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»Es ist in der Tat die gleiche Münze«, sagte MacDeath, der mit einem dampfenden Earl Grey an seinem Schreibtisch saß und die beiden Fotos verglich. Eines zeigte die Münze in der Matratzenritze bei Barbara Färber, das andere die Münze, die die Ermittler unter der Zunge von Martha Gerling gefunden hatten.
»Das kann doch kein Zufall sein.« Clara blätterte durch die Unterlagen und Protokolle des ersten und zweiten Mordes. »In beiden Fällen die gleiche Münze. Beide um das Jahr hundert nach Christi geprägt, und beide mit dem Porträt von Kaiser Trajan.« Sie schlug die Beine übereinander. »Hat das auch etwas mit Undoing zu tun?«
MacDeath trank mit spitzen Lippen von seinem Tee. »Durchaus möglich. Die Leiche ist geschminkt und wird schön hergerichtet. Gleichzeitig wird ihr Geld gegeben, als sollte die Mord-Tat wiedergutgemacht werden.« Er hob das Kinn. »Wir hatten doch letztens diesen Typen in Wedding, der seine Freundin mit dem Hammer erschlagen hat. Das war ein ähnlicher Fall von Undoing.«
Clara erinnerte sich nur zu gut. »Ja, sie haben beide gerne und viel getrunken und sich nach ihren Sauf-Eskapaden gegenseitig verprügelt. Bis der Freund zu hart zugeschlagen hat. Und dann hat er ihr mehrere Flaschen Schnaps neben das Totenbett gestellt, damit es ihr im Jenseits an nichts mangelt.«
»Alkohol oder Geld«, sagte MacDeath, »das könnte fast eine ähnliche Bedeutung haben.«
»Aber eine Münze als Gabe für die Toten? Klingt irgendwie archaisch.«
»Das klingt nicht nur so.« MacDeath stand auf und schaute auf das große Bücherregal hinter sich. »Ich habe hier …«
Es klopfte an der Tür, und Hermann steckte den Kopf ins Zimmer.
»Sorry, wenn ich störe, aber ich weiß jetzt, wo Gerhard Gerling zuletzt gewesen ist«, sagte er und blinzelte wissend.
»Und wo?«, fragte Clara.
»Da, wo auch sein Handy zuletzt war. Und wo es immer noch liegt!«
»Und wo ist das?«
»In seinem Büro. Im Cumberland-Haus am Ku’damm.«
»Lag das Handy die ganze Zeit dort?«
Hermann nickte. »Zwei Leute von uns waren gerade da. Der Akku war fast leer. Es war auf stumm geschaltet und lag in der Schreibtischschublade. Der Vibrationsalarm war auch aus.«
Damit es nicht auffällt, dachte Clara.
»Hat er sein Handy vielleicht absichtlich dort gelassen, damit ihn niemand tracken kann?«
»In der Tat ungewöhnlich für einen Anwalt, der auf Geschäftsreise geht«, ergänzte MacDeath. »Die sind doch alle so abhängig von ihren Blackberrys und Smartphones wie ein Drogensüchtiger von Heroin.«
Hermann schmunzelte. »Darum nannte man die Dinger ja auch Crackberrys. Jedenfalls, bis sie vom iPhone überholt wurden.«
»Okay, wie auch immer«, sagte Clara. »Dieser Anwalt ist weg. Entweder, weil er selbst es so wollte, oder jemand anders wollte es.«
»Und in Harvard ist er auch nicht?« Das war MacDeath.
Clara schüttelte den Kopf. »Da ist er offenbar nie angekommen.«
MacDeath schürzte die Lippen. »Da verpasst er was.« Clara wusste, dass MacDeath einmal in Harvard studiert hatte.
Hermann klopfte zum Abschied an die Tür.
»Ich bin dann weiter an den Verbindungen zwischen Färber und Gerling dran. Wenn ihr mich braucht …«
Mit diesen Worten verschwand er.
MacDeath nahm das Buch vom Regal, das er eben schon zutage fördern wollte, und ließ es auf den Tisch fallen.
Clara spähte auf den Titel.
»Griechische Mythologie«, erklärte MacDeath, schlug das Buch auf und blätterte eine Weile gedankenverloren darin herum, während Clara ungeduldig mit den Fingern auf die Tischplatte klopfte.
»Ah, hier«, sagte er dann, »da haben wir’s. Der Charonspfennig.« Er blickte Clara durch seine Brille hindurch an. »Sagt Ihnen das was?«
»Charon? War das nicht der Wächter der Unterwelt, der auch bei Dante auftaucht?«
»Richtig. Charon ist der Fährmann, der die Toten nach Entrichtung eines Wegegeldes über die Ströme der Unterwelt an das Tor des Hades übersetzt.« Sein Blick huschte weiter über den Text. »Und der Charonspfennig«, sein Finger zog über die Zeilen, »war eine Art Obolus, der den Toten in den Mund oder in die Hand gelegt wurde.«
»Also ist es nicht Undoing, sondern ein antikes Begräbnisritual?« Clara legte die Stirn in Falten.
»Oder beides, wer weiß.« MacDeath griff zum Telefon. »Ein alter Freund von mir ist Professor und Experte für Begräbnisriten.« Er kniff ein Auge zu. »Wenn mich nicht alles täuscht, arbeitet er jetzt am Neuen Museum hier in Berlin.«