Stimmt nicht. «Ich glaube nur an Zitate, die ich selbst erfunden habe», möchte ich fast sagen. Hier haben wir jedenfalls mal wieder eines, das mit großer Wahrscheinlichkeit falsch ist, sich jedenfalls nicht belegen lässt. In diesem Fall kann man noch nicht einmal sagen, dass es «gut erfunden» wäre.
Werner Barke, ein Mitarbeiter des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg, forscht seit Jahren dem angeblichen Churchill-Zitat hinterher, wohl auch, weil es an der Berufsehre der Statistiker kratzt. Und er hat einiges herausgefunden: Während der Ausspruch bei uns häufig und gern zitiert wird, ist er den Engländern gänzlich unbekannt. Wen Barke auch fragte: Das Statistische Amt von Großbritannien, die Redaktion der Times – niemand kannte ihn.
Das ist natürlich seltsam und deutet auf eine deutsche Quelle hin. Barke machte sie im Reichspropagandaministerium der Nazizeit aus. Denn im Zweiten Weltkrieg fand neben der realen auch eine publizistische Schlacht zwischen Deutschland und England statt. Joseph Goebbels wies die Zeitungen mehrmals an, die englische Presse und insbesondere Churchill als Lügner hinzustellen, die mit falschen Zahlen über Bomben und Opfer Propaganda machten. So befahl Goebbels der Presse am 7. Oktober 1940: «Jeden Tag … soll sie die hoffnungslose Lage Englands schildern und zeigen, wie sich in jeder aus England kommenden Meldung die Bluff-Politik Churchills offenbart.» Die gleichgeschalteten Medien folgten diesen Anweisungen brav. Der «Völkische Beobachter» brachte fast täglich entsprechende Schlagzeilen: «Zahlenakrobat Churchill», «Churchills Zweckstatistik», «Jede britische Bombe fünfzehnfach vergolten – Amtliche Zahlen widerlegen Illusionsschwindel». Unklar bleibt aber weiterhin, wo das angebliche Zitat zum ersten Mal auftauchte.
Der englische Premier war jedenfalls kein Feind der Statistik. Im Gegenteil: Er richtete sogar in der Admiralität eine eigene Statistische Sektion ein, die ihn ständig mit Zahlenmaterial versorgte. Denn Winston Churchill glaubte an die Wichtigkeit objektiver Informationen. «Du musst die Tatsachen anschauen, denn sie schauen dich an!», sagte er 1925 – das ist belegt.