Alban Berg: Oper und Moderne

 

Beschäftigt man sich in einer längeren Sendung mit dem Werk eines einzelnen Komponisten, indem man sowohl über ihn redet wie ausführliche musikalische Beispiele und einige seiner Sätze vollständig gibt, so kann der Sinn eines solchen Beginnens nur sein, dem breiten Publikum das Spezifische jenes Komponisten zum Bewußtsein zu bringen. Man muß um seine Charakteristik sich bemühen. Nicht etwa geht es um seine geschichtliche Einordnung sondern beinahe um deren Gegenteil. Indem man gleichsam seinen Namen nennt, muß man trachten, seine Aktualität herauszuarbeiten. Bei Alban Berg, meinem vor nun 34 Jahren verstorbenen Lehrer und Freund, ist das deshalb besonders dringlich, weil er zum allgemeinen musikalischen Bewußtsein der Gegenwart quer steht. Unter den Musikern, zumal den fortgeschrittenen, halten nicht wenige ihn für überholt: zu Unrecht, wie ich hoffe, Ihnen zu zeigen. Den Nichtfachleuten gilt er dafür immer noch als unverständlicher, womöglich chaotischer, zerfasernder Neutöner. Nun ist seine Musik gewiß immer noch neu genug, aber alles andere als unverständlich; und zu ihrem Verständnis möchte ich etwas beitragen.

Als Verfahren habe ich mir vorgenommen, von einer verhältnismäßig einfachen, wenn Sie wollen, allgemeinen Bestimmung auszugehen, um dann, indem ich aus ihr heraushole, was darin steckt, zur Konkretisierung der Musik und der Gestalt Bergs fortzuschreiten und schließlich Ihnen ein Bewußtsein davon zu übermitteln, worin das – fast möchte ich sagen: unverwelkliche – Moderne Bergs besteht. Jene allgemeinste Bestimmung ist, daß Berg der Opernkomponist der sogenannten zweiten Wiener Schule war. Das ist die Arnold Schönbergs, bei dem er studierte, und dem er sein Leben lang verbunden blieb. Nehmen Sie dabei sowohl den Begriff des Opernkomponisten wie den der zweiten Wiener Schule schwer genug, so werden Sie vielleicht am raschesten zum Wesentlichen an Berg gelangen. Ich habe den leise altertümlichen Begriff des Opernkomponisten mit Bedacht gewählt. Nach einer in anderem Zusammenhang geprägten Wendung von Brecht wäre zu sagen, daß Berg Opern für Opernhäuser schrieb, also umfangreiche, nach üblicher Rede abendfüllende Gebilde, mit großem Apparat für eine große Bühne. Sie sind zwar auf kein Publikum zugeschnitten, machen keine Konzessionen, rechnen aber stillschweigend doch mit einem, demselben etwa, das die beiden revolutionären Werke von Richard Strauss, Salome und Elektra, einigermaßen akzeptierte. Fortgeschritten war Berg zwar seinem musikalischen Bewußtsein nach, aber nicht geplagt von Zweifeln an der Opernform als solcher, ihrem humanen Gehalt, selbst ihrem repräsentativen Auftreten. Dieser Ansatz Bergs ist nicht so selbstverständlich wie er zunächst erscheint. Jahre schon, ehe Berg seine erste Oper, den Wozzeck, in Angriff nahm, hatte Schönberg, in seiner radikalsten Phase, die Unangemessenheit der Opernform an die Idee neuer Musik gespürt, die ihm sich auskristallisierte. In zwei Bühnenwerken tastete Schönberg unverkennbar nach einer anderen Art musikalischen Theaters als der überkommenen: in dem Monodram »Erwartung« und dem Drama mit Musik »Glückliche Hand«. Beide Stücke sind viel kürzer, als es mit den traditionellen Vorstellungen von der Oper, auch der vom sogenannten Einakter, vereinbar ist. Im einen singt nur eine Person, im anderen wird überhaupt nur fragmentarisch gesungen, es nähert sich der Pantomime. Ähnliche Bestrebungen opernreformatorischen Sinnes hat etwas später, doch gleichfalls vor dem Wozzeck, Schönbergs Antipode Strawinsky verfolgt in der »Geschichte vom Soldaten« und dem »Fuchs«, Mischformen zwischen Drama und Ballett, die vom entgegengesetzten Pol aus, wenn auch mit musikalisch weniger geschärften Mitteln, der großen Oper und dem Wagnerschen Musikdrama ebenso energisch zu Leibe rücken wie Schönberg. Von diesen Bestrebungen zeigte Berg, nicht nur im Wozzeck sondern auch noch in seiner zweiten Oper, der unvollendeten Lulu, sich unberührt. Tatsächlich schrieb er im Zusammenhang mit der seinerzeit heftigen Kontroverse über den Wozzeck einmal, nichts läge ihm ferner als die Opernform zu reformieren. Man wird ihm kaum Unrecht tun, wenn man sagt, daß er – nicht nur die Privatperson sondern das künstlerische Subjekt hinter seinen Werken – Opern komponieren wollte von der Gewalt, der Authentizität, der Menschlichkeit dessen, wozu die Form in der Vergangenheit sich erhoben hatte, in Figaro, Don Juan, Fidelio; zwar aus der seitdem veränderten Erfahrungsweise heraus, aber ohne das Wesen der Oper in Frage zu rücken. Insofern ist von Anbeginn in Berg ein traditionalistisches Element enthalten. Zugleich jedoch fühlte er, nach Schulung und Naturell, den Zwang, das Wagnerische musikdramatische Modell, das er nie preisgab, aus dem fortgeschrittensten musikalischen Bewußtsein heraus zu behandeln. Nicht daß er alten Wein in neue Schläuche hätte gießen mögen; dazu war sein künstlerisches Sensorium, im nachdrücklichen Sinn, zu gebildet. Er wußte wohl, wie sehr, was man Form und was man Inhalt einer Kunst nennt, durcheinander vermittelt ist und nicht, wie der Philister glaubt, voneinander ablösbar. Man dürfte seine Intention am besten damit treffen, daß er der Wagnerschen Forderung genügen wollte, die Musik solle ganz mündig werden – auch die dramatische. Hinter solcher Mündigkeit mußte für sein avanciertes Bewußtsein und seine avancierte Technik die herkömmliche Oper zurückbleiben. Sie auf den vollen Standard der Zeit zu bringen, bedeutete, sie wirklich, in sich sowohl wie im Verhältnis zum Text, so zwingend, ohne jede Anleihe bei Schablonen, durchzuorganisieren, wie es von Wagner kompositorisch nicht durchaus vollzogen war. An Strauss, dessen Salome und dessen Elektra schließlich der Oper Wozzeck am nächsten kamen, bemängelte Berg eine gewisse Oberflächlichkeit und technische Inkonsequenz. Für Berg hieß modern soviel wie die Verpflichtung zu rücksichtslos durchformendem kompositorischen Verfahren, in einer alle konventionellen Vorstellungen übersteigenden Verantwortung für jede Note, jeden Zusammenhang, jede Struktur. Das ist um so mehr hervorzuheben, als Berg Dramatiker war, nicht nur weil der Schwerpunkt seines Schaffens in der Opernproduktion lag, sondern weil ihm eine schlagende dramaturgische Begabung, ein flair für die Bühne eignete, wie es allein schon seine Texteinrichtungen, vollends die Fiber seiner Werke bezeugt. Die nach üblicher Ansicht konzilianteste musikalische Gattung wird mit der unkonziliantesten künstlerischen Haltung konfrontiert. Wirklich war Berg konziliant und inkonziliant in eins.

