Adlige hatten früher ein «Recht der ersten Nacht»
Stimmt nicht. Auch wenn das «ius primae noctis» sogar in die Weltliteratur Einzug gefunden hat. So kreist Beaumarchais’ Geschichte von der Hochzeit des Figaro, literarische Vorlage für die gleichnamige Mozart-Oper, um dieses fürstliche Recht.
Die Frage ist nicht, ob es in früheren Jahrhunderten Übergriffe der Gutsherren auf die leibeigenen Bauern gab – sicherlich waren damals Vergewaltigungen häufig. Auch mussten sich die Bauern oft die Zustimmung zur Ehe von ihren Herren erkaufen. Aber war das «ius primae noctis» ein verbrieftes Recht? Fast alle Indizien sprechen dagegen.
Es beginnt schon damit, dass die Jungfräulichkeit in der christlichen, vor allem katholischen Lehre regelrechten Kultstatus hat. Die Entjungferung einem anderen als dem rechtmäßigen Ehemann zuzugestehen passt nicht dazu. Und als sich die Bauern im 16. Jahrhundert erhoben, forderten sie die Abschaffung von allerlei Ungerechtigkeiten – der Raub der Jungfräulichkeit durch die Grundherren war nicht darunter.
Und schließlich mangelt es einfach an Belegen. Die Historiker wurden nur in der kleinen Schweizer Gemeinde Maur fündig. Dort gab es früher tatsächlich das Recht des Meiers (also des Bürgermeisters), mit jeder Braut der Gemeinde die Hochzeitsnacht zu verbringen. Man glaubt aber nicht, dass davon wirklich Gebrauch gemacht wurde.
Fazit des «Handwörterbuchs zur deutschen Rechtsgeschichte»: Ein Privileg des Grundherrn auf Beiwohnung in der Brautnacht einer Grundhörigen hat niemals existiert. Es ist wohl eine nicht auszurottende Männerphantasie.