Alte Orgeln können Töne erzeugen, die man nicht hören, sondern nur fühlen kann
Stimmt. Die Pfeifen, die solche Töne erzeugen, werden auch «Demutspfeifen» genannt. Die Hörschwelle des Menschen, also die tiefste Schwingung, die wir noch als Ton hören können, wird meist mit 16 Hertz angegeben. Das ist genau die Frequenz der tiefsten Taste auf einem großen Konzertflügel und auch der tiefste Ton der meisten großen europäischen Kirchenorgeln. Die zugehörige Orgelpfeife hat eine Länge von 32 Fuß, das entspricht knapp zehn Metern. Vor allem in Amerika gibt es aber Orgeln, die noch eine Oktave tiefer reichen – bis zu einer 64-Fuß-Pfeife, die eine Schwingung von 8 Hertz erzeugt. Dieser «Ton» hat zwar einen Namen (das Sub-Sub-Kontra-C), aber im eigentlichen Sinne hören kann man ihn nicht.
Doch auch unhörbar tiefe Töne können wir wahrnehmen. Dieser sogenannte Infraschall wirkt auf die Hohlräume unseres Körpers. Weil das empfindliche Ohr für ihn nicht empfänglich ist, braucht er einen viel höheren Schalldruck als gewöhnlicher Schall, um überhaupt wahrnehmbar zu sein. Dann kann er ein mulmiges Gefühl im Bauch auslösen – ob man das nun Demut oder Seekrankheit nennt, kommt vielleicht auf den Anlass an. Infraschall kommt bei Meeres- und Erdbebenwellen, bei Lawinen und Gewittern vor. Die Militärs haben schon über Infraschallwaffen nachgedacht, mit denen sie ganze Regimenter lahmlegen wollten.
Zurück zur Musik und zur Demut. «Ich kenne Anekdoten», schreibt mir der Orgelexperte Reiner Jank, «wonach Organisten diesen Ton während der Wandlung des Abendmahls spielen, um ein ‹demutsvolles› Gefühl bei den Gläubigen zu erreichen.» Das Wort «Demutspfeifen» war allerdings den meisten von mir befragten Orgelbauern unbekannt.