Die Spurweite der heutigen Eisenbahn geht auf die römischen Streitwagen zurück
Stimmt nicht. Die Geschichte wird gern im Internet verbreitet als ein Beispiel dafür, wie sich Standards, die irgendwann einmal willkürlich festgelegt wurden, über Jahre, sogar Jahrtausende halten können.
Zunächst einmal: Es gibt bei den Eisenbahnen der Welt die unterschiedlichsten Spurweiten, immer noch müssen an manchen Grenzen die Reisenden die Züge wechseln. Die Standardspurweite, die in Westeuropa und Nordamerika gilt, beträgt 1435 Millimeter beziehungsweise 4 Fuß und 8,5 Zoll. Gleise von insgesamt 720 000 Kilometer Länge haben diese gebräuchlichste Breite.
Die Standardspur stammt aus England. Dort wurden die ersten Eisenbahnen gebaut, und nach ein paar Jahrzehnten mit konkurrierenden Systemen obsiegte die Spurweite der Bahnen von George Stephenson. Dessen erste Eisenbahnen waren Grubenbahnen, sie zogen die Wagen, die vorher schon von Pferden gezogen worden waren. Woher kam der «krumme» Wert für Stephensons Spurweite? Er ist gar nicht so krumm, wenn man bedenkt, dass die Spurweite zwischen den Innenkanten der Gleise gemessen wird. Es ist gut denkbar, dass man damals von der runden Zahl von 5 Fuß ausging und die Breite der Schienen einfach abgezogen werden muss.
Weil es vor dem 19. Jahrhundert keinen Standard für die Spurweite gab, kann der auch nicht von den Römern übernommen worden sein. Trotzdem fällt auf, dass auch antike Straßen, die teilweise über steinerne Spurrinnen für die Pferdewagen verfügten, eine ähnliche Breite hatten. Ein Experte versichert hoch und heilig, er habe bei einem teilweise erhaltenen griechischen Fahrweg am Isthmos von Korinth die magische Breite von 4 Fuß 8,5 Zoll gemessen; andere behaupten gar, die «Norm» stamme aus der Perserzeit. Aber diese Parallelen beweisen nicht, dass willkürliche Standards lange leben. Im Gegenteil: Sie zeigen, dass man an mehreren Orten unabhängig voneinander zum gleichen sinnvollen Ergebnis kommen kann – einfach weil zwei Pferdehintern nebeneinander eben eine gewisse Breite haben.