Alkoholiker im Delirium sehen weiße Mäuse
Stimmt. Wer einmal einen Vollrausch hat, der sieht noch keine weißen Mäuse. Solche Halluzinationen gibt es erst im letzten Stadium des Alkoholismus, der chronischen Phase. Dann gehören die berühmten Nagetiere keineswegs ins Reich der Legenden. Warum weiße Mäuse und keine rosa Elefanten? «Weil rosa Elefanten in der Vorstellungswelt der meisten Menschen nicht vorkommen», sagt der Psychiater Werner Strik von der Universität Bern.
Die Phantasiebilder bestehen meist aus kleinen, alltäglichen Dingen, die der Delirierende sozusagen in sein reales Bild der Welt «einbaut»: neben den Mäusen auch Schlangen, Insekten, Haar- und Staubbüschel. Oft sind solche Halluzinationen verbunden mit einer haptischen Täuschung – also etwa der Vorstellung, dass Insekten über den Arm krabbeln.
Warum bei Alkoholikern vor allem diese optischen Halluzinationen auftreten und nicht etwa akustische Trugvorstellungen, wie sie Schizophrene haben, ist letztlich noch nicht geklärt. Strik vermutet, dass es sich beim Delir um eine allgemeine Übererregung des Kortex im Gehirn handelt, und darin nimmt die visuelle Abteilung den weitaus größten Raum ein. Bei halluzinierenden Schizophrenen wurde dagegen eine Fehlfunktion von Hirnregionen nachgewiesen, die nur für das Gehör zuständig sind.
Man kann die visuellen Trugbilder der Alkoholiker übrigens auch regelrecht provozieren: Hält man ihnen ein weißes Blatt Papier vor und bittet sie, es vorzulesen, so werden viele einen Text sehen und ihn zu rezitieren beginnen.