Stimmt nicht. Teilweise wird sogar behauptet, Obst und Gemüse hätten seit den 70er Jahren 70 Prozent ihres Mineralstoff- und Vitamingehalts eingebüßt.
Der Mineralstoffgehalt wird maßgeblich durch die Biomasse festgelegt, sagt Günter Schumann, der bei der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen das Institut für gartenbauliche Kulturen leitet. Mehr Biomasse bedeutet mehr Mineralstoffe, und das ist relativ unabhängig davon, wie das Gemüse angebaut wird. Wie sieht es mit den Vitaminen aus? «Der Vitamingehalt von Pflanzen ist eng an die allgemeinen Wachstumsbedingungen gekoppelt», sagt Schumann. Also: Licht, Nährstoffe, Wasserversorgung sind die Faktoren, die den Vitamingehalt bestimmen.
Beispiel Tomate: Die ideale Frucht reift an der Pflanze auf einem guten Boden, kriegt dort viel Licht und nicht zu viel Wasser ab. Dann bildet sie viel Zucker und schmeckt so richtig nach Tomate, vor allem, wenn sie unmittelbar nach der Ernte verzehrt wird. Das geht in unseren Breiten nur im Sommer. Wir wollen aber das ganze Jahr über Tomaten essen, deshalb bekommen wir im Winter entweder Treibhausware oder unreif geerntetes Gemüse, das einen langen Transportweg hinter sich hat. Beides ist nicht gut für die Inhaltsstoffe und für den Geschmack, die Tomate ist Wasser in seiner schönsten Form. Im Winter kann man eben in Europa keine vollreifen Tomaten produzieren.
Es wurden auch schon Untersuchungen durchgeführt, um die Geschichte von den sinkenden inneren Werten zu überprüfen. Das ist gar nicht so einfach, weil die Messmethoden heute viel besser sind als früher und daher nur begrenzt historische Daten vorliegen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat 2004 eine Nährwerttabelle für acht ausgewählte Sorten zusammengestellt – Ergebnis: Nährstoffe und Vitamine sind weitgehend konstant geblieben. Das Institut für Obstzüchtung in Dresden-Pillnitz hat neun Apfelsorten untersucht und teilweise sogar einen Anstieg von 27 Prozent beim Vitamin C gegenüber den 80er Jahren festgestellt. Günter Schumann meint, dass es vor allem psychologische Faktoren sind, die die Legende vom immer schlechteren Obst und Gemüse befördern – die verklärte Erinnerung an die «gute alte Zeit». Eine wissenschaftliche Bestätigung für den angeblichen Qualitätsverfall gebe es nicht, die Pflanzenzüchter bemühten sich intensiv, den gesundheitlichen und geschmacklichen Wert von Obst und Gemüse zu erhöhen. Und insbesondere Zahlenangaben wie die zitierten 70 Prozent seien «nicht haltbar», sagt Schumann.