Menschliches Blut im Wasser zieht Haie kilometerweit an
Stimmt nicht. Das Klischee ist aus Film und Fernsehen bekannt: Ein Schwimmer im Meer verletzt sich oberflächlich, eine kleine Menge Blut tritt aus – aber diese winzige Menge reicht aus, um Haie in wilde Raserei zu versetzen, die dann aus großer Entfernung angeschwommen kommen und sich auf das Opfer stürzen.
Die Nase des Hais ist tatsächlich erstaunlich fein, sie kann gewisse Substanzen in millionenfacher Verdünnung wahrnehmen. Bei Riffhaien ist sogar schon gezeigt worden, dass sie Fischextrakte in einer Verdünnung von 1 zu 10 Milliarden wittern. Nehmen wir an, ein Taucher verliert 100 Milliliter Blut und dieses Blut verteilt sich gleichmäßig im Wasser. Rein theoretisch kann man sich das als eine Kugel aus Wasser-Blut-Gemisch vorstellen. Wenn die einen Radius von mehr als 62 Metern hat, sinkt die Konzentration des Blutes so weit, dass der Hai es nicht mehr riechen kann. Der Raubfisch könnte also höchstens aus 62 Metern Entfernung die Fährte aufnehmen. Bei einem Liter Blutverlust würde die Zahl auf 134 Meter steigen – also keinesfalls auf mehrere Kilometer. Und der geritzte Finger sondert ganz gewiss nicht genügend Blut ab, um Haie aufmerksam werden zu lassen.
Die wichtigere Frage aber ist: Interessieren sich Haie überhaupt für Menschenblut? Frank Velte, Vorsitzender der Deutschen Elasmobranchier-Gesellschaft (die vielleicht mehr Mitglieder hätte, wenn sie sich «Rettet die Haie e. V.» nennen würde), sagt dazu: «‹Den Hai› gibt es nicht. Mehr als 400 Arten mit unterschiedlicher Biologie sind bekannt, insofern sind Pauschalisierungen problematisch.» Manchen der Tiere kann man literweise Blutkonserven ins Wasser kippen, und sie zeigen keine Reaktion. Aber es gibt auch andere: «Auf Schwarzspitzen-Riffhaie wirkt Blut im Wasser stark anziehend», sagt Velte, «auf Graue Riffhaie eher mäßig.» Leider kann nicht jeder Urlauber die Arten auseinanderhalten.