Sie mögen von diesen zunächst noch etwas allgemeinen, quasi stilgeschichtlichen Erwägungen ins Zentrum von Bergs kompositorischem Wesen sich geleiten lassen. In ihm verschränkt sich das Avancierte und das Vergangene wie bei keinem anderen zeitgenössischen Komponisten von vergleichbarem Rang. Das Vergangene: das ist bei ihm nicht ein Vorrat älterer Formen und Floskeln, den er wie Hindemith oder Strawinsky beschworen hätte, um das emanzipierte kompositorische Material von außen her, willentlich zusammenzuhalten. Solche Heteronomie der Form hat Berg stets verschmäht. Für den Neoklassizismus kannte er nichts als Spott. Vielmehr war das Element des Vergangenen bei ihm die musikalische Bilderwelt der Eltern. So mag ein Kind sie empfangen, das in der Hofoper den Vorrat, den sie klassisch nennen, vor allem auch Wagner, bis ins Unbewußte hinein sich zueignet. Modern aber ist Bergs aus jenem Fundus reichster Bilderwelt gespeiste Sensibilität und Differenziertheit. Sie steigert sich bis zur Kraft der Auflösung, der Dissoziation. Um sich zu realisieren, bedarf sie jener aufs äußerste bewußten kompositorischen Technik, die er bei Schönberg erlernte, und die im übrigen ihrerseits weniger auf Wagner als auf die motivisch-thematische Arbeit des Wiener Klassizismus, Beethoven zumal und Brahms, zurückdatiert. An ihr wiederum gewinnt Bergs fin de siècle-Sensibilität ihren Halt. Wie jenes Vergangene und dies bis zur Selbstentäußerung sich Vorwagende bei Berg aneinander sich abarbeiten, das eigentlich macht, im großen gesehen, aus, was in seinen Werken sich zuträgt.

Vor allem anderen ist an ein Moment zu denken, das fast im gesamten Werk Bergs, keineswegs bloß in den Opern, sich behauptete: das Verhältnis weit ausgedehnter Strukturen zu bis ins kleinste gehender, zuweilen wuselnder Detailarbeit. Die gespannte Zugehörigkeit des einen zum anderen ist das prägnanteste Charakteristikum seines Werkes. Zwar hat er der Tendenz zur Zusammenziehung in äußerst konzentrierte Kurzformen, wie sie von einigen Stücken Schönbergs ausging und Webern sein Leben lang beherrschte, keineswegs sich entzogen. Einige der Altenberglieder und der Klarinettenstücke nähern sich der Miniatur an. Aber schon ehe er diese Moments musicaux schrieb, hatte er sein Erstes Streichquartett vollendet, vermutlich das erste Stück, das das Prinzip der Atonalität, eine völlig vom Dreiklangssystem abgelöste und nach deren Kriterien durchweg dissonante Harmonik und die ihr zugeordnete Melodiebildung aus vielfach weiten Intervallen, auf die Instrumentalkomposition anwendete. Niemand dachte damals an die Sicherungen der Zwölftontechnik. Insofern ist Bergs Erstes Quartett ein Einzigartiges und bis heute als solches kaum gesehen worden. Die Übertragung einer voll emanzipierten Sprache auf lange Sätze ist der Bergschen Art, Musik anzuschauen, sehr gemäß: in ihr verbindet sich der Atem der Oper mit mikrologischer Genauigkeit. Im Ersten Quartett bereits, zumal im zweiten Satz, wird die sehr extensive Form von einem Verfahren durchpflügt, das zwar unverkennbar von der motivisch-thematischen Arbeit herstammt, aber doch von deren Begriff nicht gedeckt wird. Bei Berg waltet eine eigentümliche Polarität des weit Ausgreifenden, Großzügigen – jovial war eines seiner Lieblingsworte – und einer nicht nur ziselierenden sondern unersättlich mit dem Mittel der Aufspaltung operierenden Detailgestaltung. Nur das ganz Kleine schickt sich bei ihm zum ganz Großen. Man wird das primär mit seinem Formgefühl plausibel machen können. Seine außerordentliche Empfindlichkeit für durchgebildete Einheiten ließ ihn offenbar die verselbständigten, voneinander drastisch sich abhebenden Teilgestalten und Teilkomplexe verschmähen, mit welchen vielfach im Wiener Klassizismus, bis zu Schönberg, diesen eingeschlossen, der Geist der Sonate diese zu artikulieren wußte. Offenbar sollte innerhalb der großen Formen Bergs nichts so sehr sich verselbständigen, oder auch nur als ein für sich Seiendes herausstechen, daß die Einheit des Ganzen dadurch wäre gefährdet worden; gegen das Herausstechende, die Nägel, wie er es nannte, war er allergisch. Andererseits wäre ihm die Manier, größere Sätze als Einheit zu organisieren, die nach dem Ersten Krieg bei den Komponisten beliebt ward: der Verzicht auf die Vielgliedrigkeit und Differenziertheit, welche das thematisch-motivische Prinzip erworben hatte, zu primitiv gewesen; was man zuzeiten Monothematik nannte, ist bei ihm schlechterdings undenkbar. Er hat deshalb von Anbeginn die motivisch-thematische Arbeit so umgedacht, daß sie in sich tendenziell unendlich kleine Einheiten hervorbrachte, die bruchlos, unablässig ineinander übergehen. Dieser Drang geht bei ihm so weit, daß seine motivischen Entwicklungen einer Art von biologischen Vorgängen im kleinsten, musikalischer Zellteilung gleichkommen.

Damit ist das künstlerische Problem gesetzt, das, nachdem Bergs Intention sich geklärt hatte, sein gesamtes Werk durchzieht: wie es möglich wird, daß eine Musik, die sich weit ausdehnt, also nicht nur der augenblicklichen Wahrnehmung sondern des Vorblicks und der Erinnerung bedarf, die aber allen überkommenen Mitteln des Kontrasts und der Unterscheidung kritisch mißtraut, trotzdem sich artikuliert. Das zu erreichen, ist ein ewiges Akrobatenkunststück, ein tour de force. Ist Bergs Musik, der Zahl der komponierten Opera nach, soviel schmaler als das aller ihm ebenbürtigen Komponisten, so dürfte das der Grund dafür sein. Er mußte, von einem recht frühen Augenblick an, immer wieder das Unmögliche möglich machen, hat sich selbst nahezu prohibitive Schwierigkeiten in den Weg gelegt.

Vielleicht hören Sie sich zunächst einmal den Satz an, der als erster jene Bergische Einheit des Großräumigen und bis ins minimale Motiv, ja in den einzelnen Ton hinein sich Verjüngenden zeigt, die das Modell seines Stils bildet. Das ist der erste Satz des Streichquartetts, op. 3. In der Faktur ist er verhältnismäßig einfach und durchsichtig und setzt dem Hören kaum allzugroße Widerstände entgegen. Beachten Sie aber bitte die Verjüngungstendenz sogleich nach dem Einsatz des ersten Motivs. Alles, was überhaupt auftritt, richtet sich nach ihr. Es resultiert daraus eine dicht geschlossene, gleichwohl in sich höchst differenzierte, an wechselnden Geschehnissen überreiche Musik.

 

Beispiel: Streichquartett op. 3, erster Satz, als ganzer.

 

Sie könnten einwenden, das Verfahren, das ich zu umreißen versuchte, habe mit der dramatischen Idee, von der ich ausging, nichts zu tun. Tatsächlich ist gerade dies Sonatenandante, das Sie vernahmen, kaum besonders dramatisch. Im weiteren Verlauf des Werks bildet jedoch jener Satz, an dem keineswegs schroffe Antithesen hervortreten, seinerseits wieder das Material für spannungsreiche Partien des zweiten Satzes. Dieser erst führt den ersten recht durch und dramatisiert ihn; etwas ähnliches fand sich übrigens bei Mahler, dem Berg vielfach verpflichtet ist, im Verhältnis des zweiten Satzes der Fünften Symphonie zum ersten, zum Trauermarsch. Bergs vorsichtige Art hat gern an Modelle sich geheftet, um sie eingreifend, produktiv umzudenken.

