Der entfaltete deutsche Idealismus hält es mit einem in der gleichen Periode in Des Knaben Wunderhorn aufgenommenen Lied: Die Gedanken sind frei. Weil nach seiner Doktrin alles, was ist, Gedanke sein soll, der des Absoluten, soll alles, was ist, frei sein. Aber das will nur das Bewußtsein dessen beschwichtigen, daß die Gedanken keineswegs frei sind. Noch vor aller gesellschaftlicher Kontrolle, vor aller Anpassung an Herrschaftsverhältnisse wäre ihrer reinen Form, der logischen Stringenz, Unfreiheit nachzuweisen, Zwang, dem Gedachten gegenüber ebenso wie dem Denkenden, der es erst durch Konzentration sich antun muß. Abgewürgt wird, was nicht in den Vollzug des Urteils hineinpaßt; Denken übt vorweg jene Gewalt aus, die Philosophie im Begriff der Notwendigkeit reflektierte. Durch Identifikation vermitteln sich zuinnerst Philosophie und Gesellschaft in jener. Die heute universale Reglementierung wissenschaftlichen Denkens bringt dies uralte Verhältnis in Verfahrungsweisen und Organisationsformen nach außen. Ohne Zwangsmoment indessen könnte Denken überhaupt nicht sein. Der Widerspruch von Freiheit und Denken ist vom Denken so wenig wie fürs Denken zu beseitigen, sondern verlangt dessen Selbstbesinnung. Die spekulativen Philosophen von Leibniz bis Schopenhauer haben mit Recht ihre Anstrengung auf Kausalität konzentriert. Sie ist die Crux des Rationalismus in jenem weiteren Sinn, der noch die Schopenhauersche Metaphysik einbegreift, soweit sie auf Kantischem Boden sich weiß. Die Gesetzmäßigkeit der reinen Denkformen, die causa cognoscendi, wird projiziert auf die Gegenstände als causa efficiens. Kausalität unterstellt das formallogische Prinzip, eigentlich die Widerspruchslosigkeit, das der nackten Identität, als Regel der materialen Erkenntnis von Objekten, mag auch historisch die Entwicklung umgekehrt verlaufen sein. Daher die Äquivokation im Wort ratio: Vernunft und Grund. Dafür hat Kausalität zu büßen: sie kann, nach Humes Einsicht, auf kein sinnlich Unmittelbares sich berufen. Insofern ist sie dem Idealismus als dogmatischer Rest eingesprengt, während er ohne Kausalität die Herrschaft über das Seiende nicht ausüben könnte, die er erstrebt. Des Identitätszwangs ledig, entriete Denken vielleicht der Kausalität, die jenem Zwang nachgebildet ist. Sie hypostasiert die Form als verbindlich für einen Inhalt, der von sich aus diese Form nicht hergibt; metakritische Reflexion hätte den Empirismus zu rezipieren. Demgegenüber steht die gesamte Philosophie Kants im Zeichen von Einheit. Das verleiht ihr trotz der schweren Akzente auf dem nicht aus den reinen Formen stammenden ›Material‹ den Charakter des Systems: von einem solchen erwartete er sich nicht weniger als seine Nachfolger. Die waltende Einheit aber ist der Begriff der Vernunft selbst, schließlich die logische der reinen Widerspruchslosigkeit. Zu ihr tritt in der Kantischen Lehre von der Praxis nichts hinzu. Der terminologisch suggerierte Unterschied zwischen der reinen theoretischen und der reinen praktischen, ebenso der zwischen einer formal- und transzendentallogischen und schließlich der der Ideenlehre im engeren Sinn sind nicht Differenzen innerhalb der Vernunft an sich, sondern einzig solche hinsichtlich ihres Gebrauchs, der entweder überhaupt nichts mit Gegenständen zu tun habe, oder auf die Möglichkeit von Gegenständen schlechthin sich beziehe, oder, wie die praktische Vernunft, seine Gegenstände, die freien Handlungen, aus sich heraus schaffe. Hegels Doktrin, Logik und Metaphysik seien dasselbe, wohnt Kant inne, ohne daß sie bereits thematisch würde. Ihm wird die Objektivität der Vernunft als solcher, der Inbegriff formallogischer Gültigkeit, zur Zufluchtsstätte der in allen materialen Bereichen von Kritik tödlich ereilten Ontologie. Das stiftet nicht nur die Einheit der drei Kritiken: als dies Einheitsmoment gerade erlangt Vernunft jenen Doppelcharakter, welcher nachmals Dialektik motivieren half. Vernunft ist ihm einerseits, unterschieden von Denken, die reine Gestalt von Subjektivität; andererseits, Inbegriff objektiver Gültigkeit, Urbild aller Objektivität. Ihr Doppelcharakter erlaubt der Kantischen Philosophie wie den deutschen Idealisten ihre Wendung: die von Subjektivität nominalistisch ausgehöhlte Objektivität der Wahrheit und jeglichen Gehalts kraft derselben Subjektivität zu lehren, die sie vernichtet hat. In Vernunft sei beides schon Eines; wobei freilich das als Objektivität irgend zu Meinende, dem Subjekt Entgegengesetzte durch Abstraktion in jenem untergeht, wie sehr auch Kant dagegen noch sich sträubt. Die strukturelle Doppelschlächtigkeit des Vernunftbegriffs teilt aber auch dem des Willens sich mit. Während er im Namen von Spontaneität, des am Subjekt um keinen Preis zu Vergegenständlichenden, nichts als Subjekt sein soll, wird er, fest und identisch gleich der Vernunft, vergegenständlicht, zu einem hypothetischen, doch faktischen Vermögen inmitten der faktisch-empirischen Welt und so dieser kommensurabel. Nur dank seiner a priori ontischen Natur, der eines gleichwie eine Eigenschaft Vorhandenen, kann von ihm ohne Widersinn geurteilt werden, daß er seine Objekte, die Handlungen, schaffe. Er gehört der Welt an, in der er wirkt. Daß ihm das bestätigt werden kann, ist der Lohn für die Installierung der reinen Vernunft als Indifferenzbegriff. Zu zahlen hat dafür der Wille, aus dem alle der Vergegenständlichung sich versagenden Impulse als heteronom verbannt sind.

Nicht allzu schwer wiegen mag der gegen Kant systemimmanent zu erhebende Einwand, die Unterteilung der Vernunft nach ihren Objekten mache sie, wider die Lehre von der Autonomie, abhängig von dem, was sie nicht sein soll, vom Außervernünftigen. In jener Unstimmigkeit bricht das von Kant Fortgescheuchte, die inwendige Verwiesenheit der Vernunft auf ihr Nichtidentisches, trotz seiner Absicht durch. Nur geht Kant nicht so weit: die Lehre von der Einheit der Vernunft in all ihren angeblichen Anwendungsgebieten supponiert eine feste Trennung zwischen der Vernunft und ihrem Worauf. Weil sie jedoch notwendig auf ein solches Worauf sich bezieht, um irgend Vernunft zu sein, wird sie, seiner Theorie entgegen, auch in sich davon bestimmt. Die Beschaffenheit von Objekten geht etwa in Urteile über praktisch zu Tuendes qualitativ anders ein als in die Kantischen theoretischen Grundsätze. Vernunft differenziert sich in sich nach ihren Gegenständen, darf nicht äußerlich, mit verschiedenen Graden von Gültigkeit, als stets dieselbe verschiedenen Gegenstandsbereichen aufgeprägt werden. Das teilt auch der Lehre vom Willen sich mit. Er ist nicht xoris von seinem Material, der Gesellschaft. Wäre er es, so frevelte der kategorische Imperativ an sich selbst; nichts als dessen Material, würden die anderen Menschen vom autonomen Subjekt nur als Mittel, nicht auch als Zweck gebraucht. Das ist der Widersinn der monadologischen Konstruktion der Moral. Moralisches Verhalten, offensichtlich konkreter als bloß theoretisches, wird formaler denn dieses als Konsequenz aus der Lehre, praktische Vernunft sei unabhängig von jeglichem ihr ›Fremden‹, jeglichem Objekt. Wohl ist der Formalismus der Kantischen Ethik nicht nur das Verdammenswerte, als welches, seit Scheler, die reaktionäre deutsche Schulphilosophie ihn brandmarkte. Während er keine positive Kasuistik des zu Tuenden an die Hand gibt, verhindert er human den Mißbrauch inhaltlich-qualitativer Differenzen zugunsten des Privilegs und der Ideologie. Er stipuliert die allgemeine Rechtsnorm; insofern lebt trotz und wegen seiner Abstraktheit selbst ein Inhaltliches, die Idee der Egalität in ihm fort. Die deutsche Kritik, der der Kantische Formalismus zu rationalistisch war, hat ihre blutige Farbe bekannt in der faschistischen Praxis, die von blindem Schein, der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer designierten Rasse, abhängig machte, wer umgebracht werden sollte. Der Scheincharakter solcher Konkretheit: daß in vollendeter Abstraktion Menschen unter willkürliche Begriffe subsumiert und danach behandelt wurden, wischt nicht den Makel weg, der das Wort konkret seitdem befleckt. Dadurch wird aber nicht die Kritik an der abstrakten Moralität rückgängig gemacht. Sie so wenig wie die angeblich materiale Wertethik kurzfristig ewiger Normen langt zu angesichts der fortwährenden Unversöhntheit von Besonderem und Allgemeinem. Zum Prinzip erkoren, wird die Berufung aufs eine so gut wie aufs andere Unrecht am Entgegengesetzten. Die Entpraktizierung von Kants praktischer Vernunft, ihr Rationalismus also, und ihre Entgegenständlichung sind verkoppelt; erst als entgegenständlichte wird sie zu jenem absolut Souveränen, das in der Empirie ohne Rücksicht auf diese, und auf den Sprung zwischen Handeln und Tun, soll wirken können. Die Doktrin von der reinen praktischen Vernunft bereitet die Rückübersetzung von Spontaneität in Komtemplation vor, die in der späteren Geschichte des Bürgertums real sich vollzog und in der politischen Apathie, einem höchst Politischen, sich vollendete. Den Schein der ansichseienden Objektivität praktischer Vernunft stiftet ihre vollendete Subjektivierung; nicht länger erhellt, wie sie, über den ontologischen Abgrund hinweg, eingreifend Seiendes irgend erreichen soll. Das ist die Wurzel des Irrationalen auch am Kantischen Sittengesetz, dessen, wofür er den alle vernünftige Durchsichtigkeit verleugnenden Ausdruck Gegebenheit wählte: es gebietet dem Fortgang der Reflexion Einhalt. Weil bei ihm Freiheit auf die invariante Sich-Selbstgleichheit der Vernunft auch im praktischen Bereich hinausläuft, büßt sie ein, worin der Sprachgebrauch Vernunft und Willen distinguiert. Kraft seiner totalen Rationalität wird der Wille irrational. Die Kritik der praktischen Vernunft bewegt sich im Verblendungszusammenhang. Ihr schon dient Geist als Surrogat der Handlung, die da nichts sein soll als der schiere Geist. Das sabotiert die Freiheit: ihr Kantischer Träger, die Vernunft, koinzidiert mit dem reinen Gesetz. Freiheit bedürfte des bei Kant Heteronomen. Ohne ein nach dem Kriterium reiner Vernunft Zufälliges wäre so wenig Freiheit wie ohne das vernünftige Urteil. Die absolute Scheidung zwischen Freiheit und Zufall ist so willkürlich wie die absolute zwischen Freiheit und Rationalität. Nach einem undialektischen Maß von Gesetzlichkeit erscheint an Freiheit stets etwas kontingent; sie verlangt Reflexion, welche über die partikularen Kategorien Gesetz und Zufall sich erhebt.

Der neuzeitliche Begriff von Vernunft war einer der Indifferenz. In ihm glich sich das auf die reine Form gebrachte – und dadurch potentiell objektivierte, vom Ich losgerissene – subjektive Denken aus mit der ihrer Konstitution entäußerten Gültigkeit der logischen Formen, die doch wiederum ohne subjektives Denken nicht vorzustellen wäre. An solcher Objektivität partizipieren bei Kant die Äußerungen des Willens, die Handlungen; sie heißen denn auch Gegenstände[3]. Ihre dem Vernunftmodell nachgeahmte Gegenständlichkeit ignoriert die differentia specifica von Handlung und Gegenstand. Analog ist der Wille, Oberbegriff oder Einheitsmoment der Handlungen, vergegenständlicht. Was ihm theoretisch dadurch widerfährt, enträt indessen bei allem flagranten Widerspruch nicht völlig des Wahrheitsgehalts. Angesichts der Einzelimpulse ist der Wille tatsächlich soweit selbständig, quasi dinghaft, wie das Einheitsprinzip des Ichs einige Selbständigkeit erlangt gegenüber seinen Phänomenen als den ›seinen‹. Von einem selbständigen und soweit auch gegenständlichen Willen kann so gut die Rede sein wie von einem starken Ich oder, nach der älteren Sprache, von Charakter; auch außerhalb von Kants Konstruktion ist er jenes Mittlere zwischen Natur und mundus intelligibilis, als welches Benjamin ihn dem Schicksal kontrastiert18. Die Vergegenständlichung der einzelnen Impulse zu dem sie synthesierenden und bestimmenden Willen ist ihre Sublimierung, die gelungene, verschiebende, Dauer involvierende Ablenkung vom primären Triebziel. Sie ist von der Rationalität des Willens bei Kant getreu umschrieben. Durch sie wird der Wille ein Anderes als sein ›Material‹, die diffusen Regungen. An einem Menschen seinen Willen hervorheben, meint das Einheitsmoment seiner Handlungen, und das ist deren Subordination unter die Vernunft. Im italienischen Titel des Don Giovanni heißt der Wüstling il dissoluto, der Aufgelöste; die Sprache optiert für Moral als die Einheit der Person nach dem abstrakten Vernunftgesetz. Kants Sittenlehre spricht der Totalität des Subjekts die Vorherrschaft über die Momente zu, an denen allein sie ihr Leben hat und die doch außerhalb solcher Totalität nicht Wille wäre. Die Entdeckung war progressiv: sie verhinderte, länger kasuistisch über die partikularen Regungen zu urteilen; bereitete der Werkgerechtigkeit auch inwendig ihr Ende. Das stand der Freiheit bei. Moralisch wird das Subjekt für sich selber, kann nicht nach innerlich und äußerlich Partikularem, ihm Fremdem gewogen werden. Durch die Etablierung der vernünftigen Einheit des Willens als alleiniger sittlicher Instanz erlangt es Schutz gegen die ihm von einer hierarchischen Gesellschaft angetane Gewalt, die – wie noch bei Dante – seine Taten richtet, ohne daß deren Gesetz von seinem eigenen Bewußtsein zugeeignet wäre. Die einzelnen Handlungen werden läßlich; keine isolierte ist absolut gut oder böse, ihr Kriterium der ›gute Wille‹, ihr Einheitsprinzip. Verinnerlichung der Gesellschaft als ganzer tritt anstelle der Reflexe einer ständischen Ordnung, deren Gefüge, je dichter es sich gibt, desto mehr das an den Menschen Allgemeine zersplittert. Die Relegation der Moral an die nüchterne Einheit der Vernunft war Kants bürgerlich Erhabenes, trotz des falschen Bewußtseins in der Vergegenständlichung des Willens.

 

Die Behauptung von Freiheit wie von Unfreiheit terminiert Kant zufolge in Widersprüchen. Darum soll die Kontroverse fruchtlos sein. Unter Hypostasis wissenschaftlich-methodischer Kriterien wird als selbstverständlich ausgegeben, daß Theoreme, die vor der Möglichkeit ihres kontradiktorischen Gegensatzes nicht behütet werden können, von vernünftigem Denken abzulegen seien. Das ist seit Hegel nicht mehr zu halten. Der Widerspruch mag einer in der Sache sein, nicht vorweg dem Verfahren aufzubürden. Die Dringlichkeit des Interesses an der Freiheit suggeriert solche objektive Widersprüchlichkeit. Indem Kant die Notwendigkeit der Antinomien demonstrierte, hat auch er die Ausrede vom Scheinproblem verschmäht, rasch jedoch der Logik der Widerspruchslosigkeit sich gebeugt[4]. Der transzendentalen Dialektik fehlt nicht durchaus das Bewußtsein davon. Wohl wird die Kantische Dialektik nach Aristotelischem Muster als eine von Fangschlüssen vorgetragen. Aber sie entwickelt These wie Antithese jeweils widerspruchslos in sich. Insofern erledigt sie keineswegs bequem die Antithetik, sondern will ihre Unvermeidlichkeit demonstrieren. Sie sei erst durch eine Reflexion höherer Stufe ›aufzulösen‹, als Hypostasis der logischen Vernunft dem gegenüber, von dessen Ansichsein sie nichts wisse und über das ihr darum positiv zu urteilen nicht gebühre. Daß der Vernunft der Widerspruch unausweichlich sei, indiziert ihn als ein jener und der ›Logik‹ Entzogenes. Inhaltlich erlaubt das die Möglichkeit, der Träger der Vernunft, das Subjekt, sei beides, frei und unfrei. Den Widerspruch schlichtet Kant, mit den Mitteln undialektischer Logik, durch die Distinktion des reinen und des empirischen Subjekts, die von der Vermitteltheit beider Begriffe absieht. Unfrei soll das Subjekt sein, insofern auch es, Objekt seiner selbst, der gesetzmäßigen Synthesis durch die Kategorien unterworfen ist. Um in der empirischen Welt handeln zu können, kann das Subjekt tatsächlich nicht anders denn als ›Phänomen‹ vorgestellt werden. Kant verleugnet das keineswegs stets. Die spekulative Kritik lasse, lehrt das Werk über die praktische Vernunft im Einklang mit dem über die reine, »die Gegenstände der Erfahrung als solche und darunter selbst unser eigenes Subjekt nur für Erscheinung gelten«19. Synthesis, die Vermittlung kann von nichts subtrahiert werden, worüber positiv geurteilt wird. Einheitsmoment des Gedankens, befaßt sie alles Gedachte unter sich und bestimmt es als notwendig. Auch die Rede vom starken Ich als fester Identität, Bedingung der Freiheit, würde davon ereilt. Es hätte keine Macht über den Chorismos. Die Vergegenständlichung des Charakters wäre kantisch nur im Bereich des Konstitutums lokalisierbar, nicht in dem des Konstituens. Sonst beginge Kant denselben Paralogismus, dessen er die Rationalisten überführt. Frei aber sei das Subjekt, indem es die eigene Identität, den Grund seiner Gesetzlichkeit, setzt, kantisch »konstituiert«. Daß das Konstituens das transzendentale, das Konstitutum das empirische Subjekt sein soll, räumt den Widerspruch nicht weg, denn anders als zur Bewußtseinseinheit individuiert, also als Moment des empirischen ist kein transzendentales. Es bedarf des irreduktiblen Nichtidentischen, das zugleich die Gesetzlichkeit begrenzt. Ohne es wäre Identität so wenig wie ein immanentes Gesetz von Subjektivität. Nur für Nichtidentisches ist es eines; sonst Tautologie. Das identifizierende Prinzip des Subjekts ist selber das verinnerlichte der Gesellschaft. Darum hat in den realen, gesellschaftlich seienden Subjekten Unfreiheit vor der Freiheit bis heute den Vorrang. Innerhalb der nach dem Identitätsprinzip gemodelten Wirklichkeit ist keine Freiheit positiv vorhanden. Wo, unterm universalen Bann, die Menschen in sich dem Identitätsprinzip und damit den einsichtigen Determinanten enthoben scheinen, sind sie einstweilen nicht mehr sondern weniger denn determiniert: als Schizophrenie ist subjektive Freiheit ein Zerstörendes, welches die Menschen erst recht dem Bann der Natur einverleibt.

