Wenn man einen Frosch in kochendes Wasser wirft, dann versucht er zu entkommen. Setzt man ihn in lauwarmes Wasser und erhöht langsam die Temperatur, dann lässt er sich bei lebendigem Leibe kochen, ohne zu fliehen
Stimmt nicht. Die Geschichte ist eine der beliebten «Weisheiten», die auf Managementseminaren verbreitet werden. Der Tenor: Wir nehmen langsame Veränderungen zum Schlechteren nicht wahr. Auch Greenpeace hat mit dem gekochten Frosch bereits geworben. Vielleicht hätten die Naturschützer sich besser erst einmal bei einem Biologen kundig gemacht.
Ich habe nach längerem Suchen tatsächlich einen Zoologen gefunden, der schon einmal im Dienst der Wissenschaft Frösche erhitzt hat: Victor Hutchinson von der amerikanischen University of Oklahoma. Die Amphibien wurden in einen Topf mit Wasser gesetzt, dessen Temperatur pro Minute um ein Grad erhöht wurde. «Wenn die Temperatur steigt, wird der Frosch immer aktiver bei dem Versuch, dem erhitzten Wasser zu entkommen», schreibt Hutchinson. Irgendwann zeigt das Tier dann Zeichen von Hitzestress, und es kommt zu muskulären Spasmen. Diesen Punkt, der schon bei einer Temperatur von unter 40 Grad erreicht werden kann, nennt man auch das «kritische thermale Maximum» – wird das Wasser noch wärmer, dann kommt es zur Hitzestarre und zum Tod.
Für Organisationen und Völker mag also gelten, dass sie eine kontinuierliche Verschlechterung ihrer Situation hinnehmen, ohne mit der Wimper zu zucken – bei Tieren lassen sich die Sensoren nicht so leicht täuschen.