Will man des dramatischen Kerns seiner Reaktionsweise innewerden, so muß man schon ins Detail sich versenken, das bei ihm zwar, wie ich sagte, nicht heraussticht, aber doch das Kraftzentrum abgibt, aus dem die großen Einheiten hervorwuchsen. Dieser Impuls, aus dem Kleinsten bruchlos dem Ganzen sich mitteilend, ist die formbildende Kraft von Bergs Musik. Dies Kleinste ist aber auch der Ort von Bergs dramatischem Wesen. Er sagte mir einmal, er sei kein Liederkomponist, und hat denn auch, seit seiner Jugend, keine Lieder mehr geschrieben, es sei denn, daß man die Weinarie als solches auffassen will. In ihr jedoch sind drei Baudelairegedichte formal derart miteinander verklammert, daß keines liedhaft sich verselbständigt. Bei seinem Ausspruch dachte Berg fraglos daran, daß bei ihm der dramatische Sinn stärker sei als der lyrische. Das läßt sich nun bündig an den Vier Liedern op. 2, den einzigen, die er mit einer Opuszahl veröffentlichte, entnehmen. Das wichtigste Stück dieser Gruppe ist das letzte, nach einem reimlosen Gedicht in freien Versen von Alfred Mombert. Es nähert sich der Prosa, kommt insofern der prosaähnlichen Musik, die Berg dazu schrieb, entgegen. Sie ist offensichtlich von Schönbergs Monodram Erwartung beeinflußt. Keine Tonart mehr ist vorgezeichnet: man hat Bergs erste atonale Komposition vor sich. Nicht nur ist der Bezug auf eine einheitliche Grundtonart entfallen; auch der Bau der einzelnen, durchweg dissonierenden Akkorde strebt merklich vom tonal Beziehbaren los. Immerhin sind Dominanz- und Leittontendenzen noch vorhanden. Berg hat sie niemals ganz geopfert, weil das Leittonprinzip, das das des ineinander Übergehens, der Chromatik ist, doch wohl sein eigentliches Idiom definiert. Radikal in dem Lied sind andere Züge. Die Deklamation macht sich von allen symmetrischen Verhältnissen frei, fällt aber nicht ins Rezitativ; das asymmetrische Melos schwingt weit über den herkömmlich abgezirkelten Umkreis der Liedform hinaus. Nichts wird nach Liedweise wiederholt. Am Ende steigert sich mit einem wilden Ausbruch das Stück zu einem Choc, bei der im Lied zuvor wahrhaft unerhörten Glissandostelle des Klaviers. In ihr blitzt Bergs Bestimmung auf: das Glissando ist eine Operngeste. In die Oper gehört auch das Subkontra-b danach, eine Art von orchestraler Schlagzeugwirkung. Sie läßt sich, nach allen traditionellen Maßstäben der Liedform, viel zu lange Zeit. Die Form explodiert. Was aber hier sie durchbricht, ist genau der Opernform gemäß. Unter deren Schwierigkeiten ist es nicht die geringste, daß sie, damit sie sich erfülle, stets wieder durchbrochen werde; später hat der Opernkomponist Berg seine größten Augenblicke dort erlangt, wo er gleichsam aus der Form heraustritt, wo diese zur Selbstbesinnung wird. Das Lied, die einzige ganz anarchische Musik vielleicht, die Berg je schrieb, ist, in seinem ungebärdigen, expansiven Ausdruck, seine Geburt als Opernkomponist.

 

Beispiel: Lied op. 2, Nr. 4, als ganzes.

 

Was die Details bei Berg allerorten über sich hinaus treibt und dramatisch bestimmt, ist ihr Ausdruck. Schönberg hat, wohl als er schon zwölftönig arbeitete, einmal geäußert, die Harmonik stünde zur Zeit nicht zur Diskussion. Damit wollte er sagen, daß die Harmonik bloßes Ergebnis der Melodiebildung und der aus dieser abgeleiteten Kontrapunktik sei, nicht länger ein Parameter von eigenem Recht. Die spezifische Differenz Bergs von Schönberg ist wohl darin zu suchen, daß er diesem Diktum nie ganz sich beugte. Die Vertikale, also das in einem Augenblick gleichzeitig Erklingende, ist ihm ebensosehr Träger der musikalischen Vorgänge wie die Horizontale und die Verknüpfung von Horizontalen. Seine Musik weiß, daß das Drama sein Zentrum hat im Augenblick. Einzelklänge, Akkorde behalten bei Berg sein ganzes kompositorisches Leben hindurch ihr Gewicht. Das ist aber das des Ausdrucks: im Einzelklang drängt er sich am intensivsten zusammen, jener ist der expressive Mikrokosmos, der dramatisch sich entlädt. Dabei nun erfolgt in Berg ein ebenso plausibler wie denkwürdiger Umschlag. Der Ausdruck des Einzelklangs war eines der Fermente, welche die Tonalität produktiv zersetzten. Als Beispiel sei der in der Götterdämmerung von Wagner vielfach verwendete Akkord genannt, mit dem die Warnung der Rheintöchter anhebt:

 

Beispiel: die Stelle »Siegfried, Siegfried« aus der Götterdämmerung

 

und der analoge, nun schon gar nicht mehr aufgelöste Kundry-Akkord:

 

Beispiel: Parsifal, 1. Akt. nach den Worten des 2. Ritters »Da schwingt sich die Wilde herab«

 

oder der Wiedererkennungsakkord aus der Orestszene der Elektra von Strauss:

 

Beispiel: Elektra, Klavierauszug S. 182, nach Ziffer 144a, nach Elektras Aufschrei »Orest«.

 

Offenbar jedoch ist mit der Atonalität, also der Abschaffung des Unterschieds von Konsonanz und Dissonanz, die Ausdruckskraft des Einzelakkords nicht, wie man es in der Frühzeit der Atonalität erwartete, gestiegen, sondern gesunken. Es scheint, als bedürfe der Ausdruck der Dissonanz, um Leben zu gewinnen, ihres Gegenprinzips, der Konsonanz, auf die sie latent bezogen wird, wenn nicht gar des tonalen Systems. Da nun Berg, als Dramatiker, Ausdrucksmusiker vor allem anderen war, verfuhr er derart, daß er zwar die Emanzipation der Dissonanz von seinem Lehrer übernahm – es gibt Stücke von ihm wie das dritte Orchesterstück, die darin nie überboten wurden –, daß er aber die Dissonanzen in sich so fügt, daß ihnen etwas wie ein tonales Residuum beigesellt bleibt. Ihnen sind noch die Dreiklänge oder Akkorde anzuhören, die sie nicht mehr zulassen. Gerade die Rudimente des Älteren im Neuen verschaffen diesem die Ausdruckskraft. Erinnern Sie sich an meine scheinbar so harmlose Ausgangsthese, daß bei Berg Avanciertes und Vergangenes sich verschränke, so werden Sie vielleicht diese These in der Fiber von Bergs Musik konkretisiert finden. Das schlagendste Beispiel dafür dürfte das zweite Klarinettenstück aus op. 5 sein, ein kurzes Adagio. Beachten Sie bitte, daß innerhalb der sehr komplexen Harmonik dreiklangsähnliche Schichten sich erhalten.

