist, und im Bedürfnis nach einem Anderen, dem formenden ästhetischen Willen Widerstrebenden, an dem dieser sich bewähren könnte, immer wieder, unwillkürlich oder absichtlich, Elemente der unteren Musik aufgesogen. Der alte Usus der Parodie, der Unterlegung profaner Melodien mit geistlichen Worten, bezeugt etwas davon. Bach hat selbst in Instrumentalwerken wie dem Quodlibet der Goldbergvariationen Anleihen unten nicht verschmäht. Vollends Haydn, der Mozart der Zauberflöte und Beethoven wären ohne die Wechselwirkung zwischen den bereits getrennten Sphären nicht vorzustellen. Das letzte Mal, daß sie sich wie auf schmalem Grat, in äußerster Stilisierung versöhnten, war Mozarts Zauberflöte; sehnsüchtig trauern diesem Augenblick noch Gebilde wie die Ariadne von Strauss und Hofmannsthal nach. Bis tief ins neunzehnte Jahrhundert hinein war leichte Musik zuweilen mit Anstand möglich. Die Phase ihres ästhetischen Verfalls ist eins mit der unwiderruflichen und beziehungslosen Lossage der beiden Bereiche voneinander.

Wenn der von Bildungsphilistern gegen die Moderne mit Vorliebe zitierte Begriff des Verfalls irgend sein Recht hat, dann in der leichten Musik. Er läßt mit Händen sich greifen und genau sich bestimmen. Bei Offenbach verband höchst originelle und doppelbödige Erfindung, bunte Phantasie, glücklich leichte Hand sich mit Texten, an deren sinnvollem Unsinn die Liebe von Karl Kraus entflammen durfte. Bei Johann Strauß, dessen eigentliche Kompositionsbegabung vielleicht die Offenbachs noch übertraf – wie genial ist das Thema des Kaiserwalzers wider das Gefälle des Walzerschemas erfunden –, kündigt der Niedergang sich an in den abgeschmackten Libretti ebenso wie in einer instinktunsicheren Neigung zum aufgedonnerten Opernwesen, der übrigens auch der Offenbach der Rheinnixen nicht widerstanden hatte. Allgemein ist die leichte Musik, bis hinauf zu Puccini, der ihrer Sphäre halbwegs angehört, um so schlechter, je prätentiöser sie sich gebärdet, und gerade die lauwarme Selbstkritik verführt sie immer wieder dazu. Ein Äußerstes an aufgeblasenem Schwachsinn stellt wohl die Goethe-Operette Friederike von Lehár, mit dem zugerichteten Mailied, dar. Was nach Offenbach und Strauß kam, hat ihr Erbe schnell vergeudet. Nach ihren unmittelbaren Nachfolgern, die noch etwas aus besseren Tagen hüteten wie Lecocq, kamen die abscheulichen Ausgeburten der Wiener, Budapester und Berliner Operette. Dem Geschmack bleibt es überlassen, ob man vom Budapester Schmalz oder von der Puppchen-Brutalität mehr abgestoßen wird. Aus dem schmutzigen Strom tauchte nur gelegentlich etwas locker Anmutiges auf wie manche Melodien von Leo Fall oder ein paar authentische Einfälle von Oscar Straus.

Sollte der Weltgeist in die leichte Musik sich verirrt haben, so hätte er an ihr einige Gerechtigkeit geübt. Operette und Revue sind abgestorben, freilich auf dem Sprung, in den Musicals fröhliche Urständ zu feiern. Man wird ihr Ende, wohl das drastischeste geschichtliche Phänomen aus der jüngeren Phase der leichten Musik, dem Vordringen und der technischen und ökonomischen Überlegenheit von Rundfunk und Film zuschreiben, ähnlich etwa wie der photographische Kitsch dem gemalten an die Gurgel ging. Aber die Revue ist auch aus dem Film verschwunden, der sie zu Anfang der dreißiger Jahre in Amerika absorbiert hatte. Dadurch wird das Vertrauen in den Weltgeist wiederum erschüttert: vielleicht war es gerade das Unrealistische und Imaginative an der Revue, das dem Massengeschmack gar nicht so sehr behagte. Jedenfalls war ihre tändelnde, von keiner falschen Logik gebändigte Gedankenflucht dem tragischen zweiten Finale ungarischer Operetten immer noch weit überlegen. Im Zeitalter der Commercials ergreift einen Heimweh nach den alten Broadway Melodies.

