Lachs war früher ein «Arme-Leute-Essen»
Stimmt nicht. Festgemacht wird diese «Tatsache» an der Behauptung, Lachs sei bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein «Brotfisch» gewesen, so häufig und billig, dass Dienstboten es sich vertraglich zusichern ließen, nur zwei- oder dreimal in der Woche Lachs essen zu müssen. Die Geschichte mit den Verträgen der Dienstboten spielt mal in Hamburg, mal in Frankfurt oder in Lettland. Oft wird sogar behauptet, dass es eine gesetzliche Bestimmung gegeben habe, nach der die Herrschaften ihren Bediensteten nicht ständig Lachs vorsetzen durften. Eine Quelle wird freilich nie angegeben – ein typisches Indiz dafür, dass es sich wohl um eine Legende handelt. Zu dem Ergebnis kam auch ein Baseler Archivar, der sich vergeblich auf die Suche nach einem historischen Beleg machte.
Der Historiker Klaus Schwarz ist der Legende in Bremen nachgegangen. In seinem Artikel «Der Weserlachs und die Bremischen Dienstboten», veröffentlicht im «Bremischen Jahrbuch 1995/96», kommt er nicht nur zu dem Ergebnis, dass die Geschichte mit den Dienstboten Unfug ist, er hat auch die historischen Nahrungsmittelpreise recherchiert. Sein Fazit: Zu allen Zeiten war der Lachs sehr teuer, er kostete stets ein Vielfaches von Rind- oder Schweinefleisch.
Allerdings wurde früher viel Lachs in den deutschen Binnengewässern gefangen. Lachse sind Wanderfische, die ihre Jugend in Flüssen verbringen, dann ins Meer schwimmen, wo sie sich ordentlich dick fressen, um dann zum Laichen an den Ort ihrer Geburt zurückzukehren. Um 1900 wurden allein aus dem Rhein jährlich 85 000 Tonnen Lachs gefischt. 50 Jahre später war der Fisch praktisch aus allen deutschen Binnengewässern verschwunden – Lachse reagieren sehr empfindlich auf eine schlechte Wasserqualität. Fortan mussten die Fische erheblich aufwendiger aus dem Meer gefischt werden. Inzwischen stammen die meisten Lachse, die wir essen, aus großen Fischfarmen im Meer und sind wieder für jedermann erschwinglich.
Seit einigen Jahren wird der Lachs erfolgreich im Rhein wieder angesiedelt. Von den ausgesetzten Jungfischen sind schon einige tausend aus dem Ozean zurückgekehrt. Aber die Zeiten des Lachsfangs in deutschen Flüssen sind wohl unwiederbringlich vorbei.