 

Beispiel: die Akkorde der rechten Hand des Klaviers im 1. Takt im Anfang des zweiten Stücks aus op. 5; evtl. auch die linke dazu.

 

Ähnliches hat später die sogenannte Polytonalität in den Jugendwerken von Milhaud, Honegger, Poulenc gebracht; indessen als Klangreiz. Bei Berg dagegen gelten die Elemente von Polytonalität, die sein Werk bis zu Lulu und Violinkonzert duldet, ohne Ausnahme der Tendenz, den Ausdruck inmitten des Neuen zu bewahren. Zu bewahren auch in weiterem Sinn. Denn die musikalische Gesamtentwicklung, wie die aller neuen Kunst, hat ja, nach der expressionistischen Phase, vom Ausdruck eher sich entfernt. Berg war, auf seine freilich sehr hintergründige Weise, konservativ darin, daß er trotz aller fortschreitenden konstruktiven Kunst das Opfer des Ausdrucks nie sich aufnötigen ließ. Er hält am harmonischen Ausdruckscharakter fest. Der aber ist ihm nicht reiner Seelenlaut der Inwendigkeit wie für Webern, sondern allemal dualistisch, wenn man will, historisch. Er hat jenes Moment des zu einem anderen sich Spannen, jenes Triebleben des Klangs in sich, das ihn zum Dramatischen prädisponiert. Vernehmen Sie, um dieses sehr wesentlichen Moments von Bergs Musik sich zu versichern, das zweite Klarinettenstück als Ganzes. Es ist ganz kurz, und insofern den Sechs kleinen Klavierstücken von Schönberg nahe, nur viel weniger aufgelöst, viel dichter ineinander komponiert.

 

Beispiel: zweites Klarinettenstück aus op. 5, ganz.

 

Solche Art der Harmoniebildung kehrt beim Opernkomponisten Berg wieder. So ist die Szene auf dem Feld aus dem Wozzeck, die apokalyptische Vision, zu der dem bedrängten Soldaten der Sonnenuntergang wird, eine Rhapsodie über drei Akkorde, deren jeder einzelne, und mehr noch ihre Verbindung, prall ist an Ausdruck. Hören Sie zunächst diese drei Akkorde:

 

Beispiel: Wozzeck, Akt I, Takte 201-204, mit dem Akkord auf dem ersten Viertel von 204 schließen.

 

Man könnte sie Leitakkorde nennen, wie sie etwas früher auch Schönberg, in der Glücklichen Hand und vor allem im Pierrot lunaire verwendete. Das dramatische ebenso wie das formbildende Ingenium Bergs aber bewährt sich darin, daß er diese Akkorde nicht nur als charakteristische Sigel der Artikulation verwendet, sondern die ganze Szene aus ihnen und einem mit ihrem Komplex alternierenden, wie man heute sagen würde, verfremdeten Volkslied bildet. Erst in diesem dramatischen Zusammenhang wird die Kraft der drei Akkorde ganz entbunden.

 

Beispiel: die gesamte zweite Szene des I. Akts Wozzeck, von 201 an, schließen mit dem ersten Akkord des darauffolgenden Zwischenspiels, aber nicht weiter.

 

Ähnlich dramatisch-konstruktive Bedeutung haben die ursprünglich vor Mariens Wiegenlied begleitend verwendeten Akkorde

 

Beispiel: Wozzeck, I. Akt, Takt 363 und 364, vor dem auftaktigen h der Sologeige schließen,

 

die die Oper durchziehen und zum letzten Mal bei Mariens Tod wie eine Erinnerungsspur vorbeihuschen:

 

Beispiel: Wozzeck, III. Akt, Takt 104, mit dem Einsatz der Streicher im 5. Viertel beginnen, bis 106, mit dem ersten tiefen f der Harfe schließen.

 

Ein letztes Mal wird die Kraft der Einzelharmonie potenziert gegen Ende der Lulu, bei dem Zwölftonklang zum Todesschrei.

 

Beispiel: Lulu, letzter Satz.

 

Man verfehlte aber die expressive Kraft der Einzelheit bei Berg, suchte man sie nur im Erklingenden. Er hat, wie kaum ein Komponist vor ihm, das Schweigen der Kraft des Ausdrucks zugebracht. Bei Berg, dem Komponisten des unersättlichen Ineinander, sind Generalpausen verhältnismäßig selten; wo sie aber auftreten, so gefüllt mit musikalischem und durch ihn hindurch mit dramatischem Sinn, daß sie dem Klang ebenbürtig werden. Von solcher dramatischen Ausdruckskraft des Schweigens gibt eine Vorstellung die Generalpause zu Wozzecks »Nix« vor jenem Mondaufgang, dessen rotes Licht gleichsam den Mord auslöst.

 

Beispiel: Wozzeck, III. Akt, Takt 92 mit dem Auftakt der Hörner, bis Takt 101, mit dem dritten h der Pauke schließen.

 

Ich sprach Ihnen vom dramaturgischen Instinkt Bergs. Vielleicht waltet er nirgends so großartig wie dort, wo die Musik verstummt; so vielleicht, wie man es auf der Sprechbühne großen Ibsenaufführungen um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert wie denen von Otto Brahm zuschreibt. Am Ende des zweiten Akts Wozzeck, nachdem dieser von seinem Rivalen, dem Tambourmajor, brutal mißhandelt wurde, sind drei lautlose Takte auskomponiert und ebenso, in genau der gleichen Dauer, an dem darauf folgenden Beginn des dritten Akts vor der Bibelszene der Marie. Die unbeschreibliche Wirkung von Aktschluß sowohl wie Aktbeginn ist an dies musikalische, nämlich durch seine Zeiteinheiten organisierte Schweigen gebunden. Das ist einer der unverächtlichen Gründe, die dagegen sprechen, den Wozzeck ununterbrochen, filmähnlich, ohne Zäsur abzuspielen; nur durch die Pause zwischen den beiden letzten Akten wird das auskomponierte Schweigen ganz beredt.

 

Beispiel: Ende des II. Akts von Takt 809 ab bis zum Schluß, ebenso Anfang des III. Akts, bis zum Anfang der ersten Variation, mit Takt 9 schließen.

 

Derlei Wirkungen sind in eminentem Grad atmosphärisch. So fordert es der Ausdrucksgehalt Bergs, sein Widerstand gegen atmosphärlose Sachlichkeit. Er dürfte einer der letzten großen Künstler gewesen sein, deren Werke jene Aura um sich tragen, von der Walter Benjamin mit sehnsüchtiger Negation sprach. Die Entwicklung der letzten vierzig Jahre hat sie demontiert. Mehr als jedes andere bindet dies auratische Moment Berg an das Jetzt und Hier eines Opernabends und bestimmt die Oper als seinen Ort. Daß aber die Aura bei ihm nichts Affirmatives hat, liegt daran, daß die Atmosphäre bei ihm die der Identifikation mit dem Getretenen, Verachteten, von der Gesellschaft Ausgeschiedenen ist. Nie erniedrigt sie sich dazu, Hochgefühle zu bereiten.

Im Wozzeck ist die Atmosphäre militärisch. Berg erläuterte einmal Willi Reich den Anfang: der Wirbel der kleinen Trommel zu den ersten Akkorden sei ihm eingefallen, ohne daß er sich darüber klar gewesen wäre, um in nuce eben diese militärische Atmosphäre zu geben.

 

Beispiel: Anfang des Wozzeck, bis zum 3. Takt einschließlich.