Die wahren Gründe für das Absterben der Operette europäischen Genres und der Revue herauszufinden, ist schwierig. Eine generelle soziologische Erwägung könnte wenigstens die Richtung bezeichnen. Jene musikalischen Typen hingen aufs engste mit der ökonomischen Sphäre der Zirkulation zusammen, und zwar, genauer, mit der Konfektionsbranche. Revuen waren nicht nur Entkleidungs- sondern auch Kleidervorführungen. Einer der größten Operettenerfolge ungarisch-wienerischen Schlages, das ›Herbstmanöver‹, das Kálmán berühmt machte, stammte unmittelbar aus dem Assoziationsfeld der Konfektion; noch im Zeitalter des Musicals war diese Beziehung, in shows wie ›Pins and Needles‹ oder ›The Pajama Game‹, spürbar. Wie Stab, Herstellungsweise und Jargon der Operette auf die Konfektion zurückverweisen, mochte sie auch auf Konfektionäre als ihr ideales Publikum schielen. Der Mann, der in Berlin auf den Anblick des zugleich entblößten und luxuriös behängten Stars mit den Worten »Na, das ist ja einfach fabelhaft!« reagierte, stammte, idealtypisch, aus der Kleiderbranche. Da nun diese, und andere Zirkulationsberufe zumindest in Europa, aus Gründen, die von der ökonomischen Konzentration bis zum totalitären Terror reichen, an Relevanz während der letzten dreißig Jahre Entscheidendes einbüßten, so haben jene Gattungen der angeblich leichten Muse etwas von ihrer realen Basis verloren. Das ist nicht nur in dem engen Sinn zu verstehen, daß die spezifische Schicht ausstarb, die sie einmal trug, sondern mehr noch in dem diffizileren, daß mit dem Verfall der Zirkulationssphäre auch Vorstellungsinhalte und Stimuli verblaßten, die weit in die Gesellschaft ausstrahlten, solange die Zirkulationssphäre Muster für den Erfolg individueller Initiative lieferte. Die Ontologie der Operette wäre die der Konfektion. Wie aber dies Wort heute bereits altmodisch klingt, so ist der seiner Sphäre entlehnte Typus von Unterhaltung verschlissen; als spekulierte er noch auf Reaktionen, mit denen in der unvergleichlich viel straffer organisierten Welt keiner mehr ihm antwortet. Ein detaillierter Vergleich zwischen der Operette zwischen 1900 und 1930 einerseits und dem Musical andererseits ergäbe wahrscheinlich Unterschiede, in denen am Objekt solche der wirtschaftlichen Organisationsform erscheinen. Das Musical ist, ohne daß künstlerisch, nach Gehalt und Mitteln, viel sich geändert hätte, gegenüber der Operette und der Revue streamlined. Angesichts der auf Hochglanz polierten und in Zellophan verpackten shows von heute wirken die Operetten und ihre Sippe schlampig, dabei auch, wenn man so sagen darf, zu sehr in Tuchfühlung mit ihrem Publikum, während das Musical die technologische Verdinglichung des Films gewissermaßen auf das musikalische Theater zurücküberträgt. Der internationale Triumph der Musicals, etwa der ›Fair Lady‹, die dabei musikalisch nicht einmal den vulgärsten Ansprüchen nach Originalität und Einfallsreichtum genügt, mag gerade damit zusammenhängen. Die Galvanisierung von musikalischer Sprache und genau, fast wissenschaftlich kalkulierten Effekten ist so weit getrieben, daß keine Lücke bleibt, daß das in einem verkaufstechnischen Sinn durchorganisierte Schaustück eben dadurch die Illusion des Selbstverständlichen und Natürlichen hervorbringt. Abgedichtet gegen alles, was anders wäre als sein Kosmos wohlgeplanter Wirkung, zeitigt es die Illusion von Frische, während die ältere Form, in der noch nicht alles klappt, Hörern, die auf der Höhe der Zeit sein wollen, naiv und verstaubt in einem vorkommt.

Der groben und drastischen Verfallsgeschichte von Typen und Formen leichter Musik steht eine eigentümliche Konstanz ihrer musikalischen Sprache gegenüber. Sie hält durchweg mit dem depravierten spätromantischen Vorrat haus; noch Gershwin ist eine talentvolle Transposition von Tschaikowsky und Rachmaninow in die Amüsiersphäre. An der Evolution des Materials, die seit mehr als fünfzig Jahren in der oberen Musik sich zutrug, hat die leichte bis heute nicht viel Anteil gehabt. Wohl sperrt sie sich nicht gegen Nouveautés. Aber sie bringt sie um Funktion und freie Entfaltung, indem sie sie, bis zu den scheinbar riskierten Dissonanzen mancher Jazz-Richtungen, als bloße Farbkleckse, als Aufputz der starr traditionellen Sprache hinzufügt. Weder haben sie über diese Macht, noch sind sie ihr nur recht integriert. Darum ist das Gerede von der Verwandtschaft mancher leichten Musik mit moderner so töricht. Selbst wo das Gleiche toleriert wird, bleibt es nicht das Gleiche, sondern wird zum Gegenteil durch Toleranz. Die orgiastische Erinnerungsspur auf dem Grunde der Offenbachischen Can-Cans oder selbst der Verbrüderungsszene der Fledermaus ist nicht mehr zu fürchten. Der verwaltete und veranstaltete Rausch hört auf, einer zu sein. Was immerzu als exzeptionell sich anpreist, stumpft ab: die Feste, zu welchen die leichte Musik ihre Anhänger unter dem Namen des Ohrenschmauses permanent einlädt, sind der triste Alltag.

In den fortgeschrittenen Industrieländern wird sie definiert von Standardisierung: ihr Prototyp ist der Schlager. Ein populäres amerikanisches Lehrbuch, wie man Schlager schreiben und verkaufen könne, hat das bereits vor dreißig Jahren mit entwaffnender Werbekraft gebeichtet. Der Hauptunterschied zwischen einem Schlager und einem ernsten oder, in der schönen Paradoxie der Sprache jener Autoren, einem Standardlied sei, daß Melodie und Gedicht eines Schlagers innerhalb eines unerbittlich strikten Schemas sich zu halten hätten, während ernste Lieder dem Komponisten freie, autonome Gestaltung gestatteten. Die Autoren des Handbuchs zögern nicht, der popular music, den Schlagern, das Autoprädikat custom built zuzuerkennen. Die Standardisierung erstreckt sich von der Gesamtanlage bis zu Einzelheiten. Grundregel ist, in der für die gesamte Produktion maßgebenden amerikanischen Praxis, daß der Refrain aus 32 Takten bestehe, mit einer bridge, einem zur Wiederholung überleitenden Teil in der Mitte. Standardisiert sind auch die verschiedenen Schlagertypen, nicht bloß, wie es plausibel und keineswegs neu wäre, die der Tänze, sondern ebenso Charaktere wie Mutterschlager, solche, die die Freuden des häuslichen Lebens zelebrieren, Unsinn- oder novelty-songs, Pseudo-Kinderlieder und Klagen um den Verlust einer Freundin, vielleicht der verbreitetste Typus von allen, für den in Amerika der sonderbare Name ballad sich eingebürgert hat. Vor allem müssen die metrischen und harmonischen Eckpunkte eines jeden Schlagers, Anfang und Ende also der einzelnen Teile, nach dem Standardschema geprägt sein. Es bestätigt die simpelsten Grundstrukturen, was immer auch an Abweichungen zwischen den Pfeilern passiert. Komplikationen bleiben konsequenzlos: der Schlager führt zurück zu ein paar bis zum Überdruß vertrauten Grundkategorien der Wahrnehmung, nichts eigentlich Neues darf unterlaufen, nur kalkulierte Effekte, welche die Immergleichheit würzen, ohne sie zu gefährden, und selber wiederum nach Schemata sich richten.

