Stimmt nicht. «Wer bereitet dem Raben die Speise, wenn seine Jungen zu Gott rufen und fliegen irre, weil sie nicht zu essen haben?», heißt es im Buch Hiob der Bibel, und dies mag zum schlechten Ruf der Rabenvögel beigetragen haben. Raben haben auch sonst nicht das beste Image, man sagt ihnen nach, Lämmer und andere kleine Tiere zu reißen und überhaupt Unglück zu bringen.
Als «Rabeneltern» bezeichnen wir Väter und Mütter, die sich (in der Weltsicht dessen, der das Wort benutzt) nicht genügend um ihre Kinder kümmern. Gern wird es auf Eltern angewandt, die beide berufstätig sind und ihr Kind in eine Krippe oder Kita geben.
Aber dass sich die Raben nicht um ihre Kinder kümmern würden, kann man ihnen nicht vorwerfen. Im Gegenteil, sie pflegen ihre Brut aufopferungsvoll und mit Inbrunst. Das gilt für alle Vögel aus der Familie der Rabenvögel (Corvidae), neben dem Kolkraben auch Raben- und Nebelkrähen, Dohlen und Elstern.
Die nackten und blinden Jungen werden liebevoll gefüttert, auch den Kot der Kleinen entsorgen die Rabeneltern. Nach sechs Wochen heißt es dann allerdings: raus aus dem Nest, und dann kann man tatsächlich schon einmal ein Rabenjunges sehen, das noch nicht fliegen kann und scheinbar einsam und vernachlässigt am Boden sitzt. Die Eltern sind aber auch dann nicht weit, beobachten und beschützen den Nachwuchs, und anders als die Bibel behauptet, helfen die Altvögel auch weiterhin bei der Nahrungssuche.
Die Rabeneltern verhalten sich also entsprechend einem aufgeklärten Erziehungsideal geradezu vorbildlich: Sie bieten viel Nestwärme, halten ihre Jungen aber auch zu früher Selbständigkeit an, ohne sie dabei aus den Augen zu verlieren. Daran können sich viele Menscheneltern durchaus ein Beispiel nehmen.