Der Spruch «Mens sana in corpore sano» bedeutet: Wenn der Körper fit ist, dann ist es auch der Geist
Stimmt nicht. Ich habe die gängige Meinung, dass eine gesunde physische Verfassung automatisch mit einem gesunden Geist einhergehen soll, schon immer etwas seltsam gefunden.
Das Zitat stammt aus der 10. Satire des römischen Dichters Juvenal, und vollständig lautet er: «Man möge darum bitten, dass in einem gesunden Körper ein gesunder Geist wohne.» Das widerspricht tatsächlich der gängigen Interpretation der vielen Sportvereine, die sich das Zitat als Motto auf ihre Fahnen geschrieben haben und es so auslegen: Wenn der Körper nur fit genug ist, dann wirkt sich das irgendwie auch auf den Geist aus.
Aber die umgekehrte Interpretation, die man manchmal liest, ist ebenfalls nicht korrekt. Demnach habe sich Juvenal über den Körperkult seiner Zeit aufgeregt und gewisse Zweifel gehegt, ob in den gestählten Leibern der Bodybuilder auch genügend Grips vorhanden sei.
In Wirklichkeit geht es in dieser Satire überhaupt nicht um Sport. Juvenal kritisiert in dem Text die Unsitte seiner Zeit, die Götter um alle möglichen vergänglichen Dinge wie Reichtum oder Schönheit zu bitten. Beten solle man allenfalls für geistige und körperliche Gesundheit sowie – das steht in den folgenden Zeilen – um eine tapfere Seele, die nicht hasst und nicht begehrt und keinem verweichlichten Lebensstil frönt.
Juvenal setzt also keine Priorität für den gesunden Körper oder den gesunden Geist, er stellt auch keine Kausalität her, sondern hält ganz einfach beide Eigenschaften für wünschenswert. Weder die Sportfans noch die Sportgegner können also den Satiredichter für sich in Anspruch nehmen.