Wer destilliertes Wasser trinkt, stirbt daran
Stimmt nicht. Wohl trifft es zu, dass destilliertes Wasser keine Salze enthält, aber dass deshalb jeder, der es trinkt, ein Opfer der Osmose wird, ist eine Legende. Und die lautet wie folgt: Die Körperzellen versuchen den Konzentrationsunterschied auszugleichen, pumpen sich immer weiter mit Flüssigkeit voll, bis sie schließlich platzen und der Wassertrinker jämmerlich zugrunde geht.
Zum Glück ist der Körper nicht ganz so empfindlich. Den größten Teil der Salze und Mineralien nimmt er ohnehin über die feste Nahrung auf. Schon im Magen wird Festes und Flüssiges vermengt, und es tritt noch die körpereigene Säure hinzu, sodass keine Zelle mit völlig salzfreiem Wasser in Berührung kommt.
Der beste Beweis gegen die angebliche Todesgefahr sind Menschen, die seit Jahren destilliertes Wasser trinken und putzmunter durchs Leben gehen. Es gibt sogar eine Bewegung, die Aqua destillata als gesundheitsförderndes Heilwasser propagiert.
Im Internet warb der Münsteraner Rolf Heckemann unter dem Motto «Test the Dest» für den Selbstversuch. Destilliertes Wasser, so will er herausgefunden haben, fördere die Nierentätigkeit (man muss mehr pinkeln), verhindere Sodbrennen und beschere dem Genießer ganz neue Geschmackserlebnisse, wenn man Kaffee oder Tee damit koche. Außerdem entferne die Destillation alle Schadstoffe aus dem Trinkwasser.
Ernährungswissenschaftler stehen solchen Thesen eher skeptisch gegenüber. Ulrich Schlemmer von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung akzeptiert allenfalls die Verwendung für Tee oder Kaffee, weil weiches (also kalziumarmes) Wasser tatsächlich den Geschmack verbessere. Außerdem enthielten Teeblätter und Kaffeebohnen Salze, die sich im Wasser lösen. Warum aber den ganzen Aufwand treiben, wenn das, was aus deutschen Wasserhähnen fließt, «nach wissenschaftlichen Erkenntnissen unbedenklich» sei?
Jedenfalls hält es der Physiologe für groben Unfug, die Ernährung auf destilliertes Wasser umzustellen. Wenn auch keine Lebensgefahr bestehe, so entziehe das Destillat den Zellen doch Natrium- und Kaliumionen und könne so auf die Dauer den Elektrolythaushalt des Körpers durcheinanderbringen.
Sein Fazit: «Es gibt keinen Grund, das zu trinken. Warnen Sie Ihre Leser davor!» Was hiermit geschehen ist.