Wille ohne Körperimpulse, die abgeschwächt in der Imagination nachleben, wäre keiner; zugleich jedoch richtet er sich ein als zentralisierende Einheit der Impulse, als die Instanz, welche sie bändigt und potentiell negiert. Das nötigt zu seiner dialektischen Bestimmung. Er ist die Kraft des Bewußtseins, mit der es den eigenen Bannkreis verläßt und dadurch verändert, was bloß ist; sein Umschlag ist Widerstand. Fraglos hat die Erinnerung daran die transzendentale Vernunftlehre der Moral stets begleitet; so in der Kantischen Beteuerung der Gegebenheit des Sittengesetzes unabhängig vom philosophischen Bewußtsein. Seine These ist heteronom und autoritär, hat aber ihr Wahrheitsmoment daran, daß sie den puren Vernunftcharakter des Sittengesetzes einschränkt. Würde die Eine Vernunft streng genommen, so könnte sie keine andere sein als die unverkürzte, philosophische. Das Motiv kulminiert in der Fichteschen Formel von der Selbstverständlichkeit des Moralischen. Als schlechtes Gewissen der Rationalität des Willens jedoch wird seine Irrationalität verdrückt und falsch. Soll er einmal selbstverständlich sein, dispensiert von der vernünftigen Reflexion, so gewährt das Selbstverständliche dem unerhellten Rückstand und der Repression seinen Unterschlupf. Selbstverständlichkeit ist Kennmarke des Zivilisatorischen: gut sei das Eine, Unveränderliche, Identische. Was dem nicht sich fügt, alles Erbe des prälogischen Naturmoments, wird unmittelbar zum Bösen, so abstrakt wie das Prinzip seines Gegenbildes. Das bürgerlich Böse ist die Postexistenz des Älteren, Unterworfenen, nicht ganz Unterworfenen. Böse ist es aber nicht unbedingt, so wenig wie sein gewalttätiges Widerspiel. Darüber entscheiden kann jeweils allein das Bewußtsein, das die Momente so weit und so konsequent reflektiert, wie sie ihm erreichbar sind. Eigentlich gibt es keine andere Instanz für richtige Praxis und das Gute selbst als den fortgeschrittensten Stand der Theorie. Eine Idee des Guten, welche den Willen lenken soll, ohne daß in sie die konkreten Vernunftbestimmungen voll eingingen, pariert unvermerkt dem verdinglichten Bewußtsein, dem gesellschaftlich Approbierten. Der von Vernunft losgerissene und zum Selbstzweck erklärte Wille, dessen Triumph die Nationalsozialisten auf einem ihrer Parteitage sich selbst bescheinigten, ist gleich allen gegen die Vernunft aufmuckenden Idealen bereit zur Untat. Die Selbstverständlichkeit guten Willens verstockt sich im Trugbild, geschichtliches Sediment der Macht, welcher der Wille zu widerstehen hätte. Im Gegensatz zu seinem Pharisäismus verurteilt das irrationale Moment des Willens alles Moralische prinzipiell zur Fehlbarkeit. Moralische Sicherheit existiert nicht; sie unterstellen wäre bereits unmoralisch, falsche Entlastung des Individuums von dem, was irgend Sittlichkeit heißen dürfte. Je unbarmherziger die Gesellschaft bis in jegliche Situation hinein objektiv-antagonistisch sich schürzt, desto weniger ist irgendeine moralische Einzelentscheidung als die rechte verbrieft. Was immer der Einzelne oder die Gruppe gegen die Totalität unternimmt, deren Teil sie bildet, wird von deren Bösem angesteckt, und nicht minder, wer gar nichts tut. Dazu hat die Erbsünde sich säkularisiert. Das Einzelsubjekt, das moralisch sicher sich wähnt, versagt und wird mitschuldig, weil es, eingespannt in die Ordnung, kaum etwas über die Bedingungen vermag, die ans sittliche Ingenium appellieren: nach ihrer Veränderung schreien. Für solchen Verfall nicht der Moral, sondern des Moralischen hat das gewitzigte Neudeutsch nach dem Krieg den Namen der Überforderung ausgeheckt, seinerseits wiederum ein apologetisches Instrument. Alle denkbaren Bestimmungen des Moralischen, bis zur formalsten, der Einheit des Selbstbewußtseins als Vernunft, sind aus jener Materie herausgepreßt, von welcher die Moralphilosophie unbefleckt sich halten wollte. Heute ist Moral an die ihr verhaßte Heteronomie zurückerstattet, und hebt sich tendenziell auf. Ohne Rekurs auf Material könnte aus der Vernunft kein Sollen entfließen; muß sie aber einmal ihr Material in abstracto als Bedingung ihrer Möglichkeit anerkennen, so darf sie nicht die Besinnung aufs spezifische Material unterbinden; sonst gerade würde sie heteronom. Dem Rückblick enthüllt sich die Positivität des Moralischen, die Unfehlbarkeit, welche die subjektiven Idealisten ihm attestierten, als Funktion einer noch einigermaßen geschlossenen Gesellschaft, oder wenigstens von deren Schein für das in ihr beschränkte Bewußtsein. Das mochte Benjamin mit den Bedingungen und Grenzen der Humanität meinen. Der von der Kantischen und Fichteschen Lehre geforderte Primat der praktischen Vernunft über die Theorie, eigentlich von Vernunft über Vernunft, gilt nur für traditionalistische Phasen, deren Horizont die Zweifel nicht erst duldet, welche die Idealisten zu lösen wähnten.

Marx hat die These vom Primat der praktischen Vernunft von Kant und dem deutschen Idealismus empfangen und geschärft zur Forderung, die Welt zu verändern anstatt sie bloß zu interpretieren. Er hat damit das Programm absoluter Naturbeherrschung, ein Urbürgerliches, unterschrieben. Das reale Modell des Identitätsprinzips schlägt durch, das als solches vom dialektischen Materialismus bestritten ist, die Anstrengung, das dem Subjekt Ungleiche ihm gleichzumachen. Wie aber Marx das dem Begriff immanente Reale nach außen stülpt, bereitet er einen Umschlag vor. Das Telos der ihm zufolge fälligen Praxis war die Abschaffung ihres Primats in der Gestalt, welche die bürgerliche Gesellschaft durchherrscht hatte. Kontemplation wäre möglich ohne Inhumanität, sobald die Produktivkräfte soweit entfesselt sind, daß die Menschen nicht länger von einer Praxis verschlungen werden, die der Mangel ihnen abzwingt und die dann in ihnen sich automatisiert. Das Schlechte an der Kontemplation bis heute, der diesseits von Praxis sich genügenden, wie Aristoteles erstmals als summum bonum sie entwickelt hatte, war, daß sie gerade durch ihre Gleichgültigkeit gegen die Veränderung der Welt zum Stück bornierter Praxis: daß sie Methode und instrumentell ward. Die mögliche Reduktion von Arbeit auf ein Minimum müßte den Begriff Praxis radikal affizieren. Was an Einsicht einer durch Praxis befreiten Menschheit zufiele, wäre von Praxis, die ideologisch sich selbst erhöht und die Subjekte so oder so sich zu tummeln veranlaßt, verschieden. Ein Abglanz davon fällt auf Kontemplation heute. Der gängige, aus den Feuerbachthesen extrapolierte Einwand, das Glück des Geistes sei inmitten des ansteigenden Unglücks der explodierenden Bevölkerung der armen Länder, nach den geschehenen und bevorstehenden Katastrophen, unerlaubt, hat gegen sich nicht bloß, daß er meist aus der Impotenz eine Tugend macht. Wohl ist des Geistes nicht mehr recht zu genießen, weil Glück keines wäre, das die eigene Nichtigkeit, die erborgte Zeit, die ihm gegönnt ist, durchschauen müßte. Auch subjektiv ist es unterhöhlt, selbst wo es noch sich regt. Daß an Erkenntnis, deren mögliche Beziehung auf verändernde Praxis zumindest temporär gelähmt ist, auch in sich kein Segen sei, dafür spricht vieles. Praxis wird aufgeschoben und kann nicht warten; daran krankt auch Theorie. Wer jedoch nichts tun kann, ohne daß es, auch wenn es das Bessere will, zum Schlechten auszuschlagen drohte, wird zum Denken verhalten; das ist seine Rechtfertigung und die des Glücks am Geiste. Dessen Horizont muß keineswegs der einer durchsichtigen Beziehung auf später mögliche Praxis sein. Vertagendes Denken über Praxis hat allemal etwas Ungemäßes, auch wenn es aus nacktem Zwang sie aufschiebt. Leicht jedoch wird alles verderben, wer sein Denken durchs cui bono gängelt. Was einmal einer besseren Praxis obliegt und zuteil wird, kann Denken, der Warnung vorm Utopismus gemäß, jetzt und hier so wenig absehen, wie Praxis, ihrem eigenen Begriff nach, je in Erkenntnis aufgeht. Ohne praktischen Sichtvermerk sollte Denken so sehr gegen die Fassade angehen, soweit sich bewegen, wie ihm möglich ist. Eine Realität, die gegen die überlieferte Theorie, auch die bislang beste, sich abdichtet, verlangt danach um des Bannes willen, der sie umhüllt; sie blickt das Subjekt mit so fremden Augen an, daß es, seines Versäumnisses eingedenk, die Anstrengung zur Antwort nicht sich ersparen darf. Das Verzweifelte, daß die Praxis, auf die es ankäme, verstellt ist, gewährt paradox die Atempause zum Denken, die nicht zu nutzen praktischer Frevel wäre. Dem Denken kommt heute ironisch zugute, daß man seinen eigenen Begriff nicht verabsolutieren darf: es bleibt, als Verhalten, ein Stück Praxis, sei diese sich selbst noch so sehr verborgen. Wer aber dem unerlaubten Glück des Geistes das buchstäbliche, sinnliche als Besseres kontrastiert, verkennt, daß, am Ende der geschichtlichen Sublimierung, das abgespaltene sinnliche Glück etwas ähnlich Regressives annimmt, wie das Verhältnis von Kindern zum Essen den Erwachsenen abstößt. Jenen darin nicht zu gleichen, ist ein Stück Freiheit.

 

Nach den Ergebnissen der transzendentalen Analytik wäre die dritte Antinomie vorweg abgeschnitten: »Wer hat euch geheißen, einen schlechthin ersten Zustand der Welt und mithin einen absoluten Anfang der nach und nach ablaufenden Reihe der Erscheinungen zu erdenken und damit ihr eurer Einbildung einen Ruhepunkt verschaffen möget, der unbeschränkten Natur Grenzen zu setzen?«20 Indessen begnügte Kant sich nicht mit der summarischen Konstatierung, die Antinomie sei ein vermeidbarer Fehler des Vernunftgebrauchs, und führte sie, gleich den anderen, aus. Der Kantische transzendentale Idealismus enthält das anti-idealistische Verbot, absolute Identität zu setzen. Erkenntnistheorie solle nicht so sich gebärden, als sei der unabsehbare, »unendliche« Gehalt der Erfahrung aus positiven Bestimmungen der Vernunft an sich zu erlangen. Wer dagegen sich verfehlt, der gerate in den dem common sense unerträglichen Widerspruch. An diesem Plausiblen jedoch bohrt Kant weiter. Vernunft, die verfährt, wie er an ihr es tadelt, muß dem eigenen Sinn nach, ihrem unaufhaltsamen Erkenntnisideal zuliebe, so weiter gehen, wie sie es nicht dürfe, gleichwie unter einer natürlichen und unwiderstehlichen Versuchung. Der Vernunft werde zugeflüstert, die Totalität des Seienden konvergiere doch mit ihr. Andererseits hat die gleichsam systemfremde Notwendigkeit im unendlichen Fortgang der nach Bedingungen suchenden Vernunft ihr Authentisches, die Idee des Absoluten, ohne die Wahrheit nicht zu denken wäre, im Gegensatz zur Erkenntnis als bloßer adaequatio rei atque cogitationis. Daß der Fortgang, und damit die Antinomie, der gleichen Vernunft unabdingbar sei, die doch als kritische in der transzendentalen Analytik derlei Ausschweifungen unterdrücken muß, belegt, mit unabsichtlicher Selbstkritik, den Widerspruch des Kritizismus zu seiner eigenen Vernunft als des Organs emphatischer Wahrheit. Kant dringt auf die Notwendigkeit des Widerspruchs und verstopft zugleich das Loch, indem er jene Notwendigkeit, die von der Natur der Vernunft herstamme, zu deren höherer Ehre eskamotiert, lediglich aus einem korrigibel falschen Gebrauch der Begriffe erklärt. – Wie von »Kausalität durch Freiheit« wird in der Thesis der dritten Antinomie, zur Erklärung von Freiheit, von »nothwendig«21 geredet. Seine eigene praktische Freiheitslehre, so eindeutig auch ihre Intention sich bekundet, kann danach nicht einfach akausal oder antikausal sein. Er modifiziert oder erweitert den Begriff von Kausalität, solange er ihn nicht von dem in der Antithesis verwendeten explizit unterscheidet. Widersprechendes durchfurcht sein Theorem schon vor aller Paradoxie des Unendlichen. Als Theorie der Geltung wissenschaftlicher Erkenntnis kann die Kritik der reinen Vernunft ihre Themen anders als unterm Gesetzesbegriff nicht abhandeln, selbst das nicht, was der Gesetzlichkeit entrückt sein soll.

Die berühmte, äußerst formale Kantische Definition der Kausalität lautet, daß alles, was geschehe, einen vorigen Zustand voraussetze, »auf den es unausbleiblich nach einer Regel folgt«22. Historisch richtet sie sich gegen die Leibniz'sche Schule; gegen die Interpretation der Folge der Zustände aus innerer Notwendigkeit als einem Ansichsein. Andererseits unterscheidet sie sich von Hume: ohne die von diesem der Konvention, einem Zufälligen überantwortete Regelhaftigkeit des Denkens sei einstimmige Erfahrung nicht möglich; muß doch Hume, an Ort und Stelle, kausal reden, um plausibel zu machen, was er zur Konvention vergleichgültigt. Bei Kant dagegen wird Kausalität zur Funktion subjektiver Vernunft, und damit das unter ihr Vorgestellte immer dünner. Es zergeht wie ein Stück Mythologie. Sie nähert sich dem Vernunftprinzip als solchem, eben dem Denken nach Regeln. Urteile über Kausalzusammenhänge spielen in Tautologie hinüber: Vernunft konstatiert an ihnen, was sie ohnehin als Vermögen von Gesetzen wirkt. Daß sie der Natur die Gesetze vorschreibt oder vielmehr das Gesetz, besagt nicht mehr als Subsumtion unter die Einheit von Vernunft. Sie überträgt diese Einheit, ihr eigenes Identitätsprinzip, auf die Objekte und unterschiebt sie dann als deren Erkenntnis. Ist einmal Kausalität so gründlich entzaubert, wie durchs Tabu über die innere Determination der Objekte, so zersetzt sie sich auch in sich selber. Vor der Humeschen Leugnung hat die Kantische Rettung einzig noch voraus, daß sie, was jener wegfegte, für der Vernunft eingeboren, gleichsam für die Not ihrer Beschaffenheit ansieht, wenn nicht für anthropologische Zufälligkeit. Kausalität soll nicht in den Gegenständen und ihrem Verhältnis, statt dessen lediglich in subjektivem Denkzwang entspringen. Daß ein Zustand mit dem folgenden etwas Wesentliches, Spezifisches zu tun haben könne, gilt auch für Kant als dogmatisch. Es ließen aber Gesetzmäßigkeiten von Sukzessionen nach der Kantischen Konzeption sich aufstellen, die in nichts ans Kausalverhältnis erinnerten. Virtuell wird das Verhältnis der durchs Inwendige hindurchgegangenen Gegenstände zueinander dem Kausalitätstheorem zum Äußerlichen. Mißachtet wird das Einfachste der Rede, etwas sei die Ursache von etwas anderem. Kausalität, die rigoros gegens Innere der Gegenstände sich abdichtet, ist nur noch ihre eigene Hülse. Die reductio ad hominem im Gesetzesbegriff erreicht einen Schwellenwert, wo das Gesetz über die Objekte nichts mehr besagt; die Ausweitung der Kausalität zum reinen Vernunftbegriff negiert sie. Die Kantische Kausalität ist eine ohne causa. Indem er sie vom naturalistischen Vorurteil kuriert, zergeht sie ihm unter den Händen. Daß das Bewußtsein der Kausalität, als seiner eingeborenen Form, gar nicht entrinnen könne, antwortet gewiß auf Humes Schwäche. Aber indem laut Kant das Subjekt kausal denken muß, folgt auch er in der Analyse der Konstituentien, nach dem Wortsinn von Müssen, dem Kausalsatz, dem er erst die Konstituta unterwerfen dürfte. Unterliegt bereits die Konstitution der Kausalität durch die reine Vernunft, die doch ihrerseits die Freiheit sein soll, der Kausalität, so ist Freiheit vorweg so kompromittiert, daß sie kaum einen anderen Ort hat als die Gefügigkeit des Bewußtseins dem Gesetz gegenüber. Im Aufbau der gesamten Antithetik überschneiden sich Freiheit und Kausalität. Weil jene bei Kant soviel ist wie Handeln aus Vernunft, ist auch sie gesetzmäßig, auch die freien Handlungen »folgen aus Regeln«. Daraus ist die unerträgliche Hypothek der nach-Kantischen Philosophie geworden, daß Freiheit ohne Gesetz keine sei; einzig in der Identifikation mit diesem bestünde. Über den deutschen Idealismus hat sich das, mit unabsehbarer politischer Konsequenz, auf Engels[5] fortgeerbt: theoretischer Ursprung der falschen Versöhnung.

