Man gähnt, weil man unter Sauerstoffmangel leidet
Stimmt nicht. Gähnen gehört zu den Körperphänomenen, über die wir erstaunlich wenig wissen. Irgendeinen Zweck muss es erfüllen, schließlich wird auch im Tierreich viel gegähnt. Das Gähnen hat eine soziale Komponente, es ist offenbar ansteckend (siehe den ersten «Stimmt’s?»-Sammelband). Aber was hat der Körper davon, wenn wir gähnen?
Einer der größten Gähnexperten ist der amerikanische Psychologe Robert Provine von der University of Maryland, der mit seinen Studenten schon unzählige Experimente durchgeführt hat. Auch die Sauerstoffthese hat er getestet. Gähnen wir bei einer Unterversorgung mit dem Gas mehr? Dazu ließ er seine Probanden Luft mit unterschiedlichem Sauerstoffanteil atmen – von 20 Prozent, wie sie in der normalen Atemluft enthalten sind, bis zu 100 Prozent. Die Gähnrate blieb bei diesen Versuchen erstaunlich konstant bei etwa 24-mal pro Stunde. Auch als er den Sauerstoffanteil konstant ließ und die Konzentration von CO2 erhöhte (das ist die Hauptursache dafür, dass wir in «verbrauchter Luft» müde werden), gähnten die Testpersonen nicht häufiger.
Was könnte sonst der Grund fürs Gähnen sein? Oft unterstellen wir ja Menschen, die zum Beispiel in einer Konferenz gähnen, dass sie sich langweilen. Aber es gibt auch andere Erklärungen. Gähnen kühlt das Gehirn, sagen manche Forscher. Gähnen steigert unsere Leistungsbereitschaft, sagen andere, und macht uns fit für wichtige Aufgaben. Zum Beispiel gähnen Leistungssportler vor dem Wettkampf besonders viel oder auch Fallschirmspringer vor dem ersten Sprung. Wer also in einer Sitzung vom Chef bei einem verstohlenen Gähner ertappt wird, der kann sich immer damit herausreden, dass er sich gerade auf eine besondere Herausforderung vorbereitet und dazu einen kühlen Kopf benötigt.