«Verbrauchte Luft» enthält weniger Sauerstoff als frische
Stimmt nicht. Man kennt das: Viele Menschen sitzen zusammen in einem Raum, und nach einer Stunde setzt das Gähnen ein. «Lasst doch mal Sauerstoff rein!», ruft dann jemand, und die Fenster werden aufgerissen.
Auch wenn das Lüften die richtige Maßnahme ist: Es ist nicht der mangelnde Sauerstoff, der uns müde macht, und auch nicht die eventuell übelriechenden Ausdünstungen der Mitmenschen. «Verbrauchte Luft» zeichnet sich vor allem durch einen höheren Anteil an Kohlendioxid aus, und das macht uns schon in sehr kleinen Mengen müde. Wenn wir atmen, dann reichern wir die Luft mit CO2 an: In der normalen Raumluft sind etwa 21 Prozent Sauerstoff und nur 0,03 Prozent CO2. Unser Atem dagegen enthält nur noch 14 Prozent Sauerstoff, aber 5,6 Prozent Kohlendioxid – dessen Menge hat sich also mehr als verhundertfacht. Und schon ab 2,5 Prozent CO2 gilt Luft als toxisch.
Ich habe einmal eine Rechnung aufgestellt, was passiert, wenn zehn Menschen sich in einem 60-Kubikmeter-Raum befinden, der luftdicht abgeschlossen ist. In der Modellrechnung atmet jeder Mensch pro Minute acht Liter Luft ein und wieder aus, jeder also pro Stunde etwa einen halben Kubikmeter. Auf die gesamte Sauerstoffmenge hat das recht wenig Einfluss – nach einer Stunde ist der O2-Anteil in der Luft von 21 auf 20,3 Prozent gesunken. Aber der Kohlendioxidgehalt hat sich mehr als verzehnfacht: von 0,03 Prozent auf 0,5 Prozent. Da stirbt zwar noch niemand, aber es schlägt eindeutig aufs Wohlbefinden.
In abgeschlossenen Räumen steigt nicht nur der Kohlendioxidgehalt, sondern auch der Anteil an flüchtigen organischen Substanzen (sogenannten VOCs) stark an – ein Begriff, mit dem die Chemiker ein ganzes Sammelsurium von Verbindungen bezeichnen. Dazu gehört etwa die Essigsäure, die unter dem Verdacht steht, besonders müde zu machen und die Konzentrationsfähigkeit zu senken. Aber egal ob VOCs oder CO2: Am mangelnden Sauerstoff liegt es nicht, wenn wir über «verbrauchte Luft» klagen.