 

Kraß sinnfällig ist die militärische Atmosphäre in dem Zwischenspiel nach der Feldszene, mit der fernen, von einer Klarinette entwirklichten Fanfare und dem anschließenden, absichtsvoll rüden Marsch. An diesen Stellen wird man am genauesten dessen sich versichern können, wie sehr das atmosphärische Moment bei Berg, wenn anders man bei Kunstwerken so simpel reden darf, mit einem sozialkritischen verschmolzen ist. Der Marsch ist gleichsam aus dem Gehörwinkel Wozzecks komponiert, irr verzerrt, drohender Ausdruck von Gewalt. Aufgeladen mit der schreckhaften subjektiven Erfahrung einer solchen Militärmusik, hat der Marsch etwas vom sehr konkreten Protest gegen die Unterdrückung, die im Marsch Klang wird. Bei der Wiederkehr des Marsches, nach dem deutlichen und weniger verzerrten Trio, das Marie mitsingt, kommt es zum Streit zwischen dieser und ihrer kleinbürgerlich neidischen Nachbarin, und sie wirft ihr Fenster zu. Sehr bergisch wird ein dramaturgischer Vorgang wie dieser Gestus zum musikalischen Formmittel. Der Marsch reißt jäh ab, seine mechanische Wiederkehr wird vermieden. Hören Sie sich bitte daraufhin die Überleitung, eigentlich ein Nachspiel zu der Szene auf dem Feld, und den Militärmarsch und dessen unmittelbare Fortsetzung an.

 

Beispiel: Wozzeck I. Akt, Takt 302-363 einschl., vor dem Auftakt h der Sologeige schließen.

 

Atmosphärisch ist auch der Charakter der berühmten Teichimpressionen, die den Tod Wozzecks begleiten. Eine gewisse Fassadenähnlichkeit mit Debussy, zumal in den Sekundkopplungen, hört jeder. Mehr kommt es auf die Differenz an. Die ganze Stelle ist hintergründig: nicht einfach akustische Nachahmung des sich kräuselnden Teiches oder Naturstimmung: das Grauen des Ertrinkens schwingt mit. Selbstverständlich sind auch Debussys Naturimpressionen, nach dem Wort von Delacroix, gesehen oder vielmehr gehört durch ein Temperament; die Bergschen aber geben nicht sowohl subjektive Stimmungsreflexe, als daß sie das dramatische Geschehen – das Leiden des im doppelten Sinn der Natur Verfallenden – objektivieren. Dazu bedarf es der technischen Verfahrungsweise. Die gesamte Todesszene Wozzecks hat, ähnlich wie die auf dem Feld, ein harmonisches Modell. Sie ist aus einem Leitklang entwickelt:

 

Beispiel: Wozzeck, III. Akt, Takt 220, 3/4-Takt, bis erstes Viertel einschließlich von 222.

 

Die spätere Teichstelle läßt diesen letzten Akkord chromatisch gleiten, der im übrigen jene kleine None in sich enthält, die als Leitmotiv von Wozzecks Messer fungiert. Der ursprüngliche Ausdruck dieses sechsstimmigen Akkords, der zwar kaum deutlich wiedererkannt, aber doch als identisch gefühlt wird, teilt sich der gesamten Impression mit. Zugleich sorgt der Leitakkord dafür, daß die Teichimpression nicht Effekt in dem Sinn bleibt, wie Richard Wagner den Effekt definierte, keine »Wirkung ohne Ursache«. Aus einem gegebenen minimalen Grundmaterial, eben dem Sechsklang, ist die Impression in sich durchkonstruiert, autonom musikalisch herbeigeführt, und deshalb ist sie musikalisch nicht nur Impression. Hören Sie nun die gesamte Passage, die Wozzecks Ertrinken begleitet.

 

Beispiel: III. Akt, Takt 284, mit dem zweiten Viertel beginnen, bis Takt 319, mit dem tiefen b schließen, also ohne den Auftakt a.

 

Bergs Differenz vom Impressionismus, auch dort, wo er diesem sich nähert, führt, fast allzu bequem, zur Frage, ob er Expressionist gewesen sei. Nicht ohne weiteres ist der Begriff des Expressionismus auf die Musik zu übertragen. Nicht umsonst kam er in Literatur und Malerei auf. Er bezeichnet die Modifikationen oder, wie man hämisch es wohl nannte, Verzerrungen, welche mehr oder minder realistische Wiedergaben der empirischen Wirklichkeit durch den Ausdruck erleiden, den der Maler oder Dichter ihnen einlegt. Musik nun hat keinen derartig realistischen Gegenstand, der auf solche Weise expressionistisch zu verzerren wäre. Andererseits ist sie, auch wo sie von aller Romantik ganz fern sich hält, expressiv; das pure Aufklingen eines Tons, eines Akkords führt stets etwas von Ausdruck mit sich. Gleichwohl ist Musik so sehr in den Entwicklungsprozeß der anderen Künste und den des Geistes überhaupt hineingezogen, daß sie geschichtlich vom spezifisch Expressionistischen berührt wurde. Expressionismus war nirgends der absolute Ausdruck der Seele, als den er sich verstand. Allerorten bildete er bestimmte Typen von Chiffren aus, die das Ausdruckshafte spezifizierten, ein Vokabular für den Vorrang des Ausgedrückten über die polierte Erscheinung. Die Atonalität, welche die harmonistischen Implikationen der Tonalität kündigte, hatte mit einem solchen Vokabular an der expressionistischen Gesamtbewegung teil. Fraglos bediente sich seiner auch Berg, vor allem fürs schreckhaft, jäh Aufzuckende. Das auffälligste expressionistische Zeichen im Wozzeck ist vielleicht jenes Motiv, das er dem zusammenfahrenden Gestus des Soldaten, seinem Gehetztsein zuordnete. Man muß dies Motiv, um es seiner Funktion nach richtig zu verstehen, in dem Zusammenhang hören, in dem es zuerst auftritt, am Ende einer Stelle, die das leere, vergebliche Warten der in Gedanken versunkenen Marie wiedergibt. Diese Stelle liebte Berg selbst besonders; er hat sie, der harmonischen Substanz nach, bei den Aktschlüssen der Lulu zitatähnlich wiederaufgenommen. Hören Sie die Stelle und an ihrem Ende das expressionistische Motiv des Auffahrens beim Auftritt Wozzecks.

 

Beispiel: I. Akt, Takt 415 bis 428, mit dem ges schließen.

 

