Mohn macht dumm
Stimmt nicht. Aber anders als beim Senf (siehe Seite 287) könnte in diesem Spruch sogar ein Körnchen Wahrheit stecken, wenn wir den Begriff «dumm» großzügig auslegen. Manchmal heißt es ja auch «Mohn macht doof», und «doof» kommt von «taub». Und tatsächlich ist ja ein Betäubungsmittel im Mohn enthalten: Aus ihm wird Morphium gewonnen. Auch wenn der Speisemohn eine andere Pflanze ist als der Schlafmohn, so enthalten die schwarzen Samen, die wir im Kuchen oder auf Brötchen schätzen, Spuren von Opiaten. Immerhin so viel, dass man das im Urin nachweisen kann – eine Tatsache, die dem Mohngenießer in Ländern mit strengen Rauschgiftgesetzen durchaus Probleme bereiten kann.
Interessanterweise wird der Opiatgehalt von Mohn bei uns nicht kontrolliert, es gibt auch keine Grenzwerte. Bei Untersuchungen wurden stark schwankende Zahlen ermittelt: zwischen 2 und 251 Mikrogramm Morphium in einem Gramm Mohn. Geht man von einem mittleren Gehalt von 60 Mikrogramm Morphium pro Gramm aus, so müsste ein fünfjähriges Kind (und an Kinder ist die Warnung ja gerichtet) 30 Gramm Mohn essen, um eine «therapeutische Dosis» zu sich zu nehmen. Das entspricht vier bis acht Mohnbrötchen oder 200 Gramm Mohnkuchen. Das ist eine ganze Menge. Deshalb halten Ernährungswissenschaftler den Verzehr der schwarzen Körnchen für unbedenklich. Aber vielleicht war in der Vergangenheit, als der Spruch entstand, der Mohn gehaltvoller als heute und führte wirklich manchmal zu einem «doofen» Gefühl im Kopf. Jedenfalls war es früher in manchen Gegenden Deutschlands üblich, kleinen Kindern zwecks Beruhigung ein Leinenbeutelchen zum Nuckeln zu geben, das eine Zucker-Mohn-Mischung enthielt.