Mit dem erkenntnistheoretischen Zwangscharakter würde auch jener Anspruch auf Totalität hinfällig, den Kausalität so lange erhebt, wie sie mit dem Prinzip von Subjektivität koinzidiert. Was im Idealismus als Freiheit paradox nur erscheinen kann, würde dann inhaltlich jenes Moment, das die Verklammerung des Weltlaufs zum Schicksal transzendiert. Würde Kausalität als eine – wie immer auch subjektiv vermittelte – Bestimmung der Sachen selbst aufgesucht, so öffnete sich in solcher Spezifikation, gegenüber dem unterschiedslos Einen reiner Subjektivität, die Perspektive von Freiheit. Sie gälte dem von Zwang Unterschiedenen. Dann wäre der Zwang nicht länger gepriesen als Tathandlung des Subjekts, nicht länger seine Totalität bejaht. Er büßte die apriorische Gewalt ein, die aus dem realen Zwang extrapoliert ward. Je objektiver die Kausalität, desto größer die Möglichkeit von Freiheit; nicht zuletzt darum muß, wer Freiheit will, auf der Notwendigkeit insistieren. Kant dagegen fordert die Freiheit und verhindert sie. Die Begründung der Thesis der dritten Antinomie, der von der absoluten Spontaneität der Ursache, Säkularisierung des freien göttlichen Schöpfungsaktes, ist Cartesianischen Stils; sie soll gelten, damit der Methode genügt werde. Vollständigkeit der Erkenntnis etabliert sich als erkenntnistheoretisches Kriterium; ohne Freiheit sei »selbst im Laufe der Natur die Reihenfolge der Erscheinungen auf der Seite der Ursachen niemals vollständig«23. Die Totalität von Erkenntnis, die dabei stillschweigend der Wahrheit gleichgesetzt wird, wäre die Identität von Subjekt und Objekt. Kant schränkt sie ein als Erkenntniskritiker und lehrt sie als Theoretiker der Wahrheit. Einer Erkenntnis, die über eine derart vollständige Reihe verfügte, wie sie laut Kant nur unter der Hypostasis eines ursprünglichen Aktes absoluter Freiheit vorzustellen ist; die also nichts an sinnlich Gegebenem mehr draußen ließe, wäre eine, der kein von ihr Verschiedenes gegenüberstünde. Kritik solcher Identität träfe wie die positiv-ontologische Apotheose des subjektiven Kausalbegriffs auch den Kantischen Beweis für die Notwendigkeit der Freiheit, dem ohnehin, der reinen Form nach, etwas Widersprechendes anhaftet. Daß Freiheit sein müsse, ist die höchste iniuria des rechtsetzenden autonomen Subjekts. Der Inhalt seiner eigenen Freiheit – der Identität, die alles Nichtidentische annektiert hat – ist eins mit dem Muß, dem Gesetz, der absoluten Herrschaft. Daran entflammt das Kantische Pathos. Noch Freiheit konstruiert er als Spezialfall von Kausalität. Ihm geht es um die »beständigen Gesetze«. Sein bürgerlich verzagter Abscheu vor Anarchie ist nicht geringer als sein bürgerlich selbstbewußter Widerwille gegen Bevormundung. Auch damit reicht Gesellschaft bis in seine formalsten Erwägungen hinein. Das Formale an sich, das einerseits den Einzelnen befreit von den einengenden Bestimmungen des So und nicht anders Gewordenen, andererseits dem Seienden nichts entgegenhält, auf nichts sich stützt als auf die zum reinen Prinzip erhobene Herrschaft, ist ein Bürgerliches. Im Ursprung der Kantischen Metaphysik der Sitten birgt sich die spätere soziologische Dichotomie Comtes zwischen den Gesetzen des Fortschritts und denen der Ordnung, samt der Parteiischkeit für diese; vermöge ihrer Gesetzlichkeit soll sie den Fortschritt bändigen. Solchen Oberton hat der Satz aus dem Kantischen Beweis der Antithese, »die Freiheit (Unabhängigkeit) von den Gesetzen der Natur ist zwar eine Befreiung vom Zwange, aber auch vom Leitfaden aller Regeln«24. Er soll durch die »unbedingte Kausalität«, will sagen: den freien Akt der Erzeugung, »abreißen«; wo Kant diesen, in der Antithesis, szientifisch kritisiert, schilt er ihn, wie sonst das sture Faktum, »blind«25. Daß Kant Freiheit eilends als Gesetz denkt, verrät, daß er es so wenig streng mit ihr nimmt wie je seine Klasse. Schon ehe sie das industrielle Proletariat fürchtete, verband sie, etwa in der Smith'schen Ökonomie, den Preis des emanzipierten Individuums mit der Apologie einer Ordnung, in der einerseits die invisible hand für den Bettler sorge wie für den König, während andererseits in ihr noch der freie Konkurrent des – feudalen – fair play sich zu befleißigen habe. Kants Popularisator hat seinen philosophischen Lehrer nicht verfälscht, als er die Ordnung die segensreiche Himmelstochter nannte im gleichen Poem, das einhämmert, es könne, wenn sich die Völker selbst befrei'n, die Wohlfahrt nicht gedeih'n. Beide wollten nichts davon wissen, daß das Chaos, welches jener Generation an den vergleichsweise bescheidenen Schrecken der Französischen Revolution vor Augen stand – über die Greuel der Chouans entrüsteten sie sich weniger –, Ausgeburt einer Repression war, deren Züge in denen überleben, welche gegen sie sich aufbäumen. Erleichtert schon wie all die anderen deutschen Genien, die gar nicht rasch genug die Revolution, die sie zunächst hatten begrüßen müssen, schmähen konnten, sobald Robespierre ihnen den Vorwand lieferte, lobt Kant im Beweis der Antithesis »Gesetzmäßigkeit« auf Kosten von »Gesetzlosigkeit« und spricht gar vom »Blendwerk von Freiheit«26. Gesetzen wird das rühmende Epitheton »beständig« verliehen, das sie über das Schreckbild der Anarchie erheben soll, ohne daß der Verdacht dämmerte, sie gerade seien das alte Übel des Unfreien. Die Vormacht des Gesetzesbegriffs bei Kant aber zeigt sich darin, daß er sie in der Beweisführung für die Thesis sowohl wie für die Antithesis, als deren vermeintlich höhere Einheit, anruft.

Der gesamte Abschnitt über die Antithetik der reinen Vernunft argumentiert, wie bekannt, e contrario; in der These derart, daß die Gegenthese jenes transzendenten Gebrauchs der Kausalität schuldig sei, der die Kategorienlehre vorweg verletzt; die Kausalkategorie überschritte in der Antithese die Grenzen der Möglichkeit von Erfahrung. Vernachlässigt wird dabei inhaltlich, daß der konsequente Szientivismus vor solcher metaphysischen Verwendung der Kausalkategorie sich hütet. Um der agnostischen Konsequenz des Szientivismus zu entgehen, mit dem die Lehre von der theoretischen Vernunft unmißverständlich sympathisiert, baut Kant eine Antithese auf, die gar nicht der szientifischen Position entspricht: Freiheit wird errungen durch Destruktion einer nach Maß gefertigten Vogelscheuche. Bewiesen ist nur, daß Kausalität nicht als bis ins Unendliche positiv gegeben angesehen werden dürfe – nach dem Tenor der Kritik der reinen Vernunft eine Tautologie, gegen welche die Positivisten am letzten etwas einzuwenden hätten. Keineswegs jedoch folgt daraus, auch im Argumentationszusammenhang der Thesis nicht, die Kausalkette breche mit der Supposition einer nicht weniger denn jene positiv unterstellten Freiheit ab. Der Paralogismus ist von unabsehbarer Tragweite, weil er es erlaubt, das non liquet positiv umzudeuten. Die positive Freiheit ist ein aporetischer Begriff, ersonnen, um gegenüber Nominalismus und Verwissenschaftlichung das Ansichsein eines Geistigen zu konservieren. An zentraler Stelle der Kritik der praktischen Vernunft hat Kant zugestanden, worum es dieser geht, eben um Rettung eines Residuums: »Da dieses Gesetz aber unvermeidlich alle Causalität der Dinge, so fern ihr Dasein in der Zeit bestimmbar ist, betrifft, so würde, wenn dieses die Art wäre, wornach man sich auch das Dasein dieser Dinge an sich selbst vorzustellen hätte, die Freiheit als ein nichtiger und unmöglicher Begriff verworfen werden müssen. Folglich wenn man sie noch retten will, so bleibt kein Weg übrig, als das Dasein eines Dinges, so fern es in der Zeit bestimmbar ist, folglich auch die Causalität nach dem Gesetze der Naturnothwendigkeit blos der Erscheinung, die Freiheit aber eben demselben Wesen als Dinge an sich selbst beizulegen.«27 Die Konstruktion der Freiheit bekennt sich als inspiriert von der später in den Wahlverwandtschaften so genannten Begierde des Rettens, während sie, zur Eigenschaft des innerzeitlichen Subjekts relegiert, als »nichtig und unmöglich« sich enthüllte. Das aporetische Wesen der Konstruktion, nicht die abstrakte Möglichkeit der Antithesis im Unendlichen spricht gegen die positive Freiheitslehre. Apodiktisch verwehrt die Vernunftkritik, von einem Subjekt jenseits von Raum und Zeit als einem Gegenstand der Erkenntnis zu reden. So argumentiert anfangs noch die Moralphilosophie: »Sogar sich selbst und zwar nach der Kenntniß, die der Mensch durch innere Empfindung von sich hat, darf er sich nicht anmaßen zu erkennen, wie er an sich selbst sei.«28 Die Vorrede der Kritik der praktischen Vernunft wiederholt das, unter Berufung auf die der reinen29. Daß man den »Gegenständen der Erfahrung«, wie Kant stipuliert, »gleichwohl Dinge an sich selbst zum Grunde zu legen«30 habe, klingt danach kraß dogmatisch. Aporetisch indessen ist keineswegs nur die Frage nach der Möglichkeit, zu erkennen, was das Subjekt an und für sich sei. In sie gerät jede auch nur denkbare, im Kantischen Sinn »noumenale« Bestimmung des Subjekts. Um der Freiheit teilhaftig zu werden, müßte nach Kants Lehre dies noumenale Subjekt außerzeitlich sein, »als reine Intelligenz, in seinem nicht der Zeit nach bestimmbaren Dasein«31. Die Begierde der Rettung macht dies Noumenale ebensowohl zu einem Dasein – weil sonst schlechterdings nichts davon prädiziert werden könnte –, wie es nicht der Zeit nach bestimmbar sein soll. Dasein jedoch, als irgend gegebenes, nicht zur reinen Idee verblaßtes, ist dem eigenen Begriff nach innerzeitlich. In der Kritik der reinen Vernunft: der Deduktion der reinen Verstandesbegriffe ebenso wie im Schematismuskapitel[6], wird die Einheit des Subjekts zur reinen Zeitform. Sie integriert die Tatsachen des Bewußtseins, als solche der gleichen Person. Keine Synthesis ohne die innerzeitliche Bezogenheit der synthesierten Momente aufeinander; sie wäre Bedingung sogar der formalsten logischen Operationen und ihrer Geltung. Danach könnte aber auch einem absoluten Subjekt Zeitlosigkeit nicht zugesprochen werden, solange unter dem Namen Subjekt irgend etwas auch nur gedacht werden soll. Eher allenfalls wäre es absolute Zeit. Unerfindlich, wie Freiheit, prinzipiell Attribut temporalen Handelns und einzig temporal aktualisiert, von einem radikal Unzeitlichen soll prädiziert werden können; unerfindlich auch, wie ein derart Unzeitliches in die raumzeitliche Welt hineinzuwirken vermöchte, ohne selbst zeitlich zu werden und ins Kantische Reich der Kausalität sich zu verirren. Als deus ex machina springt der Ding-an-sich-Begriff ein. Verborgen und unbestimmt, markiert er eine Leerstelle des Gedankens; einzig seine Unbestimmtheit erlaubt, ihn nach Bedarf zur Erklärung heranzuziehen. Das einzige, was Kant vom Ding an sich Wort haben will, ist, daß es das Subjekt »affiziert«. Damit aber wäre es diesem schroff entgegengesetzt und nur durch uneinlösbare, von Kant denn auch nirgends ausgeführte Spekulation mit dem moralischen Subjekt als einem gleichfalls Ansichseienden zusammenzuwerfen. Freiheit ins Dasein zu zitieren, verhindert Kants Erkenntniskritik; er hilft sich durch Beschwörung einer Daseinssphäre, die zwar von jener Kritik ausgenommen wäre, aber auch von jeglichem Urteil, was sie sei. Sein Versuch, die Freiheitslehre zu konkretisieren, Freiheit lebendigen Subjekten zuzuschreiben, verfängt sich in paradoxalen Behauptungen: »Man kann also einräumen, daß, wenn es für uns möglich wäre, in eines Menschen Denkungsart, so wie sie sich durch innere sowohl als äußere Handlungen zeigt, so tiefe Einsicht zu haben, daß jede, auch die mindeste Triebfeder dazu uns bekannt würde, imgleichen alle auf diese wirkende äußere Veranlassung, man eines Menschen Verhalten auf die Zukunft mit Gewißheit, so wie eine Mond- oder Sonnenfinsterniß ausrechnen könnte und dennoch dabei behaupten, daß der Mensch frei sei.«32 Daß Kant sogar in der Kritik der praktischen Vernunft nicht ohne Termini wie Triebfeder auskommt, ist inhaltlich relevant. Der Versuch, Freiheit so weit verständlich zu machen, wie eine Freiheitslehre es nicht entbehren kann, führt durchs Medium seiner Metaphern unausweichlich auf Vorstellungen aus der empirischen Welt. ›Feder‹ ist ein kausal-mechanischer Begriff. Gälte jedoch selbst der Vordersatz, so wäre der Nachsatz Nonsens. Er taugte einzig noch dazu, den empirisch in die totale Kausalität Einbezogenen überdies metaphysisch, durch mythischen Schicksalszusammenhang einzubeziehen, indem ihm im Namen von Freiheit als Schuld aufgebürdet wird, was bei total gegebener Determination keine wäre. Durch seine Schuldhaftigkeit würde diese verstärkt bis ins Innerste seiner Subjektivität hinein. Solcher Konstruktion der Freiheit bleibt schon gar nichts mehr übrig, als, unter Preisgabe der Vernunft, auf welcher sie beruhen soll, autoritär den einzuschüchtern, der sie vergebens zu denken trachtet. Vernunft ihrerseits aber ist ihm nichts anderes als das gesetzgebende Vermögen. Darum muß er Freiheit von Anbeginn als »besondere Art von Causalität«33 vorstellen. Indem er sie setzt, nimmt er sie zurück.

Tatsächlich basiert die aporetische Konstruktion der Freiheit nicht auf dem Noumenalen sondern auf dem Phänomenalen. Dort läßt jene Gegebenheit des Sittengesetzes sich beobachten, durch welche Kant Freiheit trotz allem als ein Daseiendes verbrieft glaubt. Gegebenheit indessen ist, worauf das Wort anspielt, das Gegenteil von Freiheit, nackter Zwang, ausgeübt in Raum und Zeit. Freiheit heißt bei Kant soviel wie die reine praktische Vernunft, die ihre Gegenstände sich selber produziert; diese habe zu tun »nicht mit Gegenständen, sie zu erkennen, sondern mit ihrem eigenen Vermögen, jene (der Erkenntniß derselben gemäß) wirklich zu machen«34. Die darin implizierte absolute Autonomie des Willens wäre soviel wie absolute Herrschaft über die innere Natur. Kant rühmt: »Consequent zu sein, ist die größte Obliegenheit eines Philosophen und wird doch am seltensten angetroffen.«35 Das unterschiebt nicht nur die formale Logik der reinen Konsequenz als höchste moralische Instanz, sondern zugleich die Unterordnung jeglicher Regung unter die logische Einheit, ihren Primat über das Diffuse der Natur, ja über alle Vielfalt des Nichtidentischen; jene erscheint im geschlossenen Kreis der Logik stets als inkonsequent. Trotz der Auflösung der dritten Antinomie bleibt die Kantische Moralphilosophie antinomisch: sie vermag, gemäß der Gesamtkonzeption, den Begriff der Freiheit einzig als Unterdrückung vorzustellen. Sämtliche Konkretisierungen der Moral tragen bei Kant repressive Züge. Ihre Abstraktheit ist inhaltlich, weil sie vom Subjekt ausscheidet, was seinem reinen Begriff nicht entspricht. Daher der Kantische Rigorismus. Gegen das hedonistische Prinzip wird argumentiert, nicht weil es an sich böse, sondern dem reinen Ich heteronom sei: »Die Lust aus der Vorstellung der Existenz einer Sache, sofern sie ein Bestimmungsgrund des Begehrens dieser Sache sein soll, gründet sich auf der Empfänglichkeit des Subjects, weil sie von dem Dasein eines Gegenstandes abhängt; mithin gehört sie dem Sinne (Gefühl) und nicht dem Verstande an, der eine Beziehung der Vorstellung auf ein Object nach Begriffen, aber nicht auf das Subject nach Gefühlen ausdrückt.«36 Aber die Ehre, welche Kant der Freiheit angedeihen läßt, indem er sie von allem sie Beeinträchtigenden reinigen möchte, verurteilt zugleich prinzipiell die Person zur Unfreiheit. Anders denn als Einschränkung ihrer eigenen Regungen kann sie solche zum äußersten gespannte Freiheit nicht erfahren. Neigte Kant gleichwohl in manchen Passagen wie der großartigen zweiten Anmerkung zum zweiten Lehrsatz aus den Grundsätzen der praktischen Vernunft dem Glück sich zu, so durchbrach seine Humanität die Norm von Konsequenz. Ihm mochte dämmern, daß ohne solche Erbittlichkeit nach dem Sittengesetz nicht zu leben wäre. Das reine Vernunftprinzip der Persönlichkeit müßte konvergieren mit dem der Selbsterhaltung der Person, der Totalität seines ›Interesses‹, die das Glück einbegreift. Zu diesem steht Kant so ambivalent wie der bürgerliche Geist insgesamt, der dem Individuum the pursuit of happiness garantieren und aus Arbeitsmoral verbieten möchte. Solche soziologische Reflexion ist nicht von außen, zuordnend, in den Kantischen Apriorismus hineingetragen. Daß in der Grundlegung und in der Kritik der praktischen Vernunft Termini gesellschaftlichen Inhalts immer wieder auftreten, mag unvereinbar sein mit der aprioristischen Intention. Aber ohne derlei Metabasis müßte Kant verstummen vor der Frage nach der Kompatibilität des Sittengesetzes mit den empirischen Menschen. Er würde vor der Heteronomie kapitulieren, sobald er Autonomie als unrealisierbar einbekennte. Wollte man im Dienst systematischer Stimmigkeit jene sozial sachhaltigen Termini ihres einfachen Sinnes enteignen und sie zu Ideen sublimieren, so mißachtete man nicht nur den Wortlaut. Mit größerer Gewalt, als daß Kants Absicht etwas darüber vermöchte, meldet in ihnen der wahre Ursprung der moralischen Kategorien sich an. Heißt es in der berühmten Variante des kategorischen Imperativs aus der ›Grundlegung‹: »Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst«37, so mag immerhin »Menschheit«, menschliches Potential in den Menschen, nur als regulative Idee gemeint sein; Menschheit, Prinzip des Menschseins, keineswegs die Summe aller Menschen, ist noch nicht verwirklicht. Gleichwohl ist der Zusatz von faktischem Gehalt in dem Wort nicht abzuschütteln: jeder Einzelne sei als Repräsentant der vergesellschafteten Gattung Mensch zu achten, keine bloße Funktion des Tauschvorgangs. Der von Kant entscheidend urgierte Unterschied von Mittel und Zweck ist gesellschaftlich, der zwischen den Subjekten als der Ware Arbeitskraft, aus denen Wert herauszuwirtschaften ist, und den Menschen, die noch als solche Ware die Subjekte bleiben, um derentwillen das gesamte Getriebe in Gang gesetzt ist, das sie vergißt und nur beiher befriedigt. Ohne diese Perspektive verlöre die Variante des Imperativs sich ins Leere. Das »niemals bloß« aber ist, nach Horkheimers Bemerkung, eine jener Wendungen erhabener Nüchternheit, in denen Kant, um der Utopie nicht die Chance ihrer Realisierung zu verderben, die Empirie noch in ihrer verworfenen Gestalt, der von Ausbeutung, als Bedingung des Besseren soweit mithineinnimmt, wie er es dann in der Geschichtsphilosophie, unterm Begriff des Antagonismus, entfaltet. Dort heißt es: »Das Mittel, dessen sich die Natur bedient, die Entwicklung aller ihrer Anlagen zu Stande zu bringen, ist der Antagonism derselben in der Gesellschaft, so fern dieser doch am Ende die Ursache einer gesetzmäßigen Ordnung derselben wird. Ich verstehe hier unter dem Antagonism die ungesellige Geselligkeit der Menschen, d.i. den Hang derselben in Gesellschaft zu treten, der doch mit einem durchgängigen Widerstande, welcher diese Gesellschaft beständig zu trennen droht, verbunden ist. Hiezu liegt die Anlage offenbar in der menschlichen Natur. Der Mensch hat eine Neigung sich zu vergesellschaften: weil er in einem solchen Zustande sich mehr als Mensch, d.i. die Entwickelung seiner Naturanlagen, fühlt. Er hat aber auch einen großen Hang sich zu vereinzelnen (isoliren): weil er in sich zugleich die ungesellige Eigenschaft antrifft, alles bloß nach seinem Sinne richten zu wollen, und daher allerwärts Widerstand erwartet, so wie er von sich selbst weiß, daß er seinerseits zum Widerstande gegen andere geneigt ist. Dieser Widerstand ist es nun, welcher alle Kräfte des Menschen erweckt, ihn dahin bringt seinen Hang zur Faulheit zu überwinden und, getrieben durch Ehrsucht, Herrschsucht oder Habsucht, sich einen Rang unter seinen Mitgenossen zu verschaffen, die er nicht wohl leiden, von denen er aber auch nicht lassen kann.«38 Das »Princip der Menschheit als Zwecks an sich selbst«39 ist, aller Gesinnungsethik zum Trotz, kein bloß Inwendiges, sondern Anweisung auf die Verwirklichung eines Begriffs vom Menschen, der als soziales, wenngleich verinnerlichtes Prinzip seinen Ort nur in jedem Einzelnen hat. Den Doppelsinn des Wortes Menschheit, als der Idee des Menschseins und des Inbegriffs aller Menschen, muß Kant bemerkt haben. Mit dialektischem Tiefsinn hat er ihn, sei's auch spielend, der Theorie zugeführt. In der Folge schwankt sein Sprachgebrauch weiter zwischen ontischen und auf die Idee bezogenen Redeweisen. »Vernünftige Wesen«40 sind gewiß die lebendigen menschlichen Subjekte ebenso, wie das »allgemeine Reich der Zwecke an sich selbst«41, das mit den vernünftigen Wesen identisch sein soll, diese bei Kant transzendiert. Er möchte die Idee der Menschheit weder an die bestehende Gesellschaft zedieren noch zum Phantasma verflüchtigen. Die Spannung steigert sich bis zum Zerreißen in seiner Ambivalenz zum Glück. Einerseits verteidigt er es im Begriff der Glückswürdigkeit, andererseits verunglimpft er es als heteronom, etwa dort, wo er sogar die »allgemeine Glückseligkeit«42 für untauglich zum Gesetz des Willens befindet. Wie wenig Kant, trotz des kategorischen Charakters des Imperativs, gesonnen war, diesen schlackenlos zu ontologisieren, bestätigt der Passus, »daß ... der Begriff des Guten und Bösen nicht vor dem moralischen Gesetze (dem er dem Anschein nach sogar zum Grunde gelegt werden müßte), sondern nur (wie hier auch geschieht) nach demselben und durch dasselbe bestimmt werden müsse«43. Gut und Böse sind kein Ansichseiendes einer geistig-moralischen Hierarchie sondern ein von der Vernunft Gesetztes; so tief reicht der Nominalismus noch in den Kantischen Rigorismus hinein. Indem er jedoch die moralischen Kategorien an der selbsterhaltenden Vernunft befestigt, sind sie nicht länger durchaus unvereinbar mit jenem Glück, gegen das Kant so hart sie exponierte. Die Modifikationen seiner Stellung zum Glück im Fortgang der Kritik der praktischen Vernunft sind keine nachlässigen Konzessionen an die Tradition der Güterethik; vielmehr, vor Hegel, Modell einer Bewegung des Begriffs. Moralische Allgemeinheit geht, gewollt oder nicht, zur Gesellschaft über. Aktenkundig wird das in der ersten Anmerkung zum vierten Lehrsatz der praktischen Vernunft: »Also die bloße Form eines Gesetzes, welches die Materie einschränkt, muß zugleich ein Grund sein, diese Materie zum Willen hinzuzufügen, aber sie nicht voraussetzen. Die Materie sei z.B. meine eigene Glückseligkeit. Diese, wenn ich sie jedem beilege (wie ich es denn in der That bei endlichen Wesen thun darf), kann nur alsdann ein objectives praktisches Gesetz werden, wenn ich anderer ihre in dieselbe mit einschließe. Also entspringt das Gesetz, anderer Glückseligkeit zu befördern, nicht von der Voraussetzung, daß dieses ein Object für jedes seine Willkür sei, sondern blos daraus, daß die Form der Allgemeinheit, die die Vernunft als Bedingung bedarf, einer Maxime der Selbstliebe die objective Gültigkeit eines Gesetzes zu geben, der Bestimmungsgrund des Willens wird, und also war das Object (anderer Glückseligkeit) nicht der Bestimmungsgrund des reinen Willens, sondern die bloße gesetzliche Form war es allein, dadurch ich meine auf Neigung gegründete Maxime einschränkte, um ihr die Allgemeinheit eines Gesetzes zu verschaffen und sie so der reinen praktischen Vernunft angemessen zu machen, aus welcher Einschränkung, und nicht dem Zusatz einer äußeren Triebfeder, alsdann der Begriff der Verbindlichkeit, die Maxime meiner Selbstliebe auch auf die Glückseligkeit anderer zu erweitern, allein entspringen konnte.«44 Die Doktrin von der absoluten Independenz des Sittengesetzes von empirischen Wesen und gar dem Lustprinzip ist suspendiert, indem die radikale, allgemeine Formulierung des Imperativs den Gedanken an die Lebendigen sich einverleibt.