Trotzdem fügt der Wozzeck auch dem Begriff eines musikalischen Expressionismus nicht recht sich ein. Nimmt man als dessen Prototypen Werke aus Schönbergs mittlerer Zeit wie die Erwartung, die beiden ersten Zyklen von Klavierstücken, auch noch die Glückliche Hand, so nennt man damit eine Musik, die sich wesentlich aus Psychogrammen fügt, Niederschriften von Seelenregungen, unter weitgehendem Verzicht auf Stilisierung und, abgesehen von den architektonischen Umrissen der Glücklichen Hand, auch auf Formkonstruktion. Das ist im Wozzeck, der ja zeitlich sehr viel ausgedehnter ist als alle jene Werke Schönbergs, keineswegs mehr der Fall. Mochten die expressionistischen Zeichen von Anbeginn, übertreibend gesagt, auch etwas von formaler Übereinkunft an sich haben – erst bei Berg werden sie weitgehend von Stilisierung erfaßt, in sich selbst sowohl wie durch ihren Einbau in die übergreifenden Formen und Strukturen. Diese wiederum setzen sich nicht nur aus expressionistischen Gesten zusammen, sondern enthalten auch ganz anderes, etwa wie die Sonatenexposition der Schmuckszene im Wozzeck. Um den scheinbar geringfügigen, in Wahrheit sehr weittragenden Wandel zu verstehen, braucht man nur sich klarzumachen, daß jenes zuckende Motiv, welches Sie hörten, als Leitmotiv verwendet wird, also wiederholt, nicht einmalig bleibt – der radikale Expressionismus von Schönbergs Erwartung hätte das kaum zugelassen. Daraus entfließen Konsequenzen für das gesamte Werk. Nicht nur ordnet der Ausdruck dem musikalischen Stilisationsprinzip, dem Gewebe der Komposition sich unter: die Expression selber wird zu einem Anderen. Der Wozzeck ist nicht länger Psychogramm. Der Opernkomponist tritt zwischen die Ausdrucksregungen der Personen und die Musik als ein drittes Medium dazwischen. Das wieder ist jener Neigung zur ständigen Vermittlung, zur Kunst des Übergangs gemäß, der Berg allerorten folgt. Seine Opern bewirken etwas wie ästhetische Milderung. Der zur Entstehungszeit des Wozzeck bereits abklingende Expressionismus wollte von solcher Milderung gerade sich befreien. Berg fühlte, wie sehr sie im musikalischen Gestaltungsprinzip des dichten Gefüges selber liegt, überließ sich ihr darum und hat, wenn man so will, auf seine behutsame Weise, die expressionistische Forderung widerrufen. Die Kritik, die Karl Kraus, dem Berg geistig sehr verpflichtet war, am Expressionismus übte, mag dazu beigetragen haben. Auch in seinem Verhältnis zum Expressionismus oszilliert Berg zwischen dem Avancierten und der Macht des Vergangenen. Darf mit Grund behauptet werden, er habe große Opern geschrieben, so ist dieser Grund eben die Stilisierung der gleichwohl bewahrten Expression. Durch sie versöhnt er sich mit dem älteren Ausdrucksideal von Musik. Das umschreibt die dramatische Atmosphäre des Wozzeck.

Ich sprach vom Stilisationsprinzip, das den Expressionismus in sich birgt und in sich aufhebt. Ein solches Stilisationsprinzip, abermals aus dem dramatischen Stoff herausgehört, hat auch die Lulu. Es ist das des Zirkus, zu dem ja das gesamte oeuvre Wedekinds Querverbindungen unterhielt. Das Zentralstück der Luludramen: die Szene, in der Dr. Schön ermordet wird, mahnt an den Zirkussketch. Das Grelle, Hintertreppenhafte, Unwahrscheinliche der Handlung, realistischen Kriterien so fremd wie der Expressionismus, wird dadurch der ästhetischen Form zugeeignet, daß es aus der Perspektive der Zirkusreklame oder des Marktschreiers gesehen ist, den Anspruch des plausiblen und normalen Lebens gar nicht erst anmeldet. Bergs dramaturgische Weisheit hat die Zirkusatmosphäre sogleich in den ersten Instrumentaltakten gesetzt, nach denen Wedekind einen Tierbändiger und einen Clown auftreten heißt, der Becken und große Trommel schlägt. Einzig in der Atmosphäre, die der Anfang ihres Prologs erzeugt, ist die Lulu ohne alberne Wohlweisheit zu erfahren. Hören Sie, bitte, diesen Anfang:

 

Beispiel: Lulu-Prolog, von Takt 1 bis 16, schließen mit den clusters des Klaviers.

 

Wie beim Teich des Wozzeck ist in Lulu das Atmosphärische unterschwellig und hintergründig. Niemals wäre es Berg beigekommen, den Zirkus, seine Farben, den grellen Radau durch Nachahmung zu parodieren; Parodie war ihm überhaupt zuwider. Die Zirkuswelt: das ist für die Musik der Lulu die der Generation der Eltern, so wie gewisse Photographien aus dem neunzehnten Jahrhundert, selbst wenn sie bürgerliche Leute oder alltägliche Neuigkeiten wiedergeben, etwas zirkushaft Grelles, Sensationelles angenommen haben. Das Verfallende, Fluoreszierende und Beängstigende der Elternwelt versinnlicht sich für Bergs Musik zur Welt als Zirkus und Vorstellung, zur Vorstellung jener viktorianischen Scheinheiligkeit, Scheinhaftigkeit, unter der es desto ärger brodelt. Mit anderen Worten, die Zirkusatmosphäre der Lulu ist bei Berg Medium eines musikalischen Surrealismus, der kaum je so authentische Gestalt fand. Empfand der Surrealismus insgesamt die verfremdete Bilderwelt der Eltern als eine des Traums; formte er sie in den Montagen Max Ernsts, zur gleichen Zeit als die Lulu geschrieben ward, in Angstträume um, so hat Berg Zirkusatmosphäre und Zirkusstil als das Kunstprinzip gehandhabt, durch welches jene Welt – und Wedekinds Lulustücke datieren auf die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück – in all ihrer warenhaften Trivialität in den Traum transfiguriert wird. Das Modell dafür, diesseits der Kunstmusik, ist die Drehorgel. Was ich meine, wird Ihnen sinnfällig werden an den Variationen, die dem Komplex des dritten Akts der Lulu zugehören und in denen eine Drehorgel ihre Rolle spielt. Das Variationsthema, das erst in dieser Drehorgel, im Verlauf des kurzen Satzes, nackt erscheint, entlehnte Berg einem Bänkellied Wedekinds. Suchen Sie in diesen Variationen, die ich zu dem Bedeutendsten rechne, was Bergs Hand hinterließ, nicht nur Virtuosität, potenziert bunte Farbe und den Ausdruck des Brutalen, den Berg suchte, sondern vor allem jenen Glorienschein der Verwesung, der nirgends so intensiv leuchtet wie in diesem Stück, aber um die gesamte Oper Lulu sich legt.

 

Beispiel: die Variationen über ein Bänkellied aus der Lulusuite.

 

Kein Zweifel kann daran sein, daß der dritte Akt, von dem in den heute üblichen Aufführungen nur der Schluß, und auch er bis auf ein paar Takte ohne die Singstimmen, gespielt wird, jenes surrealistische Moment vollends würde entfaltet haben; Berg selbst betrachtete, wie er mir kurz vor seinem Tod schrieb, die nicht mehr von ihm instrumentierte und darum gestrichene Szene in dem Salon des Kupplers und Polizeispitzels Casti-Piani als besonders gelungen.

Wenn freilich die Lulu den Glorienschein der Verwesung malt, so möchte sie den Schein erretten. Das Flitterhafte, Phantasmagorische des aus dem Abgrund des Traums heraufgeholten neunzehnten Jahrhunderts ist nicht nur dessen Demontage durch einen Akt des Erwachens. Mehr noch ist er das, woran die Liebe der Musik sich heftet. Die Oper Wozzeck schöpft Atem in dem Zwischenspiel vor der letzten Szene. In der Lulu fällt dieser Gestus dem in einen Komponisten verwandelten und den Wozzeck zitierenden Alwa Schön zu, dem Sohn der männlichen Hauptfigur. Er ist in das Geschehen verstrickt und tritt, als der von Lulus Schönheit Hingerissene, heraus, ihr Opfer und der, welcher ihr Bild bewahrt. Die eigentliche dramatische Spannung des Werks ist die zwischen dem gurgelnd Abgründigen und dem Glanz, der, in seiner Hinfälligkeit, nicht wäre ohne den Abgrund, dem er entsteigt. Berg hat, in den Symphonischen Stücken aus der Oper Lulu, die wesentlichen Partien Alwas aus der Oper zu einem Rondo der adoration perpetuelle verbunden, das besser als alles andere diesen Aspekt von Bergs Musik, den einer erotischen Utopie, öffnet. Die Rondoform mag darum für den Hymnus auf Lulus Schönheit gewählt worden sein, weil diese als Unverlierbares über den trüben und finsteren Geräuschen des Daseins leuchtet, so wie es in Friedrich Schlegels Motto zu Schumanns Klavierphantasie heißt: »Durch alle Töne tönet / Im bunten Erdentraum / Ein leiser Ton gezogen / Für den der heimlich lauschet.« Wer das als romantisch nicht erträgt, der mag Berg einen Romantiker schelten. Dies Instrumentalrondo vollzieht ebenso die höchste dramatische Erhebung der Lulu, wie es für sich einen großen symphonischen Satz bildet. Man hätte einen seinesgleichen von Mahler sich ausdenken können, hätte er länger gelebt und die Funde gänzlich rezipiert, deren Tragweite er, Freund Schönbergs, schwerlich verkannte. Kaum dürften Sie besser erfahren können, wohin Bergs Reife gelangte, und was, wäre er nicht so unsinnig gestorben, weiter hätte werden können, als in diesem Stück, für das ich nun Ihre Aufmerksamkeit erbitte.

