Der Begriff Missionarsstellung entstammt dem Spott der Südsee-Insulaner über die Sexualpädagogik westlicher Missionare, die den «Wilden» christliche Sexualpraktiken vorschreiben wollten
Stimmt nicht. Die Geschichte, dass die christlichen Missionare den Südseebewohnern die Stellung beim Geschlechtsverkehr vorschreiben wollten, kursiert seit den 60er Jahren. Damals begann sich der Ausdruck «Missionarsstellung» für die Mann-oben-Frau-unten-Position, bei der die Partner einander ins Gesicht schauen können, durchzusetzen. Auch wenn sie heute in vielen Nachschlagewerken zitiert wird – es handelt sich um eine Legende, und ihr Urheber ist kein Geringerer als Alfred Kinsey, der 1948 mit seinem Werk «Das sexuelle Verhalten des Mannes». (dem «Kinsey-Report») die amerikanische Gesellschaft schockierte.
Die Ehre der Missionare gerettet hat Robert J. Priest (er heißt tatsächlich so) von der Divinity School an der amerikanischen Trinity University. Der Gottesmann fand zunächst einmal die verlorengegangene Quelle der Geschichte bei Kinsey. Der wiederum beruft sich in seinem Buch auf Bronislaw Malinowski, einen Anthropologen, der sich eingehend mit der Sexualität der Südseebewohner beschäftigt hat. Malinowski habe notiert, so Kinsey, dass beim Volk der Trobriander «beim gemeinschaftlichen Lagerfeuer Karikaturen der angloamerikanischen Stellung zur großen Belustigung der Eingeborenen vorgeführt wurden, die sie als die ‹Position der Missionare› bezeichneten».
Aber in Malinowskis Werk «The Sexual Life of Savages in North-Western Melanesia» ist diese Lagerfeuergeschichte nicht zu finden. Offenbar hat Kinsey sie sich in seiner Erinnerung aus mehreren Elementen falsch zusammengereimt. Malinowski berichtet zwar tatsächlich, dass sich die Trobriander über die Eintönigkeit der Sexualstellung der Weißen lustig machten – allerdings ist da nicht die Rede von Missionaren, geschweige denn von moralischen Vorschriften. Der Ausdruck der Insulaner für die westliche Stellung war laut Malinowski ibilimapu, was so viel bedeutet wie «sie kann nicht mitmachen».
Und dann berichtet der Forscher von einer neuen «Mode» bei den Südseebewohnern, nämlich dass sich verliebte Paare händchenhaltend in der Öffentlichkeit zeigten, was den alten Sitten widerspräche. Diese Unmoral werde als misinari si bubunela bezeichnet, als «Missionarsmode». Die Gottesmänner haben das romantische Repertoire der Südseebewohner also nicht prüde eingeschränkt, wie die Legende behauptet, sondern eher erweitert. Von kirchlichen Vorschriften, wie man sexuell zu verkehren habe, keine Spur.
«Kinsey hat anscheinend eine Legende erfunden in dem Glauben, eine historische Tatsache zu berichten», schreibt Priest. So entstand der Ausdruck, der heute in vielen Sprachen zum Allgemeingut gehört.