Daneben behält Kants Ethik, brüchig in sich, ihren repressiven Aspekt. Er triumphiert ungemildert im Strafbedürfnis[7]. Nicht aus den Spätwerken sondern aus der Kritik der praktischen Vernunft stammen die Sätze: »Eben so haltet dem, der sonst ein ehrlicher Mann ist (oder sich doch diesmal nur in Gedanken in die Stelle eines ehrlichen Mannes versetzt), das moralische Gesetz vor, an dem er die Nichtswürdigkeit eines Lügners erkennt, sofort verläßt seine praktische Vernunft (im Urtheil über das, was von ihm geschehen sollte) den Vortheil, vereinigt sich mit dem, was ihm die Achtung für seine eigene Person erhält (der Wahrhaftigkeit), und der Vortheil wird nun von jedermann, nachdem er von allem Anhängsel der Vernunft (welche nur gänzlich auf der Seite der Pflicht ist) abgesondert und gewaschen worden, gewogen, um mit der Vernunft noch wohl in anderen Fällen in Verbindung zu treten, nur nicht wo er dem moralischen Gesetze, welches die Vernunft niemals verläßt, sondern sich innigst damit vereinigt, zuwider sein könnte.«45 In der Verachtung fürs Mitleid stimmt die reine praktische Vernunft mit dem Werdet hart des Antipoden Nietzsche zusammen: »Selbst dies Gefühl des Mitleids und der weichherzigen Theilnehmung, wenn es vor der Überlegung, was Pflicht sei, vorhergeht und Bestimmungsgrund wird, ist wohldenkenden Personen selbst lästig, bringt ihre überlegte Maximen in Verwirrung und bewirkt den Wunsch, ihrer entledigt und allein der gesetzgebenden Vernunft unterworfen zu sein.«46 Zuweilen steigert sich die der inneren Zusammensetzung von Autonomie beigemischte Heteronomie zur Wut gegen dieselbe Vernunft, die der Ursprung von Freiheit sein soll. Dann schlägt Kant sich auf die Seite der Antithesis der dritten Antinomie: »Wo aber Bestimmung nach Naturgesetzen aufhört, da hört auch alle Erklärung auf, und es bleibt nichts übrig als Vertheidigung, d.i. Abtreibung der Einwürfe derer, die tiefer in das Wesen der Dinge geschaut zu haben vorgeben und darum die Freiheit dreust für unmöglich erklären.«47 Obskurantismus verschränkt sich mit dem Kultus der Vernunft als des absolut Herrschenden. Die Nötigung, die laut Kant vom kategorischen Imperativ ausgeht, widerspricht der Freiheit, die in ihm als ihrer obersten Bestimmung sich zusammenfassen soll. Nicht zuletzt darum wird der aller Empirie entäußerte Imperativ als ein keiner Prüfung durch die Vernunft bedürftiges »Factum«48 vorgeführt, trotz des Chorismos zwischen Faktizität und Idee. Die Antinomik der Kantischen Freiheitslehre spitzt darin sich zu, daß ihr das Sittengesetz unmittelbar für vernünftig gilt und für nicht vernünftig; vernünftig, weil es sich auf reine logische Vernunft ohne Inhalt reduziert; nicht vernünftig, weil es in seiner Gegebenheit zu akzeptieren, nicht weiter zu analysieren sei; jeder Versuch dazu ist anathema. Diese Antinomik ist nicht dem Philosophen aufzubürden: die reine Konsequenzlogik, willfährig der Selbsterhaltung ohne Selbstbesinnung, ist an sich verblendet, unvernünftig. Die abscheuliche Kantische, noch in Hegels »Raisonnieren« nachwirkende Redeweise vom Vernünfteln, die Vernunft ohne triftigen Unterscheidungsgrund anprangert, und deren Hypostasis jenseits aller vernünftigen Zwecke, vertragen sich trotz ihres eklatanten Widerspruchs. Ratio wird zur irrationalen Autorität.

Der Widerspruch datiert zurück auf den objektiven zwischen der Erfahrung des Bewußtseins von sich selbst und seinem Verhältnis zur Totalität. Das Individuum fühlt sich frei, soweit es der Gesellschaft sich entgegengesetzt hat und, wenngleich unverhältnismäßig viel weniger, als es glaubt, etwas gegen sie oder andere Individuen vermag. Seine Freiheit ist primär die eines solchen, der eigene Zwecke verfolgt, die in den gesellschaftlichen nicht unvermittelt aufgehen; soweit koinzidiert sie mit dem Prinzip der Individuation. Freiheit dieses Typus hat sich der naturwüchsigen Gesellschaft entrungen; innerhalb einer zunehmend rationalen erlangte sie einige Realität. Zugleich jedoch blieb sie inmitten der bürgerlichen Gesellschaft Schein nicht weniger als die Individualität überhaupt. Kritik an der Willensfreiheit wie am Determinismus heißt Kritik an diesem Schein. Über den Kopf der formal freien Individuen hinweg setzt das Wertgesetz sich durch. Unfrei sind sie, nach der Einsicht von Marx, als seine unwillentlichen Exekutoren, und zwar desto gründlicher, je mehr die gesellschaftlichen Antagonismen anwachsen, an denen die Vorstellung von Freiheit erst sich bildete. Der Prozeß der Verselbständigung des Individuums, Funktion der Tauschgesellschaft, terminiert in dessen Abschaffung durch Integration. Was Freiheit produzierte, schlägt in Unfreiheit um. Frei war das Individuum als wirtschaftendes bürgerliches Subjekt, soweit vom ökonomischen System Autonomie gefordert wurde, damit es funktioniere. Damit ist seine Autonomie im Ursprung schon potentiell verneint. Die Freiheit, auf die es pochte, war, wie Hegel zuerst durchschaute, auch ein Negatives, Hohn auf die wahre; Ausdruck der Kontingenz des gesellschaftlichen Schicksals eines jeden Einzelnen. Die reale Notwendigkeit in der Freiheit, die sich zu behaupten und, wie die ultraliberale Ideologie es pries, mit den Ellbogen sich durchzusetzen hatte, war Deckbild der totalen gesellschaftlichen Notwendigkeit, die den Einzelnen zur ruggedness zwingt, damit er überlebe. Selbst Begriffe, die so abstrakt sind, daß sie der Invarianz sich zu nähern scheinen, erweisen daran sich als geschichtlich. So der des Lebens. Während es unter den Bedingungen von Unfreiheit weiter sich reproduziert, setzt sein Begriff, dem eigenen Sinn nach, die Möglichkeit des nicht schon Einbezogenen, der offenen Erfahrung voraus, die so sehr sich minderte, daß das Wort Leben bereits wie leerer Trost klingt. Nicht weniger als die Freiheit des bürgerlichen Individuums aber ist auch die Notwendigkeit seines Handelns Zerrbild. Sie ist nicht, wie der Gesetzesbegriff es erheischte, durchsichtig, sondern trifft jedes Einzelsubjekt als Zufall, Fortsetzung mythischen Schicksals. Dies Negative hat das Leben behalten, einen Aspekt, der einem vierhändigen Klavierstück von Schubert, ›Lebensstürme‹, zum Titel diente. In der Anarchie der Warenproduktion offenbart sich die Naturwüchsigkeit der Gesellschaft, wie sie im Wort Leben, einer biologischen Kategorie für ein wesentlich Soziales, mitschwingt. Wäre der Produktions- und Reproduktionsprozeß der Gesellschaft den Subjekten transparent und von ihnen bestimmt, so würden sie auch nicht mehr von den ominösen Lebensstürmen passiv hin-und hergeworfen. Damit verschwände, was so Leben heißt, samt der fatalen Aura, die der Jugendstil im industriellen Zeitalter um das Wort legte, zur Rechtfertigung der schlechten Irrationalität. Zuweilen wirft die Vergänglichkeit jenes Surrogats ihren freundlichen Schatten voraus: heute schon ist die Ehebruchsliteratur des neunzehnten Jahrhunderts Makulatur, nimmt man ihre größten Produkte aus, welche die geschichtlichen Urbilder jener Epoche zitieren. So wie kein Theaterdirektor es wagte, einem Publikum, dessen Damen auf ihren Bikini nicht verzichten mögen, Hebbels Gyges vorzuspielen – die Angst vor stofflich Anachronistischem, der Mangel an ästhetischer Distanz hat zugleich etwas Barbarisches –, so wird es, wenn die Menschheit sich herausarbeitet, einmal fast allem ergehen, was heute noch für Leben gilt und nur darüber täuscht, wie wenig Leben schon ist. Bis dahin ist die waltende Gesetzlichkeit dem Einzelnen und seinen Interessen konträr. Unter Bedingungen bürgerlicher Wirtschaft ist daran nicht zu rütteln; in ihr kann die Frage nach Freiheit oder Unfreiheit des Willens, als einem Vorhandenen, nicht beantwortet werden. Sie ist ihrerseits Abguß der bürgerlichen Gesellschaft: die in Wahrheit historische Kategorie des Individuums eximiert trugvoll jene Frage von der gesellschaftlichen Dynamik und behandelt den je Einzelnen als Urphänomen. Gehorsam der Ideologie der individualistischen Gesellschaft hat Freiheit schlecht sich verinnerlicht; das verhält jede bündige Antwort zur Ideologie. Belastet die These von der Willensfreiheit die abhängigen Individuen mit dem gesellschaftlichen Unrecht, über das sie nichts vermögen, und demütigt sie unablässig mit Desideraten, vor denen sie versagen müssen, so verlängert demgegenüber die These von der Unfreiheit die Vormacht des Gegebenen metaphysisch, erklärt sich als unveränderlich und animiert den Einzelnen, wofern er nicht ohnehin dazu bereit ist, zu kuschen, da ihm ja doch nichts anderes übrigbleibe. Determinismus verhält sich, als wäre Entmenschlichung, der zur Totalität entfaltete Warencharakter von Arbeitskraft, das menschliche Wesen schlechthin, ungedenk dessen, daß der Warencharakter an der Arbeitskraft seine Grenze findet, die nicht bloß Tauschwert sondern Gebrauchswert hat. Wird Willensfreiheit schlechterdings geleugnet, so werden die Menschen ohne Vorbehalt auf die Normalform des Warencharakters ihrer Arbeit im entfalteten Kapitalismus gebracht. Nicht minder verkehrt ist der aprioristische Determinismus als die Lehre von der Willensfreiheit, die inmitten der Warengesellschaft von dieser abstrahiert. Das Individuum selber bildet ein Moment von ihr; ihm wird die reine Spontaneität zugesprochen, welche die Gesellschaft enteignet. Das Subjekt braucht nur die ihm unausweichliche Alternative von Freiheit oder Unfreiheit des Willens zu stellen und ist schon verloren. Jede drastische These ist falsch. Im Innersten koinzidieren die vom Determinismus und die von der Freiheit. Beide proklamieren Identität. Durch Reduktion auf reine Spontaneität werden die empirischen Subjekte demselben Gesetz unterworfen, das als Kausalitätskategorie zum Determinismus sich expandiert. Vielleicht wären freie Menschen auch vom Willen befreit; sicherlich erst in einer freien Gesellschaft die Einzelnen frei. Mit der äußeren Repression verschwände, wahrscheinlich nach langen Fristen und unter der permanenten Drohung des Rückfalls, die innere. Konfundiert die philosophische Tradition, im Geist von Unterdrückung, Freiheit und Verantwortung, so ginge diese über in die angstlose, aktive Partizipation jedes Einzelnen: in einem Ganzen, welches die Teilnahme nicht mehr institutionell verhärtet, worin sie aber reale Folgen hätte. Die Antinomie zwischen der Determination des Individuums und der ihr kontradiktorischen gesellschaftlichen Verantwortung ist kein falscher Gebrauch der Begriffe sondern real, die moralische Gestalt der Unversöhntheit von Allgemeinem und Besonderem. Daß noch Hitler und seine Monstren, nach aller psychologischen Einsicht, Sklaven ihrer frühen Kindheit, Produkte von Verstümmelung sind und daß gleichwohl die wenigen, deren man habhaft wurde, nicht freigesprochen werden dürfen, wenn nicht die Untat ins Unabsehbare sich wiederholen soll, die im Unbewußten der Massen damit sich rechtfertigt, daß kein Strahl vom Himmel niederfuhr – das ist nicht durch Hilfskonstruktionen wie der einer der Vernunft widerstreitenden utilitären Notwendigkeit zu glätten. Humanität widerfährt dem Individuum erst, sobald die gesamte Sphäre der Individuation, ihr moralischer Aspekt inbegriffen, als Epiphänomen durchschaut ist. Zuzeiten vertritt die Gesamtgesellschaft, aus der Verzweiflung ihres Zustands heraus, gegen die Individuen die Freiheit, die in ihrer Unfreiheit zu Protest geht. Andererseits lebt im Zeitalter universaler gesellschaftlicher Unterdrückung nur in den Zügen des geschundenen oder zermalmten Individuums das Bild von Freiheit gegen die Gesellschaft. Wo jene geschichtlich jeweils unterschlüpft, läßt nicht ein für allemal sich dekretieren. Konkret wird Freiheit an den wechselnden Gestalten der Repression: im Widerstand gegen diese. Soviel Freiheit des Willens war, wie Menschen sich befreien wollten. Freiheit selbst aber ist derart mit der Unfreiheit verfilzt, daß sie von dieser nicht bloß inhibiert wird, sondern sie zur Bedingung ihres eigenen Begriffs hat. So wenig wie irgendein anderer einzelner, ist dieser als Absolutes auszusondern. Ohne die Einheit und den Zwang von Vernunft wäre nie ein der Freiheit Ähnliches auch nur gedacht worden, geschweige denn gewesen; das dokumentiert sich in der Philosophie. Kein Modell von Freiheit ist verfügbar, als daß Bewußtsein, wie in die gesellschaftliche Gesamtverfassung, so durch diese hindurch in die Komplexion des Individuums eingriffe. Das ist darum nicht durchaus schimärisch, weil Bewußtsein seinerseits abgezweigte Triebenergie, selber auch Impuls, auch ein Moment dessen ist, worein sie eingreift. Wäre jene Affinität, die Kant krampfhaft verleugnet, nicht, so wäre ebensowenig die Idee von Freiheit, um derentwillen er die Affinität nicht Wort haben will.