 

Beispiel: erster Satz aus den Symphonischen Stücken aus Lulu.

 

In dem Alwa-Rondo ist der Bergische Ton ganz zu sich selbst gekommen. Der überschwengliche Preis der todbringenden Geliebten ist Ausdruck zugleich realer und idealischer Humanität. Ich meine, nicht übertrieben zu haben, als ich seinerzeit Bergs Musik die menschlichste aus unseren Tagen nannte, wohl bewußt dessen, daß ich ihn damit abermals in Beziehung zur Vergangenheit rückte. Es ist aber das Echtheitssiegel dieser Humanität, daß sie den Trost verschmäht, daß sie nirgends mit der Ewigkeit des Menschlichen sich brüstet und daran sich weidet, daß es noch am Unmenschlichen aufgehe. Vielmehr ist der Ton der Humanität bei Berg durchtränkt vom Gefühl der Vergänglichkeit und Unwiederbringlichkeit, von jenem Pessimismus, der wiederum aus der Vergangenheit – einer spezifisch wienerischen – ihm überliefert war. Bergs Humanität ist hoffnungslose Zärtlichkeit. Ich nannte Robert Schumann, den Berg sehr liebte. Wie jener in seinen schönsten Stücken sich selbst wegwirft, verschenkt, auslöscht, so verhält sich Bergs Generosität. Vom sich in sich selbst Verschanzen, vom pathetisch überhöhten Selbstlob Wagners, auch von der Verklärung des Todes als Erfüllung hat sein Ton nichts. Hoffnungslosigkeit ist der Grund des Menschlichen bei Berg, nirgends wohl deutlicher als in der ganz kurzen Schlußszene des Wozzeck, da Mariens kleines Kind den Tod der Mutter vernimmt, ohne ihn zu begreifen: mit Recht bemerkte Willi Reich, es könne, nach dieser Szene, die Oper wiederum von vorn beginnen, das Todtraurige sich wiederholen. Kein Weg führt heraus; nur daß es zum Laut gefunden hat, übersteigt es um ein Weniges. Vernehmen Sie diese Schlußszene aus dem Wozzeck.

 

Beispiel: Wozzeck, die ganze letzte Szene.

 

Auch in diesem Ton durchdringen sich Vergangenes und Moderne wechselfältig. Der ausgedrückte Wille zum sich selbst Auslöschen, auf den ich Sie aufmerksam machte, fand bei Berg sein technisches Korrelat in einer Art von Manier, die er vor vielen anderen Mitteln musikalischer Verknüpfung bevorzugt. Sie zeigt geradezu seine Obsession mit jenem Moment an. Viele von Ihnen werden den Kinderspaß kennen, das Wort KAPUZINER auseinander zu nehmen und wieder zusammenzufügen: KAPUZINER – APUZINER – PUZINER – UZINER – ZINER – INER – NER – ER – R – ER – NER – INER – ZINER – UZINER – PUZINER – APUZINER – KAPUZINER. Man könnte sagen, daß Berg immer wieder nach diesem Kapuziner-Prinzip komponiert habe, also erst Motive bis auf ihren kleinsten Bestandteil, einen unendlich kleinen Rest reduziert, dann aus diesem Rest wieder ein Neues werden lassen. Geht man dem in der Formstruktur nach, so trifft man auf etwas höchst Paradoxes, den üblichen Vorstellungen von Form ganz Entgegengesetztes. Es geht dieser Form eigentlich gar nicht darum, wie es die üblichen musikalischen Analysen als selbstverständlich voraussetzen, aus einem Minimalen ein Ganzes aufzubauen. Dagegen hegt Bergs Musik den Verdacht des Affirmativen. Eher drängt sie dazu, während sie aus kleinsten Einheiten bruchlos gerät, durch ihren Verlauf, ja durch die große Form selbst, sich so zurückzunehmen, wie es mit dem Wort Kapuziner geschieht, ein Komponieren aus dem Nichts ins Nichts hinein. In diesem Verfahren ist Berg nicht nur verglichen mit Schönberg und Webern höchst originell sondern auch auf eine Weise fortgeschritten, die vielleicht erste heute, im Zeitalter Becketts und des schneidenden Mißtrauens gegen jegliche ästhetische Selbstsetzung, ganz erkennbar wird. Dabei wäre Berg nicht der große Artist, der er war, hätte er es bei jener in seinen Anfängen zuweilen etwas mechanischen Manier belassen. Auch sie hat er in seinen Spätwerken unendlich sublimiert. So wird im Violinkonzert ein Thema nach dem Kapuziner-Prinzip liquidiert, in immer kleinere Bestandteile aufgelöst; diesmal so, daß er jeweils die letzte Note des Motivs wegläßt, es dadurch immer mehr verkürzt, einem Nichts annähert. Zugleich indessen benutzt er dabei die sequenzähnliche Tanzidee, die das ganze Scherzando des Violinkonzerts beherrscht; jede Stufe der Motivverkürzung im Orchester wird von der Sologeige imitiert. Dadurch wird für den Hörer der Verlust an Tönen leicht verdeckt. Ist er aber nicht evident, so wird auch die spätere Abwesenheit des sehr einprägsamen Motivmodells grundlos. Die Interpretation steht demnach vor der Aufgabe, trotz des dichten Gewebes, das die Auflösung des Motivs überspinnt, diese Auflösung hörbar zu machen; von solchen kaum zu bewältigenden Problemen der Wiedergabe ist Bergs Musik voll. Überhaupt bietet sie nach wie vor Interpretationsschwierigkeiten, über welche die tonalen Rudimente und die der traditionellen Formen nur sehr oberflächlich hinwegtäuschen.

 

Beispiel: Scherzando aus dem Violinkonzert, Takt 125 bis 132, mit dem dritten Achtel schließen.

