Stimmt. Diese Attacke auf die Rinde, in der Fachsprache fast verniedlichend «Ringeln» genannt, ist tödlich, wenn sie fachmännisch ausgeführt wird.
Der äußere Teil der Baumrinde ist die Borke, die aus totem Material besteht. Die kann man ohne akute Lebensgefahr für die Pflanze entfernen, wie das Beispiel der Korkeichen zeigt, die die Korkernte gut überleben. Unter der Borke liegt das sogenannte Phloem, auch Bast genannt. Das Phloem transportiert die Nährstoffe, Assimilate genannt, die in den Blättern durch Fotosynthese erzeugt werden, von oben nach unten in den gesamten Baum, bis hinunter zu den Wurzeln.
Schneidet man einen Streifen heraus, der tief und auch breit genug ist (einen Schnitt von wenigen Millimetern kann der verletzte Baum mit Wundgewebe überbrücken), dann kommt dieser Nährstofftransport zum Erliegen. «Das ist, wie wenn Sie eine Einbahnstraße in der Mitte blockieren», erläutert der Holzbiologe Uwe Schmitt vom Johann Heinrich von Thünen-Institut in Hamburg. Es nützt dem Baum auch nichts, dass der Wassertransport von unten nach oben, der im Holz stattfindet, noch funktioniert.
In der Folge stirbt innerhalb weniger Monate der Teil des Baums oberhalb der Ringelstelle, später veröden auch die Wurzeln. «Nicht wenige Baumarten treiben dann aber aus dem Stumpf neu aus», sagt Pedro Gerstberger von der Universität Bayreuth. Wenn man diese sogenannten Wasserschösslinge nicht abschneidet, kann der Baum überleben. Das Ringeln ist übrigens wegen seiner Auffälligkeit wohl kaum eine Methode für den «perfekten Mord» am Baum des Nachbarn, sondern ein altes Mittel von Forstwirten, den Baumbestand gezielt zu reduzieren.