Stimmt nicht. Von Potemkin’schen Dörfern spricht man, wenn jemand eine eigentlich dürftige Sache mit einer prunkvollen Scheinfassade schmückt. Benannt nach dem russischen Fürsten Potemkin, der Katharina der Großen auf einer Reise in die Provinz Dörfer mit Pappfassaden vorgeführt haben soll. Der Fürst («Potjomkin» ausgesprochen) war ein Günstling am Hof von Katharina, wohl auch einige Jahre ihr Liebhaber. Er wurde von der Zarin damit betraut, die eroberten Gebiete im Süden der Ukraine und auf der Krim zu besiedeln, und er hat den Job zwar auf recht brutale Weise, aber mit eindrucksvollem Ergebnis erfüllt: Er ließ in dem bis dahin ländlichen Gebiet innerhalb weniger Jahre Städte wie Cherson und Sewastopol errichten und verschaffte dem Zarenreich damit einen Hafen am Schwarzen Meer. Auch die russische Schwarzmeerflotte ist sein Werk – er brauchte wahrlich keine Scheinfassaden als Arbeitsnachweis. Allerdings war er auch herrschsüchtig und verschwenderisch und bereicherte sich selbst gehörig. Und so ist es nicht verwunderlich, dass er viele Neider hatte.
Die berühmte Reise der Zarin fand im Jahr 1787 statt, zu ihrem 25. Thronjubiläum. Katharina wollte die neurussischen Städte nicht nur mit eigenen Augen sehen, sondern auch den europäischen Nachbarn das neue Russland präsentieren. Auf der Schiffsreise waren Vertreter aller europäischen Mächte dabei. Sicher wurden die Städte herausgeputzt und auch Massenaufläufe inszeniert, aber von Pappfassaden und jubelnden Bauern, die von Dorf zu Dorf gekarrt wurden, kann keine Rede sein, darin stimmen die Historiker überein.
Urheber der Legende ist der sächsische Gesandte in St. Petersburg, Georg von Helbig. Der war bei dem Ausflug selbst gar nicht dabei, veröffentlichte aber zwischen 1797 und 1800 eine Potemkin-Biographie, in der erstmals von den Potemkin’schen Dörfern die Rede ist. Wahrscheinlich hat er die Sache von Potemkin-Widersachern am Zarenhof aufgeschnappt. Und da von Gerüchten immer etwas hängenbleibt, erzählt man sich die Geschichte heute noch.