Wie stets der Schwachsinn den erstaunlichsten Scharfsinn aufbringt, sobald ein schlechtes Bestehendes zu verteidigen ist, haben die Sprecher der leichten Musik sich angestrengt, solche Standardisierung, das Urphänomen musikalischer Verdinglichung, des nackten Warencharakters, ästhetisch zu rechtfertigen und den Unterschied der gesteuerten Massenproduktion von der Kunst zu verwischen. So beeilen sich die Autoren jenes Handbuchs, die mechanischen Schemata der leichten Musik mit den strengen Postulaten kanonisch hochgesteigerter Formen gleichzusetzen. Es gebe in der Dichtung kaum eine verbindlichere als das Sonett, und dennoch hätten die größten Dichter aller Zeiten unsterbliche Schönheit – so heißt es wörtlich – in ihr enges Gerüst verwoben. Der Komponist leichter Musik habe die Möglichkeit, als ebenso talentiert und genial sich zu beweisen wie der unpraktische mit angeblich langen Haaren. Das Erstaunen, das Petrarca, Michelangelo und Shakespeare bei dem Vergleich ergriffen hätte, rührt die Autoren nicht; das waren gute Meister, doch lange tot. Solche Unerschütterlichkeit zwingt zum demütigen Versuch, den Unterschied der standardisierten Formen leichter Musik von strikten Typen der ernsten auszusprechen, als ob man nicht schon alle Hoffnung fahren lassen müßte, sobald es des Nachweises bedarf. Das Verhältnis der oberen Musik zu ihren geschichtlichen Formen ist dialektisch. Sie entzündet sich an ihnen, schmilzt sie um, läßt sie verschwinden und als verschwindende wiederkehren. Die leichte aber benutzt die Typen als leere Büchsen, in welche der Stoff hineingepreßt wird, ohne Wechselwirkung zwischen ihm und den Formen. Beziehungslos zu den Formen verkümmert er und straft zugleich die Formen, die kompositorisch nichts mehr organisieren, Lügen.

Die Wirkung von Schlagern, genauer vielleicht: ihre soziale Rolle, wird man umreißen dürfen als die von Schemata der Identifikation. Sie ist vergleichbar der der Filmstars, der Illustriertenkaiserinnen und der Schönheiten von Strumpf- und Zahnpastareklame. Nicht nur appellieren die Schlager an eine lonely crowd, an Atomisierte. Sie rechnen mit Unmündigen; solchen, die des Ausdrucks ihrer Emotionen und Erfahrungen nicht mächtig sind; sei es, daß Ausdrucksfähigkeit ihnen überhaupt abgeht, sei es, daß sie unter zivilisatorischen Tabus verkrüppelte. Sie beliefern die zwischen Betrieb und Reproduktion der Arbeitskraft Eingespannten mit Ersatz für Gefühle überhaupt, von denen ihr zeitgemäß revidiertes Ich-Ideal ihnen sagt, sie müßten sie haben. Sozial werden von den Schlagern entweder Gefühle kanalisiert, und dadurch anerkannt, oder sie erfüllen stellvertretend die Sehnsucht nach solchen. Das Element des ästhetischen Scheins, die Abhebung der Kunst von der empirischen Realität, wird in ihnen dieser zurückerstattet, indem der Schein im tatsächlichen psychischen Haushalt für das eintritt, was den Hörenden real versagt ist. Schlager werden, abgesehen von der jeweiligen Energie der Manipulation, zu Schlagern durch das Vermögen, weitgestreute Regungen zu absorbieren oder zu fingieren; reklamehafte Formulierungen des Textes, zumal seiner Schlagzeilen, sind daran nicht unbeteiligt. Ihre Bedeutung ist aber, nach amerikanischen Forschungsergebnissen, geringer als die der Musik selbst. Um diese sich zu vergegenwärtigen, mag man an recht verwandte Prozesse aus anderen Massenmedien denken, die des Wortes oder des gegenständlichen Bildes sich bedienen. Angesichts der steigenden Tendenzen zur Integration der Massenmedien insgesamt darf man von daher wohl auf die Schlagermusik zurückschließen. Der Hörer, der einen Schlager behält und wiedererkennt, wird dadurch, in einem imaginären, aber psychologisch sehr besetzten Bereich, zu dem Subjekt, für das idealiter der Schlager spricht. Als einer der vielen, die mit jenem fiktiven Subjekt, dem musikalischen Ich, sich identifizieren, fühlt er zugleich seine Isolierung gemildert, sich eingegliedert in die Gemeinde der fans. Wer so einen Song vor sich hinpfeift, beugt sich einem Ritual von Sozialisierung. Freilich ändert diese, über die momentane und unartikulierte subjektive Regung hinaus, nichts an seiner Vereinzelung. Es bedürfte außerordentlich subtiler, heute kaum auch nur abzusehender sozialpsychologischer Forschungsverfahren, um solche Sachverhalte in Hypothesen zu fassen, die zu bewahrheiten oder zu widerlegen wären. Daß Empirie so spröde sich macht gegen so plausible Theoreme, wird bedingt nicht nur von der Zurückgebliebenheit musiksoziologischer Ermittlungstechniken. Zu lernen ist daran, daß strukturell soziologische Einsichten überhaupt nicht stets und ohne weiteres in bündigen Einzelfeststellungen dingfest gemacht werden können.