Wie der Idee von Freiheit indessen scheint es auch ihrem Widerpart zu ergehen, dem Begriff der Kausalität; gemäß dem universalen Zug zur falschen Aufhebung der Antagonismen dadurch, daß das Allgemeine von oben her das Besondere durch Identifizierung liquidiert. Dabei ist nicht kurzschlüssig auf die Krise der Kausalität in den Naturwissenschaften zu rekurrieren. Sie gilt dort ausdrücklich nur für den Mikrobereich; andererseits sind die Formulierungen der Kausalität bei Kant, wenigstens die der Kritik der reinen Vernunft, so large, daß sie vermutlich sogar den bloß noch statistischen Gesetzmäßigkeiten Raum gewährten. Die Naturwissenschaften, die auch der Kausalität gegenüber mit operationellen, ihren Verfahrungsweisen immanenten Definitionen sich begnügen, und Philosophie, die von der Rechenschaft über Kausalität nicht sich dispensieren kann, wenn anders sie mehr will als naturwissenschaftliche Methodologie abstrahierend wiederholen, sind elend auseinandergebrochen, und Bedürfnis allein leimt sie nicht zusammen. Die Krisis der Kausalität wird sichtbar jedoch auch an dem, woran philosophische Erfahrung noch heranreicht, der zeitgenössischen Gesellschaft. Kant akzeptierte es als die fraglose Methode der Vernunft, einen jeden Zustand auf »seine« Ursache zurückzuführen. Die Wissenschaften, denen meist die Philosophie desto ferner rückt, je eifriger sie als ihr Fürsprecher sich empfiehlt, dürften weniger mit Kausalketten als Kausalnetzen operieren. Das ist aber mehr denn ein beiläufiges Zugeständnis an die empirische Vieldeutigkeit der kausalen Relationen. Das Bewußtsein all der Kausalreihen, die in jedem Phänomen sich kreuzen, anstatt daß Kausalität es eindeutig in der Zeitreihe bestimmte, müßte auch Kant als wesentlich für die Kategorie selbst, nach seiner Sprache als a priori, anerkennen: kein Einzelereignis ist von jener Vielheit ausgenommen. Die Unendlichkeit des Verwobenen und sich Kreuzenden macht es prinzipiell, keineswegs erst praktisch unmöglich, eindeutige Kausalketten zu bilden, so wie Thesis und Antithesis der dritten Antinomie gleichermaßen sie stipulieren. Schon handfeste historische Rückfragen, die bei Kant noch im endlichen Fortgang verblieben, involvieren, horizontal gleichsam, jene positive Unendlichkeit, der die Kritik im Antinomiekapitel gilt. Davon sieht Kant ab, als ob er kleinstädtisch übersichtliche Verhältnisse auf alle möglichen Gegenstände übertrüge. Kein Weg führt von seinem Modell zu durchgeführten Kausalbestimmungen. Weil er vom Kausalverhältnis lediglich als von einem Prinzip handelt, denkt er an der prinzipiellen Verwobenheit vorbei. Bedingt ist dies Versäumnis von der Verlagerung der Kausalität ins transzendentale Subjekt. Als reine Form von Gesetzlichkeit schrumpft sie zur Eindimensionalität. Die Aufnahme der übel beleumundeten »Wechselwirkung« in die Kategorientafel ist der nachträgliche Versuch, dem Mangel abzuhelfen, bezeugt auch früh die heraufdämmernde Krise der Kausalität. Deren Schema ahmte, wie der Durkheimschule nicht entging, ebensosehr das simple Generationsverhältnis nach, wie dessen Erklärung der Kausalität bedarf. Ihr eignet ein Aspekt des Feudalen, wenn nicht, wie bei Anaximander und Heraklit, einer archaischer Rechtsverhältnisse von Rache. Der Prozeß der Entmythologisierung hat Kausalität, die Erbin der wirkenden Geister in den Dingen, sowohl eingedämmt wie, im Namen des Gesetzes, verstärkt. Ist Kausalität die eigentliche Einheit in der Mannigfaltigkeit, als welche Schopenhauer sie unter den Kategorien bevorzugte, so war die bürgerliche Ära hindurch soviel Kausalität wie System. Man konnte von ihr in Geschichte um so eher reden, je eindeutiger die Verhältnisse waren. Das Hitlersche Deutschland verursachte präziser den Zweiten Weltkrieg als das Wilhelminische den Ersten. Aber die Tendenz schlägt um. Schließlich gibt es ein Maß an System – das gesellschaftliche Stichwort lautet: Integration –, das als universale Abhängigkeit aller Momente von allen die Rede von Kausalität als veraltet überholt; vergebens die Suche danach, was innerhalb einer monolithischen Gesellschaft Ursache gewesen sein soll. Ursache ist nur noch jene selbst. Kausalität hat sich gleichsam auf die Totalität zurückgezogen; inmitten ihres Systems wird sie ununterscheidbar. Je mehr ihr Begriff, unter wissenschaftlichem Gebot, zur Abstraktheit sich verdünnt, desto weniger erlaubt das gleichzeitig aufs äußerste verdichtete Gefädel der universal vergesellschafteten Gesellschaft, einen Zustand mit Evidenz auf einen einzelnen anderen zurückzuführen. Jeder hängt horizontal wie vertikal mit allen zusammen, tingiert alle, wird von allen tingiert. Die Lehre, in der zuletzt Aufklärung Kausalität als entscheidende politische Waffe benutzte, die Marxische von Überbau und Unterbau, bleibt unschuldig fast hinter einem Zustand zurück, in dem wie die Apparaturen der Produktion, der Distribution und der Beherrschung, so auch ökonomische und soziale Beziehungen und Ideologien unentwirrbar ineinander sind, und in dem die lebendigen Menschen zu einem Stück Ideologie wurden. Wo diese zum Seienden nicht mehr als Rechtfertigendes oder Komplementäres hinzugefügt wird, sondern in den Schein übergeht, was ist, sei unausweichlich und damit legitimiert, zielt Kritik daneben, die mit der eindeutigen Kausalrelation von Überbau und Unterbau operiert. In der totalen Gesellschaft ist alles gleich nah zum Mittelpunkt; sie ist so durchschaubar, ihre Apologie so fadenscheinig, wie die aussterben, welche sie durchschauen. Kritik könnte an jedem Verwaltungshaus der Industrie und jedem Flughafen dartun, in welchem Maß der Unterbau sein eigener Überbau wurde. Dazu bedarf sie einerseits der Physiognomik des Gesamtzustandes und ausgebreiteter Einzeldaten, andererseits der Analyse der ökonomischen Strukturveränderungen; nicht länger der Ableitung einer selbständig und mit eigenem Wahrheitsanspruch gar nicht mehr vorhandenen Ideologie aus ihren kausalen Bedingungen. Daß korrelativ zum Niedergang der Möglichkeit von Freiheit die Gültigkeit der Kausalität sich zersetzt, ist Symptom der Verwandlung einer in ihren Mitteln rationalen Gesellschaft in jene offen irrationale, die sie latent, den Zwecken nach längst war. Die Philosophie Leibnizens und Kants hat, durch die Trennung der Finalursache von der phänomenal geltenden Kausalität im engeren Sinn, und den Versuch der Vereinigung von beidem, etwas von jener Divergenz verspürt, ohne zu ihrer Wurzel in der Zweck-Mittel-Antinomie der bürgerlichen Gesellschaft zu gelangen. Aber das Verschwinden der Kausalität heute signalisiert kein Reich der Freiheit. In der totalen Wechselwirkung reproduziert erweitert sich die alte Abhängigkeit. Durch ihr millionenfältiges Gespinst verhindert sie die fällige, zum Greifen nahe rationale Durchdringung, die das kausale Denken, im Dienst des Fortschritts, befördern wollte. Kausalität selber hat Sinn nur in einem Horizont von Freiheit. Vorm Empirismus schien sie geschützt, weil ohne ihre Annahme die in Wissenschaft organisierte Erkenntnis nicht möglich dünkte; der Idealismus besaß kein stärkeres Argument. Kants Anstrengung aber, Kausalität als subjektive Denknotwendigkeit zur konstitutiven Bedingung von Objektivität zu erheben, war nicht stichhaltiger als ihre empiristische Leugnung. Er schon mußte sich von jener Annahme eines inwendigen Zusammenhangs der Phänomene distanzieren, ohne die Kausalität zur Wenn-Dann-Beziehung wird, der eben jene emphatische Gesetzlichkeit – »Apriorität« – entgleitet, welche die Lehre vom subjektiv-kategorialen Wesen der Kausalität konservieren will; die wissenschaftliche Entwicklung hat dann das Potential von Kants Doktrin vollstreckt. Behelf ist auch die Begründung von Kausalität durch ihre unmittelbare Selbsterfahrung in der Motivation. Unterdessen tat Psychologie inhaltlich dar, daß jene Selbsterfahrung trügen nicht nur kann, sondern muß.

Ist Kausalität als subjektives Denkprinzip mit Widersinn behaftet, ist ganz ohne sie jedoch nicht zu erkennen, so wäre an ihr ein Moment dessen aufzusuchen, was nicht selbst Denken ist. An Kausalität ist zu lernen, was Identität am Nichtidentischen verübte. Das Bewußtsein der Kausalität ist, als das von Gesetzlichkeit, das Bewußtsein davon; als Erkenntniskritik auch das des subjektiven Scheins in der Identifikation. Reflektierte Kausalität deutet auf die Idee von Freiheit als Möglichkeit von Nichtidentität. Kausalität wäre objektiv, provokativ-antikantianisch, ein Verhältnis zwischen Dingen an sich, so weit, und einzig so weit, wie diese vom Identitätsprinzip unterjocht sind. Sie ist, objektiv und subjektiv, der Bann der beherrschten Natur. Ihr fundamentum in re hat sie in der Identität, die als geistiges Prinzip nur Widerschein der realen Naturbeherrschung ist. In der Reflexion auf Kausalität wird Vernunft, welche diese in der Natur überall dort findet, wo jene von ihr beherrscht wird, auch der eigenen Naturwüchsigkeit sich bewußt als des bannenden Prinzips. In solchem Selbstbewußtsein scheidet fortschreitende Aufklärung sich von dem Rückfall in Mythologie, dem sie unreflektiert sich verschrieb. Sie entzieht dem Schema ihrer Reduktion, ›das ist der Mensch‹, seine Allmacht dadurch, daß der Mensch sich selbst als das erkennt, was er sonst unersättlich reduziert. Nichts anderes jedoch ist Kausalität, als die Naturwüchsigkeit des Menschen, die er als Herrschaft über die Natur fortsetzt. Weiß einmal das Subjekt das Moment seiner Gleichheit mit Natur, so wird es nicht länger Natur nur sich gleichmachen. Das ist der geheime und verkehrte Wahrheitsgehalt des Idealismus. Denn je gründlicher das Subjekt, nach idealistischem Brauch, die Natur sich gleichmacht, desto weiter entfernt es sich von aller Gleichheit mit ihr. Affinität ist die Spitze einer Dialektik von Aufklärung. Sie schlägt in Verblendung, begriffslose Vollstreckung von außen zurück, sobald sie die Affinität vollends durchschneidet. Ohne diese keine Wahrheit; das hat der Idealismus identitätsphilosophisch karikiert. Das Bewußtsein weiß von seinem Anderen soviel, wie es ihm ähnlich ist, nicht indem es sich samt der Ähnlichkeit ausstreicht. Objektivität als Residuum nach Abzug des Subjekts äfft. Sie ist das seiner selbst unbewußte Schema, unter welches das Subjekt sein Anderes bringt. Je weniger es an Affinität zu den Sachen duldet, desto rücksichtsloser identifiziert es. Aber auch Affinität ist keine positive ontologische Einzelbestimmung. Wird sie sich zur Intuition, zur unmittelbar, einfühlend erkannten Wahrheit, so wird sie als Rückstand zermahlen von der Dialektik der Aufklärung, als aufgewärmter Mythos; einverstanden mit der aus reiner Vernunft sich reproduzierenden Mythologie, mit Herrschaft. Affinität ist kein Rest, den Erkenntnis nach Ausschaltung der Identifikationsschemata der kategorialen Apparatur in Händen hielte, vielmehr deren bestimmte Negation. Kausalität wird in solcher Kritik reflektiert. In ihr vollzieht Denken Mimikry an den Bann der Dinge, den es um diese gelegt hat, an der Schwelle einer Sympathie, vor welcher der Bann verschwände. Die Subjektivität der Kausalität ist wahlverwandt den Objekten als Ahnung dessen, was ihnen vom Subjekt widerfuhr.

 

Die Kantische Wendung des Sittengesetzes ins Faktum zieht ihre Suggestivkraft daraus, daß er in der Sphäre der empirischen Person tatsächlich eine derartige Gegebenheit für sich anführen kann. Das ist für die wie immer auch problematische Vermittlung zwischen dem Intelligiblen und Empirischen von Vorteil. Die Phänomenologie des empirischen Bewußtseins, und gar die Psychologie, stößt auf eben jenes Gewissen, das in der Kantischen Lehre Stimme des Sittengesetzes ist. Die Beschreibungen seiner Wirksamkeit, zumal die der ›Nötigung‹, sind keine Hirngespinste. Die Zwangszüge, die Kant der Freiheitslehre eingräbt, wurden am realen Gewissenszwang abgelesen. Die empirische Unwiderstehlichkeit des psychologisch existenten Gewissens, des Überichs, verbürgt ihm, wider sein transzendentales Prinzip, die Faktizität des Sittengesetzes, die es doch für Kant als Begründung der autonomen Moral ebenso disqualifizieren müßte wie den heteronomen Trieb. Daß Kant keine Kritik am Gewissen duldet, bringt ihn in Konflikt mit der eigenen Einsicht, daß in der phänomenalen Welt alle Motivationen solche des empirischen, psychologischen Ichs sind. Deswegen hat er das genetische Moment aus der Moralphilosophie entfernt und durch die Konstruktion des intelligiblen Charakters ersetzt, den freilich zu Anfang das Subjekt sich selbst gebe[8]. Der zeitlich-genetische, trotz allem wiederum ›empirische‹ Anspruch jenes Zu Anfang jedoch ist nicht einzulösen. Was irgend man von der Genese des Charakters weiß, ist mit der Behauptung eines solchen Akts moralischer Urzeugung unvereinbar. Das Ich, das ihn bei Kant vollziehen soll, ist kein Unmittelbares sondern selber auch ein Vermitteltes, Entsprungenes, in psychoanalytischen Termini: von der diffusen Libido-Energie Abgezweigtes. Konstitutiv auf faktisches Dasein bezogen ist nicht nur aller spezifische Inhalt des Sittengesetzes sondern auch seine vermeintlich reine, imperativische Form. Sie setzt ebenso die Verinnerlichung der Repression voraus, wie daß die feste, identisch sich durchhaltende Instanz des Ichs bereits entwickelt ist, die von Kant, als notwendige Bedingung der Sittlichkeit, verabsolutiert wird. Jede Kantinterpretation, die seinen Formalismus beanstandete und die mit dessen Hilfe ausgeschaltete empirische Relativität der Moral an den Inhalten darzutun sich unterfinge, griffe zu kurz. Noch in seiner äußersten Abstraktheit ist das Gesetz ein Gewordenes, das Schmerzhafte seiner Abstraktheit sedimentierter Inhalt, Herrschaft auf ihre Normalform gebracht, die von Identität. Psychologie holte konkret nach, was sie zu Kants Zeiten noch nicht wußte und worum er deshalb nicht spezifisch sich zu bekümmern brauchte: die empirische Genese dessen, was, unanalysiert, Kant als zeitlos intelligibel glorifizierte. In ihren heroischen Zeiten hat die Freudsche Schule, darin eines Sinnes mit dem anderen, aufklärerischen Kant, die rücksichtslose Kritik des Überichs als eines Ichfremden, wahrhaft Heteronomen, gefordert. Sie durchschaute es als blinde und bewußtlose Verinnerlichung von gesellschaftlichem Zwang. In Sandor Ferenczis ›Bausteine zur Psychoanalyse‹ heißt es, mit einer Vorsicht, die allenfalls aus Scheu vor den gesellschaftlichen Konsequenzen zu erklären ist, »daß eine wirkliche Charakteranalyse, wenigstens vorübergehend, mit jeder Art von Über-Ich, also auch mit dem des Analytikers, aufzuräumen hat. Schließlich muß ja der Patient von aller gefühlsmäßigen Bindung, soweit sie über die Vernunft und die eigenen libidinösen Tendenzen hinausgeht, frei werden. Nur diese Art Abbau des Über-Ichs überhaupt kann eine radikale Heilung herbeiführen; Erfolge, die nur in der Substitution des einen Über-Ichs durch ein anderes bestehen, müssen noch als Übertragungserfolge bezeichnet werden; dem Endzweck der Therapie, auch die Übertragung loszuwerden, werden sie bestimmt nicht gerecht.«49 Vernunft, bei Kant Grund des Gewissens, soll es hier auflösend widerlegen. Denn die unreflektierte Herrschaft der Vernunft, die des Ichs über das Es, ist identisch mit dem repressiven Prinzip, das die Psychoanalyse, deren Kritik vorm Realitätsprinzip des Ichs verstummt, in dessen unbewußtes Walten verschob. Die Trennung von Ich und Überich, auf der ihre Topologie besteht, ist dubios; genetisch führen beide gleichermaßen auf die Verinnerlichung der Vaterimago. Daher erlahmen die analytischen Theorien über das Überich bald, so kühn sie anheben: sonst müßten sie auf das gehätschelte Ich übergreifen. Ferenczi schränkt seine Kritik sogleich ein: »sein Kampf« richte »sich nur gegen den unbewußt gewordenen und daher unbeeinflußbaren Teil des Über-Ichs«50. Aber das langt nicht zu: die von Kant konstatierte Unwiderstehlichkeit des Gewissenszwanges besteht, wie die archaischen Tabus, in solchem Unbewußtwerden; wäre ein Zustand allseitiger rationaler Aktualität vorstellbar, so etablierte sich kein Überich. Versuche, es, wie schon Ferenczi und vollends der psychoanalytische Revisionismus, der mit anderen gesunden Ansichten auch die vom gesunden Überich unterschreibt, in einen unbewußten und einen vorbewußten, darum harmloseren Teil einzuteilen, sind müßig; die Vergegenständlichung und Verselbständigung, durch die das Gewissen zur Instanz wird, ist konstitutiv ein Vergessen und insofern ichfremd. Ferenczi betont zustimmend, daß »der normale Mensch in seinem Vorbewußten auch weiterhin eine Summe von positiven und negativen Vorbildern beibehält«51. Ist aber ein Begriff im strengen Kantischen Verstande heteronom, psychoanalytisch gesprochen einer von libidinöser Bindung, so der des Vorbilds, Korrelat jenes ebenfalls von Ferenczi respektierten »normalen Menschen«, der aktiv und passiv zu jeglicher sozialen Repression sich hergibt und den die Psychoanalyse unkritisch, im verhängnisvollen Glauben an die Arbeitsteilung, von der bestehenden Gesellschaft bezieht. Wie nah die Psychoanalyse, sobald sie die von ihr inaugurierte Kritik des Überichs aus sozialem Konformismus bremst, jener Repression kommt, die bis heute alle Lehre von der Freiheit verunstaltete, zeigt am klarsten ein Passus Ferenczis wie: »Solange dieses Über-Ich in gemäßigter Weise dafür sorgt, daß man sich als gesitteter Bürger fühlt und als solcher handelt, ist es eine nützliche Einrichtung, an der nicht gerüttelt werden muß. Aber pathologische Übertreibungen der Über-Ich-Bildung ...«52 Die Angst vor Übertreibungen ist die Signatur derselben gesitteten Bürgerlichkeit, die auf das Überich samt seinen Irrationalitäten um keinen Preis verzichten mag. Wie zwischen dem normalen und dem pathischen Überich subjektiv, nach psychologischen Kriterien zu unterscheiden sei, darüber schweigt die allzu rasch zur Vernunft gekommene Psychoanalyse ebenso sich aus wie der Spießbürger über die Grenze zwischen dem, was er als sein natürliches Nationalgefühl hütet, und dem Nationalismus. Einziges Kriterium der Distinktion ist der soziale Effekt, vor dessen quaestiones iuris die Psychoanalyse sich als inkompetent erklärt. Besinnungen über das Überich sind, wie Ferenczi sagt, doch im Widerspruch zu seinen Sätzen, wahrhaft »metapsychologisch«. Kritik des Überichs müßte Kritik der Gesellschaft werden, die es produziert; verstummt sie davor, so wird der herrschenden gesellschaftlichen Norm willfahrt. Das Überich um seiner sozialen Nützlichkeit oder Unabdingbarkeit willen zu empfehlen, während ihm selber, als einem Zwangsmechanismus, nicht jene objektive Geltung zukommt, die es im Wirkungszusammenhang der psychologischen Motivation beansprucht, wiederholt und befestigt innerhalb der Psychologie die Irrationalitäten, mit denen »aufzuräumen« jene sich stark machte.

