Das beste Hochdeutsch wird in Hannover gesprochen
Stimmt. Die Hannoveraner sprechen tatsächlich das reinste – sprich dialektfreieste – Deutsch. Allerdings nicht «von Natur aus» – sie haben es sich mühsam vor etwa 200 Jahren antrainiert.
Das, was wir heute als Hochdeutsch bezeichnen, ist nämlich eine Kunstsprache, die aus keinem der deutschen Dialekte hervorgegangen ist, erzählt Herbert Blume, Sprachwissenschaftler an der TU Braunschweig. Hochdeutsch ist nichts weiter als der Versuch, das seit dem späten Mittelalter einigermaßen einheitlich geschriebene Deutsch auszusprechen.
Noch bis Ende des 18. Jahrhunderts galt das «Meißnische» als das Nonplusultra der deutschen Hochsprache, was vor allem auf die literarische Blüte Sachsens zurückzuführen ist. Das Meißnische wurde sogar mit dem attischen Dialekt im alten Griechenland verglichen. Aber irgendwann konnte das Bürgertum in den großen Städten dann doch nicht mehr darüber hinwegsehen, dass die Sachsen ihre phonetischen Schwierigkeiten hatten, vor allem bei der Differenzierung zwischen b und p, g und k, d und t. Der Image-Abstieg des sächsischen Dialekts begann, verbunden mit einem politischen Niedergang Sachsens zugunsten des immer stärker dominierenden Preußen. Spätestens nach dem Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) hatte sich das kulturelle Zentrum von Dresden und Leipzig nach Berlin verlagert, und schon Goethe spottete über den Anspruch der Sachsen, das schönste Deutsch zu sprechen.
Und es stellte sich heraus, dass das Plattdeutsche der Niedersachsen (deren kulturelles Zentrum damals noch Braunschweig war und nicht Hannover) über den besten Vorrat an Lauten verfügte, um das Schriftdeutsch wiederzugeben. In den norddeutschen Städten schaffte es das neue Hochdeutsch schnell, den Dialekt fast völlig zu verdrängen. Um 1790 riet schließlich der Schriftsteller Karl Philipp Moritz den Berliner Damen, denen er das feine Sprechen beibringen sollte, sich die Braunschweiger und Hannoveraner zum Vorbild zu nehmen.
So ganz perfekt sind aber auch die Niedersachsen nicht: Wenn sie «Fluch» sagen, kann durchaus der «Pflug» gemeint sein.