Kurzsichtige Menschen sind intelligenter als andere
Stimmt. Wir Brillenträger wissen es natürlich aus der täglichen Erfahrung, und seit über 100 Jahren haben viele statistische Untersuchungen den Zusammenhang zwischen Kurzsichtigkeit und Intelligenz belegt. Die wohl umfangreichste Datensammlung umfasste 157 748 israelische Rekruten. Ergebnis: In der Gruppe mit dem niedrigsten IQ waren acht Prozent kurzsichtig, in der mit dem höchsten IQ dagegen 27,3 Prozent. Man kann den Zusammenhang auch anders ausdrücken: Im Schnitt schaffen Kurzsichtige etwa 7 bis 9 Punkte mehr beim IQ-Test. Doch so überwältigend die statistischen Belege sind, so dürftig sind die Erklärungen. Kurz gesagt: Keiner weiß, worauf dieser Zusammenhang beruht. Was die Wissenschaftler nicht davon abhält, wild zu spekulieren.
Die älteste Erklärung: Intelligente Kinder lesen mehr und verderben sich dadurch die Augen. Nun ist es aber höchst umstritten, inwieweit man durch Lesen überhaupt seine Augen schädigen kann. Ebenso wackelig ist die umgekehrte Erklärung: Kinder mit schlechten Augen gehen nicht so gern nach draußen, sondern beschäftigen sich mit «Nah-Aktivitäten» wie Lesen und schärfen so ihren IQ. Aber aller Erfahrung nach lässt sich der Intelligenzquotient nur sehr bedingt auf diese Weise verbessern.
Bleibt die Genetik. Gibt es ein Gen (oder mehrere), das auf geheimnisvolle Weise gleichzeitig für hohe Intelligenz und für schlechte Augen sorgt? Auf diese These haben in den letzten Jahren einige Forscher ihr Augenmerk gerichtet, etwa indem sie die Geschwister von hochintelligenten Kurzsichtigen untersucht haben. Mit einer überraschend simplen Erklärung wartet Edward Miller von der Universität von New Orleans auf: Es gibt eine Korrelation zwischen Intelligenz und Gehirngröße und ebenso eine zwischen der Kurzsichtigkeit und der Größe des Augapfels. Wenn es ein Gen gibt, das Auge und Hirn überdurchschnittlich wachsen lässt, dann könnte dort der Zusammenhang liegen. Aber das ist bislang nur eine hübsche Spekulation.