Was jedoch im jüngsten Zeitalter sich zuträgt, ist die Veräußerlichung des Überichs zur bedingungslosen Anpassung, nicht seine Aufhebung in einem vernünftigeren Ganzen. Die ephemeren Spuren von Freiheit, die Sendboten der Möglichkeit an das empirische Leben, werden tendenziell seltener; Freiheit zum Grenzwert. Nicht einmal als komplementäre Ideologie getraut sie recht sich vor; die Verfügenden, die mittlerweile auch die Ideologie mit fester Hand verwalten, trauen der Freiheit als Propagandatechniker offenbar wenig Zugkraft mehr zu. Sie wird vergessen. Unfreiheit vollendet sich in ihrer unsichtbaren Totalität, die kein Draußen mehr toleriert, von dem aus sie zu erblicken und zu brechen wäre. Die Welt wie sie ist wird zur einzigen Ideologie und die Menschen deren Bestandteil. Auch darin noch waltet dialektische Gerechtigkeit: sie ergeht übers Individuum, den Prototyp und Agenten einer partikularistischen und unfreien Gesellschaft. Die Freiheit, auf die es für sich hoffen muß, könnte nicht bloß seine eigene, sie müßte die des Ganzen sein. Kritik am Individuum führt über die Kategorie der Freiheit so weit hinaus, wie diese nach dem Bilde des unfreien Individuums geschaffen ist. Der Widerspruch, daß für die Sphäre des Individuums keine Willensfreiheit und darum keine Moral sich verkünden läßt, während ohne sie nicht einmal das Leben der Gattung bewahrt werden kann, läßt nicht durch den Octroi sogenannter Werte sich schlichten. Ihr heteronomes Gesetztsein, die Nietzscheschen Neuen Tafeln wären von Freiheit das Gegenteil. Jene muß aber nicht bleiben, worin sie entsprang und was sie war. Vielmehr reift in der Verinnerlichung gesellschaftlichen Zwangs zum Gewissen mit dem Widerstand gegen die gesellschaftliche Instanz, der jene am eigenen Prinzip kritisch mißt, ein Potential heran, das des Zwangs ledig wäre. Kritik des Gewissens visiert die Rettung solchen Potentials, doch nicht im psychologischen Bereich sondern in der Objektivität eines versöhnten Lebens von Freien. Konvergiert schließlich die Kantische Moral, scheinbar wider ihren rigorosen Anspruch auf Autonomie, mit der Güterethik, so behauptet darin der durch keine begriffliche Synthesis zu überbrückende Bruch zwischen dem gesellschaftlichen Ideal und dem subjektiven der selbsterhaltenden Vernunft sein Wahrheitsrecht. Der Vorwurf, in der Objektivität des Sittengesetzes spreize einzig die subjektive Vernunft zum Absoluten sich auf, wäre subaltern. Kant spricht, fehlbar und entstellt, aus, was gesellschaftlich mit Grund zu fordern wäre. Solche Objektivität ist so lange nicht in die subjektive Sphäre, nicht die der Psychologie und nicht die der Rationalität, zu übersetzen, sondern existiert zum Bösen und Guten getrennt von ihr fort, bis besonderes und allgemeines Interesse real zusammenstimmen. Das Gewissen ist das Schandmal der unfreien Gesellschaft. Das Arcanum seiner Philosophie war Kant notwendig verborgen: daß das Subjekt, um, wie er es ihm zutraut, Objektivität konstituieren oder sich in der Handlung objektivieren zu können, immer auch seinerseits ein Objektives sein muß. Im transzendentalen Subjekt, der als objektiv sich auslegenden reinen Vernunft, geistert der Vorrang des Objekts, ohne den, als Moment, auch die Kantischen objektivierenden Leistungen des Subjekts nicht wären. Sein Begriff von Subjektivität hat im Kern apersonale Züge. Sogar die Personalität des Subjekts, diesem das Unmittelbare, Nächste, Gewisseste, ist ein Vermitteltes. Kein Ichbewußtsein ohne Gesellschaft, so wie keine Gesellschaft ist jenseits ihrer Individuen. Die das Subjekt transzendierenden Postulate der praktischen Vernunft, Gott, Freiheit, Unsterblichkeit, implizieren Kritik am kategorischen Imperativ, der reinen subjektiven Vernunft. Ohne jene Postulate könnte er gar nicht gedacht werden, wie sehr auch Kant das Gegenteil beteuert; ohne Hoffnung ist kein Gutes.

Die nominalistische Tendenz verleitet den Gedanken, der auf den Schutz der Moral angesichts der allerorten durchbrechenden unmittelbaren Gewalt nicht verzichten mag, dazu, Moral an der Person wie an einem unzerstörbaren Gut festzumachen. Freiheit, die allein in der Einrichtung einer freien Gesellschaft aufginge, wird dort gesucht, wo die Einrichtung der bestehenden sie verweigert, beim je Einzelnen, der ihrer bedürfte, aber sie, so wie er einmal ist, nicht garantiert. Reflexion auf die Gesellschaft unterbleibt im ethischen Personalismus ebenso wie die auf die Person selbst. Ist diese einmal vollkommen vom Allgemeinen losgerissen, so vermag sie auch kein Allgemeines zu konstituieren; es wird dann insgeheim von bestehenden Formen der Herrschaft bezogen. Im Vorfaschismus haben Personalismus und Bindungsgeschwätz auf der Plattform von Irrationalität nicht schlecht miteinander sich vertragen. Person, als Absolutes, negiert die Allgemeinheit, die aus ihr herausgelesen werden soll, und schafft der Willkür ihren fadenscheinigen Rechtstitel. Ihr Charisma ist erborgt von der Unwiderstehlichkeit des Allgemeinen, während sie, irre geworden an dessen Legitimität, in der Not des Gedankens sich auf sich zurückzieht. Ihr Prinzip, das unerschütterlicher Einheit, wie es ihre Selbstheit ausmacht, wiederholt trotzig im Subjekt die Herrschaft. Die Person ist der geschichtlich geknüpfte Knoten, der aus Freiheit zu lösen, nicht zu verewigen wäre; der alte Bann des Allgemeinen, im Besonderen verschanzt. Was an Moralischem aus ihr gefolgert wird, bleibt zufällig wie die unmittelbare Existenz. Anders als in Kants altertümlicher Rede von der Persönlichkeit wurde Person zur Tautologie für die, denen schon gar nichts mehr übrigbleibt als das begriffslose Diesda ihres Daseins. Die Transzendenz, welche manche Neo-Ontologien von der Person sich erhoffen, überhöht einzig ihr Bewußtsein. Es wäre aber nicht ohne jenes Allgemeine, das der Rekurs auf die Person als ethischen Grund ausschließen möchte. Darum haben der Begriff der Person und auch seine Varianten, etwa die Ich-Du-Beziehung, den öligen Ton ungeglaubter Theologie angenommen. So wenig der Begriff eines richtigen Menschen vorweggenommen werden kann, so wenig gliche er der Person, dem geweihten Duplikat ihrer eigenen Selbsterhaltung. Geschichtsphilosophisch setzt jener Begriff, wie gewiß einerseits das zum Charakter objektivierte Subjekt, andererseits seinen Zerfall voraus. Vollendete Ichschwäche, der Übergang der Subjekte in passives und atomistisches, reflexähnliches Verhalten, ist zugleich das Gericht, welches die Person sich verdiente, in der das ökonomische Prinzip der Aneignung anthropologisch geworden war. Was an den Menschen als intelligibler Charakter zu denken wäre, ist nicht das Personhafte an ihnen, sondern wodurch sie von ihrem Dasein sich unterscheiden. In der Person erscheint dies Unterscheidende notwendig als Nichtidentisches. Jede menschliche Regung widerspricht der Einheit dessen, der sie hegt; jeder Impuls zum Besseren ist nicht nur, kantisch, Vernunft, sondern vor dieser auch Dummheit. Human sind die Menschen nur dort, wo sie nicht als Person agieren und gar als solche sich setzen; das Diffuse der Natur, darin sie nicht Person sind, ähnelt der Lineatur eines intelligiblen Wesens, jenes Selbst, das vom Ich erlöst wäre; die zeitgenössische Kunst innerviert davon etwas. Das Subjekt ist die Lüge, weil es um der Unbedingtheit der eigenen Herrschaft willen die objektiven Bestimmungen seiner selbst verleugnet; Subjekt wäre erst, was solcher Lüge sich entschlagen, was aus der eigenen Kraft, die der Identität sich verdankt, deren Verschalung von sich abgeworfen hätte. Das ideologische Unwesen der Person ist immanent kritisierbar. Das Substantielle, das nach jener Ideologie der Person ihre Würde verleiht, existiert nicht. Die Menschen, keiner ausgenommen, sind überhaupt noch nicht sie selbst. Mit Fug dürfte unter dem Begriff des Selbst ihre Möglichkeit gedacht werden, und sie steht polemisch gegen die Wirklichkeit des Selbst. Nicht zuletzt darum ist die Rede von der Selbstentfremdung unhaltbar. Sie ist, trotz ihrer besseren Hegelschen und Marxischen[9] Tage, oder um ihretwillen, der Apologetik anheimgefallen, weil sie mit Vatermiene zu verstehen gibt, der Mensch wäre von einem Ansichseienden, das er immer schon war, abgefallen, während er es nie gewesen ist und darum von Rückgriffen auf seine arxai nichts zu hoffen hat als Unterwerfung unter Autorität, gerade das ihm Fremde. Daß jener Begriff im Marxischen Kapital nicht mehr figuriert, ist nicht nur von der ökonomischen Thematik des Werkes bedingt sondern philosophischen Sinnes. – Negative Dialektik hält ebensowenig inne vor der Geschlossenheit der Existenz, der festen Selbstheit des Ichs, wie vor ihrer nicht minder verhärteten Antithesis, der Rolle, die von der zeitgenössischen subjektiven Soziologie als universales Heilmittel benützt wird, als letzte Bestimmung der Vergesellschaftung, analog zur Existenz der Selbstheit bei manchen Ontologen. Der Rollenbegriff sanktioniert die verkehrte schlechte Depersonalisierung heute: Unfreiheit, welche an die Stelle der mühsamen und wie auf Widerruf errungenen Autonomie tritt bloß um der vollkommenen Anpassung willen, ist unter der Freiheit, nicht über ihr. Die Not der Arbeitsteilung wird im Rollenbegriff als Tugend hypostasiert. Mit ihm verordnet das Ich, wozu die Gesellschaft es verdammt, nochmals sich selbst. Das befreite Ich, nicht länger eingesperrt in seine Identität, wäre auch nicht länger zu Rollen verdammt. Was gesellschaftlich, bei radikal verkürzter Arbeitszeit, an Arbeitsteilung übrigbliebe, verlöre den Schrecken, die Einzelwesen durch und durch zu formen. Die dingliche Härte des Selbst und dessen Einsatzbereitschaft und Verfügbarkeit für die gesellschaftlich erwünschten Rollen sind Komplizen. Auch im Moralischen ist Identität nicht abstrakt zu negieren, sondern im Widerstand zu bewahren, wenn sie je in ihr Anderes übergehen soll. Der gegenwärtige Zustand ist zerstörend: Identitätsverlust um der abstrakten Identität, der nackten Selbsterhaltung willen.

Die Doppelschlächtigkeit des Ichs hat in der Existentialontologie ihren Niederschlag gefunden. Der Rekurs aufs Dasein ebenso wie der Entwurf der Eigentlichkeit gegen das »Man« verklären die Idee des starken, in sich geschlossenen, »entschlossenen« Ichs zur Metaphysik; ›Sein und Zeit‹ wirkte als Manifest des Personalismus. Indem Heidegger jedoch Subjektivität als einen dem Denken vorgeordneten Modus von Sein interpretierte, ging bereits der Personalismus in sein Gegenteil über. Daß fürs Subjekt apersonale Ausdrücke wie Dasein und Existenz gewählt werden, indiziert das sprachlich. In solchem Gebrauch kehrt unvermerkt die idealistisch deutsche, staatsfromme Vorherrschaft von Identität jenseits ihres eigenen Trägers, des Subjekts wieder. Auf Depersonalisierung, der bürgerlichen Entwertung des im gleichen Atemzug glorifizierten Einzelnen, beruhte bereits die Differenz zwischen Subjektivität als dem Allgemeinprinzip des individuierten Ichs – nach Schellings Sprache der Egoität – und dem individuierten Ich selber. Das Wesen von Subjektivität als Dasein, thematisch in ›Sein und Zeit‹, gleicht dem, was von der Person übrigbleibt, wenn sie nicht mehr Person ist. Die Motive dafür sind unverächtlich. Das dem allgemeinbegrifflichen Umfang der Person Kommensurable, ihr individuelles Bewußtsein, ist immer auch Schein, verflochten in jene transsubjektive Objektivität, die nach idealistischer wie ontologischer Lehre im reinen Subjekt fundiert sein soll. Was irgend das Ich introspektiv als Ich zu erfahren vermag, ist auch Nichtich, die absolute Egoität unerfahrbar; daher die von Schopenhauer konstatierte Schwierigkeit, seiner selbst innezuwerden. Das Letzte ist kein Letztes. Die objektive Wendung von Hegels absolutem Idealismus, dem Äquivalent absoluter Subjektivität, wird dem gerecht. Je gründlicher aber das Individuum einbüßt, was einmal sein Selbstbewußtsein hieß, desto mehr steigt Depersonalisierung an. Daß bei Heidegger der Tod zum Wesen von Dasein wurde, kodifiziert die Nichtigkeit des bloßen für sich selbst Seins[10]. Der finstere Entschluß zur Depersonalisierung jedoch beugt regressiv sich einem als unentrinnbar gefühlten Verhängnis, anstatt über die Person durch die Idee hinauszuweisen, daß sie zu dem Ihren gelange. Heideggers Apersonalität ist sprachlich veranstaltet; zu leicht gewonnen, durch bloßes Weglassen dessen, wodurch Subjekt allein Subjekt wird. Er denkt am Knoten des Subjekts vorbei. Die Perspektive von Depersonalisierung würde nicht der abstrakten Verdünnung des Daseins zu seiner reinen Möglichkeit sich öffnen sondern einzig der Analyse der daseienden innerweltlichen Subjekte. Vor ihr hält die Heideggersche Daseinsanalyse inne; darum können seine apersonalen Existentialien so mühelos Personen angeheftet werden. Ihre Mikro-Analyse ist autoritärem Denken unerträglich: in der Selbstheit träfe sie das Prinzip aller Herrschaft. Von Dasein generell dagegen, als von einem Apersonalen, läßt anstandslos sich handeln, wie wenn es ein Übermenschliches und gleichwohl Menschliches wäre. Tatsächlich bewegt die Gesamtverfassung der lebendigen Menschen, als ihnen allen objektiv vorgängiger Funktionszusammenhang, sich hin aufs Apersonale im Sinn von Anonymität. Darüber klagt die Heideggersche Sprache ebenso, wie sie jenen Sachverhalt als suprapersonalen bejahend widerspiegelt. Eingeholt wäre das Grauen von Depersonalisierung erst von der Einsicht ins Dinghafte der Person selbst, in die Schranke der Egoität, die anbefohlen war von der Gleichheit des Selbst mit Selbsterhaltung. Bei Heidegger bleibt die ontologische Apersonalität immer die Ontologisierung der Person, ohne diese zu erreichen. Erkenntnis dessen, wozu Bewußtsein unter Preisgabe seines Lebendigen wurde, hat rückwirkende Kraft: so dinghaft ist Egoität immer schon gewesen. Im Kern des Subjekts wohnen die objektiven Bedingungen, die es um der Unbedingtheit seiner Herrschaft willen verleugnen muß und die deren eigene sind. Ihrer müßte das Subjekt sich entäußern. Voraussetzung seiner Identität ist das Ende des Identitätszwangs. Das erscheint einzig verzerrt in der Existentialontologie. Nichts aber ist geistig länger relevant, was nicht in die Zone der Depersonalisierung und ihrer Dialektik eindränge; Schizophrenie die geschichtsphilosophische Wahrheit übers Subjekt. Unvermerkt wird bei Heidegger jene Zone, die er streift, zum Gleichnis der verwalteten Welt, und komplementär zur verzweifelt befestigten Bestimmung der Subjektivität. Allein an deren Kritik fände seinen Gegenstand, was er, unterm Namen Destruktion, der Geschichte der Philosophie vorbehält. Die Lehre des antimetaphysischen Freud vom Es ist der metaphysischen Kritik am Subjekt näher als die Heideggersche Metaphysik, die keine sein will. Ist die Rolle, die von Autonomie verordnete Heteronomie, die jüngste objektive Gestalt unglücklichen Bewußtseins, so ist umgekehrt kein Glück, als wo das Selbst nicht es selbst ist. Stürzt es, unter dem unmäßigen Druck, der auf ihm lastet, als schizophrenes zurück in den Zustand der Dissoziation und Vieldeutigkeit, dem geschichtlich das Subjekt sich entrang, so ist die Auflösung des Subjekts zugleich das ephemere und verurteilte Bild eines möglichen Subjekts. Gebot einmal seine Freiheit dem Mythos Einhalt, so befreite es sich, als vom letzten Mythos, von sich selbst. Utopie wäre die opferlose Nichtidentität des Subjekts.

