Neun Monate nach dem großen Stromausfall in New York stieg die Geburtenrate deutlich an
Stimmt nicht. Auch wenn diese Geschichte romantisch klingt. Urheber der Legende war wohl die New York Times, die am 10. August 1966, neun Monate nach dem Blackout vom 9. November 1965, von ungewöhnlich hohen Geburtenraten berichtete: 28 statt durchschnittlich 11 im Mount Sinai Hospital, 29 statt 20 im Bellevue Hospital und so weiter. Jeder Statistiker weiß, dass es solche Ausreißer immer gibt – in einer Stadt mit vielen Krankenhäusern kann man sie fast täglich finden. Trotzdem fand sich ein Soziologe, der darin einen Effekt sah und kommentierte: «Unsere Daten zeigen, dass die meisten Menschen zu Hause blieben. Sie hatten keinen Zugang zu ihrem Hauptvergnügen – dem Fernsehen. Unter diesen Umständen ist es nicht unvernünftig anzunehmen, dass eine Menge Sex stattfand.»
Die Times schlachtete die Geschichte auch in den folgenden Tagen aus, interviewte frischgebackene Eltern, die sich zu ihrem Treiben in der fraglichen Nacht bekannten und darauf hinwiesen, dass man ja auch in Pompeji eng umschlungene Paare ausgegraben hätte.
Als sich dann 1970 endlich jemand wissenschaftlich mit den Daten auseinandersetzte, blieb von dem «blackout boom» nicht viel übrig: Richard Udry von der University of North Carolina analysierte in der Fachzeitschrift Demography die kompletten Geburtsstatistiken von New York. Zunächst einmal betrachtete er nicht einen einzelnen Tag neun Monate nach dem Stromausfall, sondern die sechs Wochen, in denen statistisch gesehen 90 Prozent der Babys zur Welt kommen. Die fragliche Periode im Jahr 1966 verglich er mit der entsprechenden Zeit in den fünf vorangegangenen Jahren – eine ungewöhnliche Häufung war nicht festzustellen.
Udrys Artikel schließt mit den Worten: «Glauben wir nicht, dass eine einfache statistische Analyse wie diese mit dem Mythos der ‹blackout babys› aufräumen wird. Neun Monate nach dem großen Schneefall von 1967 in Chicago berichteten die Krankenhäuser, dass sie sich auf eine Lawine von ‹Schneebabys› vorbereiten würden. Viele finden offenbar Gefallen an der Vorstellung, dass die meisten Menschen, die durch ein unvorhergesehenes Ereignis von ihren gewöhnlichen Aktivitäten abgehalten werden, sich der Kopulation zuwenden.»