Die um der Verkäuflichkeit willen unerbittlich kontrollierte Banalität der gegenwärtigen leichten Musik brennt ihrer Physiognomik das Entscheidende ein: das Vulgäre. Fast könnte man argwöhnen, eben daran seien die Hörer am eifrigsten interessiert: ihre musikalische Gesinnung hat wahrhaft das Brechtische »Ich will ja gar kein Mensch sein« zur Maxime. Was sie musikalisch an sie selbst, an Fragwürdigkeit und mögliche Erhebung der eigenen Existenz mahnt, ist ihnen peinlich. Gerade weil sie real von dem abgeschnitten sind, was sie sein könnten, ergreift sie Wut, wenn Kunst sie daran erinnert. Vollkommen trifft den Gegensatz zur leichten Musik die Frage Sigmunds in der Todesverkündigungs-Szene der Walküre: »Wer ist es, die so ernst und schön mir naht?« Der johlende, womöglich bereits einexerzierte Beifall steht im Zeichen dessen, was die vor Lachen Brüllenden Humor nennen. Der aber ist mittlerweile zum Allerschlimmsten geworden; schlimmer einzig Humorlosigkeit. Das Vulgäre der musikalischen Haltung; die Herabminderung aller Distanzen; die Insistenz darauf, nichts, womit man in Berührung kommt, dürfe besser sein oder für besser sich halten, als man selber ist oder sich einbildet zu sein, ist sozialen Wesens. Das Vulgäre besteht in der Identifikation mit der Erniedrigung, aus der das gefangene Bewußtsein, dem sie widerfuhr, nicht herausfindet. Hat die sogenannte niedrige Kunst der Vergangenheit solche Erniedrigung mehr oder minder unwillkürlich besorgt; ist sie stets Erniedrigten zu Willen gewesen, so wird Erniedrigung selber heute organisiert, verwaltet, die Identifikation mit ihr planvoll in die Gewalt genommen. Das und nicht, was Phrasen wie die von der Entseelung oder gar der hemmungslosen Sinnlichkeit den Branchen der leichten Musik vorwerfen, ist ihre Schmach.

Wo ernste Musik ihrem eigenen Begriff genügt, erlangt ein jegliches Detail seinen konkreten Sinn von der Totalität des Verlaufs, diese den ihren vom lebendigen Verhältnis der Einzelheiten, die einander sich entgegensetzen, sich fortsetzen, ineinander übergehen und wiederkehren. Wo die Form der Sache selbst von außen abstrakt diktiert wird, klappert, nach Wagners Satz, das Geschirr. Sicherlich fehlt es auch der ernsten Musik, in der Periode vom Generalbaßzeitalter bis zur Krise der Tonalität, nicht an Invarianten, auch nicht an peinlichen. Aber in guten Stücken gewinnen selbst die Topoi wechselnden Stellenwert, je nach der Konfiguration, in der sie stehen, und setzen sich nicht entfremdet dem spezifischen musikalischen Inhalt entgegen. Überdies hat man spätestens seit Beethoven die Invarianten bereits als problematisch gefühlt, während sie in der leichten Musik heute mit gebieterischer Unproblematik oktroyiert werden. Manche von Beethovens großartigsten Sätzen wie der erste der Appassionata oder der der Neunten Symphonie versuchen, das tektonische Element der Sonatenform, das nicht unmittelbar mehr eins ist mit dem musikalischen Fluß, aus diesem selbst zu entwickeln, die von der Tradition verlangte Wiederkehr des Gleichen als Resultat durchführender Dynamik zu legitimieren. In der historischen Entfaltung dieser Tendenz sind schließlich die Invarianten immer mehr zergangen. Die Geschichte der großen Musik während der letzten zweihundert Jahre war wesentlich Kritik eben jener Momente, welche komplementär dazu in der leichten Musik absolute Geltung beanspruchen. Diese ist, in gewissem Sinne, Bodensatz der musikalischen Geschichte.

Die Standardisierung der leichten Musik ist aber, um ihrer kruden Simplizität willen, nicht sowohl innermusikalisch zu deuten wie soziologisch. Sie zielt auf standardisierte Reaktionen, und ihr Erfolg, zumal der heftige Widerwille ihrer Anhänger gegen das, was anders wäre, bestätigt, daß es ihr gelang. Manipuliert ist das Hören leichter Musik nicht erst von den Interessenten, die sie herstellen und verbreiten, sondern gleichsam von ihr selbst, ihrer immanenten Beschaffenheit. Sie etabliert in ihrem Opfer ein System bedingter Reflexe. Dabei entscheidet nicht einmal der Gegensatz von Primitivem und Differenziertem. Einfachheit an sich ist weder Vorzug noch Mangel. In Kunstmusik aber, die den Namen verdient, wäre jegliches Detail, noch das einfachste, es selbst, keines beliebig durch andere zu ersetzen. Wo traditionelle Musik dem nicht genügt, genügt sie sich selbst nicht, auch wenn sie die berühmtesten Signaturen trägt. Im Schlager indessen sind die Schemata von dem konkreten Verlauf der Musik so getrennt, daß für alles ein anderes eintreten kann. Noch das Kompliziertere, dessen man zuweilen bedarf, wenn man nicht einer Langeweile verfallen will, welche die Kunden verscheucht, die aus Langeweile zur leichten Musik flüchten, steht nicht für sich ein, sondern als Ornament oder Deckbild, hinter dem das Immergleiche lauert. Fixiert ans Schema löst der Hörer die Abweichung sogleich wieder ins Allvertraute seiner eingeschliffenen Reaktionsweisen auf. Die Komposition hört für den Hörer, entfernt vergleichbar der Technik des Films, in der die gesellschaftliche Agentur des Kamera-Auges auf der Produktionsseite zwischen das Produkt und den Kinobesucher sich einschaltet und antezipiert, mit welchen Empfindungen er sehen soll. Spontaneität und Konzentration des Hörens dagegen werden von der leichten Musik, die das Bedürfnis nach Entspannung von den anstrengenden Arbeitsprozessen als ihre eigene Norm proklamiert, nicht gefordert, kaum nur geduldet. Man soll ohne Anstrengung, womöglich nur mit halbem Ohr hinhören; ein berühmtes amerikanisches Radioprogramm hieß ›Easy Listening‹, bequemes Hören. Man orientiert sich an Hörmodellen, unter die automatisch, unbewußt alles zu subsumieren ist, was in die Quere kommt. Unverkennbar die Analogie des dergestalt Vorverdauten mit den gedruckten ›Digests‹. Die geförderte Passivität fügt dem Gesamtsystem der Kulturindustrie als einem fortschreitender Verdummung sich ein. Nicht geht von den einzelnen Piècen unmittelbar ein verdummender Effekt aus. Aber der fan, dessen Bedürfnis nach dem ihm Aufgedrängten bis zur stumpfen Euphorie, dem traurigen Überbleibsel des alten Rausches, sich steigern mag, wird durchs Gesamtsystem der leichten Musik in einer Passivität geschult, die sich dann wahrscheinlich auch auf sein Denken und seine gesellschaftlichen Verhaltensweisen überträgt. Der umnebelnde Effekt, den Nietzsche von der Musik Wagners befürchtete, ist von der leichten in den Griff genommen und sozialisiert worden. Die subtil gewohnheitsbildende Wirkung steht im sonderbarsten Widerspruch zur Grobheit der Reize selbst. Insofern ist die leichte Musik, vor aller Absicht, die man etwa mit ihr oder gar den läppischen Texten verfolgt, Ideologie. Forschung könnte ihr ins Handwerk pfuschen, indem sie die Verhaltensweisen und den Habitus der ihr Verfallenen in anderen Bereichen analysiert; die rein musikalischen Reaktionen auf sie selbst sind vielfach zu unspezifisch und zu unartikuliert, als daß an ihnen allein sozialpsychologisch gar zu viel sich ausmachen ließe.

