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Nach ungefähr fünfzehn Minuten hatten Clara und Hermann die Wohnung in der Kastanienallee zwischen Prenzlauer Berg und Pankow erreicht, in der Sarah Steffen mit ihrem Sohn wohnte. Das Haus stand etwas südlich von der Ecke Schönhauser Allee und Kastanienallee, dort, wo wieder eine lange Schlange vor Konnopke’s stand, Berlins berühmtester Currywurstbude. Hermann hatte vorgeschlagen, dort nachher einzukehren, doch es war fraglich, ob Zeit dafür blieb.

»Da sind wir ja fast Nachbarn«, sagte Clara, als sie mit dem Aufzug in den vierten Stock fuhren, wo Mutter und Sohn eine Dachgeschosswohnung mit großem Balkon bewohnten, der Clara schon von unten aufgefallen war.

Hermann klingelte.

Einmal. Zweimal. Dreimal.

»Nicht da.«

Clara schaute auf die Uhr.

»Später Nachmittag. Vielleicht ist sie noch einkaufen. Das wird sie ja können, auch wenn sie krankgeschrieben ist. Oder sie hat sich hingelegt.« Sie schaute auf die Tür gegenüber. »Fragen wir mal die Nachbarn.« Den Gedanken, Sarah Steffen könnte tatsächlich verschwunden sein, wehrte sie zunächst ab.

Sie klingelten an der Nachbarstür. Eine junge Frau mit leicht alternativem Aussehen öffnete. Clara erkundigte sich nach dem Verbleib von Sarah Steffen.

»Frau Steffen?«, fragte die Nachbarin, als Hermann die LKA-Marke vorgezeigt und die Frau ihren ersten Schreck überwunden hatte. Eine dicke Katze strich um ihre Beine. »Die habe ich schon ewig nicht gesehen. Ihren Sohn auch nicht.«

Clara und Hermann tauschten einen raschen Blick. Konnte Sarah Steffen so krank sein?

»Ist was Schlimmes passiert?«, fragte die junge Frau.

»Wahrscheinlich nicht.« Clara wusste, dass es manchmal besser war zu lügen. Jedenfalls, wenn man das Gespräch zielgerichtet zu Ende führen wollte. »Haben Sie eine Vermutung, wo sie sein könnte?«

»Die ist wahrscheinlich zu ihrem Ex-Mann gefahren, der wohnt drüben in den USA. Aber trotzdem komisch …«

»Wieso?« Das war Clara.

»Na ja, meistens hat sie sich vorher bei mir gemeldet. Ich hab mich dann um den Briefkasten gekümmert und die Blumen und so. Sie hat das bei mir auch gemacht. Aber vielleicht hatte sie keine Zeit, weil ihr Mann ihr Ärger gemacht hat.«

»Was für Ärger?«

Die Frau schaute Clara schräg an. »Das bleibt doch alles unter uns?«

Clara nickte. »Wir sind nicht die Presse, wir sind die Polizei.«

»Na gut.« Sie schaute kurz nach drinnen, ob sie die unerwarteten Gäste hereinbitten sollte, überlegte es sich dann aber anders. »Die beiden sind geschieden. Schon seit zwei Jahren. Und friedlich ist die Trennung nicht gelaufen. Der Thomas, also ihr Ex-Mann, musste einiges an Geld auf den Tisch blättern. Er hat ja auch genug. Der verdient sich dumm und dämlich in Kalifornien und hat ihr dann noch diese schöne Dachwohnung hier gekauft.«

»Aber sie besucht ihn trotzdem noch, auch wenn er ihr Ärger macht?«

»Er will wohl seinen Sohn regelmäßig sehen, hat aber kein Recht mehr darauf, weil der Sohn schon zweiundzwanzig ist. Deshalb versucht er es auf die nette Tour und bezahlt Frau und Sohn immer den Flug. Die Mutter ist jedes Mal dabei, weil der Junge Flugangst hat. Da kann sie wohl schlecht Nein sagen. Und Kalifornien ist ja auch sehr schön. Waren Sie schon mal da?«