 

Bergs spezifische Intention der Selbstauflösung von Musik durch ihren Formverlauf macht Form, auch und gerade die große, zu einem ganz anderen als überall sonst. Seine Musik muß sich unablässig fragen, wie große Formen diese Intention erfüllen, wie sie überhaupt ohne äußerliche Anlehnung an Formtypen möglich sind, die doch gerade mit dieser Intention unvereinbar wären. Man hat viel Wesens von den älteren Formen gemacht, die Berg in seinen Opern anwendete; die Rondoform, die der Figur des Alwa zugeordnet ist und die wir Ihnen spielten, bietet ein Beispiel dafür. Manche Leute mögen erst dann mit neuer Musik sich abfinden, wenn sie für wesentlich erklären, was ihr unwesentlich ist, das Alte, wo irgend es bequem sich aufspüren läßt. Am Alwa-Rondo ist zu lernen, wie wenig buchstäblich die vielberufenen älteren Formen zu nehmen sind. In der Lulu nämlich begleiten sie jeweils einzelne Personen. Sie kommen überhaupt nicht als Ganze vor, sondern addieren sich aus den oft weit voneinander entfernten Abschnitten, in denen jene dramatischen Figuren vorwalten. Sie sind also vom unbefangenen Hörer gar nicht zu bemerken, wollen auch gar nicht bemerkt werden. So steht es um die vermeintlich übernommenen Formen durchweg. Wer sie überschätzt, etwa derart auf sie merkt, wie solche Formen weithin unabhängig neben dem dramatischen Verlauf im Cardillac Hindemiths herlaufen, versäumt unweigerlich das, worauf es in Bergs Musik ankommt. Die alten Formen sind allenfalls eine Art von Grund- oder Aufriß, ein Rahmen der Komposition, nicht diese selbst. Sie repräsentieren das bei Berg, wie als Korrektiv zur auflösenden Kraft, sehr entwickelte Moment des Planens; tragen zu jener Großarchitektur bei, die der Bergschen Idee einer, wenn man so sagen darf, negativen Totalität zugeordnet ist; in dies Geplante wird von der lebendigen Einzelheit immer wieder eingegriffen. Höchstens die suitenartige Gestaltung der Anfangsszenen der ersten Akte beider Opern wird als solche auffallen, pointiert lose, unverbindlich, um dann Steigerungen der dramatischen Kurve durch formale Verdichtung zu ermöglichen. Wie wenig Berg auf die großen Formen sich verließ, ist daran zu erkennen, daß er in beiden Werken das Wagnersche Mittel des Leitmotivs beibehielt. Vielfach überkreuzen sich bei ihm verschiedene Schichten der Verfahrungsart. Die Auflösungstendenz, sein Zug ins Chaotische war begleitet von der Furcht, die Darstellung des Chaotischen möchte selber chaotisch werden. Berg hatte ein fast manisches und überwertiges Bedürfnis nach Sicherheit; das ließ ihn zuweilen Mittel gleichzeitig benutzen, die schwer zu vereinbaren sind; gelegentlich trug ihm das den Vorwurf von Stilbrüchen ein. Seine Leitmotivik unterscheidet von der Wagnerschen sich dadurch, daß er sie mit dem motivisch-thematischen Musizieren, der Anwendung des Durchführungsprinzips auf die Oper, gänzlich verschmilzt. So sind die drei Themen der Fuge aus der Straßenszene des Wozzeck Leitmotive der Hauptfiguren, des Hauptmanns, des Doktors, und das tappende Thema von Wozzecks Hilflosigkeit.

 

Beispiel: Wozzeck, II. Akt: Takt 286 bis 288, mit dem ersten Viertel schließen; Takt 293 mit Auftakt, bis 295 einschl.; Takt 313-315 einschl.

 

Oper wird Durchführung. Als Intrige war deren Geist dem der Durchführung eng verwandt.

Meine Damen und Herren, ich habe versucht, die Verschränkung von Vergangenem und Avanciertem bei Berg Ihnen gleichsam abzuleiten und fortschreitend zu konkretisieren. Lassen Sie mich, zum Ende, Sie wenigstens noch auf einige Momente außer der Tendenz zur Selbstauflösung aufmerksam machen, durch welche Bergs Moderne über das zu seiner Zeit, auch bei seinen Freunden, Errungene hinausweist, und die in ihrer ganzen Konsequenz erst heute durchsichtig werden. Auf das eine dieser Momente hat Rudolf Kolisch in einem in den Darmstädter Beiträgen veröffentlichten, höchst einsichtsvollen und viel zu wenig bekannten Beitrag aufmerksam gemacht. Bemächtigte sich in der seriellen Musik die totale Konstruktion auch der Dimension der Farbe; wird auch mit Farbreihen operiert, so verfuhr Berg ähnlich, längst ehe es serielle Musik gab. Bereits in einem frühen Werk, den Altenbergliedern, gelangt die Stimme von einem Ton mit leicht geschlossenen Lippen über einen mit halb offenem Munde gesungenen zum eigentlichen Gesangston. In dem Allegro misterioso der Lyrischen Suite für Streichquartett, fraglos dem am meisten kopierten Stück der gesamten musikalischen Moderne, hat er aus sämtlichen den Streichern zur Verfügung stehenden Spielweisen Reihen konstruiert und dazu auch eine nach damaligen Standards gar nicht realisierbare Art der Tonbildung der Streichinstrumente, bloßes Aufsetzen der Finger, ausprobiert. Ich möchte sie bitten, sich dies Allegro misterioso anzuhören, unter doppeltem Gesichtspunkt. Einmal ist es ein Stück, in dem, ein Wort von Wagner zu verwenden, die Farbe selbst Aktion wird: zur Komposition. Freilich sind auch hier, wie in der Teichszene, die in Farbe aufgelösten Motive strikt thematisch entwickelt. Der klanglich entmaterialisierte Scherzoteil und dessen Wiederholung sind zwölftönig, nur das ekstatische Trio ist frei. Dann aber ist an diesem Satz zu hören, wie sehr tatsächlich Bergs gesamte Musik, nicht die Opern allein, dramatisch war. Das Allegro misterioso ist wie ein Dialog ohne Worte, eine leidenschaftlich geflüsterte, gedämpft ausbrechende, wieder zum Flüstern abgedämpfte Liebesszene, wie man denn die gesamte Lyrische Suite ohne viel Deutungskünste als latente Oper betrachten dürfte. Hören Sie also das Allegro misterioso.

 

Beispiel: der ganze Satz

 

Wichtiger noch erscheint mir ein anderer Fund Bergs. Als Erwin Stein das von Schönberg inspirierte Programm der Zwölftontechnik veröffentlichte, war das stärkste Argument, daß, ohne die Stütze des Wortes, also rein instrumental, in der Sprache der freien Atonalität große musikalische Formen nicht sich hätten schreiben lassen. Im Zusammenhang dieser Argumentation wurde gern auch auf die Rolle der älteren Formen im Wozzeck hingewiesen. Jene These nun, die zur ausschließlichen Herrschaft der Zwölftontechnik und zu deren Erstarrung nicht weniges beitrug, wurde von Berg widerlegt, zehn Jahre ehe man sie aufstellte. Berg hat, als drittes der Orchesterstücke op. 6, 1914 einen Marsch für sehr großen Apparat komponiert, der weder zwölftönig ist noch mit irgend bekannten Formtypen zusammenhängt. Er erreicht die Dimension eines knappen Symphoniesatzes. Man könnte dies Stück, dessen zureichende Analyse bis heute aussteht, geradezu als die Vision jener Art informeller Musik betrachten, die heute fällig wurde. Zugleich ist es voll von extremem Ausdruck; vorahnende Erscheinung der Katastrophe, auf die unhörbar sonst die selbstauflösende Tendenz des Bergschen Werks sich zubewegt; der Gedanke an frühexpressionistische Dichter wie Trakl und Heym drängt sich auf. Mag immer dies Stück nicht die ökonomische Meisterschaft des späteren Berg erreicht haben, an Kühnheit der Konzeption übertrifft es alles, was er schrieb, und es wäre wohl gut, wenn Sie sich dies dritte Orchesterstück als Ganzes jetzt anhörten.

 

Beispiel: drittes Orchesterstück aus op. 6, vollständig.

 

Danach, meine Damen und Herren, wird Ihnen vielleicht der Satz nicht vermessen dünken, Berg habe sich dem Vergangenen als Opfer um des Zukünftigen willen dargebracht.

Wir schließen mit dem Adagio der Lulusymphonie, ihrem letzten Satz, der dem Ende der Oper entspricht.

 

Beispiel: Lulusymphonie, letzter Satz, ganz.

 

1969

 

 
Gesammelte Werke
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