Man darf jedoch die Produktionsweise der leichten Musik, als eines Massenprodukts, nicht allzu buchstäblich wie die industrielle Massenproduktion sich vorstellen. Hochrationalisiert sind die Verbreitungsformen und eine Reklame, die zumal unterm amerikanischen Rundfunksystem für handfeste industrielle Interessen wirbt. Aber all das bezieht sich doch wesentlich auf die Sphäre der Zirkulation, nicht die der Herstellung. So sehr auch Züge wie die Zerlegung in kleinste Bestandstücke, die bruchlos dem Schema sich einpassen, oder die Teilung der Produzenten in Leute, die den angeblichen Einfall haben, solche, die den Schlager formulieren, in Texter, in Arrangeure die industrielle Arbeitsteilung beschwören, der Vorgang bleibt sozusagen handwerklich; zur vollen Rationalisierung, die leicht genug vorstellbar wäre und mit deren Idee bereits Mozart spielte; zur Komposition von Schlagern durch musikalische Rechenmaschinen ist es bis jetzt noch nicht gekommen. Die technologische Rückständigkeit macht sich ökonomisch bezahlt. Die Funktion des Ungleichzeitigen der Schlager, der Verbindung des Ausgekochten mit einem täppisch ungeschickten, halb dilettantischen Produzieren ist daraus zu begreifen, daß die leichte Musik, die sich selbst an nichts mißt als an ihrem sozialpsychologischen Effekt, um jenes Effekts willen einander widersprechende Desiderate erfüllen muß. Auf der einen Seite will sie die Aufmerksamkeit des Hörers aufstacheln, von anderen Schlagern sich unterscheiden, wenn sie sich verkaufen lassen, den Hörer überhaupt erreichen soll. Andererseits darf sie über das Gewohnte nicht hinausgehen, damit sie ihn nicht zurückstoße: sie muß unauffällig bleiben und jene Musiksprache nicht überschreiten, welche dem von der Produktion visierten Durchschnittshörer natürlich dünkt, also die Tonalität der romantischen Epoche, allenfalls angereichert durch impressionistische und spätere Akzidentien. Die Schwierigkeit, vor welcher der Hersteller leichter Musik steht, ist die, jenen Widerspruch auszugleichen, etwas zu schreiben, was einprägsam ist und allbekannt-banal zugleich. Dazu hilft das altmodisch individualistische Moment, das im Produktionsverfahren, willentlich oder unwillentlich, geschont wird. Es entspricht ebenso dem Bedürfnis nach dem jäh Auffallenden wie dem, die allherrschende Standardisierung, das Konfektionierte von Form und Gefühl, dem Hörer zu verbergen, der unablässig sich behandelt fühlen soll, als gelte das Massenprodukt ihm persönlich. Das Mittel dazu, eines der Konstituentien der leichten Musik, ist Pseudo-Individualisierung. Sie erinnert im kulturellen Massenprodukt an die Gloriole des Spontanen, auch des auf dem Markt frei nach dem Bedürfnis Auszuwählenden, während sie doch selbst der Standardisierung gehorcht. Sie täuscht über das Vorverdaute. Ein Extrem an Pseudo-Individualisierung sind die Improvisationen im kommerziellen Jazz, von denen der Jazz-Journalismus zehrt. Geflissentlich kehren sie die Erfindung des Augenblicks hervor, während sie innerhalb des metrischen und harmonischen Schemas in so enge Grenzen gebannt sind, daß sie selbst wiederum auf ein Minimum an Grundformen sich reduzieren ließen. Tatsächlich dürfte das weitaus meiste, was außerhalb der engsten Kreise von Jazz-Experten an Improvisationen aufgetischt wird, bereits vorprobiert sein. Pseudo-Individualisierung erstreckt sich nicht nur auf jene sondern auf den gesamten Bereich. Zumal die Sphäre des harmonischen und koloristischen Reizes, die von der leichten Musik eingeplant ist – schon die Wiener Operette vor dem Ersten Weltkrieg hatte eine klebrige Vorliebe für die Harfe –, befolgt die Regel, den Anschein des Unmittelbaren und Spezifischen zu erwecken, hinter dem nichts steht als die Routine des Harmonisierers und Arrangeurs. Man soll diese nicht unterschätzen. Überhaupt hat man sich bei den Schlagern vor einer Apologetik der Kultur zu hüten, die schwerlich mehr taugte als die der Barbarei. Wie die Standardformen der leichten Musik abgeleitet sind von traditionellen Tänzen, so waren diese vielfach standardisiert, längst ehe die kommerzielle Musik dem Ideal der Massenproduktion sich anbiederte; die Menuette minderer Komponisten aus dem siebzehnten Jahrhundert glichen einander so fatal wie die Schlager. Dafür gibt es, wenn man an ein hübsches Wort erinnern darf, das vor einem Menschenalter Willy Haas für die Literatur prägte, auch heute noch gute schlechte Musik neben all der schlechten guten. Unter dem Druck des Marktes wird viel genuine Begabung von der leichten absorbiert und kann selbst dort nicht ganz sich unterdrücken. Sogar in der durchkommerzialisierten Spätphase wird man, zumal in Amerika, immer wieder primären Einfällen, schön geschwungenen Melodiebögen, prägnanten rhythmischen und harmonischen Wendungen begegnen. Aber die Sphären lassen nur vom Extrem, nicht von den Übergängen her sich abgrenzen, wobei im übrigen selbst die begabtesten Eskapaden innerhalb der leichten Musik verunstaltet sind durch die Rücksicht auf diejenigen, welche darüber wachen, ob das Ding sich auch verkaufen lasse. Der Stumpfsinn wird scharfsinnig bedacht, von hochqualifizierten Musikern auf Touren gebracht. Ihrer finden sich im Gesamtbereich der leichten Musik viel mehr, als das Superioritätsgefühl der ernsten gern zugesteht: in Amerika vor allem unter den Arrangeuren, auch unter Schallplattenexperten, band leaders und anderen Gruppen. Sie präsentieren den Analphabetismus, auf den als Basis nicht verzichtet werden kann, so, daß er gleichzeitig dernier cri und womöglich kultiviert sich anhört, vor allem aber, daß er, nach einem gar nicht so leicht zu treffenden Ideal, gut klingt. Dazu muß einer Metier haben. Zuweilen – wie bei dem in den zwanziger Jahren berühmten Vokal-Ensemble der Revellers – formieren sich krasse Mißverhältnisse zwischen den minderen Kompositionen und einer Wiedergabe, die sich vor der fortgeschrittenen kammermusikalischen Praxis nicht zu genieren braucht. Die Präponderanz von Mitteln über Zwecke, die in der Kulturindustrie insgesamt waltet, manifestiert sich in der leichten Musik als Verschwendung von Interpreten bedeutenden Ranges an Produkte, die ihrer unwürdig sind. Daß so viele, die es besser wüßten, sich derart mißbrauchen lassen, hat selbstverständlich ökonomische Gründe. Ihr schlechtes Gewissen jedoch schafft ein Klima, in dem dann giftige Rancune gedeiht. Mit zynischer Naivetät, doch nicht ohne abscheuliches Recht redet man sich ein, man habe den wahren Geist der Zeit gepachtet.