In dem Kantischen Eifer wider die Psychologie drückt sich, neben der Angst, das mühsam erhaschte Zipfelchen des mundus intelligibilis wiederum zu verlieren, auch die authentische Einsicht aus, daß die moralischen Kategorien des Individuums mehr als nur individuell sind. Was an ihnen nach dem Modell des Kantischen Gesetzesbegriffs als Allgemeines offenbar wird, ist insgeheim ein Gesellschaftliches. Unter den Funktionen des freilich schillernden Begriffs der Menschheit in der Kritik der praktischen Vernunft ist nicht die geringfügigste, daß reine Vernunft als allgemeine für alle vernünftigen Wesen gelte: ein Indifferenzpunkt von Kants Philosophie. Ward der Begriff der Allgemeinheit an der Vielheit der Subjekte gewonnen und dann zur logischen Objektivität der Vernunft verselbständigt, in der alle einzelnen Subjekte und dem Schein nach Subjektivität als solche verschwinden, so möchte Kant auf dem schmalen Grat zwischen logischem Absolutismus und empirischer Allgültigkeit zurück zu jenem Seienden, das die Konsequenzlogik des Systems zuvor verbannte. Darin konvergiert die antipsychologische Moralphilosophie mit späteren psychologischen Funden. Indem die Psychologie das Überich als verinnerlichte gesellschaftliche Norm enthüllt, durchbricht sie ihre monadologischen Schranken. Diese sind ihrerseits gesellschaftlich produziert. Seine Objektivität den Menschen gegenüber zieht das Gewissen aus der der Gesellschaft, in der und durch welche sie leben und die bis in den Kern ihrer Individuation hineinreicht. Ungeschieden sind in solcher Objektivität die antagonistischen Momente ineinander: der heteronome Zwang und die Idee einer die divergenten Einzelinteressen übersteigenden Solidarität. Was am Gewissen das zäh beharrende, repressive Unwesen der Gesellschaft reproduziert, ist das Gegenteil von Freiheit und durch den Nachweis der eigenen Determination zu entzaubern. Dagegen zeugt die allgemeine Norm, die vom Gewissen bewußtlos zugeeignet wird, von dem an der Gesellschaft, was über Partikularität als das Prinzip ihrer Totale hinausweist. Das ist ihr Wahrheitsmoment. Der Frage nach Recht und Unrecht des Gewissens ist die bündige Antwort versagt, weil ihm selber Recht und Unrecht innewohnt und kein abstraktes Urteil sie sondern könnte: erst an seiner repressiven Gestalt bildet sich die solidarische, die jene aufhebt. Daß zwischen Individuum und Gesellschaft so wenig einfache Differenz klafft, wie sie versöhnt sind, ist der Moralphilosophie wesentlich. Am gesellschaftlich unerfüllten Anspruch des Individuums hat sich das Schlechte der Allgemeinheit deklariert. Das ist der überindividuelle Wahrheitsgehalt der Kritik an der Moral. Aber das Individuum, das, schuldig aus Not, sich zum Letzten und Absoluten wird, verfällt dabei seinerseits dem Schein der individualistischen Gesellschaft, und verkennt sich; das wiederum hat Hegel durchschaut, und zwar am schärfsten dort, wo er dem reaktionären Mißbrauch Vorschub leistet. Die Gesellschaft, die gegen das Individuum unrecht hat in ihrem allgemeinen Anspruch, hat gegen es auch recht, insofern im Individuum das gesellschaftliche Prinzip unreflektierter Selbstbehauptung, selber das schlecht Allgemeine, hypostasiert wird. Die Gesellschaft mißt es Maß für Maß. Der Satz des späten Kant, die Freiheit eines jeden Menschen müsse nur insoweit eingeschränkt werden, wie sie die Freiheit eines anderen beeinträchtigt[11], chiffriert einen versöhnten Zustand, der nicht nur über dem schlecht Allgemeinen, dem Zwangsmechanismus der Gesellschaft wäre, sondern auch über dem verstockten Individuum, in welchem jener Zwangsmechanismus mikrokosmisch sich wiederholt. Die Frage nach der Freiheit erheischt kein Ja oder Nein sondern Theorie, die wie über die bestehende Gesellschaft so über die bestehende Individualität sich erhebt. Anstatt die verinnerlichte und verhärtete Instanz des Überichs zu sanktionieren, trägt sie die Dialektik von Einzelwesen und Gattung aus. Der Rigorismus des Überichs ist lediglich der Reflex darauf, daß der antagonistische Zustand das verhindert. Befreit wäre das Subjekt erst als mit dem Nichtich versöhntes, und damit auch über der Freiheit, soweit sie mit ihrem Widerpart, der Repression, verschworen ist. Wieviel Aggression bislang in der Freiheit liegt, wird sichtbar, wann immer Menschen inmitten der allgemeinen Unfreiheit wie Freie agieren. So wenig jedoch in einem Stand von Freiheit das Individuum die alte Partikularität krampfhaft hütete – Individualität ist sowohl Produkt des Drucks wie das Kraftzentrum, das ihm widersteht –, so wenig vertrüge sich jener Stand mit dem gegenwärtigen Kollektivbegriff. Daß in den Ländern, die heute den Namen des Sozialismus monopolisieren, Kollektivismus unmittelbar, als Unterordnung des Einzelnen unter die Gesellschaft, anbefohlen wird, straft ihren Sozialismus Lügen und befestigt den Antagonismus. Die Schwächung des Ichs durch eine vergesellschaftete Gesellschaft, die unermüdlich die Menschen zusammentreibt und, wörtlich wie übertragen, unfähig macht, allein zu sein, manifestiert sich in den Klagen über Vereinzelung nicht weniger als die wahrhaft unerträgliche Kälte, die mit dem sich expandierenden Tauschverhältnis über alles sich verbreitet, und die im autoritären, gegen die Bedürfnisse der Subjekte rücksichtslosen Regiment der angeblichen Volksdemokratien prolongiert wird. Daß in einem Verein freier Menschen diese dauernd sich zusammenrotten müßten, gehört in den Vorstellungskreis von Umzügen, von Marschieren, Fahnenschwenken, Festansprachen von Führern. Sie gedeihen nur so lange, wie die Gesellschaft irrational ihre Zwangsmitglieder zusammenkitten will; objektiv bedarf es ihrer nicht. Kollektivismus und Individualismus ergänzen einander im Falschen. Gegen beides protestierte die spekulative Geschichtsphilosophie seit Fichte in der Lehre vom Stand der vollendeten Sündhaftigkeit, später in der vom verlorenen Sinn. Die Moderne wird einer entformten Welt gleichgesetzt, während Rousseau, der Initiator retrospektiver Feindschaft gegen die eigene Zeit, sie am letzten großen Stil entzündete: sein Widerwille galt einem Zuviel an Form, der Denaturierung der Gesellschaft. An der Zeit wäre, die imago der sinnentleerten Welt zu kündigen, die aus einer Chiffre der Sehnsucht zur Parole von Ordnungswütigen degenerierte. Nirgendwo auf Erden ist die gegenwärtige Gesellschaft, wie ihr szientifische Apologeten bescheinigen, ›offen‹; nirgendwo auch entformt. Der Glaube, daß sie es sei, entsprang in den Verwüstungen der Städte und Landschaften durch die planlos sich ausdehnende Industrie, in einem Mangel an Rationalität, nicht in deren Übermaß. Virtuell liefert Ideologien, wer Entformung auf metaphysische Prozesse zurückführt, anstatt auf die Verhältnisse der materiellen Produktion. Mit ihrer Änderung könnte das Bild der Gewalt sich sänftigen, als welches die Welt den Menschen sich präsentiert, die ihr Gewalt antaten. Daß überindividuelle Bindungen verschwanden – sie verschwanden keineswegs –, wäre gar nicht an sich das Schlechte; die wahrhaft emanzipierten Kunstwerke des zwanzigsten Jahrhunderts sind denn auch nicht schlechter als die, welche in den Stilen gediehen, deren die Moderne mit Grund sich entschlug. Wie im Spiegel verkehrt sich die Erfahrung, daß nach dem Stande des Bewußtseins und der materiellen Produktivkräfte von den Menschen erwartet wird, daß sie Freie seien, daß sie es auch von sich selbst erwarten, und daß sie es nicht sind, während doch im Stande ihrer radikalen Unfreiheit kein Muster von Denken, Verhalten und, mit dem schmählichsten Terminus, von ›Wert‹ übrig ist, wie sie als Unfreie es begehren. Das Lamento über den Mangel an Bindung hat zur Substanz eine Verfassung der Gesellschaft, die Freiheit vorgaukelt, ohne sie zu verwirklichen. Freiheit existiert nur, blaß genug, im Überbau; ihr perennierendes Mißlingen lenkt die Sehnsucht ab auf die Unfreiheit. Wahrscheinlich ist die Frage nach dem Sinn des Daseins insgesamt Ausdruck jenes Mißverhältnisses.

Schwarz verhängt sich der Horizont eines Standes von Freiheit, darin es keiner Repression und keiner Moral mehr bedürfte, weil der Trieb nicht länger zerstörend sich äußern müßte. Moralische Fragen stellen sich bündig, nicht in ihrer widerlichen Parodie, der sexuellen Unterdrückung, sondern in Sätzen wie: Es soll nicht gefoltert werden; es sollen keine Konzentrationslager sein, während all das in Afrika und Asien fortwährt und nur verdrängt wird, weil die zivilisatorische Humanität wie stets inhuman ist gegen die von ihr schamlos als unzivilisiert Gebrandmarkten. Bemächtigte aber ein Moralphilosoph sich jener Sätze und jubelte, nun hätte er die Kritiker der Moral erwischt: auch sie zitierten die von Moralphilosophen mit Behagen verkündeten Werte, so wäre der bündige Schluß falsch. Wahr sind die Sätze als Impuls, wenn gemeldet wird, irgendwo sei gefoltert worden. Sie dürfen sich nicht rationalisieren; als abstraktes Prinzip gerieten sie sogleich in die schlechte Unendlichkeit ihrer Ableitung und Gültigkeit. Kritik an der Moral gilt der Übertragung von Konsequenzlogik aufs Verhalten der Menschen; die stringente Konsequenzlogik wird dort Organ von Unfreiheit. Der Impuls, die nackte physische Angst und das Gefühl der Solidarität mit den, nach Brechts Wort, quälbaren Körpern, der dem moralischen Verhalten immanent ist, würde durchs Bestreben rücksichtsloser Rationalisierung verleugnet; das Dringlichste würde abermals kontemplativ, Spott auf die eigene Dringlichkeit. Der Unterschied von Theorie und Praxis involviert theoretisch, daß Praxis so wenig rein auf Theorie zu bringen ist wie xoris von ihr. Beides läßt nicht zur Synthese sich zusammenleimen. Das Ungetrennte lebt einzig in den Extremen, in der spontanen Regung, die, ungeduldig mit dem Argument, nicht dulden will, daß das Grauen weitergehe, und in dem von keinem Anbefohlenen terrorisierten theoretischen Bewußtsein, das durchschaut, warum es gleichwohl unabsehbar weitergeht. Dieser Widerspruch allein ist, angesichts der realen Ohnmacht aller Einzelnen, der Schauplatz von Moral heute. Spontan wird Bewußtsein so weit reagieren, wie es das Schlechte erkennt, ohne mit der Erkenntnis sich zu befriedigen. Die Inkompatibilität jedes allgemein moralischen Urteils mit der psychologischen Determination, die doch von dem Urteil, dies sei das Böse, nicht dispensiert, entspringt nicht in mangelnder Folgerichtigkeit des Denkens, sondern im objektiven Antagonismus. Fritz Bauer hat bemerkt, daß dieselben Typen, die mit hundert faulen Argumenten den Freispruch der Schinder von Auschwitz verlangen, Freunde der Wiedereinführung der Todesstrafe seien. Darin konzentriert sich der jüngste Stand der moralischen Dialektik: der Freispruch wäre das nackte Unrecht, die gerechte Sühne würde von dem Prinzip zuschlagender Gewalt sich anstecken lassen, dem zu widerstehen allein Humanität ist. Benjamins Satz, der Vollzug der Todesstrafe könne moralisch sein, niemals ihre Legitimierung, prophezeit diese Dialektik. Hätte man die Chargierten der Folter samt ihren Auftraggebern und deren hochmögenden Gönnern sogleich erschossen, so wäre es moralischer gewesen, als einigen von ihnen den Prozeß zu machen. Daß ihnen zu fliehen, zwanzig Jahre sich zu verstecken gelang, verändert qualitativ die damals versäumte Gerechtigkeit. Sobald gegen sie eine Justizmaschine mit Strafprozeßordnung, Talar und verständnisvollen Verteidigern mobilisiert werden muß, ist die Gerechtigkeit, ohnehin keiner Sanktion fähig, die der begangenen Untat gerecht würde, schon falsch, kompromittiert vom gleichen Prinzip, nach dem die Mörder einmal handelten. Die Faschisten sind klug genug, solchen objektiven Wahnsinn mit ihrer teuflisch irren Vernunft auszuschlachten. Der geschichtliche Grund der Aporie ist, daß in Deutschland die Revolution gegen die Faschisten scheiterte, vielmehr daß es 1944 keine revolutionäre Massenbewegung gab. Der Widerspruch, empirischen Determinismus zu lehren und gleichwohl die Normalungetüme zu verurteilen – vielleicht sollte man sie danach laufen lassen –, ist von keiner übergeordneten Logik zu schlichten. Theoretisch reflektierte Justiz dürfte ihn nicht scheuen. Verhilft sie ihm nicht selber zum Bewußtsein, so ermutigt sie, als Politikum, die Fortsetzung der Foltermethoden, auf die ohnehin das kollektive Unbewußte hofft und auf deren Rationalisierung es lauert; soviel jedenfalls stimmt an der Abschreckungstheorie. Im eingestandenen Bruch zwischen einer Vernunft des Rechts, welche zum letzten Mal den Schuldigen die Ehre einer Freiheit antut, die ihnen nicht gebührt, und der Einsicht in ihre reale Unfreiheit wird die Kritik am konsequenzlogischen Identitätsdenken moralisch.

 

