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Es war Weihnachten gewesen, und der Vater des Jungen war verschwunden. Es sollte noch ein halbes Jahr dauern, bis er starb, doch er war damals schon sehr krank. Die Ärzte sagten, es liege am Alkohol, aber davon wollte der Vater nichts wissen.

Wahrscheinlich war er auch an diesem Abend wieder irgendwo auf Sauftour, weil er Weihnachten »scheiße« fand. So hatte der Junge mit seiner Mutter allein gefeiert. Deshalb war es besonders schön gewesen.

Nur manchmal hatte Mama in die Ferne geschaut. Es gefiel dem Jungen nicht, wenn seine Mutter so ins Leere starrte. Es bedeutete meist, dass sie über irgendetwas nachdachte, dass etwas nicht in Ordnung war.

Wahrscheinlich dachte sie an ihren Mann, der wieder das letzte Geld mit in die Kneipe genommen hatte, sodass Mutter und Kind nicht wussten, wie sie die Feiertage überstehen sollten.

Doch heute gab es Kuchen und abends Bratwurst mit Pommes, das Lieblingsessen des Jungen. Sie hatten sogar einen winzigen Weihnachtsbaum.

»Nimm das Scheißding da weg, ich will fernsehen«, hatte Papa gesagt, und der Junge hatte den Baum ein Stück weiter vom Fernseher weggerückt, wo sein Vater tagein, tagaus mit seinen Bierdosen und seinen billigen Zigaretten saß.

Es ist am schönsten, wenn Papa nicht da ist, dachte der Junge. Und am allerschönsten wäre, wenn er sterben würde, lieber heute als morgen.

Aber das traute er sich nicht zu denken und schon gar nicht zu sagen.

Jetzt saß er hier mit seiner Mama, aß die Bratwurst, die er so liebte, bewunderte die Kerzen an dem kleinen Baum und fühlte sich glücklich, während im Radio Musik dudelte, von der man beim Sender glaubte, sie würde an Weihnachten erinnern. Aber das alles war nebensächlich. Der Junge war glücklich und fühlte sich geborgen. Und zu Weihnachten wünschte er sich, dass er Papas schwere Schritte auf der Treppe, sein Gerülpse und sein röchelndes, schleimiges Husten nie mehr hören musste.

Irgendwann schlief er auf dem Schoß der Mama ein, während sie still und nachdenklich auf dem abgewetzten Sofa saß. Der Junge schlief immer noch, als später eine Nachbarin vorbeischaute, eine Freundin von Mama. Sie machte zwei Fotos von dem Jungen, wie er auf dem Schoß seiner Mutter schlief. Auf dem einen Foto schaute Mama auf den Jungen, auf dem anderen blickte sie nachdenklich zur Decke. Es war ein Bild des Friedens, der Wärme und der Geborgenheit, als trüge Mama einen kostbaren, zerbrechlichen Schatz auf dem Schoß.

Und das war ihr Sohn auch für sie.

Irgendwann entdeckte der Junge das Polaroidfoto in einem der Schränke. Das Bild, das ihn mit seiner Mutter zeigte, wie er am Heiligen Abend auf ihrem Schoß schlief. Als er das Bild sah, musste er hemmungslos weinen.

Er würde es bis zu seinem Lebensende behalten.