Diesen Anspruch meldet zumal der Jazz an. Die überwiegende Menge alles dessen, was dem öffentlichen Bewußtsein dafür gilt, ist der Pseudo-Individualisierung zuzurechnen. Seine seit bald fünfzig Jahren unveränderte Grundidee ist solchen Schlages. Jazz, auch in seinen raffinierteren Formen, gehört der leichten Musik an. Nur die Unsitte, aus allem und jedem eine hochtrabende Weltanschauung zu machen, vernebelt das in Deutschland und installiert ihn als heilig-unheiliges Gut, die Norm dessen, was gegen die musikalische Norm zu rebellieren wähnt. Innerhalb der leichten Musik hat der Jazz fraglos seine Meriten. Er hat gegenüber der Idiotie der von der Operette nach Johann Strauß abgeleiteten leichten Musik technische Fertigkeit, Geistesgegenwart, die sonst von der leichten Musik abgebaute Konzentration, auch klangliches und rhythmisches Differenzierungsvermögen geschult. Das Klima des Jazz hat die teenagers von dem sentimentalen Muff der Gebrauchsmusik ihrer Eltern befreit. Zu kritisieren ist der Jazz erst, wenn die zeitlose Mode, von Interessenten organisiert und multipliziert, sich als modern, womöglich als Avantgarde verkennt. Was an Reaktionsformen der Epoche in den Jazz einging, wird in ihm nicht reflektiert und in Freiheit zum Sprechen gebracht, sondern in ergebener Zustimmung verdoppelt. Nach wie vor bleibt der Jazz das, als was einer seiner zuverlässigsten amerikanischen Kenner, Winthrop Sargeant, ihn vor etwa dreißig Jahren einmal charakterisierte, eine »get together art for regular fellows« – eine sportlich-akustische Veranstaltung, um Normalbürger zusammenzubringen. »Der Jazz betont«, so fährt Sargeant in dem Buch ›Jazz, Hot, and Hybrid‹ fort, »konformierende Regelhaftigkeit, indem er das individuelle Bewußtsein in einer Art massenhafter Selbsthypnose untergehen läßt. Gesellschaftlich unterwirft sich im Jazz der individuelle Wille, und die Einzelnen, die daran teilhaben, sind nicht nur gleich, sondern virtuell ununterscheidbar.« Die gesellschaftliche Funktion des Jazz stimmt überein mit seiner eigenen Geschichte, der einer von der Massenkultur rezipierten Häresie. Sicherlich steckt im Jazz das Potential eines musikalischen Ausbruchs aus der Kultur für diejenigen, die sei's zu dieser nicht zugelassen waren, sei's sich ärgerten an ihrer Verlogenheit. Aber immer wieder ist der Jazz von der Kulturindustrie und damit von der musikalischen und gesellschaftlichen Konformität aufgefangen worden; berühmte Stichworte seiner Phasen wie swing, be-bop, cool jazz sind zugleich Reklameslogans und Male jenes Absorptionsprozesses. Unter den Voraussetzungen und mit den Mitteln der eingespielten leichten Musik läßt diese so wenig von innen her sich sprengen, wie die Sphäre leichter Musik selber über sich hinausweist.