Zwischen dem Dasein und dem Sittengesetz vermittelt Kant durch die Konstruktion des intelligiblen Charakters. Sie lehnt sich an die These an, »das moralische Gesetz beweiset seine Realität«53 – als ob, was gegeben, was da ist, dadurch legitimiert wäre. Redet Kant davon, »daß der Bestimmungsgrund jener Causalität auch außer der Sinnenwelt in der Freiheit als Eigenschaft eines intelligibelen Wesens angenommen werden kann«54, so wird durch den Begriff der Eigenschaft das intelligible Wesen vollends zu einem im Leben des Individuums positiv Vorstellbaren, »realen«. Das aber ist, innerhalb der Axiomatik von Widerspruchslosigkeit, konträr der Lehre vom Intelligiblen als einem Jenseits der Sinnenwelt. Unverhohlen erinnert Kant sogleich daran: »Hingegen ist das sittlich Gute etwas dem Objecte nach Übersinnliches, für das also in keiner sinnlichen Anschauung etwas correspondirendes« – – ganz gewiß also keine »Eigenschaft« – »gefunden werden kann, und die Urtheilskraft unter Gesetzen der reinen praktischen Vernunft scheint daher besonderen Schwierigkeiten unterworfen zu sein, die darauf beruhen, daß ein Gesetz der Freiheit auf Handlungen als Begebenheiten, die in der Sinnenwelt geschehen und also so fern zur Natur gehören, angewandt werden soll.«55 Der Passus wendet im Geist der Vernunftkritik sich nicht nur gegen die in der Kritik der praktischen Vernunft stringent kritisierte Ontologie von Gut und Böse als von ansichseienden Gütern, sondern auch gegen das ihr zugeordnete subjektive Vermögen, das, den Phänomena entrückt, jene Ontologie verbürge, einen Charakter schlechthin supranaturalen Wesens. Führte Kant, um Freiheit zu erretten, die überaus exponierte und wider Erfahrung sich sträubende, gleichwohl als Vermittlung zur Empirie konzipierte Lehre vom intelligiblen Charakter ein, so war objektiv eines der stärksten Motive, daß der Wille nicht als Seiendes aus den Phänomenen erschlossen, auch nicht durch ihre begriffliche Synthesis definiert werden könne, sondern als ihre Bedingung vorausgesetzt werden müsse, mit den Unzuträglichkeiten eines naiven Realismus der Innerlichkeit, die er, an anderen Hypostasen von Seelischem, im Paralogismuskapitel zerstörte. Der Nachweis, der Charakter gehe weder in Natur auf noch sei er ihr absolut transzendent, wie es übrigens sein Begriff dialektisch impliziert, soll die prekäre Vermittlung besorgen. Motivationen aber, ohne die keine solche Vermittlung wäre, haben ihr psychologisches Moment, während die des menschlichen Willens Kant zufolge »niemals etwas anderes als das moralische Gesetz sein« können56. Das zeichnet die Antinomie jeder möglichen Antwort vor. Sie wird von Kant schroff herausgearbeitet: »Denn wie ein Gesetz für sich und unmittelbar Bestimmungsgrund des Willens sein könne (welches doch das Wesentliche aller Moralität ist), das ist ein für die menschliche Vernunft unauflösliches Problem und mit dem Einerlei: wie ein freier Wille möglich sei. Also werden wir nicht den Grund, woher das moralische Gesetz in sich eine Triebfeder abgebe, sondern was, so fern es eine solche ist, sie im Gemüthe wirkt (besser zu sagen, wirken muß), a priori anzuzeigen haben.«57 Kants Spekulation verstummt, wo sie einzusetzen hätte, und resigniert zu einer bloßen Beschreibung immanenter Wirkungszusammenhänge, die er, wäre er nicht überwältigt von seinem Vorsatz, schwerlich gezögert hätte, Blendwerk zu nennen: ein Empirisches erschleicht durch die Kraft der Affektion, die es ausübt, überempirische Autorität. Von der »intelligibelen Existenz«58, einem Dasein ohne die Zeit, welche Kant zufolge Daseiendes mit konstituiert, wird gehandelt, ohne daß ihn die contradictio in adjecto schreckte, ohne daß er sie dialektisch artikulierte, gar sagte, was irgend unter jener Existenz zu denken sei. Am weitesten wagt er sich vor mit der Rede »von der Spontaneität des Subjects als Dinges an sich selbst«59. Nach der Vernunftkritik wäre von dieser positiv so wenig zu sprechen wie von den transzendenten Ursachen der Phänomene des äußeren Sinnes, während ohne intelligiblen Charakter moralisches Handeln in der Empirie, Einwirkung auf diese unmöglich wäre und damit die Moral. Er muß verzweifelt um das sich bemühen, was der Grundriß des Systems verhindert. Zustatten kommt ihm dabei, daß, gegenüber dem Kausalautomatismus der physischen wie der psychischen Natur, Vernunft einzugreifen, einen neuen Nexus zu stiften vermag. Läßt er sich in der ausgeführten Moralphilosophie dazu herbei, nicht länger das intelligible Reich, säkularisiert zur reinen praktischen Vernunft, als absolut Verschiedenes zu denken, so ist das, angesichts jenes konstatierbaren Influxus der Vernunft, keineswegs das Wunder, als welches es nach dem abstrakten Verhältnis der Kantischen Grundthesen zueinander sich darstellt. Daß Vernunft ein anderes als Natur und doch ein Moment von dieser sei, ist ihre zu ihrer immanenten Bestimmung gewordene Vorgeschichte. Naturhaft ist sie als die zu Zwecken der Selbsterhaltung abgezweigte psychische Kraft; einmal aber abgespalten und der Natur kontrastiert, wird sie auch zu deren Anderem. Dieser ephemer entragend, ist Vernunft mit Natur identisch und nichtidentisch, dialektisch ihrem eigenen Begriff nach. Je hemmungsloser jedoch die Vernunft in jener Dialektik sich zum absoluten Gegensatz der Natur macht und an diese in sich selbst vergißt, desto mehr regrediert sie, verwilderte Selbsterhaltung, auf Natur; einzig als deren Reflexion wäre Vernunft Übernatur. Keine interpretative Kunst vermöchte die immanenten Widersprüche der Bestimmungen des intelligiblen Charakters zu beseitigen. Kant schweigt darüber sich aus, was er sei, wie er von sich aus auf den empirischen einwirke; ob er nichts als der reine Akt von dessen Setzung sein soll oder neben jenem fortwähren, wie es zwar erklügelt klingt, aber nicht ohne Plausibilität für die Selbsterfahrung ist. Er begnügt sich mit der Beschreibung, wie jene Einwirkung in der Empirie erscheint. Wird der intelligible Charakter, wozu das Wort veranlaßt, durchaus xoris vorgestellt, so ist überhaupt von ihm zu reden so unmöglich wie über das Ding an sich, dem Kant den intelligiblen Charakter kryptisch genug, in höchst formaler Analogie, gleichsetzt, nicht einmal erklärend, ob er ›ein‹ Ding an sich, eines in jeder Person, die unbekannte Ursache der Phänomene des inneren Sinnes oder, wie Kant gelegentlich redet, »das« Ding an sich sei, identisch mit allen, Fichtes absolutes Ich. Indem ein solches radikal getrenntes Subjekt einwirkte, würde es Moment der phänomenalen Welt und unterläge deren Bestimmungen, also der Kausalität. Der traditionelle Logiker Kant dürfte niemals damit sich abfinden, daß derselbe Begriff der Kausalität sowohl unterstände wie nicht unterstände[12]. Wäre aber der intelligible Charakter nicht mehr xoris, so wäre er nicht länger intelligibel sondern, im Sinn des Kantischen Dualismus, kontaminiert mit dem mundus sensibilis und widerspräche sich nicht minder. Wo Kant sich verpflichtet fühlt, die Lehre vom intelligiblen Charakter näher auszuführen, muß er ihn einerseits auf eine Handlung in der Zeit, auf jenes Empirische gründen, das er schlechterdings nicht sein soll; andererseits die Psychologie vernachlässigen, mit der er sich embrouilliert: »Es gibt Fälle, wo Menschen von Kindheit auf, selbst unter einer Erziehung, die mit der ihrigen zugleich andern ersprießlich war, dennoch so frühe Bosheit zeigen und so bis in ihre Mannesjahre zu steigen fortfahren, daß man sie für geborne Bösewichter und gänzlich, was die Denkungsart betrifft, für unverbesserlich hält, gleichwohl aber sie wegen ihres Thuns und Lassens eben so richtet, ihnen ihre Verbrechen eben so als Schuld verweiset, ja sie (die Kinder) selbst diese Verweise so ganz gegründet finden, als ob sie ungeachtet der ihnen beigemessenen hoffnungslosen Naturbeschaffenheit ihres Gemüths eben so verantwortlich blieben, als jeder andere Mensch. Dieses würde nicht geschehen können, wenn wir nicht voraussetzten, daß alles, was aus seiner Willkür entspringt (wie ohne Zweifel jede vorsätzlich verübte Handlung), eine freie Causalität zum Grunde habe, welche von der frühen Jugend an ihren Charakter in ihren Erscheinungen (den Handlungen) ausdrückt, die wegen der Gleichförmigkeit des Verhaltens einen Naturzusammenhang kenntlich machen, der aber nicht die arge Beschaffenheit des Willens nothwendig macht, sondern vielmehr die Folge der freiwillig angenommenen bösen und unwandelbaren Grundsätze ist, welche ihn nur noch um desto verwerflicher und strafwürdiger machen.«60 Kant ventiliert nicht, daß das moralische Verdikt über Psychopathen irren könnte. Die vorgeblich freie Kausalität wird in die frühe Kindheit verlegt, ganz adäquat übrigens der Genese des Überichs. Aberwitzig jedoch, Babies, deren Vernunft selbst erst sich bildet, jene Autonomie zu attestieren, die an der voll entfalteten Vernunft haftet. Indem die moralische Verantwortung von der Einzelhandlung des Erwachsenen in ihre dämmernde Vorzeit zurückdatiert wird, ergeht im Namen von Mündigkeit ein unmoralisch pädagogisches Strafgericht über den Unmündigen. Die Prozesse, die in den ersten Lebensjahren über die Formierung von Ich und Überich oder, wie in dem Kantischen Paradigma, über deren Mißlingen entscheiden, können evidenterweise weder um ihrer Anciennität willen apriorisiert werden, noch ist ihrem höchst empirischen Gehalt jene Reinheit zuzusprechen, die Kants Lehre vom Sittengesetz fordert. In seinem Enthusiasmus für die Strafwürdigkeit frühkindlicher Bösewichter verläßt er den intelligiblen Bereich einzig, um im empirischen Unheil zu stiften.

Woran Kant beim Begriff des intelligiblen Charakters dachte, ist trotz der asketischen Schweigsamkeit seiner Theorie nicht aller Mutmaßung entzogen: die Einheit der Person, Äquivalent der erkenntnistheoretischen Einheit des Selbstbewußtseins. Hinter den Kulissen des Kantischen Systems wird erwartet, der oberste Begriff der praktischen Philosophie koinzidiere mit dem obersten der theoretischen, dem Ichprinzip, das ebenso theoretisch Einheit stiftet wie praktisch die Triebe bändigt und integriert. Die Einheit der Person ist der Ort der Lehre vom Intelligiblen. Nach der Architektur des bei Kant durchgängigen Form-Inhalt-Dualismus zählt sie zu den Formen: das Prinzip von Besonderung ist, in ungewollter, erst von Hegel explizierter Dialektik ein Allgemeines. Zu Ehren der Allgemeinheit unterscheidet Kant terminologisch Persönlichkeit von Person. Jene sei »die Freiheit und Unabhängigkeit von dem Mechanismus der ganzen Natur, doch zugleich als ein Vermögen eines Wesens betrachtet, welches eigenthümlichen, nämlich von seiner eigenen Vernunft gegebenen, reinen praktischen Gesetzen, die Person also, als zur Sinnenwelt gehörig, ihrer eigenen Persönlichkeit unterworfen ist, so fern sie zugleich zur intelligibelen Welt gehört«61. Persönlichkeit, das Subjekt als reine Vernunft, wie es in dem Suffix ›-keit‹, dem Index eines begrifflich Allgemeinen, sich abzeichnet, soll die Person, das Subjekt, als empirisches, natürliches Einzelwesen, sich unterwerfen. Das von Kant mit dem intelligiblen Charakter Gemeinte dürfte der Persönlichkeit im älteren Sprachgebrauch sehr nahe kommen, die »zur intelligibelen Welt gehört«. Die Einheit des Selbstbewußtseins setzt psychologisch-faktische Bewußtseinsinhalte nicht nur genetisch, sondern ihrer eigenen reinen Möglichkeit nach voraus; bezeichnet eine Zone der Indifferenz von reiner Vernunft und raum-zeitlicher Erfahrung. Humes Kritik am Ich glitt darüber hinweg, daß Bewußtseinstatsachen nicht vorhanden wären, ohne daß sie innerhalb eines einzelnen Bewußtseins, nicht eines beliebigen anderen sich bestimmten. Kant berichtigt ihn, vernachlässigt jedoch auch seinerseits die Reziprozität: seiner Kritik an Hume ist Persönlichkeit zum Prinzip jenseits der Einzelpersonen, zu deren Rahmen erstarrt. Er faßt die Bewußtseinseinheit unabhängig von jeglicher Erfahrung. Solche Unabhängigkeit existiert einigermaßen gegenüber den wechselnden einzelnen Bewußtseinstatsachen, nicht aber radikal gegenüber allem Vorhandensein tatsächlicher Bewußtseinsinhalte. Kants Platonismus – im Phaidon war die Seele ein Idee-Ähnliches – wiederholt erkenntnistheoretisch die eminent bürgerliche Affirmation der persönlichen Einheit an sich auf Kosten ihres Inhalts, die schließlich unter dem Namen von Persönlichkeit nur den starken Mann übrigließ. Die formale Leistung der Integration, a priori keineswegs formal sondern inhaltlich, die sedimentierte Beherrschung der inneren Natur, usurpiert den Rang des Guten. Je mehr einer Persönlichkeit sei, wird suggeriert, desto besser sei er, unbekümmert um die Fragwürdigkeit des Man-selber-Seins. Große Romane des achtzehnten Jahrhunderts waren darin noch argwöhnisch. Fieldings Tom Jones, das Findelkind, ein im psychologischen Sinn »triebhafter Charakter«, steht für den von Konvention unverstümmelten Menschen ein und wird zugleich komisch. Letzter Widerhall dessen sind die Nashörner von Ionesco: der einzige, der der tierischen Standardisierung widersteht und insofern ein starkes Ich bewährt, hat, Alkoholiker und beruflich erfolglos, nach dem Verdikt des Lebens gar kein so starkes. Trotz des Beispiels vom radikal bösen Kleinkind wäre zu fragen, ob bei Kant ein böser intelligibler Charakter denkmöglich sei; ob er das Böse nicht darin sucht, daß die formale Einheit mißlang. Wo jene Einheit gar nicht ist, wäre wohl ihm zufolge von Gut so wenig zu reden wie bei den Tieren, auch nicht von Böse; er dürfte den intelligiblen Charakter am ehesten als starkes Ich sich vorgestellt haben, das alle seine Regungen vernünftig kontrolliert, so wie es in der Gesamttradition des neueren Rationalismus gelehrt ward, insbesondere von Spinoza und Leibniz, die wenigstens in diesem Punkt übereinstimmen[13]. Die große Philosophie verhärtet sich gegen die Idee eines nicht nach dem Realitätsprinzip gemodelten, nicht in sich verhärteten Menschen. Das trägt Kant den denkstrategischen Vorteil ein, parallel zur durchgehenden Kausalität die These von der Freiheit durchführen zu können. Denn die Einheit der Person ist nicht bloß das formale Apriori, als das sie im Kantischen System auftritt, sondern wider seinen Willen, und zugunsten seines Demonstrandum, Moment aller einzelnen Inhalte des Subjekts. Jede seiner Regungen ist »dessen« Regung ebenso wie das Subjekt die Totalität der Regungen, und dadurch deren qualitativ Anderes. In der höchst formalen Region des Selbstbewußtseins verschwimmt beides. Von ihr läßt ununterschieden sich prädizieren, was nicht ineinander aufgeht: der faktische Inhalt und die Vermittlung, das Prinzip seines Zusammenhangs. Durch äußerste Abstraktion verschafft sich, im Indifferenzbegriff der Persönlichkeit, der nach traditionell-logischer Argumentationsweise tabuierte, aber desto realere dialektische Sachverhalt sein Recht, daß in der antagonistischen Welt die einzelnen Subjekte auch in sich antagonistisch sind, frei und unfrei. In der Nacht der Indifferenz fällt das karge Licht auf die Freiheit als die Persönlichkeit an sich, ein protestantisch Innerliches, noch sich selbst Entrücktes. Das Subjekt wird, nach Schillers Kernspruch, gerechtfertigt durch das, was es ist, nicht durch das, was es tut, wie einst der Lutheraner durch den Glauben, nicht die Werke. Die unfreiwillige Irrationalität des Kantischen intelligiblen Charakters, seine vom System erzwungene Unbestimmbarkeit, säkularisiert stillschweigend die ausdrückliche theologische Lehre von der Irrationalität der Gnadenwahl. Diese wird allerdings, konserviert in fortschreitender Aufklärung, immer drückender. Ward Gott von der Kantischen Ethik einmal in die gleichsam dienende Rolle des Postulats der praktischen Vernunft gedrängt – auch das ist in Leibniz und sogar Descartes präformiert –, so fällt es schwer, unter dem intelligiblen Charakter, einem irrational Soseienden, irgendein Anderes zu denken als das gleiche blinde Schicksal, gegen welches die Idee der Freiheit Einspruch erhebt. Stets changierte der Begriff des Charakters zwischen Natur und Freiheit62. Je rücksichtsloser das absolute Sosein des Subjekts seiner Subjektivität gleichgesetzt wird, desto undurchdringlicher deren Begriff. Was ehemals Gnadenwahl aus göttlichem Ratschluß dünkte, kann kaum noch als eine aus objektiver Vernunft gedacht werden, die doch an die subjektive appellieren müßte. Das reine, jeden empirischen Inhalts bare Ansichsein des Menschen, das in nichts gesucht wird als seiner eigenen Vernünftigkeit, läßt kein vernünftiges Urteil darüber zu, warum es hier gelungen sei, dort gescheitert. Die Instanz aber, an der der intelligible Charakter befestigt wird, die reine Vernunft, ist selbst ein Werdendes und insofern auch Bedingtes, kein absolut Bedingendes. Daß sie sich außerhalb der Zeit als Absolutes setze – eine Antezipation des gleichen Fichte, den Kant befehdete –, ist weit irrationaler als je die Schöpfungslehre. Das trug wesentlich zum Bündnis der Idee von Freiheit mit der realen Unfreiheit bei. Irreduktibel daseiend, verdoppelt der intelligible Charakter im Begriff jene zweite Natur, als welche die Gesellschaft ohnehin die Charaktere ihrer sämtlichen Angehörigen stanzt. Übersetzt man die Kantische Ethik in Urteile über reale Menschen, so ist ihr einziges Kriterium: wie einer nun einmal sei, also seine Unfreiheit. Jener Kernspruch Schillers wollte gewiß primär den Abscheu bekunden, den die Unterwerfung aller menschlichen Verhältnisse unter das Tauschprinzip, das Abschätzen der einen Handlung gegen die andere, einflößt. Die Kantische Moralphilosophie meldet dasselbe Motiv an im Gegensatz von Würde und Preis. In einer richtigen Gesellschaft jedoch würde der Tausch nicht nur abgeschafft sondern erfüllt: keinem würde der Ertrag seiner Arbeit verkürzt. So wenig die isolierte Handlung gewogen werden kann, so wenig ist ein Gutes, das nicht zu Handlungen sich entäußerte. Absolute Gesinnung, bar des spezifischen Eingriffs, verkäme zur absoluten Gleichgültigkeit, zum Unmenschlichen. Beide, Kant wie Schiller, präludieren objektiv den schmählichen Begriff eines freischwebend Edlen, das dann später nach Belieben Eliten als Eigenschaft sich bescheinigen können, die sich selbst dazu ernennen. In der Kantischen Moralphilosophie lauert eine Tendenz zu ihrer Sabotage. Ihr wird die Totalität des Menschen ununterscheidbar von prästabilierter Erwähltheit. Daß nach dem Recht oder Unrecht einer Handlung nicht mehr kasuistisch zu fragen ist, hat auch sein Sinistres: die Urteilskompetenz geht an die Zwänge der empirischen Gesellschaft über, welche das Kantische agaton transzendieren wollte. Die Kategorien edel und gemein sind, wie alle der bürgerlichen Freiheitslehre, mit familialen, mit Naturverhältnissen verwachsen. In der spätbürgerlichen Gesellschaft bricht ihre Naturwüchsigkeit nochmals durch, als Biologismus und schließlich Rassetheorie. Die vom Philosophen Schiller, gegen Kant und insgeheim im Einklang mit ihm, visierte Versöhnung von Moral und Natur ist im Bestehenden nicht durchaus so human und unschuldig, wie sie sich weiß. Natur, einmal mit Sinn ausstaffiert, setzt sich anstelle jener Möglichkeit, auf welche die Konstruktion des intelligiblen Charakters hinauswollte. Bei Goethes Kalokagathie ist der am Ende mörderische Umschlag unverkennbar. Schon ein Brief Kants über ein Porträt, das ein jüdischer Maler von ihm angefertigt hatte, bedient sich einer gehässig antisemitischen These, die durch den Nationalsozialisten Paul Schultze-Naumburg populär wurde[14]. Freiheit ist real begrenzt durch Gesellschaft, nicht nur von außen sondern in sich selbst. Sobald sie von sich Gebrauch macht, vermehrt sie die Unfreiheit; der Statthalter des Besseren ist immer auch Komplize des Schlechteren. Noch wo die Menschen am ehesten frei von der Gesellschaft sich fühlen, in der Stärke ihres Ichs, sind sie zugleich deren Agenten: das Ichprinzip ist ihnen von der Gesellschaft eingepflanzt, und sie honoriert es, obwohl sie es eindämmt. Kants Ethik ist dieses Vertrackten noch nicht gewahr geworden, oder setzt darüber sich hinweg.

Wollte man es wagen, dem Kantischen X des intelligiblen Charakters seinen wahren Inhalt zu verleihen, der sich gegen die totale Unbestimmtheit des aporetischen Begriffs behauptet, so wäre er wohl das geschichtlich fortgeschrittenste, punktuell aufleuchtende, rasch verlöschende Bewußtsein, dem der Impuls innewohnt, das Richtige zu tun. Er ist die konkrete, intermittierende Vorwegnahme der Möglichkeit, weder fremd den Menschen noch mit ihnen identisch. Sie sind nicht nur die Substrate von Psychologie. Denn sie erschöpfen sich nicht in der vergegenständlichten Naturbeherrschung, die sie von der auswendigen Natur auf sich zurückprojiziert haben. Sie sind soweit Dinge an sich, wie die Dinge nur ein von ihnen Gemachtes sind; insofern ist die Welt der Phänomene wahrhaft ein Schein. Der reine Wille der Kantischen ›Grundlegung‹ ist darum vom intelligiblen Charakter gar nicht so verschieden. Der Vers von Karl Kraus »Was hat die Welt aus uns gemacht« sinnt ihm schwermütig nach; ihn fälscht, wer ihn zu besitzen sich einbildet. Negativ schlägt er durch im Schmerz des Subjekts, daß alle Menschen in dem, was sie wurden, in ihrer Wirklichkeit, verstümmelt sind. Was anders wäre, das nicht länger verkehrte Wesen, weigert sich einer Sprache, welche die Stigmata des Seienden trägt: Theologie redete einmal vom mystischen Namen. Die Trennung des intelligiblen vom empirischen Charakter aber wird erfahren an dem äonenalten Block, der vor den reinen Willen, das Hinzutretende sich schiebt: äußere Rücksicht aller erdenklichen Art, vielfach subaltern irrationale Interessen der Subjekte falscher Gesellschaft; generell das Prinzip des partikularen Eigeninteresses, das jedem Individuum ohne Ausnahme in der Gesellschaft, wie sie ist, sein Handeln

 
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