Bundespräsident Heinrich Lübke hat bei einem Staatsbesuch in Afrika eine Rede mit den Worten begonnen: «Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger!»
Stimmt nicht. Wobei das wieder die bei Zitaten übliche Antwort ist: bis zum Nachweis des Gegenteils. Ich habe das Bundespräsidialamt angerufen, mit Heinrich Lübkes Biographen gesprochen, mehrere Rundfunkarchive durchforsten lassen und Afrikaexperten befragt. Ergebnis: Jeder kennt das Zitat, die meisten hätten es Lübke auch zugetraut, es wird von manchen sogar genau datiert auf einen Staatsbesuch in Liberia im Jahr 1962 – aber es gibt keinen Beleg dafür!
Das berühmte Zitat findet sich weder auf der Schallplatte «… redet für Deutschland» noch in dem Bändchen «Worte des Vorsitzenden Heinrich». Wolfgang Koßmann vom Bundespresseamt, der selbst seit Jahren nach einer Quelle forscht, hält den Ausspruch denn auch für «gut erfunden». Schließlich hat das Exstaatsoberhaupt gerade in Entwicklungsländern kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen, etwa als er in der madagassischen Hauptstadt Tananarive (heute Antananarivo) eine Rede mit den Worten «Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Tananarive!» begann und später über das Land sagte: «Die Leute müssen ja auch mal lernen, dass sie sauber werden.»
Muss man Lübke demnach als üblen Rassisten einstufen? Da widerspricht der Filmemacher Martin Baer, Autor der Dokumentation «Befreien Sie Afrika!», vehement: «Mit seinen Afrikareisen wollte er die Hilfe für die damals nach Unabhängigkeit strebenden oder gerade unabhängig werdenden Länder fördern.» Wenn Lübke also zu mauretanischen Abgesandten sagte: «Ich wünsche Ihnen eine gute Entwicklung da unten», dann klingt das für unsere Ohren vielleicht unerträglich paternalistisch, aber es kam gewiss von Herzen.
Trotz vieler Reisen blieben die fernen Länder Lübke immer fremd. So war er im April 1967 froh, in die Heimat zurückzukehren: «Nach meiner Asienreise hat mich die frische, raue Luft des Sauerlands umgeschmissen.»