Man unterstellt noch allzu gutgläubig die Gültigkeit der Kriterien autonomer musikalischer Produktion für die leichte Musik und ihre mehr oder minder gehobenen Varianten, solange man diese überhaupt ihrer eigenen kompositorischen und selbst psychologischen Zusammensetzung nach interpretiert. Die Präponderanz ihres Warencharakters über jeglichen ästhetischen verschafft sozial den Verteilungsmechanismen zumindest das gleiche Gewicht wie dem Verteilten. Jeder einzelne Schlager ist die Reklame seiner selbst, die Anpreisung seines Titels, so wie in den amerikanischen gedruckten Schlagernoten die Stichworte, die den Titel wiederholen, unter den Noten meist durch große Buchstaben hervorgehoben werden. Die gesamte U-Musik hätte schwerlich ihren Umfang und ihre Wirkung ohne das, was man in Amerika plugging nennt. Die zu best sellers auserkorenen Schlager werden in die Hörer wie mit Eisenhämmern so lange hineingerammt, bis sie sie wiedererkennen müssen und, wie die kompositorischen Reklamepsychologen richtig sich ausrechnen, darum lieben. Die Institutionen der hit parades, Schlagerbörsen und wie sie sich sonst annoncieren, sind dafür prototypisch; kaum läßt mehr sich unterscheiden, was von den Schlagern wirklich, wie man hierzulande sagt, ankam und was darum dem Publikum als Liebling präsentiert wird, oder was nur dank einer Präsentation ankommt, die so tut, als wäre es schon vollbracht. Doch ist, trotz aller Kalkulation, dem undifferenzierten Material gegenüber nicht undifferenziert zu denken. Damit ein Schlager zum Erfolg werde, muß er Minimalforderungen erfüllen. Charakteristika vom Schlag des in der oberen Musik längst problematisch gewordenen Begriffs des Einfalls müssen ihm wohl eignen; aber in realitätsgerechter Proportion zum Allvertrauten. Das Studium dieser Strukturen, durch musikalische Schlageranalysen ebenso wie durch Publikumserhebungen, sollte eine sinnvolle Musiksoziologie verlocken.

Die Kenntnis der sozialen Mechanismen, die über Auswahl, Verbreitung und Wirkung entscheiden, insbesondere der Hochdruckreklame, der Douglas McDougald eine Spezialuntersuchung widmete, könnte leicht dazu verleiten, die Wirkung leichter Musik als total prädeterminiert vorzustellen. Die erfolgreichen Schlager wären danach einfach »gemacht« durch die Massenmedien, ohne daß der Geschmack der Hörer dabei ins Gewicht fiele. Diese Auffassung wäre, selbst unter den gegenwärtigen Bedingungen der Konzentration kulturindustrieller Macht, zu simpel. Sicherlich ist die Aufführungspraxis durch Rundfunk und Grammophon eine notwendige Bedingung dafür, daß ein Schlager zu einem wird; was nicht die Chance hat, einen breiten Hörerkreis zu erreichen, wird schwerlich von einem solchen favorisiert werden. Aber diese notwendige Bedingung ist keine zureichende. Zunächst müssen einmal Schlager, damit sie Erfolg haben können, im allgemeinen den im Augenblick gängigen Spielregeln genügen. Kompositionstechnische Fehler verschlagen dabei wenig; wohl aber scheidet Material aus, dessen Habitus von vornherein gegen das verstößt, was gerade üblich ist; vor allem also, was offensichtlich einer als passé deklarierten Mode angehört oder was wesentlich modernere Mittel verwendet als die durchweg gewohnten. So gewiß die normativen Moden zunächst manipuliert sind, haben sie doch die Tendenz, in Reaktionsweisen des Publikums sich umzusetzen, und es mißt an ihnen rasch, quasi spontan, was ihm aufgezwungen wird, vielleicht weil es in der Insistenz auf den modischen Standards etwas wie einen Rest von Entscheidungsfreiheit zu besitzen wähnt. Nicht genug daran jedoch, gibt es auch bei Schlagern, bei Musik, die kaum zur Kunst rechnet, eine spezifische, sehr schwer zu umschreibende Qualität, die von den Hörern honoriert wird. Die sogenannten Evergreens, Schlager, die nicht zu veralten scheinen und die Moden überstehen, bezeugen die Existenz dieser Qualität; es lohnte den Versuch, einmal der Geschichte solcher Evergreens nachzugehen und zu prüfen, wie weit sie durch die Selektion der Kulturindustrie geschaffen werden und wie weit sie aus Eigenem sich erhielten, durch Eigenschaften, die sie von den ephemeren Produkten jedenfalls über gewisse Zeiträume hin unterscheiden. Zunächst freilich beruht ihre von der Kulturindustrie exploitierte Unverwüstlichkeit auf dem Primat der Wirkung über die Sache in der gesamten Sphäre. Was der vulgäre Empirismus mit Kunst verwechselt, ist der vulgären, leichten angemessen. Stellt jener die Kunst als eine battery of tests, als ein Agglomerat von Reizen sich vor, über welche nur durch Beobachtung und Aufbereitung der Reaktionen von Versuchspersonen etwas auszumachen sei – wer etwas von der Sache selbst versteht, sei nur ein Spezialfall der Kategorie Versuchsperson –, so ist jeder Schlager tatsächlich eine sozialpsychologische Versuchsanordnung, Schema und Auslöser möglicher Projektionen, Triebregungen und behaviours. Die Evergreens mobilisieren hebelartig in jedem einzelnen dessen private erotische Assoziationen. Diese sind darum der allgemeinen Formel so willfährig, weil sie selber in ihrer Blüteperiode gar nicht so privat waren und erst der sentimentalen Erinnerung mit der individuellen Existenz sich fusionieren. Der Mechanismus der Evergreens selber wird von einer besonderen, unermüdlich gepflegten Gattung nochmals synthetisch in Gang gesetzt, jenen Schlagern, die in Amerika als nostalgia songs rangieren. Sie mimen Sehnsucht nach vergangenen, unwiederbringlichen Erlebnissen, all den Konsumenten zugedacht, die wähnen, in der Erinnerung an eine fiktive Vergangenheit das Leben zu gewinnen, das ihnen versagt ward. Trotzdem ist jene spezifische Qualität der Evergreens – auf der übrigens der hartnäckige Anspruch der leichten Musik beruht, Ausdruck ihrer Zeit zu sein – nicht stur abzuleugnen. Man wird sie in einer paradoxen Leistung suchen dürfen: nämlich mit einem völlig abgegriffenen und nivellierten Material musikalisch, vielleicht auch expressiv etwas Spezifisches und Unverwechselbares zu treffen. Das Idiom ist in solchen Produkten zur zweiten Natur geworden, die so etwas wie Spontaneität, Einfall, Unmittelbarkeit zuläßt. Verdinglichung als Selbstverständlichkeit schlägt in Amerika zuweilen ohne Zwang in den Schein von Humanität und Nähe um, und er ist nicht nur Schein. Man mag daran, soziologisch, etwas lernen über hohe und niedrige Musik. In der leichten findet eine Qualität ihr Refugium, die in der oberen verlorenging, aber ihr einmal wesentlich war, und für deren Verlust sie vielleicht sehr zu zahlen hat: die des relativ selbständigen, qualitativ verschiedenen Einzelmoments in der Totalität. Ernst Krenek und andere haben darauf hingewiesen, daß die Kategorie des Einfalls, die keine psychologische, sondern eine phänomenologische ist, in der oberen Musik an Dignität verliert; es ist, als wolle die untere, ohne es zu wissen, dafür kompensieren. Die paar wirklich guten Schlager sind eine Anklage gegen das, was die Kunstmusik, indem sie zu ihrem eigenen Maß sich machte, einbüßte, ohne daß es bei ihr stünde, diese Einbuße willkürlich wettzumachen. Angeregt seien Versuche, die vom plugging unabhängigen Kriterien dafür, ob etwas ein Schlager wird, zu ermitteln. Ein Gremium musikalisch voll Zuständiger, die nichts von den gängigen Popularitätslisten wissen und überhaupt mit dem Markt nicht vertraut sein dürften, müßte kurrente Schlager sich anhören und erraten, welche die erfolgreichsten sind. Die Hypothese wäre, daß sie weithin das Richtige treffen. Sie hätten dann im einzelnen anzugeben, was nach ihrer Ansicht die Gründe sind, und es wäre dann zu untersuchen, ob nicht erfolglose Songs jener Qualität ermangeln. Ein solches Kriterium wären etwa plastische, akustische Kurven – wie in dem amerikanischen Evergreen ›Deep purple‹ –, die doch streng innerhalb des approbierten Idioms verblieben. Aber in allen möglichen musikalischen Dimensionen kann Charakteristisches gefunden werden. Wenn der kommerzielle Betrieb vom Schlagerkomponisten Unvereinbares verlangt: er solle zugleich das Allbekannte und das zu Behaltende, also von allem Verschiedene schreiben, dann sind die qualitativ gelungenen Schlager wohl jene, in denen diese Quadratur des Zirkels geleistet ist, und eindringende Schlageranalysen hätten das genau zu beschreiben.

Die qualitas occulta der Schlager ist ein Grenzwert der Reklame, in die sie eingebettet sind und die bei den erfolgreichsten Schlagern zu deren eigener Substanz wurde. Unablässig wird für das geworben, wonach ohnehin die lechzen, auf die man es abgesehen hat. Mitveranlaßt mag das sein durch deren Ambivalenz. Sie widerstehen nicht nur dem musikalisch Ernsten, sondern sträuben sich insgeheim gegen die eigenen Favoriten. Ihr Widerstand entlädt sich in dem Gelächter, das die fans über alles nach ihrer Ansicht Veraltete anstimmen. Rasch nehmen sie Schlager als corny, abgestanden-hausbacken wahr wie die Kleider, in die vor zwanzig oder dreißig Jahren die damaligen Sex-Bomben verpackt waren. Daß es ihnen immer wieder versichert wird, hat den Grund aller Reklame: das Bedürfnis, dem die Hersteller sich zu beugen behaupten, unermüdlich anzufachen. Schwerlich ist diesen der Verdacht fremd, daß die Abnehmer ihren eigenen Enthusiasmus nicht durchaus glauben. Um so eifriger wird nicht nur der einzelne Schlager, sondern die ganze Sphäre vom Reklameapparat erfaßt. Er verfährt dabei nach dem Grundhabitus der Kulturindustrie, der Affirmation des Lebens, wie es ist. Tautologisch wird der in ihr konzentrierten gesellschaftlichen Verfügungsgewalt Tribut gezollt. Daß dieser affirmative Gestus wohl unbewußt bleibt, macht ihn sozial kaum harmloser als den analogen der verbalen Medien. Nur dem registrierenden Blick von Kulturverwaltungen wird leichte Musik zur unschuldig gleichberechtigten Sparte neben anderen. Sie ist objektiv unwahr und hilft das Bewußtsein derer verstümmeln, die ihr ausgeliefert sind, so schwer auch die Verstümmelung an Einzeleffekten zu messen ist. Daß aber das Massenphänomen der leichten Musik Autonomie und selbständiges Urteil untergräbt, Qualitäten, deren eine Gesellschaft von Freien bedürfte, während vermutlich die Majoritäten aller Völker über einen Entzug der leichten Musik als über einen undemokratischen Eingriff in ihre verbrieften Rechte sich entrüsteten – das ist ein Widerspruch, der zurückweist auf den gesellschaftlichen Zustand selber.

 
Gesammelte Werke
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